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Oh Boy: Berlin schwarz-weiß

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Tom Schilling stromert als "Niko" durch ein trostloses Berlin - das hat mit dem realen Leben nicht viel zu tun.

Das Berlin, durch das sich Tom Schilling in Jan-Ole Gersters großartigem Schwarzweiß-Film "Oh Boy" einen Tag und eine Nacht lang treiben lässt, hat wenig mit dem gemein, wie diese Stadt sich sonst so oft gibt. In "Oh Boy" ist Berlin traurig, poetisch, melancholisch, schweigsam, ein bisschen angestaubt sogar. So ist auch die kleine Kneipe auf der Friedrichstraße, in der Tom Schilling am Ende des Films strandet. Außer ihm sitzt in der Bar nur noch ein weiterer Gast, gespielt von Michael Gwisdek: ein älterer Trinker, der von seiner Kindheit im Nazi-Berlin erzählt.

Bei der Kneipe, in der diese Szene gedreht wurde, handelt sich um die King Size Bar, und auch sie hat in ihrem echten Leben wenig bis gar nichts mit dem gemein, wie sie im Film dargestellt wurde. Denn die King Size Bar ist niemals, wirklich niemals so leer, normalerweise quetschen sich in dem kleinen, schlauchartigen Raum die schönen, wichtigen, coolen Berlin-Mitte-Menschen zu DJ-Musik aneinander - wenn sie denn den Qualitätsansprüchen des Türstehers genügen und überhaupt hineindürfen. Nur die Whisky-Tumbler, in denen hier alle Getränke serviert werden, sind die selben wie im Film. Fragt man den Barkeeper, ob "Oh Boy" bei den Gästen ein Thema ist, antwortet er: "Manchmal sagt schon einer, dass er die Bar daher kennt." Für weitere Reaktionen wäre sich das typische King-Size-Publikum vielleicht auch zu cool.

Zahltag in Mittelerde

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Ob Neuseeland weiterhin die Heimat der Film-Hobbite sein wird ist unklar. Regisseur Peter Jackson will seine Dreharbeiten nach Osteuropa verlegen.

Es ging um die Identität der neuseeländischen Nation. Deshalb war der Aufschrei groß, als Peter Jackson 2010 infolge eines Streits mit der Gewerkschaft drohte, den Dreh seiner Tolkien-Verfilmung "Der Hobbit" nach Osteuropa zu verlegen. Auf dem Spiel stand nicht nur ein wirtschaftlicher Gewinn von geschätzten 1,5 Milliarden Dollar, sondern auch das Image Neuseelands als "Heimat von Mittelerde". Deshalb schaltete sich Premierminister John Key ein und sicherte nicht bloß großzügige Subventionen zu. Um die Produktion im Land zu halten, veranlasste er das Parlament sogar zu einer Änderung der Arbeitsgesetze.

In kaum einem anderen Land ist die Verknüpfung zwischen Filmen und Tourismus derartig eng wie in Neuseeland. Tourism New Zealand vermarktet das Land unter dem Slogan "100 Prozent Mittelerde, 100 Prozent pures Neuseeland". Und die Fluggesellschaft Air New Zealand zeigt an Bord Sicherheitsvideos, in denen Elben einem Publikum aus Hobbits und Zwergen die Funktion der Schwimmwesten erklären. Ein Gag, den die Fluggesellschaft auch im aktuellen Werbefilm wiederholt.

Seit Neuseeland Anfang der Nullerjahre im Zuge von "Der Herr der Ringe" sein Image neu definierte, haben das Land und seine Tourismusindustrie einen Aufschwung erfahren. Und es scheint, als wiederhole sich dieser Effekt durch die "Hobbit"-Trilogie. Nachdem im Dezember vergangenen Jahres der erste "Hobbit"-Film in die Kinos kam, zählte das Land laut Tourism New Zealand einen Besucherzuwachs von gut zehn Prozent. Insgesamt hätten 8,5 Prozent der Touristen angegeben, dass der Film bei ihrer Reiseentscheidung eine große Rolle gespielt habe. Auch fürs nächste Jahr hofft man auf den Tolkien-Effekt, denn ab nächster Woche ist mit "Smaugs Einöde", dem Mittelteil der Trilogie, weltweit wieder eine mehrstündige Neuseeland-Werbung in den Kinos zu sehen.

"Durch Filme werden Orte emotional aufgeladen. Und wenn man etwas mit emotionalen Inhalten verbindet, hat es gleich einen anderen Stellenwert", begründet Stefan Rösch die Anziehungskraft, die Filme auf Reisende ausüben. Stefan Rösch hat über Filmtourismus promoviert, heute berät er Tourismusorganisationen in Sachen filmtouristisches Marketing. Denn Neuseeland ist kein Einzelfall: Laut dem Marktforschungsinstitut TCI Research haben im Jahr 2012 weltweit rund 40 Millionen Menschen ihre Reiseziele hauptsächlich aufgrund von Filmen gewählt.

Für Stefan Rösch ist es essenziell, zwischen Filmtourismus und Drehorttourismus zu unterscheiden. Filmtouristen lassen sich durch die im Film gesehenen Landschaften und Stimmungen zu einer Reise anregen, Drehorttouristen suchen gezielt die Orte auf, an denen ein Film gedreht wurde. Set-Jetting heißt das im englischen Sprachraum. Und das führt nicht nur dazu, dass Filme Orten eine neue Bedeutung geben, teilweise schaffen sie auch ganz neue Sehenswürdigkeiten. In Neuseeland haben zwischen 2002 und 2012 mehr als 300000 Menschen das Hobbit-Dorf aus Peter Jacksons Filmen besucht, in den Wüsten Tunesiens ziehen die Kulissen von "Star Wars" seit den 1970er-Jahren Touristen an. "Die Orte werden zu postmodernen Pilgerstätten. Wenn ein "Star Wars"-Fan in Tunesien genau an der Stelle steht, wo Luke Skywalker aus seiner Hütte trat, kann das schon eine fast religiöse Erfahrung sein", sagt Stefan Rösch. Von diesem Imagegewinn zehren auch Themenparks, die sich an erfolgreiche Filme anlehnen. Der Movie Park Germany in Bottrop hat sich Filmthemen verschrieben, und in den Universal Studios Florida entstanden ganze Welten im Stil von Harry Potter oder den Simpsons. "Der Fluch der Karibik", eine der erfolgreichsten Filmreihen der vergangenen Jahre, beruht auf einem Disneyland-Fahrgeschäft - das seinerseits wiederum an die Filme angepasst wurde.

Dass Geschichten unsere Reiseentscheidungen beeinflussen, ist kein neues Phänomen. "Wenn man an die Ursprünge des Tourismus zurückdenkt, steht da die Grand Tour. Damals reiste man an die Orte der klassischen Bildung, heute rücken an deren Stelle immer stärker Filme", sagt Stefan Zimmermann, Geograf an der Universität Frankfurt, der sich seit mehr als zehn Jahren mit dem Phänomen Filmtourismus befasst. "Die Vermischung von Realität und Fiktion ist ein ganz wesentlicher Faktor bei dieser Form des Reisens", sagt Zimmermann. Deshalb bleibe es oftmals nicht beim bloßen Besuch von Filmorten. Touristen versetzten sich auch in die Rollen ihrer Helden. Neuseelandurlauber in Hobbit-Kostümen sind dabei noch die harmlosere Variante. Zum zweiten Teil der "Tribute von Panem"-Reihe, dem anderen großen Blockbuster dieses Winters, offeriert der amerikanische Anbieter "The Hunger Games"-Wochenendtrips für Fans. Die Touren beinhalten nicht bloß den Besuch von Drehorten, sondern auch Training im Bogenschießen und in Überlebenstechniken. Wie im Film treten die Teilnehmer zum Kampf gegeneinander an - hier allerdings geht es nicht um Leben und Tod.

Der Effekt von Filmen ist schwer zu messen, kann aber beachtlich sein. Nachdem Steven Spielberg 1977 in "Unheimliche Begegnung der dritten Art" Aliens auf dem Felsen Devil"s Tower in Wyoming landen ließ, stiegen dort die Besucherzahlen von 150000 auf 270000 pro Jahr. Alnwick Castle in Northumberland konnte einen Besucherzuwachs von 230 Prozent verbuchen, nachdem es in den "Harry Potter"- Filmen als Zauberschule Hogwarts firmierte, die Mehreinnahmen werden auf neun Millionen Pfund beziffert. Und laut Tourismus Salzburg ist der Musicalfilm "The Sound of Music" von 1965 immer noch jedes Jahr für 300000 der rund 1,4 Millionen Besucher der Hauptgrund ihrer Reise - insbesondere für Touristen aus den USA.

Noch stärker ist dieser Effekt laut Zimmermann bei Serien: "Wenn eine Serie über sechs bis sieben Staffeln läuft, haben wir viel mehr Zeit, die Figuren und die Orte kennenzulernen." Das spiegele sich in touristischen Angeboten wider. In New York lassen sich zwischen Shopping und Cocktails die Schauplätze von "Sex and the City" besuchen, im benachbarten New Jersey macht die "Sopranos"-Tour im Stripclub halt. In Nordirland werden Touren zu den Drehorten von "Game of Thrones" angeboten, in Kopenhagen kann man sich auf die Spuren von Kommissarin Lund begeben.

Wie nachhaltig die Tolkien-Verfilmungen das Image Neuseelands geprägt haben, zeigt sich nicht nur am Einfluss der Filmproduktion auf die Arbeitsgesetze des Landes. Als Barack Obama auf Staatsbesuch nach Neuseeland kam, brachte er das Schwert mit, das der Hobbit Frodo in "Der Herr der Ringe" trägt, und überreichte es Premierminister John Key als Gastgeschenk. Ganz so, als sei der US-Präsident nicht auf Staatsbesuch in Neuseeland, sondern am Hofe eines Königs aus Mittelerde.

Milliardenstrafe für Banken

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Die Gier von Mitarbeitern in den Handelsabteilungen internationaler Großbanken hat zur Aufdeckung eines der größten Finanzskandale geführt. Weil zügellose Händler per Kurznachricht und E-Mail einander heimlich Daten mitteilten, kamen die Wettbewerbshüter der EU-Kommission streng verbotenen Kartellabsprachen von Bankern auf die Spur. Sie hatten internationale Referenz-Zinssätze manipuliert, an denen sich eine Vielzahl von Finanzverträgen orientieren - beispielsweise bei Hypothekenkrediten oder Investmentpapieren.



Rotes Licht für die Deutsche Bank. Die Eu-Kommission verhängt hohe Bußgelder.

EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia verhängte an diesem Mittwoch Bußgelder von insgesamt 1,71 Milliarden Euro, so viel wie niemals zuvor in diesem Bereich. Almunia zufolge sprachen sich über mehrere Jahre zwei Händlerringe mit insgesamt acht Banken ab. Sechs von ihnen müssen jetzt Bußgeld zahlen, darunter sind die US-Großbanken JP Morgan und Citigroup. Die Schweizer UBS und die britigsche Barclays nutzten die Konzeugenregelung und gingen straffrei aus. Die Deutsche Bank muss mit 725Millionen Euro die höchste Strafe zahlen.

Europas oberster Wettbewerbshüter sagte, der Fall sei "noch lange nicht am Ende". Die Ermittler hätten von den Kronzeugen neue Informationen, die geprüft würden. Zudem liefen weitere Ermittlungen in anderen Fällen. Der Kommissar nannte die Kartellabsprachen "schockierend". Der von den Banken nach der Finanzkrise 2008 angekündigte Kulturwandel sei ausgeblieben. Damals mussten Geldhäuser mit einem vierstelligen Milliardenbetrag an Steuergeld gerettet werden.

Almunia sagte, er habe "jeglichen naiven Glauben" in die Branche verloren. In einer Nachricht soll ein Händler auf einen konkreten Vorschlag, wie der Zinssatz an dem Tag aussehen soll, geantwortet haben: "Wenn du das machst, komm" ich rüber und mach" Liebe mit dir." Ein anderer bot einen Ferrari als Dankeschön für Manipulationen an. Diese Fälle seien "einige der empörendsten, die wir je gesehen haben", sagte Almunia. Finanzgeschäfte dienten nicht dazu, die Wirtschaft zu finanzieren, "sondern Gewinne der Banken und Boni der Händler zu steigern" - zulasten von Kunden und anderer Banken. Die Zinssätze beeinflussen Geschäfte im Volumen von rund 500 Billionen Dollar.

Die Deutsche Bank bezeichnete den Vergleich als wichtigen Schritt, um Altlasten zu bereinigen. "Wir werden alles tun, um sicherzustellen, dass sich diese Art von Fehlverhalten nicht wiederholt", sagten die Co-Vorstandschefs Jürgen Fitschen und Anshu Jain. Die Bank investiert etwa eine Milliarde Euro, um IT-Systeme und Kontrollen zu verbessern. Dafür sollen zusätzliche Mitarbeiter eingestellt werden. Die Erhebung der Zinssätze überprüft eine neu eingesetzte interne Kontrollkommission.

Das Europäische Parlament fordert, die Referenz-Zinsen unabhängig prüfen zu lassen. "Die künftige Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank wäre eine solche unabhängige Behörde", sagte CSU-Finanzexperte Markus Ferber. Auch die Grünen um Sven Giegold fordern "eine unabhängige Kontrolle".

WG mit Oma

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Es sei ja nicht so, dass sie überhaupt keine WG-Erfahrung mitbringe, sagt Inge Ulrich fast ein bisschen empört, natürlich habe auch sie schon mal in einer Art Wohngemeinschaft gelebt. Ein Jahr lang, es müsse 1944 gewesen sein, auf der Hebammenschule in Hamburg, "sechs junge Frauen in einem schmalen Zimmer".



Inge ist froh wieder einen starken Mann in ihrem Haus zu haben. Und auch sonst läuft das Wg leben zwischen der 87 Jährigen und dem 24 Jährigen wie von selbst.

Heute lebt Inge Ulrich, 87, bald 88, in einem großen, verwinkelten Haus in Konstanz, es sind nur ein paar Meter hinunter zum Bodensee. Das Haus erzählt vom kleinen Glück zweier Menschen, auch wenn einer von ihnen, Inge Ulrichs Mann, vor vier Jahren gestorben ist. Da sind die beiden Schreibtische, die sich gegenüber stehen, damit sich Herr und Frau Ulrich anlächeln konnten, wenn sie mal aus den Steuerordnern aufschauten. Da sind die beiden Schlafzimmer, die das Ehepaar irgendwann brauchte, damit sie schlafen konnte, wenn er mal wieder heftig schnarchte. Die Betten stehen immer noch Wand an Wand, die Ulrichs haben sich mit Klopfzeichen gute Nacht gesagt und guten Morgen. Inge Ulrich sagt: "Es ist ein anderes Leben jetzt."

Sie kann ihr Leben, ihre Leben, nachlesen in ihren Tagebüchern, jeden einzelnen Tag seit 1947. Gut, bis auf zwei Wochen in den Siebzigern, da hat sie mit Steno experimentiert, das kann sie inzwischen kaum mehr entziffern. Vor sechs Wochen hat sie jedenfalls ein neues Kapitel begonnen, es gibt jetzt wieder zwei Menschen in dem Haus am See.

Vor sechs Wochen ist Johann Lutterodt hier eingezogen, er ist 24, ungefähr so alt wie Inge Ulrichs Enkel. Nun sitzen die beiden Mitbewohner in der Küche ihres 450 Jahre alten Bauernhauses, die Holzdecke hängt gemütlich tief. Zu tief fast, wenn man 1 Meter 94 groß ist so wie Lutterodt.

Das Schicksal und das Studentenwerk der Universität Konstanz haben da zwei Wege, die sich eigentlich nicht kreuzen dürften, unter einem Dach zusammengeführt: Die feine ältere Hanseatin, die anschaulich erzählen kann, wie sie sich einst vor tieffliegenden englischen Spitfires unter Apfelbäume rettete. Und der kräftige junge Informatikstudent mit den kräuselnden Haaren, der in Ghana aufgewachsen ist und zu Fusseln "Mutzeln" sagt, weil seine Mutter aus Dresden stammt, wo das so üblich ist. "Mutzeln", wiederholt Inge Ulrich, "das hatte ich ja noch nie gehört".

Sie sei froh, dass sie wieder "einen starken Mann" im Haus habe, sagt Inge Ulrich und funkelt ihren Mitbewohner an, als wäre sie noch auf der Hebammenschule in Hamburg. Einmal ist ihr Türschloss aufgebrochen worden, seitdem hängt eine Schiffsglocke in der Küche, mit der könnte sie Alarm schlagen. Muss sie aber gar nicht mehr: "Wenn so ein Einbrecher Herrn Lutterodt sieht, wird er schön wieder gehen."

Es gibt mittlerweile viele Formen von praktischem Zusammenleben, es gibt Alten-WGs, Schwule-Alten-WGs, WGs von Menschen mit und ohne Behinderung. Und es gibt Mini-Generationenhäuser wie die WG Ulrich/Lutterodt in Konstanz. Das funktioniert vielerorts in Deutschland, solange die Angehörigen nicht erwarten, dass der junge Mitbewohner den Pflegedienst ersetzt. "Wohnen für Hilfe", nennt sich das Angebot des Studentenwerks Seezeit, bisher wurden sieben Alt-Jung-WGs vermittelt . Studenten, die bei Senioren einziehen, erhalten für jede Stunde Alltagshilfe zehn Euro Rabatt auf die Monatsmiete.

Johann Lutterodt und Inge Ulrich zählen nicht so genau mit, "das ergibt sich alles von selbst", sagt Lutterodt. Er fegt Laub und schiebt sicher bald Schnee; er geht mit seiner Mitbewohnerin spazieren und für sie einkaufen. Manchmal, wenn der Gemüsewagen von der Insel Reichenau da war, findet er aber auch selbst ein Bündel Karotten vor der Tür zu seinem Einliegerapartment. Und einen Zettel von Inge Ulrich: "Ein paar Vitamine müssen auch sein!"

Das Ganze sei die Idee ihres Sohnes gewesen, sagt Inge Ulrich, "der wollte nicht, dass ich allein bin". Lutterodt hatte den Tipp vom Studentenwerk, er war froh, dass er die Zimmersuche abkürzen konnte - und das "ohne das WG-Casting, das man sonst überall überstehen muss". Sie haben es einfach miteinander probiert, und bislang hat es keiner bereut. Abends holt Inge Ulrich ab und an eine Flasche Portwein aus ihrer "Minibar", die Minibar ist ein hölzerner Kinderwagen mit einem Griff aus Porzellan. Dann erzählt sie von den Spitfires und Lutterodt von der Uni.

Der Junior hat etwas vor mit der Hausältesten, Inge Ulrich weiß nicht, ob ihr das gefallen soll. "Ich möchte Sie an Computer heranführen", sagt er bei einem Gläschen Portwein. "Mich alte Frau?", ruft sie. "Irgendwann muss auch genug sein mit Lernen." Er malt ihr dann aus, wie simpel so ein IPad zu bedienen sei und dass sie bei Facebook immer sehen könnte, was ihr Enkel gerade so in Indien treibt. Inge Ulrich berichtet ihm im Gegenzug, wie irre laut die Olivetti-Rechenmaschine gewesen sei, die sie im Citroen-Autohaus ihres Mannes hatte. Die letzte Entwicklung, die sie mitgemacht habe, sei der Taschenrechner. "Das ist doch schon mal gut", sagt Lutterodt.

Inge Ulrich hat mal darüber nachgedacht, einen Hund anzuschaffen. "Ich habe Angst vor Hunden", sagt Lutterodt. "Na so was", sagt Inge Ulrich. Lutterodt: "Katzen sind okay." Ulrich: "Die zerkratzen alles."

Man ist sich nicht immer einig in so einer WG, das gehört dazu. Aber ernsthafte Probleme? "Ach", sagt Inge Ulrich und denkt eine ganze Weile nach. Eine Sache falle ihr vielleicht ein, aber das sei eigentlich auch überhaupt nicht schlimm gewesen. Gleich nach dem Einzug habe ihr geschätzter Mitbewohner mal drei Tage lang die Waschküche blockiert. Man müsse einfach nur alles aussprechen, dann ließe sich alles regeln, sagt Inge Ulrich. Genau, sagt Johann Lutterodt: "Wir sind doch beide erwachsen."

"Uns sind die Hände gebunden"

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Ein Lehrer lädt im Internet Kinderporno-Dateien herunter, wird verurteilt - und darf trotzdem weiter unterrichten. So hat das Verwaltungsgericht Hannover entschieden und damit die Forderung der Landesschulbehörde abgewiesen, die den Pädagogen entlassen wollte. Nun muss der 52-Jährige lediglich seinen Posten als stellvertretender Schulleiter abgeben und Abstriche bei seinem Gehalt machen. Als Realschullehrer darf er aber an seine Schule zurückkehren.



Ein Lehrer der Kinderpornos herunterläd darf weiter unterichten.

Der verheiratete Mann war 2011 ins Visier der Interpol-Ermittler geraten, weil er sich Hunderte Kinderporno-Dateien auf seinen Privatcomputer geladen haben soll. Die Kriminalpolizei Hannover erstattete schließlich Anzeige, im Oktober vergangenen Jahres verurteilte das Amtsgericht Springe den 52-Jährigen dann "wegen der Sich-Verschaffung und des Besitzes von kinderpornografischen Schriften" zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen. Der Lehrer verließ daraufhin die Schule, und die Landesschulbehörde klagte auf Entlassung aus dem Schuldienst. Begründung: Der Verurteilte habe das Ansehen der Schulbehörde "beschädigt und das Vertrauensverhältnis sei zerstört".

Die Verwaltungsrichter haben nun anders entschieden. Zwar habe der 52-Jährige "elementare Rechte gerade derjenigen Personengruppe verletzt, deren Schutz und Erziehung ihm als Dienstpflicht obliegt", doch bewege sich die Schwere der Straftat am unteren Rand. Außerdem, argumentierten die Richter, sei der Lehrer in der Vergangenheit disziplinarrechtlich nicht aufgefallen und habe "sich mit besonderem Engagement seiner beruflichen Tätigkeit gewidmet".

Nach dem Urteil hat die Landesschulbehörde angekündigt, keine weiteren rechtlichen Schritte zu unternehmen: "Uns sind die Hände gebunden", sagte ein Sprecher des niedersächsischen Kultusministeriums am Mittwoch gegenüber der SZ. Die Erfahrung aus ähnlichen Fällen zeige, dass eine Klage in der nächsten Instanz keine Aussicht auf Erfolg habe.

Fünf Songs für den Donnerstag

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Ceo - Whorehouse 

http://www.youtube.com/watch?v=GjnHgWiTBDM 

So richtig geläufig war uns der Name nicht mehr, aber der Schwede Ceo geisterte schon mal mit einer Kombo namens „The Tough Alliance“ in den Indietronic-DJ-Taschen herum. Und jetzt das: ein Berg aus scharfkantigen Samples, die sich urplötzlich zu einem Refrain zusammenschieben, wie ihn die Sugababes nicht zuckerwattiger hätten schreiben können. Her mit dem Hubba Bubba!    

Ry X - Berlin
 

http://vimeo.com/80548281 

Wer diesen Song bislang nur aus der hübschen Fernsehwerbung kennt, mag so überrascht sein wie wir: Im Video sitzt man plötzlich in Reiterstellung auf diesem haarigen Mann. Wir hätten ihm und seinem fröstelnden Nacki-Mädchen ja lieber zwei Bademäntel spendiert als das zu sehen - aber gut klingen tun die Zupfgitarre und die kraftvolle Kopfstimme natürlich trotzdem.

Blood Orange – Uncle Ace 

http://www.youtube.com/watch?v=iMZwvjYyyUA 

Der zugehörige Langspieler von Blood Orange ist schon längst überall Platte des Monats, aber bevor wir’s hier gar nicht erwähnt haben: Dieses Lied versammelt in vier Minuten alles, was diesen Typen und sein Album so fabelhaft macht. Funkgitarren. Kitschiges Sex-, äh, Saxofon. Und in jedem Takt ein kleiner Tropfen Discoschweiß von Prince.

Sido feat. Genetikk & Marsimoto - Maskerade 

http://www.youtube.com/watch?v=ooU-4RP0Oig 

Ob Papa-Rapper Sidos Comeback mit Weihnachtsmannbart nun gelungen oder doch irgendwie unnötig ist, sollen andere klären – bei dieser Single ist er wenigstens ganz bei sich selbst: Nackenschellen, Plattenbauten, Mummenschanz. Und endlich fliegen mal wieder Hundertschaften von Armen vor dem Weitwinkel-Objektiv herum.

WhoMadeWho - The Morning

http://soundcloud.com/whomadewho/whomadewho-the-morning-album

Als Münchner ist man ja immer ein bisschen stolz, dass diese Disco-Dänen anno dazumal von unserem Gomma-Label entdeckt wurden. Die nagelneue Single zeigt aber, dass sie ihre Schwabinger Indiedance-Phase offenbar weggehäutet haben: Da schmiert der Autotune, da hallt die Stimme, da knallt der Bass nach 16 Takten in die Flächen. Na servus, werden die jetzt erwachsen? Von uns aus gerne!

Sturm, Schnee & Schietwetter

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Leben, wo andere Urlaub machen. Immer eine frische Brise um die Nase, das Haus fünf Minuten vom Strand entfernt, Meer, soweit das Auge reicht. Ein typischer Kurort an der Ostseeküste in mecklenburg-vorpommerischer Idylle. Da trüben selbst Unwetter meine Kindheitserinnerungen nicht.



Sturm, Hitze oder Regen: wenn Naturgewalten wüsten, stehen Menschen ihnen oft hilflos gegenüber.

Wenn die Buhnen und Dünen nicht mehr das Wasser aufhielten, stampften wir als Kinder in Gummistiefeln durch die plietschnassen Straßen – während die Touristen in ihren Hotelzimmern über den vergeigten Sommerurlaub schimpften.

Naja, das Wasser stand mir wohl als Lütte nur bis zum Knie und nur wenige Nachbarn mussten eimerweise Wasser aus ihren Kellern schöpfen. Jahre später, in meinem Erwachsenenleben, ist die Wahrnehmung eine andere: Hochwasser 2011. Greifswald steht still. Unterführungen sind überflutet, Straßen geschwemmt, weder mit Bus noch Fahrrad geht es voran. Ungeduldig warte ich auf die Rückkehr des sonst so verhassten Alltags. Der dafür aber wenigstens eine funktionierende Infrastruktur besitzt.

Besorgt wartet nun Deutschland auf „Xaver“, der mit bis zu 200 Sachen über den Norden fegen soll. Im Bahn- und Schiffsverkehr drohen erhebliche Einschränkungen. In Niedersachsen fällt zum Teil der Schulunterricht aus. Menschen sind dazu aufgerufen, Kellereingänge, Fenster und Türen zu schützen.  

Faszinierend, wie Naturgewalten ganze Landstriche, Straßen und Städte lahm legen können, wie sie das Leben verlangsamen, wie sie aber auch ein Gefühl von Gemeinschaft entfachen. Etwa dann, wenn tausende Freiwillige inmitten eines Hochwassers Essen und Trinken besorgen, Sandsäcke schleppen oder Spenden organisieren. Oder auch, wenn sich auf Twitter ein Shitstorm über voll besetzte Züge der Bahn im Sommer bei 35 Grad ohne Klimaanlage entwickelt.

Hast du schon etwas Ähnliches erlebt? Hast du an Heiligabend mit hundert Anderen an überfüllten Bahnhöfen gebibbert, weil Züge ausfielen? Hast du tagelang in einer Berghütte eingeschneit festgesessen? Oder im Stau auf der Autobahn bei frostigen Minusgraden gestanden, während sich die Tankanzeige gegen Null biegt? Was ist dein schlimmstes Wettererlebnis?

Wer soll das bezahlen?

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Ich kann mir schon denken, was Sebi gleich in seinem Part zu Protokoll geben wird: „In Gelddingen ist Nadine halt eine echte Schwäbin.“ So einfach werde ich es ihm aber nicht machen! Nachdem Sebi seit letzter Woche täglich triumphiert, dass die „Counter Strike“-Lobby inzwischen sogar den bildungsbürgerlichen jetzt-Kosmos unterwandert hat und ich deswegen bei den Lesern voll unten durch bin, kann es nicht angehen, dass er nun die nächste Folge nutzt, um sich als sympathisch-kauzigen Tagträumer und mich als geizige Schwäbin darzustellen. Zu dieser Einschätzung kann ich nämlich eines sagen: Sebi kennt die echten Schwaben nicht!  

Die Alteingesessenen im Dorf meiner Eltern halten mich genaugenommen für einen schwäbischen Totalausfall. Als ich anfing, Filmwissenschaft und Philosophie zu studieren, sagte jemand aus dem Kirchengemeinderat zu meiner Mutter: „Da däd i moim Kend oina an d' Gosch naschlaga [In diesem Falle würde ich meinem Kind aber etwas husten].“ Während ihr Nachwuchs bereits eifrig eigene Häuser im selben Dorf baute, stellten die Leute aus dem Neubaugebiet gewagte Thesen darüber auf, dass ich wohl niemals eine Familie haben würde. Und die Runzeln auf der Stirn meines Sparkassen-Beraters Herr Klaus wurden nach jeder weiteren Frage auf seinem Fragebogen tiefer: „Haben Sie einen Bausparvertrag?“, „Wann wollen Sie heiraten?“, „Wie hoch wird Ihr monatliches Einkommen sein?“ Nein, ich hatte keinen Bausparvertrag. Ein Kästchen für „Ich kann nicht heiraten, weil mein Freund Bindungsangst hat“, war auf dem Bogen nicht zu finden. Und was mein monatliches Einkommen betraf, so konnte das künftig zwischen 45.000 Euro (falls ich ein Drehbuch verkaufe) und 0 Euro (falls ich keines verkaufe) schwanken. Verzweifelt füllte Herr Klaus den Bogen am Ende selbst aus und prophezeite mir, für meine Zukunft sähe es schwärzer als schwarz aus.  





Wenn Sebi behauptet, dass ich eine knallharte Schwäbin bin, dann kann das nur daran liegen, dass er im Raster der Schwaben nicht einmal mehr auftauchen würde. Sebi ist wirklich ein sympathisch-kauziger Tagträumer. Das wusste ich spätestens, als er geheimnisvoll grinsend nach Hause kam und mir zuwisperte, er hätte einen Bankautomaten entdeckt, der ihm jedes Mal, wenn er 50 Euro abhob, 50 Euro mehr auf das Konto buchen würde. Zu diesem Automaten schlich er sich dann regelmäßig, bis er feststellte, dass er das Minus vor dem Kontostand übersehen hatte. Dass ich automatisch ein geiziger Dagobert sein soll, weil ich nicht dermaßen verpeilt bin, ist eindeutig ein Fehlschluss.  

Der Unterschied ist: Sebi macht es meistens von Vorneherein falsch, ich versuche wenigstens, es richtig zu machen, scheitere am Ende aber trotzdem. Unter anderem deshalb, weil ich eigentlich nie etwas verliere – außer Zettel. So notiere ich zwar immer fleißig die Beträge, die wir für Einkäufe, Sprit und Essengehen ausgeben, um sie später durch Zwei zu teilen. Im Moment der Auszahlung ist der Zettel aber jedes Mal wie vom Erdboden verschluckt und keiner kann sich mehr daran erinnern, was draufstand. Da unter anderem auch der Zettel über unsere Umzugskosten verschwand, fehlen mir inzwischen vermutlich mehrere hundert Euro. Und als wir unsere Finanzen wenigstens durch die Pfandzettel unserer Einweihungsparty aufbessern wollten, hatte ich diese zwar ordentlich gesammelt und aufbewahrt, hielt sie noch auf der Rolltreppe zum Kaufland fest in der Hand; als wir an der Kasse standen, waren sie aber nicht mehr zu finden.  

Sollten Sebi und ich mal ein gemeinsames Konto haben, würde das vermutlich so enden: Er würde es mit unverständlichen Käufen ständig überziehen und ich würde, wenn ich ihm seinen Fauxpas vorhalten wollte, auf dem Heimweg den Kontoauszug verlieren.  

Auch bei der privaten Altersvorsorge wollte ich mal wieder alles richtig machen, um die schwärzer als schwarze Zukunft abzuwenden und schloss mit Herrn Klaus einen Vertrag ab. Seit 2011 zahle ich jeden Monat 30 Euro ein und erhalte nun jedes Jahr einen Rentenbescheid mit ernüchterndem Inhalt: Meine Rente beginnt am 12.03.2053 um 12 Uhr mittags. Ich kann mir zu diesem Zeitpunkt entweder 660 Euro in bar auszahlen lassen – oder bekomme jeden Monat 2 Euro und 56 Cent Rente.  

Wenn Sebi bis 2053 seine Bindungsangst überwindet, kommt ja vielleicht auch noch was von seiner Rente dazu. Im Gegenzug werde ich ihm dann jeden Monat eine Packung Mango-Curry-Käse spendieren. 

[seitenumbruch]Uns Studenten sagt man ja gemeinhin nach, dass wir sehr arm seien. Und in den allermeisten Fällen stimmt das auch. Vor allem bei mir. In meiner ersten eigenen Wohnung fiel mir erst Mitte Dezember auf, dass die Heizung gar nicht ging, da ich bis dato viel staubsaugte, um so kein Geld fürs Heizen ausgeben zu müssen. In meiner zweiten Wohnung meldete ich eine "eheähnliche Lebensgemeinschaft" mit meinem Mitbewohner Moritz, weil ich kein Geld für die Gebühren hatte, und in meiner WG-Zeit in Ludwigsburg entdeckte ich einen Geldautomaten, der einem das Geld nicht abzog, sondern draufrechnete. Aber nur vermeintlich. Armut und Studentenleben, das trifft sich also ganz gut. Nur Nadine macht da irgendwie eine Ausnahme. Es ist zwar leider nicht so, dass sie das Glück einer weit entfernten, wohlhabenden und dennoch wohl gesonnenen Erbtante gehabt hätte, aber dafür hat Nadine drei Jobs und ist Schwäbin.  

Ohne Vorurteile und Klischees aufwärmen zu wollen, kann man sich der logischen Argumentation nicht entziehen, dass, wenn Schwaben nach eigener Aussage ja alles können (außer Hochdeutsch) und wenn die Fähigkeit des Sparens sicher unter der Kategorie alles zu finden sein wird, logisch nichts anderes zulässig ist, als dass Schwaben sparen können.  

Ganz im Gegensatz zu mir. Seitdem ich im Alter von zarten 18 Jahren mein erstes eigenes Gehalt in Händen hielt und erstaunt feststellte, dass es sich um eben jenen Betrag handelte, für den ich meine ersten 12 Lebensjahre eisern gespart hatte, kam mir das mit dem Sparbuch und den Lollis an den Weltspartagen plötzlich schrecklich sinnlos vor. Die Folge: Der Beginn eines Lotterlebens, das dann am Schluss in oben geschilderter studentischer Armut endete.  

Es führt bisweilen zu komplizierten Situationen, wenn so unterschiedliche Finanz - und Lebemenschen aufeinander treffen. Da wäre zum Beispiel das wöchentliche Einkaufen. Während Nadine abwägt, wie viel Streichkäse man unter Berücksichtigung des Haltbarkeitsdatums zu zweit in der Zeit einer Woche wohl verstreichen kann, habe ich meist schon drei verschiedene "exotische" Geschmacksrichtungen in den Wagen gepackt, die mich zwar für den Moment alle sehr interessieren, aber schon beim ersten Versuch an der Eignung einer "Mango-Curry-Creation" als Streichkäsezutat zweifeln lassen. Ob ich jetzt das Geld dafür habe, gleich drei Käsevariationen kaufen zu können, daran denke ich frühestens an der Kasse, wenn ein bedrohlich vielstelliger Betrag meinen Einkauf krönt. Und spätestens, wenn Nadine noch Wochen später mit sichtlicher Mühe Mango-Curry Brote isst, damit wir das Geld nicht zum Fenster rausgeworfen haben.  

In diese vorgespannte Situation um Streichkäseverbrauch und Kontostände fällt nun ausgerechnet jene Kaufentscheidung, die schon Generationen von Paaren auseinandergetrieben hat: Die Wahl eines neuen Fernsehers! Bisher gibt es in unserem nun gemeinsamen Wohnzimmer eine gute alte Röhre mit einer beachtlichen Diagonalen von 36 Zentimetern. Und Nachdem uns unsere Dozenten an der Filmhochschule nun schon mehrfach darauf hingewiesen hatten, dass in unseren eigenen Filmen so viele Großaufnahmen vorkämen (wir machen das, damit wir zu Hause wenigstens in unseren eigenen Filmen was erkennen können), sollte es also nun an der Zeit sein, in einen neuen großformatigen Fernseher zu investieren. Während ich also über Tage Testberichte studiere, mich durch Kundenrezensionen plage und am Ende ein Modell für 600 Euro vorschlage, kommt Nadine mit einer Alternative aus dem Angebot des örtlichen Kauflandes: Warum man einen Fernseher für 600 Euro bräuchte, wenn dort Geräte für 150 Euro stünden? Ich erkläre also von Auflösungen, Anschlüssen, Kompatibilitäten, um am Ende zu hören, dass es im Hause Gottmann schließlich Sitte sei, den jeweils aktuell teuersten Fernseher zu kaufen und dann trotzdem über Jahre im falschen Bildformat zu gucken. Und da muss ich eingestehen, dass sie Recht hat und dass mit mehr Geld nicht automatisch eine Verbesserung der Lebenssituation eintreten muss.  

Ich versuche seitdem jedenfalls meine Käse-Variationen zu essen, bevor sie der Zahn der Zeit holt. Aber in der Sache mit dem Fernseher, da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!

sebastian-hilger

Wie das Internet...Flaschen spült

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Das Problem:
Deine Eltern sind zu Besuch und du hast dir echt viel Mühe gegeben alles in der Wohnung aussehen zu lassen als seiest du kein verlotterter Student, der keine Ahnung von Haushalt hat. Jetzt beweist du ihnen, dass sie sich die bemutternden Kommentare (Das blaue Hemd bloß nicht in die Kochwäsche) sparen können. Nachdem du das Abendessen mit Bravur bestanden hast, musst du nur noch schnell abwaschen. Als du bei der Karaffe, in der du ganz erwachsen den Wein serviert hast, angekommen bist, gerätst du ins Stocken. Weder deine Hand noch die extra gekaufte Spülbürste passt durch den dünnen Flaschenhals. Ein zufriedenes Lächeln breitet sich im Gesicht deiner Mutter aus und du hörst sie sagen: „Kind, lass mich mal...“  

Die Lösung:
Du bedankst dich bei deiner Mutter für das Angebot dir zu helfen und sagst ihr, dass du da einen super Trick entdeckt hast, den sie auch unbedingt mal ausprobieren muss. Bei Amazon gibt es nämlich „Reinigungsperlen“ für knapp zehn Euro zu kaufen, mit denen das ganz einfach gehen soll. Die Kommentare unter der Produktbeschreibung verraten dir aber, wie es auch preiswerter funktioniert. Souverän holst du also eine Packung Reis aus dem Schrank. Zusammen mit etwas Wasser füllst du den Reis in die Karaffe und schüttelst sie solange, bis sämtliche Rückstände verschwunden sind. Durch die Reibung der Reiskörner, wird das Gefäß von innen gesäubert und deine Mutter – die ist sprachlos.

Mag (d)ich!

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Anna Deutsch ist Single, zum ersten Mal seit langer Zeit. Darum beschäftigt sie sich gerade viel mit Flirten und bevorzugt dafür Bars und Clubs anstatt sich bei Online-Datingplattformen anzumelden. Sie hat allerdings festgestellt, dass sich das Online-Flirten trotzdem in ihr Leben schleicht, und darüber einen Text für die „Elle“ geschrieben. Anna erzählt darin, wie sie einen netten Barkeeper kennengelernt hat und wie sie sich dann gegenseitig auf Instagram folgten. Kurze Zeit später meldete ihr Handy, dass besagter Barkeeper einige ihrer Fotos geliked hat, vor allem solche, auf denen sie selbst zu sehen war, und vor allem auch welche, die schon sehr alt waren.

Der Mann hat sich also die Mühe gemacht, sich alle 850 Fotos anzuschauen, die Anna bisher bei Instagram hochgeladen hat, und den schönsten davon per Doppeltipper mit dem Daumen ein Herz zu schenken. Anna hat für dieses digitale Komplimentieren ein eigenes Wort erfunden: „Deep Liking“ nennt sie es – weil der Likende so tief in das Profil des anderen vorgedrungen ist.  



"Ich mag dein Foto" kann auch "Ich mag dich" bedeuten.

Bisher nannte man Interaktionen dieser Art schlicht: Stalking. Und meinte damit nicht das echte, schlimme, ich-ruf-dich-nachts-an-steh-vor-deiner-Tür-und-lauere-dir-auf-Stalking, sondern das Netzwerk-Profile-Stalking. Das kennt jeder, der eine Person interessant oder komisch, klug oder blöd findet, und diesen Eindruck mit der Selbstdarstellung dieser Person abgleichen möchte. Schnell gerät man dann in eine Art Scroll-Trance. Wenn das Liken dazukommt, und vor allem, wenn man dabei im Dezember ein Foto aus dem Juni mit „Like“ markiert, dann macht man das mit Kalkül. Denn die Meldung „XY mag dein Foto“ hebt sich nur dann von allen anderen Meldungen dieser Art ab, wenn es sich dabei um ein Foto handelt, das eigentlich schon längst vom Strom des digitalen Vergessens mitgerissen wurde. Die Meldung sagt dann: „Hallo XY, Z interessiert sich für dich. Er hat nicht nur angeschaut, was von dir zufällig in seine Timeline geraten ist, sondern alles, was du jemals geschrieben und hochgeladen hast.“

Deep Liking muss nicht immer gleich Flirten sein, manchmal ist es auch eine einfache Sympathiebekundung. In jedem Fall aber ist es, wenn es sich zwischen zwei Menschen abspielt, die sich prinzipiell zugetan sind, eine schmeichelhafte Geste. Und dabei ganz leicht und unverbindlich. Anna Deutsch zitiert in ihrem Text Robert Weiss, der ein Buch über die Effekte von Technologie und Internet auf Sex, Intimität und Beziehungen geschrieben hat. Weiss nennt die sozialen Netzwerk-Profile „eine risikoarme Art persönlicher Interaktion“, ein Like zu verteilen sei für beide Seiten unverbindlich und jeder führe diese Aktion in seinem eigenen Raum und Zeitrahmen aus. Man muss sich dafür nicht sehen, nicht verabreden, nicht miteinander sprechen. So kann man das Flirten in die Arbeit oder die Bahnfahrt integrieren, ganz nebenbei und unaufwendig. Das passt gut dazu, wie wir auch sonst mittlerweile gerne Dinge tun: intuitiv, schnell, gleichzeitig.  

Allerdings ist Deep Liking auch öffentlich. Freunde und Follower können sehen, wenn Z viele Fotos von XY liked. Manchmal ist das sicher gewollt. Der Junge, der auf Facebook alle Profilbilder seiner neuen Freundin liked, möchte vielleicht auch, dass jeder weiß, dass diese beiden nun zusammengehören. Die Öffentlichkeit birgt aber auch viel Raum für Eifersüchteleien und übereifrige Interpretationen. Anna Deutsch erzählt von einer Freundin, die eifersüchtig wurde, weil sie gesehen hat, dass der Mann, mit dem sie ausging, auf Instagram Fotos einer anderen Frau geliked hat. Seitdem schaut sie immer deren Bilder durch, um zu sehen, ob er dort immer noch Herzchen verteilt, „obwohl das wahrscheinlich gar nichts bedeutet“. In diesem Fall ist es vorbei, mit der schönen Unverbindlichkeit. Die Menschen neigen eben dazu, zu deuteln und zu grübeln, wenn es um Mögen und Nichtmögen geht.  

Zum Schluss denkt Anna Deutsch noch darüber nach, dass alle ihre Beziehungen mit den damals aktuellen Kommunikationsmittel verschmolzen sind. Mit ihrem ersten Freund schrieb sie SMS, mit dem zweiten kommunizierte sie über Facebook, jetzt verteilt sie „Deep Likes“ auf Instagram. Trotzdem, schreibt sie, würde sie es bevorzugen, süße Barkeeper weiterhin in einer Bar zu treffen – „but that’s just me“.

Aber da liegt sie falsch. Das geht sicher nicht nur ihr so. Weil doch bestimmt jeder seine Flirts auch noch irgendwo draußen treffen will. Und weil doch auch sie ihren Barkeeper in einer Bar getroffen hat, erst danach haben sie sich online Herzchen geschenkt. Das Deep Liking ersetzt den persönlichen Kontakt nicht, es ergänzt ihn. So wie die meisten digitalen Interaktionen irgendeine analoge Handlung ergänzen, während furchtsame Menschen immer gleich denken, sie würden dafür sorgen, dass sich in hundert Jahren niemand mehr streichelt. Das wird nicht passieren. Man wird sich nur hin und wieder noch dazu mit kleinen Herzchen streicheln, die beim anderen auf dem Bildschirm auftauchen.

32 Millionen Dollar für vier Minuten

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Es gibt drei wichtige Fragen, die den Amerikaner beim Endspiel um die Football-Meisterschaft brennend interessieren. Nein, es geht nicht um die teilnehmenden Mannschaften, die Partie ist ohnehin nur der sportliche Pausenfüller bei diesem überdimensionierten Spektakel, das in den USA mehr als 110 Millionen und weltweit etwa eine Milliarde Menschen live im Fernsehen verfolgen dürften. Die drei Fragen lauten: Wer tritt in der Halbzeitpause auf? Wie viele Hühner müssen sterben, damit es genügend Chicken Wings gibt? Und wie viel kostet ein Werbespot?



Das Mega Spektakel in den USA. Der Super Bowl. Die Werbespots werden für eine Rekordsumme verkauft.

Zwei dieser Fragen sind bereits zwei Monate vor der Super Bowl am 2. Februar beantwortet: Bruno Mars bestreitet die "Halftime Show" - und 30 Sekunden Werbezeit sind für durchschnittlich vier Millionen US-Dollar zu haben. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren kostete das noch 2,3 Millionen Dollar. Der übertragende Sender Fox vermeldete am Mittwoch, alle Werbeinseln verkauft zu haben. "Die Super Bowl ist voll, die Nachfrage war unglaublich", sagt Fox-Sport-Vizepräsident Neil Mulcahy. Der Sender nimmt aufgrund dieser 32 Minuten und 30 Sekunden Werbung während der Live-Übertragung 260 Millionen Dollar ein.

Dass die sündteuren Werbeinseln bereits acht Wochen vor dem Endspiel im MetLife Stadium in New York ausgebucht sind, wird in den Vereinigten Staaten als Anzeichen dafür gewertet, dass nach der Rezession wieder Optimismus bei den bedeutenden Unternehmen herrscht. In den vergangenen fünf Jahren waren jeweils bis wenige Tage vor der Übertragung noch Plätze zu haben, nun gibt es Gerüchte, dass es gar zu einer Versteigerung kommen könnte. Wenn ein Unternehmen doch noch einen Rückzieher machen sollte, dann könnte ein anderes einspringen und mehr bezahlen als vier Millionen Dollar.

In Zeiten digitaler Aufzeichnungsgeräte und Internet-Streamingdienste gehören bedeutende Sportveranstaltungen zu den wenigen Ereignissen, bei denen sich die Werbetreibenden darauf verlassen können, dass da tatsächlich sehr viele Menschen live vor dem Fernseher sitzen und bei Unterbrechungen nicht einfach nach vorne spulen oder umschalten. Ein Spot während des Football-Endspiels garantiert größtmögliche Aufmerksamkeit - auch deshalb, weil nach der Partie nicht nur über faszinierende Spielzüge und peinliche Pannen wie den Stromausfall während des letzten Finales oder Janet Jacksons "Nipplegate" vor zehn Jahren debattiert wird, sondern auch über die kreativsten Filmchen.

Zeitungen und Fernsehsender erstellen Ranglisten, auf Nachrichtenportalen im Internet werden die skurrilsten, süßesten und schrecklichsten Spots gewürdigt und zum nochmaligen Ansehen bereitgestellt. Gratis-Werbung für die Werbung also. Vor drei Jahren etwa glänzte Volkswagen mit einem kleinen Jungen im Darth-Vader-Kostüm, im Jahr 2012 hielt Clint Eastwood für Detroits Autofirmen einen flammenden Appell an die Amerikaner, während der letzten Super Bowl aßen Rentner nach einer wahnsinnigen Nacht in einem mexikanischen Schnellrestaurant. Daimler verkündete in diesem Sommer, dass der Super-Bowl-Spot mit Willem Dafoe aufgrund der Berichterstattung danach etwa 20 Millionen Dollar wert gewesen sei.

Die Super Bowl gilt auch als Indikator dafür, welche Branche es sich leisten kann, den Preis für einen Platz zu bezahlen und dann noch viel Geld in einen möglichst faszinierenden Spot zu investieren. In diesem Jahr wird deutlich: Hollywood hält sich erstaunlich zurück, was wohl auch damit zu tun hat, dass zuletzt zahlreiche aufwendig produzierte und intensiv beworbene Filme an der Kinokasse grandios scheiterten. "Hollywood wird in diesem Jahr wahrscheinlich nicht so präsent sein wie früher", sagt Mulcahy, "es ist die einzige Branche, bei der die Nachfrage geringer war."

Neben den Dauerbrennern Bier, Softdrinks und Süßigkeiten gebe es in diesem Jahr ein Comeback der Autoindustrie: "Alle Autofirmen sind zurück, darunter auch General Motors." Der Konzern hat im vergangenen Jahrzehnt fast 100 Millionen Dollar für Super-Bowl-Spots ausgegeben, im vergangenen Jahr allerdings aufgrund der horrenden Preise verzichtet. Mulcahy wollte nicht verraten, welche Firmen sich die beiden Zwei-Minuten-Spots gesichert haben; es sei Tradition, dass die Firmen ihr Engagement selbst verkünden. Aus Branchenkreisen ist jedoch zu hören, dass der Autohersteller Chrysler mindestens einen der beiden Plätze belegt hat. Womöglich sogar beide. Das wären 32 Millionen Dollar für vier Minuten Werbezeit.

Fox wird das Endspiel auch im Internet, auf Tablets und Smartphones übertragen, dazu gibt es auf dem kürzlich gegründeten Sport-Ableger Fox Sports 1 ein gewaltiges Programm rund um das Endspiel. Für diese Sendungen und den Internetstream sind noch - deutlich billigere - Werbeinseln verfügbar. Nur eine Firma darf sich keine Hoffnungen machen: Die National Football League hat es Fox untersagt, das Angebot eines Schusswaffenherstellers anzunehmen, der acht Millionen Dollar für einen einminütigen Film bezahlen wollte. Über dieses Verbot wird in den USA gerade heftig debattiert, weshalb das Unternehmen aufgrund der Aufmerksamkeit für einen überaus langweiligen Spot eigentlich keine Super-Bowl-Werbung mehr braucht.

Zwei wichtige Fragen zur Super Bowl sind also geklärt, nun braucht es noch zwei Finalisten - und eine Antwort darauf, wie viele Chicken Wings die Amerikaner an diesem Tag verdrücken werden. Im vergangenen Jahr waren es knapp 1,3 Milliarden.

Falsch verbunden

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Wer nicht selbst davon betroffen ist, kann sich kaum vorstellen, was in diesen Köpfen vorgeht: Das Lesen funktioniert nur mühsam, und ein geschriebener Text sieht aus, als ob die Buchstaben mit der Gießkanne zufällig verteilt worden sind. Zwischen fünf und zehn Millionen Menschen leiden allein in Deutschland an Dyslexie - der Fachbegriff für Lese- und Rechtschreibschwäche, die umgangssprachlich als Legasthenie bezeichnet wird.



Wissenschaftler sind noch nicht einig, welche Gründe Legasthenie hat.

Auch Wissenschaftler wissen nicht genau, was in den Köpfen von Legasthenikern vorgeht. Ein Teil der Forscher vermutet, dass Betroffene die feinen Unterschiede zwischen den Sprachlauten nicht wahrnehmen können und die Erkennung ähnlich klingender Wörter und Silben daher erschwert ist. Im Großhirn seien die entsprechenden Laute schlicht nicht ausreichend repräsentiert. Die andere Hypothese besagt hingegen, dass die Lauterkennung im Großhirn bei Legasthenikern sehr wohl funktioniert, der Zugang zu diesen Informationen aber eingeschränkt ist.

Psychiater und Neurowissenschaftler aus dem belgischen Leuven zeigen im Fachblatt Science vom heutigen Freitag, dass bei Legasthenikern die Verbindung zwischen Nervenbahnen der Hör- und Sprachzentren beeinträchtigt ist (Bd.342, S.1251, 2013). An der entsprechenden Verknüpfung zwischen beiden Hirnhälften hapert es. Die Forscher um Bart Boets verglichen 23 Erwachsene mit Dyslexie mit 22 Erwachsenen, die normal lesen und schreiben können. Im Hirnscanner zeigte sich, dass die Lauterkennung in beiden Gruppen ähnlich funktionierte. "Auch die Legastheniker hatten damit kein Problem", sagt Boets. "Die Sprachwahrnehmung war intakt."

Wurde allerdings untersucht, wie die Verbindung und Aktivierung von Nervenzentren funktionierte, die für Gehör und Sprache entscheidend sind, fanden sich große Unterschiede. "Die Lauterkennung ist da, aber die Weiterverarbeitung ist gestört", sagt Boets. Die Verknüpfung mit 13anderen Hirnregionen, darunter auch den Sprachzentren, war mangelhaft.

Für Kognitionsforscher wie Franck Ramus aus Paris ist die aktuelle Studie "die ergiebigste zum Thema aus den letzten fünf Jahren". Andere Neurowissenschaftler äußern sich hingegen skeptisch und bezweifeln, dass ein paar flackernde Aktivitätsmuster im Hirnscanner die unterschiedliche Sprachverarbeitung angemessen wiedergeben. Nur zu untersuchen, wer ba-ba-ba-da-da-da-Folgen richtig erkenne, sei zu einfach. Man müsse vielmehr die Reaktion auf Laute testen, mit denen Legastheniker im Alltag kämpfen, fordert die Linguistin Iris Berent.

Falsche Inspiration

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Der Grat zwischen Trend, Inspiration und Kopie ist in der Mode schmal. Und die Verortung ist schwierig. Nicht jedes Plagiat stammt aus China. Jetzt fiel H&M unangenehm auf und nimmt Hosen und Shirts für Kinder aus den Geschäften. Die "Inspiration" für die Kleidungsstücke sei den Entwürfen einer schwedischen Designerin zu ähnlich, gestand ein Unternehmenssprecher am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Kein Einzelfall.



H&M kupfert ab. Und das nicht das erste Mal. Die Beurteilung, was neu und was kopiert ist, fällt aber schwer.

"In der Modeindustrie sind Plagiatsfälle nicht selten", sagt Thomas Lange, Geschäftsführer des Modeverbandes German Fashion. Ein schildert einen klassischen Fall, der über mehrere Instanzen bis zum Bundesgerichtshof geführt wurde. Ein Trachtenhersteller hatte seine Entwürfe einem Modehändler präsentiert, der sie aber ablehnte. Dann entdeckte der Hersteller seine Modelle im Katalog des Händlers, klagte und siegte nach mehreren Jahren. "Es ist oft ein Kampf David gegen Goliath, also auch eine Frage des Durchhaltevermögens", so Lange. Zwar bieten Urheber-, Marken- und Geschmacksmusterrecht der Modeindustrie Schutz. Die Marke Burberry etwa hat sich sowohl die Bezeichnung Burberry als auch das typische Karo-Muster rechtlich schützen lassen und lässt jede Verletzung ahnden. Für Muster oder Prints verzichten viele Hersteller Lange zufolge aber auf die Eintragung ihrer Rechte. Ehe ein Modemacher alle juristischen und bürokratischen Instanzen genommen hat, ist die Saison schon vorbei und die nächste Kollektion in Arbeit. Der Schutz durch das europäische nicht eingetragene Geschmacksmuster, ein weniger formeller Weg, ist in der Branche noch kaum bekannt. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet zwar die "sklavische Nachahmung". Aber der Nachweis, ob ein Produkt eine identische Kopie ist oder der Hersteller bloß im Trend liegt, "ist gar nicht so einfach zu führen", sagt Lange. Dazu gibt es eine Fülle von Urteilen.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich H&M allzu plump von den Einfällen anderer inspirieren lässt. Das Kunstseite Artlyst erzählt die Geschichte der amerikanische Künstlerin Tori LaConsay. In der Nähe ihrer Heimatstadt Atlanta hatte sie auf eine freie Werbetafel am Straßenrand den Gruß "You look nice today" ( "Du siehst heute gut aus") geschrieben: dunkle Schrift auf weißem Grund und ein rotes Herz. Sie wollte Pendlern auf dem Weg zu ihrer Arbeit damit eine kleine Freude machen. Nach dem Hinweis von Freunden entdeckte sie ihr Design dann auf Kopfkissen und Fußabtretern von H&M. Die Künstlerin beschuldigt H&M des Diebstahls geistigen Eigentums. Die Schweden erwiderten Artlyst zufolge, es handle sich nicht um eine direkte Kopie. Man habe sich lediglich von einer Reihe von Slogans inspirieren lassen und diese für die eigene Kollektion modifiziert. Und: "Wir beschäftigen mehr als 100 selbständige Designer. Wir können Ihnen versichern, dass dieses Design nicht von Ihrer Arbeit beeinflusst wurde und das Urheberrecht nicht verletzt wurde". Auf der Facebook-Seite von H&M stand dann irgendwann: "Wir entschuldigen uns, falls irgendjemand denkt, wir hätten kopiert. Das war nicht unsere Absicht, und das ist nicht erlaubt."

Massenschneider wie H&M beschäftigen nicht nur eigene Designer, sie schicken auch ihre Späher auf die großen Schauen. Wie schwierig die Beurteilung ist, zeigen einige auf der Internetseite Thisisjanewayne veröffentlichte Beispiele, die wiederum vom russischen Online-Magazin Büro 24/7 stammen. Die Fotos legen zumindest nahe, dass auf alle Ebenen des Modegeschäfts kräftig abgeguckt wird. Der Mantel aus der diesjährigen Herbst-/Winterkollektion von Céline sieht dem von Geoffrey Beene aus dem Jahr 2004 schon ziemlich ähnlich. Gut, die Taschenklappen sind anders! Parallelen drängten sich auch beim T-Shirt von Givenchy und Gina Tricot mit dem Puma-Print auf der Vorseite auf.

Manche der Fast-Fashion-Produzenten, zu denen neben H&M, auch Firmen wie Zara oder Mango gehören, machen sich nicht einmal mehr die Mühe, zu den Schauen nach Paris, London oder New York zu reisen. Bildmaterial in Hülle und Fülle gibt es im Internet. Den Vorwurf, bloß abzukupfern, weisen die Billigschneider häufig weit von sich. Einige versuchen ihr Geschäftsmodell "als eine Demokratisierung der Mode" zu verkaufen, also quasi als Wohltat für Kunden, die sich Designerstücke nicht leisten können. Im Magazin Stern formulierte das eine Designkoordinatorin von Mango einmal so: "Wir kopieren nicht, wir kommerzialisieren die wichtigsten Laufstegtrends".

Auch die Luxusmarken sehen sich gerne um. Im vergangenen Jahr wurde Chanel zu einer Geldstrafe von 200000 Euro verdonnert. Ein Gericht in Paris erkannte in einer Damenweste des Couturehauses die "exakte Kopie" eines gehäkelten Blumenmusters des ehemaligen Chanel-Zulieferers World Tricot.

Weckservice für dänische Schüler

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Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? Verschlafen ist keine Ausrede mehr für Schüler in Dänemark.

Das ist unsere Welt: Frauen gegen Männer, Junge gegen Alte, Bosse gegen Knechte, Reiche gegen Arme, alle gegen Schnappschildkröte Lotti und sogar Eltern gegen Kinder. Oder besser: Kinder gegen Eltern. Es ist doch längst so, dass die Mutter morgens mit duftendem Tee und einem liebevoll zubereiteten Quark-Marmelade-Toast an die Betten der Kleinen tritt und sanft etwas von 'bitte langsam aufwachen' und 'ganz lieben Kindern' spricht, doch den verdienten Dank nicht findet. Stattdessen schlagen ihr schlimme Verwünschungen entgegen, hervorgekrächzt aus den Tiefen der Kissen. Nur mit Lockmitteln sind die Kinder von heute noch aus den Betten zu bekommen. Ja, manche drehen sich grunzend um und pennen einfach weiter.

Wirkmächtigere Methoden des Weckens sind heute verpönt, etwa das gute alte: Licht an - Fenster auf - Kaltluft rein - Decken weg - und - das - Ganze - dalli! Wer derlei noch praktiziert, gerät leicht in den Ruch, ein haltloser, kindliche Empfindungswelten roh vernachlässigender Geselle zu sein. Zudem sinkt die Zahl jener Väter beständig, die wecktechnisch noch in der Grundausbildung sozialisiert wurden. Ein Blecheimer, schwungvoll ins Kinderzimmer gekickt wie seinerzeit vom Uffz in die Stube der jungen Panzergrenadiere, bewirkt zwar immer noch Wunder und zeitiges Eintreffen des Nachwuchses zur ersten Schulstunde. Leicht aber hat dieses taktische Vorgehen einen Anruf des von besorgten Nachbarn verständigten Jugendamts zur Folge. Sogar beim Bund selbst wäre eine Dienstaufsichtsbeschwerde noch die geringste Folge, da der Rekrut heute eine Art umworbener Kunde ist, den der Vorgesetzte nach neuen Planungen der Hardthöhe morgens mit einem frisch gebrühten Kaffee an den Ausbildungstag heranzuführen hat.

Wie also bekommt man die Kinder aus den Federn? Die Stadt Kopenhagen geht hier innovative Wege. Der skandinavische Wohlfahrtsstaat sieht es als Aufgabe der Behörden an, den Menschen nicht nur von der Wiege bis zur Bahre, sondern auch bis ans Kinderbett zu umsorgen. Daher rufen im Stadtteil Østerbro kommunale Sozialarbeiter morgens bei jenen jungen Menschen an, die sich sonst erst gegen Mittag oder auch gar nicht zum Unterricht einfinden. Durch ein didaktisch modernsten Ansprüchen folgendes Gespräch wird dem ausbleibenden Kind sodann der zeitnahe Schulbesuch empfohlen. Kulturkritischen Einwänden hält die Behörde entgegen, dass sich ein gutes Drittel der Mädchen und Jungen aus der Zielgruppe bereits wieder daran gewöhnt habe, zu geregelten Zeiten die Lehranstalt aufzusuchen. Und die anderen zwei Drittel? Sieht so aus, als nutzten sie ein bewährtes Mittel gegen Telefonklingeln und andere Formen der Ruhestörung: Sie ziehen die Decke über den Kopf und schlafen weiter.

Papst will Kinder besser schützen

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Die ersten Konturen einer möglichen Kurienreform in der katholischen Kirche werden sichtbar: Papst Franziskus richtet - als Reaktion auf die zahlreihen bekannt gewordenen Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche - eine Kommission für Kinderschutz ein. Sie soll Fälle von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche untersuchen und verhindern helfen. Außerdem wird es wohl künftig eine Art Finanzministerium der Kirchenleitung in Rom geben. Dies wurde am Ende der zweiten Tagung des acht Kardinäle umfassenden Gremiums bekannt, das den Papst bei einer grundlegenden Reform der Kurie unterstützen soll.



Papst Franziskus ist das Wohl der Kinder in der Kirche wichtig. Eine Kommission für Kinderschutz soll von nun an Fälle sexueller Gewalt untersuchen.

Die Kinderschutz-Kommission sei eine Empfehlung dieses Kardinalsrats, sagte der Bostoner Kardinal Sean Patrick O"Malley vor Journalisten. Sie werde sich um die Betreuung von Opfern sexueller Gewalt kümmern, Leitlinien für die Prävention aufstellen und für die entsprechende Schulung von Kirchenmitarbeitern sorgen. Dem Gremium würden international renommierte Fachleute angehören, Geistliche wie Laien, Männer wie Frauen. Die Namen und die genauen Aufgaben der Gruppe würden demnächst mitgeteilt, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi. Kirchenrechtlich ist die Glaubenskongregation für die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen und die Bestrafung der Täter zuständig. Das solle auch so bleiben, sagte Lombardi. Das neue Gremium werde sich zunächst einmal die Präventionsprogramme der Bistümer und Ordensgemeinschaften anschauen und Personen benennen, die über die Einhaltung der Regeln zum Schutz von Kindern achten.

Ein weiteres Reformprojekt der Arbeitsgruppe ist offenbar die Ordnung der Vatikanfinanzen; sie waren in der Vergangenheit immer wieder von Skandalen betroffen. 'Die allgemeine Tendenz dieser Tage steuert auf etwas wie ein echtes Finanzministerium zu', zitiert der Sender Radio Vatikan den Koordinator des Kardinalsrats, den honduranischen Kardinal Oscar Andrés Rodríguez Maradiaga. Allerdings würden zur Zeit noch zwei Kommissionen die Finanzaktivitäten des Vatikans und die Arbeit der Vatikanbank IOR untersuchen. Vermutlich werde die Kardinalskommission bei ihrer nächsten Sitzung im Februar über die Untersuchungsergebnisse beraten.

Kardinal Rodriguez Maradiaga deutete an, dass es wahrscheinlich zwei Jahre dauern werde, bis die Überlegungen zu einer Kurienreform abgeschlossen seien. Offenbar haben die Kardinäle bei ihrem Treffen über einen Neuzuschnitt der Kongregationen, der wichtigsten 'Ministerien' geredet. Im Februar soll es dann um die Räte gehen, die unterhalb der Kongregationen angesiedelt sind.

Träumer, Querulanten, Spinner - die drängen in jede neue Partei

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Hier ein Basisentscheid, da eine Abstimmung. Selten sind sich die Mitglieder der Piratenpartei einig. Geert Wilders weiß das zu umgehen - und ist erfolgreich.

Eine Duschkabine reicht, wenn der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders die Mitglieder seiner Partei versammelt. Denn die 'Partei für die Freiheit', die 2012 auf zehn Prozent kam, hat rein rechtlich genau zwei Mitglieder: Geert Wilders und die Stiftung Gruppe Wilders, deren einziges Mitglied Geert Wilders heißt. Die Konstruktion ist in einer Hinsicht praktisch: Sie erspart hässlichen innerparteilichen Streit.

Davon können deutsche Neuparteien nur träumen. Von Wilders' zehn Prozent sind die Alternative für Deutschland (AfD) und die Piratenpartei derzeit weit weg. Außerdem muss laut Grundgesetz die innere Ordnung von Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen. Das heißt: Es darf gestritten werden. Und es wird gestritten. Piraten können sich stundenlang über Tagesordnung, Geschäftsordnung, Wahlordnung fetzen. Bei den Euro-Skeptikern der AfD geht es noch wüster zu. Parteimitglieder nennen einander Schaumschläger, Trickbetrüger, Bankrotteur. Am Wochenende endete eine Mitgliederversammlung in Hessen im Tumult. Der Bundesvorsitzende Bernd Lucke warnt bereits davor, dass sich seine junge Partei 'zerfleischt'.

Vieles erinnert an frühere - und vergebliche - Versuche, Unmut von Wählern in eine neue Partei zu fassen. In Hamburg gab es Mitte der Neunzigerjahre die Statt-Partei und Anfang der Nullerjahre die Bewegung des Richters Ronald Schill. Sie alle gingen nach der Euphorie erster Wahlerfolge an internem Zwist zugrunde. Und einiges spricht dafür, dass es Piraten und AfD ähnlich ergehen wird.

Beide geben ein ziemlich chaotisches Bild ab. Beide erlebten in kürzester Zeit enormen Zulauf. Doch wie bei Neugründungen üblich, versammelten sich bei ihnen auch Träumer, Spinner, Querulanten, Intriganten und gar Extremisten. Mangels gefestigter Strukturen bekamen sie viel mehr Aufmerksamkeit, als jedem Verein guttut. Dazu kommt: Eine neue Partei ohne festen Standpunkt und ohne Geschichte funktioniert erst einmal als Projektionsfläche für all die Vorstellungen und Ressentiments jener, die hadern mit 'der Politik'. Diese Unzufriedenheit speist sich jedoch aus sehr unterschiedlichen, oft unvereinbaren Motiven - und die prallen in einer neuen Partei fast unvermeidlich aufeinander.

Das passiert gerade bei der AfD. Dort tobt ein mit allen Haken, Ösen und Intrigen ausgefochtener Richtungs- und Machtkampf. Der Führung schwebt eine im Grunde liberal-konservative Partei vor, bei allem Widerstand gegen den Euro. Dagegen stehen starke Kräfte, die Euro-Ängste mit Islam- und Fremdenhass zu einem ziemlich unappetitlichen Gebräu vermischen. Rechtsliberal oder rechtsaußen? An diesem Streit könnte die Partei oder zumindest ihre Wählerschaft zerfallen.

Bei den Piraten verhält sich die Sache ganz anders. Sie haben nie niedere Instinkte bedient, sie sind sich über ihre Grundausrichtung eigentlich einig: Es geht ihnen um Bürgerrechte und -beteiligung, um Transparenz. Was nach Chaos aussieht, ist denn auch nicht wilder Streit um Inhalte, sondern Folge eines überzogenen Anspruchs. Ganz anders als die anderen wollen die Piraten Politik machen und überfordern damit Mitglieder wie Wähler. Denn alle immer und überall mitreden zu lassen, ganz ohne Filter und Führung - das ist ein arg mühsamer Prozess. Das Internet steuert den politischen Schwarm halt doch nicht von allein, und so verschleißt die interne Bürokratie Kräfte und Talente, die fehlt, wenn es darum geht, Botschaften zu bündeln und nach außen zu tragen.

Im einen wie im anderen Fall aber wird Enttäuschung die Folge sein - Enttäuschung über die Parteien der Enttäuschten. Und die Erkenntnis, dass etablierte Parteien womöglich gar nicht so schlecht sind wie ihr Ruf.

Der deutsche Gartenzwerg – ein Weltkulturerbe?

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Spießertum und traditionelle Handwerkskunst vereinen sich im Gartenzwerg. Bringt ihm das einen Platz in der Liste des immatieriellen Weltkulturerbes?

Frech lugt er zwischen Büschen und Beeten hervor, mit seinem roten Zipfelmützchen und weißen Rauschebärtchen. Der Gartenzwerg ist wohl der Inbegriff des deutschen Spießertums, gleichzeitig aber auch Überbleibsel einer jahrhundertealten Tradition des Tonhandwerks. Bald könnten diese kleinen, stummen Wichte mit ihren Schaufeln und Schubkarren nicht mehr nur das Grün ihrer Kleingärtner beglücken, sondern auch die UNESCO.

Denn: Deutschland ist 2013 dem Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes der UNESCO beigetreten. Kultur – das bedeutet Puppentheater, Papierfaltkunst, mit Pferden Krabbenfische fangen, aber eben auch traditionelle Handwerkstechniken. Wie das der Gartenzwerge.



Ein außergewöhnliches Handwerk: In Belgien fangen Fischer die Krabben zu Pferde. Die UNESCO findet das erhaltungswürdig.

Bis zum Frühling können die einzelnen Bundesländer ihre Vorschläge an das Kultusministerium einreichen. Lokalpatriotismus kommt dabei nicht zu kurz. So ist Thüringen besonders stolz auf sein Altenburger Skatspiel, die Rheinländer lieben ihren Kölschen Karneval und die Bayern? Ihr Bier.

Seit fast 500 Jahren kreieren Brauer aus den vier Zutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe eine Sortenvielfalt, die von der Berliner Weisse über Bockbier bis hin zum Alsterwasser reicht. Glaubt man dem Bund deutscher Brauer, lassen mehr als 5000 verschiedene Sorten die Herzen der Bierfreunde höher schlagen: Theoretisch könnte der Trinker des Gerstensaftes mehr als 13,5 Jahre lang jeden Tag ein neues Bier ausprobieren. Na dann, Prost!

Ist das deutsche Bier eine Tradition, die es wert ist, dokumentiert zu werden? Oder nur ein Gesöff für das gemeine Volk? Welche anderen Bräuche, Handwerke oder Überlieferungen findest du erhaltungswürdig? Vielleicht den Schuhplattler als Ausdrucksform bayrischer Tanzkunst oder die alljährlichen Glühweinnasen auf den Weihnachtsmärkten? Spreewaldgurken und FKK – sind das alles deutsche Kulturgüter?

Mädchen, warum weint ihr vor Wut?

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Die Jungsfrage:



Mädchen, wir würden heute gerne mal mehr über die Heulsuse in euch erfahren. Oder nein, eigentlich nicht über die Heulsuse – denn das ist ja die, die immer herhalten muss, wenn es um Traurigkeits- oder Gerührtheitstränen geht. Und gerade um die soll es heute eben nicht gehen. Die haben wir schon kapiert mittlerweile, so einigermaßen jedenfalls. Die Wuttränen aber, die checken wir nicht.  

Wuttränen, das sind zum Beispiel solche: Einen Pärchen wandert im Gebirge umher. Der Pfad ist steil, schmal und kraxelig und direkt daneben geht’s so steil runter, dass Matsche das einzige wäre, was von einem übrig bliebe, wenn man da jetzt runterfiele. An einer besonders schwierigen Stelle bleibt das Mädchen plötzlich stehen. Es will nicht weitergehen. Und es fängt an zu weinen. Es hat sich erkennbar nicht weh getan, es hat keine SMS mit Nachricht über eine verstorbene Oma bekommen, die Situation ist keine zum Verzweifeln. Es weint, so stellt sich später raus, weil es wütend ist: auf den überambitionierten Bergsteigerfreund, auf diesen verteufelt fiesen Weg, auf die eigene Angst davor.  

Die Gefühle an sich können wir verstehen. Die Frage ist: Warum löst solche Wut bei euch eine Reaktion der Tränendrüsen aus? Wenn wir so richtig sauer sind, passieren bei uns schließlich ganz andere Dinge. Wir können uns auch nicht recht erklären, was eure Wuttränen genau bewirken (sollen). Lindern sie die Wut? Sind sie ein Ventil, über das ihr die Wut umleiten, wenn Rumschreien gerade nicht so richtig passend ist? Fühlen die sich eher gut an oder so richtig beschissen?  

Und könnt ihr uns vielleicht noch erklären, wie wir Wuttränen am besten erkennen und von herkömmlichen Trauertränen unterscheiden können? Und wie sollen wir eigentlich am besten drauf reagieren? Trösten funktioniert ja wohl nicht, Trösten ist was gegen Traurigkeit, mit Wuttränen ist das dann eher inkompatibel. Oder?

Auf der nächsten Seite liest du die Antwort von charlotte-haunhorst.
[seitenumbruch]Die Mädchenantwort:



Es gibt dieses sehr populäre Video aus Jimmy Kimmels Latenightshow, in der die Zuschauer gebeten wurden, ihren Kindern zu erzählen, sie hätten all deren Halloween-Süßigkeiten aufgegessen. Die Reaktion der Kinder auf diese Lüge sollten die Eltern dann filmen. Das Ergebnis: Heulen, Kreischen, Nervenzusammenbrüche. Was aber auch auffällt: Die Mädchen fangen direkt an zu Schluchzen und zu Weinen. Die Jungs werden hingegen oft laut, schlagen auf ihre Eltern oder ihr Stofftier ein und brüllen rum.

Diese Beobachtung aus dem Video gilt tatsächlich auch für Erwachsene. Wenn wir Mädchen uns von der Welt ungerecht behandelt fühlen, also an dem von dir beschriebenen Bergpfad scheitern, obwohl wir doch so unbedingt keine Memme sein wollen, oder das zweite Mal unseren Text gelöscht haben ohne Zwischenzuspeichern – dann wird es Zeit, vor Wut zu heulen. Denn wie du schon richtig beschreibst, geht es dabei darum, ein Ventil zu finden. Die Wutheul-Situationen sind meistens eine Anhäufung schlechter Ereignisse. Da reicht es nicht, mal den Bus verpasst zu haben. Es müsste wenn schon der Bus sein, der einem zum Flieger bringen sollte, den man nun ebenfalls verpasst. Und das alles, weil man zu blöd war auf Anhieb den Reisepass einzupacken und noch mal zurückmusste. In diesem Moment sind wir sauer auf diese miese Welt und meistens auch ein Stück weit auf uns selbst. Wir hätten ja auf diesen Moment vorbereitet sein können. Waren es aber nicht. Und weil in diesem Moment eh alles gelaufen ist und auch niemand ein Eis bereit hält, das er uns zum Trost direkt in den Mund stopft, fangen wir an zu weinen.

Die Gründe, warum wir das tun und Männer eher nicht, sind nur schwer festzumachen. Wenn man das Internet dazu befragt, findet man Interviews mit Wissenschaftlern, die sagen, Frauen würden weinen um Gefühle auszudrücken, Männer würden eher handeln. Hm. Klingt nicht nach einer Theorie, die ich protegieren möchte. Studien zufolge weinen Frauen allerdings viermal häufiger als Männer, es muss also noch einen anderen Grund geben, dass wir zusätzliche Wuttränen produzieren können.  

Und hier traue ich mich dann doch noch, meine eigene, unbelegte Theorie beizusteuern: Ich glaube ja, das Wutheulen ist auch unsere Taktik, um diese Dreckswelt, die in diesen furchtbaren Momenten euch leider beinhaltet, von uns fernzuhalten. Denn mit den Tränen geht ja meistens eine wuterfüllte Geste, wie zum Beispiel lautes Fluchen oder das Pfeffern des Reisepasses an die Bushaltestelle, einher. Wenn wir so etwas tun, haltet ihr schon ganz automatisch Sicherheitsabstand. Wenn nicht, riskiert ihr den Reisepass an euerm Kopf.  

Zu unterscheiden, ob es sich bei unseren Tränen nun tatsächlich um Wut- oder um Trauertropfen handelt, kann, wie du sicher schon gemerkt hast, also doch etwas Essentielles für euch sein. Und dafür gibt es abschließend noch den Versuch eines Ratschlags: Achtet auf unsere Gesten. Ist offenkundig nichts Schlimmes passiert und wir heulen trotzdem und reagieren allergisch auf all eure Annäherungsversuche, sind es Wuttränen. Denn anders als beim Weinen aus Trauer, wollen wir in diesem Moment nicht getröstet werden. Wir wollen einfach nur auf unsere sehr eigene, sehr leise oder schluchzend laute Art randalieren. Gebt uns diese zehn Sekunden. Danach könnt ihr immer noch mit pragmatischen Ratschlägen wie: „Dann nehmen wir halt ein Taxi zum Flughafen“ oder „Dann drehen wir halt vor dem Gipfel um“ kommen. Die Tröster-Gesten auspacken, sagen, dass das alles kein Weltuntergang ist. Aber wirklich erst, wenn wir dabei sind uns wieder runterzupegeln. Wenn wir wirklich traurig sind, wollen wir hingegen sofort getröstet werden. Und da die Nähe eines guten Menschen so mit das Tröstendste ist, was es gibt, werden wir eure Annäherungsversuche in diesem Moment nicht ablehnen sondern unsere Tränen und unseren Schnodder in euren Pullover reiben, bis es nicht mehr ganz so wehtut. 

Momentaufnahmen und Weihnachtslieder

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„Hey, bist du öfters hier?“

So oder so ähnlich hatte sich jetzt.de-Redakteur Jan Stremmel die Reaktionen auf seinen Selbstversuch vorgestellt. Verkleidet als Mädchen wollte er einen Tag und eine Nacht lang herausfinden, wie es ist eine Frau zu sein. Dass man sich vor ihm fürchtet, hatte er nicht erwartet. 

Langfinger
Obwohl der Abend noch ewig so weiter gehen könnte, beschließt du, dass du für Heute genug hattest und bittest den Kellner um die Rechnung. Du greifst in deine Tasche, um deinen Geldbeutel herauszuholen. Erst wühlst du nur langsam und ärgerst dich über die viel zu voll gepackte Tasche. Dann wirst du immer hektischer, je länger du nach dem Geldbeutel suchst. Irgendwann liegt der komplette Tascheninhalt auf dem Tisch verteilt und von dem Geldbeutel fehlt jede Spur. Das kann doch nicht wahr sein! Doch, das ist es leider. Du wurdest beklaut. Und was jetzt? Das Lexikon des guten Lebens erklärt dir, was zu tun ist.  

Augenblicke

Unsere Illustratorin Yi Luo zeichnet immer. Sie hält dadurch Momente in ihrem kleinen Büchlein fest, die sonst nur wenig oder gar keine Beachtung bekommen, weil wir mit uns selbst beschäftigt sind. Ein Baum auf dem Weg zur Arbeit, Kollegen und fremde Menschen in der S-Bahn. Wie sie es schafft, solche Augenblicke schön aussehen zu lassen, könnt ihr hier nachsehen.  

Punkt ärgere dich nicht

Seid ihr auch schon an dem Versuch aus SMS-Wörterfetzen eine tiefere Bedeutung herauszulesen gescheitert? Diese Art der Kommunikation scheint ein Eigenleben zu entwickeln. Denn in Zukunft müssen wir nicht nur den Zusammenhang der einzelnen Wörter interpretieren, sondern auch noch herausfinden, was genau uns der Schreibende mit einem gewöhnlichen Punkt mitteilen möchte. Dieser Textmarker erklärt dir, warum ein Punkt jetzt Ärger bedeuten kann.  

Die Sache mit dem Geld

Einer der häufigsten Streitpunkte in Beziehungen dürfte wohl der Umgang mit Geld sein. Da hat nämlich jeder so seine eigenen Vorstellungen oder auch blöde Angewohnheiten. In unserer Paarkolumne haben Nadine und Sebastian diese Woche aufgeschrieben, wie sich ein Sparfuchs und ein Verschwender unter einem Dach einigen.  

Die politische Wochenlage

Während die CSU als erster der drei Bündnispartner dem Koalitionsvertrag zustimmte, steht die Entscheidung der SPD-Basis weiterhin aus. Angeblich soll sich das Stimmungsbild in der Parteispitze der SPD positiv entwickelt haben, aber die Skepsis bleibt weiterhin bestehen. Der Juso-Vorstand wettert gegen eine Zustimmung zum Koalitionsvertrag, mit der Begründung, dass außer der Durchsetzung eines Mindestlohns zu viele Ziele der SPD nicht umgesetzt werden würden. Die SPD hat diese Woche zusätzlich über die Ressortverteilung und die Besetzung der Ministerämter diskutiert, bislang aber ohne abschließende Vereinbarungen.  

Video der Woche:
Was wäre die Weihnachtszeit ohne kitschige Weihnachtslieder? „Ein wahrer Segen!“, sagen vielleicht manche. Bitte Wham!, vergebt euer Herz dieses Jahr wirklich an jemand Besonderes, damit endlich dieses Jammern aufhört. Und lieber Chris Rea: Wir fahren alle über Weihnachten nach Hause ohne darüber zu singen, also hör auch du damit auf. Ach, und Dean Martin, du wurdest dieses Jahr schlichtweg von Captain Picard ersetzt, der mit seiner Version von „Let It Snow“ für ein bisschen Abwechslung in der Weihnachtszeit sorgt:  

http://www.youtube.com/watch?v=oiSn2JuDQSc#t=81 

Die Halbmast-Beflaggung des Internets

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Flagge zeigen reicht nicht. Heute wird auf Facebook massengetrauert.

„Die olle Hilton wieder. Die verwechselt echt Nelson Mandela mit  Martin Luther King jr.! War ja klar, ey!“ So oder so ähnlich dürften die meisten Menschen reagiert haben, die einen peinlichen Tweet von Paris Hilton gelesen haben. Er machte die Runde, kurz nachdem am späten Donnerstagabend die Nachricht vom Tod Nelson Mandelas bekannt geworden war.  





Die Geschichte stimmte allerdings nicht. Der Tweet stammte gar nicht von Paris Hilton, sondern von einem Account namens @DeletedTweets. Der gibt vor, Tweets zu sammeln, die Prominente abgesetzt und dann gleich wieder gelöscht haben. In Wirklichkeit sind diese Tweets aber nur ausgedacht. Paris Hilton saß im Flugzeug, als Mandelas Tod bekannt wurde, erst nach der Landung äußerte sie sich empört zu ihrer falschen Trauernachricht.  





Diese Anekdote ist natürlich nur eine Randnotiz zum Tod von Nelson Mandela. Aber sie verdeutlicht sehr gut, wie sehr sich die Reaktionen auf das Ableben von Berühmtheiten verändert haben.  

Sobald jemand gestorben ist, den alle Welt (oder zumindest der größte Teil im Facebook-Freundeskreis) gut kannte (und vor allem: gut fand), greift alle Welt zum Tablet oder zum Smartphone oder zu Maus und Tastatur und äußert ihre Betroffenheit darüber. Binnen Sekunden ist der jeweilige Hashtag – #Mandela, #LouReed #Hildebrandt – in den Twittertrends. Der Name des Verstorbenen taucht in jedem zweiten Facebook-Post auf. Meistens tut er das in der Kombination mit einem "R.I.P.". Deshalb scheint sich dafür langsam aber sicher der treffende Begriff „RIPstorm“ durchzusetzen.  

Diese RIPstorm-Posts sind die Halbmastbeflaggung des Internets: öffentliche Trauerbekundungen, Zeichen der Anteilnahme, die jetzt eben noch auf einem weiteren Kanal stattfinden können, vielleicht sogar stattfinden müssen. Es dürfte nicht leicht sein, ein Staatsoberhaupt zu finden, das nicht zumindest seinen Regierungssprecher einen Trauertweet hat absetzen lassen. Bis Barack Obama über den Twitteraccount des Weißen Hauses ein Statement abgeben ließ, dauerte es nur Minuten.  

RIPstorm-Posts setzen ihre Urheber in eine Beziehung zum Betrauerten. Deswegen enthalten sie immer auch eine Prise Selbstdarstellung. Sie sollen Ausdruck des eigenen Geschmacks sein, Zeichen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Oder würde jemand, der „Danke, Dieter Hildebrandt“ postet, sich in ähnlicher Form äußern, wenn heute Mario Barth einen tödlichen Unfall hätte? Wohl kaum. 

Wegen dieser Angeberkomponente des RIPstorms reicht den meisten das bloße „R.I.P.“ längst nicht mehr. Diese einfache Zeile geht unter, sie ist zu unpersönlich, weil sie nicht mehr sagt, als dass jemand Eilmeldungen von Onlinemedien nachplappern kann. RIPstorm-Profis haben deshalb gleich Tiefergehendes parat. Irgendwas, das die Trauer unterstreicht und zeigt, dass man ein echter Fan des Verstorbenen ist (oder ihn mal getroffen hat): das Youtube-Video vom legendären Lou-Reed-Konzert oder der ewigen Hildebrandt- oder Loriot-Fernsehperle, das bewegende Zitat aus einer Mandela-Rede. Für Verfechter der letzten Taktik hat Buzzfeed heute eine Liste mit grafisch aufbereiteten Mandela-Zitaten zusammengestellt, die regelrecht danach schreien, auf Facebook geteilt zu werden.  

All das zeigt, dass der gefälschte Tweet von Paris Hilton eben doch nicht nur eine Randnotiz ist. Man darf ihn nur nicht ausschließlich als Gemeinheit gegenüber einem It-Girl verstehen. Sondern als einen Kommentar zum Phänomen #RIPstorm, als eine Frage an all die Trauernden auf Facebook und Twitter.  

Die Frage lautet: Trauert ihr wirklich - oder gebt ihr schon an?
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