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Der Sonntag mit... Kellerkind

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Name: Marco Biagini aka Kellerkind
Alter:
33
Geburtsort:
Bern
Wohnort:
Solothurn
So erkläre ich meinen Job meiner Oma:
Ich mische meine Musik ohne Unterbrechung in Clubs für tanzende menschen.
Mein liebster Wochentag: Samstag. Da sind die besten Partys.
Aktuelles Projekt: Mein neues Album "Music is a Miracle", das vor ein paar Tagen erschienen ist.




4:00 Uhr: Sonntagmorgen in der Früh, im Club geht noch die Post ab. Das wird wohl noch eine Weile nichts mit Schlafen. Mir soll es recht sein.




8:00 Uhr: Total erschöpft aber glücklich zu Hause angekommen. Und auch gleich im Tiefschlaf.




14:06 Uhr: Mittlerweile bin ich ausgeschlafen und der Magen knurrt. Zeit für ein ordentliches Frühstück!!




15:00 Uhr: Nach dem super Frühstück bin ich raus aus dem Haus und habe festgestellt, dass es ganz in der Nähe gerade das erste Mal geschneit hat. Damit sich mein Körper nach einer langen Partynacht auch schön entspannen kann, mach ich mich mal auf zum Wellness.




15:45 Uhr: Hier angekommen. Jetzt zwei Stunden entspannen.




17:52 Uhr: Total erholt mache ich mich wieder frisch für den Rest des Tages.




19:02 Uhr: Sonntagseinkauf in der Tankstelle, damit auch noch genügend Proviant für den Abend vorhanden ist. Am Samstag habe ich das Einkaufen mal wieder verschlafen.




19:34 Uhr: Wieder zu Hause angekommen wird es langsam Zeit, die Inspirationen aus dem Club mal ein bisschen umzusetzen und neue Beats zu basteln.




20:00 Uhr: Die Katze liebt House-Musik wohl auch. Oder möchte sie, dass ich mir die Zeit mit ihr vertreibe und nicht mit dem Computer?




20:30 Uhr: Ok, Freundin und Katzen haben mich überzeugt. Den Sonntagabend genießen wir noch ein bisschen gemeinsam vor dem Fernseher.




0:00 Uhr: Und plötzlich schlafen alle wieder, nur ich noch nicht. Also check ich doch mal noch die News auf Beatport ab. Erst nachdem ich viele neue Tracks angehört habe, bin auch ich langsam wieder müde. Gute Nacht.

Die KW 47: Istanbul mit Brauen-Fetisch

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Wichtigster Tag der Woche:
Der Freitag! Dann fliege ich direkt nach Redaktionsschluss mit Freund V. nach Istanbul. Wir besuchen eine Freundin, die gerade die älteste Erasmusstudentin der Stadt ist. Zumindest fühlt sie sich so. Wir werden also einen dreitägigen Riesenslalom um Studentenpartys aller Art machen und betont erwachsene Dinge tun. Zeitig aufstehen, fein frühstücken, Friedhöfe besuchen, Kniffel spielen, sowas.



Jan flieht vor dem November nach Istanbul.

Politisch interessiert mich...
...wie es nach einem skandalösen Gerichtsurteil in Spanien weitergeht. Ich äuge öfters da rüber, seit ich mal dort gewohnt habe - übrigens als Erasmusstudent. Jedenfalls: Letzte Woche hat ein Gericht in La Coruña alle Verantwortlichen der Ölkatastrophe von 2002 freigesprochen. Damals lief vor Galicien ein altersschwacher Tanker auf Grund. Die Regierung leugnete das Unglück wochenlang, am Ende wurde die größte Umweltkatastrophe Spaniens daraus. Berge toter Seevögel, Milliardenschäden, ein Riesenbohei. Und jetzt, elf Ermittlungsjahre später? Wurde lediglich der Kapitän zu neun Monaten Haft verurteilt, die er aus Altersgründen nicht antritt. Ministerpräsident Rajoy war damals übrigens Innenminister. Dementsprechend mächtig brodelt es da jetzt.

Wochenlektüre:
Seit meinem Herbsturlaub vor vier Wochen knibble ich an Roberto Bolaños „Das Dritte Reich“ herum. Das muss jetzt mal ein Ende haben. Einerseits ist das Buch toll: Bolaño hat lang in Spanien gelebt und schreibt aus der Perspektive eines deutschen Spanien-Urlaubers. Andererseits ist mir die Hauptfigur so kreuzunsympathisch, dass ich mir alle zehn Zeilen mit der flachen Hand an die Stirn schlage. Bis ich merke, dass der Bolaño da zwar deutlich übertreibt, aber uns verknöcherte Deutsche mit unserer tendenziell immer etwas überheblichen Urlauberdenke im Grunde einfach doch verflixt gut erkannt hat.

Was mir letzte Woche außerdem in mutlosen Momenten geholfen hat: ein paar alte Texte vom guten philipp-mattheis lesen!    

Soundtrack:
Aus meinen Kopfhörern nudeln diese Woche vor allem zwei Alben: Einmal die genau auf Novemberabende temperierte Debütplatte von London Grammar, in deren Sängerin ich seit letzter Woche heillos verknallt bin. Genauer gesagt, in ihre Augenbrauen. (Jetzt mal im Ernst, verwendet sie dafür Haarschaum?!)

Und zweitens das neue Album von Messer, das am Freitag erscheint. Deutscher Postpunk, der genauso klingt, wie sich mein Gesicht anfühlt, wenn ich an kalten Dienstagen morgens zur U-Bahn gehe: Kalt und verständnislos und rauh wie Sandpapier. Zugegeben: Nach vier Songs wird es anstrengend, dann höre ich oft nur noch weiter, um meinen Büronachbarn Jakob zu ärgern. Er findet's grottig. Aber klar, er hört halt auch am liebsten solche Sachen...

http://www.youtube.com/watch?v=Lqxtw6OsGy0   

Kino?
Eher nö, filmmäßig sind die Abende schon leidlich vollgeplant, siehe nächster Punkt. Aber definitiv der nächste Film, für den ich ein Multiplex aufsuchen werde, ist „You’re Next“. Ein rustikaler Schockerfilm über ein Familienfest und einen maskierten Armbrustschützen draußen im Wald. Ist eine Empfehlung von meinem Horrorfilm-Buddy L., der einen Film im Grunde erst dann ernstnimmt, wenn er danach mit Schweißflecken im Hemd aus dem Kinosaal taumelt.  

http://www.youtube.com/watch?v=7BKnLy_4nPo 

Was ich auf jeden Fall tun werde:
Im Programm des Festivals der Filmhochschulen rumscrollen, das am Sonntag begonnen hat. Und dann mindestens einen Abend lang so viele Abschlussfilme am Stück anschauen, dass ich mal wieder damit hadere, kein Regisseur geworden zu sein.

Und Donnerstag um 23 Uhr ein einziges Mal noch das NeoMagazin mit Jan Böhmermann gucken. Die ersten zwei Folgen fand ich überirdisch witzig, die dritte dann leider atemberaubend uninspiriert. Aber: Eine Chance kriegt er noch!  

Keine Chance hat diese Woche...
...erstens meine irrwitzig rausgewachsene Frisur, die seit Wochen deutlich ins Germanistikstudentenhafte tendiert. Ab zu meiner Lieblingsfriseurin Gwyn!

Und natürlich Büronachbar Jakob mit seiner albernen Forderung, ich solle endlich einsehen, dass Messer in Wirklichkeit überschätzte Betroffenheits-Gitarrenschrammler seien. Pff.

Alles Gute, du alter Streber!

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Am 18. November 1928 schipperte die Micky Maus das erste Mal mit dem Dampfschiff Willie über die amerikanischen Kinoleinwände. Dieses Datum wird heute als "Geburtstag der Micky Maus" gefeiert. Dieser Rechnung zufolge wird Micky heute also 85 Jahre alt. Klar sollte man Senioren höflich gratulieren. Also: Alles Gute, lieber Micky! Aber ähnlich wie beim Jubiläum der unbeliebten Großtante, wird es spätestens wenn die Familie mit Sahnetortenbäuchen im Kombi gemeinsam wieder nach Hause rollt, Zeit, Tacheles zu reden.



Denn eigentlich ist Micky echt unfassbar unsympathisch. War er bei seinem ersten Auftritt noch einigermaßen frech (greift Minnie mit einem Haken an die Unterwäsche und missbraucht einen Ziegenbock als Drehorgel), ging diese Rolle später an den wesentlich verplanteren Donald über. Micky wurde hingegen Super-Detektiv, macht Weltreisen und angelte sich mit Minnie eine der angesehenen Frauen in Entenhausen. Donald kommt im Gegenzug ständig ins Gefängnis, macht Weltreisen nur als Packesel von Onkel Dagobert und seine Beziehung mit Daisy steht auch ständig kurz vor dem Ende.
http://www.youtube.com/watch?v=xPWGCC_BYE8 In seinem ersten Filmauftritt war Micky noch richtig keck.

Irgendwann haben auch die Verantwortlichen bei Disney gemerkt, dass Mickys ewige Streber-Masche nicht mehr zieht - der Verkauf von Micky-Plüschmäusen brach angeblich dramatisch ein. Also versuchten sie ihm 2010 einen Imagewandel zu verpassen. Im Videospiel "Epic Mickey" wurde die Mäusewelt auf einmal zappenduster. Micky musste durch eine Welt voller vergessener Charaktere irren, erschuf ein böses Monster und besudelte die Feinde mit Tinte. So richtig gut funktionierte das aber nur in Amerika. Dort war das Spiel direkt ausverkauft - in Europa floppte es hingegen. Scheinbar mag man hier Streber.

Um noch einigermaßen fair zu bleiben - natürlich ist Micky nicht die einzige Comicfigur, die einem stark auf den Senkel geht. Andere Menschen hassen Alfred J. Kwak, da dessen Titelsong "Warum bin ich so fröhlich" nie in der Serie eingelöst wird und auch die Schlümpfe haben riesiges Nervpotenzial.

Also unabhängig von der Dauerbrenner-Frage "Micky oder Donald?" - welche Comicfigur kannst du überhaupt nicht leiden?

"Wir können nicht bloß spielen"

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Im Focus brodelt es in gleich mehrfacher Hinsicht. Vor drei Wochen hat das Blatt den Schwabinger Kunstfund um den Sammler Cornelius Gurlitt enthüllt, und plötzlich interessiert sich auch die US-Regierung für das Münchner Magazin. Parallel dazu müssen sich gerade Redakteure Gedanken darüber machen, ob sie im nächsten Frühjahr nach Berlin umziehen - oder womöglich das Blatt verlassen. Die Mitarbeiter aus den Ressorts Politik, Ausland und Kultur sollen von Mai 2014 an in der Hauptstadt arbeiten, nicht alle finden das gut. In Berlin lebt, derzeit meist nur am Wochenende, Chefredakteur Jörg Quoos mit seiner Frau und seinen drei Kindern. 20 Jahre hat der gebürtige Heidelberger bei Springer gearbeitet, zuletzt war er Stellvertreter von Bild-Chef Kai Diekmann. Seine ganze Familie ist journalistisch geprägt: Der Vater war Lokalchef bei der Rhein-Neckar-Zeitung, bei der auch Quoos volontiert hat. Der Bruder ist Moderator bei WDR 2, seine Frau Redakteurin bei Bild. Quoos sagt, er habe die Schlagzahl bei Focus erhöht. Das Blatt hat es bitter nötig, die Zahl der Abonnenten ist im dritten Quartal 2013 auf 190000 gesunken, am Kiosk verkaufte sich das Heft nur 82000 Mal.

Gerade kommt Quoos, der seit Januar bei Focus ist, von einem Ressortleitertreffen am Tegernsee. Die Stimmung, sagt er, sei vorher angespannt gewesen, nun sei sie gut. An der Wand hängen rechts die zwei Titelbilder des Focus zum so genannten "Nazi-Schatz", links selbstgemalte Bilder seiner Kinder. Auf dem Tisch dampft Kaffee, im Hintergrund surrt ein Drucker.



Bilder aus der "Gurlitt-Sammlung", die vom"Focus" entdeckt wurde.

SZ: Ist Ihnen nicht zum Heulen, dass Sie mit dem Schwabinger Kunstfund den größten Scoop in der Geschichte des Focus haben, und dann meldet sich Cornelius Gurlitt beim Spiegel, weil er glaubt, die Konkurrenz habe den Fall enthüllt?
Jörg Quoos: Wieso zum Heulen? Ich habe darüber gelacht und mich gefreut, dass die Spiegel-Kollegen die Größe hatten, zu schreiben, dass der alte Herr sich geirrt hat und Spiegel und Focus verwechselt hat. Frustration ist nach dem internationalen Erfolg dieses Scoops der entfernteste Gemütszustand, den ich mir vorstellen kann.

Am Kiosk ist der Focus immer dann erfolgreich, wenn auf dem Titel ein Servicethema steht: Rücken, Anlagetipps, Allergien. Geht das in den Köpfen vieler nicht zusammen: Focus und Enthüllungen?
Wir haben nicht jede Woche einen Nazi-Schatz oder einen Hoeneß, dessen Steuerhinterziehung wir auch enthüllt haben. Oder einen Jan Ullrich, der bei uns sein Blutdoping gestanden hat. Ich versuche, Qualität und Relevanz zu erhöhen. Der Focus wird wieder häufiger zitiert. Das gelingt mir, weil es hier gute Journalisten gibt und ich weitere gute Journalisten mitgebracht habe, darunter zwei Henri-Nannen-Preisträger. Natürlich muss man dafür die Exklusivnachrichten auch haben, wir können nicht bloß spielen, ein Nachrichtenmagazin zu sein. Auch wenn es eine höhere Auflage garantiert: Ich werde nicht jede Woche Gesundheit machen. Focus steht traditionell für eine hohe Kompetenz im Nutzwertjournalismus, etwa in den Bereichen Medizin oder Geldanlage. Die Themen sollen bleiben - aber ich will die Dosis verändern und mittelfristig verringern. Es wird wohl noch dauern, bis der Markt wahrnimmt: Da ändert sich etwas beim Focus.

Die Abonnentenzahl wie auch der Kioskverkäufe hat sich in den vergangenen fünf Jahren fast halbiert. Ist es der richtige Kurs, mit dem Spiegel konkurrieren zu wollen? Auch die Neuordnung im Blatt und der rote Rahmen auf den Titel sieht nach Hamburger Schule aus.
Natürlich will ich keinen Spiegel machen! Was sollte das bringen? Der funktioniert in seinem Segment, aber wir wollen in unserem Segment funktionieren - als Stimme der Vernunft aus dem bürgerlichen Lager. Diese Stimme werden wir eher stärker profilieren. Zu sagen, der Focus macht auf Spiegel, nur weil wir eine rote Linie aufs Cover heben, ist totaler Quatsch. Unser neues Heftdesign ist frischer und moderner geworden. Wenn man schon einen Vergleich ziehen möchte, dann erinnert unser Titelrahmen schon eher ans Time Magazine.

Passt es, das barocke Magazin, das sich unter Helmut Markwort erfolgreich nach Art der Münchner Opulenz definiert hat, nach Berlin zu verfrachten?
Es wird allerhöchste Zeit, dass wir in der Hauptstadt präsenter sind, daher hole ich die Politik und Kultur dahin. Und ich achte genau darauf, dass unser Profil nicht verändert wird. Nur weil der Focus den Standort Berlin aufbaut, wird er keine Kreuzberger Gesinnungsverwirrung erleiden.

Das nimmt wohl keiner an. Als die ersten Gerüchte aufkamen, dass es nach Berlin geht, haben 70 Mitarbeiter eine Protestnote an Hubert Burda unterzeichnet. Auch jetzt rumort es in der Redaktion.
Ich habe sehr positive Rückmeldungen von Kollegen, die sagen: Ja, ich komme mit. Aber ich habe auch Verständnis dafür, dass ein Umzug mit persönlichen Härten verbunden ist, dass da nicht jeder Betroffene sofort "Hurra!" schreit. Da gilt es, die Kollegen davon zu überzeugen, dass dieser Schritt für Focus wichtig ist. Wir sollten die Kirche im Dorf lassen - wir reden über etwa 25 Kollegen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass am Ende fast alle mitgehen werden.

Am vergangenen Freitag ist die Frist ausgelaufen, bis zu der sich die Kollegen entscheiden sollten, ob sie nach Berlin mitgehen oder nicht. Wie viele gehen mit?
Hier handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen der Mitarbeiter an mich. Es gibt keinen Grund, diese zu veröffentlichen.

Es gibt Menschen, die halten den Umzug für eine versteckte Sparmaßnahme.
Die kennen sich nun wirklich nicht aus. Sicher ist Unruhe in der Redaktion: Neuer Chefredakteur, neue Kollegen, neues Layout, neue Rubriken, der Teilumzug nach Berlin. Im Sommer gab es zudem noch einen Personalabbau. Ich verlange der Redaktion einiges ab. Aber der Umzug ist nun alles andere als eine Sparmaßnahme, er kostet Geld. Der Focus geht aus strategischen Erwägungen nach Berlin, nicht, um Leute loszuwerden. Ich erhoffe mir, dass es bald noch mehr relevante Geschichten, mehr Nachrichten aus der Hauptstadt gibt, wenn wir dort mit etwa 50 Leuten vertreten sind und die Wege zu Hintergrundgesprächen, Ministerien und zu den internationalen Vertretungen viel kürzer sind.

Der Verleger und der Herausgeber waren offenbar nicht davon zu überzeugen, dass der Focus ganz nach Berlin geht. Diese Pläne gab es. Der Teilumzug ist nichts anderes als ein Kompromiss.
Ich kann es nicht als Kompromiss empfinden. Die Standorte bilden die jeweiligen Stärken von Berlin und München ab. Sorry, Berlin: Für den Sport ist der FC Bayern wichtiger als die Hertha. Im Ernst: Auch die Wirtschaftsredaktion ergibt in München viel Sinn; hier sitzen die meisten Dax-Konzerne. Darum werden wir das Ressort auch ausbauen. Die große Aufgabe wird nun sein, beide Standorte gleich stark ins Spiel zu bringen. Daher werde ich in Berlin und München vertreten sein.

Sind Sie nicht in der Hoffnung gekommen, dass Focus ganz nach Berlin geht?
Die Lösung, die wir gefunden haben, die ist gut. Alles andere ist rückwärtsgewandtes Philosophieren. Mir war klar, als ich hier anfing, dass der Berliner Standort gestärkt wird, ja. Ansonsten gilt das Wort des Verlegers. Der hat gesagt, es gibt zwei starke Standorte - und das gilt. Darüber hinaus gibt es für mich nichts zu interpretieren.

Die bildstarken Häppchen, die Focus vor 20 Jahren als neue Form des Nachrichtenjournalismus etabliert hat, sind heute die Domäne des Internets. Hat sich das alte Prinzip Focus nicht überholt?
Der Anspruch des Focus aus seiner Anfangszeit, sehr viel Information mit kurzen Texten und Schaubildern zu transportieren, findet inzwischen im Netz statt, das stimmt. Darum ist das auch nicht unsere Strategie. Natürlich pflegen wir weiter einen kurzen prägnanten Erzählstil. Bei Titelthemen legen wir aber vier, fünf Seiten zu. Diese Tiefe ist lange eher untypisch für den Focus gewesen. Wer bei mir einen Titel kauft, der ist nachher richtig satt. Ich glaube, das ist der einzige Weg für Magazine.

Sie haben 20 Jahre lang bei Springer Tageszeitungen gemachte. Kommen Sie mit dem Wochenrhythmus klar?
Man muss sich völlig umstellen. Ich mache seit 1985 Tageszeitung, und manchmal lachen die Kollegen, wenn ich mittwochs bei einer Großlage herumwirbele - und tags drauf alles in den Zeitungen steht. Eine Magazingeschichte muss eine Woche halten, trotzdem habe ich bei der Aktualität die Schlagzahl beim Focus erhöht. Unser Bundestagswahl-Special war ein Tag vor dem Spiegel am Kiosk. Wenn es sein muss, schmeißen wir noch am Freitagabend das Titelthema um. Print bläst der Wind gehörig ins Gesicht, und da kann man nur bestehen, wenn man härter rudert. Eine alte Tageszeitungsmacke pflege ich noch beim Focus: Ich habe mir einen Agenturdrucker hinter meinem Schreibtisch aufstellen lassen, der die wichtigsten Eilmeldungen ausstößt. Die trage ich dann persönlich ins Ressort und frage: Was machen wir damit?

Womöglich hat die Redaktion die Eilmeldungen schon am Computer gesehen.
Vielleicht ja. Aber ich mache ein Printprodukt und der Drucker passt zu mir. Außerdem finde ich, dass Gespräche effektiver sind als nur Mails weiterzuleiten. Wenn Sie aber glauben, ich lebe unter einem Stein und nicht in der digitalen Welt, irren Sie gewaltig. Ich bin kontinuierlich im Netz.

In allen Verlagen wachsen die Redaktionen von Print und Online zusammen. Ist es nicht Irrsinn, dass Heft und Portal zu verschiedenen Konzernen gehören?
Auch wenn wir nicht räumlich und personell verschmolzen sind, pflegen wir einen engen Austausch. Viele unserer Autoren sind auch online zu lesen. Und wir weisen im Heft darauf hin, was Focus.de macht. Im Alltag blendet man die unterschiedlichen Konzernstrukturen völlig aus.

Wenn Sie versuchen, bei Focus die Qualität zu erhöhen, ist bei Focus.de noch Luft nach oben. Ein börsennotiertes Unternehmen macht Rummel, um die Reichweite zu erhöhen. Netmoms präsentiert Sextipps, die Huffington Post lockt mit Krawalljournalismus und Gratisschreibern. Passt das zur Marke Focus?
Es gibt keinen Grund, schlecht über Focus.de zu sprechen. Ich gehe mit den Gegebenheiten um und habe meine eigenen Hausaufgaben zu machen. Klar ist: Das Magazin und die Website arbeiten für unterschiedliche Zielgruppen, die sich zu weniger als zehn Prozent überschneiden. Die User sind jünger und aus dem Netz einen anderen Ton gewöhnt. Das ist bei Spiegel online oder bild.de kein bisschen anders.

Die Lesergruppen werden sich in der Zukunft immer weiter überschneiden.
Ich lebe und arbeite in der Jetztzeit. Ich habe genug damit zu tun, das Heft erfolgreich in den Markt zu bringen. Natürlich wäre es nützlich, wenn man das E-Paper über Focus Online einfacher kaufen könnte. Aber es ergibt überhaupt keinen Sinn, wenn ich meine besten Geschichten vorab bei Focus Online abspiele. Warum sollte ich lange recherchierte Exklusivgeschichten kostenlos verballern, wenn wir das Magazin für 3,70 Euro verkaufen können?

Jetzt bitte Kunst statt Posen

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Mascha kommt aus Aserbaidschan, sie ist Jüdin und Mitte der Neunzigerjahre als Jugendliche mit ihrer Familie vor dem Bürgerkrieg nach Deutschland geflohen. Ihr Liebhaber ist Deutscher, ihr bester Freund ein schwuler Türke, ihr früherer Liebhaber ein palästinensischer Macho, der jetzt in New York an seiner Doktorarbeit schreibt. Ethnische Identitätszuschreibungen sind für sie eine provinzielle Zumutung oder ein schlechter Witz. Kein Wunder, dass ihr die bemühte Mehrheitsgesellschaft-Floskel vom "Migrationshintergrund" auf die Nerven fällt: "Immer wenn ich dieses Wort las oder hörte, spürte ich, wie mir die Gallenflüssigkeit hochkam. Schlimmer wurde es lediglich beim Adjektiv ,postmigrantisch'".



Die Hauptdarstellerin der Theateradaption des Romans "Der Russe ist einer, der Birken liebt" kann das Wort "Migrationshintergrund" und alles was damit in Verbindung steht nicht mehr hören. Dieses Statement war längst überfällig und sorgt nebenbei für Aufmerksamkeit für das Stück.

Mascha ist die Hauptfigur in Olga Grjasnowas hinreißendem Roman "Der Russe ist einer, der Birken liebt", dessen Theateradaption die israelische Regisseurin Yael Ronen jetzt zum Spielzeitauftakt am Berliner Maxim Gorki Theater inszeniert hat.

Mit ihrer allergischen Reaktion auf die Rede vom "Migrationshintergrund" ist Mascha hier genau richtig: Das kleinste Berliner Staatstheater versteht sich unter der neuen Intendanz von Shermin Langhoff und Jens Hillje, sozusagen den Integrationsbeauftragten des deutschen Stadttheaters, als dezidiert postmigrantische Bühne. Das hat am winzigen Kreuzberger Ballhaus Naunynstraße, das Shermin Langhoff erfunden und bis vor kurzem geleitet hat, schon hervorragend als Aufmerksamkeitsgenerator und Karrierebeschleuniger funktioniert. Jetzt sorgt es auch beim Gorki-Neustart für rege mediale Anteilnahme. Wobei die erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit nicht zwingend in direktem Verhältnis zur künstlerischen Qualität steht, und nicht zuletzt auf das starke, politisch überfällige Statement der Öffnung des Theaters für migrantische Akteure reagiert.

Die spannenden Fragen lauten also: Reicht die künstlerische Potenz aus der Kreuzberger Hinterhofbühne für das ungleich größere Maxim Gorki Theater, lassen sich all die Postmigranten-Parolen auf der Bühne mit gelungenen Inszenierungen einlösen? Oder erschöpft sich das Gorki-Angebot in Statements und der von sich selbst begeisterten Geste, endlich die letzte Bastion des deutschen oder, im entsprechenden, nicht ganz ressentimentfreien Vokabular, des "biodeutschen" Kulturbetriebs zu stürmen?

Unter den drei Eröffnungspremieren gibt Yael Ronens Roman-Adaption darauf die überzeugendste Antwort, auch wenn die Inszenierung in der Figurenzeichnung wie im Ausleuchten der Konflikte und komplizierten Identitätskonstruktionen der postmigrantischen Charaktere wesentlich undifferenzierter ist als Olga Grjasnowas Romanvorlage. Ronen erzählt schnörkellos, komisch, am Anfang mit Freude an kabarettistisch zugespitzten Stereotypen, lässt sich dann aber auch ohne Ironiefilter und Grobzeichner auf ihre Figuren ein. Lustig wird das, wenn Maschas deutscher Freund Elias (Knut Berger) die anderen als "perfekt integrierte Vorbildausländer" beschimpft, wenn der schwule Türke Cem (ein Talent, von dem man mehr sehen will: Dimitrij Schaad) so spöttisch wie warmherzig seine Freundin Mascha tröstet oder wenn ein etwas klebriger, verkniffen deutscher Akademiker Mascha Avancen macht (sehr komisch: Tim Porath). Dass der Abend bei aller Ironie und dem Spiel mit milieukulturellen Klischees emotionale Kraft entwickelt, liegt vor allem an Anastasia Gubareva, der großartigen Darstellerin der bürgerkriegstraumatisierten Mascha. Sie spielt die herben Ausbrüche, die großen, aber unsortierten Gefühle ihrer Figur, Maschas anstrengende Kombination aus Kompromisslosigkeit und Empfindlichkeit mit Wucht, Feinheit und Intelligenz.

Anastasia Gubareva und ihre ebenfalls ausstrahlungsstarke Kollegin Marina Frenk sind auch in einer kleinen, überzeugenden Studioproduktion, Hakan Savas Micans Inszenierung von Marianna Salzmanns "Schwimmen Lernen", eine Freude, der Skizze einer lesbischen Amour fou. Sie liefern den Beweis, dass das deutsche Theater so tolle Schauspieler wie Marina Frenk, geboren in Moldawien, Anastasia Gubareva, geboren in Moskau und Dimitrij Schaad, geboren in Kasachstan, dringend braucht. Unnötig zu sagen, dass sie natürlich keinen Exoten-Bonus nötig haben und jederzeit Kleist-Verse sprechen könnten, ohne dass einer auf die Idee käme, ihre erste Sprache wäre nicht Deutsch gewesen.

Wie es auch anders geht, nämlich selbstverliebt dröhnend, reichlich konfus und nicht weiter an Figuren, Stückvorlage oder Inhalten interessiert, führt der Hausregisseur Nurkan Erpulat mit einer eitlen, folkloristisch bunt aufgedonnerten "Kirschgarten"-Variation vor, halb schwerfällige Revue, halb Typenkabarett. Seine Inszenierung beweist vor allem, dass es keine gute Idee ist, jedes Stück zur Postmigrantenparabel verbiegen zu wollen und dass Posen kein guter Ersatz für Kunst sind.

Man darf gespannt sein auf die weiteren Gorki-Wanderungsbewegungen.

Kampf gegen Öl in Ostfriesland

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Auf einmal werden die Finger schwarz, wenn die Menschen in Ostfriesland ihre Hände in Flüsse und Kanäle halten, schwarz und mit einem zähen Film belegt: Öl. Am Sonntag waren bei einem Unfall in einer der größten Kavernen Europas im ostfriesischen Etzel 40 Kubikmeter Öl ausgetreten. Noch am Dienstag kämpften Helfer gegen die Ausbreitung. Der Unfall lässt die Kritik von Naturschützern an den Kavernen, riesigen unterirdischen Lagerstätten für Öl und Gas, weiter wachsen.



Ölfilm auf einem Gewässer bei Etzel (Niedersachsen).Hier ereignete sich der Unfall.

Nur durch Zufall hatte ein Fahrradfahrer am Sonntag den Schaden bemerkt. Obwohl Feuerwehr und Technisches Hilfswerks mit bis zu 280 Einsatzkräften gegen das Öl kämpften, verschmutzte es die Gewässer in den Regionen Wittmund und Friesland im Umkreis von sechs Kilometern. Am Dienstag errichteten Helfer neue Ölsperren - aus Sorge, das Gift könnte Richtung Wattenmeer fließen. Als Unfallursache gilt ein leckes Ventil. Seit Jahren wiederholen die Betreiber der gigantischen Kavernen in Ostfriesland, ihre Technologie sei sicher. Umweltschützer aber kritisieren den Kavernenausbau. Nun sehen sie sich bestätigt: "Das wird die Biologie jahrzehntelang schädigen", sagte ein Sprecher des Naturschutzbunds am Montag.

Kochen mit der Kaffeemaschine

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Fleisch aus der Spül- und Fisch aus der Kaffeemaschine - allein schon bei der Vorstellung bekommt man sofort einen laugigen bis bitteren Geschmack im Mund. Was total bescheuert klingt, sind allerdings sehr ernstgemeinte Tipps. Die Nummer mit der Spülmaschine ist bereits etwas älter: Stromsparfüchse hatten sich überlegt, dass es in der Maschine eh sehr heiß (meist 65 Grad Celsius) wird und das ja die perfekte Temperatur zur Fleischgarung sei. Um das Steak vor Nutellaresten und Spülmittel zu schützen, sollte man es dann aber doch vorher luftdicht verpacken.

Die andere Idee wurde gestern auf einem Foodblog vorgestellt: Wenn nichts anderes zur Hand sei (zum Beispiel in einem Kriegsgebiet), könne man einfach Fisch in der Kaffeekanne braten, während im Filterfach Gemüse vor sich hindünstet. Eine - ähm - Alltagssituation möchte man sagen: man hat Fisch, Gemüse und eine Kaffeemaschine mit Stromanschluss griffbereit, aber keinen Herd. Schon klar.



Viel realistischer ist da schon die Geschichte eines Kollegen: gut angetrunken wurde da der noch übrige Wodka durch die Kaffeemaschine gejagt um leckeren Koffein-Wodka zu kreieren - müsste ja ähnlich wirken wie Wodka Bull. Nur blöd, dass das ganze dann eher eklig schmeckte und durch's aufbrühen der Alkohol auch verpufft war.

Andere Ideen aus der Not heraus sind das Kochen von Nudeln in Wodka, Sprite oder Tomatensauce, wenn aus unerfindlichen Gründen kein Wasser zur Hand ist. Umgekehrt hängt man aber auch oft auf Partys fest, in denen die Mischgetränke aus sind. Dann muss man den Wodka mit Wasser runterspülen - vielleicht sogar noch ungeiler als im Kaffee. Auf solchen Partys wird dann später auch Pfannkuchenteig mit Bier angerührt, die Pizza mit Folie in den Ofen geschoben und das Tiefkühl-Cordon Bleu mit Sambuca flambiert. Alles schon dagewesen und alles eher eklig.

Wie ist das bei dir? Ist deine widerlichste Kocherfahrung Wodka-Wackelpudding oder hast du schonmal so richtig auf den Putz gehauen und echt eklige Rezepte ausprobiert? Wenn letzteres: Teil sie mit dem Kosmos!

Gruß aus der Küche

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Robinson, 35, und Max, 19, Inhaber und Koch des Attentat Griechischer Salat





Im Attentat (Zugspitzstr. 10) wurde die Idee zu dieser Seite geboren. Weil die Karte so seltsam ist wie der Namenszusatz: "Eines Giesings Finest". Die Spareribs heißen hier „Wunderhobel“ und hinter den Beschreibungen der Salate stehen Dinge wie "Der Dennis braucht noch Hummus". Eigentlich gebietet es schon die Vorsicht, hier einmal in die Küche zu schauen.
 
Ich habe bei der Arbeit in der Küche gelernt:
Robinson: ... dass man viele Dinge einfach mal als Salat ausprobieren sollte. Das mache ich auch zu Hause viel – beim Einkaufen Sachen mitnehmen, die man normalerweise nicht im Salat isst, wie zum Beispiel Nüsse, Trauben, Wassermelonen. Das kann den Salat so aufpeppen, dass man viel öfter Bock drauf hat und jeden Tag variieren kann. Mal mache ich Erdbeermarmelade ins Dressing, mal ein paar Feigen – und plötzlich ist das immer ein anderes Gericht und trotzdem einfach Salat.
 
Ich selbst esse gerne:
Robinson: ... in der Königsquelle in der Baaderstraße. Da ist das Essen extrem hochwertig, aber der Laden hat trotzdem den Charakter eines Wirtshauses. Außerdem empfehle ich natürlich die Bratkartoffeln im Schumanns. Und den Käseteller im Tabacco.
Max: Ich gehe gern in die Villa Dante am Westfriedhof. Ich liebe italienische Küche, und das ist eine wirklich gute Pizzeria.
 
Wenn ich nachts um drei nach Hause komme, esse ich:
Robinson: Ich habe zwei Kinder und muss immer so viel kochen, dass jeder satt wird. Da bleibt eigentlich immer noch was übrig, was ich mir aufwärmen kann. Besonders gut funktioniert das mit richtig deftigem Gemüseeintopf, da freue ich mich immer, wenn noch was im Kühlschrank ist.
Mein kleines Rezept:
Max: Ich mache mir gerne einen Nudelauflauf. Also einfach Nudeln kochen und dann mit Tomatensoße und ein bisschen Sahne mit Käse im Ofen überbacken.
Robinson: Ich mache mir extrem gerne einen Salat mit einem Spiegelei drüber. Wenn ich viel unterwegs war, und ein Salat mir zwar nicht reicht, ich aber auch nicht richtig kochen will, ist das perfekt. Während das Ei brät, mache ich den Salat, schneide dann das Spiegelei klein und gebe es zum Schluss dazu. Beim Essen freue ich mich über jedes Stück Ei, das ich finde. Vor allem, weil das ja noch ein bisschen warm ist, während der Salat kalt ist.
 

Khairun, 40, Inhaberin und Köchin des Cafiko





"Bestes Schokocroissant der Stadt" – immer ein schwieriger Superlativ. Hier könnte er aber zutreffen. Dazu gibt’s im Cafiko (Breisacher Str. 6) sehr guten Kaffee, eine kleine Karte mit wechselnden Hauptgerichten – und einen dieser Schokokuchen, die „Death by chocolate“ heißen sollten.
 
Ich habe bei der Arbeit in der Küche gelernt:
Es spart viel Zeit und Frust, wenn man sich von minderwertigen Zutaten gleich fernhält. Zum Backen: Niemals Blockschokolade nehmen, sondern lieber Schoko-Pellets. Die schmelzen schneller, sind viel einfacher zu verarbeiten und man muss nicht mit dem scharfen Messer die Schokolade kleinschneiden und dabei den halben Finger gleich mit abmetzeln.
 
Ich selbst esse gerne:
... im Wiesengrund in der Elsässer Straße. Die haben viel Bio-Küche. Oder im Alpenhof am Alpenplatz in Giesing. Da sieht es so aus, wie man sich vor 20 Jahren Italien vorgestellt hat. Mit karierten Tischdecken und einem Aperitif namens Rimini Speziale, den ich sehr empfehlen kann.
 
Wenn ich nachts um drei nach Hause komme, esse ich:
Schinkennudeln. Die Nudeln ins Wasser, währenddessen Zwiebeln und Schinken kleinschneiden. Ein Ei drüber und es dauert keine 15 Minuten, bis ein wunderbares Essen fertig ist.
 
Mein kleines Rezept:
Der Cafiko-Schokokuchen: Dafür nehme ich 300 Gramm dunkle und 200 Gramm helle Schokolade und schmelze sie mit 175 Gramm Butter oder Margarine. Dann schlage ich das Eiweiß von sechs Eiern (etwa 200 Gramm) mit 50 Gramm Zucker steif und das Eigelb von acht Eiern mit 75 Gramm Zucker schaumig. Das Eigelb rühre ich in die geschmolzene Schokoladenmasse, gebe 100 Gramm geriebene Mandeln, 25 Gramm Mehl, einen halben Teelöffel Backpulver und etwas Schokosirup dazu und hebe die Eiweißmasse unter. Dann 45 Minuten bei 170 Grad in den Ofen und zum Schluss den Kuchen unbedingt im Ofen auskühlen lassen. Sonst zerbricht er beim Stürzen aus der Form.

Matze, 39, Küchenchef im Hey Luigi





Pasta, Fleisch, Salate – das Essen im Hey Luigi (Holzstr. 29) ist ein wenig wie skandinavische Möbel: unaufgeregt elegant. Und immer gut. Die Drinks übrigens auch.
 
Ich habe bei der Arbeit in der Küche gelernt:
Nicht an den Nudeln sparen! Das machen wirklich viele bei Pastagerichten falsch: Sie benutzen einfach minderwertige Qualität. Nudel ist nicht gleich Nudel und die Nudel mit dem größten Werbeetat ist nicht automatisch die beste. Auch eine gute Pfanne ist wichtig. Eine unbehandelte Eisenpfanne, die man gut einbrennt, macht ein viel besseres Aroma als Edelstahl. Da löschst du das Fleisch kurz ab und hast sofort eine dunkle Soße, wo du bei der beschichteten Pfanne ewig brätst und es zum Schluss doch nichts wird. Da fehlen einfach die richtigen Röststoffe.
 
Ich selbst esse gerne:
Neulich war ich mal bei Dal Cavaliere am Rosenheimer Platz, dort habe ich eine sehr gute Pasta mit Ragout gegessen. Die war überhaupt nicht wie die sonst übliche Bolognese, sondern wirklich wie von der italienischen Oma gekocht. Auch das Fiorentina Steak war fantastisch.
 
Wenn ich nachts um drei nach Hause komme, esse ich:
Es kommt natürlich drauf an, was ich zu Hause habe. Aber im Notfall geht eigentlich immer ein Omelett oder eine Wurstsemmel.
 
Mein kleines Rezept:
Tagliatelle mit Wildlachs: Räucherlachs (aus dem Supermarkt) kleinschneiden, mit frischem Dill, Schinusbeeren – die kennt man auch als rosa Pfeffer – Zitronenpfeffer und etwas Rapsöl marinieren. In einer Eisenpfanne Öl und Butter aufschäumen, Zucchini und Zwiebeln dazu und bei hoher Hitze schwenken, bis sie eine schöne Farbe haben. Dann Knoblauchöl und den Lachs dazu, mit Wodka ablöschen und flambieren. Das geht natürlich am Gasherd besonders gut. Mit Sauerrahm angießen, dabei ist es wichtig, den Sauerrahm vorher mit einer kalten Flüssigkeit – also Geflügelfond oder Wasser – zu verrühren, sonst flockt er in der heißen Pfanne aus. Dann die gekochten Tagliatelle dazu, noch mal einen Schuss Wodka drüber und mit frischem Dill anrichten.
  [seitenumbruch]

Christian, 27, und Yraithan, 26, Inhaber und Koch des Nudo





Nudeln mit Soße. Klingt nicht fancy? Pah! Ab ins Nudo (Amalienstraße 53). Da wird Kürbis in die Bolognese gemischt, die Gnocchi sind mit Pfifferlingen gefüllt und alles ist auch noch regional und nachhaltig. Nur wenn man auf die Toilette muss, ist man kurzzeitig verwirrt: Unisex heißt hier nämlich, dass zwei Kloschüsseln in einer Kabine stehen. Gewöhnt man sich aber auch dran.
 
Ich habe bei der Arbeit in der Küche gelernt:
Christian: Wenn du gute Zutaten hast, ist es viel einfacher zu kochen. Eine gute Grundzutat musst du nicht mit Würze kaputt machen und du lernst mit der Zeit, wieder richtig zu schmecken.
 
Ich selbst esse gerne:
Yraithan: ... asiatisch. In der Theresienstraße ist ein toller Koreaner, Kims Restaurant. Sehr authentisch, nicht ganz billig und man kennt meistens nichts von der Karte. Aber wenn man spontan ist und einfach irgendwas bestellt, ist es der Hammer.
 
Wenn ich nachts um drei nach Hause komme, esse ich:
Christian: Meine Freundin macht eine wahnsinnig gute Marmelade. Also gibt’s oft noch eine Marmeladen-Brezn. Gerade hat sie zehn Kilo Pflaumen verarbeitet – das müsste jetzt ein paar Wochen reichen.
Mein kleines Rezept:
Yraithan: Ich mache sehr gerne Crème brulée. Dazu 750 ml Sahne, 250 ml Milch, eine Vanilleschote, 125 Gramm braunen Zucker – der ist wichtig wegen des Geschmacks – verrühren und aufkochen. Dann 225 Gramm Eigelb (etwa neun Stück) verquirlen und unter die Creme rühren. Die Vanilleschote raus, die Masse in eine Form geben, Form in den Ofen stellen, dazu ein Gefäß mit Wasser: 60 Minuten bei 105 Grad backen. Danach unbedingt gut auskühlen lassen, sonst kriegt man Bauchschmerzen.
 

Dani, 27 Jahre, Pizzabäckerin im Grano





Innenstadtlage und trotzdem bezahlbar, sehr italienisch und trotzdem leise Indie-Musik statt „O sole mio“, Großandrang und trotzdem nette Bedienung. Ach so, das Essen im Grano (Sebastiansplatz 3) ist natürlich auch ganz wunderbar – vor allem die Pizza.
 
Ich habe bei der Arbeit in der Küche gelernt:
... dass man frische Zutaten immer erst auf die Pizza legen sollte, wenn sie aus dem Ofen kommt. Also Sachen wie Rucola, Schinken, Wurst, aber auch getrocknete Tomaten oder Parmesan. Darauf achte ich inzwischen auch in anderen Lokalen, denn es deutet oft auf eine gute Küche hin.
 
Ich selbst esse gern:
... ein gutes Steak. Dafür gehe ich ins KVR (Kapitales vom Rind) am Bonner Platz. Das ist natürlich eher was Besonderes, aber die haben einfach wirklich gutes Fleisch.
 
Wenn ich nachts um drei nach Hause komme, esse ich:
... ein Leberwurstbrot und ein Käsebrot. Das ist das allerbeste.
 
Mein kleines Rezept:
Pilze in der Pfanne mit ein bisschen Öl und viel Salz und Pfeffer scharf anbraten und mit Balsamico-Essig ablöschen. Durchziehen lassen und ein bisschen Rosmarin dran. Die perfekten Antipasti – damit habe ich auch privat schon oft beeindruckt.

Meine Straße (6): Hans-Mielich-Straße

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Lea, 28, Grafikerin und Studentin für Dokumentarfilm





Ich wohne hier jetzt seit eineinhalb Jahren. Ich mag, dass man sich am Hans-Mielich-Platz hinsetzen und die ganze Vielfalt Giesings erleben kann, mit all den komischen Typen. Und ich mag, dass hier die Züge vorbeirauschen. Alle Viertelstunde bimmelt außerdem die Kirchturmuhr. Sie ist mittlerweile zu so etwas wie meiner äußeren inneren Uhr geworden. Die Eisdiele Verona hat gutes italienisches Eis und immer bis 22 Uhr offen. Das ist ungewöhnlich für diese Gegend. Die Pizzeria Va Pensiero (Ecke Konradinstr.) macht gutes Essen, mittags bekommt man hier für weniger als sechs Euro ein sättigendes Gericht mit Salat. Neben der alten Wäscherei steht freitags immer Markus, der Radlmacher, mit seiner mobilen Radlwerkstatt. Da kann dann jeder in der Umgebung sein Rad hinbringen und Reparaturen machen lassen. Er ist jeden Wochentag in einem anderen Münchner Viertel unterwegs, aber jeden Abend parkt er den Wagen wieder hier und wenn ich mal außer der Reihe ein Problem mit dem Rad habe, erwische ich ihn manchmal auch noch nach Feierabend. 
 
Ebenfalls Ecke Konradinstraße (allerdings die andere) gibt es eine gute türkische Bäckerei, die gleichzeitig ein Postcafé ist, da kann man also auch noch seine Briefe abgeben. Nicht direkt in meiner Straße, aber auch eine Empfehlung wert, ist der Bioladen in der Pilgersheimer Straße. Er wird von zwei sympathisch kauzigen, älteren Herren betrieben. Und einmal die Woche ist auf dem Hans-Mielich-Platz Bauernmarkt mit Gemüse aus der Region.

Tanz deinen Doktor!

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Eine Frau wird von einer Gruppe halbnackter Männer verfolgt. Sie befindet sich in einer überdimensionalen Plastikkugel und flüchtet über eine Wiese in den See. Sie ist das Ei eines Bankivahuhns und muss sich in den nächsten 60 Sekunden für eines der Spermien entscheiden. Sonst endet das Video ohne Auflösung und ich bleibe dumm.  

http://vimeo.com/77304026

Als sie ihre Wahl trifft, macht es bei mir Klick. Plötzlich verstehe ich etwas, von dem ich bis gerade eben noch gar nicht wusste, dass es existiert: Den Spermien-Wettkampf miteinander verwandter Bankivahähne und die Wahl durch das Bankivahuhn. Bereits zu Beginn des Videos wurde ich in die Situation eingeführt: drei als Hähne verkleidete Männer buhlen um die Gunst eines Huhns. Zwei sind offensichtlich Brüder. Das bedeutet nicht nur für die Geschwisterliebe der beiden eine harte Zerreißprobe, sondern scheint auch für das Huhn recht heikel zu sein. Und weil es nicht weiter weiß, nimmt es einfach alle drei! So einfach kann Biologie sein.  

So einfach kann auch Wissenschaft sein. Genau das war der Plan von John Bohannon, einem Biologen in Harvard. Seit Jahren tritt er selbst bei Fachvorträgen immer wieder mit Tanzgruppen auf, um schwerverständliche Sachverhalte zu erklären. Seit 2008 organisiert er den Wettbewerb „Dance your PhD“. Hier reichen Doktoren und Doktoranden aus der Naturwissenschaft Videos ein, in denen durch Ausdruckstanz begreiflich gemacht werden soll, worum es in ihrer Doktorarbeit eigentlich geht.  

Erlaubt ist, was Spaß macht. Die einzige Voraussetzung ist, dass auch die Doktoren tanzen müssen. Es wird nach drei einfachen Kriterien beurteilt, wer unter die Finalisten kommt: Idee, Erklärungsansatz und Zusammenspiel von Kunst und Wissenschaft. Seit Mai haben sich 31 Wissenschaftler beworben und inzwischen hat eine Jury die 12 Finalisten ausgewählt, für die man noch bis zum 21. November online absimmen kann. Der Sieger bekommt ein kleines Preisgeld, aber vor allen Dingen sind ihm Ruhm und Ehre der anderen Wissenschaftstänzer sicher.  

In vier unterschiedlichen Disziplinen treten die Doktoren gegeneinander an: Physik, Chemie, Biologie und Sozialwissenschaft. So wird nicht nur das eigenartige Paarungsverhalten von Vögeln erklärt, sondern auch Schwarze Löcher, der Einfluss von Gesellschaft auf Bewegung und die Auswirkungen von Schlafentzug.  

Leider versteht man jedoch nicht immer, um was es denn jetzt wirklich geht. Zwar versucht das Team von David Rogawski eindringlich, mir mit einem Rap zu erklären, was "Ash1L Histo Methyltransferase" ist, aber ich befürchte, mein Chemielehrer hat mir dafür einfach nicht die notwendigen Grundlagen vorgetanzt.

http://vimeo.com/76763185

"Nichts ist ekelhafter als Hochzeitsszenen zu drehen"

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Als packenden Realthriller rekonstruiert Captain Phillips die Entführung eines amerikanischen Kapitäns durch somalische Piraten. Der Hauptdarsteller Tom Hanks (Forrest Gump) erklärt im Gespräch mit SZ Extra, worin der Reiz solcher Projekte liegt, wann er Regisseuren ins Gesicht schlagen würde und weshalb er im Film lieber verprügelt wird, als zu heiraten.



Ab Donnerstag ist Tom Hanks als "Captain Phillips" im Kino zu sehen. Der Film ist die Rekonstruktion einer tatsächlichen Entführung im Jahr 2009.

In Ihrer Filmografie finden sich immer wieder Geschichten über Männer in realen Extremsituationen - Castaway, Der Soldat James Ryan, Apollo 13 und jetzt Captain Phillips. Was zieht Sie zu solchen Rollen hin?
Tom Hanks: Zunächst reizt mich allein die Herausforderung, solche nicht-fiktionalen Situationen zu rekonstruieren. Aber noch spannender als solche Fakten und Rahmenbedingungen finde ich das Verhalten dieser Menschen. Um solche Rollen spielen zu können, studiere ich also einerseits die äußeren Muster und Prozeduren ein, nach denen sich diese Männer richten, und gleichzeitig muss ich ihr psychologisches Verhalten verstehen. Das zusammen kann einen Film ergeben, der für den Zuschauer völliges Neuland ist. Genau um so etwas zu sehen, gehe ich selbst ins Kino.

Wie haben Sie die Figur des Captain Phillips studiert?
Ich habe alles gelesen, was ich zu ihm in die Finger bekam. Aber das Wichtigste war, mit ihm persönlich zwei Tage zu verbringen. Er hat mir unschätzbare Einblicke gegeben, die letztlich jeden Moment meiner Darstellung beeinflusst haben. Zum Beispiel machte er mit den Piraten Scherze, und sie mit ihm, aber gleichzeitig verprügelten sie ihn. Er wusste, dass auf dem Rettungsboot Vorräte waren, aber er hatte keine Lust, das den Piraten zu sagen. Die sollten genauso leiden wie er. Und er war absolut überzeugt, dass der brutalste der Typen ihn früher oder später erschießen würde.

Es gibt Regisseure, die beim Dreh eine angespannte Atmosphäre schaffen, damit das Spiel noch authentischer wirkt.
Solchen Leuten würde ich am liebsten eine auf den Mund geben. Ich bin ein Profi, ich weiß, wie ich so etwas zu spielen habe. Man muss mich nicht manipulieren. Allerdings hat Paul Greengrass etwas sehr Kluges gemacht. Wir haben nämlich die somalischen Darsteller, die die Piraten spielen, erst in dem Moment getroffen, als sie die Brücke stürmten. Dieser Moment war ganz schön haarsträubend. Aber nachdem wir 40 Minuten miteinander gedreht hatten, war alles ganz entspannt: "Wie lebt es sich in Minneapolis?" "Freut mich sehr, dass euch Forrest Gump gefällt."

Haben Sie selbst einmal eine Extremsituation außerhalb Ihrer Filme erlebt?
Nie. Einmal bin ich durch die Staaten gefahren und hatte Probleme mit meinem Autoreifen. Ich habe keine Ahnung, wie ich in solchen Situationen reagieren würde. Wahrscheinlich bekäme ich kalte Füße.

Wollen Sie mal kürzer treten? Weniger aufreibende Rollen spielen?
Das Einzige, was ich nicht mehr spiele, ist der jugendliche Liebhaber. Den nehmen mir die Leute nicht mehr ab. Aber solche Filme enden dann meistens mit einer Hochzeit. Und es gibt nichts Ekelhafteres zu drehen als Hochzeitsszenen - zwei Wochen stehst du da im Smoking herum. Da lasse ich mich viel lieber von somalischen Piraten verprügeln. Das fühlt sich viel echter an.

"Captain Phillips" läuft diesen Donnerstag in den deutschen Kinos an.

Die Cyborg-Schabe

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Etwas Schleifpapier, Heißkleber, drei Elektroden und ein Chip - fertig ist die Robokakerlake. Die amerikanische Firma Backyard Brains hat einen elektronischen Minirucksack entwickelt, um Küchenschaben mit dem iPhone fernzusteuern. Das "Roboroach" genannte Implantat wird auf den Rücken der Schaben geklebt und die Elektroden in die Fühler gesteckt. Wischt man nun auf dem Smartphone mit dem Finger nach links, bekommt die Schabe einen winzigen Stromstoß in die Fühler. Das gaukelt ihrem Nervensystem vor, an ein Hindernis zu stoßen, was eine Ausweichbewegung provoziert.



Eine Amerikanische Schabe ohne Chip. Noch kann sie selbst über ihren Weg entscheiden.

Schulen und Universitäten sollen den Roboroach einsetzen, hoffen die Entwickler. So könnten Schüler mit der App Neurophysiologie verstehen, selbst Experimente entwerfen und "Entdeckungen machen". Seit einigen Tagen verkauft Backyard Brains den "ersten kommerziell erhältlichen Cyborg" im Internet für umgerechnet rund 100 Euro (Schabe nicht inbegriffen). Das Insekt muss man selbst fangen oder im Zwölferpack dazubestellen. "Wollten Sie jemals den Gang Ihrer Schule oder Abteilung mit Ihrer eigenen ferngesteuerten Kakerlake beschreiten?" fragen die Macher. Die Antwort bekommen sie prompt. "Ferngesteuerte Cyborg-Schaben zeigen nur, wie schlechte Bürgerwissenschaft und inhumaner Unterricht aussehen", kritisiert der Verhaltensforscher und Tierethiker Marc Bekoff in einem Kommentar auf der Internetplattform Psychology Today. Die Tierschutzorganisation Peta spricht gar von "Folter und Verstümmelung".

Vor allem die Operation, die aus gewöhnlichen Kakerlaken Cyborgs macht, finden Tierschützer brutal. Das Insekt ist zunächst in Eiswasser zu betäuben und der Rückenpanzer mit Schleifpapier zu bearbeiten, um die Steuereinheit aufzukleben. Die Fühler schneidet man entzwei, um die Elektroden hineinzustecken. Sobald die Kakerlake aus der Narkose erwacht, gehorcht sie wenige Minuten lang den Befehlen - dann hat sich ihr Nervensystem an die fremden Impulse gewöhnt und ignoriert sie.

"Insekten leiden sicher nicht wie Säugetiere, aber empfinden können sie den Schmerz bestimmt", sagt der Insektenforscher Andreas Vilcinskas von der Universität Gießen. Auch seine Arbeitsgruppe nutzt die feinen Sinnesorgane von Insekten, etwa um mit dressierten Bienen Sprengstoff aufzuspüren. Das diene einem wissenschaftlichen Zweck, sagt Vilcinskas. "Einen Kakerlakenroboter zu bauen, um Jugendliche für Naturwissenschaft zu begeistern, führt völlig am Ziel vorbei."

Backyard Brains kann die Aufregung nicht verstehen. Der Roboroach sei kein Spielzeug, sondern ein Werkzeug zum Studium des Nervensystems. "In E-Mails werden wir als Psychopathen beschimpft, die das Leiden von Tieren befürworten", wehrt sich Entwickler Tim Marzullo gegenüber Reportern. "Wir bringen Kindern bei, dass diese Kreaturen ein Nervensystem so wie wir haben", erklärt der Gründer von Backyard Brains, Greg Gage. Bei der Verteidigung seiner Erfindung fährt er schwere Geschütze auf: Er bringe den Jugendlichen Mitgefühl gegenüber Insekten bei. Für neurologische Erkrankungen wie Parkinson gebe es bislang keine Heilung; man müsse daher die besten Köpfe möglichst früh für Neurowissenschaften interessieren. Doch sein Argument wird offenbar am Markt nicht angenommen: Von 300 verkauften Roboroaches ging nach Firmenangaben nur jedes zehnte Set an Schulen und Universitäten.

Vielleicht legt sich der Wirbel auch von selbst. Auf der TED-Konferenz führte Firmengründer Gage auf der Bühne vor, wie man die Beinchen einer Kakerlake mit gezielten Stromstößen zum Zucken bringt. Viele Kinder saßen im Publikum, also genau seine Zielgruppe. Als die Jugendlichen zusahen, wie Gage der Kakerlake live ein Bein amputierte, stand ihnen keineswegs Begeisterung für Neurowissenschaften ins Gesicht geschrieben - sondern eher blankes Entsetzen.

Geschönte Lexikon-Einträge

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Freiheit, Demokratie, Offenheit - das sind die Werte, mit denen sich die Online-Enzyklopädie Wikipedia gerne schmückt. Ihre Seiten sind unter den letzten, die noch für das Transparenz-Versprechen der frühen Internet-Jahre stehen: Wissen für alle, umsonst und ohne Einflussnahme der Mächtigen.



Das Geheiemnis von Wiki-PR lag lange Zeit im Dunkeln: Für Geld verfassen sie scheinbar unparteiische Texte für ihre Kunden.

Um diesen Nimbus zu schützen, verschickt die Wikipedia-Stiftung nun Unterlassungsanordnungen. Es geht dabei um einen Streit mit einer PR-Agentur, die Nutzer bezahlt, damit sie bestimmte Artikel auf Wikipedia umschreiben. Damit es keine Missverständnisse über den Zweck der Agentur gibt, trägt sie einen vielsagenden Namen: Wiki-PR.

In der Unterlassungsanordnung steht, dass die Werte von Wikipedia in Gefahr seien, wenn die Verfasser den Auftrag bekommen, Artikel über Firmen zu schreiben und das nicht offen sagen: "Eine solche Praxis ist regelwidrig", heißt es. Weiter: "Aufgrund der Beweislage sind wir überzeugt, dass Ihre Firma den Eindruck erwecken wollte, gewisse Artikel wären von unparteiischen Autoren verfasst. Faktisch aber wurden sie von Wiki-PR für Geld geschrieben".

Bei Wikipedia kann jeder mitschreiben, solange er sich an einige Regeln hält. Behauptungen müssen mit Quellen belegt werden. Ein Großteil der Artikel wird routinemäßig verändert, etwa um aktuelle Zahlen einzufügen. Die Änderungen werden auf einer eigenen Diskussionsseite besprochen. So sind bis heute 30 Millionen Artikel entstanden, die monatlich von 500 Millionen Menschen gelesen werden.

Wiki-PR wird nun dazu aufgefordert, keine Artikel mehr zu schreiben oder zu verändern, solange sich die Firma nicht an die Nutzungsbedingungen hält. In diesen steht, dass Wikipedia-Autoren ihre Beziehung zum jeweiligen Artikel nicht falsch darstellen dürfen. Indem sie verheimlichen, dass sie für Geld schreiben etwa.

Wenn ein Unternehmen auf Wikipedia mitdiskutieren will, bekommt es dafür ein "verifiziertes Profil". Der Sinn: Falls dieses Unternehmen Einträge der eigenen Firma verändert oder Veränderungen vorschlägt, ist für alle ersichtlich, von wem die Vorschläge kommen.

Die Anordnung ist das Resultat einer Recherche, die seit einem Jahr andauert. Wikipedia-Mitarbeiter haben dabei Hunderte Nutzerprofile untersucht. Als erstes Resultat sperrte Wikipedia im Oktober mehr als 250 Profile.

Wiki-PR schreibt, man respektiere und beachte die Vorgaben von Wikipedia. Eine Versicherung, die Wiki-PR früher anscheinend auch Wikipedia gegeben hat. Gehalten hat das Unternehmen sich offenbar nicht an sein Versprechen. Offenheit sieht anders aus.

Betoniertes Paradies

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Wenn Italiener von Sardinien sprechen, leuchten normalerweise ihre Augen auf. Die Insel mit dem kristallblauem Meer, den hellen Buchten und wie hingetupften Mini-Eilanden gilt ihnen als Südseetraum vor der Haustür. Weit gereiste Römer behaupten im Ernst, im Vergleich mit Sardinien könne man die Karibik vergessen. Umso größer ist das Entsetzen, das die Bilder verbreiten, die jetzt aus Sardinien kommen: schlammbraune Fluten in den Wohnzimmern, Schlauchboote des Zivilschutzes in den Straßen, Menschen, die sich in Notunterkünften drängen und Männer, die braune Holzsärge zur Kirche tragen. Die Unwetterkatastrophe diese Woche auf der Urlaubsinsel zeigt in krasser Weise, wie fragil Italien ist - und wie schlecht es sich vor Naturkatastrophen schützt.



Normalerweise denkt man an solche Bilder, wenn man über Sardinien spricht. Doch die Unwetterkatastrophe sorgt im Moment für das Gegenteil.

Während die Regierung den Ausnahmezustand ausrief und der Papst am Mittwoch seine Anteilnahme twitterte, begann in Italien die Suche nach den Schuldigen, wie immer nach solchen Desastern. Viele Sarden klagen, sie seien nicht rechtzeitig gewarnt und in dem Sturm alleingelasssen worden, der 16 Todesopfer forderte und Tausende vorübergehend obdachlos machte. Franco Gabrielli, Chef des italienischen Zivilschutzes, verteidigt sich, seine Behörde habe bereits zwölf Stunden vor Beginn des Sturzregens Unwetteralarm ausgerufen. Man habe die Regionen und Präfekturen informiert, die wiederum verpflichtet gewesen seien, die Gemeinden zu warnen. "Fragen Sie diese Behörden, was sie gemacht haben", forderte Gabrielli seine Kritiker auf. Mehrere Politiker meinten, bei den Überschwemmungen auf Sardinien handle es sich um ein Jahrtausendereignis, das nicht zu verhindern gewesen sei.

Doch war es wirklich so? Umweltorganisationen wie "Legambiente" und Wissenschaftler weisen darauf hin, Italien werde besonders stark von der Zunahme extremer Wetterphänomene getroffen, weil es zu sorglos mit seiner Umwelt umgehe. Das Abholzen der Berge, illegale Brandrodungen und eine hemmungslose Bebauung des Landes haben das gebirgige, zerklüftete, von Erdbeben und Vulkanausbrüchen heimgesuchte Italien noch anfälliger gemacht, als es ohnehin schon war. 1961 habe es in Italien 14 Millionen Häuser gegeben, heute seien es 27 Millionen, rechnet der Umweltforscher Alessandro Trigila im Wochenmagazin Espresso vor. Derzeit werden in Italien jede Sekunde acht Quadratmeter Land asphaltiert oder zubetoniert. Die Versiegelung des Bodens trage zu Katastrophen wie auf Sardinien bei, sagt Trigila.

Eine andere Zahl, die der Umweltausschuss des italienischen Abgeordnetenhauses vor wenigen Wochen veröffentlichte: "68 Prozent aller Erdrutsche in Europa geschehen in Italien." Der größte Teil der Gemeinden des Landes liege in Gefahrenzonen. Dennoch wird das Geld, das der Staat zum Schutz vor Erdrutschen und Überschwemmungen bereitstellt, immer knapper. Im Jahr 2009 waren es noch 551 Millionen Euro, dieses Jahr sind es nur noch 20 Millionen. Von "fataler Kurzsichtigkeit" schreibt der Corriere della Sera.

Darunter zu leiden hat nicht nur Sardinien. Während Feuerwehr, Militär und Zivilschutz auf der Insel Keller auspumpten und Straßen vom Schlamm befreiten, wurde das Festland von weiteren Unwettern heimgesucht. In Kalabrien wurden ganze Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten, ein Ort musste evakuiert werden, viele Bürgermeister schlossen die Schulen. In Kampanien blieben die Tragflügelboote nach Ischia und Capri in den Häfen liegen. Auch in Mittelitalien, etwa in Rom, wurden Straßen überschwemmt. Venedig meldete bereits zum fünften Mal in diesem Jahr Acqua alta. Fast einen halben Meter hoch stand das Wasser auf dem Markusplatz. Die Meteorologen kündigten den Italienern weitere starke Regenfälle an.

Auf Sardinien beeindruckte indes die Solidarität der Menschen mit den Opfern - auch das ist von früheren Naturkatastrophen in Italien her bekannt. In der vom Unwetter besonders betroffenen Stadt Olbia meldeten sich zahlreiche freiwillige Helfer. Viele Obdachlose konnten bis zum Mittwoch bei anderen Familien unterkommen. Als "Heldin" gefeiert wurde in den Medien eine deutsche Friseurin, die am Montag eine überflutete Straße überquert hatte, um eine betagte Frau und deren Hund aus einem Nachbarhaus zu retten.

Solidarität ja, Vorsorge nein - dieses Muster kennzeichnet Italien. Der Bau-Branchenverband Ance hat errechnet, dass Erdbeben, Erdrutsche und Überschwemmungen von 1944 bis 2012 Schäden in Höhe von 242 Milliarden Euro verursachten. "Wie viel davon hätten wir uns mit einer klugen Vorsorge erspart?", fragt der Publizist Gian Antonio Stella. "Und wie viele Tote hätten wir nicht zu beklagen?"

Dann lieber ein Glas Wein

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Die Jugend ist vorbei. In jeder Hinsicht. Die Gewinnerin der Hungerspiele, Katniss Everdeen, ist nach ihrem Sieg wieder zurück in ihrem Heimatdorf. Aber was hat sie davon? Dem Lumpenproletariat der Minen ist sie zwar entkommen, jetzt wohnt sie allerdings in einem hässlichen Regierungsbungalow. Auch das selbstverständliche Glück ihrer Teenagerliebe ist von den Spielen größtenteils ruiniert. Jennifer Lawrence, die Darstellerin der Katniss, wirkt wie eine junge Frau mit Kriegstrauma - die adoleszente Wut, die ihr im ersten Teil so gut stand, hat sich verflüchtigt.



Eine Szene aus dem zweiten Teil der "Tribute von Panem"-Filmreihe.

Das repressiv-diktatorische System, das seine Kinder in tödliche Gladiatorenkämpfe schickt, wird derweil immer brutaler. In den zwölf Distrikten, die für die Hauptstadt malochen und hungern, wächst revolutionäre Wut. Präsident Snow geht gegen die Menschen vor, mit Militäreinsatz und ohne Skrupel. Katniss, nach den Spielen zur Symbolfigur des Freiheitsdrangs avanciert, ordnet sich vorerst unter - kann aber doch nicht einfach beenden, was sie angefangen hat.

Zunächst jedoch erhält sie eine kleine Lektion in Medienkunde: Wer einmal aus der Anonymität der Masse gerissen wurde, muss womöglich den Rest seines Lebens vor Kameras verbringen - das weiß jeder, der nach 1990 zur Welt kam, und Katniss Everdeen lernt das jetzt auch. Sie und ihr Mitgewinner Peeta sind Medienstars, die für die Zwecke der Regierung eingesetzt werden, unterwegs durch sämtliche Distrikte - und gerade beim Thema Medien läuft der Film zu großen Momenten auf. Selten hat man so exemplarisch gesehen, wie unberechenbar die Macht der Bilder sein kann. Selbst wenn man komplette Verlogenheit inszeniert, blitzen an den Rändern Momente auf, in denen die Realität sichtbar wird. Wer nach solchen Momenten sucht, und das gilt nicht nur für die Unterdrückten, wird fündig werden.

Das System reagiert auf die Unsicherheit, indem es ständig die Regeln ändert. Neueste Zumutung: Zum 75. Jubiläum der Hungerspiele müssen die Sieger der Vergangenheit erneut um ihr Leben zu kämpfen, auch Katniss. Da stöhnt dann selbst das sensationsgierige Publikum in der Hauptstadt Kapitol, der kommende Aufstand wird befeuert durch das Mitgefühl mit den Kämpfern wider Willen - ein schöner Gedanke.

Dem Drive des Films tut diese neue Unentschlossenheit allerdings weniger gut. Soll man dem Melodram nachgeben, das in der Rettung des geliebten Mitkämpfers liegt? Oder doch wieder den Thrill der Action zelebrieren? Der Regisseur Francis Lawrence scheint da so orientierungslos wie seine Hauptfigur.

Wie erleichternd eine entschiedene Haltung wirkt, sieht man an der neuen Kriegerin Johanna, gespielt von Jena Malone: ein Mädchen mit Axt und forschem Mundwerk, das nichts mehr zu verlieren hat. In der Kampfarena reckt sie die Faust zum künstlichen Himmel und schimpft gegen die Mächtigen, die irgendwo dort oben am Kontrollpult sitzen müssen. Sie ist, wie Katniss Everdeen früher war, und läuft ihr im Gefecht allemal den Rang ab. Die unbeschwerte Anarchie des ersten Teils, bei dem schlicht jeder gegen jeden antrat, in einer Art 'Herr der Fliegen' auf der Elektrogitarre, ist aber vorbei. Und das ist fast ein bisschen schade.

Ein Vorteil dagegen ist, dass man in der Fortsetzung mehr von den anderen Schauspielern sieht. Zum Beispiel von Donald Sutherland als Präsident Snow. Der Regent von Panem ringt immer wieder um den richtigen Weg, seine Macht zu verteidigen. Alle töten, insbesondere Katniss - das ist zwar sein erster Impuls, aber dann trifft er auf Philip Seymour Hoffman, den neuen Designer der Hungerspiele. Da wird über Taktik und Strategie diskutiert, über Täuschung und Gegentäuschung und über die Notwendigkeit rollender Köpfe. Diese Gespräche haben eine amüsierte Leichtigkeit - selbst wenn einer der Sprechenden weiß, dass auch sein eigener Kopf nicht unbedingt sicher auf dem Körper sitzt.

Während Jennifer Lawrence, die aktuelle Oscargewinnerin, händeringend die Teenagerdramatik bedient, erkennt man an den beiden Herren erfreut die Fähigkeit, durch Selbstironie, verbale Finten und doppelte Böden den Umgangston aufzulockern, bei einem Glas des allerbesten Weins. Dekadent, ganz klar - aber es hat seine Reize, selbst in diesem unwohnlichen Kapitol, das nach Comic-Manier aus Ostblock- und Nazi-Motiven zusammenbastelt ist. Diktatoren, Game- und Fashiondesigner jedenfalls haben hier ihren Spaß. Nur wie lange noch? Das wird man in den Fortsetzungen erfahren.

Die Tribute von Panem: Catching Fire, USA 2013 - Regie: Francis Lawrence. Buch: Simon Beaufoy nach dem Roman von Suzanne Collins. Kostüm: Trish Summerville. Mit Jennifer Lawrence, Josh Hutcherson, Philip Seymour Hoffman, Donald Sutherland, Jena Malone. 146 Minuten. Studiocanal.

Druck auf Google

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Dem Suchmaschinenbetreiber Google droht Ärger wegen seiner Datenschutz- und Nutzungsbestimmungen. Deutsche Verbraucherschützer haben sich in erster Instanz gegen den amerikanischen Konzern durchgesetzt. Das Landgericht Berlin erklärte insgesamt 25 Klauseln für rechtswidrig, wie der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) mitteilte. Bei etwa der Hälfte der betroffenen Klauseln geht es um den Datenschutz. Die Verbraucherschützer kritisieren, dass einige Passagen in der Datenschutzerklärung von Google zu schwammig formuliert seien. So spricht der Konzern etwa davon, "möglicherweise" gerätespezifische Informationen und Standortdaten zu erfassen oder "unter Umständen" personenbezogene Daten aus den verschiedenen Google-Diensten miteinander zu verknüpfen.



Die Datenschutz- und Nutzungsbedingungen von Google sind laut Untersuchungen des Berliner Landgerichts in insgesamt 25 Klauseln rechtswidrig.

Weitere Klauseln betreffen die Nutzungsbestimmungen. Aus Sicht der Verbraucherschützer schränken sie die Rechte der Nutzer unzulässig ein. Vzbv-Juristin Bianca Skutnik glaubt, Google könne ausgehend von den Bestimmungen sogar direkten Zugriff auf Geräte der Nutzer erhalten und so etwa Google-Apps von einem Smartphone löschen. Die größte Kritik der Verbraucherschützer: Es gebe keine rechtskonforme Einwilligung der Nutzer, wenn diese bei der Registrierung lediglich folgende Erklärung abnicken: "Ich stimme den Nutzungsbedingungen von Google zu und habe die Datenschutzerklärung gelesen."

Google sieht das anders und will in Berufung gehen. "Wir sind davon überzeugt, dass unsere Nutzungsbedingungen und unsere Datenschutzerklärung im Einklang mit den entsprechenden Gesetzen sind", teilte ein Sprecher von Google Deutschland nach dem Urteil mit. Zudem kritisiert der Konzern, dass die Verbrauchschützer nicht befugt seien, gegen die Datenschutzerklärung des Konzerns zu klagen, weil diese nicht Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) seien.

Sollte Google auch in weiteren Instanzen unterliegen und bei der jetzigen Praxis bleiben, droht ein Ordnungsgeld. Das dürfte im Vergleich zu Googles Umsatz - etwa 15 Milliarden US-Dollar im dritten Quartal - vermutlich gering ausfallen. Skutnik meint trotzdem: "Irgendwann wird es weh tun". Daniel Nagel, Anwalt für Datenschutzrecht in Stuttgart und Beobachter des Falls, glaubt, dass Google reagieren muss. Man wolle schließlich nicht als "böser Konzern" wahrgenommen werden: "Am Ende sind die Nutzer die Kunden von Google".

Drei Filme, drei Länder, ein Festival

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"Eine wollte unbedingt diese Buffalos mitnehmen"






Mia Spengler, 27, zeigt auf dem Festival der Filmhochschulen ihren Film "Nicht den Boden berühren". Sie studiert szenische Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Voraussichtlich 2014 macht sie ihr Diplom.

 jetzt.de: In wenigen Sätzen - worum geht es in deinem Film?
Mia: Es geht um ein 15-jähriges Mädchen namens Fila, die sehr verzweifelt versucht sich ihrer Umwelt anzupassen und beliebt zu sein. Sie ist bereit, sehr viel eigenes dafür aufzugeben und die Liebe zu opfern. Für uns ging es aber auch viel darum, das Fehlen von Frauenvorbildern bei Mädchen in diesem Alter zu thematisieren.

Der Film spielt in den 90er-Jahren. Warum?
Das hatte mehrere Facetten. Meine Autorin Stefanie Schmitz und ich haben das Buch zusammen geschrieben und als wir angefangen haben, zu dem Thema "Frauenvorbilder bei jungen Mädchen" zu recherchieren, haben wir natürlich erstmal in unserer eigenen Jugend geschaut. Jede Session endete dann aber damit, dass wir uns verschiedene Clips von damals auf Youtube gezeigt haben - LL Cool J und solche Musik. Darüber kamen Erinnerungen hoch, was man damals so an Musik hörte, wie man sich angezogen hat, sowas. Irgendwann meinte Stefanie dann "Warum spielt das eigentlich nicht in den 90ern?". Dann haben wir angefangen, uns mehr mit der Zeit zu beschäftigen, und haben dabei die These entwickelt, dass jung sein in den 90ern eine Besonderheit hatte, weil es ja die letzte Generation war, bevor das Internet kam.

Was bedeutete das für diese Generation?
In dieser Zeit wurde die Zielgruppe von elf bis 18 unglaublich zugeballert mit Informationen, Modevorgaben und so weiter. Formate wie die Bravo, aber auch die ganzen Privatsender haben das sehr fokussiert. Die 90er waren die Zeit der Kommerzialisierung und der Suchtkultur und das wurde dann auch ständig von den Massenmedien aufgegriffen. Das fanden wir spannend im Bezug auf unser Thema. Es gibt bei Jugendlichen so eine Art Werte-Vakuum und die Gesellschaft schaffte es dann auch nicht, die Verbindung zu den jungen Menschen zu halten. Deshalb kommt in unserem Film auch keine Eltern-Generation vor, das war ein ganz bewusstes Mittel.

Ist der Film auch autobiographisch? Du bist ja selber in den 90ern aufgewachsen.
Nein. Natürlich sind viele Situationen aus dem Leben gegriffen und so anders waren die Kreise, in denen ich in dem Alter rumgehangen habe, auch nicht. Aber es ist keine Autobiographie.
http://www.youtube.com/watch?v=4K3tAJT3vQA
 Wie haben die Darstellerinnen, die ja beim Dreh alle erst 16 waren und die 90er somit nicht wirklich kennen, auf eure fiese Klamottenauswahl reagiert?
Das war ziemlich lustig. Wir hatten ein Fitting zwei Tage vor Drehbeginn und die Kids haben so abgekotzt über die Klamotten. Die fanden das alles so hässlich, auch die Frisuren. Und dann meinten die "Wie könnt ihr uns denn so vor die Kamera stellen?". Irgendwann kamen sie dann aber mehr rein und wir hatten für das Zimmer von Fila, also der Hauptdarstellerin, Jugendfotos von uns mitgebracht. Als sie diese Fotos dann gesehen haben und wussten, dass wir ernsthaft so rumgelaufen sind, hat das der Situation dann was Lockeres gegeben. Am Ende waren dann alle total geflasht. Eine wollte unbedingt diese Buffalos mitnehmen und Emma, die Hauptdarstellerin, hat ihre Tattoo-Kette auch mitgenommen. Als ich sie dann vor drei Monaten sah, hat sie die immer noch getragen. Dieser ganze 90er-Kram kommt jetzt ja auch wieder in Mode. Beim Dreh war es noch gerade so uncool und danach haben uns schon Schauspieler angerufen, ob sie was aus unserem Fundus benutzen dürfen.

Wie haben junge Leute auf euren Film reagiert?
Wir haben gemerkt, dass die Probleme, die wir in dem Film darstellen, universell sind. Wir sind mit dem Drehbuch zur Recherche auch in Gymnasien und Realschulen bei Klassen in der Altersgruppe gewesen und das war ganz schön, was da für Feedback kam. Ein 15-jähriges Mädchen meinte zum Beispiel: "Ja, das ist so, wie man immer ist aber eigentlich nicht sein will." Die konnten damit schon was anfangen. Der Film kommt bei jüngeren Menschen von zwölf bis 18 gut an. Und die um die 30 verstehen natürlich auch jede Pointe, weil sie sich so zurückversetzt fühlen. Schwierig wird es bei Menschen über 50 Jahren. Aber was noch sehr lustig ist: Viele Frauen, die nach dem Film auf uns zukommen, erzählen, dass sie den gleichen Pimkie-Rock wie die Hauptdarstellerin damals hatten. Das ist so eklatant.

Ich hatte nur so eine Tattoo-Kette wie die Hauptdarstellerin.
Ja, die hat man auch nie ausgezogen. Es gab da auch noch Ringe und Armbänder von. Die gab's immer auf der Bravo Girl und sowas. Da ging man dann zur Tankstelle und hat die schnell alle abgerissen und in die Tasche gesteckt.

Du kommst aus München, bist aber in Hamburg aufgewachsen. Was wirst du während des Festivals hier machen?
Die polnischen Großeltern meines Freundes besuchen. Und das Glockenspiel am Marienplatz angucken. Das habe ich als Kind immer sehr geliebt.
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"Auch wenn das sehr klischeehaft für einen Franzosen ist - ich wollte vor allem eine Liebesgeschichte erzählen."





Romain Laguna, 27, studiert an der Pariser Filmhochschule La Fémis. Auf dem Festival zeigt er seinen Film "Run".

jetzt.de: Worum geht es in deinem Film "Run"?
Romain:
Der Film handelt von einem jungen Paar in einer Krise. In einer Welt, in der die Individualität und Selbstverwirklichung des Einzelnen immer wichtiger wird, ist es auch schwerer andere zu lieben. Abgesehen von den Personen im Film geht es aber auch generell um Jugendliche am Abgrund. Die Gesellschaft hat sie aufgegeben und sie suchen nach Adrenalinkicks. Der Hauptdarsteller in dem Film, Cédric, macht deshalb zum Beispiel illegale Autorennen. Auch wenn das ein sehr hartes Thema ist, wollte ich es trotzdem optimistisch zeigen. Das Ende ist zwar offen, aber zumindest halten Cédric und seine Freundin Dounia zusammen. Das ist auch die einzige Möglichkeit, so etwas zu überstehen: Man muss zusammenhalten.

Wie kamst du auf die Idee zu diesem Film?
Ich glaube, ich bin romantisch. Auch wenn das sehr klischeehaft für einen Franzosen ist - ich wollte vor allem eine Liebesgeschichte erzählen.




Im Film gibt es eine Gewaltszene, in der die Hauptfigur Dounia ihren Freund mit einem Baseballschläger verprügelt. War es schwer, diese Szene zu drehen?
Das Schwerste war nicht, das zu drehen, denn das Drehbuch ist im Endeffekt ziemlich einfach. Aber es zu schaffen, dass sie ihre Überforderung in der Situation herüberbringt, das war schwer. Ich habe keine besondere Methode im Umgang mit den Schauspielern, ich versuche einfach immer in Hörweite zu sein. Sie aufzumuntern, wenn sie das brauchen, auch sie aufzurütteln. Aber für diese Szene habe ich bewusst die Schauspielerin ganz auf sich gestellt. Sie kam zu mir, um mich zu fragen: "Und jetzt?" und ich habe ihr nicht geantwortet. Ich wollte, dass sie sich wirklich verloren fühlt. Am Ende der Drehnacht war sie sehr erledigt, physisch und psychisch. Aber ich glaube, es hat funktioniert.

Du hast an der Filmhochschule Fémis in Paris studiert. Was hast du genau studiert und was möchtest du später machen?
Ich habe vier Jahre lang Produktion studiert. Ich war sehr zufrieden, dass ich es an diese Schule geschafft habe, aber noch zufriedene war ich, als ich damit fertig war. In der näheren Zukunft werde ich mich der Regie widmen, aber früher oder später möchte ich gleichzeitig Filme von anderen produzieren. Ich denke, es ist wichtig, dass man mehrere Sachen gleichzeitig machen kann.
 
Wie ist die Situation für Filmemacher in Frankreich?
Ich habe Glück, dass ich in einem Land lebe, in dem die Filmindustrie sehr aktiv ist. Frankreich produziert jedes Jahr mehr als 200 Spielfilme. Was ich dagegen bedauere, ist das Zweiklassenkino. Um es kurz zu machen, weil man über das Phänomen sehr lange sprechen könnte, es gibt einerseits Filme fürs große Publikum, meistens ziemlich schlechte Komödien, und andererseits Autorenfilme, die aber nur wenig Zuschauer haben. Ich träume von einem Kino, das gleichzeitig beliebt und anspruchsvoll ist, von Autorenfilmen, die an ihr Publikum glauben. Davon, glaube ich, ist noch mehr zu erwarten als vom amerikanischen Kino.
 
Was wirst du in München alles unternehmen?
Ich komme nicht von weit, trotzdem ist es mein erstes Mal in Deutschland. Noch lieber als München entdecken würde ich gerne Franck Ribéry treffen. Es scheint, als wäre er hier ein großer Spieler.


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  "Erotisch vor einem Auto tanzen ist in jedem Alter unangenehm"





Muriel d'Ansembourg, 40, hat gerade an der Londoner Filmhochschule LFS Ihren Masterabschluss gemacht. Die gebürtige Holländerin zeigt auf dem Festival ihren Abschlussfilm "Good Night".

jetzt.de: Worum geht es in deinem Film?
Muriel:
Es geht um zwei 14-jährige Mädchen, die nachts in London ausgehen. Sie wollen älter wirken als sie eigentlich sind und endlich erwachsen sein. Dafür ziehen sie sich sehr provokativ an, was Mädels in London halt so machen, wenn sie ausgehen. Dabei imitieren sie sexuelle Darstellungen, die sie in den Medien gesehen haben. Sie denken, mit ihrer Sexualität zu spielen, sei erwachsen. Das geht aber alles zu schnell und sie geraten dadurch in schwierige Situationen mit älteren Männern, die die Mädchen für älter halten.

Wie kamst du auf die Idee für den Film?
Als ich von Amsterdam nach London zog, wohnte ich in einer Gegend mit viel Nachtleben. Wenn ich nachts heimlief, sah ich dann viele von diesen jungen Mädchen in Minirock und Highheels rumlaufen. Sie waren sehr betrunken, fielen hin. Und als ich sie sah, dachte ich schon: "Wow. Ich kenne die nicht einmal und mache mir trotzdem Sorgen, wie sie heimkommen. Ob es jemanden gibt, der sich um sie kümmert?". Danach dachte ich darüber nach, wie es war, ein Teenager zu sein und dass man damals so unsicher war, wie man ist und sein will. Deshalb hat man das damals oft überspielt und sich älter gemacht. Erwachsen gespielt. Ich dachte also darüber nach, was passiert, wenn Menschen einem das abkaufen. Die Mädchen heute sehen ja auch wirklich älter aus als sie sind. Das war so die Anfangsidee. Gleichzeitig wollte ich die Geschichte von einem jungen Mädchen und einem älteren Mann erzählen, die in eine doppeldeutige Situation geraten. Das Mädchen in dem Film ist ja auf Abenteuer aus, sie testet sich aus. Sie will wissen, wie dieser Typ darauf reagiert, und deshalb verschwimmen die Grenzen. Man kann nicht mehr sagen, was da noch gut und böse ist. Nach so einer Nacht denkt man als junges Mädchen dann oft: "Das war wirklich nicht sehr clever von mir letzte Nacht. Aber ich kann es nicht mehr ändern."

Wie haben die Leute auf dem Film reagiert?
Insbesondere Eltern kommen nach den Screenings oft auf mich zu und sagen "Ich bin so froh, dass die Mädchen in dem Film heil nach Hause kommen. Danke, dass du das ab einem gewissen Punkt gestoppt hast." Das war mir wichtig: Ältere Männer haben ja auch Verantwortung und müssen die Grenze zwischen sich und diesen jungen Mädchen ziehen. Das ist nicht immer leicht, aber in dem Film funktioniert es.

Und die jungen Leute?
Mir haben viele gesagt, dass sie sich in dem Film ernstgenommen fühle. Dass ich die beiden Mädchen nicht bevormunde oder sie werte. ich beschönige aber auch nichts. Ich habe sogar von einer Jugend-Jury in Norwegen einen Preis für den Film bekommen. Das hat mich natürlich besonders gefreut.
http://vimeo.com/37258224
In dem Film gibt es eine Szene, in der die Hauptdarstellerin sich einen wodkagetränkten Tampon in die Vagina schiebt. Wie war es, das zu drehen?
Das war sehr lustig. Man sieht in der Szene ja nur die Beine von dem Mädchen. Würde die Kamera noch höher gehen, würde man sehen, dass sie einen nassen Schwamm an ihre Oberschenkel presst. Den hat sie dann immer gedrückt und das Wasser lief raus. Dann mussten wir manchmal sagen "Stop, das ist jetzt schon ein Wasserfall, das ist unrealistisch". Ich hatte vorher mal davon gelesen, dass Menschen so etwas tun. Erst dachte ich "das ist ja verrückt". Dann sah ich Videos auf Youtube dazu und habe ein bisschen recherchiert. Das gab der Story nochmal eine Portion Unwohlsein, wenn man zuschaut. Weil man ja als Zuschauer weiß, dass sowas keine gute Idee ist.

In einer anderen Szene tanzen die beiden Mädchen erotisch im Scheinwerferlicht eines Autos. Eure Darstellerinnen waren beim Dreh beide 16 - war das komisch für sie?
Erotisch vor einem Auto tanzen ist in jedem Alter unangenehm. Aber genau das soll die Szene ja auch sein. Für die Mädels war es also eine ziemliche Herausforderung. Aber wir hatten glücklicherweise einen Choreographen, der ihnen geholfen und das mit ihnen eingeübt hat. Er hat ihnen dann auch gesagt, dass sie das nicht halbherzig machen dürfen - denn darum geht es ja, wenn man Schauspielerin ist: Man ist verletzlich. Mich bewegt das immer noch, wenn ich diese Szene sehe. Die Mädchen sind so verwundbar.

Du warst bereits bei einer Vorführung des Films in München dabei. Wie hat es den Leuten gefallen?
Die Reaktionen waren sehr positiv und die Leute sehr interessiert. Ich glaube, ich musste noch nie so viele Fragen zur Technik und der Ausleuchtung beantworten. Außerdem kamen die Leute danach wirklich nochmal auf mich zu, das war herzerwärmend. Prinzipiell habe ich auch durch die Gespräche mit anderen das Gefühl, die Leute hier sind was Filme angeht nicht so in Eile. Auch an den Filmhochschulen geht es nicht darum, bloß viel zu produzieren. Man kann sich Zeit nehmen. Das finde ich gut.
   

Das ist doch dieses Lied aus der einen Werbung...

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Wenn jemand auf Englisch anzählt, habe ich gleich Feists Stimme im Kopf. Denn eines ihrer Lieder heißt „1234“ und war 2007 der Song für die „Apple iPod Nano“-Werbung. Da sang sie dann immer „one, two, three, four“ und dieses absolut mitsingskompatible „Oh-ho-ho, you’re changing your heart / Oh-ho-ho, you know who you are“. Ich mochte das gern und habe mir danach zwei Alben von Feist gekauft.  

http://www.youtube.com/watch?v=8qP79rRzzh4 Feist in der Apple-Werbung. War halt ein Ohrwurm.

Musikern wird es oft negativ ausgelegt, wenn ihre Songs in der Werbung laufen. Dass sie sich verkauften, heißt es dann, ihre Fans betrögen, keine ernsthaften Künstler mehr seien. Kürzlich ist auf Buzzfeed ein sehr ausführlicher Artikel zu diesem Thema erschienen. Er heißt„How Selling Out Saved Indie Rock“ und beschreibt, wie in Zeiten des illegalen Downloads die Einnahmen aus Werbe-Songs Musiker und Bands gerettet haben. Und dass diese Entwicklung gerade schon wieder rückläufig ist, weil zu viele verzweifelte Bands den Werbemarkt fluten und sich das Geld, das dort zu holen ist, teilen müssen. Wenn sie Glück haben, finden die Menschen, die vorm Fernseher sitzen, ihre Musik aber so toll, dass sie sie kaufen. Feist zum Beispiel wurde durch die Apple-Werbung schlagartig sehr viel bekannter und verkaufte viel mehr (zum Beispiel an mich). Wenn sie Pech haben, sind die Menschen eingefleischte Fans mit einem Idealbild vom unabhängigen Vollblut-Künstler und nehmen es ihnen übel, dass sie in der Werbung auftauchen.  



Zu Werbung tanzen!

Ich habe seit Feist eigentlich keine Musiker mehr durch Werbung entdeckt. Aber ein Kollege hat erzählt, dass er durch eine Vodafone-Werbung auf Harry Nilsson aufmerksam geworden ist. Und auch der Singer-Songwriter Tom Odell hat mit „Another Love“, dem Lied aus der Telekom-Werbung, viele Menschen bezaubert. Die Seite „What Song is in that Commercial?“ widmet sich ganz dem Aufspüren schöner Werbesongs, damit alle wissen, von wem sie stammen, und die Künstler so auch wirklich was davon haben (wobei man das heute auch einfach mit Songerkennungs-Apps wie „Shazam“ herausfinden kann).  

Hast du schon mal eine Band für dich entdeckt, weil ihr Song in der Werbung lief? Oder einem einzelnen Werbelied nachgespürt, weil du es dringend haben und auf Dauerschleife hören wolltest? Warst du vielleicht mal total enttäuscht von deinem Lieblingskünstler, weil er sich an einen großen Konzern „verkauft“ hat? Und wie stehst du generell dazu, wenn Musiker ihre Songs für eine Werbung hergeben?

Das bisschen Haushalt!

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NADINE

Nichts gegen Sebis Oma – sie ist sehr nett und stets besorgt um ihre Enkel. Zur Lektüre ihrer Judith Butler ist sie aber noch nicht gekommen. Vor vier Jahren prallten unsere Rollenbilder schon einmal aufeinander, als sie mir vorschlug, Sebis unordentliches Bett zu machen – während Sebi daneben stand.  

Am Tag unseres Umzugs war die Oma sehr hilfsbereit. „Braucht ihr das?“, fragte sie Sebi und schon hatten wir einen wunderschönen Schreibtisch aus echtem Holz. „Braucht ihr das?“ , fragte sie Sebi und schon hatten wir zwei wunderschöne Stühle, wieder aus echtem Holz. „Brauchst du das?“ fragte sie plötzlich mich. In der Hand hielt sie einen Eimer mit Putztüchern und einen Wischmopp.  

Leider war meine feministische Seele in diesem Moment so gekränkt, dass ich den Wischmopp nicht annahm und wir später im Baumarkt einen für 24,99 Euro kaufen mussten. Aber meine Horrorvorstellung war nun mal, dass Sebi in unserer neuen Wohnung ständig auf den schönen Holzstühlen am schönen Holztisch saß, während ich mit dem Wischmopp hantierte.  

Was meine Eltern betrifft, habe ich da einen kleinen Knacks weg. Auch wenn meine Mutter normalerweise den ganzen Haushalt gemacht hat, fand mein Vater immer genau die Momente, sich zu beteiligen, in denen er Publikum hatte. Während meine Mutter die ganze Woche Essen machte, lobten alle meinen Vater, wenn er am Sonntag in der Küche stand, um 926,3 Gramm Mehl für die Pizza abzuwiegen (denn er hatte das Rezept mit Taschenrechner für sieben Personen und einen übergewichtigen Hund umgerechnet). Alle bedankten sich bei meinem Vater, wenn er die ganze Autofahrt in den Urlaub am Steuer gesessen hatte; dass meine Mutter jeden Morgen Einkaufen ging, den Frühstückstisch deckte und die Strandsachen packte, hat niemand mitbekommen, denn da haben wir ja noch geschlafen.  



Mir war es deshalb von Anfang an ein Anliegen, dass Sebi und ich die Hausarbeit gerecht aufteilten. Bei der Aufgabenverteilung meldete Sebi sich fürs Bügeln. Ich meldete mich fürs Waschen. Denn 1. hatte ich Angst, dass Sebi die Wäsche nicht richtig sortierte, 2. dass er sie als muffigen Knäuel in der Waschmaschine vergaß und 3. ist es einfach ein gutes Gefühl, schmutzige Wäsche in die Maschine zu werfen und sie dann sauber wieder rauszuholen.  

Als ich noch alleine wohnte, hatte ich immer das Ziel, den Wäschekorb möglichst leer zu waschen. Das hält dann zwar immer nur für einen Tag, aber für diesen einen Tag ist alles sauber! In Kombination mit Sebi wurde daraus ein unmögliches Unterfangen. Von seinen großen Hosen passen gerade mal drei Stück in eine Wäschetrommel. Er lässt ständig Tempos in den Hosentaschen. Und scheinbar wechselt er drei Mal am Tag sein Outfit und schmeißt es dann einfach auf den Boden. „Na, macht ihr jetzt Wäsche?“ fragte Sebis Mutter, die zu Besuch war, als ich mit riesigen Wäschekörben an ihr vorbeimarschierte – denn sie hatte mitbekommen, dass wir ein emanzipierter Haushalt waren. Ich fühlte mich währenddessen selbst wie eine Mutter.  

Sebis Bügelberge wuchsen in der Zwischenzeit in ungeahnte Höhen. Als sie bedrohlich zu wanken begannen, bekam ich langsam Mitleid. Der arme Sebi. Er hatte wirklich viel zu tun. Wie sollte er diese ganze Wäsche bügeln? Und war es nicht unfair von mir, dass ich meine Wäsche bisher nie gebügelt hatte und jetzt auf einmal alles knitterfrei haben wollte? Reumütig zog ich meine Kleidungsstücke aus dem Bügelberg wie Steine aus dem Jenga-Turm, und legte sie ungebügelt in den Schrank.  

Endlich hatte ich wieder ein ruhiges Gewissen. Bis zu dem Moment, als ich diese Nivea-Deo-Werbung im Fernsehen sah. Der Mann lässt sich nach einem Arbeitstag fix und fertig aufs Sofa fallen, die Frau stöckelt mit Kind, Einkauf und Handy am Ohr selbstbewusst in die Wohnung und hat mal wieder alles im Griff. Mir wurde bewusst, dass das alte Rollenklischee, das Sebis Oma noch im Kopf hat, in unserer Generation gar nicht mehr das Problem ist.  

Wenn ich Sebi nachgehe, um hinter ihm Lampen auszuschalten, Badezimmer-Fenster zu öffnen und Kleiderberge aufzusammeln, bin ich nicht die Frau, die den ganzen Haushalt allein machen muss, sondern die Frau, die dem Mann den Haushalt nicht zutraut – weil wir Frauen inzwischen anscheinend alles besser können und Männer für uns Typen mit Strubbelhaaren sind, die ihre Tempos in der Hosentasche vergessen. Aber nur weil Sebi verstrubbelte Haare hat, heißt das nicht, dass er sein Leben, seinen Beruf und seine normalen Haushalts-Pflichten nicht auf die Reihe kriegt. Er kann ja auch Möbel zusammenbauen, Reifen wechseln und gräbt mit Harke und Spaten unseren Garten um, während ich die erschrockenen Regenwürmer vorsichtig wieder mit Erde bedecke.  

Noch am selben Abend holte ich alle meine zusammengelegten und plattgedrückten Klamotten wieder aus dem Schrank und warf sie auf den Bügel-Berg zurück. Mein neues knitterfreies Ich konnte kommen!

Auf der nächsten Seite: Sebastians Kampagnen gegen den Schmutz.

[seitenumbruch]SEBASTIAN

"Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!" Mit diesem Motto bin ich aufgewachsen. Ich beobachtete aufmerksam die emsige Art meines Vaters, jeden Tag eine halbe Stunde seine Sachen zu ordnen und als Ergebnis immer alles ordentlich zu haben.  

Irgendwann habe ich dann nicht mehr meinen Papa beobachtet, sondern Nadine. Denn sie und mein Papa, die sind gleich in dieser Eigenschaft. Jeden Tag ein bisschen, so dass am Ende alles gemacht ist.  

In der Arbeit kennt man sie als diese Leute, denen ihre Aufgaben nie über den Kopf wachsen und die abends das Büro mit einem süffisantem "Ich lasse das Licht mal an..." verlassen, während man selbst noch die richtigen Zettel aus hinter den Tisch gefallenen Stapeln suchen muss, um die dringend zu erledigenden Aufgaben in der Nacht fertig zu stellen.  

Und so eben auch im Haushalt. Nadine hat schon gespült, da ist mir kaum aufgegangen, wie dreckiges Geschirr überhaupt entsteht. Im Wäschekeller treffe ich Nadine dann mit kleinen, handlichen Körben und einem abfälligen Blick auf meine Turnübungen, mit deren Hilfe ich versuche, noch ein letztes Badetuch in die ohnehin schon überfüllte Maschine zu stopfen.  

Ja, ich bin deswegen manchmal neidisch auf Nadine, auch wenn ich das niemals zugeben würden. Hinter meinem Image des in-den-Tag-lebenden Exoten lauert ohnehin die meiste Zeit ein vom Alltag ziemlich überforderter Hänfling, der seinen Neid in Worte wie "spießig", "steif" und "angepasst" kleidet.  

Aber manchmal, ganz selten, gerät auch bei mir etwas in Bewegung und wenn, dann richtig!  

Ich grabe den ganzen Garten an einem einzigen Tag um, bis mir der Schweiß von der Stirn tropft. Ich putze die Fenster der Wohnung alle auf einmal. Im Staub unserer Bohrlöcher balancieren ich auf wackeligen Stühlen, um gefährlich anmutende Lampen zu verkabeln. Und die für jede Tätigkeit speziell abgestimmte Funktionskleidung trage ich mit Stolz, obwohl Nadine mich jedes Mal dafür auslacht! Meist hat sie ihre Aufgaben schon längst erledigt, während ich noch die passenden Handschuhe suche, aber wenn ich sie dann gefunden habe, ist die Freude umso größer, jetzt endlich mit der Putzerei loslegen zu können. Und vorher halte ich noch eine Rede, von der selbst Aragorn die Ohren schlackern würden. Ich putze nicht. Ich führe Kampagnen gegen den Schmutz!  

Und auch, wenn mir meine Mitbewohnerin Svenja in einem "Hängekurs" gezeigt hat, wie man optimal den Platz auf dem Wäscheständer nutzt, und mein Vater mich beständig daran erinnert, die GEZ doch per Dauerauftrag statt per dritter Mahnung zu zahlen, und Nadine mir eintrichtert, doch direkt nach dem Essen zu spülen, anstatt am Ende der Woche - ich kann mich nicht ändern.  

Und jetzt wartet dort drüben noch ein bedrohlicher Berg mit Bügelwäsche auf mich und mein Wort bindet mich an diese Aufgabe. Auch wenn dieser Berg uns erscheinen mag, als habe er kein Ende, auch wenn seine Falten mich verhöhnen und das Bügeieisen kalt und fahl in meinen Händen liegt; ich sage euch! Ich heize die Spulen, ich sprühe den Dampf. Bis in alle Ewigkeiten wird man davon berichten, dass sich hier und heute entschieden hat, ob diese Wohnung uns gehört, oder den Knitterfalten!

sebastian-hilger

Wie das Internet ... eine Dose öffnet

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Das Problem:

Auf den ersten Blick gibt es gar keines. Du hast alles eingepackt, um mit ein paar Freunden ein nettes Camping-Wochenende zu verbringen. Jetzt sitzt ihr vor dem Zelt und spielt Schafkopf. Gelegentlich reichst du einem Freund eine Bierdose aus der Kühlbox. Du ziehst an deiner Kippe und lässt es dir einfach richtig gut gehen. Aber auf einmal kommt der Hunger. Natürlich habt ihr jede Menge Dosen-Ravioli dabei. Leider fällt euch aber erst jetzt auf, dass ihr etwas sehr Wichtiges vergessen habt: den Dosenöffner.  

Die Lösung:
Erstmal nachsehen, ob vielleicht ein Messer da ist, das man zum Öffnen benutzen kann. Nein? Auch nicht schlimm. Drehe einfach die Dose um, so dass der Boden nach oben zeigt und suche dir eine asphaltierte Straße. Jetzt musst du etwa 30 Sekunden lang ganz schnell mit der Dose über den Asphalt rubbeln. Dadurch schleifst du die Versiegelung ab, die Deckel und Mantelfläche zusammenhält. Wenn die Versiegelung komplett abgetragen ist, siehst du die Naht zwischen den beiden Metallteilen und bist fertig. Drücke die Dose jetzt seitlich mit der Hand zusammen und schon hebelt es den Deckel weg. Guten Appetit!

http://www.youtube.com/watch?v=oH2NahLjx-Y
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