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Akademische Aufbauhelfer

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Mit Montenegro hätte sie nicht gerechnet. Als Nora Keck, heute 29 Jahre alt, nach dem Studium ihre Karriere in der Entwicklungshilfe begann, hatte sie schon Praktika in Tansania und Namibia hinter sich. Nun aber wurde sie zum Auslandseinsatz auf den Balkan geschickt - in dieses kleine Land an der Adria zwischen Bosnien, Serbien, Kosovo und Albanien. Ein Jahr verbrachte sie dort und beriet die lokalen Einrichtungen bei der Bekämpfung von Korruption und der Förderung der Demokratie.



Hilfe zur Selbsthilfe - das ist das Credo der Entwicklungszusammenarbeit. Die Stellen als Entwicklungshelfer sind sehr beliebt und deswegen sollte man sich schon früh engagieren, um einen der begehrten Plätze zu ergattern.

"Es war eine unheimlich spannende Zeit", sagt Keck. Vor ihrem Einsatz hatte sie sich nie mit Montenegro beschäftigt. "Das ist das Schöne: Dass man in Regionen gerät, in die man nie gereist wäre." Hilfe zur Selbsthilfe ist das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit, wie Entwicklungshilfe offiziell genannt wird. Nora Keck hat nach ihrem Studium eine der begehrten Nachwuchsstellen ergattert. Jedes Jahr stellt die staatliche Organisation Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) 20 Trainees ein. Zwischen 1500 und 2000 Hochschulabsolventen bewerben sich auf die Plätze. Das Interesse ist groß. Im Ausland zu arbeiten, fremde Kulturen zu erleben und dabei die Welt ein bisschen zu verbessern - das lockt viele.

Wer in die Entwicklungshilfe möchte, sollte sich deshalb früh engagieren, sagt Ulrich Heise, der bei der GIZ für die Nachwuchsförderung zuständig ist. Er rät, schon während des Studiums Praktika in Entwicklungsländern zu machen. Auch ein Freiwilligendienst nach der Schule sei eine Möglichkeit. Anders als in früheren Jahrzehnten hat sich der Beruf des Entwicklungshelfers weitgehend akademisiert. Die GIZ stellt inzwischen fast ausschließlich Akademiker ein. Handwerker sind kaum noch gefragt.

Mehr als fünfzig Entwicklungshilfeorganisationen gibt es in Deutschland. Neben der GIZ zählen die Deutsche Welthungerhilfe, die kirchlichen Dienste AGEH (Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe) und Brot für die Welt zu den bekanntesten. Viele der internationalen Organisationen gehören zu den Vereinten Nationen oder zur Europäischen Union, wie das Kinderhilfswerk Unicef. Einige Dienste haben Nachwuchsprogramme, aber auch der Direkteinstieg über offene Stellen ist möglich. Die Bezahlung variiert je nach Organisation. Bei der GIZ beispielsweise verdienen Berufseinsteiger etwa 3000 Euro brutto im Monat.

Manche gehen nur für wenige Jahre ins Ausland. Das sind meist Menschen mit Berufserfahrung, die sich nach ihrem Einsatz wieder in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren wollen. Zwei, drei oder vier Jahre lang werden sie in der Regel von einer Organisation in ein Partnerland entsandt.

Ein Studium ist in beiden Fällen erwünscht. "Bei etwa 90 Prozent unserer Stellen setzen wir einen Hochschulabschluss voraus", sagt Katharina Engels von der AGEH. Immer wieder bekommt sie Anfragen, welche Studienfächer zu empfehlen seien. Zwar werden Juristen, Pädagogen, Ingenieure, Wirtschaftswissenschaftler oder Mediziner in der Entwicklungszusammenarbeit besonders häufig gesucht. Doch letztlich komme es immer auf die konkrete Stelle an. "Wir empfehlen, das zu studieren, was im eigenen Interesse liegt", sagt Engels. Wichtiger als das fachliche Können sei häufig die Kommunikationsfähigkeit: "Der Erfolg der Arbeit hängt davon ab, wie gut man das Gegenüber erreicht."

Bei den Fachkräften in den Entwicklungshilfeorganisationen wechseln sich die Auslands- und Inlandseinsätze ab: Drei Jahre Uganda, zwei Jahre Indonesien, vier Jahre Deutschland - so sieht ein typischer Lebenslauf aus. "Das Gute an der Arbeit ist, dass man viel von der Welt sieht", sagt Sebastian Lesch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). "Man kommt in Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen." Wer eine Familie gründen will, braucht dafür auch einen Partner, der sich mit den häufigen Ortswechseln arrangiert. Beruflich muss meist einer von beiden zurückstecken. "Und natürlich sind auch die Bedingungen vor Ort oft schwierig", sagt Lesch. Versorgungsengpässe, abgelegene Orte, die Sicherheitslage. Die Arbeit in anderen Kulturkreisen fordert Toleranz und ein gewisses Einfühlungsvermögen.

Gerade die Abwechslung ist das, was Nora Keck so liebt an ihrem Beruf. In der 18-monatigen Ausbildung hat sie auch eine Station bei der OECD in Paris absolviert. Besonders hängen geblieben ist aber dieses kleine Land, von dem sie vorher kaum etwas wusste. Ihr letzter Urlaub hat sie nach Montenegro zurückgeführt. Sie weiß, dass es immer wieder Abschiede geben wird, die schwerfallen. Sie weiß aber auch, dass dann wieder Neues kommt. "Es ist schön, mit so vielen verschiedenen Menschen zusammenzukommen", sagt sie. "Und es ist schön, zu sehen, dass auch etwas zurückkommt."


Musik gegen Misstöne

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Am Tisch in der Privatwohnung im ersten Stock im Astweg in Hamburg-Eidelstedt sitzen fünf junge Männer. In den Regalen stapeln sich Lötkolben und Technikbücher. Vor Wirtschaftsinformatiker Matthias Lanz, Informatiker Timo Schäpe, Toningenieur Adrian Nötzel, Psychologe Johannes Wittig und Betriebswirt Jörg Land liegen die aktuellen klinischen Studien der Universität Münster, die sich mit Therapiemethoden für Tinnitus-Erkrankte beschäftigen. Das Piepen, Pfeifen oder Rauschen wird von den Betroffenen als quälendes Geräusch im Ohr empfunden. Bundesweit leiden laut der deutschen Tinnitus-Liga etwa drei Millionen Menschen an dieser Erkrankung. Auch über die Ergebnisse der Diplomarbeit von Nötzel diskutiert das Quintett. Titel: "Konzeption und Überprüfung der technischen Realisierbarkeit einer individuellen Musiktherapie gegen Tinnitus auf Basis klinischer Studien." Nötzel entwickelte für seine Abschlussarbeit eine Software, die auf den Ergebnissen der Münsteraner Forscher basiert. Jörg Land: "Nach und nach wurde uns klar, wie wir aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen ein Produkt entwickeln können, das Patienten tatsächlich helfen kann." Und ein Produkt, mit dem man Geld verdienen kann.



Jungunternehmer entwickeln den Prototyp des sogenannten "Tinnitracks". Mit Musik der Patienten wird der Tinitus gelindert.

Das Treffen im Astweg liegt zwei Jahre zurück. Seither hat sich viel getan: 2012 wurde die Sonormed GmbH in Hamburg gegründet. Vor 14 Monaten haben die Jungunternehmer den Prototyp eines neues Produktes fertiggestellt: Tinnitracks. Seit einem Jahr läuft die Patentprüfung. Sicher ist aber schon: Tinnitracks eignet sich zur Therapie von chronischem tonalen Tinnitus. Wie? Das Prinzip ist einfach: Zunächst wird die Tinnitus-Frequenz des Patienten festgestellt. Das macht ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Hörgeräte-Akustiker. Die Frequenz lässt sich in Hertz ausdrücken. Dieser individuelle Ton wird mithilfe der speziellen Software, die von Toningenieur Nötzel entwickelt wurde, aus den Musikstücken, die der Patient online schickt, herausgefiltert. Wenn der Patient diese bearbeiteten Musikstücke hört, werden die für den Tinnitus verantwortlichen Nervenzellen im Hörzentrum des Gehirns nicht angesprochen. Die Aktivität der gesunden Zellen wird dagegen verstärkt. "Dies kann zu einer nachhaltigen Linderung des Tinnitus führen", erklärt der 29 Jahre alte Toningenieur. Studien haben ergeben, dass der Effekt nach etwa einem Jahr eintritt - täglich eine Stunde "Training" vorausgesetzt.

Der Vorteil der Entwicklung des Toningenieurs aus dem Norden: Jeder, der unter den störenden Tönen leidet, kann die Therapie in Eigenregie durchführen. Auf der Seite www.tinnitracks.com werden die drei notwendigen Schritte erläutert: Zuerst die Tinnitus-Frequenz, die Arzt oder Akustiker ermittelt haben, eingeben. Dann werden am Computer die Musikdateien ausgewählt, die gefiltert werden sollen. Die Software erkennt, ob sich die Dateien zur Therapie eignen, und wandelt sie um. Schließlich lädt der Patient die therapiegerechte Musik auf sein MP3-Abspielgerät - und los geht es. Das kostet 539 Euro Lizenzgebühr für ein Jahr und so viele Lieder, wie man möchte.

Erste Erfahrungen mit der Methode haben gezeigt, dass bei diesem Therapieansatz die Patienten länger mitmachen als bei Therapien, für die sie regelmäßig eine Praxis oder ein Institut aufsuchen müssen. Christo Pantev vom Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse am Universitätsklinikum Münster rät Patienten: "Wichtig ist, dass Sie die Musik, die Sie hören, mögen, also aufmerksam zuhören." Auch wichtig: Man sollte sich die bearbeitete Lieblingsmusik entspannt zu Hause oder unterwegs in ruhiger Umgebung anhören. Wer hochwertige Kopfhörer mit einem geringen Klirrfaktor hat, kann das auch in der U-Bahn oder im Bus machen. "Es dürfen keine Nebengeräusche zu hören sein", warnt Nötzel. Um optimale Bedingungen zu schaffen, sind die Hamburger eine Kooperation mit dem niedersächsischen Hersteller Sennheiser eingegangen. "Wir haben unsere Software auf diese Kopfhörer optimiert", sagt Sonormed-Geschäftsführer Land.

Adrian Nötzel hat vier Jahre an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg studiert. Es ist die zweitgrößte Hochschule in Hamburg und die drittgrößte Fachhochschule in Deutschland. Der Diplomingenieur für Medientechnik hat parallel zu seinem Studium in einem Musiktonstudio gearbeitet und als Tonmischer im Theater. Eine spezielle medizinische Ausbildung hat der Tinnitracks-Entwickler, dessen Mutter Kinderärztin und dessen Vater Dirigent ist, nicht.

Fazit: Zwar können Tinnitus-Erkrankte "nach dem jetzigen Wissensstand keine Heilung erwarten", wie Birgit Mazurek, leitende Ärztin des Tinnituszentrums der Berliner Charité, erklärt. Aber die Musiktherapie, das scheint gesichert zu sein, verspricht eine erhebliche Erleichterung. Die Toningenieure haben einen Weg dorthin gefunden. Durchaus ein Glanzstück für das Berufsbild.

Mit souveräner Schlampigkeit

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Keith Jarrett hat in seinen Schränken herumgekramt und ein paar alte Bänder gefunden. Darauf sind Aufnahmen, die er 1986 bei sich zu Hause mit zwei Kassettenrekordern im altmodischen Overdub-Verfahren gemacht hat. Das heißt, dass er mit E-Gitarren, Fender-Bass, Schlagzeug, Tabla und Klavier, Spur um Spur aufgenommen und dabei immer wieder die Kassetten gewechselt hat, bis er so viele Spuren übereinandergeschichtet hatte, dass sie einen Song ergaben. Mit solchen Puzzeleien hat man früher gerne viel Zeit im Hobbykeller verbracht, bevor Laptops schon ab Fabrik mit semiprofessionellen Studioprogrammen für Mehrspuraufnahmen ausgestattet waren.

Das Ergebnis war meistens etwas ungelenk, weil man nach dem Zusammenfügen der ersten beiden Spuren nichts mehr korrigieren konnte. Das ist bei Keith Jarrett nicht anders. Abgesehen vom Klavier beherrschte er all diese Instrumente ja auch nicht besonders gut. Man ahnt, was er meinte mit den Beats, Bassläufen und Riffs. Immerhin hat er für Miles Davis in genau der Zeit Orgel und E-Piano gespielt, als der gerade den Aufbruch des Jazz in den Rock und den Funk wagte. Aber man ahnt es eben nur.



Das ist Kunst: US-Pianist Keith Jarret wurde auf einem Ausstellungsstück im Museum verewigt.

Weil Keith Jarrett Besuchern aber gerne seine eigenen Aufnahmen vorspielt, bekamen vor nicht allzu langer Zeit ein paar Freunde diese Bänder zu hören. Die freuten sich so sehr darüber, dass der manisch-perfektionistische Überpianist wirklich mal solche ungelenken Hobbykelleraufnahmen gemacht hat, dass sie nun unter dem Titel "No End" (ECM) als Doppel-CD herausgekommen sind.

Das wirkt beim ersten Anhören ein wenig wie das Betrachten von Mugshots von Hollywoodstars, die kurz nach ihrer Verhaftung in meist trunkenem Zustand ungewohnt derangiert wirken. Das Eigenartige an diesem Album aber ist, dass es sich in verschiedenen Kontexten vollkommen unterschiedlich anhört. Es landete beispielsweise am selben Tag auf dem Schreibtisch wie die Deluxe-Version von Velvet Undergrounds "White Light/White Heat". Das hatte die Band 1968 innerhalb von zwei Tagen aufgenommen, nachdem sie gerade ihren Mentor Andy Warhol als Manager und die Eiskönigin Nico als Sängerin gefeuert hatten. Die sechs Songs bestehen zu einem guten Teil aus groben Akkorden, Rückkoppelungseffekten und lapidar dahingesungenen Transvestitensex- und Drogen-Phantasien. Heute gilt das Album als Protoplasma des Punk. Damals war die Platte ein Affront. Sie war aber vor allem einer der ersten Triumphe der Haltung über die Musikalität, die den Pop von den Ansprüchen der bürgerlichen Musiktraditionen befreite.

So gesehen war auch "No End" ein Befreiungsschlag. Keith Jarrett brach mit dem Dogma des Jazz, dass jede Form der Radikalität damit legitimiert werden muss, dass die virtuose Beherrschung des Handwerks ja zwingende Voraussetzung ist, wenn sich der Musiker von Formen und Ästhetik befreit. Was Jarrett da auf den elektrischen Instrumenten und dem Schlagzeug herumexperimentierte, ist mit einer souveränen Schlampigkeit dahingespielt, dass sich sein überlebensgroßes Ego erstmals ohne die Filter seiner Virtuosität und perfekten Akustik der Konzerthallen und Aufnahmestudios manifestiert.

Da stellt sich allerdings gleich die Frage: War er damit 1986 nicht viel zu spät dran, genauso wie The Velvet Underground zu früh kamen? Dave Martino vom amerikanischen Rolling Stone hörte "No End" deswegen im Kontext der Platten, die Steve Fisk für das Label Sub Pop produzierte, als seine Schützlinge Nirvana längst in die Stadien abgewandert waren. Da kompensierten die ersten Bands ihre Erschöpfung der Grunge-Jahre mit Instrumental-Experimenten, denen sie technisch eigentlich nicht gewachsen waren. So gesehen wäre Jarrett in seinem Heimstudio seiner Zeit sogar voraus gewesen.

Man kann "No End" allerdings auch im Kontext seines "Köln Concert"-Albums hören, das er elf Jahre zuvor aufnahm. Die Geschichte der Aufnahme ist Legende - Jarrett war übernächtigt, die Konzertveranstalter hatten ihm einen verstimmten Stutzflügel mit hakenden Pedalen und klemmenden Tasten hingestellt. Jarrett spielte deswegen kaum in den höheren Lagen, vereinfachte seine Kadenzen bis zum Ostinato. Doch genau mit diesem Doppelalbum eroberte er die Herzen des progressiven Bürgertums. Das stand dann neben Dylan, Beatles und Santana in den Regalen von Millionen.

Als Jazzfan gibt einem "The Köln Concert" bis heute Rätsel auf. Was war der Funke, der da aus dem halbinspirierten Geplänkel auf die Massen übersprang? Hört man da gleich im Anschluss "No End", verhärten sich die Zweifel am musikalischen Verständnis dieser Bildungsbürgermassen, die in den ebenfalls römisch durchnummerierten Plattenseiten offenbar Eingebung hörten, wo vielleicht nur egomanische Versenkung war.

Dann sollte man sich "No End" aber auch noch im Kontext von Charles Lloyds "Forest Flower" anhören, jenem Live-Album, auf dem Keith Jarrett im Zusammenspiel mit dem Saxofonisten Lloyd, dem Bassisten Cecil McBee und dem Schlagzeuger Jack DeJohnette jene übersinnlichen musikalischen Fähigkeiten bewies, die seine Trio-Arbeit mit DeJohnette und dem Bassisten Gary Peacock bis heute in Sphären treibt, die keine andere Jazzformation in dieser Konsequenz über so viele Jahre erreicht hat. Da reduziert sich "No End" zur "Novelty Record". Das waren diese Scherzartikelplatten, wie sie in den Sechzigern in Mode waren, wenn Comic-Backenhörnchen Weihnachtslieder quietschten, die Frau mit der singenden Säge aufspielte oder Filmstars einen Schlager aufnahmen.

Nun ist Keith Jarrett weder für Ironie noch Humor bekannt. Vielleicht bleibt man also am besten dabei, Haltung in das Album hineinzuinterpretieren. Und sei es nur die Haltung, sich selbst in jeder nur erdenklichen Form sehr ernst zu nehmen und dann ein Publikum zu finden, welches das auch tut. Das ist ja durchaus im aktuellen Zeitgeist.

Ansturm bei SPD-Mitgliederentscheid

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Das Mitgliedervotum der Sozialdemokraten über den Koalitionsvertrag mit der Union mobilisiert die Genossen: Die SPD hat bereits einige Tage vor dem Ende der Abgabefrist für die Stimmzettel das Quorum von 20Prozent deutlich übertroffen. Damit ist das Votum in jedem Fall gültig. Bis Freitagmittag waren fast 200000 Umschläge mit Wahlunterlagen im Postfach des SPD-Vorstands eingegangen. Diese Zahl geht aus einer E-Mail von Generalsekretärin Andrea Nahles hervor, die am Freitag an die Parteimitglieder verschickt wurde. Damit läge die prozentuale Beteiligung bereits jetzt bei mehr als 40 Prozent. Abstimmungsberechtigt sind insgesamt gut 473000 Mitglieder. Das Quorum lag bei etwas mehr als 94000 Stimmen.



Auch der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wirft seinen Stimmzettel für den SPD-Mitgliederentscheid in den Briefkasten und hofft auf eine Zustimmung zum Koalitionsvertrag.

Nahles forderte in dem Schreiben die Mitglieder auf, möglichst bis zum kommenden Montag ihre Stimme abzugeben. Um gezählt zu werden, müssen die Abstimmungsunterlagen bis zum Donnerstag, 12.Dezember, im Postfach des Parteivorstands eingegangen sein. Das Quorum war mit 20 Prozent bewusst niedrig angesetzt worden, damit die Entscheidung auch bei einer geringen Beteiligung der Mitglieder gültig wäre. Mit der Beteiligung bis Freitagmittag war man an der Parteispitze deshalb hochzufrieden.

Allerdings sagt die hohe Teilnehmerzahl noch nichts über den Ausgang des Mitgliederentscheides aus. In der Regel gilt bei Abstimmungen dieser Art, dass die Gegner eines Vorhabens stärker mobilisieren als die Befürworter. Andererseits kämpft die Parteispitze derzeit in Regionalkonferenzen quer durch die Republik um die Zustimmung der Mitglieder zur großen Koalition. In der Mehrzahl der häufig sehr gut besuchten Versammlungen tendieren - gemessen an den Redebeiträgen und dem Applaus - die Parteimitglieder überwiegend zur Zustimmung. Aus Umfragen geht zudem hervor, dass eine deutliche Mehrheit der SPD-Wähler ein Ja der Partei zu dem Regierungsbündnis erwartet.

SPD-Chef Sigmar Gabriel rechnet fest mit einer Zustimmung der Parteibasis. "Der kann sich sehen lassen, der Koalitionsvertrag, das denken alle Spitzen der SPD, und deswegen sind wir auch sicher, dass wir ein gutes Ergebnis kriegen werden", sagte Gabriel am Freitag in Goslar. Ungeachtet des Ergebnisses stärkt die hohe Beteiligung Gabriel in seinem Ansinnen, die Entscheidungsfindung in der SPD basisdemokratischer zu gestalten. Die CSU hat den Koalitionsvertrag bereits mit Voten im Parteivorstand und in der Landesgruppe der CSU-Bundestagsabgeordneten gebilligt. Die CDU stimmt am Montag auf einem kleinen Parteitag mit etwa 200 Delegierten über die Vereinbarung ab.

Auch Karlsruhe hat nichts gegen den Mitgliederentscheid einzuwenden: Am Freitag wiesen die Richter den Eilantrag einer Privatperson gegen die Abstimmung ab. Sie verstößt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht gegen das Grundgesetz. Die Entscheidungsfreiheit der Bundestagsabgeordneten sei durch das Votum nicht beeinträchtigt, hieß es zur Begründung. Eine Verfassungsbeschwerde sei auch formal nicht zulässig, weil es sich bei dem Mitgliederentscheid nicht um einen staatlichen Akt handele.

"Sex verkauft sich nun mal"

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Anna Groß, 34, organisiert seit ein paar Jahren den Skateboardcontest "Suck My Trucks" in Berlin. Der ist rein für Frauen und eine Reaktion darauf, dass in der Skate-Szene Frauen "marginalisiert werden oder gar nicht vorkommen", wie Anna und ihre Kolleginnen sagen. Während des Contests haben sie eine Ausstellung zum Thema Sexismus im Skateboarding organisiert. In der vergangenen Woche ist daraus eine sehr lesenswerte Websiteentstanden.



jetzt.de: Wenn man sich die geballten Beispiele auf eurer Seite anschaut, ist man ziemlich schockiert: Drastischer geht Sexismus ja kaum. 
Anna: Gut, dass du das wahrnimmst – damit hätten wir schonmal ein Ziel erreicht. (lacht) 

Warum ist der Chauvinismus ausgerechnet in der jungen Skateboardszene so stark? 
Ich glaube, weil es eine Sportart ist, die das Individuum sehr stark herausstellt. Es geht da viel um bestimmte Posen, um Wettbewerb: Wer kann den geileren Trick, wer hat den besseren Style, wer sieht dabei am coolsten aus? Dazu kommt, dass Männlichkeit oft mit Stärke und Weiblichkeit mit Schwäche gleichgesetzt wird. Wenn zum Beispiel jemand sagt: "Du traust dich diesen Trick nicht? Du Mädchen." Das ist im Hip-Hop, beim Snowboarden oder Surfen ähnlich.

Ein paar erfolgreiche Skaterinnen gibt es aber ja doch.
 
Stimmt, aber das sind dann sehr wenige, die sich mit dem Kopf durch die Wand gekämpft haben. Viele davon haben sich auch der Szene angepasst und machen zum Beispiel für ein Fotoshooting absichtlich Tricks in Strapse.  

Selbstironie gegen den Sexismus? 
Vielleicht. Das Magazin-Cover, von dem ich da spreche, war jedenfalls die Idee der Skaterin. Nur, am Ende verstärkt das leider auch wieder die Klischees. Und die allermeisten Skaterinnen wollen einfach nur fahren, ohne sich ständig durchboxen oder rechtfertigen oder ironisch präsentieren zu müssen.
  


Ollie in Strapse: Ein Cover des deutschen Skatemagazins "Limited".

Wieso betrifft dieses Phänomen kaum die Breitensportarten, zum Beispiel Fußball? 
Auch viele andere Sportarten werden ja mit Sex beworben – aber da haben sich schon mehr Frauen etabliert. Bei den Actionsportarten sind die Männer noch größtenteils unter sich. Außerdem bringt man die vor allem mit Teenagern in Verbindung, die nun mal viel über Sex reden und solche Sachen eher lustig finden. Am Ende verkauft sich Sex natürlich auch verdammt gut, wir leben schließlich im Kapitalismus. Wenn von 20 Leuten drei das Skatewachs in Brustform lustig finden und kaufen, hat es sich für die Hersteller gelohnt.  

Wie wollt ihr das ändern?
 
Das große Problem ist: Wenn Frauen ständig marginalisiert werden, gibt es auch keine Vorbilder, die andere pushen, besser zu werden. Dadurch wird wiederum das Klischee bestätigt, wir seien "nicht gut genug", um häufiger in Magazinen und Filmen vorzukommen. Was ja immer das Argument ist, wenn wir fragen, warum in kaum einem Video eine Frau als Fahrerin vorkommt: "Wir würden sie ja filmen, wenn es gute Frauen gäbe." Dabei wird es die nie geben, wenn du die besten Skaterinnen, die es jetzt gerade gibt, nie zeigst!  

Bei den X-Games, den "Olympischen Spielen des Actionsports", gibt es zum Beispiel gar keinen Frauenwettbewerb. 
Ja, bei Contests zeigt sich das besonders drastisch. Selbst wenn es mal einen Frauenwettbewerb gibt, dann nur als kleine Randveranstaltung mit mickrigen Mitleidspreisen. Ich selbst bin erst als später Teenager zum Skaten gekommen und deshalb nie so gut geworden, dass ich selbst an Contests teilnehmen würde – aber genau das ist ja eines der Probleme: Warum habe ich als kleines Mädchen nur den Jungs zugeschaut? Weil meine Freundinnen sich nicht getraut haben! Erst später war ich mutig genug, das anzufangen. Und habe seit 20 Jahren einen Riesenspaß dabei. Deshalb hab ich irgendwann angefangen, Anfängerinnen darin zu bestärken, das zu probieren. Ich gebe jetzt Skateboard-Workshops für Mädchen.  

Eine Auswahl an Bildern, die Anna und ihre Kolleginnen gesammelt haben:
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Und ihr habt einen reinen Frauencontest gegründet.
 
Weshalb wir immer wieder auch den Vorwurf hören, wir zögen uns von alleine zurück und igelten uns ein. Aber man braucht erstmal einen Schutzraum, um größer zu werden. Kleine Netzwerke, in denen sich weibliche Skater verbinden. Wir haben gute Kontakte zu weiblichen Skaternetzwerken in der Schweiz und den Niederlanden. Es gibt also Lichtblicke.

Hat der Contest wenigstens Aufmerksamkeit bekommen?  
Leider kaum. Wenn wir Sponsoren für Kooperationen und Support anfragten, lief das immer nach dem gleichen Schema: "Geil, ein Contest, wir sind dabei! – Was, nur für Frauen? Dann nicht." Der Wettbewerb wäre gescheitert, wenn am Ende nicht der Cassiopeia-Club, der neben der Skatehalle in Friedrichshain liegt, die Preisgelder gespendet hätte.  

Klingt frustrierend. 
Und fühlt sich tatsächlich an wie ein Kampf gegen Windmühlen. Weil wir unter den wenigen sind, die den Mund aufmachen, sind wir nun auch nicht gerade die Beliebtesten in der Szene. Wir gelten oft als die Meckerliesen.  

Was motiviert dich?
 
Wir bekommen sehr viel Solidarität von Frauen, auch wenn sie sich gar nicht fürs Skaten interessieren. Wenn ich ein Magazin aufschlage und mich ärgere, dass mal wieder die einzige Frau darin eine Dame im Bikini ist, muss ich mich wenigstens nicht mehr alleine ärgern. Und es gab noch nie so viele motivierte Mädchen wie jetzt! Das Klischee, dass Frauen und Skateboarden nicht zusammenpassen, stimmt einfach überhaupt nicht – und die nicht ganz doofen Leute in der Szene wissen das auch und supporten uns.

Das Geheimnis des Döp

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Seit 20 Jahren ziehen Scooter Fans zu ihren Konzerten.

Der Abend beginnt mit einer großen Frage: Warum? Scooter spielen an diesem Abend in Hamburg ein Konzert im Club Uebel & Gefährlich, um Werbung für ihre Jubiläumstour zu machen. Seit 20 Jahren sind sie eine der erfolgreichsten deutschen Bands. Aber warum ist die stampfende Technomusik mit den darüber gerufenen Nonsens-Texten so erfolgreich?

Seit der wasserstoffblonde, aus Leer stammende Ostfriese Hans Peter Geerdes, der sich H.P. Baxxter nennt, 1994 zum ersten Mal "Hyper, hyper" brüllte, hat die Band 23 Top-Ten-Hits platziert - und trotzdem viel Spott einstecken müssen. In "Hyper, hyper" zählt Baxxter Namen von damals erfolgreichen Techno-DJs auf: Westbam, Marusha, Sven Väth, Mark Spoon, Hell. Es sollten Respektbekundungen an die Kollegen sein, Scooter wollten zur Szene gehören, doch die wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Zu prollig, zu kommerziell, zu stumpf. Ihre Geschichte beginnt also etwas traurig und erinnert an den Außenseiter auf den Schulhof, für den die Coolen-Clique nur einen abschätzigen Blick übrig hat. Doch während man sich an viele der damals Coolen heute kaum noch erinnert, kennt Scooter fast jeder, der seine Jugend in den 1990ern erlebt hat.

Baxxter hat mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit seine Art der Musik durchgezogen. Die Meinung der coolen Techno-Szene sei ihm mittlerweile egal, sagte er einmal in einem Interview. Er ist 47, sieht noch fast genauso aus wie vor 20 Jahren, obwohl er eine Menge Wodka-Red Bull getrunken hat. Wenn man ihn trifft, erlebt man einen sympathischen Typen, der sich geduldig mit allen Fans fotografieren lässt. Er wohnt in einer Jugendstilvilla mit englischen Antiquitäten in der Nähe von Hamburg. Nach einer Botschaft muss man ihn nicht fragen. Sein Motto: Hauptsache laut.

Der Club, in dem die Band an diesem Abend spielt, ist klein, Scooter spielen sonst in Hallen und Stadien. Etwa 800 Leute sind da, Fans konnten Karten gewinnen, der Rest sind Medienleute. Man sieht ziemlich gut, wer zu welcher Gruppe gehört: Vorfreude, Bier und Gegröle bei den einen, leicht spöttische, sich distanzierende Blicke bei den anderen. Aber auch die Fans teilen sich in zwei Lager. Eines vertritt Rolf, 36, aus Pinneberg, breites Kreuz, rasierte Haare. Rolf nimmt das hier ernst, es ist sein achtes Scooter-Konzert. Er sagt, er mag diese Musik, aber nicht so sehr die "Kommerzsachen", die Lieder, die im Radio laufen.

Man wundert sich kurz, fragt dann ein Paar, warum sie Fans sind. Sofia, 40, strahlt Torsten, 34, an und erzählt, dass die Musik für ihre Ehe sehr wichtig sei, nach ihrer Trauung seien sie ausmarschiert zum Song "Always Hardcore". Der Text: "I am the horseman, I"m mentally mad. I am a super sharp shooter sittin" on a roof top". Zum zweiten Lager der Fans gehören Marta und Anna, Mitte dreißig, sie kennen die Musik aus den Dorfdiskos ihrer Jugend. "Das ist so scheiße, dass es schon wieder gut ist", sagt Anna. Also ironische Fans? "Ironie mit viel Liebe! Man muss sich drauf einlassen, dann macht es Spaß. Und Alkohol trinken!"

Wumms. Das Konzert beginnt mit einem Donnerschlag, Blitze zucken, dann spielen Scooter in anderthalb Stunden alle ihre Top-Ten-Singles in chronologischer Reihenfolge. Während der Bass einem das Gehirn leer bläst, schnappt man Textfetzen auf: "Move your ass. We need the hardcore. Döp döp döp döp. How much is the fish? Jigga, jigga. Geili, geili, ihr Schweine. Ihr seid ja alle wahnsinnig." Die Musikpresse ist sich seit zwanzig Jahren nicht einig, ob die Texte nun Dada oder nur gaga sind.

H.P. Baxxter brüllt mit sehr deutschem Akzent in sein Mikro, dabei hüpft er ununterbrochen auf und ab und streckt die Arme in die Luft, während hinter ihm Animationen laufen, die aussehen wie ein Windows-Bildschirmschoner auf Ecstasy. Scooter sampeln und covern sich wild durch alle Zeiten und Genres, Billy Idol, Bob Marley, Peter Maffay, Nirvana, Supertramp, Vicky Leandros.

Im Publikum stehen zwei Männer in selbstbedruckten T-Shirts, auf denen "Steinhorst grüßt Scooter" steht. Sie sind Mitte 40, heißen Torsten und Thomas, und ein letztes Mal stellt man an diesem Abend die Frage nach dem Warum. Also: Warum mögt ihr Scooter? "Weil es Partymusik ist." Aber ist es nicht auch ziemlich stumpf? Torsten sagt: "Man muss ja auch nicht immer alles hinterfragen."

Nächster Halt: Bürgerkrieg

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In Leipzig war es noch kühl und regnerisch, aber immerhin hatte er keine Angst. Jetzt, nach vier Tagen am Steuer seines Ford-Kombis, ist Khalil zwar im sonnigen Süden, aber müde und nervös. Spät in der Nacht sind wir in einem billigen Hotel angekommen, nicht weit von der türkischen Großstadt Adana, im Morgengrauen ging es weiter. An einem strahlenden Vormittag steuert Khalil den Wagen auf die Grenze zu. Die Straßen sind gesäumt von Palmen, die Hügel Syriens im Blick. In ein paar Stunden wird er in Aleppo sein. Hoffentlich.    

Khalil ist 23 und studiert in Leipzig, Deutsch als Fremdsprache. Aber nun, in den Semesterferien, will er seinen Landsleuten in Syrien helfen. Mit Kommilitonen hat Khalil Hilfsgüter gesammelt: Kleider, Spielzeug, Medikamente. All das ist nun im Kofferraum des  Kombis verstaut, und weil der Platz dort nicht reichte, haben Khalil und seine Helfer Säcke auf das Dach gepackt. Damit ist er nun unterwegs, 3000 Kilometer hinter Leipzig. Khalil will helfen.    

Nach Deutschland war er gegangen, um sich auf sein Studium zu konzentrieren. Aber das fiel ihm schwer. Täglich erreichten ihn grauenhafte Meldungen von seiner Familie und Freunden aus der Heimat. Mit Kommilitonen, viele davon selbst Syrer, gründete er eine Arbeitsgruppe. Sie beschlossen, einen Transport zu organisieren. Freunde und Verwandte in Syrien halfen bei der Planung. Nach Aleppo sollte der Transport gehen, wo Khalil früher gewohnt hatte. Er meldete sich freiwillig, um den Kombi mit den Hilfsgütern zu fahren – mitten in den Krieg.    



Über diesem Checkpoint weht die schwarze Flagge des Dschihad. Radikale islamistische Gruppen gefährden die Hilfstransporte.

Was in Aleppo auf ihn wartet, ist nicht mehr die wohlhabende Handelsmetropole mit knapp zwei Millionen Einwohnern, die er vor drei Jahren für sein Studium verlassen hat. Es ist inzwischen eine zerstörte Stadt, die Straßen werden von Scharfschützen belauert. Aleppo ist umkämpft von Kräften des Assad-Regimes, der Freien Syrischen Armee und Al-Qaida-nahen Gruppen. Die Risiken, die Khalil auf sich nimmt, sind unberechenbar. Er weiß zu diesem Zeitpunkt im Auto noch nicht, dass er in den nächsten Tagen mit Waffen bedroht und verprügelt werden wird. Dass neben ihm auf der Straße ein Scharfschütze einen Jungen erschießen und 20 Meter von ihm entfernt eine Bombe detonieren wird. Er blickt aus dem Fenster und sagt: "In Deutschland zu sein und tatenlos zuzuschauen – das halte ich nicht mehr aus."    

Aber: Ist die Hilfsaktion einer Handvoll Studenten das Risiko wert? Ist es überhaupt etwas wert, mit einem beladenen Ford-Kombi mit Leipziger Kennzeichen in einem Bürgerkrieg helfen zu wollen, der Millionen von Menschen in die größte Not getrieben hat? Sollte man humanitäre Hilfe nicht den Profis der großen Organisationen überlassen? Solche Fragen hört Khalil nicht zum ersten Mal.    

Er überlegt, einen Koran ins Handschuhfach zu legen. Als Tarnung.


Bei seiner Abfahrt in Leipzig hatten sich seine Freunde versammelt, um sich zu verabschieden. Es flossen Tränen. Nur Khalil war nichts anzumerken, er lachte über das Auto und die mit Paketband auf dem Dach verzurrte Ladung. "Die Spenden sind gesammelt", sagte er, "jetzt brauchen wir nur noch einen Verrückten, der das Zeug runterfährt." Er wirkte locker.    

Aber jetzt, den Bosporus hinter sich und Syrien nur noch wenige Autostunden entfernt, ist er unruhig. Im Stundentakt ruft er Freunde hinter der Grenze an, die ihn empfangen sollen. "Werdet ihr da sein? Ich bin im Zeitplan." Wenn einer der Freunde nicht abhebt, wird Khalil nervös. Er raucht eine Zigarette nach der anderen, die extrastarken. Er sagt wenig, aber seine Gedanken rotieren vermutlich um das, was ihm jenseits der Grenze passieren könnte.    

Ethnisch ist Khalil Kurde. Die Kurden sind längst eine eigene Kriegspartei im syrischen Bürgerkrieg, was die Reise nicht ungefährlicher macht. Sein gelb-rot-grünes Armband – die Farben der Kurden – will er vor der Grenze ablegen. Nur nicht auffallen. Er überlegt, noch einen Koran fürs Handschuhfach zu kaufen, um als aufrechter Muslim durchzugehen, sollte er von Islamisten gestoppt werden. Hinter der Grenze kann jeder Checkpoint zum Problem werden. Man könnte Khalil für einen Spion halten.



Banges Warten an der Grenze zur Türkei. Khalil hat keine Papiere für seine Hilfsgüter.

Der Uno-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, verglich die humanitäre Lage in Syrien schon im Juli mit dem Genozid in Ruanda 1994. Getan hat sich seither wenig. Von mehr als neun Millionen Hilfsbedürftigen sprach UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos Anfang November. Das ist fast die Hälfte der Bevölkerung. Hilfsorganisationen gelingt es derweil kaum noch, Hilfsgüter ins Land zu bringen: Das Assad-Regime erlaubt es ihnen selten, in den von Rebellen kontrollierten Gebieten tätig zu werden – und Helfer werden gerade rund um Aleppo häufig Opfer gezielter Geiselnahmen.    

Im Mai etwa wurden drei Mitarbeiter der Hilfsorganisation "Grünhelme" aus ihrer Unterkunft in der Ortschaft Harim entführt, eine Stunde von Aleppo entfernt. Das Team sollte dort ein Hospital aufbauen. Offenbar steckten Islamisten hinter der Entführung, auch aus Deutschland eingereiste Dschihadisten. Zwei der Geiseln gelang im Juli die Flucht. Anfang September konnte der dritte Grünhelm fliehen, nach 111 Tagen Geiselhaft.    

Auch in anderen Konflikten geraten Helfer in die Schusslinie. Dass sie aber selbst zum erklärten Ziel werden, ist neu. Martin Mikat, ein 27-Jähriger aus Rosenheim, hat im Frühjahr seine Semesterferien in Syrien verbracht, um eine Schule wiederaufzubauen. Auch er ist Student, auch er wollte helfen, wie schon zuvor im Kongo und in Pakistan. "In Syrien wurde die Situation sehr schnell gefährlicher", sagt er, "damit hatten wir nicht gerechnet". Seither gehen keine Grünhelme mehr ins Land. Immer mehr Syrer fühlen sich indes vom Westen im Stich gelassen. Dass humanitäre Hilfe weitgehend ausbleibt, treibt sie den Radikalen in die Hände. Islamistische Milizen wie die Nusra-Front räumen Trümmer von der Straße oder verteilen Brot. Vielen imponiert das. Es ist eine perfide Strategie, denn oftmals sind genau diese Gruppen für die Entführungen von Helfern verantwortlich. In der Folge schränken Hilfsorganisationen ihr Engagement im Land weiter ein, während aus dem Ausland immer mehr Dschihadisten nach Syrien strömen. Ein Teufelskreis auf Kosten der Zivilbevölkerung.    



Die Strecke von der türkischen Grenze nach Aleppo ist eine der gefährlichsten Routen der Welt. Hier ein Abschnitt in der Nähe der kurdischen Stadt Afrin.


Wir haben Khalil bis zur syrischen Grenze begleitet, ab dort ist es uns zu gefährlich. Er fährt alleine weiter. Am Abend kommt er in Aleppo an, er hat einen halben Tag gebraucht für eine Strecke, die zu Friedenszeiten zwei Stunden dauerte. Es dämmert schon, als er sich bei uns per Handy aus der umkämpften Stadt meldet. Viel kann er nicht erzählen, die Verbindung reißt ab. Die Infrastruktur in Aleppo ist zusammengebrochen, Strom und Handynetz gibt es nur sporadisch. In den kommenden Tagen möchte Khalil sich mit einem Bekannten treffen, der Schleichwege kennt und auf die andere Seite der Front gelangen kann. Khalil hat mehrere Tausend Euro Spenden in bar bei sich. Damit sollen im von Assad kontrollierten Teil der Stadt Medikamente gekauft werden.    

Wer in Syrien helfen will, braucht gute Kontakte. Das gilt auch für Hilfsorganisationen. Am Berliner Global Public Policy Institute erforscht und evaluiert Andrea Binder humanitäre Hilfe. Sie sieht bei privaten Helfern wie Khalil, die aus dem Land selbst stammen, einen Vorteil: "Sie kennen die Situation vor Ort, haben ein gutes Netzwerk und wissen sehr gut, was in ihrem Dorf oder ihrem Viertel gebraucht wird." Professionelle, koordinierte Hilfe ersetzen aber auch Aktionen wie die von Khalil nicht. 

Der Westen spendet lieber für Opfer eines Taifuns: Da gibt es keine Täter.


"Die Frage der Koordination wird bei privat organisierten Hilfstransporten ungleich schwieriger", sagt Binder. "Die große, schwere Maschinerie der Hilfsorganisationen macht das allerdings auch nicht immer auf ideale Weise." Dass die Weltgemeinschaft deutlich mehr Hilfe leisten müsste, darin sind sich alle einig. Aber zusätzlich zu den Sicherheitsrisiken wird die Hilfe erschwert durch knappe finanzielle Mittel. Bei Naturkatastrophen wie dem Taifun auf den Philippinen ist die Spendenbereitschaft höher – es gibt dort keine Täter, nur Opfer, der Spender ist automatisch auf der richtigen Seite. Die wenigen Organisationen, die überhaupt noch in den Rebellengebieten in Syrien arbeiten, tun das aus Sicherheitsgründen geheim und ohne Öffentlichkeitsarbeit, etwa Ärzte ohne Grenzen oder die deutsche Organisation Cap Anamur – nicht gerade förderlich fürs Spendenaufkommen.    



Kämpfer in Marea, Provinz Aleppo. Schätzungen der UN zufolge gibt es über 2000 bewaffnete Gruppen in Syrien.

Das Dilemma kennt auch der Student Martin Mikat von den Grünhelmen. "In manchen Krisen stehen wir Hilfsorganisationen uns gegenseitig auf den Füßen rum", sagt er. "Aber in Syrien ist niemand. Dabei wäre es gerade dort so dringend." Die wenigen, die im Moment noch Hilfe ins Land brächten, seien Exil-Syrer, oft junge Menschen wie Khalil, die dafür ihr Leben aufs Spiel setzen.    

Khalil ist vier Wochen nach seiner Abreise zurück in Leipzig. Er wirkt gelöst, unverletzt zurück zu sein. Gleich am ersten Checkpoint hinter der syrischen Grenze, erzählt er, hatten ihm Kämpfer eine Kalaschnikow auf die Brust gedrückt, weil sie ihn für einen Spion hielten; seine Freunde entschärften die Situation. Islamisten prügelten ihn, weil sie ihn für einen feindlichen Kurden hielten. Stockend erzählt er von dem Jungen, der vor seinen Augen von einem Scharfschützen erschossen wurde, und der Bombe, die vor einem Supermarkt explodierte, während er einkaufte.    

Khalil hat Glück gehabt. Die Bilder, die er in einem Leipziger Café dabeihat, zeigen, weshalb er zufrieden ist: Autoladungen voller Medikamente. Er hat sie mit den Spenden aus Leipzig auf dem Schwarzmarkt gekauft und von Bekannten über die Frontlinie schmuggeln lassen, für Krankenstationen in Aleppo. Es ist ein sprichwörtlicher Tropfen, den Khalil auf den glühenden Stein hat fallen lassen, in den sich seine Heimat verwandelt hat. "Aber wenn ich damit auch nur einem Menschen geholfen habe, hat es sich gelohnt." Man merkt trotz der Erleichterung, dass es ihm nicht ganz leicht fällt, zurück in Deutschland zu sein. Die Erlebnisse in der Heimat, das Elend der Verwandten und Freunde trübt das eigene Glück, das es ihm erlaubt, hier zu sein. Aber Khalil hat nun die Gewissheit, geholfen zu haben. Irgendjemandem, irgendwie. Seine Landsleute in Aleppo bereiten sich währenddessen auf den dritten Winter des Krieges vor.

Beim Sänger im Wohnzimmer

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jetzt.de: Glückwunsch zum Jahrestag! Kannst du das Gefühl dieses Jubiläums mit einem Wort zusammenfassen?  
Tex: Stolz trifft es nicht ganz, eher Freude. Weil das alles einfach sehr viel Spaß macht.  

Wir hätten  auf "Überraschung" getippt.   
(Lacht) Klar ist es irre, was aus TV Noir geworden ist. Vor allem, wenn man darüber nachdenkt, wie alles anfing, mit dieser netten Runde in einem kleinen Berliner Café, und wie es sich zu etwas entwickelt hat, an dem jetzt viele Menschen Vollzeit arbeiten.  

Wie genau hat es denn angefangen? 
Der Indiesänger Enno Bunger wollte ein Konzert in Berlin spielen, und ich wurde gefragt, ob ich vor ihm auftreten möchte. Es zeichnete sich ab, dass das Konzert schlecht besucht sein würde. Also habe ich vorgeschlagen, Glühwein zu holen und für ein bisschen Vorweihnachtsstimmung zu sorgen. Spaßeshalber habe ich dann Enno auf der Bühne interviewt. Als er danach seine Lieder spielte, war ich wie vor den Kopf gestoßen: Sein Auftritt kam super an, weil die Leute ihn vorher ein bisschen kennenlernen durften.  

Und dann hast du die Kombination von Interview und Konzert zum Prinzip erhoben? 
Ich dachte, dass noch viel mehr entstehen könnte, wenn man die Intimität von solch kleinen Songwriter-Abenden – also dieses warme Gefühl, das entsteht, wenn Künstler in kleinen Barräumen einfach mal die Klampfe rumreichen – wenn man das paart mit einer gut organisierten Moderation.  



Tex Drieschner, Musiker, Erfinder und Moderator von TV Noir.


Klingt die Musik besser, wenn man davor ein bisschen plaudert?   
Eine Freundin von mir betreibt Hirnforschung und hat mal untersucht, welche Regionen im Hirn wie aktiv sind, wenn man sich zum Beispiel eine romantische Komödie ansieht. Dabei kam raus: Wenn man die Protagonisten erlebt hat, wie sie  umeinander ringen und sich doch nicht kriegen, explodiert im Gehirn irgendwas, wenn plötzlich der große Kuss kommt. Wenn man aber nur den Kuss sieht und vorher nichts, ist alles viel weniger interessant. Bei Musikern und ihren Konzerten ist es ähnlich. Wenn man ein bisschen über sie weiß, wirken ihre Songs  intensiver.   

Denkst du manchmal: Schade eigentlich, dass ich  nur der Moderator bin und nicht der Musiker, der interviewt wird?
(Lacht) Nein, es ist toll, wie es ist. Ich bin ja auch als Künstler weiterhin  aktiv, war gerade erst wieder auf Tour. Am Anfang von TV Noir war ich auch noch einer von drei Musikern auf der Bühne, die aufgetreten sind. Irgendwann hatte ich aber das Gefühl, dass ich mich für eine Sache entscheiden muss. Wenn ich irgendwann mal wieder als Künstler bei TV Noir zu sehen sein sollte, wird sicher jemand anderes moderieren müssen.  

Vor TV Noir hast du lange an deiner Musikkarriere gefeilt. Durch deine Sendung werden junge Künstler nun  schnell im Internet berühmt. Wie fühlt sich das an? 
Ich hatte eine Zeitlang einen verrückten Manager, der nie Geld von mir für seine Arbeit bekam, sich aber den Arsch für mich aufgerissen hat.  Immer wieder hat er gesagt: Wir sind ganz nah dran! Irgendwann hat sich herausgestellt, dass das alles gelogen war und er sogar E-Mails gefälscht hatte. Ungefähr anderthalb Jahre hab ich mit ihm auf den Durchbruch gewartet. Danach dachte ich: was für eine traurige Zeit.   

Was hat das bei dir verändert?  
Ich habe mich gefragt: Was ist mir eigentlich wirklich wichtig? Warum mache ich Musik? Mir wurde klar, dass der breite Erfolg natürlich vieles leichter macht, dass aber das Spielen vor Leuten, die mir etwas bedeuten, der eigentliche Kern ist. Seitdem ich das weiß, habe ich auch Frieden mit meiner kommerziellen Entwicklung geschlossen und muss nicht mehr unbedingt ein Star werden.  

Du hast ja immerhin in der Hinterhand ein Mathematikstudium und Berufserfahrung in der IT-Branche...
...weshalb ich auch nie wirkliche Existenzangst hatte. Es war nie so, dass ich unbedingt einen Hit landen musste, um weiter Musik machen zu können. Ich war in einer privilegierten Situation.   

http://www.youtube.com/watch?v=b_18xDJKPi4 Der Trailer für eine Folge mit Mighty Oaks und Martin Gallop.

Würdest du jungen Künstlern raten, was Anständiges zu lernen?   
Nein, das nicht. Ich merke bei vielen Musikern, dass sie mit ihrem Erfolg vernünftig umgehen können. Aber es gibt auch Bands wie zum Beispiel Juli und Selig, die mir erzählt haben, dass sie rückblickend ganz ungeschickt mit bestimmten Situationen umgegangen sind. Sie haben alles, wirklich alles radikal der Karriere untergeordnet. Weil sie der Meinung waren: Genau jetzt muss es für uns das ganz dicke Ding werden. Für Künstler in einer solchen Phase ist eine Sendung wie TV Noir eigentlich nicht das richtige Format. Bei uns geht es nicht um den kommerziellen Erfolg   

Wobei sich viele Bands ja um einen Auftritt bei TV Noir reißen, um den nächsten Karriereschritt machen zu können.  
Das stimmt. Ich habe neulich auch mal versucht herauszufinden, nach welchen Kriterien wir die Künstler einladen, und was die vielleicht gemeinsam haben. Auf den ersten Blick machen sie alle irgendwie Folkmusik oder zumindest akustisch orientierte Indie-Musik. Aber wir hatten auch schon Leute wie Rainald Grebe, Annett Louisan und Eva Briegel. Der gemeinsame Nenner aller Künstler, die bei TV Noir auftreten, ist in meinen Augen eine ungeheure Dringlichkeit, was Musik angeht. Wir mögen Leute, die um ihre Texte ringen und ihr Letztes für die Musik geben.   

Wagen wir noch einen Ausblick: Wie wird TV Noir  in fünf Jahren aussehen?  
Unser Prinzip ist: Es muss Spaß machen und es muss Sinn machen, und wenn mal ein Projekt weniger Spaß oder Sinn macht, dann machen wir davon weniger, bis es wieder passt. Ich würde mich  freuen,  so weiterzumachen, wie wir jetzt arbeiten. Ob wir das schaffen, ist schwer zu sagen. Einerseits läuft es gerade wirklich gut, und es wollen tatsächlich unheimlich viele Künstler mitmachen. Andererseits wissen wir nicht, ob wir es hinbekommen, die Sendung finanziell auf ein nachhaltiges Level zu hieven. Das einzige, was ich jetzt versprechen kann: Wenn in fünf Jahren noch irgendwo TV Noir drauf stehen wird, wird es sich auch immer noch so anfühlen wie im Moment.

Eine Nachricht, ein Schock

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Knock, Knock. Kommt eine SMS oder Mail mit den Worten "Wir müsen reden", bedeutet das nichts Gutes.

"Setz dich." Ich sehe in die Augen meiner Eltern und weiß: Es wird ernst. Hunderte Gefühle und Gedanken rattern durch mein Gehirn. Mir ist sofort klar, worum es geht: Zigaretten. Ich denke an meinen ersten Zug, an die erste Zigarettenschachtel. Die Finger waren noch ein wenig verkrampft, der Rauch in der Lunge kratzte.

Aber: Irgendwie fühlt sich das gut an, sich zwischen 16-Jährigen sich in die Raucherecke der Schule zu schleichen. Bis ich eben irgendwann die Haustür nach der Schule aufschließe, vorher noch schnell einen Kaugummi in den Mund stopfend, die Eltern sollen ja nichts riechen. Dann der Blick ins Wohnzimmer. Mama und Papa sitzen erwartungsvoll auf dem Sofa. Und sie sagen nur diese zwei Wörter. "Setz dich".

Gibt es Sätze und Fragen, die dir den Angstschweiß auf die Stirn treiben? Ich habe auf Twitter gelesen, 99 Prozent der Menschen hätten Angst, wenn sie eine SMS mit den Worten bekommen: "Kann ich dich mal etwas fragen?" Der Klassiker unter den Angstsätzen ist allerdings: "Wir müssen reden". Gefürchtete Worte für jeden Verliebten, die das Ende seiner Beziehung heraufbeschwören könnten.

Welche Redewendungen sind auf deiner "Top-da-kann-nichts-Gutes-bei-herumkommen-Liste"? Welche Sätze willst du nicht hören? Das schnaufende "Wie war ich?" nach dem Sex oder das klassische Klischee "Schatz, findest du mich zu dick?" deiner Freundin vor dem Spiegel? 

Saure Kutteln in Rotwein-Sößle

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Diese Woche hat sich jetzt-Userin pica_pica die Mütze des Kosmoskochs aufgesetzt. 

Montag:



Normalerweise muss es montags mit dem Kochen etwas schneller gehen, da Sport. Der fällt heute allerdings aus. Daher gibt’s einen wärmenden Herbsteintopf à la Eigenkreation: Man nehme Gemüse vom Markt, dünste es an, gieße ein wenig Brühe auf und lasse es einkochen, bis fertig. Die heutigen Protagonisten sind Kürbis, Kartoffeln, Bohnen, Paprika und Karotte. Dazu selbstgebackenes Baguette vom Wochenende – voilà! Im Herbst und Winter werde ich regelrecht zum Suppenkasper und könnte solche Gerichte täglich essen – aber dafür gibt es dann doch viel zu viele andere leckere Gerichte.

Dienstag:



Neben meiner Vorliebe für Suppen und Eintöpfe gibt es noch eine weitere Liebe: (schwäbische) Hausmannskost. Und die gibt es heute in reinster Form - Saure Kutteln. Manche mag es beim Anblick des Dienstagbildes schütteln, aber einfach Augen zu und durch, denn sie schmecken wunderbar! Gekocht in einem Rotwein-Sößle, als Beilage Brat- bzw. Backofenkartoffeln und Bier als Getränk (heute: Pils). Ich könnt mich reinlegen!

Mittwoch:



Mittwochs ist Sporttag Nummer zwei in der Woche, allerdings ohne Zwischenstopp daheim. Daher mittags warm (heute: Reste von Montagabend) und abends ein Vesper im Zug. Das Vesper kommt ganz unprätentiös daher mit selbstgebackenem Brot, Wurst, Käse und Karotte (das orange-violette Ding auf dem Bild). Ach ja, der männliche Part muss sich mittwochs immer selbst versorgen, aber wird schon gutgehen.

Donnerstag:



Wer gut isst, muss sich viel bewegen, also auf zum Sporttag Nummer drei heute. Deshalb ein etwas schnelleres Gericht, gekocht vom Mann daheim (, da die Bahn mal wieder unglaublich zuverlässig war…) - Spinatpasta. Gestern war Markttag und ich konnte dem frischen Spinat nicht widerstehen. Mit Zwiebel und Knoblauch andünsten und mit viel Parmesan unter die Bavette heben – macht satt und glücklich. Und sporteln lässt es sich dann auch noch gut.

Freitag:



Wie es der öffentliche Dienst freitags so verlangt, komme ich schon früher heim. Allerdings gibt’s noch einiges am Nachmittag zu erledigen, daher verzichte ich heute auf das obligatorische Stück Kuchen vom Bauernmarkt. Abends ist dafür Pizza angesagt. Der Teig reift bereits seit zwei Tagen im Kühlschrank, das gibt Geschmack und einen tollen knusprigen Boden. Belegt wird mit Tomatensugo, Salami, Sardellen und Büffel-Mozzarella. Der Ackersalat sorgt noch für was Frisches, und einem Gläschen Rotwein sind wir auch nicht abgeneigt.

Samstag:



In der Weihnachtsbäckerei – die wird heute endlich bei mir eröffnet. Als erstes sind Schwäbisches Früchtebrot und Erzgebirgsstollen dran, die müssen nämlich noch ein wenig reifen, bis sie gegessen werden können. Mittags gibt’s dann Kürbissuppe, genau das Richtige bei dem Schmuddelwetter draußen. Außerdem wird abends beim Geburtstagskind noch groß gespeist. Das erspart mir das abendliche Kochen, dafür gibt’s noch einen Birne-Quark-Streusel-Geburtstagskuchen. Foto lag natürlich daheim, deshalb gibt’s nur ein Bild vom Kuchen, das ich vorher schon geschossen hatte.

Sonntag:



Das Sonntagsessen ist ziemlich ritualisiert bei uns. Angefangen beim obligatorischen Frühstücksei, über die Suppe am Mittag (in allen Variationen) endet der Sonntag mit Resten der letzten Tage oder mit einem guten Vesper, so wie heute geschehen. Selbstgebackene Laugenwaren und Briegel treffen auf Wurst, Käse, Radi, Gürkchen und ein gekühltes Bier. Danach der Tatort, und die neue Woche kann beginnen!                    

Auf der nächsten Seite: Der ausgefüllte Fragebogen zu pica_picas Ess- und Kochgewohnheiten. 

[seitenumbruch]

Welchen Stellenwert hat Essen in deinem Leben?
Einen sehr hohen. Ich koche und backe leidenschaftlich gerne, genieße es, einkaufen zu gehen und gebe wahrscheinlich überdurchschnittlich viel Geld für Lebensmittel aus. Wenn ich Hunger habe, kann ich wirklich grantig werden.

Was ist dir beim Essen und Einkaufen besonders wichtig?
Die Qualität der Lebensmittel. Ich achte sehr darauf, was ich einkaufe. Im Laden drehe ich die Verpackung um und schaue, was drin ist. Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, Aromen? Nein, danke! Frisches gibt’s bei uns nur vom Markt oder von einem der zig Hofläden, die es bei uns noch gibt. Da weiß ich, wie es angebaut wird und wo es her kommt. Fleisch nur vom Metzger und maximal ein bis zwei Fleischgerichte in der Woche, das reicht völlig aus. Backen tu ich selbst, das ist nebenbei auch wahnsinnig entspannend für mich. Es muss auch nicht alles bio sein. Lieber saisonal und regional, denn ein Bio-Apfel aus China hat für mich nichts mit bio zu tun.

Erinnerst du dich, wann du zum ersten Mal für dich selbst gekocht hast und wer dir das Kochen beigebracht hat?  
Da beide Eltern berufstätig waren, haben meine Schwester und ich schon sehr früh angefangen, mittags was zu „kochen“. Allerdings waren das meistens eher Fertiggerichte. Richtig angefangen zu kochen habe ich, als ich das erste Mal von daheim ausgezogen bin, um mein Praxissemester zu absolvieren. Das ging dann alles eher learning-by-doing.

Was war dein Lieblingsessen als Kind?
Ich habe schon als Kind gern gegessen und war auch nie wählerisch. Ein Faible hatte ich immer für süß-saure Gerichte, heute nicht mehr so. Was ist dein aktuelles Lieblingsessen? Bodenständig, mit und ohne Fleisch, Suppen, Eintöpfe, gerne deftig. Ein bestimmtes Gericht kann ich gar nicht benennen.

Was magst du gar nicht?
Das einzige, was absolut nicht geht, ist Leber. Ich probiere zwar regelmäßig, um meinen Geschmack zu testen, aber bislang ist der Funke nicht übergesprungen.

Mittags warm und abends kalt oder andersrum?
Da ich mittags im Büro so gut wie immer ein Vesper mit habe, gibt es bei uns abends warm. Sonntags aber auch mal andersrum.

Wo isst du am liebsten, am Tisch oder auf dem Sofa?
Im Normalfall am Tisch, wenn Besuch da ist, sowieso. Aber nach einem stressigen Tag, wenn man spät heimkommt und was Gutes im Fernsehen kommt, gerne auch auf dem Sofa.

Was trinkst du zum Essen?
Unter der Woche meist Wasser, am Wochenende je nach Essen Bier oder Wein oder Wasser.

Wie oft gehst du auswärts essen und hast du ein Lieblingsrestaurant?
Da ich sehr kritisch bin, was die Qualität der Gerichte angeht, gehe ich selten auswärts essen. Und wenn doch, dann dahin, wo ich weiß, dass die Qualität und der Preis zueinander passen.

Was isst du, wenn es schnell gehen muss?
Ich versuche solche Situationen zu vermeiden, in denen es schnell gehen muss. Aber wenn doch, gibt’s Pasta oder ein Brot mit Schinken und Spiegelei.

Was war das aufwändigste Gericht deines Lebens?
Rehrücken mit Rotkraut und Kartoffelknödel. Aber aufwändig eigentlich nur deshalb, weil ich mit den Kartoffelknödeln sehr auf Kriegsfuß stand, bzw. immer noch stehe.

Hast du ein Standard-Gericht, wenn Eltern oder Freunde zu Besuch kommen?
Standard nicht unbedingt. Ich koche für Besuch gerne Lasagne oder Chili con Carne. Beides sind Gerichte, die ich mittlerweile aus dem Effeff beherrsche und weiß, dass eigentlich nichts schief geht. Und bei dem Brot, was ich zu Chili reiche, kann eh keiner wiederstehen! Bei vegetarischen Gästen gibt’s meistens einen Salzkuchen oder etwas in der Art. Das lässt sich auch für viele gut vorbereiten und recht schnell zubereiten.

Tief küssen und stricken

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Knutschen, jetzt!
Gleich zu Anfang unser Lieblinsvideo der vergangenen Woche! Ist zwar schon etwas älter, wurde aber kürzlich wieder durchs Internet gereicht. Es zeigt Anne Sorrentino, die neun verschiedene Menschen küsst.
 
http://vimeo.com/15050805

„This is my fantasy of my relation to the other“, schreibt sie dazu, und dass sie sich von den Grenzen, die der Liebe immer auferlegt werden, befreien möchte. Küsse sind dafür ihrer Meinung nach der richtige Weg, denn „a kiss is to me the most beautiful interaction of two beings“. Schön ist es wirklich, das Video (liegt aber auch ein bisschen an Anne Sorrentinos wirklich ganz entzückendem Profil). Wer danach keine Lust auf Knutschen hat, der hat wohl kein Herz! Und kann es ja mal mit Teil 2 versuchen.

Rosie, 22, aus Middlesex...



...war neulich nicht auf der Seite 3 der „Sun“, auf der man sonst immer erotisch gemeinte Fotos sieht. Stattdessen wurde dort etwas beworben, auf das die männlichen Leser angeblich genauso sehr stehen. Fanden sie witzig, die „Sun“-Macher.

Selbermachen advanced
Was man ja in der Bahn oft sieht: strickende Frauen. Was man dort allerdings nie sieht: strickende Frauen, die das Wollknäuel in ihre Vagina stecken. „Warum sollten sie auch?“, wirst du jetzt vielleicht fragen. Na, wegen Kunst halt! Das hat sich zumindest Casey Jenkins aus Australien gedacht und beschlossen, während einer 28-tägigen Perfomance einen sehr langen Schal zu stricken, dessen Wolle frisch aus ihrer Körpermitte schlüpft. Casey möchte dadurch „mehr eins sein“ mit ihrem Körper und Vaginas an sich „zugänglicher“ machen. Achso.

http://www.youtube.com/watch?v=q6RZZf6HMzo

Schuhe probiert man ja auch erst mal im Laden an!
Viele Videos heute, aber das hier muss noch sein. Eine Kondomwerbung aus Australien (schon wieder Australien!), in der etwas passiert, was irgendwie logisch ist: Bevor das Paar sich eine Packung Kondome kauft, probiert es die verschiedenen Größen und Sorten erstmal im Laden an. Und lässt sich natürlich auch beraten („Es passt sehr gut zu ihrer Augenfarbe!“).

http://www.youtube.com/watch?v=Uq2E1GFusRI

Schlagfertigkeit ist das, was du dir auf dem Heimweg auf Twitter durchliest  



Klar, schöner wär’s natürlich, niemand würde auf der Straße schmierige oder plumpe Sprüche machen oder einfach jemanden angrabschen. Aber solange das immer wieder passiert, hilft es ja vielleicht zu wissen, was andere in so einer Situation getan haben. Der Twitter-Account @EverydaySexism hat die schlagfertigsten Entgegnungen auf Alltagssexismus gesammelt. Der "Guardian" hat die Highlights rausgefiltert. Und "Jezebel" hat die Highlights der Highlights rausgefiltert. Gut vorstellbar, dass ein paar dieser Entgegnungen tatsächlich ganz gut wirken. Wer sich nicht verunsichern lässt, hat ja immer schon halb gewonnen. 

Periodensystem der Periode 



Der weibliche Zyklus wurde schon oft genug beschrieben und irgendwie haben wir das ganze Periodengerede ja auch über– aber das hier ist niedlich: das Periodensystem der Elemente (das wir in der Schule verflucht, aber spätestens seit Breaking Bad total lieb haben) in einer Zyklusversion, mit lustigen Icons. Gibt's auch als pdf in groß zum Angucken.

Zum Schluss bleibt uns nur noch zu sagen:



Hihi!

"Ganz ehrlich!"

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Wir wollen ja nicht angeben, aber ganz ehrlich: Wir haben es schon vor Jahren gesagt. Wenn wir dieser Tage also an jeder deutschen Bushaltestelle diese neue Werbung für Tablets sehen, deren Botschaft mit einem großflächigen "Ganz ehrlich" beginnt, runzeln wir nur gönnerhaft die Stirn. Die vom Kollegen schon lange angekündigte schleichende Veralltäglichung der feierlich anmoderierten Ehrlichkeit ist vollendet.

Wer einen Satz mit "ganz ehrlich" beginnt, setzt einen kleinen Trommelwirbel vor das gleich Kommende: Hand aufs Herz, was jetzt kommt, ist vielleicht etwas unkorrekt und man wird mich möglicherweise dafür hassen, aber hey, ein bisschen Tabubruch muss sein, sogar (und gerade!) als hartgekochter DFB-Sportdirektor.

"Ganz ehrlich" ist gewissermaßen der Leuchtpfeil zum medialen Beichtstuhl. Hinter ihm dürfen Starköche zugeben, dass sie Lamm nicht von Schwein unterscheiden können, Porsche-Erben treuherzig von der problematischen Partnersuche berichten und Generalsekretärinnen zurückgelehnt-jovial ihre Ahnungslosigkeit einräumen. Dabei ist die solchermaßen angekündigte Ehrlichkeit nicht nur ein strategisches Ankumpeln an den Zuhörer, sondern in Wahrheit oft auch ein wortgewordenes Naserümpfen über das, was man von dieser dämlichen Welt gleich zu sagen gezwungen sein wird.





"Ganz ehrlich, ich möchte nicht die Zeit aufbringen, den Klingelton zu ändern."

David Garrett, Geigenspieler,über seinen Handy-Rufton (in: Hallo Sonntag)

"Ganz ehrlich: Teilweise haben wir uns wirklich blamiert und konnten nicht mal Lamm von Schwein unterscheiden."
Tim Mälzer, Koch, über eine neue Kochsendung (in: Hörzu)

"Ganz ehrlich: Sigmar Gabriel hatte im Interview eben mit Marietta Slomka einfach nur recht!"
Kristina Schröder, CDU-Politikerin, über das Streitgespräch zwischen dem SPD-Vorsitzenden und der ZDF-Moderatorin (auf Twitter)

"Ganz ehrlich: Langsam reicht es mir mit diesen Typen. Vielleicht ist es an der Zeit, femininere Charaktere zu spielen."
Josh Brolin, Schauspieler, über gewalttätige Rollen (auf Spiegel Online)

"Ganz ehrlich: Ich mag beides nicht besonders. Lieber Wein."
Wolfgang Niedecken, Sänger, auf die Frage, ob Kölsch oder Alt (in: Die Zeit)

"Ganz ehrlich, es war mir nicht leichtgefallen, mich zu verlieben."
Peter Daniell Porsche, reicher Urenkel, über die Schwierigkeit, als Porsche-Erbe eine Frau zu finden (in: Stern)

"Ganz ehrlich? Ich (...) war überaus verwundert, dass man den Clásico, das prestigeträchtigste Punktspiel der Liga zwischen Real und Barça, genau zwischen den Champions-League-Halbfinals platziert hat."
Matthias Sammer, Sportdirektor, über den Fußball-Weltmeister Spanien (in: Focus)

"Ganz ehrlich: Ohne geeigneten und finanzierbaren Ersatz war ein Verkauf für uns nie ein Thema."
Rudi Völler, Sportdirektor von Bayer Leverkusen, über den Wechsel von André Schürrle zum FC Chelsea (in: Sport Bild)





"Ganz Ehrlich: 'Rango' war kein Kassenschlager."
Jeffrey Katzenberg, Hollywood-Produzent, über Animationsfilme (in: Der Spiegel)

"Ganz ehrlich: Das interessiert mich nicht. Ich bin nicht für Handlungen von Uli Hoeneß verantwortlich."
Michael Zorc, Sportdirektor von Borussia Dortmund, über Hoeneß’ Jubel nach dem 2:1 für Wolfsburg (in: Sport Bild)

"Ganz ehrlich, im Jemen haben wir viel drängendere Probleme."
Tawakkul Karman, Friedensnobelpreisträgerin, über die Frage, ob dort künftig die Scharia gelten soll (in: Stern)

"Ganz ehrlich: Ich finde es schön, einer Sache noch ein bisschen länger hinterherlaufen zu müssen."
Mats Hummels, Fußballspieler, über den knapp verpassten Champions-League-Sieg mit Borussia Dortmund (in: GQ)    

"Ich muss ganz ehrlich sagen: Das Risiko, die Marke dadurch zu überdehnen und ihr Premium-Image zu gefährden, ist mir zu groß."
Matthias Müller, Porsche-Chef, über eine Preisuntergrenze von 50.000 Euro für einen neuen Porsche (in: Focus)

"Ganz ehrlich: damit beschäftige ich mich gar nicht. Ich bin niemand, der einfach so vor irgendetwas davonläuft."
Martin Harnik, Fußballspieler, über einen möglichen Abschied vom VfB Stuttgart (in: Stuttgarter Zeitung)

"Wenn ich ganz ehrlich bin, auch nicht anders als vorher."
Andrea Maria Schenkel, Bestseller-Autorin, auf die Frage, wie es sich als Bestseller-Autorin lebt (in: Krimi. Das Magazin für Wort und Totschlag)

"Ganz ehrlich: Das weiß ich nicht."
Andrea Nahles, SPD-Generalsekretärin, über die Ressortverteilung der künftigen Regierung (in: Welt am Sonntag)      

"Ganz ehrlich: Ich denke nicht."
Karl-Erivan Haub, Tengelmann-Chef, auf die Frage, ob die Deutschen die Preissensibilität jemals ablegen werden (in: Focus)

Die App, die alles sieht

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Unangenehme Aufgaben nach hinten zu verschieben ist keine seltene Reaktion auf einen Mangel an Selbstdisziplin. Jeder hat seine eigenen Methoden und Ausreden, um sich selbst zu überlisten. Das CD-Regal zu sortieren war vielleicht wirklich erstmal wichtiger als anzufangen die Hausarbeit zu schreiben. Das hätte dich nur abgelenkt. Wie für so Vieles soll jetzt eine App die Lösung all deiner Probleme sein.  

Die App „SelfControl“ soll dir helfen, wenn deine Selbstdisziplin mal wieder den Tagestiefpunkt erreicht hat. Das Internet bietet gefährlich viele Möglichkeiten, dieses Tief mit unsinnigen Videos und Facebookposts zu füllen. Du wolltest eigentlich nur kurz deine E-Mails checken und zack: sieben Tabs und drei YouTube-Videos später fällt dir wieder ein, woran du gerade arbeitest. Mit der App kannst du für diese Fälle über einen bestimmten Zeitraum all jene Urls sperren lassen, die du vorab in die „Blacklist“ einträgst. Nur auf Seiten, die auf der „Whitelist“ eingetragen sind, kannst du surfen. Das setzt natürlich voraus, dass du beim Erstellen der Liste ehrlich zu dir selbst bist und Facebook ganz klar auf die schwarze Liste setzt. Die Internetfalle wäre damit abgewendet.  

Eine andere Gefahr lauert hinter einen ganz anderen blöden Angewohnheit: einer schlechten Haltung. Woran dich früher deine Mutter erinnern musste, dazu ermahnt jetzt die App „Lumoback“. In Verbindung mit einem Sensorgürtel sendet die App immer dann ein Signal, wenn du mal wieder auf dem Bürostuhl lümmelst oder nach dem Essen eine Überfressen-Haltung einnimmst.  

Für Leute, die glauben sich in Gefahr zu begeben, wenn sie während dem Laufen eine SMS beantworten, gibt es die „Anshin“-App, die das Gerät blockiert, sobald man sich in Bewegung setzt. Blöd nur, wenn man gerade dann einen echt wichtigen Anruf entgegennehmen muss.  

Hast du schon mal eine dieser Apps ausprobiert? Brauchst du auch etwas Unterstützung in Sachen Disziplin? Wie schaffst du es dem Aufschieber-Syndrom zu entkommen? Benutzt du solche digitale Hilfsmittel oder hast du deine eigenen Methoden dich selbst zu disziplinieren?

Wasser für das Tote Meer

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Seit Jahrzehnten sinkt des Wasserspiegel des Toten Meeres. Eine Wasserleitung aus dem Roten Meer soll es vor dem Austrocknen retten.

Eine Wasserleitung aus dem Roten Meer soll das Tote Meer vor dem Austrocknen retten. Einen Vertrag über das Großprojekt einer 180 Kilometer langen Pipeline durch die Negev-Wüste unterzeichneten Israel, Jordanien und die Palästinensischen Autonomiebehörden am Sitz der Weltbank in Washington, wie ein Sprecher der Weltbank auf Anfrage bestätigte.

Dem Vertragsabschluss vorausgegangen war eine lange Planungsphase. Modelle sahen vor, ein bis zwei Millionen Kubikmeter Meerwasser aus dem Golf von Eilat ans Südende des Toten Meeres zu leiten. Weiter wird eine Kombination mit Meerwasserentsalzungsanlagen und Anlagen zur Stromgewinnung erwogen.

Umweltschützer kritisieren das Projekt, weil siebefürchten unabsehbare Risiken für die Umwelt des Toten Meeres wie auch des Roten Meeres. So ist der Golf von Eilat Heimat für Korallen, die empfindlich auf Schwankungen des Salzgehalts des Wassers reagieren.

Das Niveau des Toten Meeres war in den zurückliegenden Jahrzehnten kontinuierlich gesunken, zuletzt etwa einen Meter pro Jahr. Inzwischen liegt es 427,71 Meter unter Meereshöhe. 1970 befand sich der Wasserspiegel noch 395 Meter unter Normalnull. Grund für das Absinken ist die Wasserentnahme aus dem Jordan, dem Hauptzufluss.

Aufstand der Schatzjäger

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Wenn Daten in Zukunft wirklich das sind, was einst Rohöl war.Kein Geheimdienst dieser Welt kennt die Menschen so gut wie Facebook. Bei dem digitalen Plaudertreff verraten mehr als eine Milliarde Menschen, wann sie wo mit wem Urlaub machen, welche Partei sie wählen, und welches Shampoo sie besonders mögen – und zwar freiwillig. Und Facebook ist damit unter den mächtigen amerikanischen Technologiekonzernen noch nicht einmal etwas Besonderes: Google und Twitter können Epidemiewellen schneller als Gesundheitsbehörden verorten, Microsoft hat den Schlüssel zu vier von fünf PCs weltweit.



Das Misstrauen auf Seiten der Verbraucher wächst. Die Branche die auf dem Sammeln von Daten basiert muss jetzt das Vertrauen zurück gewinnen.

Der enorme Datenschatz, auf dem die Technologiekonzerne sitzen, hat Begehrlichkeiten geweckt. Und seit den Enthüllungen des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden ahnen die Menschen, dass diese Begehrlichkeiten auch erfüllt werden. Noch ist zwar unklar, ob sich Unternehmen dabei als willige Gehilfen erwiesen haben oder unter dem hehren Versprechen der Terrorbekämpfung von staatlicher Seite dazu gezwungen wurden. Klar ist aber: Das Misstrauen wächst – und es bedroht das Geschäft der Technologieunternehmen.

Nun wagen sie den Aufstand:
Ein Schmiermittel, das die Wirtschaft am Laufen hält, dann wird der ein gutes Geschäft machen, der über diese Daten verfügt. Es gibt jedoch eine zweite Voraussetzung für dieses Geschäft: Vertrauen.

In einem Brief an Präsident Barack Obama und Kongressmitglieder forderten Unternehmen wie Apple, Google und Facebook, die staatliche Überwachung von Bürgern einzudämmen. Der Appell: Die USA, deren Spionagebehörde NSA durch Enthüllungen stark in Verruf geraten ist, sollten dabei mit gutem Beispiel für andere Regierungen der Welt vorangehen.Auch Microsoft, Twitter, AOL, Yahoo und Linkedin unterzeichneten den Appell.

Es ist nicht so, dass es bislang keinerlei Widerstand gegen die allzu neugierigen Geheimdienste gegeben hätte. Der E-Mail-Anbieter Lavabit beispielsweise hat die Zusammenarbeit verweigert – und er hat einen hohen Preis gezahlt, um die Überwachung seiner Kunden zu stoppen: Er machte dicht. Schon vorher nervte er die Regierungsstellen. Als das FBI seinen geheimen Schlüssel anforderte, um kryptotechnisch geschützte E-Mails mitzulesen, druckte er ihnen den Code aus – auf sechs kleinstbedruckten Seiten. Anwälte, die solche kreativen Gesetzeslücken ausnutzen, sind teuer. Staatliche Stellen drohen als Antwort mit hohen Geldbußen, die schmerzen. Wenn Konzerne andererseits die Geheimdienste hineinlassen, bekommen sie mitunter sogar Kompensationszahlungen.

Ein erster Versuch der Technologieunternehmen, Allianzen zu schmieden und gemeinsam in der Spähaffäre für Aufklärung zu sorgen, war vor etwa zwei Monaten gescheitert. Damals hat die US-Regierung den von den Unternehmen gestellten Antrag abgeschmettert, mehr Details über die Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten zu veröffentlichen. Solche Angaben wären „für unsere Feinde unbezahlbar“, hieß es in einer Stellungnahme des Justizministeriums.

Nun scheint die Sorge vor dem Vertrauensverlust in der Technologiebranche aber offenbar groß genug, damit aus Rivalen Verbündete werden. Und auch groß genug, um mal so richtig auf den Tisch zu hauen. Nun versuchen es die US-Unternehmen noch einmal. Und dieses Mal deutlich lauter.

Auf einer Internetseite präsentieren die Unternehmen ihre „Prinzipien“ für eine globale Reform der Spionageprogramme. So sollten die Geheimdienste aufhören, einfach massenhaft Kommunikationsdaten aus dem Internet abzufischen, sondern ihre Sammlung konkret auf Zielpersonen beschränken. Zudem müssten die verantwortlichen Behörden und Gerichte viel strenger überwacht werden. So fordern die Unternehmen mehr Aufklärung darüber, wie oft und warum Regierungen nach der Herausgabe von Informationen fragen.

Dass die junge Internetbranche durchaus Einfluss in Washington hat, das hat sie vor einem knappen Jahr bereits bewiesen. Damals sollten Unterhaltungskonzerne einen Gerichtsbeschluss erwirken können, der Internetanbieter und Suchmaschinen dazu zwingt, diePiraterie-Plattformen unerreichbar zu machen. Die Konzerne im Silicon Valley mobilisierten Internetaktivisten. Gemeinsam liefen sie Sturm. Letztlich knickte die US-Regierung ein – und kassierte den Vertrag. selbstbewusst für ihre Sache kämpfen. Vor etwa einem Jahr: Sopa. Pipa. Damals haben sie den Kampf sogar gewonnen. Es zeigte sich, dass wie viel noch junge Branche an Einfluss gewonnen hatte. Nicht nur weil sich Politiker all dieser Techniken gern selbst bedienen. Sondern auch weil der Technologiesektor einer der wenigen ist, auf den das überschuldete Land baut – um Antwort auf die Frage zu finden, wer Werte schafft. Doch dieses Mal will das Silicon Valley nicht nur Gesetzesentwürfe verhindern. Die Konzerne fordern nicht weniger als eine Abkehr von der gelebten Praxis – und eine Reform von Gesetzen, die seit vielen Jahre gelten. Und, weitaus wichtiger, dieses Mal legt sich die Internetbranche nicht nur mit einer anderen Branche an. Dieses Mal schießt sie gegen die eigene Regierung – und sogar gegen Politiker und Manager jenseits des eigenen Landes.

Denn die Unterzeichner riefen die Regierungen weltweit auf, sich auf einen rechtlichen Rahmen für Anfragen nach Nutzerdaten zu einigen. Damit verbunden ist die Forderung nach einem „freien Fluss von Informationen“ im Internet auch über Grenzen hinweg. Dies ist ein Angriff auf all jene, die es im Zuge der NSA-Affäre gewagt haben, den USA das Vertrauen zu entziehen – und ihr eigenes Ding zu machen.

Es ist ein Angriff auf die brasilianische Regierungschefin Dilma Rousseff, die beispielsweise eine leidenschaftliche Rede vor den Vereinten Nationen gehalten undbrasilianische Unternehmen beauftragt hat, eigene Computersysteme aufzubauen. Sie will es US-Unternehmen erschweren, in Brasilen erhobene Daten außer Landes zu schaffen. Sie will neue Kabel in der Region verlegen, sodass die Daten nicht länger durch die USA geleitet werden müssen.

Und die nun formulierte Forderung nach freiem Informationsfluss ist auch ein Angriff auf die Deutsche Telekom, die ihrerseits dafür geworben hat, den Datenverkehr zwischen Europäer auch im Schengen-Raum zu belassen. Derzeit, so beklagt Telekom-Chef René Obermann, werde die Chancengleichheit ausgehöhlt. Auf der einen Seite die Unternehmen, die fair spielen – auf der anderen diejenigen, die die Regeln missachten und sich so zumindest kurzfristig einen Vorteil verschaffen. „Es ist ein Unding, wenn wir seit 20 Jahren einen gemeinsamen europäischen Markt haben, aber Industriespionage nicht ausschließen können.“ Bislang nämlich haben amerikanische Internetkonzerne wenig Lust, ihre Großrechner in Deutschland aufzustellen, wo strengere Datenschutzgesetze gelten.

Wie sinnvoll eine Abschottung des Internets tatsächlich ist, das ist dennoch umstritten. Der Siegeszug des Internets liegt vor allem darin begründet, dass es dort keine Grenzen gibt. Die Menschen kommen schneller in Kontakt, können die offizielle Propaganda von Diktatoren ebenso umgehen wie die gierigen Mittelsmänner im Musikgeschäft oder Taxigewerbe. „Im besten Fall“, betont zudem der irische Jurist TJ McIntyre, ist ein Schengen-Internet „ein technisches Pflaster“. Denn Snowden habe gezeigt, dass Geheimdienste nicht zögern, auch innerhalb von Europa Daten entgegen allen geltenden Gesetzen abzugreifen.

Der ewige Gärtner

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Wenn die Tischreden, die auf einen ehemaligen Jugendhelden gehalten werden, plötzlich wie Reden am offenen Grab klingen, dann weiß auch der Fan, dass er älter geworden ist. Am Sonntag wurde Billy Joel, 64, amerikanischer Popstar, mit einer Ehrung des Kennedy Centers bedacht.



Carlos Santana, Shirley MacLaine und Billy Joel (v.r.n.l.): Geht es nach Präsident Obama, gehören sie zu den "Besten der Besten".

Bedeutender geht es nicht, wenn man in den USA als Künstler lebt und arbeitet. Dagegen ist jeder MTV Award ein Pubertäts-Bambi. Die Künstler, die da in Washington ausgezeichnet wurden (Carlos Santana, Herbie Hancock, Shirley MacLaine), lobte US-Präsident Barack Obama als "die Besten der Besten", die "trotz ihres Erfolgs sich selbst treu geblieben" seien und "uns unendlich bereichert hätten". Wobei "uns" natürlich eine Generationsfrage ist.

Man kann sich ja vorstellen, was jüngere Musiker und deren Fans von so einer Ehrung halten. Bei Shirley MacLaine, 79, denken sie sicher nicht an "Das Mädchen Irma La Douce", bestenfalls an eine alte Schachtel, die manchmal behauptet, bei ihr seien Ufos im Garten gelandet. Es ist doch zum Heulen. "Only the Good Die Young", nur die Guten sterben jung, heißt einer der großen Songs von Billy Joel. Wahrscheinlich denken junge Leute: stimmt genau.

Wie Springsteen, Jagger und die Flippers denkt jedenfalls auch Mister Joel derzeit nicht daran, die Bühne zu räumen. Von Ende Januar an, so hat er gerade angekündigt, werde er monatlich je ein Konzert im New Yorker Madison Square Garden geben– so lange, bis ihn keiner mehr hören möchte. Die ersten vier Konzerte sind bereits ausverkauft. Für den Auftritt an Joels 65.Geburtstag am 9.Mai gibt es nur noch wenige Restkarten.

Auch der Piano Man, der vor 27 Jahren als erster amerikanischer Rockstar überhaupt in der Sowjetunion auf Tournee gehen durfte (das Live-Album zieht einem heute noch die Socken aus), will sich also noch nicht aufs Altenteil begeben. Doch im Unterschied zu seinem ehemaligen Tour-Partner Elton John, im Unterschied zu Rod Stewart, Cher und sonstigem Rattenpack, verzieht sich Billy Joel keineswegs auf die Seniorenbühne hinter den gut gefüllten Jackpot-Automaten von Las Vegas. Er wählt die berühmte Mehrzweckhalle an der Ostküste.

Joel ist New Yorker, sein Großvater Karl Joel, auch das gehört zur Geschichte, ist einst von den Nazis aus Nürnberg in die Staaten geflohen. Auf dem von ihm errichteten Versandhandel tat sich ein Josef Neckermann später leicht, sein Imperium zu gründen. Im Leben von Billy Joel ging es immer wieder auf und ab. Da war auf der einen Seite der ungeheure Erfolg des ehemaligen Barpianisten mit klassischer Klavierausbildung: In den 70er-, 80er- und 90er-Jahren räumte er bei den Charts und Auszeichnungen allerlei ab. Privat scheiterten drei Ehen, zuletzt war er mit einer 32 Jahre jüngeren Restaurantkritikerin liiert, doch nach fünf Jahren war’s 2009 auch damit vorbei. Immer wieder litt Joel unter schweren Depressionen, zuletzt soll er sich wegen alkoholischer Probleme im Betty Ford Center behandeln haben lassen. Ein US-Verlag kündigte mehrmals das Erscheinen einer Billy-Joel-Autobiografie an – doch auch daraus wurde nichts. "Während des Schreibens merkte ich, dass mich die Vergangenheit nicht mehr interessiert", erklärte Joel und fügte hinzu, er werde den Vorschuss wieder zurückzahlen. "Besser als in meinen Liedern kann ich sowieso nichts formulieren."

Man darf gespannt sein, wie oft es Billy Joel nun gelingt, den Madison Square Garden, der gelegentlich auch von Hundezüchtern und Republikanern gemietet wird, mit je 20 000 Besuchern zu füllen. 46 Mal ist er hier schon bejubelt worden. Elton John hat es auf 60 Auftritte gebracht. Nach 15 Monaten, vielleicht ist das Joels eigentliches Ziel, hätte er seinen Kollegen endlich abgehängt.

Sprechende Frauen, nackte Männer

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Man kann ja auch mal nachrechnen, obwohl man sich die Ergebnisse schon vorstellen kann. Also: die New York Film Academy hat Statistiken ausgewertet zur Geschlechterverteilung im Kino, untersucht wurden die 500 erfolgreichsten Filme aus den Jahren 2007 bis 2012. Auf der Leinwand sind nur 30 Prozent der sprechenden Figuren Frauen. Dafür sind die Schauspielerinnen anderweitig gefordert: 25 Prozent der Frauen in den 500 untersuchten Filmen ziehen sich früher oder später aus, aber nur zehn Prozent der Männer, obwohl es doch so viel mehr männliche Charaktere gibt. Und das, obwohl die Hälfte aller Tickets von Frauen gekauft werden. Was aber, wenn denen sprechende Frauen und nackte Männer lieber sind? Oder ist Kino eine Angelegenheit von Jungs für Jungs?



In Schweden zeigt der "Bechdel-Test" wie wenige Filme es gibt, in denen sich zwei Frauen über etwas anderes als Männer unterhalten. Die Statistiken der New Yorker Academy beschäftigt sich mit der Geschlecherverteilung im Kino.

Ein Fall für den „Bechdel-Test“, benannt nach der Comic-Zeichnerin Alison Bechdel, die in den Achtzigern eine ihrer Figuren sagen ließ, sie sehe sich nur noch Filme an, in denen mindestens zwei Frauen vorkommen, die sich über etwas anderes miteinander unterhalten als über Männer. In Schweden gibt es schon Kinos, die ihr Programm einer solchen Prüfung unterziehen. Wieso das vielleicht keine übertriebene feministische Idee ist, kann man daran sehen, warum die Statistiken der New York Film Academy überhaupt Widerhall fanden: Ihre Veröffentlichung fällt zusammen mit dem Erfolg des zweiten Teils der „Tribute von Panem“ zusammen, „Catching Fire“, der inzwischen weltweit fast 700 Millionen Dollar eingespielt hat, und dem von Disneys neuem Film „Die Eiskönigin“, dem viele in der Filmbranche gar keine riesigen Einnahmen prognostiziert haben, der aber seinen Spitzenplatz an den amerikanischen Kinokassen behaupten konnte. Beide sind Vertreter eines für Hollywood noch relativ frischen Genres: des fürs junge weibliche Publikum konzipierte Spektakels, mit starken weiblichen Protagonistinnen an Stelle der zarten Mädels, die Männer sich seit Jahrzehnten als Leinwandheldinnen ausdenken.

Dass nun ausgerechnet solche Filme viel Erfolg haben, die das weibliche Publikum bedienen, zeichnet sich seit einer Weile ab – im Sommer gehörte „The Heat“ mit den Cops Sandra Bullock und Melissa McCarthy zu den Überraschungshits. Auf die Verteilung der Jobs hinter der Kamera hatte das einstweilen wenig Einfluss: Es sind zwar inzwischen 25 Prozent der Produzenten weiblich, aber von den 500 ausgewerteten Filmen waren gerade mal 9neun Prozent von Frauen inszeniert worden, und die Männer hatten auch 85Prozent der Drehbücher geschrieben. Und das hat dann vielleicht auch damit zu tun, dass – wie der Auswertung herauskam – ungefähr ein Drittel der Frauenrollen sexy Outfits erfordern und dass innerhalb des Auswertungszeitraums, also zwischen 2007 und 2012, Nacktszenen mit weiblichen Teenagern rasant anstiegen, um 32 Prozent. Die Darstellung von Frauen in Filmen von Frauen analysierte die New York Film Academy dann aber nur sehr oberflächlich: Es sind auf jedenfalls deutlich mehr weibliche Charaktere auf der Leinwand unterwegs, sobald eine Frau Regie führt oder das Drehbuch geschrieben hat.

Das British Film Institute stellte übrigens gerade vor zwei Wochen eine Studie vor, die sich mit Filmen von Frauen befasst. Dabei kam heraus: Sechzehn Prozent der Filme hatte eine Frau das Drehbuch geschrieben, bei 11elf Prozent der Produktionen war eine Regisseurin am Werk gewesen, bei manchen der Filme kam beides zusammen. Überraschend war bei dieser Studie, dass die Frauen in einer Untergruppe, nämlich bei den Filmen mit den höchsten Einspielergebnissen, überproportional vertreten waren – bei denen hatte zu 30 Prozent eine Frau Regie geführt oder das Drehbuch geschrieben.

Die New Yorker Academy wertete auch aus, wie mit weiblichen Leistungen umgegangen wird, in Form von Preisen und Bezahlung. Gerade mal vier Regie-Oscars erhielten Frauen in 85 Jahren, das ist eigentlich bekannt. Aber bei den Drehbüchern sind es auch nur weniger als zehn Prozent der Preise, die an Frauen gingen. Auf der Liste der zwanzig Top-Verdiener unter den Schauspielern kommt die erste Frau, Angelina Jolie, auf Rang zehn, mit 33 Millionen Dollar im Jahr – die Nummer 1 ist Robert Downey jr. mit 75 Millionen Dollar. Und wer hätte gedacht, dass Mark Wahlberg pro Jahr ungefähr drei Mal so viel verdient wie Sandra Bullock, die mit 14 Millionen Dollar auf Platz 17 landet? Das liegt vielleicht auch an der Altersverteilung. Denn die Frauen auf dieser Liste sind deutlich jünger als die Männer – im Schnitt 34,8 Jahre, die Schauspieler mit den höchsten Gagen sind im Schnitt hingegen zwölf Jahre älter. Die Männer haben eben auch immer noch die längeren Karrieren.

Erst Pflicht, dann Kür

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Man kann nicht leugnen, dass die Botschaft eingeschlagen hat. Hunderte Kommentare in deutschen und ausländischen Medien – selbst ein Bundespräsident erhält derart viel Resonanz in Zeitungen und TV-Anstalten nur sehr selten. Noch dazu, wenn er keinen großen Auftritt hinlegt, sondern zunächst nur eine ganz kleine Meldung produziert hat, die Botschaft nämlich, dass er, Joachim Gauck, nicht zu den Olympischen Winterspielen nach Sotschi reisen werde. Nichts Dramatisches, scheint es, eine kurze Meldung im Spiegel eben. Doch die Medien sprechen hernach von einem "klaren Zeichen", einem "mutigen Schritt" oder auch von einer "kraftvollen Geste".

Inzwischen ist nicht mehr ganz so sicher, ob der deutsche Präsident diese große Welle wirklich auslösen wollte. Sicher ist, dass Joachim Gauck Lob für kraftvolle Gesten genießen dürfte. Sicher ist aber auch, dass seine Sprecherin bei den Nachfragen bemüht ist, die Entscheidung als eine gewöhnliche, weil historisch nicht unübliche zu beschreiben. Ihr Hinweis, der frühere Präsident Horst Köhler sei 2010 auch nicht zu den Spielen nach Vancouver geflogen, erzeugt den Eindruck, dass das Nein zur Sotschi-Reise für das Präsidialamt keine große Sache sein sollte.



Werden sich so schnell nicht wieder Hände schütteln: Bundespräsident Gauck (li.) erteilte Wladimir Putin eine Absage für das Beiwohnen der Winterspiele in Sotschi.

Groß aber ist sie ohne jeden Zweifel. Erstens, weil das Russland Wladimir Putins Gaucks Absage natürlich genau registriert. Die prompte Kritik aus dem russischen Parlament sagt alles. Zweitens, weil die deutsch-russischen Beziehungen auch ohne Olympia hochkompliziert sind. Das gilt für das von höflich-ruppiger Abneigung geprägte Verhältnis zwischen Putin und Angela Merkel. Aber es gilt auch für die aktuellen Spannungen um die Ukraine. Und drittens, weil für Joachim Gauck wahrscheinlich kein anderes Land so viele Emotionen auslösen dürfte wie Russland. Ein Russland, das unter Putin sehr bemüht ist, Einfluss und Größe des alten Sowjetreichs zu restaurieren, auch auf Kosten von Demokratie und Menschenrechten. Man wundert sich deshalb, warum Gauck seine Entscheidung nicht offensiver öffentlich gemacht hat. Wollte er eine Botschaft versenden, aber den ganz großen Wirbel vermeiden?

So sieht es am Tag danach aus. Denn die Meldung ist kein Unfall gewesen. Sie geht nicht auf eine zufällige Bemerkung Gaucks zurück. Der Spiegel und die russische Botschaft hatten bei Gauck vor Wochen angefragt, was er machen werde. Er musste sich also entscheiden. Nur eines wollte er nicht: seine Begründung liefern. Dabei liegt die auf der Hand, wenn man ihn in den vergangenen Jahren erlebt hat. Gauck will erst zu einem Staatsbesuch nach Russland reisen, bevor er dem Land anderweitig seine Aufwartung macht. Er möchte in dem Land der Millionen Kriegsopfer erst sein Haupt vor den Toten neigen, bevor er dem Sport zuschaut. Und er will, das ist ihm Herzensanliegen, in dem Land, in dem sein Vater Kriegsgefangener war und noch heute Menschenrechte beschnitten werden, über Geschichtsaufarbeitung und Demokratie sprechen, bevor er Putin im Stadion die Hand schüttelt.

So erlebt man dieser Tage einen Bundespräsidenten in der kommunikativen Zwickmühle. Und eine Regierung, die von Gauck überrascht wurde. Wie sie sich nun verhält, will sie erst nach der Regierungsbildung entscheiden.

Riecht nicht, piekst nicht

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Streit an Weihnachten entzündet sich nicht selten an Marginalien. Ob man den quengelnden Kindern die neueste Spielkonsole schenken soll, obwohl dies keine pädagogisch wertvolle Gabe ist. Was es am Heiligen Abend zu essen gibt. Entrecôte, oder doch lieber Karpfen? („Hatten wir schon voriges Jahr!“) Doch lieber Karpfen? („Essen die Kinder nicht!“) Oft entspricht auch der Baum, den der Hausherr erworben hat, nicht den hochgespanntenErwartungen vor den Festtagen („Was hast du denn wieder für einen Besen mitgebracht?“). Zumindest der Krach um den Christbaum allerdings ist vermeidbar. Mit einer Nordmanntanne kann man nichts falsch machen, denn Nordmanntannen sind perfekt. So perfekt, dass man sie prüfend betasten möchte. Kann so viel makellose Schönheit natürlich sein?



Der Markt verlankt Normanntannen. Spennesberger hat sich auf die Chrisbaumzucht spezialisiert.


„Alles echt, kein Plastik“, sagt Stefan Spennesberger und streicht über die Äste einer gut einen Meter hohen Nordmanntanne. Der Landwirt aus Unterweilbach im Dachauer Land hat sich auf die Christbaumzucht spezialisiert. Seine Nordmanntannen wachsen auf ehemaligem Ackerland. In den vergangenen zwanzig, dreißig Jahren hat die natürlicherweise im Kaukasus beheimatete – und nach dem finni-schen Biologen Alexander von Nordmann (1803–1866) benannte – Baumart einen unaufhaltsamen Siegeszug angetreten und alle anderen potentiell Christbaum tauglichen Varianten aus dem Feld geschlagen. „Eigentlich verlangt fast jeder Kunde bei uns eine Nordmanntanne“, sagt Spennesberger. Fichten, bis Ende der Fünfzigerjahre sozusagen Synonym für den Weihnachtsbaum, sind out. „Die werden fast nur noch als Deko auf Weihnachtsmärkten verwendet, weil sie deutlich billiger sind als Nordmanntannen“, sagt Spennesberger. Warum setzt er sozusagen alles auf eine Karte? „Wir machen, was der Markt verlangt“, sagt Spennesberger

Der Markt verlangt Nordmanntannen. Rund 25 Millionen Weihnachtsbäume werden dieses Jahr wieder verkauft, allein in Deutschland. 70 bis 80 Prozent davon werden Nordmanntannen sein. Weil der Bedarf regional nicht zu decken ist, wird viel importiert, vor allem aus Dänemark. Als „führender europäischer Produzent und Lieferant von Weihnachtsbäumen und Weihnachtsbaumpflanzen“ vermarktet sich die dänische Green Team Group. Auf Fotos des Unternehmens im Internetsieht man ganze Landschaften mit Nordmanntannen, so weit das Auge reicht. Wie eine Armee von Klonkriegern sehen sie aus, obwohl jeder einzelne Baum aus einem natürlichen Sämling gezogen wurde. Um sie zu ernten, klettern schlecht bezahlte Pflücker im Südkaukasus auf die bis zu 30 Meter hohen Bäume und riskieren dabei ihr Leben.

Die Rangliste der beliebtesten Christ-bäume ist übersichtlich. Nach der Nordmanntanne kommt lange nichts, dann Blaufichte und Rotfichte. Unter „ferner liefen“ rangieren Nobilistannen, Coloradotannen, Douglasien, Korktannen, Küstentannen. In Brandenburg sollen sich Lokalpatrioten auch Kiefern ins Wohnzimmer holen.

Die gibt’s dort fast so häufig, wie der Sand, auf dem sie wachsen. Auch als Schnittgrün ist die Nordmanntanne unangefochten. Mit der „Deutschen Weihnachtsbaumkönigin“ hat Martin Rometsch Ende November im baden-württembergischen Adelberg die Christbaumsaison eröffnet und sich beim stundenlangen Herumstehen hörbar erkältet. Rometsch leitet die Geschäftsstelle des Bundesverbandes der Weihnachtsbaum- und Schnittgrünerzeuger. Der Aufstieg der Nordmanntanne, sagt Rometsch mit belegter Stimme, sei ein schleichender Prozess gewesen. Einen Schub habe aber der Zusammenbruch der Sowjetunion bewirkt. Seit 1990 exportieren Russland und Georgien deutlich mehr Saatgut, die Preise für Jungpflanzen sanken, der Anbau wuchs sprunghaft. Die Nordmanntanne – ein Wendegewinner.

Für Rometsch ist das nicht verwunderlich, dass alle nur nach Nordmanntan-nen schreien. Die Bäume haben einen geraden, pyramidenförmigen Wuchs, etagenweise angeordnete, fast waagrechte Äste, die man bequem schmücken kann – und sie pieksen nicht. Auch dank kräftiger Düngung und gelegentlichen „Formschnitts“ sind sie schön dunkelgrün und bersten geradezu vor Opulenz. Außerdem nadeln sie kaum. Eine Rotfichte wirft spätestens an Silvester bei der leisesten Berührung ihr Nadelkleid ab, während man eine Nordmanntanne zur Not bis Ostern stehen lassen kann, ohne dass sie deutliche Anzeichen von Nadelverlust zeigt. Die von der weih-nachtssüchtigen Tante Milla gebeutelte Familie aus Heinrich Bölls Satire „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ hätte ihre Freude an dem Baum gehabt.

Nordmanntannen sind die idealen Show- und Convenience-Bäume: Pflegeleicht und schön anzusehen wie die zu höchster Blühleistung gedüngten und gespritztenMargariten- oder Astern, die es im Sommer und Herbst für wenig Geld im Gartencenter gibt und die man nach dem Abblühen in der Biotonne entsorgt.Was Nordmanntannen bei aller Perfektion fehlt, ist Charakter. Vor allem: Sie riechen nicht. Selbst wenn man ganz nah hinschnuppert. Eigentlich könnte man sich gleich einen Plastikbaum ins Wohnzimmer stellen. Doch die sind nur bei Geschäftsleuten und Gastronomen gelitten.

„Die Leute wollen Natur, aber ordentlich“, sagt Carl von Butler die widersprüchlichen Wünsche deutscher Weihnachtsbaumkäufer. Butler ist r, Geschäftsführer des Bayerischen Waldbesitzerverbandes. Jedes Jahr darf ein Mitglied den Christbaum für den Kuppelsaal der Staatskanzlei am Münchner Hofgarten spenden. In diesem Jahr, oh Wunder, keine Nordmann-, sondern eine Weißtanne. Natürlich hat der Baum eine Botschaft.„Wir wollen für die Weißtanne als ursprüngliche deutsche Tannenart werben, die dank ihrer Robustheit dem Klimawandel trotzen könnte“, sagt Butler. Generell hat der Verbandsfunktionär, selbst Waldbesitzer, nichts gegen fremde Baumarten im deutschen Wald. Es müsse ja nicht die Nordmanntanne sein, deren ökologische Nische schon von der Weißtanne besetzt sei. Aber warum keine Douglasien? Oder gar ein Mammutbaum?

Rudolf Fenner, Waldreferent bei der Umweltorganisation Robin Wood, wenig, auch als Weihnachtsbaum. findet: wenn schon Nordmanntanne, dann zumindest aus ökologischem Anbau. Robin Wood stellt alljährlich vor Weihnachten eine Liste entsprechender Produzenten und Händler ins Netz. Auch „fair“ zertifizierte Bäume gibt es schon. Ein Teil des Verkaufserlöses fließt in soziale Projekte, die den georgischen Zapfenpflückern zugutekommen. Doch warum unbedingt ein Nadelbaum? Man könne auch eine winterlich kahle Buche ausstaffieren. „Die Buche ist schließlich unsere typischste Baumart“, sagt Fenner, er meint das ernst. Man würde damit wieder an die uralte Tradition der christlichen Paradiesspiele am 24.Dezember anknüpfen. Denn der immergrüne Weihnachtsbaum soll sich aus dem „Paradiesbaum“ entwickelt haben, der auch ein (blattloser) Laubbaum sein konnte und mit Äpfeln und anderen Spezereien behängt wurde. In Fußgängerzonen sieht man hin und wieder schon mit Lichterketten ausstaffierte Platanen, was etwas ungewohnt aussieht, vor allem, wenn die Bäume ihre Blätter noch nicht vollständig abgeworfen haben.

Alternativ bietet sich Wer sich nicht in das 80-Prozent-Heer der Nordmanntannen-Fans einreihen möchte und geschmückte Buchen oder Eichen für Stimmungskiller im Weihnachtszimmer hält, kann es auch beim ein Abstecher zum nächstgelegenen Forstbetrieb an. „Ich hole mir immer eine Fichte aus dem Wald“, sagt Philipp Bahnmüller, Sprecher der Bayerischen Staatsforsten. Da diese Bäume aus Durchforstungsaktionen stammten, nicht gedüngt und geschnitten worden seien, müsse man schon mal mit einem weniger perfekten Exemplar vorliebnehmen. „Mich stört es nicht, wenn der Baum nicht ganz gerade ist oder ein Ast fehlt. Sschließlich will man sich ja ein Stück Ursprünglichkeit ins Wohnzimmer holen.“ Beim Aufstellen raten Praktiker, Handschuhe anzuziehen. Denn Fichten harzen und stechen, und vor allem: riechen gut, eine Eigenschaft, die der Nordmanntanne fehlt.

Gut möglich, dass ihr das zum Verhängnis wird. Die Korktanne, ein Import aus den USA, ist im Kommen und könnte dem aktuellen Champion mal den Rang ablaufen. . Sie sieht ebenfalls schick aus, riecht intensiv und ist, weil schmal, auch für Wohnklos in Metropolregionen geeignet. Bis dahin kann man, um der Nordmanntanne zu einem Duft zu verhelfen, einen Rat aus dem Internet beherzigen. „Kauf echtes Terpentinöl und sprüh damit den Baum gelegentlich leicht an – Kerzen vorher auspusten“, heißt es auf einer Ratgeberseite. „Baum anzünden hilft auch, ist aber suboptimal im Zimmer.“

"Das schlechte Wetter ist immer woanders"

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Charlotte: Habt ihr das stürmische Wochenende gut überstanden?
Opa:
Ach, das bisschen Wind, das wischen wir doch mit der linken Hand weg. Mir scheint, das schlechte Wetter ist immer woanders.

Aber in den Nachrichten sah der Sturm Xaver ja schon ordentlich stark aus...
Opa:
Also, in Oldenburg war es ruhig. Mir tun die Journalisten ja immer leid. Die haben ja eigentlich eine wichtige Aufgabe, aber bei so Unwettern müssen sie dann immer darauf warten, dass noch was Schlimmes passiert und sie darüber dann eine herzerwärmende Geschichte schreiben können. Da fehlt mir manchmal ein wenig die Substanz.

Wo ist denn eigentlich Oma?
Opa:
Die ist nebenan, da wird aber gerade gesaugt, deshalb ist mir das zu laut. Nimmst du auch mit mir alleine Vorlieb?

Na, ausnahmsweise. Wir haben ja vorher auch schon ein bisschen gemailt wegen Themen des letzten Monats.
Opa: Genau. Auf deiner Liste stand ja, dass Ströbele bei Snowden in Russland war. Da dachte ich ehrlich gesagt, das konnte er jetzt auch nur machen, weil er in der Opposition ist. Natürlich war es auch eine imponierende Handlung, aber da steckt für mich viel Eitelkeit dahinter. Er hat ja im Endeffekt nicht die Verantwortung zu übernehmen, wenn das Verhältnis zwischen Deutschland und den USA deshalb jetzt schlechter werden würde, weil er zu leichtfertig war. Ihn deshalb als Helden zu feiern, finde ich etwas wohlfeil.
 





Charlotte: Aber ist es nicht gleichzeitig auch ganz gut zu sehen, dass die Opposition noch ein bisschen was bewegen kann? Unter der großen Koalition hat sie ja kaum noch Stimmen. Besorgt dich das?
Opa: Nein, denn ich denke, das wird nicht lange so gehen. Die SPD wird sich langsam wieder erholen und bis dahin werfen sie in der Koalition den Oppositionsparteien ein paar Leckerli zu, um deren Solidarität zu behalten.

Charlotte: Anfangs hieß es ja noch, die Regierung würde der Opposition mehr Rechte einräumen, um dieses Ungleichgewicht auszugleichen. Bisher sieht's aber nicht danach aus.
Opa:
Ach, anfangs wird doch immer viel darüber gesprochen, was in den Koalitionsverträgen alles so drinsteht und später redet da kein Mensch mehr drüber.

Charlotte: Wie findest du es denn, dass die SPD über den Koalitionsvertrag abstimmen lässt? Sowas gab's ja noch nie.
Opa:
Ich glaube, die Partei hat sich vorher so in eine Sackgasse manövriert, dass es gar keine andere Möglichkeit mehr gab. Die Basis wird aber dafür stimmen. Die SPD ist ja dann doch keine Selbstmörder-Partei. Selbst die Jusos, die sich ja oft sehr kritisch positionieren, rechnen doch mit einer Zustimmung. Und es muss ja keine Liebesheirat sein. Nach der Abstimmung kehrt zumindest vielleicht mal Ruhe ein und das täte der SPD ja auch ganz gut.

Im November war ja auch die Affäre um den Münchner Kunstsammler Gurlitt. Wie hast du das empfunden?
Opa:
Sehr zwiespältig. Gurlitts Haltung "das gehört mir" ist natürlich gerade in Anbetracht der deutschen Geschichte äußerst schwierig. Da wurde die Notlage der Juden ausgenutzt und das war nicht rechtmäßig. Andererseits ist aber auch die Haltung der Behörden sehr deutsch, dass man sich sehr viel Zeit damit lässt, die Werke nun ihren Besitzern zuzuordnen und zurückzugeben.

Und was denkst du über Gurlitt selbst?
Opa:
Der ist ein alter Mann. Teilweise ist es beschämend, wie ihm hinterhergejagt wurde. Dafür hat er sich trotzdem noch sehr ruhig verhalten, finde ich.

Du hast auch eine Frage an Opa? Stell sie in den Kommentaren. Oder schick sie per Mail mit dem Betreff „Frag Opa“ an info@jetzt.de oder auf Twitter unter dem Hashtag #fragopa.
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