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Was schaust du so, Vladimir Burlakov?

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Vergangene Woche spielte er einen Soldat im Kunduz-Drama "Eine mörderische Entscheidung", zuvor "Marco W. - 247 Tage im türkischen Gefängnis". Aber was schaut Vladimir Burlakov selbst im Fernsehen? Die neue Folge der TV-Kolumne.

jetzt.de: Erinnerst du dich daran, was zu zuallererst im Fernsehen gesehen hast?
Vladimir Burlakov: Das war noch in Russland. Ich war fünf oder sechs und habe einen Disney-Film gesehen: „Die Schöne und das Biest“.  

Welches Verhältnis hattest du in deiner Kindheit und Jugend zum Fernsehen?

In der Pubertät habe ich relativ viel ferngesehen.  

Hattest du TV-Vorbilder?

Mich haben Figuren fasziniert, die irgendwelche übersinnlichen Kräfte haben. Die fliegen können oder schießen. Als ich zwölf war, fand ich zum Beispiel „Dragon Ball Z“ ganz cool. Die Sendung war einer der Gründe, warum ich damals angefangen habe, Sport zu machen. Bei „Dragon Ball Z“ waren alle so stark, das wollte ich auch sein.  

Welchen Sport hast du dann gemacht?

Erstmal habe ich angefangen, zu Hause zu trainieren, Liegestütze und Klimmzüge und so. Und bald folgte der Eintritt ins Fitnessstudio.  



Vladimir, 26, in dem TV-Film "Eine Mörderische Entscheidung".


Was hast du als Jugendlicher sonst noch geguckt?

Fast alles! Serien, Spielfilme - alles Mögliche.  

Warst du ein bisschen fernsehsüchtig?

Ich glaube schon, dass es so etwas wie eine Fernsehsucht gibt. Dass man es irgendwann braucht, latent bestrahlt zu werden. Bei mir war Fernsehen aber vor allem ein Mittel gegen Langeweile. Ich habe damit Zeit überbrückt.  

Und wann hattest du deinen ersten eigenen Fernseher?
In meiner ersten eigenen Wohnung, mit 20. Vorher hatten wir einen für die ganze Familie.  

Jetzt sitzen wir gemeinsam vor dem Fernseher, es ist früher Abend, ich habe die Fernbedienung, zappe ein bisschen herum, und du sagst Stopp. Wir starten im ZDF: Es läuft „Leute heute“. Willst du das sehen?
Joah, wenn’s nicht länger als zehn Minuten wird.  

Dann weiter. Arte: eine Reportage über die Wahlkampfkampagne der CDU.

Würde ich mir auf jeden Fall gerne angucken!  

Bis du politisch interessiert?

Ja, ich mag auch diese ganzen Polit-Sendungen. Illner, Maischberger, Will - die gucke ich mir auch zwischendurch gerne an, in der Mediathek, zum Beispiel zum Frühstück oder im Bett. Wenn ich mal ein paar Tage zu faul war, die Zeitung zu lesen, komme ich dadurch ganz gut auf den neusten Stand.  

Danach landen wir beim NDR: „Das!“ Auf dem roten Sofa sitzt Collien Ulmen-Fernandes.
Wer?   Die Frau von Christian Ulmen.
Ach so, ja. Dann weiter, brauche ich nicht.  

Stattdessen ein bisschen Damentennis auf Eurosport?

Nee, muss ich mir auch nicht angucken.

ProSieben: Simpsons.

Von denen bin ich übersättigt. Mit 15,16,17 habe ich die wirklich bis zum Erbrechen geguckt, kenne fast alle Folgen auswendig, und neue Folgen finde ich jetzt nicht so interessant.  

Der 20-Uhr-Gong. Tagesschau?

Natürlich!  

Danach hast du die Auswahl zwischen: „Friendship“ mit Schweighöfer, einem Doku-Film über die Rockband Franz Ferdinand und „Wer wird Millionär?“.
Ich würde „Wer wird Millionär?“ gucken. Da kann ich wenigstens noch was lernen.  
Rätst du mit?
Ich versuch’s!  

Danach kommt Boxen: Marco Huck verteidigt seinen WM-Titel. Ist das was für dich?
Joah, Boxen gucke ich nicht immer, aber immer wieder gerne. Vor allem, wenn es um eine WM-Verteidigung geht.  

Fehlt dir etwas im deutschen Fernsehabendprogramm? Gibt es ein Format, das du dir noch wünschst?

In Amerika gibt es „Inside The Actors Studio“: Große Schauspieler wie Sean Penn oder Al Pacino erzählen in einem Hörsaal Schauspiel- und Regiestudenten von ihrer Art, zu arbeiten. Die Studenten können natürlich auch Fragen stellen. Das finde ich total toll, weiß allerdings nicht, ob das in Deutschland auch funktionieren würde.  

Wieso nicht?

Na ja, in Amerika will ja jeder Zweite Model, Sänger oder Schauspieler werden und kann in einer Sendung wie dieser seine Idole bestaunen. Hier ist die Situation eine andere.  

Welchen deutschen Schauspieler würdest du denn gerne in diesem Format sehen?

Lars Eidinger!  

Würdest du dich auch selbst vor die Studenten setzen?
Es wäre zu früh und geradezu anmaßend, wenn ich den Leuten jetzt schon erzählen wollen würde, wie dieser Beruf funktioniert.

Nervensäge aus Passion

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Daniel Bangert geht jeden Samstag spazieren - zur Niederlassung der NSA bei Darmstadt

"Ich heiße Daniel Bangert, bin 28 Jahre alt, und gehe seit ein paar Wochen der NSA auf die Nerven. Ich wohne in Griesheim bei Darmstadt. Dort betreiben die US-Geheimdienste den sogenannten Dagger-Komplex. Nach den ersten Snowden-Enthüllungen habe ich mir überlegt, dass ich da gerne mal hingehen würde. Aber alleine ist das doof. Deswegen habe ich auf Facebook eingeladen: Lasst uns die Spione in ihrem natürlichen Lebensraum beobachten!



Daniel Baggert, Initiator von Anti-NSA-Spaziergängen in Darmstadt

Wenig später stand ein Streifenwagen vor meiner Tür. Ich habe erfahren, dass die Amerikaner meine Veranstaltung entdeckt und die deutschen Behörden gebeten haben, sich darum zu kümmern. Die Polizisten haben gefragt, ob das eine Demonstration ist. Ich habe gesagt, ich will nur spazieren gehen und Spione beobachten. Danach rief ein Mann vom Staatsschutz an und bat mich um ein Treffen. Ich sagte: Sie können zu mir kommen, aber bitte keine Wanzen mitbringen. Das fand der gar nicht lustig. Das sei alles kein Spaß. Die Beamten haben mir dann das Versammlungsrecht erklärt. Sie haben außerdem gefragt, welche politische Gesinnung ich habe.

Ich habe meinen Spaziergang dann widerwillig als Demo angemeldet. Etwa 80 Leute waren beim ersten Mal dabei. Die Amerikaner haben ihr Tor abgesperrt, sonst war nix los. Seither gibt es ein Ritual: Ich trinke jeden Samstag um 15 Uhr ein Bier auf unserem Marktplatz, danach gehe ich spazieren. Wer will, kann mich begleiten. Mal sind das zehn Leute, mal 450.

Viele kenne ich gar nicht persönlich. Es sind auch immer wieder andere. Ein junges Mädel aus Niedersachsen ist schon zwei Mal extra zum Spazierengehen zu uns gekommen. Wir laufen zum Dagger-Komplex, irgendwann kommt die Militärpolizei und sagt: Ihr dürft nicht fotografieren. Dann kommt die deutsche Polizei, die sagt der Militärpolizei, dass wir doch fotografieren dürfen.

Inzwischen sind wir als Spionschutzbund eine Gruppe von Leuten, die Veranstaltungen am Dagger-Komplex organisiert. Vor zwei Wochen haben wir gegrillt, zwei Bands haben gespielt. Dann haben wir einen Laternenumzug gemacht. Im Winter wollen wir Schneemänner bauen. Wir möchten aufrütteln: Es gibt leider immer noch so viele Leute, die absolut keine Ahnung haben, was für eine Bedeutung die Snowden-Enthüllungen für uns alle haben. Und unsere Politiker meinen, mit geschwärzten Dokumenten im Untersuchungsausschuss sei alles geklärt.

Vor Konsequenzen habe ich keine Angst. Ich habe ja nix verbrochen, ich gehe denen einfach nur auf die Nerven. Meine Mutter meinte: Dich kennt jetzt jeder, dich stellt keiner mehr ein. Meine Schwester hat ihr dann aber gesagt: Mach dir keine Sorgen. Wenn er keine Arbeit mehr findet, wird er halt Politiker. Da musste ich lachen, das wäre nichts für mich. Politisch sein muss man aber: Wir müssen viel mehr Leute werden, die den Amerikanern und ihren Spionen auf die Nerven gehen. Das ist ja nun leider das Einzige, was wir tun können."

Alles außer Tiernahrung

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Journalismus wird teilbar Buzzfeed-Gründer Jonah Peretti will seine Website zu einem der größten Angeboten im Netz machen - mit einer neuen Form des Nachrichtenjournalismus, den er konsequent digital umsetzt.


Vielleicht ist gerade ein guter Zeitpunkt, darüber nachzudenken, welcher Schauspieler die Rolle des Jonah Peretti übernehmen wird, wenn seiner Website Buzzfeed passiert, was mit Facebook in dem Film The Social Network geschah: die Hollywood-Verfilmung einer Erfolgsgeschichte aus dem Internet. Zach Braff würde sich optisch anbieten, um die Rolle des jungen Manns auszufüllen, der keinen Zweifel daran hat, dass Buzzfeed den Facebook-Effekt auf Nachrichtenmedien übertragen wird: Peretti sieht dem in Deutschland aus Scrubs bekannten Braff erstaunlich ähnlich - auch wenn er eher das Gegenteil des jungen Assistenzarztes ist, den Braff in der Comedy-Serie spielt.



Ein Beispiel für eine der zahllosen Listen auf der Buzzfeed-Seite

Der 39-jährige Peretti hat seinen beruflichen Erfolg darauf aufgebaut, folgendes zu erforschen: Wie müssen Viren beschaffen sein, damit Menschen sie möglichst leicht weitergeben? Die Rede ist von Trends und Nachrichten, die sich wie Viren im Internet verbreiten sollen; verbreitet nicht mehr nur von Sendern und Zeitungen, sondern von den vielen Millionen Menschen, die ihre Tage körperlich im Büro und virtuell auf Facebook verbringen. Peretti nennt diese Leserschaft das "bored at work network": junge, in der Arbeit gelangweilte Menschen, die viel Zeit im so genannten sozialen Web verbringen und auf klassischen Nachrichtenseiten meist nur noch dann, wenn Freunde sie durch Hinweise auf Texte dorthin schicken.

Wenn das bei einer Nachricht sehr oft passiert, spricht man in schlechter Übersetzung davon, dass dieser Inhalt "viral geht", dass er sich wie ein Schnupfen im Büro durch die virtuelle Welt verbreitet. Diese Verweiskultur von Facebook und Twitter ist der Gegenentwurf zur Suchkultur von Google: Das, was dich interessiert, wird dich auch finden.

Peretti, der zu den Gründern der Huffington Post zählte, hat Buzzfeed konsequent auf diese neue digitale Kultur ausgerichtet - und er scheint damit Erfolg zu haben. Das zumindest schrieb er dieser Tage in einer Art Pressemitteilung, die er, ganz zum Stil von Buzzfeed passend, als interne Mitarbeitermail auf dem Karrierenetzwerk LinkedIn öffentlich machte: "damit auch künftige Mitarbeiter sie lesen können". Darin berichtet er in einem für die Medienbranche ungewöhnlichen Optimismus von rasant steigender Reichweite für Buzzfeed und von schnell wachsenden Werbeerlösen. Vier Jahre nach ihrem Start sei die Seite erstmals profitabel. Deshalb wolle er Buzzfeed nun innerhalb eines Jahres zu einer der größten Seiten im Internet ausbauen, das heißt, das Angebot muss in jedem Fall größer werden als New York Times oder Guardian. Dafür werde Buzzfeed seine Strategie fortsetzen, die talentiertesten Reporter und Autoren aus der ganzen Welt einzustellen.

In Zeiten von Stellenabbau und Sparmaßnahmen klingt das für Journalisten spannend und beunruhigend zugleich. Denn für Peretti bedeutet digitaler Journalismus mehr als eine Facebookfanseite einzurichten. Er erwartet eine andere Art des Denkens: Bisher haben Journalisten ihre Zeit in die Herstellung von Inhalten investiert, im Zeitalter von Social Media sei das nur die eine Hälfte journalistischen Arbeitens. "Mindestens fünfzig Prozent der Arbeitszeit muss man heute darauf verwenden, diesen Inhalt auch über den richtigen Kanal an die Leser zu bringen." Wenn er davon auf Kongressen wie dem Mediengipfel des britischen Guardian im Frühjahr in London erzählt, lacht das Publikum. Peretti zeigt dann Meldungen, die auch in klassischen Medien stehen könnten, neben Bildern von süßen Tierbabys.

Diese Verbindung, die auf Buzzfeed alltäglich ist, lässt die Zuhörer schmunzeln, sie halten das nicht für seriösen Journalismus. Für Peretti ist diese Kombination die unumstößliche Realität der sozialen Medien. Im Nachrichtenstrom von Facebook läuft dieser "emotionale Inhalt", wie Peretti die Tierfotos nennt, direkt neben dem "informierenden Inhalt", für den sich Journalisten bisher einzig zuständig sahen. "Es gibt Journalisten, die mir sagen, dafür haben sie keine Journalistenschule besucht, um sich mit Tierbildern zu befassen", erzählt er und sagt: "Das ist aber heute Journalismus." Es gibt auch bekannte Journalisten, die Perettis Meinung teilen.

Lisa Tozzi hatte dreizehn Jahre in wichtiger Position für die New York Times gearbeitet, bevor sie im Frühjahr zu Buzzfeed wechselte. Miriam Elder war Moskau-Korrespondentin beim Guardian, sie arbeitet jetzt daran, ein Netz an Auslandkorrespondenten für Buzzfeed aufzubauen. Es sind gestandene Journalisten, die Peretti zu Buzzfeed holt. Er plant ein Investigativressort, widmet sich so genannten Longreads, langen Lesestücken, von denen es immer hieß, sie würden im Netz nicht gelesen.

Perettis Botschaft ist klar: Wir erleben gerade die nächste Stufe des so genannten sozialen Web. Wer die Menschen erreichen wolle, die mit Facebook und Twitter und vor allem Tumblr sozialisiert wurden, muss deren Kultur verstehen - und Geschichten auf ihre Art erzählen.

Die Außenpolitik-Expertin Miriam Elder legte die Grundlagen des Syrien-Konflikts in dieser Woche in 55 Bildern dar - und bewies damit: Diese Form der "Listicles" genannten Artikel-Listen kann man nicht nur für lustige Katzenbilder nutzen, sie können auch im Politikjournalismus Verwendung finden. Buzzfeed ist mit diesem Ansatz nicht allein. Der Buchautor Eli Pariser (Filter Bubble) verfolgt seit Kurzem mit dem Portal Upworthy einen vergleichbaren Plan: Er will relevante Inhalte für die Generation derjenigen aufbereiten, die sich nicht suchend, sondern durch Hinweise ihrer Freunde durchs Netz bewegen.

Upworthy wie Buzzfeed zeigen ein erstaunliches Wachstum - und dass dies auch ein erstaunliches Geschäftsmodell nach sich zieht, ist für Peretti logisch. Er meint, eine weltweite Nutzerschaft für diese neue Form des Journalismus erkannt zu haben und will diese nun bedienen - übrigens anders als bei der Huffington Post nicht durch weitere lokale Ableger. Einer deutschen Ausgabe von Buzzfeed, von der hierzulande mancher träumt, erteilte Peretti in der Mitarbeiter-Pressemitteilung eine Absage.

Die Grashüter

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Alles könnte so schön sein, im Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg. Wenn nur nicht die Drogendealer wären. Doch wie löst man das Problem? Mit einem Zaun? Mit einem Coffeeshop? Eine Ortsbegehung

Fast könnte man meinen, man stünde in einem normalen Park. Ein paar Jogger drehen an diesem Vormittag ihre Runden, auf einer Bank sitzen zwei junge Frauen und unterhalten sich, Mütter mit Kinderwagen ziehen vorbei, vor einem Café trinken Menschen ihren Frühstücks-Cappuccino. Auf einem Stück Wiese wachsen junge Obstbäume, an ihren Stämmen blühen Sonnenblumen, ein kleiner Hase hoppelt vorbei. "Man muss auch die schönen Seiten sehen!", sagt Andreas Teuchert, es klingt ein wenig trotzig. Denn auch wenn die Streuobstwiese gerade sehr friedlich wirkt - der Görlitzer Park ist kein normaler Park. Er ist ein "Problempark", so nennt ihn Hans-Christian Ströbele (Grüne), der in Kreuzberg seinen Wahlkreis hat. Der Park ist ein Problem, mit dem niemand so richtig umzugehen weiß und das die Toleranz vieler auf die Probe stellt.



Der Görlitzer Park ist Berlins Hauptumschlagplatz für Cannabis

Ein paar Meter von der Streuobstwiese entfernt wandelt sich die Blümchen-Idylle zur harten Realität. Junge Männer, etwa 20 sind es an diesem Vormittag, reihen sich auf entlang eines Weges, der von der Görlitzer bis zur Wiener Straße führt. Die meisten von ihnen kommen aus Westafrika, sie sind nach Europa gekommen, um hier ein sichereres oder besseres Leben zu suchen. Was viele von ihnen gefunden haben, ist ein Job als Drogendealer in einem Kreuzberger Park.

Geht man den Weg entlang, zwischen den Männern, dann grüßen, rufen, zischeln sie, machen auf ihre Ware aufmerksam. Auch wenn man das ignoriert, starr geradeaus oder auf den Boden schaut, rufen sie weiter. Die etwa hundert Meter lange Strecke wird zum Spießrutenlauf, auf den viele Anwohner keine Lust mehr haben. Sie meiden den Park, fühlen sich verdrängt. "Das ist ein Drecksloch, ich geh" da nicht mehr hin", sagt ein Mann, Mitte 30, der vor dem Café Nest in der angrenzenden Görlitzer Straße Rhabarberschorle trinkt. Eine Frau um die 60, die mit Einkaufstüten in der Hand an den Außenmauern des Parks entlanggeht, sagt, sie laufe da nicht einmal mehr durch, um den Weg abzukürzen: "Das ist mir zu gefährlich." Die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann sagte der Boulevard-Zeitung B.Z.: "Ich gehe seit den 80er-Jahren da nachts nicht mehr durch. Viel zu dunkel, auch andere fühlen sich hier nachts nicht wohl."

Die Beschwerden wurden lauter in den letzten Monaten, Anwohner sagen, die Dealer würden aufdringlicher, aggressiver. Die Polizei veranstaltete mehrere große Razzien. Nachbarn, Politiker, Cafébetreiber - sie alle wollen, dass sich etwas ändert im Görlitzer Park, dass er wieder zu einem Ort wird, an dem man sich gerne aufhält und Kinder spielen lassen kann. Doch eine richtige Lösung hat bisher keiner gefunden. Stattdessen ähneln die Diskussionen zuweilen einem Eiertanz, denn das Thema ist heikel: Wer etwas sagt gegen den Drogenhandel, seinem Ärger Luft macht, der gilt schnell als intoleranter, ordnungssüchtiger Spießer, als Yuppie, der Kreuzberg nicht verstanden habe - oder als Rassist, weil die Dealer zum überwiegenden Teil Afrikaner oder Araber sind.

Auch Andreas Teuchert, der Mann von der Streuobstwiese, musste sich solche Beschimpfungen schon anhören. "Absurder geht"s ja gar nicht", sagt er. Teuchert, ein sanft wirkender 42-Jähriger, kümmert sich gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Rahel Schweikert um den Park. Sie haben vor zwei Jahren ein Bürgerbeteiligungsprojekt gegründet und arbeiten im Auftrag des Fachbereichs Grünflächen des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg. Teuchert ist wichtig, dass sie "keine Initiative von wütenden Bürgern" seien, sondern versuchten, möglichst vielen unterschiedlichen Parknutzern gerecht zu werden. Das Projekt heißt "Unser Görli - einer für alle", auch den Zusatz erwähnt er ausdrücklich, "sonst wird uns wieder Vereinnahmung vorgeworfen". Vor Kurzem wurden die Scheiben des Nachbarschaftsladens, in dem er sein Büro hat, eingeworfen und "Nazis raus" und "Teuchert aufs Maul" an die Wände geschmiert. Auf ultralinken Internetseiten wird er als einer bezeichnet, der glaube, sich den Park mit seinem "höheren Einkommen und sozialem Status erkaufen" zu können. Momentan leben Teuchert, seine Freundin und ihre zwei Kinder von der halben Stelle, die das Projekt vom Bezirk finanziert bekommt, den Rest stocken sie mit ALG II auf. "Wir sind unverbesserliche Idealisten", findet er. "Auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als würde man einen riesigen Berg an Aufgaben mit dem Teelöffel abtragen."

Andreas Teuchert setzt auf den Erfolg kleiner Schritte und auf Aktionen, die angesichts der existierenden Probleme teils rührend-naiv wirken. Der "Trashmob" etwa, bei dem dazu aufgerufen wird, die überall im Park herumliegenden Kronkorken einzusammeln und daraus bunte Mosaike zu basteln. Eine "Barfußwiese" möchte das Projekt umsetzen und eine Komposttoilette, ein kleiner Garten wurde angelegt, in dem ein paar Kräuter und Tomaten wachsen. "Das kann man naiv oder gutmenschlich finden, aber es ist ein Versuch - wie alles im Görli", sagt Teuchert. In einem kleinen weißen Container lagert das Projekt seine Gartengeräte, er ist mit bunten Symbolen bemalt, die für Toleranz und friedliches Miteinander stehen sollen. Erfreut stellt Teuchert fest, dass der Container bisher nicht attackiert wurde, naja, an eine Seite hat jemand klein "Geht sterben" geschmiert, aber das dürfe man nicht persönlich nehmen, findet Teuchert. Ob Obstbäume, Blumen und weniger Müll schon helfen, den Park wieder zu einem Ort für alle zu machen?

Andere setzen auf radikalere Lösungsideen. Innensenator Frank Henkel (CDU) verspricht einen "hohen polizeilichen Aufwand", der CDU-Bezirksverordnete Timur Husein fordert, den Park zu umzäunen und nachts abzuschließen. Teuchert schüttelt bei dieser Idee den Kopf: "Sollen dann abends die Wiesen von einer Hundertschaft Polizisten leergeräumt werden? Das geht an dem, was Kreuzberg ist und ausmacht, vollkommen vorbei." Tatsächlich ist der Park bei schönem Wetter brechend voll. Es wird gegrillt, Bongo gespielt; türkischstämmige Familien picknicken, auch viele Party-Touristen dösen hier nach Clubnächten in der Sonne. Es gibt viele Plätze auf dem 14 Hektar großen Gelände, an denen keine Drogen verkauft werden.

Und auch nicht jeder stört sich an den Dealern, im Gegenteil: "Dass die dort stehen, hängt ja auch davon ab, dass es dort eine Nachfrage gibt", sagt der Berliner Polizeisprecher Martin Dams. Ein Aspekt, der bei der hitzigen Diskussion oft vergessen wird: Würden Berliner, Anwohner, Touristen nicht hier ihre Drogen kaufen, würden hier langfristig auch keine mehr angeboten werden. 60 bis 100 Dealer vermutet die Polizei im Park. 59 Einsätze zählten die Beamten dort im ersten Halbjahr 2013, 428 Personen wurden überprüft, 170 Platzverweise ausgesprochen, 79 Menschen wurden verhaftet, 93 angezeigt, 48 verstießen gegen das Aufenthaltsgesetz. Fast immer finden die Polizisten Marihuana, andere härtere Drogen spielen kaum eine Rolle. Meist können die Polizisten den Verkäufern nicht viel nachweisen, die Vorräte werden im Gebüsch gebunkert und nicht am Körper getragen, außerdem gibt es Wachposten, die rechtzeitig vor Polizeikontrollen warnen. Und die Drahtzieher, die Großhändler im Hintergrund, die wird man sowieso nicht im Park erwischen.

Die Grünen würden am liebsten einen Coffeeshop im Park aufmachen, in dem legal Marihuana verkauft wird. Der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele ist von dem Vorschlag ganz "begeistert", den seine Parteikollegin, Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, da auf den Tisch gebracht hat. Ströbele ist zum Gespräch in den Park gekommen, wie immer auf dem Fahrrad. Es ist Wahlkampf, da kommen ihm solche öffentlichkeitswirksamen Themen wie legaler Cannabisverkauf natürlich gerade recht. Die Chancen, das umzusetzen, also für Berlin eine Ausnahme von den bundesweit geltenden Betäubungsmittelgesetzen zu erreichen, stehen nicht gut, das weiß auch Ströbele. Aber er findet, man könne trotzdem bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen, um den Vorschlag zu diskutieren. "Berlin hätte dann eine Attraktion mehr." Dann kommt ein junger Mann auf ihn zu, er spricht, wie manche junge Männer in Kreuzberg gern sprechen: "Isch hab" Sie da auf der einen Demo gesehen, das fand" isch voll gut, dass Sie da waren. Sie sind voll der gute Politiker, wie heißen Sie noch mal?" Ströbele nennt seinen Namen. "Und welche Partei eigentlich?" Grüne, sagt Ströbele, woraufhin der junge Mann ein bisschen enttäuscht sagt: "Ah, schade, isch bin SPD."

Dem Görlitzer Park würde eine Legalisierung von Cannabis wohl auch nicht entscheidend weiterhelfen. "Das löst nicht das Problem der Leute, die hier verkaufen", weiß Ströbele. Um das zumindest ansatzweise zu lösen, müsste man die Asylgesetze ändern. Denn viele der Dealer sind Flüchtlinge, nicht wenige sind illegal in Berlin, haben entweder gar keine Aufenthaltsgenehmigung oder eine für einen anderen Ort. Legal arbeiten dürfen sie nicht, für viele ist der Drogenhandel der einfachste Weg, um an Geld zu kommen.

Dass nichtsdestotrotz andere Wege existieren, das soll den Verkäufern im Park nun auch Katharina Oguntoye vermitteln. Die 54-jährige Deutsche hat einen nigerianischen Vater und die ersten Jahre ihrer Kindheit in dessen Heimatland gelebt. Seit 16 Jahren betreibt sie in der Görlitzer Straße den interkulturellen Verein Joliba und hilft in Berlin lebenden afrikanischen Familien. Joliba hat einen Flyer entworfen, der an die Dealer verteilt werden soll. In vier Sprachen wird darauf erklärt, dass die Männer bitte keine Jugendlichen ansprechen sollen und keine zu großen Gruppen an den Parkeingängen bilden und sich freundlich und respektvoll verhalten sollen. Auf der Rückseite weist Joliba auf sein Angebot hin: Beratung, Deutschkurse, Computerbenutzung, Nähmöglichkeiten.

"Viele afrikanische Männer nähen gerne", sagt Oguntoye. Sie ist in den letzten Tagen gemeinsam mit einem ghanaischen Sozialarbeiter durch den Park gegangen. "60 Leute haben wir angesprochen - fast alle haben positiv darauf reagiert, dass sich überhaupt jemand für sie interessiert. Fast alle haben gesagt, dass sie gern Deutsch lernen wollen, die meisten würden gerne arbeiten." Mehrere kamen danach in die Vereinswohnung zum Gespräch. Eine ähnliche Erfahrung hat auch Andreas Teuchert beim Anlegen des kleinen Gartenstücks im Park gemacht. Drei von den am Parkeingang stehenden Männern hätten beim Buddeln mitgeholfen und würden nun regelmäßig gießen.

Selbst wenn das Dealen - durch welche Maßnahmen auch immer - weniger oder ganz aufhören würde, ruppig und struppig wird der Görlitzer Park wohl immer bleiben. Teuchert findet: "Es ist auch eine Qualität dieses Ortes, dass hier gesellschaftliche Widersprüche sichtbar sind." Eine Haltung, die diejenigen Anwohner, die den Park gern als Erholungsgebiet und nicht als Beobachtungsfeld für soziale Missstände nutzen möchten, wahrscheinlich nicht teilen werden.

Riesiger Datendiebstahl bei Vodafone

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Ein externer Mitarbeiter kopiert die Bankverbindungen von zwei Millionen Kunden in Deutschland. Nun raten Verbraucherschützer den Betroffenen, ihre Lastschriften genau zu kontrollieren


Der Mobilfunkkonzern Vodafone Ziel einer der bisher wohl größten Datenattacken geworden. Vertrauliche Kontoangaben von zwei Millionen Kunden in Deutschland seien gestohlen worden, teilte das Unternehmen mit. Dazu gehörten Namen mitsamt Adressen, Geburtsdaten, Bankleitzahlen und Kontonummern. "Dieser Angriff war nur mit hoher krimineller Energie sowie Insiderwissen möglich und fand tief versteckt in der IT-Infrastruktur des Unternehmens statt", heißt es in einer Mitteilung des Konzerns.



Vodafone Kunden in Sorge um ihre Daten

Entdeckt worden sei der Angriff bereits Anfang September, aber erst jetzt wurde die Attacke öffentlich gemacht, um die laufenden Ermittlungen nicht zu gefährden. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat bereits einen Tatverdächtigen. Beamte hätten ein Haus durchsucht, erklärte Oberstaatsanwalt Ralf Möllmann. Angeblich handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen System-Administrator eines externen Dienstleisters und nicht um einen Vodafone-Mitarbeiter. Dieser habe Zugang zu den Daten gehabt und diese kopiert. Der Fall beschäftigt auch das Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen - das dort eingerichtete Kompetenzzentrum Cybercrime habe die Federführung der polizeilichen Untersuchungen übernommen,

Es könnte sich um einen der größten Fälle von Datendiebstahl handeln, sagen Experten. Das Bundesverbraucherministerium in Berlin sprach von einem "schwerwiegenden Fall" und forderte eine "schnelle und lückenlose Aufklärung". Vodafone hat in Deutschland insgesamt mehr als 32 Millionen Mobilfunkkunden und ist damit neben der Deutschen Telekom der größte Anbieter. Die Betroffenen sollen nun schriftlich informiert werden. Vodafone bedauerte den Vorfall, betonte aber, es sei bisher kein Schaden entsanden.

Sicher ist nach Angaben des Unternehmens, dass der oder die Täter keinen Zugang zu Kreditkartendaten, Mobiltelefonnummern und -daten oder Passwörter hatten. Mit den gestohlenen Daten könne auch nicht direkt auf Bankkonten der Kunden zugegriffen werden. Wohl könnte damit aber eine sogenannte Lastschrift durchgeführt und damit Geld von Bankkonten abgebucht werden. "Die betroffenen Kunden sollten ihre Bankkonten im Auge behalten", rät Markus Feck, Finanzjurist bei der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen. Unberechtigte Lastschriften könnten acht Wochen lang rückgängig gemacht werden, meist reiche dazu ein Anruf bei der Bank. Auch sollten Verbraucher keine vertraulichen Angaben - wie etwa Pin- oder Tan-Nummern für Überweisungen - preisgeben und auch nicht auf möglicherweise gefälschte E-Mails antworten.

Vodafone versicherte, die Sicherheit von Daten habe oberste Priorität, es würden alle Schritte unternommen, die Systeme gegen kriminelle Attacken zu schützen. Die Angriffe nehmen aber offenbar zu. Vor zwei Jahren wurden beim japanischen Sony-Konzern 80 Millionen Nutzerdaten der Spieleplattform Playstation entwendet. Es war der bisher größte internationale Fall. Seit Wochen beherrscht zudem die Affäre um das Ausspähen von E-Mails und Telefonaten durch den US-Geheimdienst NSA die Schlagzeilen.

Syrer beschuldigt Griechenland

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Flüchtlingsfamilie stirbt in Waldbrand auf Samos


Ein syrischer Flüchtling macht die griechischen Behörden für den Tod seiner Frau und seiner zwei kleinen Kinder verantwortlich. Die griechische Menschenrechtsbewegung Diktyo, der sich Wasim Abunahi anvertraut hatte, machte den Fall am Mittwoch publik und sprach von einem "Staatsverbrechen". Abunahi beschuldigt die Behörden der unterlassenen Hilfeleistung, weil er wochenlang festgehalten worden sei, während seine Frau und die beiden Kinder einem Waldbrand auf der Ägäisinsel Samos zum Opfer fielen.



Wurde zur tödlichen Falle - ein Waldbrand auf Samos (Archivbild von 2010)

Die Familie war demnach von der türkischen Küste in See gestochen und am 21. Juli von einem Schmugglerboot auf Samos abgesetzt worden. Am selben Tag brach dort ein Großbrand aus. Ein offenbar von den Behörden entsandtes Rettungsschiff soll ihnen Hilfe verweigert und wieder kehrtgemacht haben, woraufhin der Vater Frau und Kinder zurückließ und sich zu Fuß auf die Suche nach einem Zufluchtsort machte. Nach Angaben von Diktyo gelangte Abunahi zu einem Haus und bat den Besitzer um Hilfe, doch dieser rief die Polizei. Der Syrer sei daraufhin festgenommen und tagelang an den Stuhl einer Polizeiwache gefesselt worden, bis er in ein Auffangzentrum für Immigranten kam.

Dort habe er einen Monat verbringen müssen, bevor er am 6. September wieder freigelassen wurde und sich auf die Suche nach seiner Familie machte. Er habe aber nur noch die verkohlten Leichname seiner Frau sowie des dreijährigen Sohnes und der neun Monate alten Tochter aufgefunden. "Habe ich meine Familie vor dem Flächenbrand in Syrien gerettet, um sie in Griechenland verbrennen zu sehen?", soll der aufgelöste Vater geklagt haben.

Nach Polizeiangaben wurde inzwischen eine Untersuchung des Falls eingeleitet und das Abschiebeverfahren gegen Abunahi ausgesetzt. Der Vorwurf der Brandstiftung gegen ihn sei fallen gelassen worden. Griechenland steht seit langem wegen seines Umgangs mit Flüchtlingen und Asylsuchenden in der Kritik, die Auffanglager des Mittelmeerstaats an der EU-Außengrenze sind hoffnungslos überfüllt. Die Regierung in Athen lässt illegal Eingewanderte festnehmen und abschieben, sofern sie nicht nachweisen können, dass ihr Leben in der Heimat akut bedroht ist.

USA und Russland suchen Weg für C-Waffen-Kontrolle

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Außenminister beraten in Genf über Vier-Punkte-Plan für Syrien. Assad stellt ein Abkommen mit UN in Aussicht


Nach dem einstweiligen Verzicht von US-Präsident Barack Obama auf einen Militärschlag gegen das Regime von Baschar al-Assad beraten Russland und die Vereinigten Staaten darüber, wie Syriens Chemiewaffen vernichtet werden können. Die Außenminister beider Staaten, John Kerry und Sergej Lawrow, reisten am Donnerstag nach Genf, um dort das weitere Vorgehen zu besprechen. Ersten Berichten zufolge soll die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) den Prozess überwachen. Russland und die USA könnten die Bergung und Zerstörung übernehmen. Einen entsprechenden Vorschlag habe Lawrow seinem US-Kollegen bereits am Dienstag zukommen lassen, berichtet die russische Tageszeitung Kommersant unter Berufung auf Diplomaten.



Russische Fabrik zur Vernichtung von Chemiewaffen

Demnach sieht der erste Entwurf ein Vorgehen in vier Schritten vor: Zunächst soll Syrien der internationalen Chemiewaffenkonvention beitreten. Die Unterzeichner verpflichten sich, keine chemischen Waffen zu entwickeln, herzustellen, zu besitzen oder weiterzugeben. Bisher wurde das Abkommen von 189 Staaten ratifiziert, Syrien gehört nicht dazu. Im zweiten Schritt soll Damaskus alle Lager- und Produktionsstätten für C-Waffen offenlegen. Drittens müssen Inspektoren der OPCW ins Land gelassen werden. Viertens schließlich soll gemeinsam mit den Inspektoren entschieden werden, wie das Gift am besten vernichtet werden kann.

Assad bestätigte am Donnerstag erstmals selbst, dass er das Chemiewaffenarsenal unter internationale Kontrolle stellen will. Sein Außenminister Walid al-Muallem hatte die Bereitschaft des Regimes in Damaskus dazu bereits in Aussicht gestellt. Syrien werde den Vereinten Nationen Dokumente zur Vorbereitung eines Chemiewaffenabkommens vorlegen, kündigte Assad in einem Interview mit dem staatlichen russischen TV-Sender Rossija-24 an. Dies alles geschehe wegen Moskaus Initiative und nicht aus Angst vor einem amerikanischen Militärschlag. "Die Drohungen der USA haben unsere Entscheidung nicht beeinflusst", behauptete Assad in dem Gespräch, aus dem die Agentur Interfax am Donnerstag zitierte.

Jenseits der technischen Probleme bei der Bergung und Zerstörung der syrischen Chemiewaffen müssen sich Kerry und Lawrow zunächst auf das weitere diplomatische Vorgehen einigen. Den Berichten zufolge hat sich Moskau folgenden Ablauf vorgestellt: Die Amerikaner stimmen dem Plan zu, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärt seine Unterstützung, worauf eine entsprechende Resolution in den Sicherheitsrat eingebracht wird. Sie soll nach Moskauer Vorstellung weder ein Ultimatum noch die Androhung von Gewalt gegenüber dem Assad-Regime enthalten. Die USA und Frankreich verlangen bei einem Verstoß harte Konsequenzen.

Russlands Präsident Wladimir Putin erneuerte vor dem Treffen von Kerry und Lawrow seine Vorwürfe an die USA. In einem Gastbeitrag für die New York Times warf er Obama Arroganz vor und forderte, die USA sollten aufhören, sich als Weltpolizist aufzuspielen.

Stinkefinger-Steinbrück: Darf der das?

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Der SPD-Kanzlerkandidat zeigt sich eine Woche vor der Wahl im SZ-Magazin in Fuck-You-Position. Ist das cooles, souveränes Verhalten? Oder ein No-Go für einen Spitzenpolitiker mit Ambitionen aufs Kanzleramt?

In letzter Zeit war in den Medien manchmal von zurückgezogenen Interviews die Rede. Philipp Rösler wollte nicht, dass die taz ein Gespräch über Rassismus veröffentlichte, weil es ihn auf seine Herkunft reduzierte und es fast nur um Rassismus ging. Casper wollte jetzt.de ein bereits geführtes Interview nicht freigeben, weil ihm ein Vergleich seiner Texte mit denen von Schlagerstar Roland Kaiser nicht gefiel.  

Peer Steinbrück hat sein „Sagen Sie jetzt nichts“-Interview mit dem SZ-Magazin nicht zurückgezogen. Nicht mal das eine Foto, über das jetzt ganz Deutschland sehr aufgeregt ist.  





Der SPD-Kanzlerkandidat ist darauf in einer Fuck-You-Position zu sehen, wie sie schöner in einem Lehrbuch für die überzeugende Anwendung des Stinkefingers nicht stehen könnte: Diese Bewegung im Arm! Man sieht, wie der Finger nach oben schnellt. Vorbildlich auch der unterstützende Griff in die Armbeuge, der halb geöffnete Mund, der verächtliche Blick. Vorbildlich.  

Nun will Peer Steinbrück aber kein Vorbild für korrektes Schimpfen sein. Nein, er will Bundeskanzler werden. Weshalb jetzt von vielen Seiten die Frage gerufen wird: Darf der das?  

Wenn Kinder den Stinkefinger zeigen, schimpfen ihre Eltern sie. Wenn Fußballer sich im Stadion dazu hinreißen lassen, müssen sie auf die Tribüne oder werden wie damals Stefan Effenberg gleich ganz aus der Nationalmannschaft geworfen. Und der Mann, der sich um eines der höchsten und wichtigsten Ämter dieses Staates bewirbt, soll sich unbeherrscht in Pöbelpose zeigen dürfen?  

Andererseits: Wenn man dieser Tage über Politikverdrossenheit und Vertrauen der Bürger in Politiker spricht, hört man immer wieder: Diese Politiker sind nicht volksnah. Sie sind abgehoben. Sie kennen das echte Leben nicht. Sie reden so, dass man sie nicht versteht. Steinbrücks Geste versteht jeder. Sie kommt aus dem echten Leben.   Und haben nicht zu Anfang seiner Kandidatur alle gejubelt, dass da jetzt endlich mal einer mit Ecken und Kanten ist? Einer, der nicht wie Merkel schwamming herumeiert, sondern auch mal klar sagt, was er denkt, und deutlich ausspricht, wenn ihm etwas nicht passt?  

Wie stehst du zu Steinbrücks Verhalten? Findest du es in Ordnung, dass er sich so zeigt? Bringt ihm das Punkte auf das Sympathiekonto? Ist so ein fotografisches Statement gar ein Grund, ihn zu wählen? Oder findest du, dass sich eine solche Geste für einen Kanzlerkandidaten nicht gehört? Dass er übertrieben hat und sich damit lächerlich macht?

Das Kreuz der Jugend

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Merkel bleibt und die Grünen feiern ein Comeback: Wenn Deutschlands Jugend abstimmen dürfte, gäbe es übernächsten Sonntag vermutlich eine schwarz-grüne Koalition. Bei den U-18-Wahlen an diesem Freitag zeigt sich, was die Wähler von morgen ankreuzen würden. Die ersten Prognosen sind verblüffend.

Die Union ist bei jungen Wählern überraschend beliebt - zumindest bei den sehr jungen Wählern: 36 Prozent der 14- bis 17-Jährigen würden laut einer Umfrage schwarz wählen. Natürlich dürfen sie das bei der Bundestagswahl noch gar nicht. Dafür aber an diesem Freitag, bei der U-18-Wahl, die das Kinderhilfswerk organisiert.

Erste Umfragen zeigen CDU und Grüne als stärkste Parteien - was insofern überrascht, als bei den Wahlen in den vergangenen Jahren immer die SPD vorne gelegen ist. Sind die Jugendlichen plötzlich konservativer geworden? Milena Feingold, Mitarbeiterin des Kinderhilfswerks in Berlin und zuständig für die U-18-Wahlen, vermutet, dass viele Jugendliche durch das allgemeine Medienecho beeinflusst wurden. Und das prophezeit im Moment schließlich einen Sieg der Union. "Viele denken sich wohl, tja, mit Merkel läuft's doch ganz gut", sagt Feingold, "warum sollte man da was ändern?" Das tatsächliche Ergebnis liegt aber erst an diesem Freitagabend gegen 22 Uhr vor. 

Für die bundesweiten U-18-Wahlen erwartet das Kinderhilfswerk 150.000 Jungs und Mädchen in 1500 "Wahllokalen". Die Wahlbeteiligung wächst von Jahr zu Jahr, was wohl auch daran liegt, dass die Wahl allen Interessierten offen steht - unabhängig von deren Nationalität und Alter. "Es liegt uns sehr am Herzen, dass jeder mitmachen darf. Niemand soll ausgeschlossen werden", sagt eine der Veranstalterinnen. Der jüngste Teilnehmer war sechs Jahre alt, aber im Schnitt sind die Wähler zwischen 13 und 17 - kommen also aus der Altersgruppe, die bei der nächsten Bundestagswahl in vier Jahren selbst wählen darf.



Wählen auf Probe: Jugendliche üben für ihren ersten richtigen Wahlgang.


Damit die Kinder und Jugendlichen wissen, wo sie ihr Kreuz am besten machen, müssen sie zunächst die Parteien kennen. Zu diesem Zweck sind alle Wahlprogramme der sieben Parteien, die bei der letzten U-18-Wahl die Fünfprozenthürde knackten, in Stichpunkten zusammengefasst, sogenannten Synopsen. "Politik zum Anfassen" wolle man bieten und dem Klischee jugendlicher Politikverdrossenheit entgegen wirken, sagen die Veranstalter. Sie beobachten bei Jugendlichen ein "reges Interesse an Politik" - vor allem an Umweltthemen, Tierschutz und Bildung.

Und dieses Interesse schlägt sich in reger Beteilgung nieder. Eine Umfrage bei den Jugendwahlen vor zwei Jahren ergab: Der Hauptgrund für die Teilnahme an den U-18-Wahlen ist es, "Einfluss auf die Politik zu nehmen". Ihre Entscheidung für oder gegen eine Partei begründete die Hälfte der Teilnehmer nicht etwa mit Sympathie oder Wahlwerbung, sondern mit Verweis auf das jeweilige Wahlprogramm. Dreiviertel der Jugendlichen gaben an, ihr politisches Interesse sei durch die Teilnahme deutlich gestiegen. Und ebenso viele Probewähler versicherten, sie würden wählen gehen, sobald sie gesetzlich die Möglichkeit dazu hätten. Bis dahin spiegeln die Jugendwahlen unverbindlich die Meinung der künftigen Wähler wieder und zeigen: Politikverdrossenheit ist nicht zwangsläufig ein junges Problem.

"Wir hatten anfangs schon wenig Hoffnung. Jetzt haben wir gar keine mehr."

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Mit dem neuen Semester müssen sich junge Ungarn verpflichten, nach dem Studium im Land zu arbeiten. Der anfangs noch sehr laute Protest gegen diese Regelung ist mittlerweile nahezu verstummt. Eine Gruppe junger Ungarn hat uns in Berlin erklärt, woran das liegt und die größten Probleme in ihrem Land geschildert.

Im März 2013 haben wir aus Budapest über die Situation ungarischer Studenten berichtet. Hintergrund war eine Verfassungsänderung, die junge Ungarn zwingt, nach dem Studium in ihrer Heimat zu arbeiten. Das Studium selbst ist dafür zwar kostenlos, aufgrund der anhaltend schlechten wirtschaftlichen Lage werden so allerdings zahlreiche arbeitslose Akademiker produziert. Wer kann, kauft sich deshalb aus der Regelung frei. Je nach Studium kostet das 300 bis 5000 Euro - pro Semester. Summen, die weit über dem monatlichen Durchschnittslohn der Ungarn liegen.
Im März war der Protest gegen diese Ungerechtigkeiten am Siedepunkt, ein Hörsaal der Uni wurde besetzt, Tausende gingen auf die Straße und demonstrierten.
Die Regierung um Viktor Orbán hat daraufhin den Bleibezwang etwas gelockert, anstatt der doppelten muss nun "nur" noch die einfache Studienzeit in Ungarn abgearbeitet werden.
In Berlin haben sich nun diese Woche junge Ungarn im Rahmen des EU-Projektes "p.art" mit deutschen Studierenden getroffen, um gemeinsam auf die schwierige Lage in Ungarn aufmerksam zu machen. Denn: Dass man aus Ungarn kaum noch etwas hört heißt nicht, dass die Lage besser geworden ist. Im Gegenteil.

Kata, 23, beginnt dieses Semester ihren Kunstgeschichte-Master in Budapest



"Ich gehöre zu der Studenten-Protestgruppe Hallgatói Hálózat (HaHa), bei der Hörsaal-Besetzung und den Demonstrationen im März war ich von Anfang an dabei. In der ersten Woche war das noch toll, wir gingen mit 3.000 Leuten auf die Straße und hatten das Gefühl, etwas bewegen zu können. Die Uni hat das akzeptiert, schließlich hatten sie wegen der massiven finanziellen Kürzungen selber Grund, sich zu sorgen. Aber mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass uns niemand von außen helfen wird. Viele an der Uni haben uns gehasst, weil wir den Betrieb blockiert haben. Die Gruppe selber hat sich an Metadiskussionen wie: "Sollen wir noch eine weitere Toilette okkupieren?" aufgehangen, andere Teile wollten wiederum viel zu radikal werden. Als nach 45 Tagen der Hörsaal geräumt wurde, waren kaum noch Leute da.
Nun musste ich vor ein paar Wochen im gleichen Hörsaal, in dem wir damals noch für unsere Rechte gekämpft haben, meinen Studentenvertrag unterschreiben. Darin steht, dass ich mich verpflichte, für zwei Jahre, also die Dauer meines Masterstudiums, nach dem Abschluss in Ungarn zu arbeiten. Ich habe den Vertrag zumindest noch genau gelesen, andere haben einfach nur frustriert unterzeichnet. Was genau passiert, wenn man nach dem Studium trotzdem ins Ausland abhaut, weiß keiner so genau. Ich hoffe einfach, es wird nicht zu schlimm. Aus meiner Abschlussklasse vom Gymnasium ist mittlerweile die Hälfte der Leute ins Ausland gegangen, die andere Hälfte hat es noch vor. Ich hoffe noch, dass die Parlamentswahl nächstes Jahr etwas ändert. So richtig glaube ich daran allerdings nicht."Armin, 23, beginnt in zwei Wochen sein Rabbinat in Berlin



"Als wir uns im März unterhielten, habe ich schon gesagt, dass ich Ungarn verlassen werde. Nun ist es so weit - in zwei Wochen bin ich Neu-Neuköllner. Fünf Jahre dauert mein Rabbinat-Studium in Berlin, in Ungarn hätte ich diese Zeit danach abarbeiten müssen. Nun werde ich meine Heimat nur noch als Tourist besuchen. Irgendwie passt das aber auch, denn in Berlin fühle ich mich mehr zu Hause. Mit meinen Vorstellungen von Gleichberechtigung und Antifaschismus bin ich hier keine Minderheit. In Ungarn schon. Dort zerfällt die Opposition zu Orbán gerade in lauter kleine Splittergruppen, Massendemonstrationen werden so unmöglich. Die Rechten werden dafür immer stärker, der Antisemitismus nimmt zu und wird auch immer offener ausgesprochen. Ich selber wurde bisher nur verbal angegriffen, da kann ich mich noch glücklich schätzen. Denn seit die Jobbik (Anm. d. R.: Rechtsextreme ungarische Partei) im Parlament ihre antisemitischen Sprüche öffentlich machen, denken auch immer mehr Menschen in der Bevölkerung, das sei okay. Gleichzeitig gibt es ein neues Gesetz, das sehr genau definiert, welche Religionen in Ungarn zukünftig noch als "wahre" Glaubensgemeinschaften anerkannt werden. Die Ausrichtung meiner jüdischen Gemeinde gehört nicht dazu, dabei sind wir die größte in Ungarn. Ein Drittel unseres Jahreseinkommens fällt damit weg, das macht es schwer zu arbeiten.
Natürlich haben mir manche vorgeworfen, Ungarn im Stich zu lassen, wenn ich jetzt gehe. Die meisten haben es allerdings verstanden, meine Mutter hat sogar seit Jahren dafür gebetet, dass ich weg kann. Ich denke, in Deutschland kann ich der ungarischen Opposition genauso hilfreich sein. Hier kann ich öffentlich auf die Missstände aufmerksam machen, Texte schreiben und Reden halten. Ich werde dann nur nicht mehr vor Ort präsent sein, sondern als 'Digital-Armin'."
Márton, 25, studiert Wirtschaftswissenschaften, möchte aber eigentlich als Journalist arbeiten



"Investigativer Journalist - das ist in Ungarn kein Beruf, sondern ein Hobby. Mittlerweile sind alle großen Zeitungen und Sender von Fidesz-Leuten (Anm. d. R.: Die Partei von Regierungspräsident Orbán) durchsetzt, alles wird zensiert. Wer gegen den Strom schwimmt und kritisch berichtet, wird bedroht oder gefeuert. Das ist auch einer der Gründe, aus denen die Proteste gegen das Regime austrocknen - es gibt kaum Berichterstattung darüber, die meisten Leute sind unpolitisch, weil sie nichts mitbekommen. Am Anfang konnten wir zumindest noch auf die von der Regierung angedrohten Verfassungsänderungen reagieren und protestieren. Mittlerweile ist das allerdings alles festgeschrieben. Um es erneut zu ändern, braucht man eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die hat allerdings momentan die Fidesz-Partei um Viktor Orbán, und ich befürchte, das wird sich mit der nächsten Wahl 2014 auch nicht ändern. Die Fidesz hat gerade erst die Wahlkreise zu ihrem Vorteil geändert, die Hälfte der Ungarn geht eh nicht wählen. Deshalb kann ich zu Ungarn nur noch sagen: Wir hatten anfangs schon wenig Hoffnung. Jetzt haben wir gar keine mehr."Zsuzsanna, 26, Studentin und Organisatorin des Pride-Festivals in Budapest



"Ungarn war schon immer sehr konservativ, mittlerweile ist es allerdings homophob. Die Fidesz-Regierung hat dafür gesorgt, dass nur noch ein sehr homogenes Familienbild aus Vater-Mutter-Kind akzeptiert wird und das auch in der Verfassung festgeschrieben. Schwule, Lesben, unverheiratete Paare, Alleinerziehende - sie alle stehen nicht unter dem gleichen Schutz, wie 'richtige Familien'. Der schwule Intendant des Budapester Nationaltheaters wurde grundlos gefeuert, seitdem werden auch dort nur noch Stücke über "typische" Liebesbeziehungen gespielt. Wenn wir einmal im Jahr das Pride-Festival haben, kommen da zwar immer noch Zehntausende hin - aber halt auch immer mehr Gegendemonstranten, die uns beschimpfen und bedrohen. So etwas führt natürlich dazu, dass immer weniger junge Leute sich trauen, sich zu outen. Ich habe dieses Jahr in Budapest erst ein gleichgeschlechtliches Paar gesehen, das sich öffentlich getraut hat, Händchen zu halten. In Berlin sehe ich das hingegen ständig. Deshalb werde ich auch nicht in Ungarn bleiben können. Ich will meine Heimat nicht komplett aufgeben und denke auch trotz der Diskrimierungen im Kulturbereich einen Job finden zu können. Aber will ich wirklich in so einem Land leben?
Auch Sexismus ist ein Riesenproblem bei uns. Neulich gab es allerdings einen Vorfall, der es sogar in die Medien geschafft hat: Ein Politiker hat seine Frau krankenhausreif geschlagen. Als das öffentlich wurde, hat er gesagt, sie sei nur über ihren Hund gestolpert. Dafür gibt es mittlerweile ein Meme mit einem Hund, das wir auch hier aufgehängt haben und das sich ziemlich schnell verbreitet. So weiß jeder, was wirklich Sache in Ungarn ist."

Kata, 21, studiert Philosophie in Budapest



"Als Philosophie-Studentin ist es sowieso schon schwer, einen Job zu finden. In Ungarn ist das allerdings nahezu unmöglich. Trotzdem musste ich vor ein paar Wochen unterschreiben, dass ich mich verpflichte, nach dem Master in Ungarn in diesem Bereich zu arbeiten. Das ist doch absurd. Die einzigen Stellen, die es da gäbe, sind an der Uni. Und dort ist momentan Einstellungsstopp, weil die Regierung die Gelder so massiv gekürzt hat. Das vergangene Semester war sogar zwei Wochen kürzer, weil kein Geld für die Heizung mehr da war und es in den Hörsälen vor Kälte nicht auszuhalten war. Trotzdem zwingt uns die Regierung zu bleiben. Wer kann, versucht sich natürlich aus dieser Regelung freizukaufen, aber dafür habe ich kein Geld. Trotzdem sind die Proteste über den Sommer sehr still geworden. Jeden Tag kamen von der Regierung neue Informationen, wie das mit dem Bleibezwang zukünftig gehandhabt wird. So richtig blickt da keiner mehr durch. Nun gibt es allerdings neue Entwicklungen, von denen ich denke, dass sie auch wieder zu mehr Protest führen: Die Regierung will zukünftig auch auf Schüler Einfluss ausüben. Es gibt keine Lehrmittelfreiheit mehr, die Bücher sind vorgeschrieben. In diesen Büchern steht zum Beispiel, dass nur das Christentum der richtige Weg ist. Dass Familien aus Mann und Frau bestehen, die verheiratet sein müssen. Abtreibungen werden kriminalisiert, dafür soll es eine Ehre sein, fürs Vaterland zu sterben. So ein Zeugs. Das ist alles totaler Quatsch, aber wenn sie so etwas zukünftig schon Grundschülern eintrichtern, mache ich mir wirklich Sorgen um unser Land."

Mädchen, warum habt ihr solche Angst vor der Schere?

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Immer zum Wochenende: Jungs fragen Mädchen fragen Jungs. Weil manches kapiert man einfach nicht bei denen. Heute: der Haar-Trennungsschmerz

Die Jungsfrage:



In manchen Ländern Südamerikas gibt es nicht nur Drogenkartelle, sondern auch eine Haarmafia. Ja, richtig: Haarmafia. Die Nachfrage nach Echthaarperücken und Haar-Extensions ist so groß, dass sie mit Haaren, die Frauen freiwillig abgeben oder verkaufen, nicht befriedigt werden kann. Die Folge: Die Preise schnellen nach oben – und zum Teil brutale Diebe rauben Frauen und Mädchen ihre Haare bei Überfällen in Einkaufszentren oder auf offener Straße.  

Als ich diese Geschichte in einer teils männlich, teils weiblich besetzten Gruppe erzählte, erntete ich unterschiedliche Reaktionen. Bei uns Jungs: schon ein bisschen ungläubiges Kopfschütteln, ja hoppla, is ja’n Ding, was es nicht alles gibt, krass,... Bei euch: Blankes Entsetzen. Als hätte ich von Organraub mit rostigen Skalpellen und ohne Narkose erzählt.  

Euer Verhältnis zu langen Haaren ist für uns schwer nachvollziehbar. Natürlich, man möchte nicht von einem Fremden mit einer Schere attackiert werden. Aber euer Entsetzen, so scheint mir, hat mit der reinen Überfallsituation gar nicht viel zu tun. Es geht um die Haare selbst. Warum sonst sollte es in jeder Staffel „Germany’s Next Topmodel“ eine Folge geben, in der „die Mädchen“ alle zum Friseur geschickt werden, wo sie dann hoffen, bangen, heulen und zicken, wenn der Mann mit der Schere ihnen an die Mähne will? Und warum sonst dauern Entscheidungen für Kurzhaarfrisuren bei Mädchen umso länger, je mehr Haar fallen soll?  

Uns kommt das alles ein wenig übertrieben vor. Haare ab, das scheint für euch das zu sein, was für uns der Tritt in die Hoden ist. Nur dass der halt echt phänomenal weh tut, was man vom Haareschneiden nicht behaupten kann. Woran liegt das also? Warum dieser Trennungsschmerz, diese Verlustangst? Wächst doch nach! Definiert ihr emanzipierte Wesen euch wirklich immer noch so sehr über solch veraltete Weiblichkeitssymbole? Oder gibts da noch andere, tiefere Gründe? Mädchen, erklärt uns mal euer Haarproblem!
Die Mädchenantwort von kathrin-hollmer:




Danke für das Bild mit dem Organraub, so in etwa hat sich für mich als Kind Haareschneiden angefühlt, zumindest in meiner Erinnerung. Ich weiß noch, wie stolz ich war, als meine Stopsellocken endlich bis zum Kinn gingen und irgendwann bis zu den Schultern. Recht viel länger sind sie nur selten geworden, dafür sorgte meine Mutter. Friseurbesuche sahen bei mir als Kind immer so aus: Statt der versprochenen (!) 2,5 Zentimeter schnitt der Friseur meistens doch mindestens fünf ab. „Da werden die Haare kräftiger“, lautete die Besänftigung, und wenn die nicht half, kam der Standardsatz, der im Friseur-Handbuch bestimmt im ersten Kapitel gelehrt wird: „Die wachsen ja wieder.“ 

Warum ich so an diesen 2,5 Zentimetern hing, liegt natürlich an der unangenehmen Gewissheit, verarscht worden zu sein. Seit ich selbst zum Friseur gehe, habe ich kein Problem mehr damit, wenn um meinen Stuhl herum der Teppich aus meinen Locken immer dichter wird. Es ist sogar ein gutes Gefühl (wer Naturlocken hat und auch beim Durchkämmen nach dem Waschen regelmäßig verzweifelt, weiß, was ich meine).

Ich weiß, ich bin da eine Ausnahme, und ich kann mir nicht wirklich erklären, warum die coolsten Mädchen hysterisch werden, wenn es um ihre langen Haare und vor allem die Möglichkeit sie zu kürzen geht. Ich versuche es trotzdem.

Man muss natürlich unterscheiden, ob man sich freiwillig von seinen Haaren trennt oder getrennt wird. Die haarbestohlenen Frauen in Südamerika und „die Mädchen“ bei „Germany’s Next Topmodel“ fallen für mich fast in eine Kategorie. Auch wenn Letztere nach 200 Staffeln eigentlich wissen, dass früher oder später die Umstyling-Episode kommt, und dann trotzdem heulen, wenn ihnen der Friseur mit der Schere zu nahe kommt. Keinen Einfluss darauf zu haben, wie man in der nächsten Zeit optisch herumläuft, ist nie schön.

Die anderen, die sich ihre Haare größtenteils freiwillig so schneiden lassen, wie sie wollen, fühlen wohl so etwas wie Trennungsschmerz, einfach, weil man an allem hängt, das man liebevoll aufgezogen und gepflegt hat, ob das nun ein Tomatenstöckchen ist oder das lange Haar, an dem man monate-, vielleicht jahrelang mit Spülungen und Wunderbürsten herumdoktert. Abgesehen von der Verlustangst sind da auch relativ pragmatische Überlegungen: Mit langen Haaren kann man Flecht- und Was-weiß-ich-noch-für-welche-Frisuren machen, mit kurzen geht das nicht so gut. Ja, die Haare wachsen wieder. Aber sehr langsam. 0,3 bis 0,5 Millimeter am Tag, um genau zu sein. Und vielleicht bereut man seine Entscheidung für die Kurzhaarfrisur ja doch, und dann kann man sie nicht mehr rückgängig machen. Das kann ich alles nachvollziehen, auch wenn es mir damit nicht so geht. Was ich nicht verstehe, ist der letzte Grund für die Angst vor der Schere, der mir eingefallen ist: dass viele das Gefühl haben, sie müssten an ihren langen Haaren hängen, weil ihnen das so vorgelebt wird.

In Internetforen wie Langhaarnetzwerk (Unterzeile: Wir sagen „ja“ zu langem Haar.) diskutieren Frauen, wie sie ihre oberschenkellangen Haare mit Spülungen aus Eiern, Aloe Vera und Honig noch länger züchten. In der Werbung werden Tabletten angepriesen, mit denen die Haare angeblich schneller wachsen. Wenn man „Germany’s Next Topmodel“ sieht, bekommt man dein Eindruck, Haareschneiden ist mit physischen Schmerzen verbunden. Und umgekehrt, und da beginnt mein Problem: Wer nicht an seinen langen Haaren hängt, dem wird entweder unterstellt, dass er gerade mindestens eine schwere Krise durchlebt, vielleicht auch einfach nicht ganz richtig im Kopf ist.
 
Ein Beispiel: Ich bin beim Friseur und möchte meine Haare gern wieder knapp schulterlang geschnitten haben, dafür müssen ungefähr sieben, vielleicht acht Zentimeter weg. Die Szene beginnt, nachdem wir schon ein paar Minuten diskutieren.

Friseur: „Bist du sicher?“
Ich: „Ja.“
Friseur: „Bist du wirklich ganz sicher?“
Ich: „Ja.“
Friseur: „Echt? Aber das ist schon echt viel, schau mal (nimmt eine Strähne zwischen Zeige- und Mittelfinger)... so viel!“
Ich: „Jaha.“

Friseur: „Überleg dir das gut...“

Ich: „Hab ich, danke.“

Friseur: „Ah, ich verstehe... Du bist frisch getrennt...“
 

Ich bin dann aufgestanden, habe meinen Rucksack gepackt und bin gegangen. Und habe überlegt, beim nächsten Mal wieder meine Mutter mitzunehmen.

Die Woche des schlimmen Fingers

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Ein Castingshow-Gewinner, der aus seiner Heimat fliehen musste, fünf Arten von Wiesn-Vorfreude und Erinnerungen an 9/11: Das war diese Woche los auf jetzt.de. Inklusive Peer Steinbrücks Stinkefinger.

Eine etwas andere Flüchtlingsgeschichte
Raid Yosif war gerade 19 Jahre alt, als er in seiner Heimat Irak eine Castingshow gewann und zum gefeierten Popstar wurde. Seine Karriere verlief blendend. Bis ihn der Bürgerkrieg zur Flucht zwang. Heute lebt Raid in einer fränkischen Kleinstadt und hofft auf sein Comeback. Charlotte Haunhorst und Tim Wessling haben ihn dort besucht. 

Im Tal rechts
In einer österreichischen Kleinstadt geraten Jugendliche und Roma aneinander. Steine fliegen, Schüsse fallen. Medien berichten von einem per Facebook organisierten Mob. Christian Endt war für uns vor Ort und fand heraus: Die Wahrheit ist komplizierter.  

Ein Leben lang traurig
Die 26-jährige Israelin Shani Boianjiu hat einen Roman über den Militärdienst in ihrem Land geschrieben. "Das Volk der Ewigkeit kennt keine Angst" begleitet drei Mädchen durch diese Zeit, in der Langeweile und Gewalt auf das Erwachsenwerden prallen. Das ist ziemlich frustrierend - aber großartig erzählt, findet Nadja Schlüter.

Airbnb-Hai oder Marathon-Mann?
Die einen stärken noch ihr Trachtenhemd und kaufen Schnupftabak, die anderen planen ihre Flucht. In unserer Wiesn-Typologie finden sich nicht nur Vollblutmünchner, sondern auch Gäste und  Oktoberfestmuffel wieder.

Erinnerungen an 9/11
An dieses Datum hat wohl jeder, der nicht gerade noch Kleinkind war, eine Erinnerung. Wir haben junge Schauspieler gefragt, wie sie den 11. September 2001 erlebt haben.

Der Aufreger zum Wochenende:
Zum Ausklang der Arbeitswoche sorgte ein Foto im SZ-Magazin für Furore. Es zeigt den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück in einer Pose, in der wir ihn bisher nicht kannten und ganz sicher nicht unmittelbar vor der Wahl vermutet hätten: Auf dem Cover-Bild zeigt er den Stinkefinger. Wir fragten uns und die User, ob dies ein absolutes No-Go für einen Spitzenpolitiker mit Ambitionen aufs Kanzleramt ist oder einfach nur einen Schmunzler wert.  

Die politische Wochenlage:
Die Welt blickt weiter nach Syrien: Der amerikanische Kongress pausiert vorerst und US-Präsident Barack Obama erwägt, eine diplomatische Lösung zu finden. Neue Spannungen gibt es allerdings dennoch zwischen den Vereinigten Staaten und Russland, genauer mit Wladimir Putin, der sich neuerdings als Gastautor in der "New York Times" austobt und vor neuen Wellen des Terrors im Falle eines amerikanischen Angriffs warnt. Obama dagegen versucht weiterhin, sein kriegsmüdes Volk davon zu überzeugen, dass die Verbrechen Assads Konsequenzen haben müssen.  

Video der Woche:
Die Auflösung des Streichs des Jahres: Fast zehn Millionen Mal war das Video der jungen Frau, die beim Twerking (einer tänzerischen Ausdrucksform, die spätestens seit Miley Cyrus' Skandalauftritt bekannt sein dürfte) auf einen Tisch mit brennenden Kerzen fällt und ihre Hose in Brand steckt. Doch plötzlich verschwand es von der Bildfläche. Warum? Das erklärte Jimmy Kimmel Mitte dieser Woche den Youtube-Nutzern folgendermaßen:

http://www.youtube.com/watch?v=HSJMoH7tnvw 

Und dann war da noch:
Eine ganze Reihe kurioser Forschungsergebnisse, die an der US-Eliteuniversität Harvard mit dem sogenannten IG-Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Wie viel die prämierten Ergebnisse im wahren Leben wert sind, ist fraglich und schleierhaft bleibt auch, warum Wissenschaftler sich mit Penisverletzungen nach Entenbissen oder am Herzen operierten Mäusen und der lebensverlängernden Wirkung von Opernmusik beschäftigen. Der Preis im Bereich der Psychologie ging übrigens an eine Gruppe von Wissenschaftlern, die nun den fundierten Beweis dafür lieferten, dass sich Menschen, die sich für betrunken halten, tatsächlich auch attraktiver fühlen. Interessant eigentlich, wer solche Studien initiiert und vor allem finanziert aber gut, sei's drum. Zuimndest die Erkenntnis, dass Mistkäfer sich an der Milchstraße orientieren, kann man ja mal unter der Kategorie "unnützes Wissen" speichern.

„Skaten ist das Lockmittel“

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Bildung auf Skateboards nach Afghanistan bringen das klingt erst mal verrückt. Doch das Konzept des Vereins Skateistan geht auf. Eben ist er mit dem Beyond Sport-Award von UNICEF ausgezeichnet worden. Der promovierte Teilchenphysiker und Skateistan-Manager Duncan Buck erzählt von der Skateschule im Krisengebiet und erklärt, warum in Kabul der Anteil von Skaterinnen höher ist als in den USA.




Wie kamen die Skateboards nach Afghanistan?
Eigentlich ging es erst nur ums Skaten. Unser Gründer Oliver Percovich skatet, seit er sechs Jahre alt ist. Im Februar 2007 ging er mit seiner damaligen Freundin nach Kabul, die dort einen Job hatte. Im Gepäck hatte er ein paar Skateboards, aber keinesfalls den Plan, ein Entwicklungshilfeprojekt aufzuziehen. Als er mit seinen Skateboards loszog hatte er sofort eine Traube Kinder um sich herum, und alle wollten skaten lernen.Die ersten waren quasi Naturtalente – und so dachte Oliver bald in größeren Dimensionen. Mittlerweile gibt es in Kabul eine eigene Skatehalle mit Unterrichtsräumen auf einer Fläche von fast 5.500 Quadratmetern. Und bei „Skateistan“ geht es nicht mehr nur um den Spaß am Fahren.

Sondern? Worum geht es dem Verein?
Auf dem Skateboard lernt man viel mehr, zum Beispiel Gemeinschaft, aber auch Führungsqualitäten. Ich selbst bin in Nordschottland, wo ich aufgewachsen bin, viel auf der Straße unterwegs gewesen. Und ich weiß, wie Skaten die Gesellschaft verändert. Da geht es nicht um Schichten, nicht um Arm oder Reich. Manche der Kinder und Jugendlichen in Afghanistan unterrichten mittlerweile andere, sie bringen ihnen das Skaten bei. Wir glauben, dass damit soziale Grenzen überwunden werden. Und wir wollen junge Menschen ausbilden, die die Welt verändern. Eine unserer Schülerinnen hat vor kurzem vor dem afghanischen Parlament gesprochen und die Wünsche und Ideen von jungen Afghanen dort vorgestellt. Das zeigt doch: Die Jugendlichen lernen bei uns Selbstvertrauen. Skaten ist ein tolles Mittel, sich auszudrücken – und das in einem Land, das seine Identität verloren hat.



Wie war die Reaktion auf „Skateistan“ am Anfang – in einem Land, in dem Mädchen nicht einmal Fahrrad fahren dürfen?
Die Leute konnten mit Skateboards nichts anfangen. Das war total neu für sie. Vorbehalte gab es von den Einheimischen aber kaum. Schwierigkeiten hatten wir eher mit anderen Nichtregierungsorganisationen. Die nahmen uns am Anfang nicht so ganz ernst. „Was? Ihr wollt mit Skateboards die Welt verändern?“ machten sie sich über uns lustig. Mittlerweile sind wir aber anerkannt, das liegt nicht zuletzt an Auszeichnungen wie dem von Unicef gesponserten Beyond Sports Award. Den haben wir gerade erst in dieser Woche in Philadelphia bekommen. Da stehen Leute wie Tony Blair oder Desmond Tutu, aber auch Sportler wie Michael Johnson oder Bob Beamon Pate. 120 NGOs waren nominiert und wir sind unter den 30 Gewinnern. Außerdem hat uns ein Schweizer Magazin Anfang des Jahres auf Platz 86 der 100 wichtigsten NGOs weltweit gelistet hat. Weltweit – das ist doch unglaublich!

Wie sieht eure Arbeit in Afghanistan konkret aus?
Kurz gesagt: Eine Stunde Skaten, eine Stunde Unterricht. Das Skaten ist ein Lockmittel, um junge Menschen für Bildung zu interessieren. Fürs Skaten brauchst du keine Sprache. Und die Jugendlichen finden es einfach interessant. Im Unterricht geht es dann um Gesundheit und Hygiene, aber auch um Umweltschutz und Politik. Als ich selbst für eine Weile in Kabul war, habe ich politische Gespräche mit einem 12-Jährigen geführt. Wahnsinn! Manche von den Jugendlichen sprechen besser Deutsch als ich, obwohl ich in Berlin lebe. Mittlerweile hat sich zusätzlich das sogenannte Back-to-School-Programm entwickelt. Ein Jahr lang werden Straßenkinder, Flüchtlinge und Mädchen auf die Schule vorbereitet. Ziel ist, dass sie mit dem Unterrichtsstoff so weit kommen, dass sie sich wieder an einer öffentlichen Schule anmelden können. 103 Kinder haben das bisher geschafft, fast die Hälfte waren Mädchen.

Die sind in Afghanistan ja besonders benachteiligt, was Bildung angeht. Hatten die Eltern nichts dagegen, dass sie zu euch in die Skateschule kommen?
Wir sprechen mit den Eltern darüber und erklären ihnen, worum es uns geht. Außerdem werden Mädchen bei uns nur von Frauen unterrichtet und es gibt getrennte Räume für Mädchen und Jungs – auch zum Skaten. Insgesamt sind 40 Prozent unserer Schüler weiblich. Damit haben wir in Kabul die größte weibliche Skaterinnen-Community weltweit – größer auch als in den USA.

Und wie kommst du als promovierter Teilchenphysiker dazu, dich für’s Skaten in Afghanistan einzusetzen?
Beim Skaten lernt man einfach wahnsinnig viel. Und ja – ich habe einen Doktortitel in Physik. Das ist aber sehr abstrakt. Jetzt widme ich mich den fundamentalen Fragen der Gesellschaft.

Eine internationale Konferenz soll die Wende bringen

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Bei der Suche nach dem Wann und Wie der Zerstörung syrischer Chemiewaffen ist keine Lösung in Sicht. Ungeachtet ihrer Differenzen in diesem Punkt halten die USA und Russland aber an einer umfassenden Friedenskonferenz zur Beendigung des Bürgerkrieges in Syrien fest. Das bekräftigten die Außenminister beider Länder, John Kerry und Sergej Lawrow, am Freitag, dem zweiten Tag ihrer Beratungen in Genf.


Einen Termin für eine solche Konferenz, über die schon seit dem Frühjahr diskutiert wird, gibt es bisher nicht. Ende September solle ein Vorbereitungstreffen in New York am Rande der Generaldebatte der UN-Vollversammlung stattfinden, sagte Kerry. Dann wolle man auch sehen, ob ein Datum für die Konferenz genannt werden könne. Als Voraussetzung bezeichnete es Lawrow, dass die Konfliktgegner in Syrien sich "auf eine Übergangsregierung verständigen können, in der alle Gruppierungen der syrischen Gesellschaft vertreten sind".



Die beiden Hauptakteure in den Verhandlungen um Syrien: Obama und Putin hier beim G8-Gipfel in Nordirland (Archivbild vom 17. Juni 2013)

Zu den Streitpunkten der Chemiewaffen-Gespräche in Genf zählten nach Angaben aus diplomatischen Kreisen, ob eine Resolution des UN-Sicherheitsrates Syrien Zwangsmaßnahmen androhen soll, falls es die Zusagen zur Offenlegung und Vernichtung seiner Chemiewaffen nicht einhält. Die USA wollen eine entsprechende Drohung in die Resolution aufnehmen, Russland lehnt dies jedoch ab.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft auf "schnelle Ergebnisse" der Genfer Gespräche. Der Beitritt Syriens zur internationalen Chemiewaffen-Konvention sei ein "erster kleiner Schritt in die richtige Richtung", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Der 1997 in Kraft getretene Vertrag verbietet die Verwendung, Produktion, Lagerung oder Weitergabe chemischer Kampfstoffe. Syriens Machthaber Baschar al-Assad, der den Beitritt seines Landes zur Chemiewaffen-Konvention bei den UN in New York beantragt hatte, machte seine Zusammenarbeit von einem Ende der Drohungen der USA abhängig. Er werde seine Chemiewaffen nur dann unter internationale Kontrolle stellen, wenn die USA ihre militärischen Drohungen gegen Syrien einstellten, sagte Assad.

Die Führung der syrischen Exil-Opposition zeigte sich enttäuscht. Der von Machthaber Assad angekündigte Beitritt zur Chemiewaffen-Konvention sei "nur ein neuer Versuch, die internationale Gemeinschaft in die Irre zu führen", warnte die Nationale Syrische Allianz am Freitag in Istanbul. Sie nahm Beratungen über eine neue Strategie für einen Sturz Assads auf, da sie angesichts einer möglichen Einigung zwischen den USA und Russland in der Chemiewaffenfrage kaum noch auf eine ausländische Militärintervention hoffen kann.

Der Sponsor und die Straßenhunde

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In Istanbul liegt wieder der Geruch der Gewalt in der Luft. Kann da eine Großausstellung wie die Kunstbiennale ihr Versprechen einer freien und modernen Gesellschaft einlösen?


Nachmittags wurde getwittert. Bei Protesten im Südosten der Türkei war der 22-jährige Ahmet Atakan zu Tode gekommen. Schon war man unterwegs zum Taksim-Platz, zum ersten Mal seit der gewaltsamen Räumung durch die Polizei Mitte Juni. In der Abenddämmerung wehte das Tränengas durch die Straßen Istanbuls. Ein Kunstkurator ließ seine eigene Vernissage platzen, um dabei zu sein. Fulya Erdemci, die künstlerische Leiterin der Istanbul-Biennale, die am Mittwochmorgen ihre Ausstellung der internationalen Presse erstmals zeigen sollte, bedauerte, nicht dabei gewesen zu sein.



Biennale in Venedig im Jahr 2009 - Wie wird die Ausstellung in Istanbul aussehen?

Dass in Istanbul nun wieder "der Geruch der Gewalt" in der Luft liege, stellte sie beim ersten Rundgang durch ihre Ausstellung fest, die dreizehnte Ausgabe einer Kunst-Biennale, die seit ihrer Gründung vor gut einem Vierteljahrhundert immer eine hoch politische Angelegenheit war und die dieses Mal mit so viel Spannung erwartet wurde wie kaum eine andere Großausstellung in den vergangenen Jahren. Wenn Meinungsfreiheit in einer demokratischen Gesellschaft die große Welle ist, dann ist die Freiheit der Kunst die Schaumkrone obendrauf. Schaumgeboren im Tränengas dieses Sommers stand die Istanbul-Biennale nun da: nicht nur, weil die Kuratoren mit "Agoraphobia" - verstanden als Angst der Macht vor der Straße - im Winter ein Thema angekündigt hatten, das die Ereignisse des Sommers vorwegzunehmen schien; die zentrale Frage, so war es lange vor den Aufständen formuliert worden, sollte sein, wem eigentlich die Stadt gehört, und am Beispiel Istanbuls sollte die Gentrifizierung verhandelt werden: wie eine Stadt ihr kulturelles, architektonisches Erbe verspielt in einem neoliberalen Wahnzustand.

Zudem hatte Fulya Erdemci versprochen, der Biennale die Straße wieder zu erschließen, nachdem die letzte Ausgabe eine hermetische Hochkunstschau gewesen war. Sogar Gezipark und Taksim-Platz waren eingeplant. Vom Atatürk Cultural Center aus wollte die Amsterdamer Künstlergruppe Rietveld Landscape ein sanft glühendes Lichtband auf den wichtigsten Verkehrsknotenpunkt der Stadt werfen, wo gerade Platz gemacht wird für eine repräsentative Bebauung, ob Shopping Mall, Mega-Moschee oder barockes Opernhaus. Einen besseren Moment hat es für zeitgenössische, kritische Kunst selten gegeben.

Unter den 88 Künstlern und Gruppierungen gibt es etwa ein halbes Dutzend, die stark genug sind, um auf die visuelle Sprache der Straße zu antworten - diese schuf in den Tagen der Demonstrationen so einzigartige Bilder wie den "Standing Man", die öffentlichen langen Tafeln, an denen das rituelle Fastenbrechen als große Begegnung zu neuer Form fand, oder die vielen kleinen Eingriffe in den Stadtraum wie die regenbogenbunt gestrichenen Treppenstufen. Das Video "Wonderland" von Halil Altindere ist so eine Arbeit: Es setzt mit Sirenengeheul ein und einer rasanten Verfolgungsfahrt im Polizeiwagen durch die engen Straßen von Sulukule, einem Viertel, in dem seit mehr als einem halben Jahrtausend Roma leben. "They are coming to knock down our neighbourhood", rappen die Jungs von Tahribad-i Isyan. Das Video zeigt, wie sie einen Polizisten zusammentreten und in Brand stecken, die Bilder entsprechen genau dem, was den Jugendlichen vorschwebte.

So eine Arbeit ist ein Glücksfall für eine Großausstellung, die jetzt erstmals keinen Eintritt kostet und sich zum öffentlichen Raum erklärt. Doch im Haupt-Ausstellungsort Antrepo no.3, einem alten Hafengebäude, läuft sie in einer engen Videobox. Die stadtbekannten Roma-Jungs gingen unter allen Beteiligten der Biennale als einzige wirklich ein Risiko ein - schließlich brennt hier symbolisch auch die Staatsgewalt -, doch man versagt ihnen den prominenten Auftritt. Auch die Performance "Material Inconstancy", für die Hector Zamora Bauarbeiter in der ruinösen modernistischen Architektur der Sine-Akademie verteilt hat, damit sie sich wie Artisten im Rhythmus der Musik gefährlich schnell Steine zuwerfen - die allerdings auch unentwegt krachend zerschellen -, ist, wenn sie nach den Eröffnungstagen als Video im Ausstellungssaal ankommt, zur Diskurskunst gezähmt. Und auch wenn man von Seiten der Kunst mit Gordon Matta-Clarks gewaltigen Eingriffen in die Architektur New Yorks oder Jiri Kovandas stillen Performances in der Tschechoslowakei der Siebzigerjahre mühelos an die Protestbewegung andockt - wem sagt das etwas im Istanbul dieser Tage? Die so radikale, so bewegende Kunstgeschichte wirkt hier unerwartet besserwisserisch.

So mäandert die Ausstellung zwischen sentimentalen Referenzen an die Utopien der Sechziger und Siebziger und dem aktuellen Diskurs, verpasst es aber, sich der Öffentlichkeit wirklich verständlich zu machen: Dass ausgerechnet jetzt auf den Schildchen neben den Werken nicht viel mehr zu lesen ist als der Titel des Werks, der Name des Künstlers und der ihn vertretenden Galerie, ist unentschuldbar. Sollten Passanten, Jugendliche, Aktivisten, Schulklassen bei freiem Eintritt tatsächlich in die Ausstellung strömen, werden sie sich den Gepflogenheiten der Diskurskunst unterwerfen müssen und nach dem dicken Besucherführer greifen, wo sie sich über die Diagramme wundern, die im Stil Mark Lombardis die Verflechtungen zwischen Regierungs-Investitionen und Medienkonzernen nachzeichnen. Und warum gibt Anikka Erikssons Welpenfilm den türkischen Straßenhunden eine Sprache? Wer die Idiome der zeitgenössischen Kunst nicht fließend spricht, fühlt sich ausgeschlossen.

Doch stellt sich in diesem Jahr in Istanbul auch grundsätzlich die Frage, ob die Kunst jenseits öffentlicher, unabhängiger Förderung überhaupt so frei ist, wie sie sich geriert. Zwar wird die Biennale von einer internationalen Stiftung getragen, als Hauptsponsor hat sich aber die Koc-Foundation verpflichtet. Die Familie Koc ist so etwas wie eine Krupp- oder Rockefeller-Dynastie; für den türkischen Geldadel und die Großindustrie - Familien wie auch die Eczacibasi oder die Sabanci - gehört die Kunst nicht nur als Sammlung zum dezidiert westlichen Lebensstil. Zeitgenössische Kunst ist der sichtbare Ausweis einer modernen Gesellschaft. Dass so etwas wie internationale Avantgarde in der Türkei eine Heimat findet, das war seit der Gründung der Biennale das Versprechen. Das wirkt jetzt fassadenhaft: Zwar ist bekannt, dass die Familie Koc mit dem Regime Erdogan nicht gut steht; aber die Vorsicht, mit der die künstlerische Leiterin Erdemci agiert, wo es um den Hauptsponsor geht, konterkariert jeden Anschein von Unabhängigkeit.

Auf den kritischen Schautafeln der zur Ausstellung geladenen Aktivisten taucht der Name Koc, anders als der anderer mächtiger Clans, nicht auf. Als im Frühjahr die lokale Künstlerszene mit einer Performance auf den Widerspruch hinwies, dass man Geld ausgerechnet von denen annimmt, die zu den Profiteuren der Gentrifizierung gehören, ließ Fulya Erdemci die Aktivisten aus dem Saal schaffen und rief ihren Kritikern noch hinterher, man könne doch nicht davon ausgehen, "dass Kunst ein vollkommen abstrakter, sauberer Raum" sei: "Die Kunstwelt ist Teil des Systems und funktioniert innerhalb der gleichen Parameter, die wir alle teilen." Das klingt weltklug, untergräbt aber letztlich jede oppositionelle Geste. Hat sich die Biennale am Bosporus, wo nach Wildwest-Manier regiert wird, schlicht unter den Schutz des stärksten Schurken begeben? Die Situation wirkt doppelzüngig: Man beklagt, dass die Biennale ihr angestammtes Ausstellungsgebäude Antrepo im Hafen aufgeben muss, weil dort womöglich ein Grandhotel hochgezogen wird; aber das geplante Museum der Koc-Foundation ist im Netz als 6000 bis 8000 Quadratmeter umfassender Riesenklotz zu bestaunen, der inmitten des steril bereinigten, ehemaligen Künstlerviertels Beyoglu aufragt.

So sind es allein die Künstler, die viel riskieren, die mit ihrem Namen oder auch Gesicht und Gesang für Unabhängigkeit, ja Dissidenz einstehen, wo die gastgebende Biennale schmiegsam bleibt. Im obersten Stock der griechischen Schule, dem zweiten, zentralen Ausstellungsort der Großschau, hängen die fünf olympischen Ringe als Neonskulptur unter der Decke, Volkan Aslan lässt sie wie zerschmolzen aus dem Gebälk triefen. Dieses Werk mit dem Titel "Games Games Games" wirkt jetzt wie ein zufriedener Kommentar zur aktuellen Entscheidung für Tokio und gegen Istanbul, das sich um die Ausrichtung der Olympischen Spiele im Jahr 2020 beworben hatte. Vielleicht formuliert der Künstler Basim Magdy in seinen Text-Bild-Collagen die präziseste Vision dieser Biennale: "We came and we left and nothing changed." Dass man die Ausstellung letztlich nur als uninspirierte, nachlässig präsentierte Groß-Schau empfindet, als eine der vielen Etappen, die von der internationalen Szene Jahr für Jahr abgehakt werden - das empfindet man am Ende doch als eine Niederlage des zivilen Widerstands.

Mom, am I barbarian? 13. Istanbul-Biennale, bis zum 20. Oktober in Istanbul.

Die Erfindung der Oma

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Großeltern waren noch nie so wichtig wie heute. Anthropologisch gesehen sind sie eine Innovation.


Killerwale haben Großmütter. Vielleicht auch einige Arten Afrikanischer Elefanten. Und sonst? Nein, sonst gibt es das im Tierreich nicht. Da leben Weibchen nicht mehr lange, sobald sie unfruchtbar geworden sind. Welchen Sinn hätte das auch? Es kostet jede Gemeinschaft nur Mühe und Aufwand, Mitglieder zu unterstützen, die keine Nachkommen mehr produzieren. Dass es dennoch vorkommt, bei Walen, Dickhäutern und bekanntermaßen auch beim Menschen, ist evolutionstheoretisch ein Paradox.

Die Frage also lautet: Warum gibt es Omas?





Eine mögliche Antwort formulierte bereits vor Jahrzehnten der 2010 verstorbene Evolutionsbiologe George Williams von der State University of New York. Er verwies darauf, dass es bei der evolutionären Fitness nicht nur darum gehe, möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen, sondern dass diese auch mindestens bis zur Geschlechtsreife überleben müssen. Könnte es daher nicht sein, dass Oma unter dem Strich genpoolmäßig besser fährt, wenn sie sich um die Enkel kümmert statt bis zum Lebensende Kinder zu gebären, deren Fortkommen ungewiss ist? Diese Annahme ist als sogenannte Großmutter-Hypothese bekannt geworden und wird bis heute ernsthaft diskutiert.

Der kleinste Nenner in dieser Auseinandersetzung ist wohl die Einsicht, dass auch vermeintlich gottgegebene Beziehungen zwischen Oma-Opa-Eltern-Kind eine Natur- und erst recht eine Kulturgeschichte haben. Und die Geschichte der Großmutter begann nach Ansicht einiger Forscher vermutlich erst irgendwann im Jungpaläolithikum, am Ende der Altsteinzeit.

Großeltern als Regelfall in der Menschheitsgeschichte dürften eine "ziemlich junge Erscheinung sein, kaum älter als einige Zehntausend Jahre", schrieb die Paläoanthropologin Rachel Caspari von der Central Michigan University 2011 im Fachmagazin Scientific American. Alle fossilen Knochenfunde deuteten nämlich darauf hin, dass die Menschen über lange Zeiten gar nicht alt genug wurden, um noch viel von ihren Enkeln mitzubekommen, selbst wenn man davon ausgeht, dass die Frauen damals mangels Verhütungsmethoden schon sehr bald nach Erreichen der Geschlechtsreife das erste Mal schwanger wurden. Egal, ob man die hinterlassenen Zähne von drei bis 1,5 Millionen Jahre alten Vormenschen in Ost- und Südafrika analysiert, oder diejenigen von frühen Vertretern der Gattung Homo in Afrika, Asien und Europa oder von europäischen Neandertalern vor 130 000 bis 30 000 Jahren: Kaum einer von ihnen wurde auch nur 30 Jahre alt.

Doch dann, bei den anatomisch modernen Menschen der frühen jüngeren Altsteinzeit in Europa, so vor 20- bis 30 000 Jahren muss sich etwas getan haben: Plötzlich gab es fünfmal mehr Menschen, die im für damalige Verhältnisse hohen Alter von mehr als 30 Jahren starben. "Auf zehn "jung" Gestorbene kamen nun gleich 20 potenzielle Großeltern", erläutert Caspari.

Die Wissenschaftlerin vermutet nun aufgrund verschiedener Indizien, dass diese steigende Lebenserwartung zumindest am Anfang dem kulturellen Fortschritt jener Epoche zu verdanken ist. Für diesen gibt es viele Belege, erste Kunstwerke etwa und neue Werkzeuge. Doch damit wurde ein neuer Regelkreis in Gang gesetzt. "Unzweifelhaft wirkte sich (...) das Vorhandensein von mehr Älteren seinerseits auch günstig auf die Lebensumstände aus", erläutert Caspari. Vermutlich haben die Großeltern ihre erwachsenen Nachkommen nach Kräften unterstützt. Das habe diesen wiederum erlaubt, mehr Nachwuchs in die Welt zu setzen. Zugleich stiegen die Überlebenschancen der Enkel. Die Population wuchs, auch auf Kosten etwa der Neandertaler. Und die Gene verbreiteten sich.

Womit schon mal die Großmutter-Hypothese bestätigt wäre.

Und noch viel mehr hätten die Großeltern geleistet, spekuliert Caspari. Vermutlich hätten die Omas und Opas der Altsteinzeit mit ihrer Lebenserfahrung und -weisheit wesentlich dazu beigetragen, dass die neuen kulturellen Innovationen auch tradiert und weiter unter den Menschen verbreitet wurden. Es fand - so resümiert Caspari - ein "Kultursprung durch Großeltern" statt.

So lautet die schöne und sicherlich auch ein wenig kühne Geschichte vom Ursprung der Großeltern in der Altsteinzeit und ihren guten Folgen für die Evolution. Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass es in den folgenden Jahrtausenden bruchlos so weiterging und die Menschen seitdem in liebevollen Drei-Generationen-Haushalten lebten, nur dass sie halt irgendwann von der Höhle in die Hütte umzogen.

Vor allem neuzeitliche Familienhistoriker geben sich da eher skeptisch. "Vor 300 Jahren hätte man sich gewundert über die heutige innige Großeltern-Enkelkind-Beziehung", sagte etwa der österreichische Familienhistoriker Erhard Chvojka von der Universität Wien vor Kurzem in einem Interview. "Das ist nicht in uns drinnen. Das sind historisch gewachsene, kulturelle Normen, die von den Menschen selbst gestaltet werden."

In seinen Forschungen zur Geschichte der Großelternrolle seit dem 16. Jahrhundert kam Chvojka zu dem Ergebnis, dass die Idee vom glücklichen und heimeligen Nebeneinander dreier Generationen unter einem Dach eher eine romantisierende Projektion in die Vergangenheit ist. In der vorindustriellen Gesellschaft Mittel- und Westeuropas hätten die Enkel kaum eine enge Verbindung zu Omas und Opas aufbauen können, soweit diese denn überhaupt noch lebten. Schließlich war die durchschnittliche Lebenserwartung damals auch noch nicht sonderlich hoch, zugleich bekam man die Kinder nicht mehr in so jungen Jahren wie vermutlich in der Steinzeit. Früh verließen damals die Kinder ihr Elternhaus, um sich als Lehrling, Knecht oder Magd zu verdingen. Autos und Eisenbahnen zum schnellen Besuch am Wochenende gab es noch nicht.

Relativiert wurde mittlerweile auch die Annahme, wonach insbesondere die Großmütter immer nur einen positiven Einfluss auf ihre Enkel nehmen. Berühmt-berüchtigt wurde etwa eine Studie, die Jan Beise vom Max-Plank-Institut für demografische Forschung in Rostock und der Biophilosoph Eckart Voland von der Universität Gießen im Jahr 2002 vorstellten. Sie konnten anhand von Kirchenbüchern aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus der ostfriesischen Region Krummhörn nachweisen, dass nur die Großmütter mütterlicherseits den Enkeln beim Überleben halfen. Lebte hingegen die Mutter des Vaters am selben Ort, stieg das Sterberisiko des Babys sogar. Die einfachste Erklärung dafür ist wiederum diejenige der Soziobiologie: Nur beim Kind der Tochter kann eine Großmutter wirklich sicher sein, dass es ihre Gene in sich trägt. Der Sohn hingegen könnte ja von seiner Ehefrau betrogen worden sein. Es wäre die biologische Erklärung für die Legende von der bösen Schwiegermutter.

"Wohlgemerkt sind dies Durchschnittszahlen aus Tausenden von Familien und die Verschiebungen der Prozentwerte sind klein", warnen Beise und Voland. Frauen sollten deshalb nicht gleich ihrer Schwiegermutter düstere Absichten unterstellen, aber vielleicht erklärt sich so zum Teil, wieso anderen Studien zufolge das Verhältnis zwischen Schwiegertochter und -mutter tatsächlich recht häufig schwierig ist.

Einig sind sich immerhin die meisten wissenschaftlichen Beobachter, dass vermutlich erst im laufenden 21. Jahrhundert die Beziehungen zwischen den Generationen so richtig gut wurden. In Deutschland betreut jedes zweite Großelternpaar die Enkel zumindest sporadisch, berichtet das Deutsche Zentrum für Altersfragen, häufiger als in den meisten anderen Ländern Europas. Und noch nie, so berichten Studien, waren Oma und Opa emotional so wichtig für die Enkel wie in der Gegenwart.

Die Bedingungen sind ja auch bestens: Die Menschen werden älter denn je und bleiben dabei länger körperlich und psychisch gesund. Viele Senioren können es sich erlauben, frühzeitig die Arbeitslast zu reduzieren und sie verfügen über genug Zeit und Geld, um die Enkel zu verwöhnen. Die 60- bis 70-Jährigen transferieren ihren Kindern und Enkeln im Durchschnitt 4000 Euro mehr pro Jahr, als sie von diesen erhalten, berichtet der Soziologe Martin Kohli vom European University Institute in San Domenico die Fiesole aufgrund von Erkenntnissen aus dem Survey of Health, Aging and Retirement in Europe.

Weitgehend vorbei sind nach Aussagen von Familienforschern auch die Zeiten, da sich die Großeltern massiv in die Erziehung einmischten, womöglich noch als Vertreter einer dunkleren Pädagogik. Oma und Opa müssen nicht erziehen, sondern dürfen verwöhnen und bedingungslos akzeptieren. Wohl deshalb schwärmen Kinder von ihren Großeltern. Sie gelten heute häufig noch in der Pubertät als wichtigste Bezugsperson für die Kinder, etwa wenn es Stress mit den Eltern gibt; sie geben Stabilität, wenn es zu Trennungen kommt. Und noch etwas Neues verstärkt sich in diesen Zeiten der sozialen Beschleunigung: Auch die Kompetenzen der Enkel gewinnen an Bedeutung; sie erklären Omi und Opa, wie das iPad funktioniert.

Eine Win-win-Situation also, fast so wie in der Altsteinzeit?

Nicht ganz. Vorbei sind nämlich auch die Zeiten, in denen Dutzende Enkel auf den Familienfesten herumtobten. Wenn sich Mann und Frau aus Einkindfamilien zusammentun und wieder nur ein Kind kriegen, müssen sich vier Großeltern einen Enkel teilen. Und manchmal bleibt der Nachwuchs ganz aus. Immerhin bieten zuständige Stellen bereits Trauerseminare für ungewollte Enkellosigkeit an.

Der erste Phantastilliardär

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Geld macht nicht glücklich? Dagobert Duck sitzt auf seinem Goldhaufen und lacht jeden aus, der so redet. Vereint mit seinen Talern ist er wunschlos


Im Moment wird er im Wirtschaftsmagazin Forbes als 65-facher Milliardär notiert, Tendenz selbstverständlich steigend. Daneben sieht Amazon-Gründer Jeff Bezos mit seinen lächerlichen 25 Milliarden wie ein Kleinsparer aus. Zum Glück für Bezos, Gates, Buffett und die anderen aktuellen Krösusse führt Dagobert Duck nur die Liste der "15 reichsten fiktiven Gestalten" an, aber auch da steht er weit vor Long John Silver und selbst vor dem unermesslich reichen Drachen Smaug aus dem "Kleinen Hobbit".

Dagobert Duck widerspricht in eigener Leibesgestalt der billigen Mahnung, dass Geld allein nicht glücklich mache; es muss schon sehr viel Geld sein. Millionen genügen nicht, auch keine Milliarden, es müssen speziell angefertigte Phantastilliarden sein. Die abenteuerlichsten Legenden ranken sich um seinen schamlosen Reichtum: Er habe seinen ersten Glückstaler einfach aufs wundersamste, nämlich im beständigen Handumdrehen, vermehrt; er habe sein Glück nach alter Weise in Alaska, droben am Yukon, als Goldwäscher gemacht; er habe schlicht einen infinitesimal großen Schatz gefunden, geraubt, umquartiert in seinen Geldspeicher.





Das alles spielt aber keine Rolle. Dagobert ist die Verkörperung nicht nur des Geizes, sondern er ist Geld in seiner reinsten, kindischsten Form: skrupellos, ohne Gedanken an Kaiser und Vaterland, geschweige denn an die bedauernswerten Entenhausener, die nicht wissen, wie ausgerechnet ihm und nicht uns das geschehen konnte.

Noch älter ist die Legende, die sich einst der englische Schriftsteller Charles Dickens ausdachte und 1843 veröffentlichte. Er nannte sie "Eine Weihnachtsgeschichte" und predigte damit seinen zahlreichen Lesern gehörig in die stade Zeit. Handelte sie doch von einem alten Geizkragen, dem erst der Geist eines verstorbenen und ebenso pfennigfuchsenden Mitarbeiters erscheinen musste, damit ihm endlich das Gewissen schlug und er - Weihnachten und Friede auf Erden allen Menschen guten Willens! - von seinem Geiz geheilt war. Ebenezer Scrooge hieß der Ausbeuter, und nach ihm nannte der Zeichner Carl Barks seinen Finanzhai, Scrooge McDuck, den die Übersetzerin Erika Fuchs dann zu dem nur in Deutschland bekannten Dagobert Duck formte.

Dagobert ist aber nicht von seinem Geiz zu heilen, denn er ist unheilbar gesund, wie sein Erfolg, also sein Geldspeicher und die chronische Klammheit von Neffe Donald, immer aufs Neue beweist. Seine Finanzstrategie widerspricht allen Ratschlägen von Analysten und Anlageberatern. Das Geld in der Tasche will seit je raus aus dieser Tasche, will, wie der Taler im frohen Liede, wandern von dem einen zu dem anderen, aber dieser mitleidlose (C. Dickens), anal fixierte (S. Freud), stinkstiefelige (D. Duck) Erpel sitzt einfach drauf auf seinem Haufen und lacht die Neider aus.

Bei Karl Marx, dem alten Miesepeter, der allerdings auch nie genug davon hatte, heißt es vom Kapital, dass es "von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend, zur Welt kommt", bei Carl Barks ist eine erneuerbare Energie daraus geworden. Geld ist Dagoberts Jungbrunnen. Wie Martin Walser im Bodensee, so badet er jeden Morgen in seinem Geldspeicher. Mit diesen Hechtsprüngen durchs Edelmetall erfüllt die Ente den Traum, dass sich das ewige Geldscheffeln endlich auch spirituell ummünzen ließe, nämlich in immerwährende Ferien auf der eigenen Großyacht mit 20 Kilometer langem vergissmeinnichtblauen Pool unter einem ebensolchen Himmel. Was Dickens einst als reines Elend dargestellt hat, der einsame Tod, der dem Geizhals bevorsteht, und wovor er ihn mit der weihnachtsgerechten Schnulze aufgelöst hat, könnte seinem Nachfolger im Comic niemals passieren: Dieser ist wunschlos glücklich, wenn er die Unio mystica mit seinen Talern feiert.

Im richtigen Leben erwarteten einen am Beckenrand karibische Bacardi-Schönheiten, in jeder Hand einen noch exotischeren Cocktail kredenzend. Das geht vielleicht in bürgerlichen Kreisen, wo man ein Leben lang auf eine Kreuzfahrt spart, aber doch nicht bei den Ducks: Im calvinistischen Imperium des ewigen Geldverdienenmüssens ist nicht einmal eine Ehefrau vorgesehen. Für einen Satz wie "Schatz, wie war dein Tag?" wäre auch kein Platz. Dennoch könnte ihm niemand vorwerfen, dass er gefühllos wäre. Dagobert die Ente vermag wirklich zu lieben; sein Geld jedenfalls liebt er mehr als die meisten ihre Frau. In Entenhausen, wo sich die Welt tatsächlich nur ums Geld dreht, sind solche störenden Beziehungen ohnehin nicht vorgesehen. Alle leben nicht in einem prä-, sondern in einem postsexuellen Paradies. Sentimentalität, die nicht dem Geld gewidmet ist, wäre reine Verschwendung.

Und die fürchtet Dagobert wie der Teufel das Weihwasser. Ständig droht ihm der Verlust seines Vermögens. Die Panzerkna-cker sind hartnäckig hinter seiner Kohle her, Mac Moneysac will ihm den Rang als reichste Mannmenschente der Welt streitig machen, der dämliche Neffe Donald; natürlich auch Düsentrieb mit seinen irrsinnigen Erfindungen, die vielleicht einmal Geld bringen, aber eher doch nie.

So ist er zum Abgott des Reichtums, aber auch zum Sklaven des Geldverdienens geworden. Selbst sein harmloses Hobby, das erfrischende Schwimmen im Geld, wirkt dann nicht mehr anders der tägliche Gang in den Kraftraum, der für das brutale Geschäft des Geldscheffelns stählen soll. So ist Dagobert auch zum Vorbild der von Douglas Coupland beschriebene microserfs im wirtschaftswunderlichen Silicon Valley geworden, eine zwischen traurig und lächerlich changierende Gestalt, die vom guten alten Kapital, dem mit redlicher Ausbeutung erworbenen Reichtum nur noch den Zylinder behalten hat.

Längst droht eine Gefahr, mit der verglichen selbst der versammelte Neid dieser und der Entenhauser Welt harmlos wirkt. Seit einiger Zeit taucht der Goldpreis nicht mehr, sondern er stürzt, stürzt ins Bodenlose. Während wir Kleinsparer ungläubig in unsere zinslosen Bücher starren, muss Dagobert davor zittern, dass sein Geldspeicher durch den Wertverfall seiner verlässlichsten Anlagen bald komplett drainiert ist. Nichts ist trostloser als ein leeres Schwimmbecken, hat Raymond Chandler gesagt. Er ahnte ja nicht, wie traurig ein leerer Geldspeicher macht.

Da geht noch was

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'Walk 21' -Erkenntnisse auf der Fußgängerkonferenz in München


Gehen kann segensreich wirken: Es stärkt die Muskulatur, klärt die Gedanken, fördert den Gleichgewichtssinn, braucht wenig Infrastruktur und belastet kaum das Klima. Vom Autofahren kann man das nicht behaupten. Dennoch haben die Autofahrer immer mehr Raum erobert, die Geher (und Radfahrer) wurden zurückgedrängt.





Die internationale Fußgängerkonferenz "Walk 21", die seit dem Jahr 2000 jährlich stattfindet und diesmal in München zu Gast war, will dieser Entwicklung etwas entgegensetzen. Aus den zahlreichen Vorträgen ergab sich ein Bild des globalen Gehens, das bestimmte Mechanismen der Entwicklung klar hervortreten ließ.

Zuerst will jeder ein Auto, denn das ist neu, schnell, und im Inneren man hat seine Ruhe. Später ist es nicht mehr neu, nicht mehr schnell - die Durchschnittsgeschwindigkeit von Autos liegt in vielen Großstädten deutlich unter 20 km/h - aber wenigstens ein Rückzugsraum. Vor allem aber mag man nicht mehr zu Fuß gehen - wegen all der anderen Autos. Besonders gilt das in Ländern mit niedrigem und mittlerem Durchschnittseinkommen. Bei nur gut der Hälfte der Autos entfallen auf diese Länder 92 Prozent der Verkehrstoten. Hinzu kommt stadtplanerische Nachlässigkeit. In Bangkok etwa sind die Fußwege mit Telefonzellen zugestellt, die niemand mehr braucht, die aber auch niemand abbaut. Andernorts gibt es gar keine Gehwege.

Es folgt Phase drei: Das Land ist reich, die sind Menschen alt oder dick, die Wege weit. "Es gibt nichts Entsetzlicheres, als am Montag allein gehen zu müssen", schreibt Thomas Bernhard in "Gehen". Doch: Jeden Tag allein gehen - da geht man dann lieber gar nicht. Die vielen Australier, die ihren Ruhestand in einer der Kleinstädte an der Küste antreten, gefährden offenbar mangels Gehen ihre Gesundheit; sie haben häufiger als Altersgenossen körperliche Behinderungen.

Größere Städte haben den Vorteil, dass mehr Menschen auf weniger Raum leben, also auch Ärzte oder Einkaufsgelegenheiten dichter gesät sind. Prinzipiell gut für Fußgänger, wenn der Verkehr in Schach gehalten wird. Wer mit der architektonischen Einheitsbrache deutscher Provinzfußgängerzonen vertraut ist, könnte statt für diese Ödnisse für Fußgänger-Vortrittszonen plädieren. "Eine gute Stadt ist wie eine gute Party", hat der dänische Architekt, Stadtplaner und Geher Jan Gehl über Fußgängerlebensräume gesagt. "Wenn sie funktioniert, bleiben die Leute viel länger als nötig, weil sie sich amüsieren."

Gegen den Wind

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Das Team New Zealand nähert sich dem Gewinn des America"s Cup: Der Herausforderer segelt dem Pokalverteidiger aus den USA scheinbar nach Belieben davon

Jimmy Spithill wirkte ratlos und frustriert, nachdem sein favorisiertes Team Oracle in der Finalserie um den America"s Cup am Donnerstag die nächsten beiden Niederlagen gegen das Team New Zealand erlitten hatte. "Beide Mannschaften haben eine Menge Zeit und Energie auf den Bau der Boote verwendet", resümierte Oracle-Skipper Spithill, "es ist ein Schock, was für einen Vorteil die Neuseeländer haben, wenn sie gegen den Wind segeln." Mit 47 Sekunden Vorsprung hatte der Herausforderer das sechste Rennen in der Bucht von San Francisco für sich entschieden, obwohl die Pokalverteidiger aus den USA besser gestartet und bis zur ersten Wendemarke auch vorne waren. 66 Sekunden waren es im siebten Rennen kurz danach, als dem Team New Zealand ein Start-Ziel-Sieg gelang. "Wir sind sehr zufrieden", sagte dessen Skipper Dean Barker, "es ist schön, zwei weitere Punkte zu haben, aber wir machen uns keine Illusionen: Es liegt noch ein weiter Weg vor uns."



Das führende Team New Zealand erreicht die Golden Gate Bridge in San Francisco

So weit ist der Weg gar nicht mehr, wenn man bedenkt, dass diejenige Crew den America"s Cup erhält, die zuerst neun Regatten gewonnen hat: Das Team New Zealand führt mit 6:-1 Punkten; der Minuspunkt der Amerikaner rührt her von einer Strafe, welche sie wegen Manipulationen bei der vorgeschalteten World Series für das Finale aufgebrummt bekommen hatten. Oracle braucht deshalb also noch zehn Siege, Team New Zealand hingegen nur drei - im günstigsten Fall könnte das Rennen um die älteste Trophäe des internationalen Sportgeschehens schon an diesem Wochenende entschieden sein; für Samstag und Sonntag sind jeweils zwei weitere Wettfahrten angesetzt.

"Das Rennen ist noch lange nicht vorbei", beharrt Barker, 41, "es wird harte Arbeit, noch dreimal zu gewinnen. An einem schlechten Tag da draußen kann sich das Momentum ändern, und die Dinge sehen wieder ganz anders aus." Dass sich das Momentum schlagartig ändert, der Schwung, von dem die Sportler so gern reden, glauben indes nur wenige. Jimmy Spithill, der aus Australien angeheuerte Chef des US-Teams, hat ja schon alles Mögliche versucht, um seinen Groß-Katamaran in Schwung zu bringen. Am Dienstag, nach der vierten Niederlage im fünften Vergleich, machte er von seinem Recht Gebrauch, eine Wettfahrt zu verschieben. Er wolle sein Team "neu formieren", erklärte der 34-Jährige, der Oracle vor drei Jahren als jüngster Skipper der America"s-Cup-Geschichte zum Erfolg dirigiert hatte. Was er damit meinte, zeigte sich am Donnerstag: Da ersetzte er seinen bisherigen Taktiker John Kostecki (USA), der schon 2010 mit an Bord war, durch den viermaligen Olympiasieger Ben Ainslie aus Großbritannien. Ohne Erfolg, der Joker stach nicht.

Die Unterlegenheit des Cup-Verteidigers verblüfft selbst Experten. Das von dem Software-Milliardär Larry Ellison großzügig finanzierte Team hatte ja vermeintlich alle Vorteile auf seiner Seite. Es verfügt über mehr Geld und mehr Personal (202 zu 132, inklusive aller Mitarbeiter an Land), es durfte das Segel-Revier aussuchen und die Bootsklasse bestimmen. Mit den eigens für den diesjährigen America"s Cup konzipierten AC72-Katamaranen - 26Meter lang, 14 Meter breit, 40 Meter Masthöhe - kommen die Neuseeländer allerdings allem Anschein nach besser zurecht. Ihr Geschwindigkeitsrekord steht bei 45 Knoten, etwas mehr als 80 km/h. Da kann Oracle nicht mithalten.

Goldkettchen und Abrissbirnen

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Handys im Flugzeug, Handys in Gold und zwei Clips zur Wahl: Fünf Filme fürs Wochenende

Who knows what can fuck this shit off?
In diesem Sketch werden all die Fragen gestellt, die wir uns jedes Mal stellen, wenn wir uns im Flugzeug die Sicherheitseinweisung anhören: Warum genau sollen wir jetzt unsere Handys ausschalten? Und wollen wir unser Leben wirklich einer Maschine anvertrauen, deren Technik angeblich von einem 20-Euro-Handy gefährlich gestört werden kann? Mir hat übrigens mal ein KLM-Pilot erzählt, er habe sein Handy im Cockpit fast immer an.
http://www.youtube.com/watch?v=3JirEueFSpU

Was hat die SPD jemals für uns getan?
Es ist natürlich heikel, an dieser Stelle einen Parteispot anzupreisen. Aber da in der letzten Folge der “Fünf Filme” die SPD für einen missglückten Film durch den Kakao gezogen wurde, ist es nur fair, auch darauf hinzuweisen, wenn den Sozis mal ein richtig guter Gag gelungen ist. Um mitlachen zu können, muss man “Das Leben des Brian” von Monty Phyton gesehen haben. Oder noch schnell diese Szene nachholen.
http://www.youtube.com/watch?v=jgZRZZVy5Fs

Die Bundestagswahl, von England aus betrachtet
Die anstehende Bundeswahl wird auch im Ausland mit ziemlich viel Interesse verfolgt. Der Economist spricht aktuell mit dem Slogan “Stick with Mutti” eine Wahlempfehlung für Angela Merkel aus. Und die BBC hat ein Video produziert, in dem sie die Grundzüge des akutellen Wahlkampfs in einem Zwei-Minuten-Comic erklärt. Wer das hiesige politische Geschehen zumindest ein bisschen verfolgt, wird darin nichts neues lernen, sieht aber nochmal in Comicform, wie die Grünen den Deutschen die Wurst vom Teller nehmen.
http://www.youtube.com/watch?v=BVtfuql5ys8

Gold is best!
Apple hat diese Woche ja die nächste iPhone-Generation vorgestellt. Die neuen Modelle unterscheiden sich neben einem Fingerprint-Scanner und technischen Details vor allem durch mutige Farben von ihren Vorgängern. Dieses Adbusting-Video erklärt, welche Zielgruppe mit der goldenen Variante angesprochen werden soll: Goldkettchen-behängte Machos in pinken Glitzerhemden.
http://www.youtube.com/watch?v=n7-RetY7fGo

Alle auf die Abrissbirne
Die Aufmerksamkeit, die Miley Cyrus für ihr Nackt-auf-der-Abrissbirne-Video bekommen hat, war ziemlich erwartbar und vermutlich auch kalkuliert. Ein schöner Nebeneffekt ist, dass so sehr viele lustige Meme und Remakes entstanden sind. Besonders gut gefällt uns ein Cover der Süße-Jungs-Band King The Kid, das in weißer Feinripp-Unterwäsche gedreht wurde.
http://www.youtube.com/watch?v=kuLgpqSLA4E

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