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Multitasking auf dem Laufband

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In Filmen passiert der Wendepunkt der Handlung oft beim Sport: Da steht sie oder er gerade auf einem Laufband und duelliert sich mit sich selbst - und dann flimmert die Nachricht schlechthin über den Bildschirm. Rücktritt eines bekannten Politikers, der Ex höchstpersönlich gibt ein Interview, eine öffentliche Liebeserklärung, sowas.



Rennen die noch - oder gucken sie nur die Hochzeit von William und Kate?


Menschen in Fitnessstudios, aber auch beim Joggen oder Radfahren lassen sich gern ablenken. Sie hören mit dem MP3-Player Musik, glotzen auf den Flatscreen an der Wand oder telefonieren per Freisprechanlage. In ihrer Wirkung unterscheiden sich diese Nebentätigkeiten freilich stark: "Eye Of The Tiger" auf voller Lautstärke feuert zu Höchstleistungen im Sinne von Rocky Balboa an, während eine gemütliche TV-Kochshow eher den gegenteiligen Effekt hat.

Ein Sonderfall sind Menschen, die Sport eigentlich nur als Vorwand nutzen, um Kaffeekränzchen zu halten. Zum Beispiel Freundinnen, die gemeinsam schwimmen gehen und dann zwei Bahnen belegen, um sich in gemütlichem Tempo unterhalten zu können. Sportliche Ambitionen sind bei dieser Form der Ablenkung eher zweitranging.

Wie hälst du es mit der Sportlichkeit? Brauchst du parallele Reize wie Musik, um erst richtig in Fahrt zu kommen? Auf welche Musikrichtung schwörst du? Bist du beim Sport eher der Typ Schweigemönch oder ist der Besuch im Fitnessstudio für dich gar vor allem ein Vorwand, um ungestört RTL II gucken zu können?

Die Musik des Motors

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Der Auspuff scheppert, der Motor stottert, die Bremsen quietschen anders als sonst. Für den Autofahrer bedeutet das: Da stimmt etwas nicht. Ein beunruhigendes Gefühl. Die Geräusche, die ein Fahrzeug macht, fallen einem oft erst auf, wenn sie anders klingen als sonst. "Wir haben die Erfahrung gemacht, wie sich ein Auto anhört. Das sind Schemata, die wir verinnerlicht haben", sagt Jörg Becker-Schweitzer, Professor für Schwingungstechnik und Physik an der Fachhochschule Düsseldorf.



Für ein hochwertiges Auto ist der Sound unentbehrlich. Nicht nur der Motor muss gut klingen, auch der Innenraum und das Schließen der Türen muss sich richtig anhören.

Für Autobauer, vor allem für die hochpreisigen, ist der gute und gleichmäßige Klang eines Fahrzeugs deshalb ein wichtiges Thema. Schon bei der Konstruktion werden die Geräusche berücksichtigt, die Motor, Auspuff, Türen oder andere Komponenten eines Fahrzeugs machen. Ganze Abteilungen arbeiten in den Unternehmen daran, ein stimmiges Klangbild zu erzeugen. Bei Audi sind es beispielsweise 100 Mitarbeiter, bei BMW 200. Neben Akustik-Ingenieuren und Physikern sind es auch Quereinsteiger wie Musiker, Tontechniker oder andere Sound-Spezialisten.

"Geräusche wecken Assoziationen", sagt Gert Schmidt, emeritierter Soziologie-Professor der Uni Erlangen-Nürnberg. Die Autotür beispielsweise sei ein großes Thema für Hersteller. "Wenn eine Tür leicht und scheppernd ins Schloss fällt, denkt man gleich: Blechdose. Gibt es hingegen ein sattes, dumpfes Geräusch, dann klingt das solide und zuverlässig." Man hat das Gefühl, in einem sicheren Wagen zu sitzen.

Dass viele Fahrer eine akustische Rückmeldung zu schätzen wissen, ja sogar nicht darauf verzichten wollen, zeigte sich, als bei einigen Autos das Geräusch des Blinkers fehlte. Früher erzeugte ein mechanisches Relais das obligatorische Klick-Klack. Weil inzwischen der Blinker über die Elektronik gesteuert wird, gibt es dieses Geräusch nicht mehr. Viele Kunden vermissten das akustische Signal beim Abbiegen. Die meisten Hersteller ahmen deswegen heute das Klick-Klack künstlich nach.

Der Sound eines Wagens ist aber auch eine Art Markenzeichen. Autoliebhaber können Fahrzeuge schon von Weitem am Klang erkennen: Ein Porsche, der röhrt und heult; alte Dieselmotoren, die hämmern und schlagen; der Trabbi mit dem ratternden Geräusch des Zweitakter-Motors. "Der Sound muss zum Charakter des Fahrzeugs passen", sagt Klaus Genuit, Honorarprofessor für Psychoakustik an der RWTH Aachen und Geschäftsführer von Head Acoustics, einem Unternehmen, das Autobauer weltweit beim Sounddesign berät.

Während es bei Kleinwagen vor allem darum gehe, unangenehme Stör- und Nebengeräusche zu eliminieren, gestalten Autobauer im hochpreisigen Segment den Sound ihrer Modelle bis ins Detail. So auch Hersteller von Sportwagen wie Porsche. Denn das kraftvolle, tief-frequente und mitunter röhrende Geräusch des Porsches gehört zum Fahrerlebnis. "Der Fahrer erwartet eine bestimmte akustische Antwort, wenn er Gas gibt", sagt Schmidt. Bei älteren Modellen war noch ein luftgekühlter Motor ausschlaggebend für den charakteristischen Sound. Dass die neueren Porsche-Modelle trotz der Wasserkühlung, auf die man umgestiegen ist, ähnlich klingen wie früher, hält Genuit für eine "akustische Meisterleistung der Ingenieure".

Auch andere Autohersteller wollen gewohnte Geräuschkulissen beibehalten. Heute werden zunehmend leichtere Materialien wie Aluminium oder künftig auch Carbon im Autobau verwendet. "Ohne Nachbearbeitung des Sounds würde das nicht gut klingen", sagt Genuit. Dasselbe gilt für größere Autos, in die man Vierzylinder- statt Achtzylinder-Motoren einbaut, um Sprit zu sparen. Auch hier wird akustisch nachgeholfen. "Der Fahrer soll weiterhin das Gefühl haben, Power unter der Motorhaube zu haben", sagt Schmidt.

Eine neue Herausforderung kommt auf die Hersteller von Elektrofahrzeugen zu. Denn die klingen anders als Verbrennungsmotoren. Sie sind insgesamt leiser und machen im Leerlauf und beim Anfahren so gut wie keine Geräusche. "Der Fahrer bekommt erst mal keine akustische Rückmeldung, wie schnell er fährt", sagt Jörg Becker-Schweitzer. Erst ab etwa 50 Kilometer pro Stunde könne man die Reifen auf der Straße deutlich hören. Deswegen experimentieren die Hersteller mit Soundkulissen. Als Orientierung für den Fahrer und um anderen Verkehrsteilnehmern zu signalisieren: Achtung, da kommt ein Auto!

Auf EU-Ebene wird derzeit darüber diskutiert, ob Autobauer gesetzlich verpflichtet werden sollen, Elektroautos lauter zu machen. Um sie mit einem eigenen Sound auszustatten, verstärken einige Hersteller etwa das Geräusch, das der Elektromotor selbst macht. Doch wie es sich schließlich anhören soll - daran tüfteln die Sounddesigner noch. Genuit ist lediglich sicher, dass es in Zukunft insgesamt leiser werden wird auf den Straßen. Das ist schon mal ein beruhigendes Gefühl.

Welcher Heimkomm-Typ bist du?

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Dein Lieblingskleidungsstück ist...

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Welchen Drink bestellst du beim Ausgehen als erstes?

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Juhu, dein bester Freund heiratet! Du bist schon vorher sehr aufgeregt, vor allem, als du die Hochzeitskarte beschriftest. Du denkst lange, lange nach. Welche dir klug und passend erscheinenden Worte schreibst du am Ende drauf?

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Du passt auf den süßen, kleinen Hund deiner netten Nachbarin auf, während sie ein paar Tage verreist ist. Drei Mal am Tag musst du den Schnauzi ausführen. Im Park tollt er fröhlich auf der Wiese, du triffst derweil zufällig einen Bekannten, ihr plaudert und kauft am Eiswagen ein Eis (ja, der steht da, obwohl November ist). Als du dich das nächste Mal nach Schnauzi umsiehst, ist er verschwunden. Wie reagierst du?

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Bei der Schnauzi-Suchaktion hast du dich wohl erkältet. Am Abend drauf wird’s richtig übel: Nebenhöhlen dicht, Schluckbeschwerden deluxe, und irgendwie ist dir auch ständig schwindlig. Was machst du?

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Mal ne ganz andere Frage: Welche Simpsons-Figur magst du am liebsten?

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Dein Partner kommt dich am Wochenende besuchen. Ihr führt eine Fernbeziehung, also ist die gemeinsame Zeit immer sehr begrenzt. Was planst du?

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Welche Rolle hattest du in deiner Abschlussklasse zu Schulzeiten?

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Freunde fragen, was du dir zum Geburtstag wünschst. Deine Antwort?

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In dem kleinen Regal neben deiner Toilette liegt folgender Lesestoff:

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[seitenumbruch]Das Test-Ergebnis: Du bist...

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Über Nickerchen und eine lebensgroße Elvis-Puppe

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Stimmungskanone

Mit Kennenlern-Spielchen, Schaukeln und Plätzen für ein Nickerchen zwischendurch schafft Carina eine Rundum-Wohlfühl-Kultur am Arbeitsplatz. In unserem digitalen jetzt-Magazin sind wir am Montag der Frage auf den Grund gegangen, warum jede Firma einen sogenannten „Feel-Good-Manager“ haben sollte. 

Eifersuchtsdrama

„Ich habe nur einen kurzen Blick darauf geworfen. Das war auch eher ein Versehen als Absicht. Eigentlich wollte ich sein SMS–Postfach gar nicht lesen.“ Vielen fällt es schwer, Eifersucht zuzugeben. Der Experte sieht aber genau darin einen wichtigen Schritt, um Probleme in einer Beziehung zu erkennen. Das Lexikon des guten Lebens hat uns diese Woche erklärt, wie wir mit unserer Eifersucht richtig umgehen.  

Kariert und gestreift – passt doch.
Geschmäcker sind bekanntlich verschieden aber was, wenn man glaubt, überhaupt keinen zu haben? Sebastian und Nadine grübeln diese Woche in ihrer Paarkolumne darüber, warum sie trotz Bemühungen keinen einheitlichen Einrichtungsstil in ihrer gemeinsamen Wohnung durchsetzen konnten. Liegt bestimmt wie immer alles am Geld, oder?  

Tollys Puppenladen...

... hat Martin Jenkins in München am meisten überrascht. Ein Szenario in dem eine lebensgroße Elvis-Puppe für Hundert andere Puppen singt würde wahrscheinlich kaum jemanden nicht überraschen. Der Street-Art-Künstler hat diese Woche unseren Fragebogen ausgefüllt. Was ihn zum Bleiben bewegen würde, kannst du hier nachlesen.  

Ein Lebenselixier

Nicht gerade für eine geringe Anzahl von Menschen ist er das wohl. Der Kaffee. Jetzt-Mitarbeiter Michalis Pantelouris schaut für uns in die Vergangenheit und Zukunft des braunen Goldes und erklärt, warum es soviel mehr als nur ein einfaches Heißgetränk ist.  

Die politische Wochenlage

Die Koalitionsverhandlungen scheinen kein Ende zu nehmen und Aussicht auf eine Einigung gibt es ebenso wenig. Doch eine Nachricht überraschte diese Woche inmitten des ermüdenden Stillstandes dann doch: Volksentscheide auf Bundesebene. Damit wollen Friedrich und Oppermann die Demokratie in kleinen Schritten voranbringen. Was wirklich an diesem Vorhaben dran ist, wird sich aber wohl erst in nächster Zeit zeigen, denn Friedrich hat auf die innerparteiliche Kritik bereits geantwortet, dass die Überlegungen nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen seien. Es sollte aber nicht bei der einen Überraschung bleiben. Anfang der Woche teilte die SPD mit, man wolle sich bei der kommenden Bundestagswahl für ein linkes Bündnis öffnen. Was man bisher mit einem kategorischen Nein ausschloss, könnte in Zukunft also gar nicht so abwegig sein.

Das Video der Woche

Diesmal in Hashtags ausgedrückt:
#geballte#Männlichkeit#VanDamme#Spagat#Volvo#Trucks #Drama#ballsofsteel#ohmeingottwiecoolkannmansein#likeaboss  

http://www.youtube.com/watch?v=M7FIvfx5J10

25 Jahre Palästina: Kulturkampf

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Die Debatte startet mit tiefen Reggae-Riddims. Sie schnarrt durch gedämpfte Saxophone und verwirbelt Funk-Rhythmen mit arabischen Melodien. "Gefangene!", singt die Band Autostrad im Chor. "Jede Stunde an jedem Tag. Auf der selben Straße. Wir leiden Mr. Director. Gefangene! Mom, wir sind Gefangene!" Die sechs Musiker behandeln in ihrem Song "Tafjeer" die Unterdrückung von Arabern im Nahen Osten.

Eigentlich kommt die Gruppe aus Jordanien. Ihre Fans verehren sie aber in der ganzen Region: im Libanon, in Syrien, im Westjordanland und in Israel. Für diese Menschen wollten sie spielen. "Hunderte Palästinenser haben aus Israel und den besetzten Gebieten geschrieben. Sie wünschten sich Autostrad auf der Bühne", sagt Managerin Shermine. Also fing die 30-Jährige mit der Planung an. Die Band packte Schlagzeug und Gitarren in einen Kleinbus und besorgte sich Auftrittsgenehmigungen und Einreisevisa. Dann überquerte sie die Grenze Richtung Israel. Es ging um Gigs in kleinen Hallen und Clubs in Haifa, Jerusalem, Ramallah und Nazareth. Eine ganz normale Tour. Aber im Land des Nahost-Konflikts kann schon das Wort "normal" zu einem riesigen Problem werden.

Denn plötzlich fand sich Autostrad in der Mitte eines Streits unter jungen Palästinensern wieder. Ihr Auftritt, so beschwerten sich viele, schade der Sache und helfe den Israelis. Aufgebrachte Aktivisten kamen sogar zum Konzert in Haifa und verteilten Flyer. Im arabischsprachigen Twitter verbreitete sich ein Hashtag, der ungefähr mit "Come after it is liberated" übersetzt werden kann. Immer wieder hieß es: Eure Auftritte helfen nicht. Ihr untergrabt den Boykott. Ihr zementiert die "Normalisierung", weil ihr mit den Israelis zusammenarbeitet. Nur wegen ein paar Live-Auftritten. Schon lange befürchten Aktivisten, dass ihre palästinensischen Landsleute vergessen. Dass die Besatzung des Westjordanlands zur einzigen Realität geworden ist – sich der momentane Zustand in den Köpfen von jungen Palästinensern "normalisiert" hat.


Die jordanische Band Autostrad spielt auch in Israel - zum Ärger der BDS-Bewegung

"Wir müssen uns fragen, wer von so einer Entwicklung profitiert. Das sind sicher nicht wir als Palästinenser", sagt Fayrouz Sharqawi von der Organisation Grassroots Jerusalem. Sie betreut und vernetzt junge Aktivisten rund um Jerusalem, macht sie untereinander bekannt, hilft bei der Planung von gemeinsamen Aktionen. Sie findet: Die Palästinenser müssten immer wieder wachgerüttelt werden. Ein großer Teil von ihnen sei immerhin erst nach 1967 geboren worden. Damals annektierte Israel sowohl das Westjordanland als auch den Gaza-Streifen. Die jungen Leute, so die Sorge, haben nie einen anderen Zustand kennengelernt als die Besatzung. Mehr noch: Sie könnten den Glauben an ein eigenes Land Palästina verlieren.

25 Jahre ist es her, seit Jassir Arafat als Anführer der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) den eigenen Staat ausrief. Ein Viertel-Jahrhundert später verhandeln Politiker von beiden Seiten noch immer über den Frieden. Noch immer um die Zweistaatenlösung. Doch wieder stocken die Bemühungen. Der Status Quo zwischen Israel und den besetzten Gebieten könnte zu einem Zustand für die Ewigkeit mutieren, so befürchten viele.

Seit 2005 wächst deshalb die Unterstützung für die Bewegung Boycott, Divest and Sanctions (BDS). Für ihre Anhänger gibt es nur einen Weg, diese Normalisierung zu verhindern: den Boykott. Sie wollen jegliche Zusammenarbeit mit Israel in ökonomischen, kulturellen und akademischen Angelegenheiten einfrieren. Es gibt keine Studentenaustausche mehr, NGOs, die die Besatzung nicht ausdrücklich ablehnen, werden ausgesperrt. Auch die Zusammenarbeit mit israelischen Behörden verweigern BDS-Anhänger grundsätzlich. Mittlerweile zieht der Protest weltweit Kreise, zahlreiche Unternehmen haben die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Israel gekündigt. Studentenschaften und Unis setzen Austauschprogramme aus.

Auch die Band Autostrad bekommt den Boykott zu spüren. "Ich habe nichts gegen die Musik der Gruppe. Es geht ums Prinzip", sagt Fayrouz von Grassroots Jerusalem. Aber wenn Künstler aus anderen Staaten nach Israel kommen, sende das eine falsche Botschaft. Trotz der Besatzung und all den Ungerechtigkeiten auf israelischer Seite zeige man damit noch immer die Bereitschaft, "Freunde" zu sein. "Die Musiker beantragen ein Visum und die Israelis können entscheiden, welche Künstler ihnen genehm sind und welche nicht", sagt die 31-jährige Fayrouz. Das aber unterwandert in ihren Augen den Boykott. Ein Werkzeug, um Druck aufzubauen und Unrecht zu stoppen, wie Fayrouz sagt. Sie ist sicher: Als junger Palästinenser solle man lieber das Recht aufgeben, ein Live-Konzert "physisch zu besuchen".

http://www.youtube.com/watch?v=J5wO0zsq5XM&feature=youtu.be Im Kurzinterview erzählt Fayrouz, was ihr "25 Jahre Palästina" bedeuten

Diese strikte Blockade-Haltung stößt bei anderen auf Kritik. "Wir unterstützen den Boykott natürlich, aber man muss auch immer den richtigen Kontext sehen", sagt etwa der 26-jährige Ayed aus Haifa. Er ist Mitglied der Jazar Crew, einem der wichtigsten palästinensischen Künstlerkollektive des Landes. Seit einigen Jahren organisiert er Konzerte, Kunstveranstaltungen und Partys für Palästinenser in Israel. Immerhin mehr als 20 Prozent der Bevölkerung sind Araber.

Deren Nachwuchs höre jeden Tag kommerzielle hebräische und englische Musik im Radio und verliere den Kontakt zur eigenen Kultur. Eine Kultur, die die Jazar Crew ihnen wieder zeigen will. "Deshalb wollen wir, dass Künstler wie Autostrad herkommen. Wir brauchen den Austausch", sagt er. Solange arabische Bands in Israel vor Palästinensern spielen wollten, sollten sie die Möglichkeit dazu haben – trotz Boykott. "Wenn Madonna oder Coldplay hier auftreten und die Besetzung damit de facto anerkennen, dann sind wir die ersten, die gegen die Konzerte auf die Straße gehen", so  Ayed. Ähnlich sehen es auch die Musiker von Autostrad selbst. "Ich glaube, dass der Boykott von arabischen Veranstaltungen den Leuten das Recht nimmt, mehr über ihre Kultur und ihr Leben als Araber zu erfahren", sagt Gitarrist Yazan.

Trotz israelischer Einreisegenehmigung lief die Tour für Autostrad am Ende glimpflich ab. Die Band suchte mit ihren Kritikern die Diskussion. "Das sind Leute, die ich als meine Freunde bezeichne", sagt Ayed von der Jazar Crew. "Es ist gut, dass wir auch mal verschiedene Meinungen zu unserem gemeinsamen Ziel haben. Jetzt diskutieren wir, statt aufeinander loszugehen." Für Bandmanagerin Shermine und die Band ist klar: "Wir dürfen die Menschen in 48 nicht vergessen." Die Zahl 48 ist eine Anspielung von Arabern auf Israel. Sie bezieht sich auf den Unabhängigkeitskrieg von 1948. Nach den Kämpfen blieben nur einige Palästinenser im damals neuen israelischen Staat zurück. Aus vielen Stereoanlagen ihrer Kinder und Enkel schallen heute die Beats von Autostrad. Immer wieder die Worte: "Mom, wir sind Gefangene!"

Anschlag auf Gelände von geplanter Moschee

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Unbekannte haben einen Anschlag auf das Gelände einer geplanten Moschee der muslimischen Ahmadiyya-Gemeinde in Leipzig verübt. Wie ein Polizeisprecher sagte, hatten die unbekannten Täter am späten Donnerstagabend fünf Holzpflöcke in den Boden gerammt und darauf Schweineköpfe gespießt. Der Staatsschutz übernahm die Ermittlungen.



Beamte bei der Spurensicherung nach einem Brandanschlag auf eine Berliner Moschee 2011. Immer wieder werde islamische Gemeindenangefeindet und attackiert.

Den Angaben zufolge war zunächst die Feuerwehr wegen eines Mülltonnenbrandes alarmiert worden. Vor Ort entdeckten die Einsatzkräfte dann die Schweineköpfe und riefen die Polizei. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) verurteilte die Tat. "Die Stadt Leipzig ist geschockt von diesem widerwärtigen Anschlag", erklärte Jung. Eine solche Tat, die die Grundlagen des Zusammenlebens der Religionen erschüttert, sei "nicht hinnehmbar".

Der Bundesvorsitzende der Ahmadiyya-Gemeinde, Abdullah Uwe Wagishauser, sagte der Online-Ausgabe der Leipziger Volkszeitung, er finde es sehr traurig, dass sich Menschen auf eine solche Ebene begeben. Die islamische Ahmadiyya-Gemeinde plant im Leipziger Stadtteil Gohlis den Bau einer neuen Moschee mit zwei Minaretten. Ein entsprechender Antrag liegt bereits vor. Das Bauvorhaben hat in der Stadt zu erheblichen Diskussionen geführt. Die rechtsextreme NPD versuchte wiederholt, das Projekt für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Anfang November hatten sich einige hundert Demonstranten einem Aufmarsch der NPD entgegen gestellt.

Schwer entflammbar

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Preisverleihungen folgen im Deutschen Fernsehen einer Art Liturgie, deren Kenntnis das Durchleben eines solchen Abends erheblich erleichtert. Regel 1: Wenn eine Dankesrede mit den Worten "Ich mach"s kurz" beginnt, dann dauert sie sehr lange. Regel 2: Je unbekannter die geehrte Person scheint, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie wirklich etwas geleistet hat und nicht allein wegen ihrer Bekanntheit ausgezeichnet wird. Regel 3: Wenn der Preis für das Lebenswerk verliehen wird, dann muss man wirklich immer Aufstehen beim Klatschen.



Jupp Heynckes erhält den Bambi und hält vor lauter Fremdeln die schönste Rede des Abends.

Am Donnerstag verlieh das Medienhaus Burda in Berlin den "Bambi", die fernsehöffentliche Messe in der ARD dauerte showbranchenübliche drei Stunden und am Ende, als das Vater Unser auf Udo Jürgens ausgerufen wurde, da standen alle auf und klatschten. Vorher schon hatte Ismail Öner einen Preis für sein integratives Fußballprojekt erhalten und Jupp Heynckes seine Dankesrede mit den Worten eröffnet, er wolle es kurz machen. Nach ein paar Minuten unternahm die Regie den doppelt dämlichen Versuch, Heynckes mit Musik von der Bühne zu komplimentieren. Doppelt, weil Jupp Heynckes erst in seinem zunächst hilflosen Fremdeln das Publikum von der lächelnden Ich-danke-meinen-Fans-Routine anderer Preisträger befreite - und weil er dann auch noch die schöne Geschichte von seiner Mutter erzählte, die ein Mal im Jahr ihr Sonntagskleid angezogen habe, um darin die Verleihung des Bambi im Fernsehen zu schauen.

Mit dieser Herrlichkeit ist es natürlich lange vorbei, heute verdichten sich gesellschaftliche Höhepunkte bis zur Konturlosigkeit. In den Einspielfilmen für jene, die einen Bambi für ihre Musik bekamen, wurde wie zur Begründung angeführt, dass sie ja auch schon mal einen "Echo" gewonnen haben. Da fiel es kaum noch auf, dass Teilzeit-Moderatorin Helene Fischer in ihrer Verabschiedung den Bambi als Echo abmoderierte und vielleicht bekommt sie dafür ja den Deutschen Fernsehpreis.

Ansonsten: keine ganz großen Peinlichkeiten, keine ganz große Langeweile. Da konnte man schön dem Gedanken verfallen, wie das wohl wäre, wenn zum Beispiel das Goethe-Institut mal mit einer Delegation aus dem Ausland den Bambi besuchte, um dort ein paar erklärende Sätze zur Deutschen Unterhaltungsleitkultur zu formulieren. Neinnein, wenn Marie Bäumer zu Tom Schilling sagt, er sei "offenporig", dann ist das keine Kritik seines Hautbildes, sondern ein Lob seiner Kunst. Dochdoch, das ist wirklich die Fernsehvolksschauspielerin Veronica Ferres da vorne und kein Laudatorenroboter. Nur bei Andrea Berg wäre man wohl mit seinem Bühnenlatein am Ende. Barfuß stand sie im Bodennebel, hinter ihr flackerte so eine Art Bildschirmschoner-Atlantis, und man hoffte in diesem Moment eigentlich nur, dass Bill Gates und sein Bambi das Stage-Theater schon wieder verlassen haben würden.

Hatten sie - und verpassten somit auch die schwer entflammbare Grundsatzrede von Bunte-Chefredakteurin Patricia Riekel zum Boulevard als solchem und zu Aufmerksamkeit als "härtester Währung der Welt". Wer da noch folgen konnte, der bezahlte tatsächlich in harter Währung, aber dann kam bald auch schon Udo Jürgens und sang "Bis ans Ende meiner Lieder". Da glühten die LEDs auf der Bühne ein letztes Mal auf und formierten sich zu der Gestalt schöner, alter Glühbirnen. Ein Selbsteingeständnis, wenn man so wollte: Der Bambi 2013 hatte zwar einige lichte Momente, aber an wirklicher Wärme hat es sehr gefehlt.

Die geteilte Frau

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Die Argumente sind wieder da, die uns weismachen wollen, Teilzeitarbeit funktioniere nicht. Sie sei unrealistisch für Führungsleute, existenzgefährdend für Unternehmen und bringe Unfrieden in die Belegschaft. So ähnlich zumindest sieht es Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Das ist nicht neu, denn Hundt entpuppt sich immer wieder als Anhänger traditioneller Strukturen. Dementsprechend empört hat der Mann nun auf derlei Pläne von Union und SPD reagiert und später auch noch andere Wirtschafts-Lobbyisten mit ins Boot geholt. Sie laufen Sturm gegen zu viel Modernismus in der Arbeitswelt.

Nun ist es nicht so, dass die Lobbyisten etwas gegen moderne, flexible Jobs hätten. Die finden sie durchaus gut, wenn sie der Wirtschaft dienlich sind. Dazu gehört die Leiharbeit und dazu gehören Mitarbeiter, die dank Laptop und Smartphone überall und zu jeder Zeit erreichbar sind. Merkwürdig nur, dass es andersherum oft so schwierig ist. Da finden Chefs alter Garde tausend Gründe, warum Teilzeitarbeit ausgerechnet bei diesem Job nicht möglich ist. Oder warum die Rückkehr von einer Teilzeit- in eine Vollzeitstelle jetzt nicht geht. Viele - zumeist sind es Frauen - wollen das aber, wenn das Kind aus dem Gröbsten heraus ist.



Die Chancen von einer Teilzeit- in eine Vollzeitstelle zurückzukehren sind gering. Politiker wollen dies nun ändern.

Flexibilität darf keine Einbahnstraße sein. Und deshalb sind die Pläne der Koalitionsrunde so gut. Denn die Politiker wollen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie quasi gesetzlich festzurren. Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit familienbedingt verringern, sollen das Recht auf eine spätere Vollzeitstelle bekommen. Und die Familienarbeit soll finanziell stärker vom Staat gefördert werden als bisher. Es ist bedauerlich, dass der Fortschritt beim Thema Beruf und Familie oftmals den Gesetzgeber braucht. Doch wenn freiwillige Selbstverpflichtungen ins Leere laufen, dann müssen eben Paragrafen her.

Ein gutes Beispiel dafür, dass sich ohne ein Gesetz nichts bewegt hätte, sind Elterngeld und Elternzeit. Seit das Elterngeld länger gezahlt wird, wenn Mütter und Väter wegen des Babys aus dem Job aussteigen, nutzen immer mehr Männer die Chance auf Familienarbeit. Jüngste Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass sich inzwischen fast jeder dritte Vater eine Auszeit nimmt, um das Kind zu betreuen. Die ist zwar bei den Männern mit etwa drei Monaten kürzer als bei den Frauen (im Schnitt ein Jahr). Doch ohne die finanzielle Hilfe des Staates wäre es in vielen Familien gar nicht möglich gewesen, dass beide Elternteile eine Weile den Bürojob liegen lassen.

Kritiker des Elterngeldes sagen, Geld verändere nicht die Einstellung einer Gesellschaft zu Kindern. Das stimmt. Doch die Elternzeit zeigt, dass Unternehmen eine Weile auch auf ihre männlichen Mitarbeiter verzichten können - sogar, wenn sie einen Führungsjob haben. Der Rechtsanspruch erhöht den Druck auf Firmen, sich etwas einfallen zu lassen, um Auszeiten ihrer Mitarbeiter zu überbrücken. Über allem stehen aber wichtige Botschaften: Familienarbeit kann Sache von Mutter und Vater sein, ebenso die Erwerbsarbeit. Bislang ist Teilzeit oft ein Karrierekiller. Die Koalitionsrunde von Union und SPD will klugerweise genau dies killen.

Das sind wichtige Signale für eine Trendwende. Noch vor einem viertel Jahrhundert hielten viele Arbeitgeber Beruf und Kinder für völlig unvereinbar. Natürlich traf es die Frauen, weil Familienarbeit ihre Sache war. So blieben viele Akademikerinnen kinderlos, wie die Statistik zeigt. Frauen kümmern sich um Kinder und um die alten Eltern - so der Duktus. Viele Männer hätten das vielleicht auch gerne gemacht, doch sie scheiterten an der klassische Rollenteilung: Sie kümmert sich um die Familie, er ums Geld. Männer, die das Kind betreuten, wurden schief angeschaut.

An dieser Haltung hat die Elternzeit etwas geändert. Sie alleine wird die alten Rollenbilder nicht aufbrechen. Doch sie hat einen Pflock gesetzt. Die staatlich geförderte Familienarbeitszeit - die Lohnersatzleistung - wie sie die Koalitionsrunde diskutiert, könnte darauf aufsetzen. Die Idee ist, dass beide Elternteile auch nach der Elternzeit weniger arbeiten und für die Differenz zum Vollzeitverdienst entschädigt werden. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt, dass dadurch besonders die Einkommen und Renten vieler Mütter steigen würden. Es ist volkswirtschaftlich Unsinn, wenn gut ausgebildete Frauen wegen der Kinder den Beruf aufgeben. Wer sie ausgrenzt, setzt Ausbildungsinvestitionen in den Sand und verschenkt wertvolles Potenzial. Die deutsche Wirtschaft kann sich das schon alleine wegen des Fachkräftemangels nicht mehr leisten. Die Zeit für eine Wende ist da.

Na dann Prost

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Natürlich gibt es hier Bier zum Mittagessen, am liebsten direkt aus der Flasche. Es ist zwar alkoholfrei, aber die Mitarbeiter in der Kantine der Beck's-Brauerei in Bremen haben immerhin die Wahl zwischen Beck's Blue, Beck's Green Lemon und Franziskaner Weißbier. Auf dem Dach des seltsam eckigen Bürogebäudes aus den 70er Jahren an der Weser leuchtet im Nieselregen in weiß-orange stolz der Schriftzug: "AB Inbev". Vor genau zehn Jahren hat der weltgrößte Bierkonzern Beck"s übernommen, der Absatz der Traditionsmarke hat sich zwischenzeitlich mehr als verdoppelt, auch dank neuer Produkte wie Beck's Gold.



Der Bier-Konsum in Deutschland sinkt.

Dabei ist der deutsche Biermarkt in der Krise, viele der immer noch mehr als 1300 Braustätten in Deutschland haben zu kämpfen. Der Konsum geht kontinuierlich zurück. Anfang der neunziger Jahre trank jeder Deutsche im Durchschnitt noch mehr als 140 Liter Bier, das ist vorbei. "Auch in diesem Jahr wird der Bier-Konsum in Deutschland weiter in Richtung hundert Liter pro Kopf sinken, und das bei einer rückläufigen Bevölkerungsentwicklung", klagt Steve McAllister, von Januar 2014 an neuer Deutschland-Chef bei Anheuser-Busch Inbev. Der Wettbewerb auf dem schrumpfenden Markt ist hart. Die Folge: Ein enormer Preiskampf, die großen Handelsketten bieten einen Kasten Bier oft für zehn Euro an, der Preis ist seit 15 Jahren unverändert. Gleichzeitig steigen die Kosten für Rohstoffe, Transport, Energie und die Löhne der Mitarbeiter.

Dabei gilt Deutschland als Nation der Biertrinker. Hier wird so viel Bier getrunken wie in kaum einem anderen Land, hier gilt das Reinheitsgebot. 2012 setzten die Brauereien immer noch rund 96 Millionen Hektoliter Bier ab. Bier ist Kulturgut. Doch Alkohol kommt auch aus der Mode, Gesundheit steht hoch im Kurs, immer mehr Gasthäuser schließen. Manche Suchtexperten plädieren gar für eine Einschränkung des Alkoholverkaufs. Das spüren viele Brauer schmerzlich, vor allem die, die auf Masse und niedrige Preise setzen. Gerade musste die Privatbrauerei Iserlohn wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden. Viele kämpfen um die Existenz - aber nicht alle. Die Großen wie AB Inbev sind international im Geschäft. Zum Beispiel Beck's: Jede Minute werden weltweit knapp 3000 Flaschen Beck's getrunken, rechnet die Firma vor.

Und dann gibt es da die kleinen Anbieter, die in einer Nische Erfolg haben.

Mehr als 800 Kilometer von Bremen entfernt findet sich in Tuntenhausen bei Rosenheim die Schlossbrauerei Maxlrain. Seit 1636 wird hier Bier gebraut. Das malerische Schloss hat Zwiebeltürme, es gibt eine Schlosswirtschaft und ein Bräustüberl mit Aussicht auf die oberbayerischen Berge. "Wir wachsen jedes Jahr zwischen vier und zehn Prozent", sagt Erich Prinz von Lobkowicz, dem zusammen mit seiner Familie die Brauerei gehört. "Unserainer trinkt Maxlrainer" ist das Motto. Produziert werden weniger als 100000 Hektoliter im Jahr. "Wir machen einen angenehmen Gewinn", sagt Lobkowicz. Das eigentliche Problem seien eher Produktionsengpässe. Er liefert sein Bier vor allem nach Oberbayern, an Gaststätten und Getränkehändler im Umkreis von 30 Kilometer, und in den Großraum München. Aber ein steigender Anteil - inzwischen fast 20 Prozent - geht in den Export, nach Südtirol, Mailand, Triest, auch nach Moskau und China.

Für Beck's - in Bremen wird seit 140 Jahren Bier gebraut - ist dagegen die Welt schon immer der Heimatmarkt, anfangs wurde das Bier in den grünen Flaschen mit dem rot-weißen Etikett nur für das Ausland produziert. Erst seit 1949 wird es auch in Deutschland verkauft. 1955 wurde der Slogan "Beck's löscht Männerdurst" eingeführt, seit 1984 gibt es das Segelschiff "Alexander von Humboldt", das für Freiheit und Internationalität stehen soll. Heute steht in Bremen die größte Brauerei in Deutschland, fünf Millionen Hektoliter Bier werden hier im Jahr abgefüllt, dagegen ist Maxlrain natürlich ein Zwerg.

"Wir rechnen damit, dass der Biermarkt in den kommenden zehn Jahren möglicherweise um weitere zehn bis 15 Millionen Hektoliter schrumpfen wird. Der Boden ist in jedem Fall noch nicht erreicht", sagt McAllister. Auch die Marken von AB Inbev - in Deutschland liegt der Umsatz bei geschätzt einer Milliarde Euro - spüren das, der Absatz ging in den ersten drei Quartalen um 6,9 Prozent zurück. AB Inbev setzt auf die Premiummarken Beck's, Hasseröder und Franziskaner und zielt auf Kunden zwischen 18 und 38 Jahren. Beck's etwa verkauft überdurchschnittlich viel Bier in Sechser-Packungen an Kiosken und Tankstellen, Six-Packs machen in Deutschland mehr als die Hälfte des Absatzes aus. Auch die Ansprache ändert sich: Beck's sponsort inzwischen Musikkonzerte.

"Deutschland zählt zu den zehn wichtigsten Märkten im Konzern", sagt McAllister. Das belgisch-brasilianisch-amerikanische Unternehmen ist in den vergangenen Jahren durch immer neue Milliardenübernahmen zum weltweiten Marktführer geworden, mit einem Umsatz von 40 Milliarden Dollar und hohen Gewinnen. 2005 übernahm der Konzern die Münchner Traditionsmarken Spaten, Löwenbräu und Franziskaner, der Name "AB Inbev" taucht hier aber kaum auf. Unter den weltweit mehr als 200 Marken gibt es vier internationale Vorzeigebiere: Beck"s aus Deutschland, Budweiser aus den USA, Stella aus Belgien und Corona aus Mexiko. Derzeit wird geprüft, wie weitere Marken des Konzerns auf den deutschen Markt gebracht und ausgebaut werden: "Im kommenden Jahr werden wir zunächst Leffe aus Belgien in der Gastronomie testen", heißt es.

Die Konkurrenz wächst also. Dabei gibt es in Deutschland die umsatzstarken "Fernsehbiere", also die, die mächtig beworben werden und in jedem Supermarkt erhältlich sind: Krombacher, Veltins, Radeberger gehören etwa dazu. Und es gibt viele, die ohne Werbung gut über die Runden kommen und bei denen die Geschäfte florieren: Die Brauerei Augustiner in München etwa, die das Bier noch immer in den alten bauchigen Flaschen verkauft und sogar bei jungen Leuten in ist. Oder die staatliche Rothaus-Brauerei ("Tannenzäpfle") aus dem Schwarzwald. Auch Maxlrain-Inhaber Lobkowicz verzichtet fast vollständig auf Werbung und setzt auf Qualität: "Unser Erfolgsgeheimnis ist, dass wir uns auf das Produkt konzentrieren." Der Unternehmer ist überzeugt, dass bei Bier der Geschmack entscheidet, nicht der Preis.

Jungs, Thema junge Mütter und Flirten: Geht da noch was?

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Auch wenn wir uns noch viel zu jung für ein Kind fühlen, finden wir manchmal, ganz manchmal, den Gedanken daran gar nicht mehr so absurd, sondern erstaunlich machbar, aufregend und herausfordernd. Aber dann dauert es nicht lang und wir kriegen Panik. Nicht diese Panik, die ihr jetzt denkt. Nicht die, bei der wir Verantwortung, Geldprobleme, Schlaflosigkeit und Nervenzusammenbrüche fürchten. Sondern eine, die mit unserer Attraktivität zu tun hat.

Aber auch wieder nicht direkt diese offensichtliche Attraktivität, die mit ausgeleiertem Bindegewebe und Beckenbodenproblematiken zu tun hat. Eher so eine ganzheitliche. Wir fürchten um unseren Status des freien, jederzeit anflirtbaren Cool-Mädchens. Wir haben Angst, dass wir, ganz egal, wie sehr wir uns bemühen, kein gluckiges Muttchen zu werden, zeitgleich mit dem Erlangen des Mutter-Status ein Stück unserer Interessantheit abgeben müssen. Dass wir nie wieder die Frau sein können, die wir mal waren. Einfach nur, weil da, wo vorher unser lustiger Abenteuerglimmer saß, jetzt diese Die-ist-doch-schon-Mutter-Schwere lauert. Wir fürchten, dass sich einfach keiner mehr an uns rantraut, weil sich alle denken: "Die kann sich ja die Lippen rot malen, so viel sie will, aber da ist jetzt das Leben einfach auf einer anderen Stufe angekommen, die Frau hat jetzt Verpflichtungen, die sind so grundlegend wie sonst eigentlich gar nichts grundlegend ist. Mit lustigem Rumgeflirte, Abenteuern oder Spontanquatsch muss man der jetzt nicht mehr kommen."

Wir denken: Als eine Frau mit Kind fühlen wir uns dann bestimmt noch viel, viel weiter weg vom Fenster, als eine Frau in der Ehe oder eine Frau in der langjährigen Beziehung. Denn in den letzten beiden Fällen können wir uns, auch wenn wir glücklich sind und den Gedanken ans Fremdgehen eher abstoßend finden, noch jederzeit der Illusion hingeben, dass da theoretisch noch was Anderes geht. Dass nichts für immer und ewig ist. Dass wir theoretisch von heute auf morgen abgeworben werden können oder selbst jemanden abwerben können. Weil wir ja auch wissen, dass sich Gefühle ständig ändern können, dass man Beziehungen auch beenden kann und dass das unter Umständen auch gesund sein kann. So ein Kind aber kann man, wenn man sich einmal dafür entschieden hat, nicht beenden, hinter sich lassen oder neu erfinden, egal wie gesund oder ungesund das wäre.

Vielleicht findet ihr unsere Angst ja auch unberechtigt und sagt: Es gibt doch 2013 nichts Cooleres und Heißeres als eine junge, souveräne Mutter. Wir können es uns nur nicht so ganz vorstellen, denn wir denken uns das bei anderen Frauen ja auch selten. Wir haben Respekt und stellen uns ganz viele Aspekte des Mutterseins sehr schön vor, aber direkt sexy oder saucool finden wir es nun wirklich nicht, beziehungsweise nur in seltensten Ausnahmefällen. Deshalb: Erklärt uns mal, wie ihr das seht. Was ändert sich in euch, wenn ein Mädchen, das ihr kennt und das ihr grundsätzlich ganz attraktiv findet, egal ob vergeben oder nicht, plötzlich schwanger wird. Macht dann nicht irgendwas in euch Klick und jede Coolness, jede Dynamik, jede Sexyness ist erstmal dahin, beziehungsweise nur noch äußerst eingeschränkt vorhanden wegen ewigem Bündnis mit dem zukünftigen Windelwesen?

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von Elias Steffensen.

[seitenumbruch]


Man könnte jetzt mit Stiflers Mom anfangen. Aber zum Glück muss man das nicht, weil ja auch Jonathan Franzen, dieser gigantisch feinfühlige Zeitgeist-Seismograph, in seinem Roman "Freiheit" von dem "milfy smile" schreibt, das eine Mutter dem Kind-Kumpan ihres Sohnes zuwirft. Ein Glück. Damit ist dieses halb spätpubertär dümmliche, halb saulustige Akronym (Mom I’d Like to Fuck ...) wenigstens ein bisschen dem Youporn-Jargon entrissen. Salonfähig, würde ich gerne sagen. Aber wir wollen ja nicht gleich übertreiben.  

Man könnte dann mit Herbert Grönemeyer weitermachen, diesem ziemlich besten deutschen Songwriter und -texter, und sagen "Bleibt alles anders". Das wiederum muss sein, weil mir kein Udo-Lindenberg-Song zum Thema einfällt. Und Tocotronic mag ich nicht besonders. Und dann ist die Frage ja auch schon fast beantwortet. Und ihr um eine Sorge ärmer. Hoffe ich jedenfalls.  

Denn: Ja, deine Angst ist auf weiter Flur sehr unbegründet! Mütter sind auch abseits von "American Pie"-Pennäler-Humor heiß, cool, sexy, toll, Wahnsinn, erotisch, geil, anbetungswürdig, aufregend – gib Bescheid, wenn du irgendeinen Begriff findest, der nicht ganz so bekloppt klingt. Natürlich sind sie das nicht zwangsläufig. Und nein, auch nicht auf diese "Die hat wenigstens sicher schon mal"-Art. Aber ziemlich oft im selben Maße, in dem sie es vorher schon waren. Also hier schon mal durchatmen: "Die-ist-doch-schon-Mutter-Schwere" lauert da nirgends – ein paar marginale Einschränkungen kommen später. Wo vorher Abenteuer geglimmert hat, glimmert’s weiter. Nur vielleicht etwas anders.  

Du hast ja die Angst geäußert, "dass wir nie wieder die Frau sein können, die wir mal waren". Das kann schon so sein. Ein Kind verändert. Deutlich wohl auch. Man wird wohl das, was "erwachsen" genannt wird. Vielleicht sogar mit der Zahnzusatzversicherung, die das so leicht mit sich bringt. Aber Himmel: Bleibt doch trotzdem alles anders. Denn ein Cool-Mädchen verliert doch sein Mojo nicht, nur weil ein Blag ihr ab und an Milch ans Revers rülpst. Ich behaupte ja sogar: Im Gegenteil! Ich erkenne an den Neu-Müttern in meinem Umfeld durch die Bank: Eine minimal verstärkte Ernsthaftigkeit in der Mimik (mit diesen tollen feinen Fältchen irgendwo um die Augen), eine deutliche Gleichgültigkeit gegenüber Nebensächlichkeiten und eine globale Souveränität gegenüber dem Rest. Und daran will mir beim besten Willen nichts Störendes oder Beängstigendes auffallen.  

Oder abschließend ganz konkret und auch nur unter uns: Ich wurde in meinem Leben zweimal von alleinerziehenden Müttern aufgerissen. Schwere war da keine. Abenteuer-Spontanquatsch-Rumgeflirte schon. Das gilt übrigens auch für den dem One-Night-Stand entgegengesetzten Pol: Wenn wir uns in euch verlieben also. Das verschwindet ja nicht, weil da ein Kind ist. Müssen wir eben auch beim Zahnersatz vorsorgen. Ist sicher etwas blöd – hilft ja aber auch nichts.  

Die einzige Einschränkung liegt in der Mitte, zwischen den Polen. Weil: Die Verpflichtungen, die so ein Kind bringt, verbieten tendenziell das Halbgare. Das kapieren wir auch. Und weil wir das kapieren, verlegen wir unsere Suche nach einer Affäre, bei der wir um 22.30 Uhr zum Vögeln klingeln können, eher in andere Gärten. Aber auch das will mir nicht sehr tragisch erscheinen. Denn wenn mich nicht alles täuscht, mögt ihr uns in dieser Lebensphase auch dann nicht richtig gern, wenn ihr noch kein Kind habt.

China lockert die Ein-Kind-Politik

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Chinas Kommunistische Partei will das System der Umerziehungslager abschaffen und die Ein-Kind-Politik lockern. Das sind zwei Kernelemente eines am Freitag in Peking veröffentlichten Reformdokuments, auf das sich die Parteispitze bei ihrer Plenarsitzung am Wochenende geeinigt hatte. Das Papier stellt daneben eine vorsichtige Öffnung der Wirtschaft und des Bankensektors in Aussicht. Die Abschaffung der Umerziehungslager sei eine "wichtige Anstrengung, um die Menschenrechte zu schützen", hieß es in dem Papier. Die Beschränkung auf nur ein Kind soll für Paare aufgehoben werden, bei denen ein Elternteil selbst ein Einzelkind ist: Ihnen soll ein zweites Kind erlaubt werden.



Ein chinesisches Kind bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking.

Die "Umerziehung durch Arbeit" gibt es in China seit 1957. Mao Zedong schuf damals ein zweigliedriges Lagersystem: In die Umerziehungslager steckte die Polizei meist Kleinkriminelle, Prostituierte, Obdachlose, Demonstranten und überhaupt Störenfriede aller Art. Gedacht waren die Lager für Menschen, so formulierte es die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua, "die kleine Verbrechen begehen, die aber nach dem Strafrecht nicht verurteilt werden können". Menschen also, die die Polizei wegsperren wollte, ohne sie der Justiz vorzuführen. Genau deshalb waren sie auch in China selbst immer stärker in die Kritik geraten: Die Polizei darf Bürger bis zu vier Jahre in ein Umerziehungslager schicken, ohne dass diese je einen Anwalt oder Richter zu Gesicht bekommen. Peking sprach 2008 von 160000 Lagerinsassen, Menschenrechtler vermuten dort mehr als doppelt so viele. Daneben gibt es noch ein größeres Netz von Lagern für Straftäter, die von einem Gericht verurteilt wurden.

Dieses zweite Lagersystem soll nicht angetastet werden. Unklar ist, was an Stelle der Umerziehungslager treten soll. Chinas Medien zufolge experimentieren Städte wie Nanjing, Lanzhou oder Zhengzhou schon seit Längerem mit einem "Ersatzsystem", das mancherorts "Erziehung und Korrektur gesetzeswidrigen Vorgehens" heißt. Vor allem ist noch ungewiss, ob, wie chinesische Juristen seit Langem fordern, die Allmacht der Polizei bei diesem neuen System beschränkt wird. Das Parteidokument kritisiert zudem die in China vielerorts übliche Praxis, "Geständnisse durch Folter und körperliche Misshandlungen zu erzwingen". China werde "daran arbeiten", solche Geständnisse aus den Gerichtssälen zu verbannen, meldete Xinhua.

Die Entscheidung, die 1980 eingeführte Ein-Kind-Politik erneut ein Stück weit zu lockern, kommt zu einem Zeitpunkt, da viele Experten auch in China selbst ihre Abschaffung fordern. Grund ist die demografische Entwicklung des Landes, die dafür sorgt, dass China schnell altert. Schon länger dürfen Paare zum Beispiel ein zweites Kind haben, wenn beide Einzelkinder sind. Bürgerrechtler haben in der Vergangenheit viele Fälle von Zwangsabtreibungen dokumentiert. Großer Widerstand gegen die Abschaffung der Politik kommt aus der Familienplanungsbürokratie, die sich durch die Strafzahlungen für überzählige Kinder ein lukratives Einkommen geschaffen hat.

Wer sitzt an welchem Tisch?

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Die Qual der Quote

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Wenn das EU-Parlament an diesem Mittwoch erwartungsgemäß dem Vorstoß zustimmt, vom Jahr 2020 an eine Quote von 40 Prozent weiblicher Aufsichtsratsmitglieder in Aktiengesellschaften vorzuschreiben, wird das wohl ein schwarzer Tag für Günter Buchholz sein - auch wenn der EU-Rat noch einwilligen muss. Denn die Thesen einer 'Frankfurter Erklärung zur Gleichstellungspolitik', die der emeritierte BWL-Professor initiiert hat und die mittlerweile knapp 900 Unterzeichner hat, lassen sich auf einen Nenner bringen: Frauenförderung durch Quote ist Männerdiskriminierung. In Firmen und gleichermaßen in Hochschulen und Forschungseinrichtungen, so der Tenor, sollte man eine Führungsposition mit dem am besten geeigneten Bewerber besetzen dürfen. Und das völlig unabhängig vom Geschlecht.



Initiativen wie das Professorinnen-Programm sollen sicherstellen, dass im Hörsaal öfter Frauen hinter dem Rednerpult stehen.

Darum empören sich Buchholz und seine Mitstreiter über Initiativen wie das Professorinnen-Programm. Erstmals aufgelegt wurde es 2008, 260 Professorinnen wurden daraufhin berufen. 2013 einigten sich Bund und Länder auf eine Neuauflage. Mit 150 Millionen Euro sollen unbefristete Professuren in den ersten fünf Jahren gefördert werden. Maßgeblich für die Förderung ist, dass Hochschulen Konzepte vorweisen, wie sie generell mehr Frauen auf Lehrstuhle bringen wollen. Gerade erst haben die Unterhändler der großen Koalition vereinbart, das Programm fortzuführen. Solche Programme, kritisiert Buchholz, dienten nur dazu, den Frauenanteil an den Professuren zu erhöhen, wobei besser qualifizierte Männer von vornherein ausgeschlossen würden. Inhaltliche Anforderungen an Bewerber würden durch die Gleichstellungspolitik unterlaufen. 'Das unvermeidliche Ergebnis', heißt es in der Erklärung, 'ist eine Absenkung des qualitativen Niveaus von Lehre und Forschung.'

Eine Behauptung, die schwer nachzuweisen ist - das räumt Buchholz auf Nachfrage ein. Aber Tatsache sei doch, dass die Unis nur Geld aus dem Förderprogramm erhielten, wenn auch eine Frau eingestellt werde. In den Ausschreibungen heiße es zwar regelmäßig, dass der Frau nur 'bei gleicher Eignung' der Vorrang vor einem männlichen Bewerber eingeräumt werde, was soweit korrekt sei. 'Doch was gleiche Eignung ist, entscheidet die Berufungskommission.' Man dürfe Gleichstellung nicht mit Gleichberechtigung verwechseln, meint Buchholz. Dass es in attraktiven Berufen weniger Frauen gebe, heiße nicht, dass sie benachteiligt würden. Es sei vielmehr die Folge von 'unterschiedlichen Wünschen, Präferenzen, Lebensentwürfen, von traditioneller Arbeitsteilung und nicht zuletzt von unterschiedlichen Qualifikationen von Männern und Frauen'.

Die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler sieht das anders. Dass es zu wenige Frauen in Spitzenjobs gebe, in Firmen wie an Unis, 'ist nicht eine Frage der Qualifikation, sondern der etablierten Strukturen'; darum begrüßt sie den Vorschlag zur Frauenquote, auch wenn sie findet, dass die EU sich damit Kompetenzen der Mitgliedstaaten aneignet. Und sie warnt davor, das Professorinnen-Programm überzubewerten. Eine Initialzündung sei einfach nötig, um weibliche Talente in Führungspositionen zu bringen. Die Gefahr, dass dadurch das Niveau sinkt, sieht sie nicht: 'Eine Professorin muss sich ja ständig neu beweisen.'

Mal wieder was Neues

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Amazon-Gründer Jeff Bezos liebt das Lesen, ebenso das Schreiben. In einer seiner Mitteilungen an seine Führungskräfte mit dem Titel 'amazon.love' erläutert der Milliardär, warum Menschen Firmen lieben: Sie fühlten, dass von dort immer eine neue Erfindung komme. Eine neue Erfindung bei Amazon ist seit Freitag die erste eigene Fernsehserie: die Polit-Comedy Alpha House mit John Goodman als einem von vier US-Senatoren, die in einer Wohngemeinschaft in Washington, D.C. leben. Amazon.com-Kunden mit einer 'Premium'-Mitgliedschaft, die eine entsprechende Gebühr zahlen, haben Zugriff auf die Serie. Auch von Deutschland aus kann man diese Mitgliedschaft erwerben.



Jeff Bezos's neuste Idee: eigene Amazon-Serien

In den Augen von Buchverleger Dennis Johnson treibt Bezos, der unlängst die amerikanische Tageszeitung Washington Post gekauft hat, allerdings etwas anderes an als der Hang, sich ständig neu zu erfinden: 'Amazon ist wie ein Hai, der immer weiter fressen muss', sagte Johnson vergangene Woche in einem Interview auf der Website buchreport.de. Johnson gilt als Wortführer der amerikanischen Buchhändler, er sieht Bezos in einem Dilemma: 'Sobald Amazons Umsatzwachstum gestoppt wird, werden die Aktionäre aufbegehren.' Der Konzern macht keine Gewinne, zum Ausgleich generiert auf immer weiteren Feldern Umsatz. Schon lange ist er nicht bloß Buchhändler, sondern bietet als Web-Warenhaus so ziemlich jedes Produkt an, auch Lebensmittel. Jetzt also auch Filme, das heißt: nicht nur eine Ware, sondern eigene Inhalte. Bezos würde das 'neu erfinden' nennen, Johnson 'weiter fressen'.

Amazon kopiert damit Netflix. Der Video-Streaming-Dienst im Internet bietet Filme und Fernsehserien zuerst und auf Abruf, man kann sie sehen, wann man will. Etwa House of Cards, das für geschätzt 100 Millionen Dollar produziert wurde und 14 Emmy-Nominierungen erhielt. Bereits 40 Millionen Abonnenten schauen Netflix, was die Fernsehbranche mit ihren festen Programmschemata nicht erfreut und die klassischen Pay-TV-Sender HBO und AMC unter Druck setzt.

Gleichzeitig verfilmt Amazon seine eigenen Bestseller aus der Buchabteilung. 'Sie müssen sich genau überlegen, mit was sie am Anfang rausgehen. Damit wird die Messlatte gelegt', sagt Jens Richter von der Red Arrow Entertainment Group, der internationalen Holding und Produktionsgesellschaft von Pro Sieben Sat 1. Seit Anfang November dreht Red Arrow in Los Angeles die einstündige Pilotfolge zu Harry Bosch - nicht für den deutschen Privatsender, sondern, zunächst exklusiv, für Amazon. Autor Michael Connelly, der Buchautor von Harry Bosch, verkaufte 55 Millionen Bücher über den LA-Cop mit Hierarchieproblem. Von den letzten zehn Millionen Exemplaren gingen 80 Prozent als E-Book über die virtuelle Ladentheke - davon drei Viertel bei Amazon. Richter spricht von einer 'extrem interessanten Marke für Amazon' mit 'Synergieeffekt'. Wer die Serie auf Amazon sieht, wird an gleicher Stelle verlockt, Bosch-Bücher kaufen, falls er wissen will, wie es weitergeht. Davon schrieb Connelly bereits 18 Stück, und jedes Jahr kommt ein neues hinzu. Und wenn der Zuschauer eh schon auf Amazon nach Büchern stöbert, findet er vielleicht noch andere Produkte, die ihn zum Kauf reizen - so die Strategie.

Grundsätzlich denkt Amazon dabei wie Netflix, sagt Richter: 'Mit welcher Serie erreiche ich welche Zielgruppe, die ich bisher noch nicht auf die Seite locken konnte?' Dafür investiert es bei Harry Bosch in bekannte Namen wie Eric Overmyer (The Wire, Law & Order) als ausführenden Produzenten und Titus Welliver (Argo, Lost), der den Harry Bosch spielt. Das Budget liegt auf dem hohem Niveau der US-Kabelsender, also bei bis zu vier Millionen Dollar für eine einstündige Episode. Amazon starte mit einem geringen Risiko, sagt Richter, die Serie habe durch die Buchfans bereits eine feste Zielgruppe, die ohnehin regelmäßig auf Amazon sei.

Die Zusammenarbeit mit Amazon ist laut Richter anders als mit der Fernsehbranche: 'Sie lassen uns beim Dreh große Freiheiten, fokussieren sich vorher aber sehr stark auf die Vermarktung und die Technologie.' Technologie steht bei Amazon für Algorithmen und sehr nützliche Daten, die es durch und über seine Kunden sammelt, das ist Teil der Firmenstrategie. 'Wir haben uns immer von den Daten leiten lassen, was wir unseren Kunden anbieten', sagt Bill Carr, Amazons Vizepräsident für Digital-Video und Musik, im Wall Street Journal. Fernsehsender messen in der Regel nur die Quote, also das, was die Zuschauer an Angebotenem gesehen haben. Carr nennt das 'Tastemaking', also vorgeben, was der Zuschauer sehen soll. Amazon geht den umgekehrten Weg und analysiert vorab, was die Käufer wollen, und will so auch diejenigen erreichen, die sich längst vom Fernsehprogramm verabschiedet haben. Es will erfolgreiche Serien schneller finden als die Fernsehstudios.

Vergangenen Mai entschied Jeff Bezos mit seinem Vorstand, welche exklusiven Serien Amazon zuerst produziert. Ein Berg gesammelter Daten war ausschlaggebend. Mehr als eine Million Testzuschauer sahen auf der Website 14 Pilotfolgen möglicher Serien, die sie bewerteten, kommentierten und eventuell mit ihren Freunden teilten. Das Urteil dieser riesigen Masse überstanden nur zwei Serien: Alpha House und eine namens Betas. Harry Bosch wird den Massentest noch durchlaufen müssen.

Aber Amazon verändert nicht nur die Auswahl potenziell erfolgreicher Fernsehserien. Zusammen mit Netflix modifiziert das Unternehmen auch, wie sie gesehen und erzählt werden. 'Ich will den Zuschauer direkt von einer Episode in die nächste ziehen', sagt Jens Richter von Red Arrow, er nennt das 'hochserialisiert'. Eine Geschichte wird in einer Staffel von 13 Episoden erzählt. Diese verführen zum 'Binge Watching', zum Komaglotzen der ganzen Staffel, mit Gleichgesinnten an einem Wochenende. Cliffhanger, die in konventionell strukturierten Serien eingebaut sind, damit die Zuschauer in den Werbepausen nicht wegschalten, sind im Grunde nicht mehr notwendig. Allerdings: Wer alles sofort und auf einmal schaut, vergisst die Serie wieder, bevor eine neue Staffel startet. Offenbar gefällt auch Amazon dieser Gedanke nicht, daher setzt Jeff Bezos auf diese Lösung: Die ersten drei Folgen von Alpha House sollen am Stück verfügbar sein, dann folgt jede Woche eine neue Episode.

Doppelt hält besser

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Ein Mann trifft eine Frau, oder andersherum, das weiß man ja hinterher nie so genau. Sie mögen sich, sie wollen zusammenbleiben. Und dann? Vielleicht muss die Liebe nur noch die Auswahl einer Sofagarnitur für die gemeinsame Wohnung überstehen. Oder aber er arbeitet in Toulouse, dann in Dublin, sie in Berlin, später in Madrid, in Dresden, weil beide Wissenschaftler sind und sich da eine Karriere kaum auf ein Land beschränken lässt. Man skypt, man telefoniert, man fliegt, man fährt gemeinsam zu Konferenzen und hängt ein paar Tage Urlaub dran, man lebt zu zweit und wohnt allein.

Sieben Jahre lang haben die Physiker Laura Cano-Cortés und Vojislav Krstic das mitgemacht, er Deutscher, sie Spanierin, beide Physiker; kennengelernt haben sie sich auf einer Konferenz in Irland. Danach ging es hin und her. 'Wir haben viele Reisen gemacht', sagt Laura Cano-Cortés. Sie lacht, wie sehr oft an diesem Herbsttag in Erlangen. Vojislav Krstic sitzt neben ihr. Ein heiteres Paar. Immerhin ist ihnen eine Entscheidung erspart geblieben, vor der viele Forscherpaare eines Tages stehen: Weiter so? Oder: Zusammenziehen, und einer hängt die Karriere an den Nagel?



Immer mehr Uni wollen sicherstellen, dass die Partner ihrer Mitarbeiter ebenfalls in der Region arbeiten können.

Denn Krstic, damals Dozent in Dublin, bekam einen Ruf als Professor für Angewandte Physik an die Universität Erlangen-Nürnberg, in einer industriestarken Region, 'das war gut, da hatten wir Hoffnung', sagt Cano-Cortés. Eine dritte Möglichkeit tat sich auf: zwei Karrieren an einem Ort, mithilfe der Uni. Dual Career heißt das Zauberwort. Es verbreitet sich auch in der akademischen Welt rasant: 2010 unterhielt mehr als jede vierte deutsche Uni einen Dual-Career-Service, fast ebenso viele hatten einen in Planung. Vor allem geht es dabei darum, für potenzielle Mitarbeiter attraktiver zu sein, aber auch um Gleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

An der Uni Erlangen hat Yvonne Eder das Dual-Career-Netzwerk Nordbayern in den vergangenen Jahren mit aufgebaut. 20 Einrichtungen sind dabei, darunter Unis, Fraunhofer-Institute, ein Max-Planck-Institut. Hinzu kommen Industriepartner. 'Wir sind Willkommens-Dienstleister, wir wollen Türen öffnen', sagt sie. 'Die Leute sollen merken, dass jemand für sie da ist.' Etwa zwei Dutzend Paare hat sie bislang betreut. Herbeizaubern kann Eder eine zweite Stelle natürlich nicht. Tatsächlich vermitteln konnte sie nur eine Handvoll Personen - darunter Laura Cano-Cortés.

'Wir waren uns sicher, dass wir in der selben Region sein wollten. Mindestens im selben Land', sagt Vojislav Krstic. In den Berufungsverhandlungen fragte er nach Hilfe bei der Stellensuche für seine Partnerin; und Yvonne Eder machte sich an die Arbeit. E-Mails gingen hin und her, ein Qualifikationsprofil wurde erstellt, mit dem Eder im Netzwerk nach Möglichkeiten suchen konnte. Cano-Cortés hatte es leichter als andere, sie spricht sehr gut Deutsch. Trotzdem konnte sie Hilfe gebrauchen, sagt sie, deutsche Stellenbeschreibungen zu interpretieren ist nicht immer ganz einfach.

Irgendwann stieß sie auf eine Stellenanzeige vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (IISB) in Erlangen. Yvonne Eder riet ihr zu, sich zu bewerben. Sie schrieb auch das Institut an, das Mitglied im Dual-Career-Netzwerk ist; die Bewerbung sollte nicht irgendwo verstauben. Cano-Cortés wurde eingeladen, bekam den Job, und am 1.Oktober traten beide ihre neuen Stellen an. Wenn man weiß, welche Opfer eine Forscherkarriere verlangen kann, ist das schon fast ein Bollywood-würdiges Happy-End. 'Das Fraunhofer-IISB passt sehr gut, denn es ist sehr industrienah' sagt Laura Cano-Cortés. Forschung mit Anwendung also, genau was sie machen wollte. Jetzt ist sie, die theoretische Physikerin ist, an einem Forschungsprojekt zur Modellierung von Silizium-Kristallwachstum für Solarzellen beteiligt, in einer sehr internationalen Gruppe. Es gefällt ihr gut.

'Gute Leute an deutsche Unis zu berufen, ist kein Selbstläufer mehr', sagt Sandra Haseloff. Sie leitet bei der Alexander-von-Humboldt-Stiftung die deutsche Koordinierungsstelle von Euraxess. Das Netzwerk hat die EU-Kommission im Jahr 2002 ins Leben gerufen, es soll Forscher in der internationalen Mobilität unterstützen. 'Immer häufiger haben beide Partner eine gleichwertige Position', sagt Haseloff. Wenn eine Universität da effektive Hilfe bei der Suche nach einer passenden zweiten Stelle anbieten kann, könne das durchaus ein Standortvorteil sein.

Denn in Europa sei das noch längst nicht überall üblich, anders als etwa in den USA, sagt Haseloff - wobei dort oft kurzerhand eine Position für den Partner geschaffen werde. Was wiederum hierzulande nur in Ausnahmefällen möglich ist, schließlich werden Stellen an der Uni nicht nach Trauschein verteilt. Das aber heißt, dass sich die zuletzt wie Pilze aus dem Boden geschossenen Dual-Career-Stellen auch Mühe geben müssen, um den Paaren wirklich weiterzuhelfen. 'Es gab einen gewissen Hype, jetzt trennt sich langsam die Spreu vom Weizen', sagt Sandra Haseloff. 'Ein Netzwerk muss leben. Es bringt nichts, ein Dual-Career-Angebot ohne Inhalt zu schaffen, nur weil Dual Career gut klingt.'

In Erlangen jedenfalls sind alle zufrieden. Vojislav Krstic ist noch damit beschäftigt, seine Gruppe aufzubauen, sich um Drittmittelanträge zu bemühen und den Papierkram der Anfangsphase zu bewältigen. Macht nichts, sagt er: 'Ich mache immer noch Wissenschaft und Lehre, diskutiere viel mit den Kollegen und Mitarbeitern, die Ideen kommen.' Und die wissenschaftlichen Möglichkeiten seien jedenfalls um Längen besser als in Dublin. Krstic arbeitet an Nano-Elektronik, er untersucht, welche Eigenschaften etwa ein Material aus winzigen Objekten hat. Einer wie er kann sich über einen Sonderforschungsbereich mit dem sperrigen Namen 'Synthetische Kohlenstoffallotrope' begeistern, und über den Materialforschungs-Exzellenzcluster EAM sowieso.

Für ein Paar, das sich in zwei anspruchsvolle Jobs einarbeiten, eine Wohnung finden und internationale Umzüge hinter sich bringen muss, wirken die beiden erstaunlich gelassen. Ist ja alles kein Problem, wenn man einmal angekommen ist.

Der Rest ist Chefsache

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Es war halb drei am frühen Sonntagmorgen, als die schwarz-roten Unterhändler ihre Verhandlungen abschlossen. Die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales jedenfalls erklärte ihre Arbeit für beendet. Sie verständigte sich auf eine ganze Reihe von Vorhaben. Für die wirklich brisanten Fragen sind seit 2:31 Uhr die Parteichefs von SPD, CDU und CSU zuständig.

Grob gesprochen sind es drei Punkte, die Sigmar Gabriel, Angela Merkel und Horst Seehofer entscheiden müssen. Es geht um die Mütterrente, um die Rente mit 63 und um den Mindestlohn. Die Renten von Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, sollen steigen, so viel ist klar. Offen blieb aber, ob diese zusätzlichen Ausgaben aus der Rentenkasse finanziert werden - das will die Union - oder aus Steuergeldern, wie es die SPD vorschlägt.



Angela Merkel und Sigmar Gabriel im Gespräch. Die Parteispitzen müssen sich in der Verhandlungen um die große Koalition langsam einig werden.

Schon länger ist beim Mindestlohn vereinbart, dass er kommt. Um so strittiger ist allerdings, wie eine große Koalition ihn gestalten würde. Klar ist nun, dass es eine Kommission geben wird, die aus jeweils drei Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer bestehen wird. Jede Seite kann einen wissenschaftlichen Berater benennen, der aber kein Stimmrecht hat.

Vorgesehen ist auch ein Vorsitzender der Kommission, der entweder mit der einen oder der anderen Seite stimmen kann. Können sich die Beteiligten nicht auf einen Vorsitzenden einigen, wird es zwei geben. Während einer die Geschäfte führt, wird der andere nicht in der Kommission sein. Welcher beginnt, entscheidet das Los.

Offen blieb, ob es einen Bundestagsbeschluss zum Mindestlohn gibt, auf dessen Grundlage die Kommission dann arbeitet. Das ist die Position der SPD. Oder ob es nach Meinung der CDU geht, wonach die Kommission einen Vorschlag zur Einführung eines Mindestlohn erarbeitet.

Die Leiharbeit soll nach dem Willen der angehenden Koalitionäre eingeschränkt werden. Künftig dürfen Zeitarbeiter nur noch 18 Monate bei einem ausleihenden Betrieb arbeiten. Danach muss das Unternehmen sie entweder übernehmen oder einen anderen Zeitarbeiter ausleihen. Arbeitet ein Unternehmen mit Werksverträgen, wird nach den schwarz-roten Plänen der Betriebsrat künftig besser über die Bedingungen des Auftrages informiert werden. Die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bleibt weiter umstritten. Das Rückkehrrecht nach Pflege oder Erziehung auf einen Vollzeitjob soll durchgesetzt werden.

Wer ein langes Erwerbsleben hatte und trotzdem wenig Rentenansprüche sammeln konnte, kann mit einer Aufwertung seiner Rente rechnen. Als Voraussetzung muss er 40 Jahre lang Beiträge gezahlt haben und eine private oder betriebliche Altersvorsorge nachweisen können. Damit können die Betroffenen auf eine monatliche Rente von knapp 850 Euro kommen.

Auch bei den Gesprächen über die Pflegeversicherung sind sich die schwarz-roten Unterhändler in vielen Punkten einig. Es soll einen großen Umbau der Pflegeversicherung geben. Strittig ist aber nach wie vor, ob eine Finanzreserve aufgebaut werden soll, mit der die Kosten des demografischen Wandels abgefedert werden können. Dafür sprach sich Kanzlerin Merkel aus. Die SPD lehnt das hingegen ab. Kurzum: Auch über dieses Thema werden die Parteichefs entscheiden.

Eine Form der Selbstverletzung

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Der Sommer am Strand war lang, und Isabelle hat einiges erledigt: Bikinistreifen auf ihren Körper gebrannt, ihre Jungfräulichkeit an einen gut aussehenden Surfer verloren, ihren siebzehnten Geburtstag gefeiert. Jetzt sieht sie viele Dinge anders. Ihr erstes Mal zum Beispiel. Da hat sie sich wie von außen betrachtet: Plötzlich stand da eine zweite Isabelle am Strand und sah zu, was dieser nackte Surferhintern mit der ersten Isabelle gemacht hat. Die Liebe eines Jungen kann alles verändern, sang dazu Françoise Hardy.

Jetzt ist es Herbst. Isabelle geht wieder in die Schule in Paris, auf das berühmte Lycée Henri IV, wohin sonst. Außerdem meldet sie sich auf der Website ,,Rencontres & Vous' an, lädt ein paar Unterwäsche-Fotos von sich hoch, kauft ein zweites Handy und beginnt, sich mit zahlungswilligen Männern zu treffen. Ihr Preis liegt zwischen 300 und 500 Euro pro Stunde, aber die Nachfrage ist da.



Marine Vacth als Isabelle und Johan Leysen als Georges in "Jung und Schön". Der Film läuft seit dem 14. November in den deutschen Kinos.

François Ozon macht kein Geheimnis daraus, dass sein Blick obsessiv auf Isabelle fixiert ist - schon das allererste Bild zeigt ihren Körper am Strand, betrachtet durch ein Fernglas. Marine Vacth, die überzeugende Darstellerin der Isabelle, war vor ihrer Filmkarriere ein hoch bezahltes Model, unter anderem für Yves Saint Laurent und Chloé. Der Blick, vor dem sie nun immer wieder entblößt wird, ähnelt oberflächlich dem Voyeurismus der Modeindustrie.

Es ist aber doch ein Unterschied, wer hier blickt. François Ozon ist ein bekennend schwuler Filmemacher, der seine Kamera selber führt. Auf schwer benennbare Art und Weise sickert das in seine Bilder ein: Dieser Blick will sich nicht selbst erregen - und eigentlich auch niemanden sonst. Er ist eher fragend. Die Hauptfrage ist natürlich: Warum tut sie das? Automatisch sucht man nach Hinweisen, Fehlentwicklungen, Warnzeichen. War das erste Mal so schlimm? Nein, der Junge war ganz nett, eigentlich wollte er sogar mehr von ihr. Sie war es, die ihn abblitzen ließ.

Liegt es an den Eltern? Wohl kaum. Der Vater lebt zwar weit weg, mit neuer Familie, aber die Mutter ( wunderbar: Géraldine Pailhas) ist interessiert, pragmatisch, geerdet. Auch ihr neuer Mann wirkt entspannt und nett. Ist Isabelle demnach vom Geld besessen, ein Opfer der Konsumkultur? Ganz und gar nicht. Erstens hat die Familie keine materiellen Probleme, und zweitens sieht man sie auch nie etwas kaufen - für ihre 'Rencontres' klaut sie eher die Kleider der Mutter.

Also gut: Hat sie vielleicht einen seelischen Defekt, wohnt eine Art Monster im schönen Körper? Ach was. Das Verhältnis zu ihrem jüngeren Bruder, der ihre Eskapaden interessiert verfolgt, ist liebevoll, ein bisschen ruppig, auf jeden Fall sehr real. So weit, so rätselhaft. Allerdings trifft der Film, sicherlich unbeabsichtigt, nun mitten in eine Prostitutionsdebatte hinein, die in Deutschland und noch mehr in Frankreich tobt. Muss man käufliche Liebe nicht ganz verbieten oder doch viel härter bestrafen? Sind Huren nicht generell Objekte des Menschenhandels, oder, wenn sie in reiche Gesellschaften hineingeboren wurden, wenigstens Opfer von Kindesmissbrauch?

Isabelle ist all das jedenfalls nicht. Schon das könnte man als Debattenbeitrag deuten. Zudem verlaufen ihre Begegnungen mit den Freiern zwar manchmal kalt und erniedrigend, sind aber hochglänzend fotografiert. Echte Gewalt erlebt sie nicht. Stattdessen wächst ihr Euro-Bündel, im Kleiderschrank versteckt. Es wird Winter. Wann werde ich von der Kindheit erlöst? singt Françoise Hardy. Es gibt einen väterlichen Freier (Johan Leysen), der besonders melancholisch wirkt. Er bekommt ein Gesicht, ein bisschen Geschichte und wird zum Stammkunden. Allerdings nicht sehr lange. Beim Sex mit Isabell erleidet er einen Herzinfarkt. Ein Schock. Entsetzt zieht sie sich aus dem Geschäft zurück. Nun ermittelt die Polizei, ihr Geheimnis fliegt auf. Die Mutter tobt. 'Mein Kind ist verdorben bis ins Mark', klagt sie, schlaflos im Bett. Daran glaubt ernsthaft natürlich niemand. Aber die große Warum-Frage bleibt. Man könnte verzweifeln daran. Isabelle dagegen scheint ins normale Leben einer Schülerin zurückzufinden. Sie geht auf eine Party. Sie küsst einen Jungen aus ihrer Klasse. Im Morgengrauen steht sie mit ihm auf einer Seine-Brücke vor einem Geländer mit sehr vielen Schlössern: Treueschwüre, von Liebenden hinterlassen, aus extra gehärtetem Stahl. 'Kommst du mit zu mir?', fragt der Junge. 'Nicht in der ersten Nacht', antwortet Isabelle.

Diese Antwort ist so offensichtlich 'richtig', dass sie einen in diesem Moment wie ein Schlag trifft. Man sieht alles Weitere vor sich: ein hübsches Paar, Studienplätze an den Grandes Écoles, hübsche Posten in der französischen Meritokratie, hübsche Kinder. Alles wird gut. Und man ertappt sich dabei, wie ein Gedanke Kontur annimmt: dann lieber Prostitution.

Dies ist nun offensichtlich der Punkt, den François Ozon, der gerissene Fuchs, die ganze Zeit angesteuert hat. Da will er uns Zuschauer haben. Nur: Wie hat er das geschafft? Isabelle ist keine Rebellin, die ihre Rebellion artikulieren könnte. Das System ist nicht böse zu ihr. Ihre Schönheit ist zwar wie ein Blankoscheck, um den sie nicht gebeten hat, sie könnte ihn aber auch spenden - Bedürftige gibt es genug.

Ozon erklärt an dieser Stelle, dass es ihm einfach um Selbstfindung ging. Um die gefährliche Zeit des Erwachsenwerdens, wenn niemand einen Grund braucht, verzweifelt zu sein. Prostitution, sagt er, sei da einfach eine Form der Selbstverletzung, wie Hungern, wie Drogen, wie das Aufritzen der Haut. Das klingt seltsamerweise beruhigend. Es würde nämlich, sehr bequem, das Problem auch auf die Ebene der Hormone verlagern. Die toben in Isabelles Körper, und wenn sie mit dem Toben mal durch sind, renkt sich alles wieder ein. Aus der jungen Liebe auf der Seine-Brücke wird zwar nichts, aber irgendwie, scheint der Regisseur zu sagen, wird diese junge Frau sich schon finden.

Nur erklärt das noch nicht, warum man dieses Brückengeländer, an dem die Schlösser hängen, plötzlich mit solchem Schauder betrachtet. Was bitte wäre denn gegen die Romantik zu sagen, gegen Treue und selbstbestimmte Partnerwahl? Hier öffnet sich Abgrund, den 'Jung & schön' nicht wieder verschließen kann - das macht diesen Film so groß, und so beunruhigend. Wünscht man Isabelle, dass sie in der Welt der brutal verhandelten Tauschwerte alt wird, in der schon der dritte Kunde einen Blowjob ohne Kondom fordert - als Hinweis darauf, was kommen wird? Natürlich nicht. Aber welche Rettung könnte sie finden? Alle Wege stehen ihr offen, zurück in die Gesellschaft und in die Bürgerlichkeit - noch ist nichts Irreversibles passiert. Aber alle Wege, die da offenstehen, sind auch vorgezeichnet. Und eins ist mal sicher: In die Freiheit führen sie nicht.

Jeune & jolie, F 2013 - Regie und Buch: François Ozon. Kamera: Pascal Marti. Musik: Philippe Rombi. Mit Marine Vacth, Géraldine Pailhas, Frédéric Pierrot, Fantin Ravat, Johan Leysen, Charlotte Rampling. Verleih: Weltkino, 93 Minuten.

Auf der Couch

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Es ist so 'mega', dass er wieder da ist. Pro-Sieben-Chef Wolfgang Link strahlt Michael Bully Herbig an. 'Wie Weihnachten, Geburtstag und Ostern an einem Tag' sei es gewesen, als Bully angerufen habe. Nun, anderthalb Jahre später, stehen die beiden in einem Vorführraum der Bavaria-Filmstudios, und das gemeinsame Projekt ist fertig: die Sitcom Bully macht Buddy.



Bully ist zurück!

Die ist für den deutschen TV-Markt ein Novum. Die sechs Episoden wurden in den Filmstudios live vor Publikum aufgezeichnet, die Lacher kommen also nicht aus der Konserve. Das habe sich zu Beginn komisch angefühlt, sagt Bully bei der Pressevorführung, aber dennoch: 'Ich hätte nicht gedacht, dass das Spielen vor Leuten so viel Spaß macht.' Für den 45-Jährigen ist die Sitcom aber nicht nur die Rückkehr zu Pro Sieben nach fünfjähriger Abstinenz; sie hat auch eine wichtige Funktion. Bully macht Buddy soll die Zuschauer für Bullys neuen Kinofilm erwärmen. Der läuft am 25.Dezember an und heißt, genau, Buddy.

Was es bedeutet, für einen Kinofilm als Autor, Regisseur, Produzent und Darsteller verantwortlich zu sein, das will Bully in der Sitcom zeigen. Er spielt sich selbst, den gestressten Workaholic, dem bei der Umsetzung seiner neuesten Filmidee so gar nichts gelingen mag. Seine vernachlässigte Freundin Nina (Sandra Koltai) verlässt ihn mit den Worten: 'Du sagst immer "Und action!", bevor wir Sex haben.' Kumpel Rick (Rick Kavanian) quartiert später seine vulgäre Schwester Aida (Gisa Flake) bei Bully ein, um das Chaos zu komplettieren.

Die Gag-Dichte und -Frequenz ist dabei für eine deutsche Produktion hoch und fast so präzise wie bei den US-Vorbildern How I Met Your Mother oder Two and a Half Men. 'Die Amis machen seit einer Ewigkeit Sitcoms. Es wäre vermessen, sich damit zu vergleichen', kokettiert Bully. Das Set von Bully macht Buddy jedoch könnte direkt aus den USA stammen. Der Großteil der Szenen spielt entweder auf der Couch in Bullys Wohnzimmer oder in der Stammkneipe der Charaktere. Auf dröge Wortspiele wie 'Bullymie' und bemühte Witzchen über Brüste hätte man allerdings gerne verzichtet.

Besonders im Zusammenspiel mit Kumpel Rick Kavanian kreiert Michael Herbig noch immer den ihm eigenen Humor aus den Zeiten der Bullyparade (1997 bis 2002). Kavanian gibt den Stimmenimitator und kramt seine Rolle als sprachbildverdrehender Grieche Dimitri hervor ('Malaka, jetzt ist der Dampf aber mal richtig am Kacken!'). Außerdem hat man sich für Bully macht Buddy die Gastauftritte aus alten Bully-Produktionen abgeschaut. Allein in den ersten beiden Folgen laufen Sängerin Sarah Connor, Schauspieler Elyas M"Barek und, wirklich, Schlagerbarde Roberto Blanco durchs Bild.

Bully macht Buddy ist also zum einen geschickte PR und ein überlanger Trailer für einen Kinofilm. Zum anderen ist die Sitcom einfach gute Unterhaltung.

Bully macht Buddy, Pro Sieben, montags, 21.40 Uhr.

Das Agenten-Internat

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Vier Wochen bevor Julian seine Ausbildung begann, läutete bei seiner Tante das Telefon. Der Mann am anderen Ende der Leitung hatte seltsame Fragen: Ob ihr Neffe verschuldet sei? Alkohol- oder spielsüchtig? Was er in seiner Freizeit mache? Und, ganz grundsätzlich, was für ein Mensch er so sei?    

Die größte Hürde hatte Julian damals schon hinter sich. Die Online-Bewerbung, den Multiple-Choice-Test über Geschichte, Politik und Englisch. Den Aufsatz über Nationalsozialismus, die Gruppendiskussion, ein Einzelgespräch und die Standard-Beamtenuntersuchung. Bevor er endgültig die Zusage von der Schule des Bundesamts für Verfassungsschutz bekam, fehlte nur noch eines: die Sicherheitsüberprüfung. Als Schüler dort hat er die höchste Sicherheitsstufe, Ü3. Das bedeutet, er hat Zugang zu Verschlusssachen. Denn Julian wird Verfassungsschützer.    

Zwei Jahre ist der Anruf bei seiner Tante her. Inzwischen ist Julian in der Laufbahnlehrgangsklasse M2012, das M steht für „mittlerer Dienst“. In Wirklichkeit heißt Julian anders. Seinen echten Namen verrät er nicht, als Alter gibt er nur „Mitte 20“ an. In Jeans, Karohemd und Turnschuhen sitzt Julian heute in einem Prüfungssaal in seiner Schule in Heimerzheim, 45 Kilometer von Köln entfernt. Er ist nicht allein, zwei Klassenkameraden sitzen neben ihm. Und gegenüber sein Schulleiter und drei Dozenten. Sie passen auf, was er erzählt.   

Zwei Klassen starten jedes Jahr beim Verfassungsschutz. Die eine in den mittleren und die andere in den gehobenen Dienst, in einem dualen Studium an der Fachhochschule des Bundes in Brühl. Für den Praxisunterricht kommen die Schüler hierher, in den einstöckigen 80erjahre-Bau auf dem Gelände der Bundespolizei-Kaserne. Auf der Terrasse stehen weiße Sonnenschirme, es gibt einen Tennisplatz, eine Kegelbahn und in der Kantine Frikadellen mit „Leipziger Allerlei“. Von außen sieht es aus wie ein Schullandheim. Aber eines, das nicht gefunden werden will: Die Adresse steht weder im Telefonbuch noch im Internet.    

Seine Freunde denken, er arbeite beim Verwaltungsamt. Das ist ihm recht.


Man merkt Julian seine Anspannung an. Nicht wegen der Englisch-Hausaufgabe, die er noch fertig machen muss, sondern weil er es nicht gewohnt ist, mit Fremden über seine Ausbildung zu sprechen. Nur wenige Menschen wissen von seiner Berufswahl – die Familie, die engsten Freunde. Wenn ein Auszubildender mit dem Freund oder der Freundin zusammenzieht, wird der Partner in die Sicherheitsüberprüfung eingeschlossen. Dann klingelt bei dessen Verwandten das Telefon. Ob Julian eine Freundin hat, sagt er nicht. Die meisten seiner Freunde denken, er arbeite in Köln beim Bundesverwaltungsamt oder bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Wenn er sage „öffentlicher Dienst, Verwaltungskram“, fragten die meisten nicht nach. Über seine Arbeit darf er auch mit denen, die sein Geheimnis kennen, nicht sprechen. Auf Facebook ist er mit einem Pseudonym angemeldet.    

Julian gibt das heute nicht zu, aber der November 2011 muss seltsam für ihn gewesen sein: Die Bewerbungsfrist beim Verfassungsschutz war eben abgelaufen, und plötzlich verlangten Politiker und Medien die Abschaffung, wenigstens die Totalreform seines künftigen Arbeitgebers. Auch im NSU-Prozess, der seit April in München läuft, taucht diese Forderung immer wieder auf. Über Jahre hinweg hatten Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im Namen des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ mutmaßlich zehn Menschen ermordet. Unbemerkt von der Polizei, aber vor allem: unbemerkt vom Verfassungsschutz. Als einer der drei Nachrichtendienste in Deutschland beobachtet die Behörde extremistische und verfassungsfeindliche Aktivitäten im Inland, im Gegensatz zum Bundesnachrichtendienst, der sich aufs Ausland konzentriert, und zum Militärischen Abschirmdienst, der die Bundeswehr bewacht.    

Die Erwartungen an die nächste Generation von Verfassungsschützern sind seit dem Skandal hoch. Sie sollen, sie müssen in Zukunft solche Versäumnisse verhindern. Julian hat das zusätzlich motiviert, sagt er – zurückziehen kam für ihn nicht in Frage. Insgesamt seien die Bewerbungen nicht weniger geworden, unterbricht ihn in diesem Moment der Schulleiter. Um die 1 600, sagt er, gingen jedes Jahr für jeden der Ausbildungswege ein.    



Die Schule für Verfassungsschützer will nicht gefunden werden: Sie steht weder im Telefonbuch noch im Internet. Das Foto ist aber echt.


Julian beschäftigte sich schon mit dem Problem des Rechtsextremismus, bevor der NSU aufgedeckt wurde. Ein paar Mal hat er gegen den NPD-Bundesparteitag demonstriert. In der Schule hörte er vom Verfassungsschutz. „Wir hatten im Zeitraum von 1933 bis 1989 zwei Diktaturen“, sagt er. „Ich will helfen, dass so etwas nie wieder passiert.“ Er spricht von der Weimarer Republik, dann sagt er: „Wir arbeiten nicht gegen die Bürger, sondern für sie!“ Er sagt es schon zum zweiten Mal, seine Klassenkameraden lächeln sich verstohlen an. 

Man merkt, was Julian sagt, meint er ernst; auch wenn es gelegentlich klingt, als zitiere er aus Richtlinien für Verfassungsschützer. Er überlegt sehr genau vor jeder Antwort, blickt zu seinem Schulleiter, als warte er auf ein Zeichen. Bevor er sagt, in welchem Bereich er nach seinem Abschluss arbeiten will, fragt er nach. Darf er das verraten? Der Schulleiter nickt: Er darf. „Regierungssekretäranwärter“ ist Julian nach seiner Ausbildung, er fängt klassischerweise als Sachbearbeiter an. Oder in einem Observationsteam. Das wäre ihm am liebsten, statt Innendienst auch beobachten, beschatten – „beschaffen“, wie man hier sagt. Wenn möglich im Bereich Rechtsextremismus.        

Der steht in Julians Stundenplan zwischen Linksextremismus, Islamismus, Terrorismusabwehr, Geheim- und Sabotageschutz sowie Länderkunde und Verwaltungstechnischem wie Kassenwesen. Aufregender wird es in den praktischen Übungen. In „Gesprächsführung“ lernen Julian und seine Klassenkameraden den Umgang mit V-Leuten, in „Auswertung“, wie sie mit einem Hinweis auf einen möglichen Anschlag umgehen. Und in den „Observationslehrgängen“, wie man jemanden beschattet. Mehrmals in den zwei Jahren Ausbildung üben sie das in ganztätigen Seminaren: Ein Schüler spielt die Zielperson, die anderen verfolgen ihn, im Auto, in Düsseldorf zu Fuß am Rhein entlang, vielleicht in ein Restaurant. Sie dürfen ihrer Zielperson nicht zu nahe kommen. Aber auf keinen Fall dürfen sie sie aus den Augen verlieren. Mehr darf Julian leider nicht sagen.    

Es gibt kein WLAN, Smartphones sind verboten.


Die meiste Zeit ist es an der Agenten-Schule aber nicht so geheimnisvoll. Es gibt Klassensprecher, an der Wand hängen Fotos von Abschlussjahrgängen: Einer hat sich den Namen „Black Ops“ gegeben, wie der siebte Teil der Videospielreihe „Call Of Duty“. In den Klassenzimmern stehen die Tische in U-Form, auf den Fensterbänken liegen Anwesenheitslisten, die Whiteboards sind feinsäuberlich gelöscht.  

Man muss genauer hinsehen, um zu merken, dass die Schule keine normale ist. In den Vitrinenschränken im Flur stehen keine Ski-Pokale. Dort liegen NPD-Flyer und CDs mit Titeln wie „Mein Deutschland“. Unterrichtsmaterial. Die Bibliothek hat eine Abteilung nur über internationalen Terrorismus. WLAN gibt es nicht, Smartphones sind im Lehrtrakt und sogar in der Kantine verboten, dafür stehen im „Internetraum“ fünf Computer.    

Angeschlossen an die Schule in Heimerzheim ist eine Art Internat – Internatsrituale inklusive. Um fünf haben die Nachwuchs-Verfassungsschützer frei, um acht schauen sie gemeinsam die „Tagesschau“. Danach sitzen sie in der Kantine oder gehen im nächsten Ort ins Kino. „Wir machen ganz normale Sachen“, sagt Julian. Normalität, zumindest der Schein davon, ist ihm wichtig. Wie dem gesamten Verfassungsschutz.     Denn der Inlandsnachrichtendienst versucht transparenter zu werden – seit dem Auffliegen des NSU, und erst recht seit dem NSA-Abhörskandal. Seit immer wieder von Versäumnissen die Rede ist, von geschredderten Akten, verschwundenen Beweisen und „blinden rechten Augen“, werden Stellen beim Verfassungsschutz öffentlich ausgeschrieben. Man präsentiert sich auf Bildungsmessen und organisiert Ausstellungen über Rechtsradikalismus. Der Verfassungsschutz will sich öffnen. Was bei einem Geheimdienst naturgemäß nur bis zu einem bestimmten Grad funktionieren kann.    

Denn ganz transparent soll und darf die Arbeit als Spion nie werden, daran wird Julian mehrmals täglich erinnert. Als er am Ende des Gesprächs aufsteht und durch die Tür den Saal verlässt, passiert er einen grauen Kasten. Vor fast jedem Klassenzimmer steht einer. Man übersieht diese Kästen leicht, dabei stehen sie dort wie eine Art Mahnmal: an die NSU-Akten, und an den Druck, der auf Julian und seinen Klassenkameraden lastet.

Die grauen Kästen sind Aktenvernichter.

Songs von der Quarterlife-Crisis

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jetzt.de: Glaubt man dem Web-Magazin „Hype Machine“ ist derzeit weltweit keine andere Band präsenter in Blogs als eure. Wie nehmt ihr das wahr?  
Dan Rothman: Ich finde die Hype-Kultur des Blogs eigentlich ziemlich interessant. Uns hat es am Anfang ja auch sehr geholfen, dass Blogger sich mit uns beschäftigt und uns wahnsinnig schnell bekannt gemacht haben. Ich habe auf jeden Fall immer ein Auge auf Blogs. Wenn viele Blogger wollen, dass man berühmt wird, wird man das auch ziemlich sicher. Allerdings: Wenn sie ihr Ziel erreicht haben und eine Band eine gewisse Bekanntheit hat, braucht sie mehr und noch ganz andere Leute, die sie weiter hochhalten. Blogger können und wollen das nicht auf Dauer übernehmen.  

Wäre eure Band auch ohne Blogger, nur mit Hilfe von Facebook und YouTube so schnell so weit gekommen?  
Bei uns war es so, dass wir schon einen Plattenvertrag hatten, bevor wir überhaupt einen Internetauftritt hatten. Wir wurden ganz klassisch in einem Club entdeckt. Ein Plattenvertrag reicht nur leider heute nicht mehr aus, um eine ernsthafte Karriere zu starten. Dazu benötigt man dann wiederum Leute wie die Blogger.  

Als ihr entdeckt wurdet, standen du und Sängerin Hannah kurz vor dem Abschluss an der Uni in Nottingham. War es schwierig, sich darauf zu konzentrieren, während ihr gerade zu Rockstars gemacht wurdet?  
Allerdings! Es war damals fast unmöglich, sich auf Prüfungen zu konzentrieren oder überhaupt an irgendetwas anderes zu denken als an die Musikkarriere. Wir waren einfach zu aufgeregt, um uns voll auf den Stoff fokussieren zu können. Aber wir haben uns Gott sei Dank zusammen gerissen und die Prüfungen gemacht.  



"Man kann sich heute mit Anfang 20 fühlen wie mit Mitte 40": Dot, Hannah und Dan sind London Grammar.

Hattet ihr vor dem Plattendeal Sorge, wie es nach der Uni weitergehen würde?  
Das war unterschiedlich: Don zum Beispiel war immer schon ganz auf Musik ausgerichtet und sicher, dass er nach der Uni auch als Musiker arbeiten würde. Ich habe mir schon mehr Sorgen gemacht, wie ich mein Leben in den Griff kriegen könnte. Ich wusste noch nicht genau, was ich machen wollte und wie ich mich finanziell über Wasser halten könnte. Umso glücklicher war ich dann, als die Band da war und wir die Chance bekamen, Musik zu unserem Beruf zu machen.  

Also kein Plan B?  
Nicht wirklich. Ich schätze, wenn es mit der Band nicht geklappt hätte, wäre ich in irgendeinem Büro gelandet und hätte in der Wirtschaft gearbeitet. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, bin ich richtig froh, dass es anders gekommen ist.  

Euer Song „Wasting My Young Years“ handelt eigentlich von einer Trennung. Mittlerweile wird er aber als eine Art Generationenhymne verwendet: Viele Schüler und Studenten erkennen sich und ihre Ängste darin wieder. Auch andere Songs auf eurem Album erzählen davon, wie es sich anfühlt, vor dem Nichts zu stehen. Ihr selbst kennt das aber doch gar nicht – oder?  
Stimmt, wir haben das Glück, das selbst nicht erfahren zu müssen. Dafür kennen viele Freunde von uns genau, wovon wir in unseren Songs erzählen. Sie wissen, wie es ist, wenn man nach dem Studium nicht weiter weiß.  

http://vimeo.com/66146084 Das Video zu "Wasting My Young Years".

Der Guardian nennt euer Debüt „das erste Album über die Quarterlife-Crisis“. Kannst du mit diesem Begriff etwas anfangen?  
Ich mag diese Bezeichnung ehrlich gesagt ganz gerne. Wobei wir selbst ja wie gesagt in unseren Songs nicht unbedingt von unseren eigenen Problemen erzählen. Wir stammen alle aus der Mittelklasse, aus geregelten Verhältnissen, haben gute Bildung genossen, konnten zur Uni gehen. Aber nicht allen Gleichaltrigen um uns herum ging es so. Wir spüren ja, was um uns herum los ist. Wir sehen Leute in unserem Alter, die geradezu verzweifeln. Das ist unsere Generation, und von der wollen wir erzählen. Wir wollen ausdrücken, dass man sich heute schon mit Anfang 20 fühlen kann wie mit Mitte 40. Man kann viel früher in Krisen geraten. Aber wir singen auch von Hoffnung und möglichen Lösungen.  

Geht es euch darum, eine bestimmte Botschaft an eure Generation zu richten?  
Nein, wir wollen nicht zwanghaft eine bestimmte Message loswerden. Hannah schreibt die Texte, und ich weiß, dass sie das, worüber sie schreibt, oft gar nicht wirklich beeinflussen kann. Es kommt einfach aus ihr heraus. Es sind Momentaufnahmen, die Gefühlszustände widerspiegeln. Von uns, aber natürlich auch von unserer Generation.

Das Debütalbum „If You Wait“ von London Grammar ist am Freitag erschienen.
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