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Wo Jesus wohnt

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"Vor einem Jahr lebte ich um diese Zeit in der sibirischen Taiga. Ich habe mich schon immer für Gemeinschaften und Gruppendynamiken interessiert, deshalb sollte sich auch mein Bachelorprojekt fotografisch mit diesem Thema auseinandersetzen. Über Recherchen bin ich auf die „Kirche des letzten Testaments“ gestoßen und wusste sofort: Dort würde ich gerne fotografieren. 

Die Kirche des letzten Testaments bezeichnet sich selbst als „Ökopolis Tiberkul“, also frei übersetzt „ökologische Stadt Tiberkul“. Tiberkul ist ein See in der südsibirischen Taiga, in dessen Nähe 4000 der weltweit 8000 Sektenmitglieder als Selbstversorger leben. Es gibt kaum technische Hilfsmittel, das Essen kommt aus dem eigenen Garten, das Wasser aus dem Fluss. Und: Alles wird innerhalb der Gemeinschaft geteilt.  

[plugin bildergalerielight Bild2="Viele Anhänger der Kirche des letzten Testaments bekommen Wissarion nur selten zu sehen." Bild3="Anhängerin der Kirche des letzten Testaments." Bild4="Anhänger der Kirche des letzten Testaments." Bild7="Der Messias meldet sich per Videobotschaft." Bild5="Dass die Sekte sich ausgerechnet in Sibirien niedergelassen hat, liegt an ihrem Messias." Bild6="Die Kirche des letzten Testaments am Tiberkul." Bild8="Der See Tiberkul in Sibirien"]

Dass die Sekte sich ausgerechnet in Sibirien niedergelassen hat, liegt an ihrem Messias: Sie glaubt, dass der ehemalige russische Polizist Sergei Anatoljewitsch Torop, besser bekannt als Wissarion, eine Wiedergeburt von Jesus von Nazareth ist. Er selbst hat den Ort in Sibirien für sich und die Sekte ausgewählt, weil er sagt, nur dort sei die Gemeinschaft vor dem drohenden Weltuntergang sicher. Die Taiga, ein riesiges Waldgebiet, ist für ihn eine Art Schutzwall vor schlechten Einflüssen der Außenwelt, mit der sie nichts zu tun haben wollen. Deshalb ist es für die Wissarion-Anhänger auf der ganzen Welt so wichtig, möglichst zu ihm in die Taiga zu ziehen. 

Wissarion kommt auf die Bühne. Er sagt einen Satz auf Russisch. Viele Leute fangen an zu weinen


Diese Geschichte reizte mich. Ich stellte mir vor, wie ich, wenn ich längere Zeit mit der Sekte leben würde, irgendwann Zugang zu den Menschen dort finden und Fotos machen könnte. Als ich meinen Eltern schließlich von der Idee erzählte, haben sie mich direkt unterstützt. Erst später haben sie zugegeben, dass sie sich auch Sorgen gemacht haben. 

Auch wenn ich selbst gar nicht religiös bin – man weiß nie, wie man auf so eine neue Situation reagiert. Deshalb haben wir gemeinsam eine Sektenberatung kontaktiert. Die waren erst mal überrascht: Meistens melden sich bei ihnen Leute die aus- und nicht einsteigen wollen. Sie haben dann aber auch gesagt, dass die „Kirche des letzten Testaments“ nach allem, was man bisher über sie weiß, eher harmlos ist. Die wollen niemanden missionieren. Stattdessen sind sie der Überzeugung, dass man, wenn man einmal bei ihnen in Wissarions Nähe war, von ganz alleine zurückkommt. Weil man mit dem Wissen von diesem paradiesischen Ort im normalen Leben nicht mehr glücklich sein kann. Und genau das wollte ich ja: Wissarion treffen und seine Gemeinschaft kennenlernen.  

Auch wenn die Sekte eher technikskeptisch ist, hat sie trotzdem eine Webseite. Darüber habe ich ihnen auf Englisch gemailt und meine Idee vorgestellt. Überraschenderweise haben sie tatsächlich zurückgeschrieben und gesagt, ich könne gerne in ihrem Gästehaus wohnen, sie würden mich auch vom Flughafen abholen.  Als der Abflug dann bevorstand, hatte ich schlaflose Nächte. Als Erkennungszeichen hatte ich ihnen gesagt, dass ich einen roten Rucksack tragen werde. Aber was, wenn da dann einfach niemand am Flughafen steht? Als ich in Abakan landete, wurde ich tatsächlich von zwei Leuten abgeholt, von denen ich bis heute nicht weiß, wer das genau war. Sie konnten kein Englisch, ich kein Russisch. Nach einer Stunde Fahrt sollte ich in ein anderes Auto umsteigen, in dem ein Pärchen saß. Da hatte ich schon ein mulmiges Gefühl, die hätten mich ja überall hinbringen können. Zwei Stunden fuhren wir durchs Nirgendwo. Am Ende wurde kamen wir zum Gästehaus in Petropawlowka, das kurioserweise einer Deutschen gehört, die zu dem Zeitpunkt gerade nicht da war. Mein neues Zuhause für die kommenden sechs Wochen.  

Die ersten Wochen waren hart. Kein Handynetz, kein Internet und wegen der Sprachbarriere auch kein Zugang zur Gemeinschaft. Außerdem gab es fast keine Gleichaltrigen – die meisten Menschen haben sich Wissarion in den Neunzigerjahren angeschlossen und sind dementsprechend alt. Wenn überhaupt, haben sie Enkel.  Nur langsam habe ich verstanden, wie die Gemeinschaft funktioniert: Wissarion lebt mit seiner Frau und seinen Kindern nicht in Petropawlowka, sondern gemeinsam mit 50 ausgewählten Familien in der sogenannten Modellstadt, vier Fußmarschstunden entfernt, am Fuße des Berges Gora. Selbst wenn man ein Auto hätte, käme es kaum diesen Berg hinauf. In der Modellstadt predigt Wissarion jeden Sonntag. Dorthin ziehen zu dürfen, muss man sich aber verdienen, welche Kriterien es dabei gibt, weiß niemand genau. Wenn man allerdings zur „einheitlichen Familie“ gehört, darf man immerhin Videos von Wissarions Predigten anschauen.  

Auch diesen Status muss man sich verdienen. Man muss in einer Partnerschaft leben, ein eigenes Haus mit Garten haben und einen Großteil seiner Zeit in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Die Gläubigen, die noch nicht dazugehören, dürfen zwei Monate des Jahres außerhalb der Gemeinschaft arbeiten gehen, von ihrem Geld müssen sie dann aber etwas an die einheitliche Familie abgeben. Ich gehörte natürlich nicht dazu, also durfte ich auch die Videos nicht mit ansehen. 

Drei Mal im Jahr, unter anderem am 18. August, dem Tag, an dem Wissarion 1991 seine erste Rede vor Anhängern hielt, tritt er öffentlich in der Modellstadt vor seine Jünger. Um dieses Fest mitzuerleben, war ich genau zu dieser Zeit angereist. Kurz vor dem Fest waren alle in Petropawlowka sehr aufgeregt. Die Leute zogen schicke weiße Gewänder an, wie ich sie auch auf den Fotos festgehalten habe. Gemeinsam pilgerte man dann zur Modellstadt. Dort war auf einer Art Lichtung eine Bühne aufgebaut, auf die Wissarion kommen sollte. Vorher schwärmten die Leute mir gegenüber, wie charismatisch er sei, dass seine Stimme einen sofort gefangen nehmen würde. Schließlich kam ein Mann Mitte 50 auf die Bühne, der optisch tatsächlich an unser Klischee von Jesus erinnerte: Lange, braune Haare, weißes, wallendes Gewand und Sandalen. Wissarion! Er sagte dann mit tiefer Stimme einen Satz auf Russisch und viele Leute fingen an zu weinen.   Das war’s. Danach ging er wieder. Ich habe die Leute gefragt, was er denn gesagt habe. Sie meinten: „Ihr wisst schon viel.“ Für sie war das die Botschaft, dass auch sie, die nicht in der Modellstadt wohnen, weit mit dem Glauben vorangeschritten sind. Ich fand das eher enttäuschend. 

In den Wochen nach dem Fest habe ich dafür immer mehr Zugang zur Gemeinschaft bekommen. Petra und Siggi, ein deutsches Paar, das „von Wissarion zusammengeführt“ worden war, hat mir unter anderem dabei geholfen. Viele Leute waren skeptisch gegenüber meiner Kamera, weil sie meinten, an ihrer Herstellung seien auch schlechte Menschen beteiligt gewesen. Andere waren aus den verschiedensten Gründen sehr offen. Eine Frau hat sich zum Beispiel nur von mir fotografieren lassen, weil mein T-Shirt dieselbe Farbe hatte, wie ihres und sie dadurch eine Verbindung zwischen uns spüren konnte. Insgesamt waren die Leute sehr interessiert an mir. Sie wollten wissen, wie ich Wissarion finde und wie es mir bei ihnen gefällt. Wenn ich dann gesagt habe, dass ich sie mag, Wissarion aber nicht für Jesus Christus halte, waren sie zwar ein wenig enttäuscht, haben das aber akzeptiert und trotzdem mit mir Blümchentee getrunken. 



Julia Sellmann wurde 1992 in der Nähe von Lüdenscheid geboren. Die Bilderserie "Ecopolis Tiberkul" über die gleichnamige Sekte in Sibirien ist ihr Bachelorprojekt an der FH Dortmund im Fachbereich Design. Sie lebt in Dortmund.

Natürlich war es für mich in der Gemeinschaft als Außenstehende tageweise auch sehr herausfordernd und ich habe abends oft mit dem Gedanken gespielt, früher abzureisen. Andererseits habe ich diese Leute auch bewundert: Die geben ihr bisheriges Leben völlig auf, um im Glauben an eine bestimmte Sache jeden Morgen früh aufzustehen, ihren Garten zu bestellen und zu beten. Sie sind damit glücklich.

Interessanterweise hat mir das auch eine gewisse innere Ruhe gegeben. Zurück in Dortmund habe ich es, auch wenn einen der Alltag bekanntlich ja schnell wieder einholt, geschafft, ein Stück dieser Ruhe und Gelassenheit aus meiner Zeit in Sibirien mitzunehmen."

Beleidige mich!

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Man muss einen Zettel oder Ähnliches mit den Worten "Roast me" in die Kamera halten, um Einverständnis zu signalisieren, mehr Regeln gibt es nicht (und nicht mal die wird immer eingehalten). Unter dem Titel "Roast Me" posten Reddit-User seit einer Weile Fotos von sich, um sich dann von anderen Nutzern beleidigen zu lassen – ganz freiwillig. Die Kommentare sind lustig bis bösartig, zum Teil rassistisch, sexistisch, frauenfeindlich, ja menschenfeindlich eigentlich. Und dennoch ziemlich lustig, oft jedenfalls:

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Manche Kommentare sind einfach nur geschmacklos.

[plugin imagelink link="https://assets.rbl.ms/1796099/980x.jpg" imagesrc="https://assets.rbl.ms/1796099/980x.jpg"](Quelle: Distractify.com)

[plugin imagelink link="https://assets.rbl.ms/1791759/980x.jpg" imagesrc="https://assets.rbl.ms/1791759/980x.jpg"](Quelle: Distractify.com)

Im Internet wird viel gehated, beleidigt, bedroht, die Kommentare, die unter die Roast-me-Fotos gepostet werden, sind genauso böse – nur mit dem Unterschied, dass die beleidigten Menschen explizit dazu aufgefordert haben, beleidigt zu werden. Und mit diesem Unterschied wird aus Hasskommentaren so etwas wie eine Parodie, ähnlich wie das die Serie "Comedy Central Roast" schon seit mehr als zehn Jahren macht, in der Stars sich von anderen Stars beleidigen lassen.

http://www.youtube.com/watch?v=DZzCKgrmyvw

Sich durch Hunderte fiese, aber eingeforderte Kommentare zu lesen, erinnert auch an Hate Slams, bei denen Hasskommentare und -leserbriefe vorgelesen werden oder die Youtube-Reihe "Disslike", wo Prominente Hasskommentare über sich vorlesen. Bei denen blieb immer ein Nachgeschmack: Denn natürlich ist Humor ein Weg, mit Hass umzugehen und auf Hater im Netz aufmerksam zu machen. Er birgt aber auch die Gefahr, ein ernstes Problem ins Lächerliche zu ziehen.

via Andre Herrmann

kathrin-hollmer 

Der Hamster in der hohlen Erde

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Sebastian Bartoschek, 36, hat für seine Dissertation rund 1000 Menschen zu den 95 bekanntesten Verschwörungstheorien befragt. Gerade ist sein Film„Ein Interview mit Dr. Stoll“ erschienen, in dem der Psychologe sich kritisch mit dem bereits gestorbenen Verschwörungstheoretiker und unfreiwilligen Youtube-Star Axel Stoll auseinandersetzt. 

jetzt.de: Bei Verschwörungstheorien habe ich gleich diese Vorstellung von einem Typen mit Metallsuchgerät und Alu-Hut.
Sebastian Bartoschek: Das ist überholt. Heutzutage wird der Begriff „Verschwörung“ für alles Mögliche benutzt. Für meine Forschung habe ich eine eigene Definition gefunden: Es sind vereinfachende Welterklärungen, auf die sich eine Gruppe von Leuten einigt. Meistens stehen sie im Gegensatz zu einer offiziellen staatlichen oder wissenschaftlichen Erklärung, die wir Wahrheit nennen. Das Verschwörerische daran: Ich sehe höhere Kräfte, wo keine sind und beanspruche die Wahrheit für mich und niemanden sonst. Das Verständnis von „Wahrheit“ ist genauso vielfältig wie die Menschen, die an diese Wahrheiten glauben.  



Sebastian Bartoschek erforscht, an welche Verschwörungstheorien wir am meisten glauben.

Was wäre so eine vereinfachte Welterklärung?
Es gibt Tausende. Manche davon lassen sich leicht als unwahr einordnen. Zum Beispiel, dass die Welt hohl ist und in ihrem Inneren ein großer Hamster die Erdrotation verursacht. Andere Theorien sind wesentlich komplexer und gefährlicher. Vor allem die politisch rechten. Da merken die Leute zunächst gar nicht, in welche Richtung sie sich bewegen, weil alles flauschig esoterisch verpackt wird. Und plötzlich finden sie sich mitten in knallharten Neonazi-Netzwerken und auf deren Veranstaltungen wieder. Das trifft meistens junge Leute.  

Warum sind die anfälliger?
Jugendliche sind oft noch nicht so gefestigt in ihrem Weltbild und suchen nach alternativen Sichtweisen. Meine Untersuchungen zeigen, dass besonders Jugendliche mit geringer Bildung an Verschwörungstheorien glauben. Sie sind vom Alltag überfordert, fühlen sich ungerecht behandelt und suchen deshalb nach anderen Schuldigen. Natürlich ist es einfacher zu behaupten, der Misserfolg liege daran, dass wir von Aliens regiert werden, statt einfach zu sagen „selber Schuld“. Im Internet bekommen sie unendlich viel Erklärungsangebote und finden Gleichgesinnte. Die Zugehörigkeit schafft Identität.  

"Wir werden von Aliens regiert" ist eine attraktivere Erklärung als "ich bin selber Schuld"


Also ist schon wieder dieses Internet Schuld?
Früher gab es die Tagesschau und ein paar andere Kanäle. Die haben dir deine Informationen eingeordnet. Heute gibt es online zu jeder Theorie eine Gegentheorie. Man kann nicht nachweisen, ob es zahlenmäßig mehr Verschwörungstheoretiker gibt, aber sie sind auf jeden Fall sichtbarer. Sie organisieren sich in Gruppen auf Facebook und veröffentlichen ihre Statements auf Twitter. Das virale Prinzip funktioniert viel besser als früher an dubiosen Stammtischen in irgendwelchen Hinterzimmern.    

Welche Verschwörungstheorie ist bei jungen Menschen besonders beliebt?

Dass Tupac noch lebt. Die Annahme ist weit verbreitet und ein wiederkehrendes Motiv für viele tote Promis. Das Gegenstück dazu wäre: Jemand ist schon lange tot und wurde nur durch einen Doppelgänger ersetzt, so wie Paul McCartney.  

Klingt nicht wirklich gefährlich, das zu glauben.
Natürlich gibt es Abstufungen. Wer zu viel Faktenwidriges behauptet, kann rechtliche Probleme kriegen. In Deutschland darf man zum Beispiel aus gutem Grund den Holocaust nicht leugnen. Gruppen, die das mithilfe von Verschwörungstheorien tun, werden dafür rechtlich belangt. Umso gruseliger, dass besonders antisemitische und fremdenfeindliche Theorien zur Zeit so Aufwind zu bekommen scheinen. Solche Theorien finden gleichzeitig von ganz rechts als auch von ganz links Zuspruch.  

[seitenumbruch]
Lässt sich das psychologisch erklären?
Nicht wirklich. Bei Patienten kann ich klar feststellen, wenn eine Persönlichkeitsstörung vorliegt. Zum Beispiel, wenn Personen sich selbst widersprechen oder unter Halluzinationen leiden. Bei Verschwörungstheoretikern ist das anders. Da ist alles sehr viel abstrakter und in sich logischer. Deshalb ist es auch falsch, dieses Denken als psychische Störung zu pathologisieren. Man müsste anders fragen: Wann fängt es an, die Person oder ihr Umfeld zu gefährden?
 
Eigentlich ist es doch ganz gesund, sich kritisch mit seiner Umwelt auseinanderzusetzen.

Klar. Viele Theorien sind zunächst mal clevere Beobachtungen. Beispiel Mondverschwörung: Auf dem Mond weht kein Wind und deshalb muss das Triumph-Foto mit der wehenden Fahne in Mexiko aufgenommen worden sein. Die Frage ist nur, bleibe ich für eine Gegenerklärung empfänglich oder schieße ich mich so auf die Theorie ein, dass sich meine Weltsicht immer mehr verengt. Kann ich noch glauben, die Fahne sei für das Foto mithilfe von Eisenstangen so drapiert worden? Ein Ergebnis meiner Studie war nämlich auch, dass Menschen, die sich intensiv mit einer Theorie befassen, immer noch mehr Verschwörungstheorien nachgehen. Es hat ein gewisses Suchtpotenzial.



Wir basteln keine Alu-Hüte mehr, glauben aber trotzdem an alles Mögliche

Was tue ich, wenn ich mir nicht mehr sicher bin, was ich glauben soll?
Es gibt eine einfache Frage, die man sich stellen kann: Bin ich offen für alternative Erklärungen und gäbe es etwas, dass mich von meiner Theorie abbringen könnte? Ist die Antwort immer Nein, wird es gefährlich. Gerade junge Menschen merken, wenn sie in den ideologischen Bereich abdriften, stecken dann aber oft schon zu tief drin in ihrer Theorie. Dafür gibt es Beratungshotlines wie die Sekteninfo NRW oder Wissensdurst e.V., wo ich im Vorstand bin.  

Was sagt man dann am Telefon?

Wie bei der Drogenberatung suchen viele Anrufer erst mal einen Gegenüber. Sie rufen mit ihren Theorien an und wollen, dass wir die widerlegen. Oft reicht es, einfach mal genauer nachzufragen, bis die Fassade bröckelt und die Person so was sagt wie „stimmt, so hab ich das noch nie betrachtet“.

Die Flying Gags

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Neulich: Ein Roadtrip-Wochenende mit den alten Jungs, endlich mal wieder! Schafft man ja viel zu selten. Wir sind grade alle gelandet und noch im Abtastmodus – lange nicht gesehen, wie geht´s denn? – da sagt der Mietwagenmann bei der Abholung des Mietwagens echt: "Der ist wie neu, und hier, die kleine Macke, naja..." Kurze Pause. Spannung. Dann: "...ist ja nur ein Kratzer."

Yes! Großes Gelächter, Freude, Highfive! Wie auf ein geheimes Kommando flippen wir alle aus. Bis auf den Mietwagenmann, der uns anschaut, als überdenke er noch einmal die Entscheidung, uns ein Auto anzuvertrauen. Aber hey! Die legendäre Monty-Python-Szene in "Die Ritter der Kokosnuss"? Als der schwarze Ritter mit abgeschlagenen Armen und Beinen behauptet, das wäre "nur ein Kratzer"? Aber, noch besser: Dass einer von uns sich mal beim Fußball das Kreuzband riss, und im Krankenhaus mit schmerzverzerrten Gesicht zum Arzt sagte – na ihr wisst schon! Wahnsinn!

Der Mietwagenmann kann es nicht wissen, aber wir – wir fühlen es umso mehr. Die Monate und Kilometer Distanz, die uns eben noch trennten, fliegen hinfort übers Autodach. Wir sind wieder so gut zusammen, wie wir es in unseren besten Zeiten waren. Wir sind wieder wir.

Als wir uns beruhigt haben und endlich im Wagen sitzen, frage ich mich: Was sind das für Zaubersprüche, die weghexen, was immer sich zwischen Freunde geschoben hat? Dieses komische Gefühl, das eben ums Auto herum herrschte. Der Widerspruch, die anderen super zu kennen, aber trotzdem zu fremdeln, weil es eben länger her ist. Diese kleine Distanz, die sich unter Freunden riesig anfühlt. Wie ein Mini-Stück Essen zwischen den Zähnen, das stört, weil es von der sensiblen Zunge vielfach vergrößert wird. Warum funktioniert "Nur ein Kratzer!" für uns so sicher wie ein Tor für Fußballfans?  

Erlahmten Freundschaften Flügel verleihen


Ähnlich des „Running Gags“ kehren manche untoten Ureinwohner unserer gemeinsamen Erinnerungslandschaft immer wieder. Sind nicht kaputt zu kriegen von ausbleibenden Telefonaten, Auslandssemestern, neuen Freundschaften. Und beamen uns aus jeglichem Kontext und über jeden Sinn, der eigentlich gerade angesagt war. Man könnte diese Peergroup-Parolen deswegen "Flying Gags" nennen. Weil sie über alles drüber fliegen. Und weil sie, anders als der ermüdende Running Gag, der niemanden aufbaut, der nur für den schnellen Witz gemacht wird, auch erlahmten Freundschaften wieder Flügel verleihen.

Eben beriet man über den nervigen Chef, die eifersüchtige Freundin, die Geburt des ersten Kindes. Und schwups, ein falscher – oder eher sehr richtiger – Satz, und man albert sich durch den siebten Freundschaftshimmel. Solche Trigger können Film-Zitate ("Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden!"), Witze-Klassiker („Hurzzz!") oder Signalwörter wirklich erlebter Situationen sein. Es reicht ein einziges Stichwort, um unsere Freundschaftsfreude hervorzulocken wie einen hungrigen Hund, der sich auf einen Knochen stürzt. Deswegen sind manche Begriffe für immer magisch.  

"Keine Sorge, es ist ein Hovercraft-Rad!"


Nie wieder wird einer von uns „Hovercraft“ sagen können, ohne dass die anderen reflexhaft krähen: „Keine Sorge!“ Weil einmal ein Spezialist sein Fahrrad in den Fluss steuerte und rief: "Keine Sorge, es ist ein Hovercraft-Rad!" Weswegen uns die Begriffe "Hovercraft", "keine Sorge" oder allein schon die Kombination von "Fluss" und "Fahrrad" auf ewig zu besten Freunden machen. So wie alle mit einer Geschichte aufgeladenen Bonmots eines zeitweise geteilten Leben. Hauptsache wir spielen die Hauptrolle und es war groß. Größer als wir.

Klar, menschliche Beziehungen leben von sprachlichen Codes, vom Vokabular, vom Bruder- und Schwesterwitz. Aber nichts funktioniert so verlässlich wie der Flying Gag. Wenn Liebe durch den Magen geht, geht Freundschaft durch den Lachmuskel. Und der ist stark. Dass man sich viel zu selten trifft? Nicht mehr die gleichen Filme sieht, nicht mehr die gleiche Partei wählt, sich manchmal fast fremd wird vor lauter Erwachsenwerden? Nur ein Kratzer.

Am Ende

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Drehbuchschreiber klingt erstmal nach einem tollen Beruf. Man kann sich die ganze Zeit abstruse Charaktere und Wendungen ausdenken und im besten Fall werden die eigenen Hirngespinste auch noch verfilmt. Denkt man. Wenn man dann aber mal an die psychische Belastung eines Drehbuchschreibers beim Ende einer Serie denkt, bekommt man Bauchschmerzen. Denn die finale Folge ist unfairerweise stets der Prüfstein, wie die ganze Serie rückblickend bewertet wird. War sie eine Enttäuschung, verdirbt sie den größten Fans nachträglich alle Folgen vorher. War sie ein Knüller, kann das die schlechteste Serie noch rausreißen.



Genau so haben wir uns auch beim Finale von "Lost" gefühlt

Umso schöner, dass ein serienaffiner Mensch, der unter dem Namen Organicirradiation auftritt, nun auf Github die Bewertungen auf dem Filmportal IMDb von Serienfinalen im Verhältnis zur Bewertung der restlichen Folgen aufgearbeitet hat. Und das auch noch in einer hübschen Grafik. So sieht das dann aus:

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Besonders begeistert waren die Zuschauer also von den Serienfinalen bei Glee, Charmed und Newhart, besonders enttäuscht von True Blood, Dragon Ball Z und Dexter. Da der User allerdings keine Gründe für die unterschiedlichen Serienbewertungen gibt, haben wir selber ein paar Thesen aufgestellt:

  • Zuschauer sind weniger enttäuscht von Serien mit Happy End (bei Glee und Charmed gibt es kitschige Ausblicke in die Zukunft, in der sich alle lieb haben, bei Newhart war alles nur ein Traum). Anders ist auch nicht zu erklären, dass die Zuschauer das superkitschige Finale von Sex and the City mochten.

  • Serien, die schon sehr lange liefen und eine dementsprechend eingeschworene Fangemeinschaft haben, können am Ende nur enttäuschen - vielleicht auch, weil man nicht mehr alle Handlungsstränge zusammenbekommt (z.B. bei Dragon Ball Z, das immerhin 291 Folgen am Ende aufwies)

  • Wenn die Serie die ganze Zeit nur mittelmäßig bewertet wurde, kann auch das Finale nicht mehr so weit abfallen (z.B. Alias, Veronica Mars und The West Wing) 

Eine Sache können allerdings auch wir an der Grafik nicht erklären: Warum, zur Hölle, steht an allerletzter Stelle nicht Lost???

charlotte-haunhorst

Die Nachwuchs-Diplomaten

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Freiwilligendienst in La Paz, Völkerrechtsstudium in Cambridge, Praktika in der Deutschen Botschaft, in einer politischen Stiftung in Washington und bei der UN-Flüchtlingshilfe in Kuala Lumpur, Arbeit im Europäischen Auswärtigen Dienst in Brüssel. Oliver ist das, was viele einen elitären Jungdiplomat nennen würden. Doch er sagt, er brennt für die Sache. Gemeinsam mit 100 anderen Jugendlichen aus den größten Industrie- und Schwellenländern hat er vergangene Woche beim Y20-Gipfel in Istanbul diskutiert – über Frieden, Bildung und Migration. Das Ganze ist keine Simulation, denn die Abschlussvorschläge der jungen Menschen aus aller Welt werden den nationalen Regierungen übergeben und sollen auch umgesetzt werden.



Die deutsche Delegation in Istanbul.

jetzt.de: Oliver, wenn alles klappt, triffst du im November Angela Merkel in Antalya. Was wirst du ihr dann präsentieren?
Oliver Rieche: Es ist geplant, dass alle nationalen Delegationsleiter vom Y20-Gipfel im November nach Antalya zum offiziellen G20-Gipfel reisen und die Vorschläge unseres Jugendgipfels vorstellen. Zu diesem Termin soill auch die Bundeskanzlerin kommen. Unsere Vorschläge umfassen jedenfalls zwölf Forderungen zu den drei Hauptthemen Bildung, Jugendarbeitslosigkeit und Frieden, auf die wir uns mit 20 Ländern einigen konnten. Klar fürchten wir, dass unser Papier untergeht, aber als der Jugendgipfel vor ein paar Jahren in Russland war, gab es danach tatsächlich ein längeres Gespräch mit Präsident Putin. Das macht uns zuversichtlich.


Du warst im Komitee „Beitrag der Jugend für den Frieden“. Was waren da die beherrschenden Themen?
Die syrische Flüchtlingskrise und Migration sowie die Beziehungen zwischen den G20 und den Least Developed Countries. Beim Thema Migration haben wir über ein Visasystem diskutiert, damit Migranten schneller in die jeweiligen Arbeitsmarkt integriert werden. Vor allem in den Bereichen, in denen akut Fachkräftemangel herrscht und die Ausbildungen der Zuwanderer nicht anerkannt werden. Mit Blick auf die Flüchtlingskrise haben wir uns besonders dafür eingesetzt, dass Flüchtlinge über Mentorenprogramme besser in die Gesellschaft der Aufnahmeländer integriert werden. Außerdem sind eine bessere Rechtsberatung und mehr politisches Mitspracherecht dringend nötig.

Es sind ja keine bindenden Vorschläge, die ihr ausgearbeitet habt. Was kann so ein Gipfel überhaupt leisten?
Wir wissen, dass wir nur ein Zahnrad im ganzen System sind. Aber immerhin: Vor fünf Jahren war der Y20-Gipfel noch eher unbedeutend, in diesem Jahr hat uns der türkische Vize-Premier Babacan begrüßt.

Hattet ihr inhaltliche Vorgaben aus den Heimatländern?
Wir haben vorab verschiedene Ministerien und das Bundeskanzleramt besucht, um über die deutsche Position zu den Themen des Gipfels zu sprechen. Wir mussten diese in Istanbul aber nicht vertreten, sondern konnten unsere eigene Meinung sagen – anders als manche Delegationen, zum Beispiel aus Russland, die explizit die offizielle Haltung ihrer Landesregierung vertreten mussten. Das war schade, weil es ja darum geht, dass die Jugend und ihre Ansichten ihre eigene Stimme bekommen und sie eben nicht Sprachrohr von Regierungen sind.


Und wie habt ihr eure Positionen in Istanbul diskutiert?
In Istanbul war sehr wenig Zeit. Es wurde schnell chaotisch, oft ging es um einzelne Sätze und Formulierungen und zum Schluss muss man sich dann auf nur drei Seiten Abschlusspapier einigen. Das war schon bitter zu sehen, wie einige tolle Vorschläge nicht die 80-Prozent-Mehrheit erreicht haben.

Was für Vorschläge waren das?
Im Bildungskomitee zum Beispiel konnte sich der Vorschlag zur Gleichstellung von Geschlechtern im Bildungs- und Arbeitsmarkt nur durchsetzen, weil das Wort „sexual orientation“ durch „Identität“ ersetzt wurde. Russland, Indonesien und China hätten sonst nicht mitgemacht. Im Friedenskomitee hatten wir uns als deutsche Delegation dafür eingesetzt, dass Flüchtlingskinder, die im Gastland geboren werden, ein Recht auf Geburtszertifikate haben, um so der Staatenlosigkeit entgegenzuwirken. Dieser Vorschlag erhielt leider nicht die nötige 80-Prozent-Mehrheit.

Was ist dir in Istanbul über globale Politik klar geworden?
Viele Leute haben bei den Abstimmungen nur nach nationalen Interessen entschieden. Das ist oft gleichbedeutend damit, sich gegen globale Lösungen und friedensfördernde Maßnahmen zu stellen. Für mich war das teilweise sehr frustrierend, dass gute Ideen daran scheitern. Aber das ist natürlich auch das, was wir in der Europäischen Union sehen. Wenn man dann noch mit Ländern außerhalb der EU einen Konsens bilden muss, kann man froh sein, dass man überhaupt auf einen Nenner kommt.



                                                           Oliver Rieche

Du hast in den vergangenen vier Jahren 16 internationale Konferenzen besucht. Warum machst du immer wieder mit?
Es sind die Leute! Man trifft spannende, junge Persönlichkeiten, die etwas bewegen wollen. Ich kann mich austauschen über Themen, für die ich mich leidenschaftlich engagiere und mit denen ich hoffentlich später beruflich zu tun habe.

Für den Lebenslauf sind sie schon auch gut, oder?
Wenn ich Konferenzen nur für den Lebenslauf sammeln wollte, hätte ich schon lange aufhören können.

Viele nennen solche Veranstaltungen „elitär“...
...klar, die Leute kommen häufig von guten Universitäten und deswegen ist die Kritik auch gerechtfertigt. Dennoch zählt vor Ort bei den Verhandlungen nicht der Lebenslauf, sondern das Engagement und die Vorbereitung.

Wie wird man denn Delegationsleiter?
Grundsätzlich sucht jedes Land der G20-Staaten seine eigenen Delegierten aus. Oft geschieht das über NGOs, wie in Deutschland über den Verein PolicyInnovation e.V., bei dem man sich als Student bewerben kann. Ich habe mich mit ein paar Texten zu den diesjährigen Themen beworben und eine Jury hat mich ausgewählt. In anderen Ländern läuft das nicht unbedingt so, wenn die Regierungen darüber entscheiden, welche Leute auf den Jugendgipfel fahren dürfen.

Wie geht es weiter, wenn ihr zurück in Deutschland seid?
Wir planen ein Nachtreffen in Berlin, bei dem wir uns mit Abgeordneten treffen wollen. Ich möchte gern mit dem Papier bis zum Europäischen Parlament, zu Martin Schulz nach Brüssel, sodass in den kommenden Monaten nicht nur auf der nationalen, sondern auch auf europäischer Ebene darüber diskutiert wird.

Arabisch für alle

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Wenn man aktuell durch die Listen scrollt, was in Flüchtlingslagern dringend gebraucht wird, kommt ein Wort immer wieder vor: Arabisch. Sei es, dass Bücher in jener Sprache gesucht werden, Dolmetscher oder eben auch ein Wörterbuch für jene Sprache. Allein schon, um die Kommunikation zwischen Helfern und Flüchtlingen zu erleichtern.



Dass bei solchen Problemen auch Unternehmen helfen können, zeigt jetzt der Langenscheidt-Verlag. Er hat erklärt, bis zum Februar 2016 sein Online-Wörterbuch Deutsch-Arabisch kostenlos zur Verfügung zu stellen. Zunächst lief das über einen kostenlosen Zugangscode, wegen techinscher Probleme gibt es jetzt das ganze Wörterbuch ganz ohne Code online. Bei den Übersetzungen sind auch Angaben in Lautschrift hinzugefügt. Gleichzeitig hat der Verlag angekündigt, sich an der Entwicklung eines Bildwörterbuchs zu beteiligen, mit dem Flüchtlinge Sprachenübergreifend Deutsch lernen können. Wie das funktioniert, haben wir vor Kurzem am Beispiel eines ähnlichen Projekts vorgestellt.

charlotte-haunhorst

Vom coolen Trainer zum Facebook-Rassisten

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Der Name unseres Autors und die Vornamen aller genannten Personen wurden geändert.


Lieber Tobi,

wenn ich mich an meine A-Jugend-Zeit erinnere, erscheint da zuerst das Bild von meinem ersten Training. Du bist der Trainer, du stellst mich vor. Kahil sieht meine dünnen Beine, lacht und sagt: "Ich dachte, wir suchen Verstärkungen". Da ist das Bild vom ersten Spiel, von meinem ersten Tor. Wie Nadim sich das Bein bricht und heult. Wie die rote Karte zum Leitmotiv einer Saison wird. Der Schiedsrichter, der in den letzten Minuten alles versucht, damit nicht wir, "die Ausländer", gewinnen, sondern die andere Mannschaft, "die Deutschen". Der mit roten Karten um sich wirft, bis wir nur noch zu acht sind, bis in zehn Minuten Nachspielzeit aus einem 2:1 ein 2:3 wird. Der Schiedsrichter, der anschließend bestürmt und beschimpft wird, der in die Kabine flieht, sich einsperrt und die Polizei ruft. Der Verein will unsere Mannschaft danach abmelden. Du nimmst uns in Schutz, du verteidigst uns.

Und sagst jetzt, sieben Jahre später, dass wir in Deutschland nicht genug Platz haben, dass Deutschland missbraucht wird, dass es jetzt reicht mit der Zuwanderung.

Mein Gedächtnis ist wie ein alter Fußball, der in der Garage liegt und immer mehr Luft verliert. Ich kann mich an keinen Satz erinnern, den du damals gesagt hast; aber da sind noch viele Bilder. Und immer bist du auf unserer Seite.

Da ist Cem, der aus seinem Tor über den ganzen Platz rennt. Ein Zuschauer hat jetzt schon fünfmal "Scheißkanacken" gerufen, aus sicherer Entfernung. Der Motor seines Mopeds läuft schon. Cem kriegt ihn nicht.

Da sind wir, sitzen zusammen im Auto, auf der Rückfahrt vom Flutlicht-Auswärtsspiel. Kahil hat heute noch nichts gegessen, nichts getrunken, wegen Ramadan. "Jansen", sagt er zu mir, wegen Marcell Jansen, der ist auch blond, deswegen ist das mein Name. "Willst du Kuchen?"

Da ist das Bild von einem Freistoß: Am Sechzehner haben sich alle aufgestellt. Einer von den Gegnern boxt Thomas in den Unterleib, und Kahil rennt hin, zieht ein Bein vor, liegt in der Luft und tritt den Typen mit voller Wucht. Spielabbruch.

Und da ist mein letztes Spiel. Ich komme direkt von der Abiturfeier. 2:2 kurz vor Schluss, dann gibt es Freistoß für uns. "Willst du schießen?", fragt mich Milan.

Das ist das letzte Bild.

Du musst gemerkt haben, dass Arschlöcher aus Marokko und und aus Deutschland kommen, und dass gute Menschen aus Marokko und aus Deutschland kommen.


Du warst der Trainer dieser Mannschaft, meiner einzigen Fußballmannschaft. Fünfzehn Leute im Kader, sechs bis acht im Training. Thomas und ich: Deutsche. Thomas hat rote Haare, ich blonde. Die weiteren Spieler: ein Marokkaner, drei Portugiesen, ein Peruaner, ein Ecuadorianer, zwei Italiener, ein Spanier, ein Pole, zwei Türken, ein Algerier. Die hatten, glaube ich, alle schwarze Haare. Das war nicht wichtig. Du hast nie erwähnt, wer aus welchem Land kommt, oder besser, aus welchem Land welche Eltern, welche Großeltern kommen.

Alle haben dich gemocht und du hast uns gemocht. Du hast mal geheult, als Kahil ausgerastet ist und wieder vom Platz geflogen ist, weil du enttäuscht von ihm warst. Das heißt, dass du ihn gemocht hast. Kahil hat mal gesagt, dass er sich jetzt endlich in den Griff kriegen muss, weil er dich nicht mehr enttäuschen darf. Das heißt, dass er dich gemocht hat.

Du hast Milan zu deinem Kapitän gemacht, nicht Thomas, weil Milan der beste Spieler war. Nur der Trainer von der Herrenmannschaft, der wollte lieber Thomas, wenn sie mal einen aus der A-Jugend brauchten. Es gab Arschlöcher im Verein und es gab Arschlöcher in unserer Mannschaft. Es gibt überall Arschlöcher. Du musst damals gemerkt haben, dass Arschlöcher aus Marokko und aus Italien und aus Deutschland kommen, und dass gute Menschen aus Marokko und aus Italien und aus Deutschland kommen.

>>> "Du bist stolz, Deutscher zu sein, du liebst deine Heimat. Du musst also ahnen, wie das ist, wenn man in seiner Heimat nicht mehr leben kann."
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Das alles ist jetzt viele Jahre her und wir sind nur noch auf Facebook Freunde. Da teilst du Fotos von "Aufwachen Deutschland", beschwerst dich über Asylmissbrauch und sagst, dass wir Gewalt von Migranten nicht akzeptieren müssen. Ein Bild von Trümmerfrauen, darunter steht: "Man stelle sich vor, nach dem Krieg wären unsere Väter und Mütter einfach abgehauen. Wie ehrlos." Du siehst nicht, dass die Menschen, die zu uns kommen, ihre Heimat verlassen, weil sie sich nicht sicher fühlen, weil sie nicht sicher sind, weil sie Angst haben um ihre Frauen und Männer, ihre Kinder.

Als dein erstes Kind auf die Welt gekommen ist und lange auf der Intensivstation behandelt werden musste, hast du dir große Sorgen gemacht. Du musst also wissen, wie das ist, wenn man Angst hat. Du bist stolz, Deutscher zu sein, du liebst deine Heimat. Du musst also ahnen, wie das ist, wenn man in seiner Heimat nicht mehr leben kann. Ich weiß, dass du viel arbeitest und nicht viel Geld hast; dass du deinen Kindern aber das beste Leben ermöglichen willst. Du musst also ahnen, wie das ist, wenn man nicht weiß, wie man seine Kinder ernähren soll.

Kahil ist ausgerastet, wenn Thomas in die Eier geboxt wurde. Nicht weil der Deutsche angegriffen wurde, sondern sein Freund.


Angst ist in uns allen. Angst vor Veränderung, vor dem Ungewohnten, vor dem Fremden. Die Reserviertheit gegenüber Fremden wird oft Fremdenfeindlichkeit genannt, aber es ist eher so etwas wie ein Fremdenskeptizismus, der nicht unbegründet ist: Von den Menschen, die wir kennen, die so aussehen wie wir, glauben wir zu wissen, was wir von ihnen erwarten können: Wir vertrauen ihnen eher. Damals, im Verein, warst du bestimmt auch skeptisch, ob das alles funktioniert, mit den ganzen Fremden. Aber irgendwann war nicht mehr wichtig, wer fremd aussah. Wir wussten, was wir voneinander erwarten konnten, weil wir uns kennengelernt hatten, weil wir nicht mehr fremd waren. Wir haben füreinander gekämpft, und Kahil ist ausgerastet, wenn Thomas in die Eier geboxt wurde. Nicht weil der Deutsche angegriffen wurde, sondern sein Mitspieler, sein Freund.

Vor drei Jahren habe ich Nadim in der Straßenbahn getroffen. Nadim hat mir erzählt, dass er bald abgeschoben wird, wenn er nicht endlich einen Ausbildungsplatz findet. Ich weiß gar nicht, wie lange Nadim schon in Deutschland lebt. Aber in Algerien, das hat er mir gesagt, kennt er keine Sau. Zwei Haltestellen weiter habe ich draußen Kontrolleure gesehen, die ich noch aus der Schulzeit kannte. Wir hatten beide keine Fahrkarte. Wir sind aufgestanden und rausgerannt, zusammen noch eine Haltestelle gegangen, dann musste Nadim in die andere Richtung weiter. "Mach's gut, Jansen".

Mach's gut, Tobi.

Dein Dominik

Weiß auf weiß

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Bild: Johnny Haeusler

Johnny Haeusler, mit seinem Blog Spreeblick und als Organisator der re:publica-Konferenz einer der bekanntesten Stimmen des deutschen Netzes, hat eine gute Idee, wie er mit rechten Kommentaren in seinem Blog umgehen will. Er schreibt:

Kommentare, die mich nerven, haben ab jetzt weiße Schrift auf weißem Grund. Wer diese Kommentare dennoch lesen will (z.B., um zu verstehen, worauf sich der Widerspruch der Antworten bezieht) kann den Text markieren und dann wieder erkennen.
Ich hebe damit nicht die guten Kommentare hervor, sondern blende die Blender aus, indem ich ihnen gebe, worauf sie oft so stolz sind: Weiße Farbe.

Haeusler stören vor allem gezielte Angriffe auf die Kommentarkultur. "Schon seit zehn Jahren beobachte ich diese Ablenkungs-Taktik," erzählt er, "Mit sturen Verweisen auf linke Gewalt oder Straftaten durch Ausländer versuchen Rechte, vermutlich in irgendeiner Form gesteuert, Diskussionen auf ihr Terrain zu bringen." Für ihn handelt es sich bei den Trollen dabei nicht um einzelne Störer, sondern um organisierte Teams. Und denen will er nicht erlauben, gemäßigte Kommentierer zu vertreiben.

Mit seiner Highlight-Strategie muss er keine ganzen Diskussionen löschen, die eventuell auf Grund guter Gegenargumente doch lesenswert sind. Und hat trotzdem eine wirksame Handhabe gegen extremistischen Quatsch.
"Natürlich lösche ich Kommentare, die komplett unter die Gürtellinie gehen und zeige jene an, die Hass verbreiten oder zur Gewalt aufrufen," schreibt Haeusler. Aber so kann jeder selbst entscheiden, was er sich zumuten will und was nicht.

Solch eine Funktion stünde auch Facebook, leider in Teilen ungenießbares Netzwerk voller Hetze, gut zu Gesicht. Ach, wenn man darüber nachdenkt: Die ganze Welt bräuchte eine solche umgedrehte Highlight-Funktion. Kein schnödes Blocken oder Melden. Keine Zensur. Eher sanfte Schonung. Von Augen und Herz.

friedemann-karig

Laut ist Trumpf

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Donald "the trumpet" Trump. 

Donald J. Trump ist laut. Seit der schwerreiche Unternehmer seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2016 verkündete, liefert er jede Woche einen politisch inkorrekten Aufreger. Oder wenigstens eine saftige Beleidigung. Und das Netz gießt so genüsslich Spott über ihn, dass der Guardian Trump als "greatest meme generator that god has ever created" bezeichnete.
Also: Was ist mit dem? Was kann der? Warum ist der so unterhaltsam?

Ralf Kabelka war Redaktionsleiter der "Harald Schmidt Show" und ist derzeit Reporter und Autor bei der „heute-show“ (ZDF). Als Dr. Udo Brömme schlüpfte er selbst in die Rolle eines machtgeilen Politikers. Wenn einer diesen Donald Trump erklären kann, dann er.
Kabelka als Dr. Udo Brömme in Berlin:

https://www.youtube.com/watch?v=qu_rVfErikY

jetzt.de: In letzter Zeit kommt man an Donald Trump nicht vorbei. Wie kann der, obwohl er noch nicht einmal als republikanischer Präsidentschaftskandidat nominiert wurde, so präsent sein?

Ralf Kabelka: Indem er sich auf allen möglichen Kanälen zu allen möglichen Themen äußert. Und eher selten zu Politik. Wenn er Ernährungsphilosophie twittert wie "I´ve never seen a thin person drink diet coke", oder sich als Promi-Psychologe übt ("Robert Pattinson should not take back Kristen Stewart. She cheated on him like a dog & will do it again--just watch“), dann ist Aufmerksamkeit garantiert. In Deutschland könnte man sich so etwas höchstens von Norbert Blüm vorstellen.  

Aber warum ignoriert man den Mann nicht einfach?

Weil diese Aufmerksamkeit allen nutzt. Wenn er Heidi Klum als "not a 10 anymore" bezeichnet, und sie mit einem Video antwortet, in dem sie sich als „9,99“ darstellt, dann profitieren alle Akteure in dieser Aufmerksamkeitsökonomie von seiner Rüpelhaftigkeit. Die ihnen ja, übrigens auch einer Zeitung wie der Süddeutschen, erst ein Thema gibt.  

Und für Ihre Kollegen ist er doch ein Gottesgeschenk.

Natürlich sind die amerikanischen Gag-Schreiber glücklich, Trump zu haben. Sie müssen nur jede Woche die besten Aussagen zusammenschneiden. Um dann wie Jon Stewart festzustellen: "Watching Trump running for president is like eating ice cream on a rollercoaster made of blowjobs." Oder seine Haare! Allein davon lebt das halbe amerikanische Comedy-Business seit Jahrzehnten. Und wir? Wir haben Andrea Nahles.  

Die immerhin mal Pippi Langstumpf singt. Aber sogar politische Kontrahenten scheinen von ihm so provoziert zu werden, dass sie ihn nicht ignorieren können.

Senator Lindsey Graham, dessen Telefonnummer Trump öffentlich verlesen hatte, entblödete sich nicht, ein Video zu veröffentlichen, in dem er sein heißgelaufenes Handy zertrümmert. Trump ist aber vor allem deshalb so viral, weil seine Attacken zwar inhaltlich fragwürdig, an sich aber oft einfach originell und lustig sind. Und sicher nicht aus Versehen passieren. Sondern wohl gesetzt werden.  

Sie glauben, jemand schreibt ihm diese Punchlines? Wie den rassistischen
Satz, dass die in den USA lebenden Mexikaner kriminell wären und Vergewaltiger, manche aber auch nette Kerle?
Gut möglich. Solche Aussagen sind so eindeutig, kalkulieren so gezielt die Medienresonanz und passen zu dem bisschen politischen Programm, das man von ihm kennt, dass ich nicht glaube, dass es unüberlegte Ausraster sind. Das zielt ja auch auf ein Wählerpotenzial im Mittleren Westen, die so etwas gerne hören. 

http://www.youtube.com/watch?v=YxZkg0rOWI4

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Politisch fordert er unter anderem eine zehn Meter hohe Mauer, "The Wall" oder womöglich sogar "Trump Wall" genannt, zwischen den USA und Mexico, die das Immigrationsproblem lösen soll. 
Und neuerdings sagt er kackfrech, dass das Mexikaner-Zitat aus dem Zusammenhang gerissen wurde, obwohl die Belege ziemlich eindeutig sind. Ganz dreiste Nummer. Würde sich ansonsten niemand trauen. Außer Horst Seehofer im ZDF-Sommerinterview.  

Aber was macht Trump im Gegensatz zu Seehofer irgendwie doch lustig?
 
Trump, dieser Bulldozer, zieht seine Komik aus der Konsequenz seiner Regelverletzungen. Er rudert eigentlich nie zurück. Wie bei seinen frauenfeindlichen Äußerungen, wo statt einer Rechtfertigung oder gar einer Entschuldigung irgendwann nur ein "was soll´s?" kommt.  

Seine Komik scheint ihm aber wirklich politisch zu nutzen, oder täuscht das? Liegt er trotz oder gerade wegen seinen Entgleisungen zwölf Prozentpunkte vor allen anderen republikanischen Kandidaten?
Es gibt genug Blöde, die das nicht nur lustig, sondern wirklich toll finden. Seine hohen Popularitätswerte zeigen: Viele würden ihn unterstützen, und wenn nur um einen Feind des Establishments weiter gegen dessen Regeln verstoßen zu sehen. Auch aus Frust über die etablierten Politiker. Und als Spaßpolitiker, von dem man weiter unterhalten werden will.   

Will man ihn nicht auch Scheitern sehen?
 
Das ist ein eher deutscher Gedanke, weil wir solche Großmäuler nicht mögen. Viele Amerikaner schätzen ihn als angeberischen, aber mutigen Antagonisten einer politischen Korrektheit, für die er – ein weiteres Bonmot – "keine Zeit" hat. Endlich mal einer, der die Schnauze aufmacht, die anderen Loser als Loser bezeichnet, mit seinen Milliarden prahlt.  

Kann man also zu seiner Ehrenrettung wenigstens sagen, da ist einer mal "ehrlich"?

Ja. Auch in Deutschland gibt es ja immer wieder den Ruf nach Politikern mit mehr Ecken und Kanten. Die liefert er, keine Frage.  

Wäre ein solcher Typ in Deutschland, wie Sie mehrmals angedeutet haben, nicht vorstellbar?

Die Lust am Typ Haudrauf gibt es hier auch. Wir haben ja auch einen Dieter Bohlen oder Robert Geiss. Wobei das gegenüber Trump wiederum ziemliche Loser sind, insofern man vom Einkommen ausgeht. Und Bohlen nur arme Teenager auseinander nimmt, die nicht singen können. Die politische Entsprechung zum Unternehmer Trump wäre eher Wolfgang Grupp von Trigema, der aber ein viel zu netter Kerl ist. Oder damals ein Franz Josef Strauss, egal was für ein Hund er wohl gewesen ist. Der schimpfte sehr unterhaltsam auf Studenten: "Dreckige Vietcong-Anhänger, die öffentlich Geschlechtsverkehr betreiben".

Könnte man denn solch eine Figur, deren Name auch noch „Trumpf“ bedeutet, auf der dünnen Grenzlinie zwischen Realität und Satire eigentlich besser schreiben?
Es wäre einen Versuch wert. Manche deutschen Medien würden so einen "endlich sagt´s mal einer!"-Kerl vermutlich feiern. Und die Pegida-Idioten und "Mainstreammedien"-Gegner bekämen ihre Lichtgestalt. Vielleicht lässt man es also besser.  

Einen Autoren der New York Times, der ihn nur als Multi-Millionär, nicht als Milliardär bezeichnete, verklagte Trump wegen Diffamierung auf fünf Milliarden Dollar. Würde man sich als Comedy-Autor überhaupt trauen, so etwas Absurdes auch nur zu denken?

Gute Frage. Man mag Sachen nicht, wenn sie zu gestellt sind. Und dieses Prahlen mit Geld ginge jedenfalls nur im protestantischen Amerika. Man müsste also schon sehr geschickt vorgehen. 

Die wichtigste Frage zum Schluss: Würde sich Til Schweiger mit ihm treffen?

Nein. Zwei Populisten auf einem Haufen, das ginge nicht gut. Und unser Til ist dann doch zu geerdet für diesen abgehobenen Multimilliardär.

Mund aufmachen

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Neulich haben wir hier darüber nachgedacht, ob eine Modebloggerin sich zur Flüchtlingsthematik äußern sollte, dürfte, müsste. Und fanden: Ja. Manche Konflikte darf man nicht in einer Nische verstecken.

Neulich haben wir einen offenen Brief an "die Politiker" geschrieben, der für unsere Verhältnisse außergewöhnlich politisch war. Aber wir fanden, dass unser Gefühl, dass momentan etwas krass schief läuft, einen Text verdient hat.

Und manchmal haben wir diskutiert, ob man eigentlich von Deutschlands Prominenten, also von denjenigen, die eine viel größere Reichweite haben als Modeblogger und wir zusammen, mehr erwarten darf.

Nun haben sich Joko und Klaas geäußert. Ausgerechnet die? Ja, ausgerechnet die. Für sie gilt in diesem Fall: "Das wird man wohl noch sagen dürfen."

http://www.youtube.com/watch?v=tBHMzCOn2Sk

Was wir dabei besonders gut finden: Sie verhehlen gar nicht, dass sie nicht das politische Gewissen der Nation sein wollen oder können. Sie reflektieren öffentlich, dass sie sich in ihrem Beruf ansonsten "einen Donut in die Stirn spritzen" oder "den Mund zunähen" lassen. Dass sie, wäre Deutschland ein Königreich, eher so die Hofnarren wären.

Aber genau deswegen ist dieses Video, das wir übrigens auch in seinem deutlichen Wortlaut gut finden, besonders wichtig. "Es ist höchste Zeit", schreibt Joko Winterscheidt auf Twitter. Höchste Zeit, dass alle, auch diejenigen, die sonst fürs Leichte zuständig sind, den Mund aufmachen. Egal, was sie sonst so treiben. Egal, ob es in normalen Zeiten ihre "Aufgabe" ist. Indem sie ihre ironische Komfortzone verlassen, machen sie deutlich, wie schlimm es schon ist. Dass sie nicht einfach hinnehmen, was eine Minderheit verbricht. Dass wir alle gefordert sind.

Bitte mehr davon.

friedemann-karig

Aufgenommen in München

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Wenn du irgendwo bist, wo du noch nie warst, dann machst du dort wahrscheinlich ein Foto. Vielleicht machst du auch zwei oder drei. Um dich später an den Ort zu erinnern. Oder um deinen Freunden oder deiner Familie ein Bild zu schicken. Manchmal fotografierst du auch nur ein Straßenschild oder eine Haltestelle, damit du den Namen nicht vergisst und dorthin zurückfindest. Wenn du irgendwo bist, wo du noch nie warst, und ein Foto machst, dann bist du wahrscheinlich ein Tourist.
 
In unserer Stadt begegnen wir gerade vielen Menschen, die neu hier sind und darum Fotos machen. Sie sind keine Touristen: Allein im ersten Halbjahr 2015 sind 40 600 Flüchtlinge in München angekommen. Im Schnitt etwa 400 Personen am Tag. Die meisten Neuankömmlinge leben in der Bayernkaserne, dem größten Flüchtlingscamp der Stadt, mit Platz für 1200 Menschen. Immer wieder werden dort noch mehr untergebracht. Der Rest lebt verteilt auf weitere Sammelunterkünfte im ganzen Stadtgebiet. Viele von ihnen warten noch auf ihr Asylverfahren, viele wissen nicht, ob sie bleiben können, und bei vielen ist schon klar, dass sie wieder gehen müssen. Aber solange sie in München sind, sind sie Teil der Stadt. Sie leben hier, sie schauen sich die Stadt an, sie machen sich ein Bild von ihr. Wie sieht dieses Bild aus?
 
Wir haben Flüchtlinge gebeten, uns Fotos zu zeigen, die sie mit ihren Handys in München gemacht haben, und uns etwas darüber zu erzählen. Fanden sie etwas besonders schön, wollten sie sich etwas merken oder jemandem etwas zeigen? Und wie sieht München auf diesen Fotos aus? Jeder hat etwas anderes festgehalten. Denn München kann jemandem, der hier strandet, manchmal ein Festival bieten – oder ein Tablett mit farblosem Essen.

Nathaniel, 20, Nigeria:


 

 

„Ich bin seit dem 24. Juli in München. Gestern haben wir mit einer Gruppe einen Ausflug in den Olympiapark gemacht, wir haben ein Konzert besucht und das Feuerwerk angeschaut. Ich habe auch das Riesenrad fotografiert, aber ich bin nicht damit gefahren. Es war mir zu hoch . . . Es ist spät geworden, darum bin ich jetzt etwas müde. Aber ich hätte trotzdem gerne noch mehr Zeit im Park gehabt. Sie haben uns erzählt, dass auf dem Gelände alle Sportler gewohnt haben, als die Olympischen Spiele in München waren, und dass oben im Turm ein Restaurant ist, aber wir konnten das leider nicht alles anschauen. Vor ein paar Tagen waren wir baden am Fluss. Dafür sind wir an dieser Haltestelle ausgestiegen, die ich extra fotografiert habe, damit ich den Namen nicht vergesse und später weiß, wo ich wieder in die Bahn steigen muss. Auf einem Foto kann man die Brücke sehen, an der wir waren. An meinem ersten Tag war ich beim Bayern-München-Shop, ich kannte und mochte die Mannschaft schon, bevor ich hergekommen bin. Und auf einer Senegal-Party in der Nähe des Hauptbahnhofs war ich auch schon.
 
Den Hauptbahnhof fand ich beim ersten Mal sehr verwirrend. Als ich nach München gebracht wurde, hat man mich dort abgesetzt, mir ein Ticket und eine Karte der Züge in die Hand gedrückt und das war’s. Man muss total aufpassen, dass man nicht in den falschen Zug steigt. Ich habe jemandem die Karte gezeigt und er hat mir geholfen, die richtige Bahn zu finden, obwohl er selbst zum Zug musste. Das war sehr nett. Ich mag München, die Leute sind sehr freundlich hier, und ich möchte gerne noch viel mehr über die Stadt und ihre Geschichte wissen. Ich habe gehört, dass es dieses alte Tor gibt, durch das man früher gehen musste, um in die Stadt zu kommen. So etwas finde ich spannend.“

Julius, 21, und Kelvin, 20, Nigeria:




 

Kelvin:„Wir haben uns hier im Camp kennengelernt und benutzen zusammen ein Telefon. Heute spielen wir Fußball im Park, gestern waren wir mit einer größeren Gruppe im Olympiapark. Auf dem Weg dahin sind wir am Bahnhof vorbeigekommen, auf dem Foto sieht man Julius vor einem Zug.“
Julius:„Das da im Wasser ist Kelvin. Wir waren vor drei Tagen baden im Fluss. Sehr erfrischend! Wenn wir in die Stadt fahren, sind wir sonst meistens am Bahnhof und gehen da in der Gegend ein bisschen spazieren. Nimm du das Telefon mal, du musst ein Foto von unserer Fußballgruppe machen!“

 >>> "Ich spreche die Leute gerne an, um sie zum Lachen zu bringen." 
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Dundu, 29, Senegal





Das Foto habe ich im Olympia Park gemacht, da war glaube ich gerade ein Festival, als ich dort war. Ich finde Hubschrauber super, im Senegal bin ich mal in einem mitgeflogen und es war toll, die Stadt von oben zu sehen.

Ich bin seit fünf Monaten in München. Manchmal gehe ich in den Park und die BMW-Welt habe ich zum Beispiel auch schon mal besucht. Ich wohne in der Bayernkaserne und wir machen mit eine Gruppe von Flüchtlingen immer wieder Ausflüge in die Stadt. Ich gehe gerne dahin, wo viele Menschen sind, um mal etwas anderes zu sehen, andere Farben zu sehen. Und München ist sehr bunt, das mag ich. Ich spreche auch immer wieder Menschen an, um mich mit ihnen auszutauschen und ich mag es, sie zum Lachen zu bringen. Es ist aber auch schon passiert, dass Leute nicht mit mir gesprochen haben. Ich habe sie nach dem Weg gefragt und sie haben mich einfach weggeschickt. Aber so ist das Leben – es gibt eben gute und schlechte Menschen.

Zahid, 24, Pakistan:





„Ich bin erst vor zwei Tagen angekommen und heute werde ich schon weiterverlegt, nach Gießen. Bisher waren hier alle sehr nett und in Deutschland ist es gut. Es gibt ein Gesundheitssystem und soziale Sicherheit. Das einzige Foto, das ich bisher gemacht habe, ist das von dem Essen in der Kantine der Bayernkaserne. Ich habe es meiner Familie und Freunden bei Whatsapp geschickt, um ihnen zu zeigen, dass ich jetzt in Deutschland bin und etwas zu Essen habe.“

Ibrahim, 28, Syrien:





„Ich habe in Damaskus Automechaniker gelernt und will meine Ausbildung hier beenden. Seit einem Jahr bin ich jetzt hier und diese Woche beginnt endlich mein Praktikum in einer kleinen Werkstatt. Mittlerweile ist mein Deutsch ganz gut und ich hoffe, danach in einem größeren Betrieb anfangen zu können. Mein Lieblingsort ist das Deutsche Museum. Als Mechaniker könnte ich mir da stundenlang die ganzen Maschinen anschauen, aber leider ist der Eintritt ziemlich teuer. Im Sommer gibt es aber auch genug andere Dinge zu tun. Meiner Familie in Damaskus schicke ich meine Bilder nicht. Das würde sie nur unnötig traurig machen. Verglichen mit zu Hause ist es hier schließlich wie im Paradies.“

Adnan, 23, und sein Bruder Ahmad, 26, Syrien




„Ahmad ist mein Bruder. Vor einem halben Jahr sind wir zusammen in Deggendorf angekommen. Im Winter. Sehr lange wussten wir nicht, ob da überhaupt jemand wohnt. Die Stadt lag im Schnee komplett lahm. Es gab keine Möglichkeit, Anschluss an die Dorfgemeinschaft zu finden oder Deutsch zu lernen. Wir hatten Glück und wurden zusammen in eine Unterkunft in München verlegt. Ahmad hat als Elektriker Arbeit gefunden und ich möchte im Herbst mein Medizinstudium fortsetzen. Dafür muss ich ziemlich viel Stoff nachholen. Gerade leben wir in einer Turnhalle mit 66 anderen Menschen. Da ist Lernen nicht möglich. Ich setze mich deshalb oft mit meinen Büchern in den Englischen Garten oder die Bibliothek am Rosenheimer Platz. In unserer Freizeit klappern wir die ganze Stadt mit dem Rad ab. Ich habe über 500 Fotos aus dem Tierpark, vom Chinesischen Turm, dem Olympiapark, der Allianzarena und allem, was man hier so anschauen kann. Was mich am meisten beeindruckt in München: Die ganzen Baustellen. Die Stadt verändert sich jedenTag.“  

Straight outta Hollywood

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Ein wenig skurril mutet es schon an, als Rapper Ice Cube den zum Interview hergerichteten Raum im Berliner Ritz Carlton betritt. Klar, mittlerweile ist Ice Cube nicht mehr nur Rapper, sondern auch ein erfolgreicher Hollywood-Schauspieler, Entertainer und Geschäftsmann. So gesehen passt er da schon hin. Doch er ist eben auch der Typ, der Mitte der Achtzigerjahre so wütend, ehrlich und greifbar vom Leben auf den Straßen von Compton erzählt hat, dass man sich fast selbst auf dem aufgeheizten Asphalt stehen sah; jene Straßen von Compton, in denen man ein Hotel wie das Ritz Carlton bis heute vergeblich sucht. 

Doch Ice Cube ist da. Schwarzes Dodgers-Cap, schwarzes N.W.A-Shirt, schwarze Sneaker. Er wirkt klein; kleiner zumindest als in seinen Filmen oder Musikvideos. Aber vielleicht liegt das auch bloß an seiner weiten Garderobe. HipHop to the fullest. In der Hand hält er einen Pappbecher von Starbucks, auf dem ein anderer Name steht als Ice Cube oder O’Shea, wie er mit bürgerlichem Namen heißt. Selbst geholt hat er sich den Kaffee offenbar nicht. Am Vortag war die Europa-Premiere des Films „Straight Outta Compton“ über seine damalige Rap-Crew N.W.A, der noch Dr. Dre und Eazy-E angehörten. Eazy-E ist mittlerweile tot, die anderen beiden Crew-Mitglieder werden als Väter des Gangstarap gefeiert. Im Anschluss an die Vorführung stand die obligatorische Premieren-Party an. Cube wirkt müde, seine Sonnenbrille möchte er nicht abnehmen. „Glaub mir: Diese Augen willst du nicht sehen!“

Mit der Musik böse Mächte bekämpfen


Ice Cube gilt als einer der versiertesten Lyricists und Geschichtenerzähler der gesamten HipHop-Historie, auf dessen Konto nicht nur Songs wie die zeitlose Anti-Polizei-Hymne „Fuck Da Police“ oder das Meinungsfreiheit propagierende „Express Yourself“ gehen, sondern auch die meisten anderen N.W.A- und Eazy-E-Tracks sowie neun eigene Soloalben. Viele seiner Songs sind mittlerweile Rap-Klassiker. Ihre großen Zeiten hatten N.W.A. allerdings Ende der Achtzigerjahre, Ice Cube ist heute 46 Jahre alt. Kann so einer noch junge Menschen erreichen? Versteht er überhaupt noch etwas von den Themen, die für die Jugend aktuell sind?
Ice Cube ist ein angenehmer Gesprächspartner, der aufmerksam zuhört, wenn man ihm eine Frage stellt. Einer, der erst nachdenkt, bevor er den Mund aufmacht. „Mir geht es mit meiner Musik auch heute noch darum, die bösen Mächte zu bekämpfen, die dafür sorgen, dass Menschen sich gegenseitig umbringen – daran hat sich seit N.W.A nichts geändert“, erklärt Cube. „Aber heute benutze ich dafür nicht mehr nur Rapmusik. Ich mache auch Filme, Serien und setze mich in TV-Shows. Selbst ich als Person inspiriere Leute, indem ich tue, was ich tue – indem ich einfach ich selbst bin und keine Angst davor habe, zu neuen Ufern aufzubrechen. Das macht den Leuten Mut, ihr eigenes Ding durchzuziehen und besser in dem zu werden, was sie tun. Ich zeige den Leuten: Lasst euch nicht aufhalten!“

Das war schon Ende der Achtziger so, als Ice Cube und N.W.A im bereits erwähnten Track „Fuck Da Police“ die skrupellose und unwillkürliche Polizeigewalt gegen Schwarze zu einer musikalischen Steinschleuder machten, mit der sie fortan auf Goliath schossen – auf das LAPD und den gesamten amerikanischen Polizeiapparat. „Wir waren damals die ersten, die das Werken und Wirken der Polizei öffentlich in Frage gestellt haben“, sagt Cube. Doch wenn man sich die jüngsten Vorkommnisse von Polizeigewalt in amerikanischen Städten wie Ferguson, Baltimore und Charleston ansieht, scheint sich in den letzten dreißig Jahren nichts verändert zu haben. „Das ist eine Schande, ohne Frage“, findet Cube. „Aber ein bisschen was tut sich schon. Immerhin wird darüber gesprochen. Ein kollektives Schamgefühl macht sich breit. Und einige Polizisten wurden bereits angeklagt. Hoffen wir also, dass sie ihre gerechte Strafe erhalten.“

<<< Einmal Gangsta, immer Gangsta.
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Angefangen hat alles mit der Musik. „Mir ging es nie darum, reich oder berühmt zu werden“, sagt Cube. „Ich wollte im Radio gespielt werden. Und ich wollte von den MCs respektiert werden, zu denen ich damals aufgesehen habe. Beides habe ich erreicht.“ Als er das sagt, lehnt er sich zufrieden auf seinem Ritz-Carlton-Stuhl zurück. So wirkt ein Mann, der mit sich und dem bisherigen Verlauf seines Lebens im Reinen ist.

Aber warum sollte er das auch nicht sein? Immerhin hat er es aus Compton – nach wie vor einer der gefährlichsten Orte der USA – bis nach Hollywood geschafft; neben der Musik hat Ice Cube auch eine ansehnliche Schauspielkarriere hingelegt. Er hat mit seinen Songs nicht nur seiner Stadt, sondern einer ganzen Bevölkerungsschicht ein neues Selbstbewusstsein verpasst. Er hat Dinge verändert und dafür eine Waffe benutzt, deren immense Kraft seinen „Boyz N The Hood“ vorher nicht so bewusst war: das gesprochene Wort.

Trotzdem kann er von dem Leben auf der Straße nur noch aus verblassten Erinnerungen berichten. Unglaubwürdig findet er sich deshalb nicht: „Mir ging es nie darum, Gangstergeschichten nur um der Gangstergeschichten Willen zu erzählen, sondern aus meiner Perspektive über die Umstände auf der Straße zu berichten und meinem Publikum dadurch einen neuen Blick auf die Dinge zu ermöglichen“, sagt Cube. „Das hat mir ermöglicht, Geld damit zu verdienen, ohne mich deshalb verstellen zu müssen. Und an diesem Erfolgsrezept halte ich seit meinen Anfängen fest.“ Sieht er sich denn selbst noch als Gangster, als der er nach wie vor häufig bezeichnet wird? „’Keepin’ it gangsta’ bedeutet nicht nur, kriminell zu sein oder Geschichten davon zu erzählen, sondern auch, den richtigen Business-Deal anzunehmen, sich um seine Familie zu kümmern und seine Kinder großzuziehen. Und wenn man sich meine Musik richtig anhört, wird man feststellen, dass es darin immer schon um sämtliche Aspekte des Lebens ging: auf der Straße, in der Politik, in der Wirtschaft und in Bezug auf ethnische Probleme jeglicher Art. Um alles eben, was das Leben zu bieten hat – wenn auch immer aus meiner Perspektive.“

Old man telling a story?


Ice Cube hat sich nach eigener Aussage bewusst dafür entschieden, keinen Trends mehr hinterherzulaufen. „Mit der Folge, dass ich heute nicht mehr oft im Radio gespielt werde. Aber das ist okay, ich habe einen anderen musikalischen Weg eingeschlagen. Und ich freue mich über jeden, der mich begleitet.“

Vergleichbare Sätze fallen häufig, wenn man auf Künstler trifft, deren größte Zeit vorbei ist. In der Regel schwingt dann ein bisschen Verbitterung darüber mit, dass sich an die alten Triumphe kaum noch Leute erinnern und sich neue Erfolge nicht einstellen wollen. Doch Ice Cube ist eine solche Verbitterung nicht anzumerken. Er hat viel zu erzählen, doch wenig Zeit. Weitere Interviews stehen an, bevor er später nach London aufbrechen muss. So ist er eben, der alltägliche Husstle im Showbiz. Bei der Verabschiedung bedankt sich Cube für das Interesse und das Gespräch, bevor er schlurfend Richtung Foyer verschwindet. Und nach wie vor wirkt er im Ritz Carlton so deplatziert wie ein vor Schimpfworten nur so strotzender Gangstarap-Track im Formatradio. Hollywood hin oder her.


Previously on... Rostock-Lichtenhagen

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Im Netz kursiert ein Video des Bayerischen Rundfunks von 1992, nach den Ausschreitungen gegen die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeiter in Rostock-Lichtenhagen. Darin spricht Angela Merkel, damals Bundesministerin für Frauen und Jugend, mit einem der Neonazis.



"Was würde passieren, wenn zum Beispiel ein Vietnamese ein Bier trinken gekommen wäre?" fragt Merkel.

"Wir hätten ihm das wohl höflich klar gemacht, dass er hier sein Bier nicht trinken kann. Also ohne Gewalt," sagt der Jugendliche, der die Angriffe auf das Asylantenheim gut heißt.

Dieses Video ist so harmlos und wie beängstigend zugleich. Es macht etwas mit uns. Es erfüllt uns mit einem tiefen Unbehagen, das sich nicht in Worte fassen lässt, wenn wir unsere Kanzlerin sehen, vor 23 Jahren. Im Gespräch mit einem Jugendlichen, wie er auch heute in Heidenau und anderswo auftauchen könnte, wo Flüchtlinge terrorisiert werden.

"Ich finde es traurig, dass erst Steine fliegen müssen, bevor eine Ministerin hier herkommt," sagt der Junge mit den abrasierten Haaren. "Hätten sie denn nicht mal früher hier herkommen können?"


Was genau für eine Geschichte wiederholt sich hier gerade? Ist das nur ein Zufall? Ein befremdliches Déjà-vu? Was die Kanzlerin wohl denkt, wenn sie dieses Video sieht?

Wir haben uns das Video mehrmals angeschaut und viel darüber diskutiert. Aber wir bleiben einigermaßen ratlos. So ratlos, wie auch Merkel damals wirkte.


Uns würde aber sehr interessieren, was Ihr dazu meint. Also: Was denkt Ihr?


friedemann-karig

Leibgerichte

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Toast á la Papa

Bester Satz: "Solange überbacken, bis der Käse in das Loch der Ananas absinkt."






Smörgastarta für den Single-Haushalt

Bester Satz:
"Vollkornbrot auf einen Teller geben, darauf Füllung 1 streichen und darauf wieder ein Vollkornbrot, auf dieses Füllung 2 streichen, wiederum ein Vollkornbrot darauf und hier nochmals die Füllung 1, zum Schluss kommt noch ein Vollkornbrot darauf."






Pizzasuppe a la Gummibär1977

Bester Satz:
"Wenn der Käse verschmolzen ist, kann man die Suppe auftischen."






Black Cow

Bester Satz:
"Einfach Milch und Cola zusammen mixen."






Ananas-Michaela

Bester Satz:
"Die Schwester von Kirschen-Michael"






friedemann-karig



"Du brauchst nur mal 'nen richtig guten Fick!"

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Andrzej im Café. 

"Als ich noch jünger war, fand ich diese Filme ganz absurd, in denen zwei Leute im Fahrstuhl fahren, keiner sagt was und dann haben die plötzlich superguten Sex für 30 Sekunden. Immer, wenn ich angefangen habe, Zeit mit Leuten zu verbringen und es war klar, wir finden uns nett, wir sind aufgeregt uns zu sehen, dann waren ganz schnell Erwartungen daran geknüpft, was für eine Art von Beziehung wir führen und was dazu gehört und was nicht.

Das erste Mal, dass ich von dem Begriff A*sexualität gehört habe, war 2008 in dem feministischen Magazin „Anschläge“. Da wurde der Begriff ganz weit aufgefächert, unterschiedliche Formen von A*sexualität erklärt und zum Beispiel dazwischen unterschieden, eine sexuelle Libido zu haben und sich romantisch angezogen zu fühlen. Da dachte ich: „Ah, spannend, das fühlt sich ein bisschen so an wie bei mir!“

Das Sternchen beim Begriff A*sexualität ist mir dabei wichtig, weil es ausdrückt, dass mit dem Begriff alle möglichen Menschen gemeint sein. Zum Beispiel auch solche, die sich als „grey-A“ und „what-the-fuck-romantic“ bezeichnen – so wie ich. grey-A steht bei mir dafür, dass ich mich sehr, sehr selten sexuell zu anderen Menschen hingezogen fühle, vor allem zu denen nicht, mit denen ich emotionale Beziehungen habe. Ich frage mich oft, warum Menschen Liebesbeziehungen so anders leben als Freundschaften. Was ist denn der Unterschied? Warum ist es so wichtig, in einer Liebesbeziehung Sex zu haben? Bei Freundschaften denken die meisten Menschen nicht daran, dass man sich vielleicht ein Konto teilen, gemeinsam Kinder großziehen oder darauf hoffen kann, zusammen alt zu werden. Es ist ganz schön schwierig, Menschen zu finden, die Lust haben, enge und verbindliche Beziehungen zu leben, ohne, dass Sexualität Teil davon ist.

Es gibt ja nicht nur sexuelle Orientierung, sondern auch romantische Orientierung. Da geht es um die Frage, wem gegenüber ich romantische Gefühle habe. Weil ich einfach keinen Unterschied zwischen Freundschaften und Liebesbeziehungen verspüre, fühle ich mich unter dem Begriff „what-the-fuck-romantic“ am wohlsten. Der drückt aus, dass bei der Frage „Was ist denn der Unterschied zwischen Liebe und Freundschaft?“ bei mir so eine Art Fehlermeldung im Kopf kommt.

Was mich oft nervt, ist, dass es nicht mehr Bücher, Filme und Songs über Freundschaften gibt, in denen es darum geht, füreinander da zu sein und spannende Sachen miteinander zu erleben. Wenn es davon mehr gäbe, würde das Freundschaften vielleicht verändern, weil sie dann gesellschaftlich einen ganz anderen Wert bekommen würden. Ich bin mir nicht sicher, ob die Henne oder das Ei zuerst da war – ob wohl so viele Menschen nach sexuellen Liebesbeziehungen streben, weil diese Norm so präsent ist? Ich denke jedenfalls, dass die Liebes-, Romantik- und Sex-Norm Menschen darin einschränkt, welche Arten von Beziehungen und Begegnungen sie begehren oder anstreben oder sich überhaupt vorstellen können.

Welche Art von Sexualität finde ich eigentlich gut?


In den Workshops, die ich zu dem Thema gebe, passiert es eigentlich immer, dass Leute fünf Mal nachfragen, was denn passiert, wenn a*sexuelle Menschen doch „die richtige“ Person finden, oder Sex ausprobieren und der richtig gut ist. Es gibt Menschen, die einfach nicht glauben können, dass A*sexualität ein Dauerzustand sein kann. Ich höre von anderen A*sexuellen immer wieder, dass sie ständig mit der Frage konfrontiert werden, wie sie überhaupt wissen können, dass sie a*sexuell sind, wenn sie Sexualität noch nie ausprobiert haben. Oder ihnen wird gesagt, dass sie bestimmt traumatische Erfahrungen gemacht haben und erst mal eine Therapie machen sollen.

A*sexualität ist immer noch fast unsichtbar in der Gesellschaft, gleichzeitig bestehen enorme Feindlichkeiten gegenüber A*sexuellen. Das hat für das Leben mancher Menschen krasse Konsequenzen. Ich war vor zwei Jahren bei der AVEN (Asexual Visibility and Education Network) Pride Konferenz in Berkely, da wurde von Dingen wie „corrective rape“ erzählt: Manche Leute können es nicht respektieren, dass Menschen a*sexuell sind und es wird tatsächlich Gewalt verübt, mit der Motivation „Du brauchst nur mal nen richtig guten Fick, dann kommst du schon auf den Geschmack“. So was geht natürlich gar nicht. Außerdem habe ich von vielen A*sexuellen gehört, dass sie sich lange Zeit wie Aliens gefühlt haben, bevor sie von der Community wussten. Sie dachten, mit ihnen stimme etwas nicht und sie müssten nur richtig hart an sich arbeiten, dann würden sie es schon schaffen, irgendwie „normal“ zu werden.

Ich glaube, Menschen trauen sich ganz oft nicht, sich selbst zu fragen: Welche Art von Sexualität finde ich eigentlich gut und welche nicht? Welche finde ich vielleicht heute gut und morgen nicht? Vielleicht gibt es auch mal ein paar Wochen, in denen ich gar keinen Sex haben möchte. Ich finde, das muss alles okay sein. Ich glaube, dass viele Menschen von A*sexualität lernen können, besser über ihre Bedürfnisse zu kommunizieren."

Starke Sache

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Schön wäre es, wenn man Toleranz als Pille einwerfen könnte. Manchen Menschen wünscht man es dieser Tage besonders. Fisherman‘s Friend erntete auf Facebook viel Zuspruch, weil die Firma genau diese Idee umsetzte: „Hey Heidenau & Co, exklusiv für Euch: Unsere neueste Sorte. Solltet Ihr auch mal probieren! #mundaufmachen“ postete der Bonbon-Spezialist unter ein Bild mit mehreren Sorten Fisherman‘s. Auf der Packung steht: Toleranz. 

[plugin imagelink link="https://scontent-fra3-1.xx.fbcdn.net/hphotos-xft1/v/t1.0-9/11892118_10154221226779358_1683919832076142603_n.jpg?oh=2a1044443e800957bae49761240f06de&oe=5667A47E" imagesrc="https://scontent-fra3-1.xx.fbcdn.net/hphotos-xft1/v/t1.0-9/11892118_10154221226779358_1683919832076142603_n.jpg?oh=2a1044443e800957bae49761240f06de&oe=5667A47E"]

Die bisher stärkste Sorte Fisherman's. 

Der britische Konzern vermarktet seine Lutschpastillen sonst eher mit kratziger Männerstimme, die etwas heiser raspelt: „Sind sie zu stark, bist du zu schwach.“ Da die Bonbons aber nicht gegen Halskratzen, sondern auch gegen Rassismus wirken sollen, wurde der Slogan dementsprechend angepasst: „Sind sie zu bunt, bist du zu braun.“ Der Effekt: 50.000 Likes innerhalb weniger Stunden. 

Genau so mögen wir Werbung – wenn sie zum richtigen Moment das Richtige sagt. Alles kalkuliert? Alles Kommerz? Die Aktion war kalkuliert - aber auch unerwartet, schlau und wichtig. Denn sie bezieht Stellung und bricht das Schweigen, hinter dem sich viele Global Player verstecken. Bitte mehr davon. Und in der Zwischenzeit vielleicht mal einen Fisherman‘s Truck in Heidenau vorbeischicken.

Mädchen, warum rasiert ihr euch noch?

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Liebe Mädchen,

eben noch mal nachgesehen, um ganz sicher zu sein: riesiger Trend! Immer noch. Sagen alle. Die Cosmo sagt’s. Die Brigitte sagt’s. Die Gala sagt’s. manrepeller.com diskutiert’s zumindest, und das Stil-Ressort von Spiegel Online, das hat sich sogar extra einen schmissigen Einstieg ins Thema überlegt. Der geht so: "Die Achselhaare von Miley Cyrus sehen zart aus, die von Madonna sind zahlreich und borstig."





Borstige Madonna also. Zarte Miley. Fedrige Jemima Kirke. Überall jedenfalls jetzt Achselhaare. Verschärfte Variante: grell gefärbte Achselhaare. Je nach Portal steht dazu was von Freiheit, Protest, Provokation oder schon wieder Mitläufertum. Das wären also die Medien.

Wenn wir uns jetzt aber umschauen, sehen wir: eben keine Haare. Nicht unter Achseln, nicht auf Beinen, nicht auf Bäuchen. Bei euch sprießt und wuchert und wächst es weder borstig noch zart. Ihr ignoriert den Trend offenbar. Und ich wollte eigentlich schon ein anbiederndes "Stay true to yourself, Sistas!" mit High-Five-Verbrüderungshabitus dafür herausblöken. Mit eher dünner aber dafür inbrünstiger Empirie würde ich nämlich sagen: Finden wir gut. Der Großteil von uns jedenfalls. Weil's um uns aber ja eher nicht geht dabei (oder doch?), doch mal ganz direkt gefragt: Warum keine Haare?

Traut ihr euch nicht? Gefällt’s euch nicht? Habt ihr den Startschuss verpennt und wollt jetzt auch nicht mehr nachziehen? Habt ihr’s, um zu einer Haltung zu finden, mal heimlich ausprobiert? Und wie war das? Oder lieber sogar noch eine Nummer größer: Was sind Haare überhaupt für euch? Natürlich? Egal? Eklig? Schön? Protestmittel um des Protests willen? Oder Ausdruck eines Kampfes, für etwas, das ihr euch wirklich wünscht? Und welche Rolle spielen wir bei alldem eigentlich?

Mal bitte Licht ins Dickicht bringen,

Eure Jungs

>>>Die Mädchenantwort von martina-holzapfl<<<
[seitenumbruch]Liebe Jungs,







heissa! Smarte Beobachtung. Stimmt, wir machen das nicht. Mit dem Haareeinfachstehenlassen. Auch wenn es alle lauthals als Trend verkünden. Aber der Mainstream folgt einfach nicht. Nicht konsequent. Auch wenn wir in Jemima Kirke verknallt sind und so. Natürlich: Wir haben uns total an gelegentliche Fotos cooler Bräute mit Achselhaaren gewöhnt. Erst recht, wenn die Trägerin ansonsten ein sehr schöner und gepflegter Mensch ist und man sieht, dass das nicht etwa Verwahrlosung, sondern echter Style ist. Und auch an einer etwas ausgeprägteren Untenrumbehaarung gibt’s nicht mehr viel strange zu finden, die Zeiten sind ja schon länger vorbei. Komplettwachsung oder dieser komische Brazil-Landebahnstreifen sind sehr selten geworden, Saunabesuche mit Freundinnen beweisen das.

Woran man aber leider doch immer noch sehr deutlich sieht, dass die Sache mit weiblicher Körperbehaarung null durchgefochten und selbstverständlich ist, ist zum Beispiel das Thema behaarte Beine (nachfolgend wären dann noch zu nennen: Gesichtsbehaarung, Fußbehaarung und alle anderen Formen rätselhafter Inselbehaarungen). Traurig, aber wahr. Dazu folgende schockierende Anekdote aus meinem höchsteigenen Leben:

So wie ein Jahr lang keine Zähne putzen?


Ich neulich so Instagram durchgescrollt. Mal geguckt, was eine alte Freundin aus Neuseeland so treibt. Die ist Künstlerin, Illustratorin und an sich 'ne ziemlich coole, sweete Socke. Ich schau mir also ihren Instagramfeed an: Fotos von unordentlichen Atelierräumen, Zeichnungen, lustigen T-Shirts, pastellfarbenem Himmel, hippen Limos mit schönen Strohhalmen. Und dann, bäm: superbehaarte Männerbeine! In ihren bunten Sneakers! Ihre Hände sind irgendwie auch mit auf dem Bild, mit türkisem Nagellack, neben den schwarzhaarigen, sich im Schneidersitz befindenden Waden liegt eine ihrer Zeichnungen. Hä? Irgendwas passte da nicht. Irgendwas war höchstverstörend. Weil das eben keine Männerbeine waren, sondern ihre eigenen Frauenbeine. Nur eben mit der Behaarung eines Mannes drauf. Ihr versteht, was ich sagen will: Das war nicht nur so ein bisschen nachlässiger Längernichtrasiertmodus. Das war so richtig volle Kanne. Das kann nur der bewusst wucherngelassene Haarwuchs von.... tja, ich weiß nicht – zwei Jahren sein?

Schlimm, oder: Ich weiß nicht mal, wie lange das dauern würde, bis man so was an den Beinen hätte! Weil ich noch nie in meinem ganzen langen Leben länger als einen Monat die Beinen nicht rasiert habe! Ist das nicht eigentlich schon ein total gestörtes Körperverhältnis? Wenn man nicht weiß, wie die eigenen Beinhaare aussehen würden, wenn man sie mal kommen ließe? Andererseits: Man weiß ja auch für gewöhnlich nicht, was passiert, wenn man mal ein Jahr keine Zähne putzt. Einige Sachen müssen eben nicht sein. Aber natürlich ist das ein schwachsinniger Vergleich, denn vom Haarewachsenlassen wird man nicht krank, vom Zahnputzboykott vermutlich schon.

Gut, also weiter im Text. Ich also so triple-schockiert: Schock über das verstörende Bild. Schock darüber, dass mein angepasstes Hirn sich von dem Anblick eines ganz natürlichen haarigen Frauenbeins verstören lässt. Schock darüber, dass mir klar wird, dass ich noch nie solche Beine hatte und es mich auch jetzt nicht ausprobieren trauen würde.

Die Stimme in meinem Kopf dann natürlich gleich so: "Du solltest das gut finden. Das ist mutig und lässig. Die zieht das einfach durch. Solche Frauen braucht's." Kurze Pause, kurzes inneres Drucksen. Dann: "Aber das sieht schrecklich aus! Verstörend! Affenmenschmäßig! Unsexy like hell! Kacke! Unfein! Hundert Prozent unelegant! Abtörner!"

Tja. Die nächsten Gefühle gingen dann so in die Richtung verwirrende, vergrübelte Aggressionen. Darüber, dass ich doch fester und tiefer in dieser Mann-Frau-Sehgewohnheits-Ästhetik-Sache drinstecke, als mir lieb ist. Denn nein, ich würde mir meine Haare nicht so stehen lassen. Ich finde es nicht schön, basta, ich hätte Angst, dass man mich asexualisiert, will sagen: In die geschlechtslose Nerd-Ecke stellt. Würde ich bei einer Haarfrau jedenfalls so machen. Hab ich bei meiner coole Art-Freundin aus Neuseeland ja auch so gemacht. Das ging ganz schnell und unbewusst, da würde ich noch nicht mal von einer freien Entscheidung sprechen. Da kann mir das heißeste, coolste, stilgebendste Chick des Jahrhunderts ankommen – zieht die ihr Hosenbein hoch und da wuchert ein Affenfell, dann: Oh fuck! Bleibt kein Funken "Love your style" mehr bei mir übrig. Vielleicht ein "Love your Mut, komische Frau", aber bestimmt kein Girl-Crush-mäßiges "Love your style".

Denn, noch so eine deprimierende Selbstbeobachtung: Wenn ich selbst mal ein paar Wochen vergesse, meine Beine zu rasieren, dann hab ich schon immer ein bisschen Angst, dass das jemandem auffällt und der mich dann eklig findet. Ja, richtig gehört, DER: Vor Frauen hätte ich diese Scham nicht. In einer Frauenrunde würd ich von meinem Bein aufgucken und rübergrinsen und sagen: "Ups, schon wieder länger nicht rasiert." Das fände keine Frau in der Runde eklig. Sondern megasympathisch. Eine würde sagen: "Haha, bei mir auch, guck mal." Man würde Haarlänge vergleichen und lachen. Und dann würden wir rülpsen und über irgendwelche Körpernachlässigkeiten witzeln.

Es geht bei dieser Sache mit der Körperbehaarung mehr um unsere Wirkung bei euch Jungs, als uns lieb ist. Kann man schon einfach mal so sagen. Vor euch wäre es uns peinlich, behaart aufzutreten. Weil wir zu wissen glauben, dass ihr behaarte Mädchen verstörend findet. Und auch wenn du jetzt schön brav vorsichtig warst in deiner Fragestellung: Rauszulesen, dass ihr das tatsächlich tut, ist es.

Tja. Deprimierend, aber Körperbehaarung bei Frauen, das ist immer noch ein Tabuthema. Da steht noch eine große Revolution an. Eine richtig, richtig große Revolution.

Wir haben verstanden: KW 35

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  • Flamingos sind Schweine, die auf einem Bein stehen können. Zumindest klingen sie so.

  • Eine These, die die Wissenschaft mal wirklich dringend untersuchen sollte: Je chaotischer der Mensch, desto größer der Drang, dass die Laustärke am Fernseher sich durch zwei oder fünf teilen lässt.

  • Bei der Online-Suche nach einer leicht zu bewältigenden Wanderroute, niemals auf das Label "leicht" verlassen, wenn im Namen der Webseite das Wort "Alpinisten" vorkommt.

  • Es gibt Menschen, die trinken eine Maß Milch.





  • Auch Freundschaften können in Schieflage geraten.

  • Eine Süßigkeit, die sich lohnt, wiederentdeckt zu werden: Nappo.

  • Dabei wichtig: im Kühlschrank lagern!

  • Automatenkaffee schmeckt in Frankreich einfach besser. 

  • Und in Italien. 

  • Joko und Klaas können auch virale Videos machen. 

  • Es ist viel schwieriger, eine Stadt bei Sonnenschein zu verlassen, als im strömenden Regen.

  • Der Weißwurstäquator verläuft parallel zum Speziäquator.

  • Wenn's am schönsten ist, muss man gehen. Immer.

  • Bei spontanen Promivergleichen immer kurz darüber nachdenken, wie tief man das Gegenüber damit seelisch verwunden könnte.

  • Am Ende des Sommers herrscht Torschlusspanik, weil man nicht mal annähernd alle Sommertätigkeiten geschafft hat.

  • Die letzten drei Tage arbeiten vor einer Woche Urlaub fühlen sich so an, wie die letzten drei Wochen vor den großen Ferien als Schüler.

  • Der Satz "Ich geb' dir einen aus" ist ein universelles Heilmittel.

  • Der große Vorteil einer freiberuflichen Tätigkeit: Man muss bei der Arbeit keine Hose mehr tragen.

  • Die Eissorte "Graceland" enthält Banane und Schokolade. Und Erdnüsse.

  • Es gibt nichts Tröstlicheres als eine heiße Dusche in anstrengenden Zeiten.

  • Witwer leben wie Junggesellen. Sie essen Ravioli und haben eine Kiste Flens auf dem Balkon stehen. Die ist dann aber zumindest alkoholfrei.

  • Je näher der Start des Oktoberfests rückt, desto mehr Freunde melden sich und fragen, wie's in München so läuft und wann man sich mal wieder sieht.

Wochenvorschau: Auf ins neue Leben!

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Wichtigster Tag der Woche:
Gleich der Montag. Da startet nämlich mein Umzug nach Dresden - ich überlege seit Tagen schon nervös, wie all meine supertollen, wichtigen Dinge in einen Kombi passen sollen. Außerdem werde ich zum ersten Mal meinen zweiten Mitbewohner treffen; der war bei der Besichtigung nämlich im Urlaub. Vorfreude!  

Politisch interessiert mich... ...wie man die Situation der Flüchtlinge in Deutschland verbessern kann. Nein, das ist kein alter Hut. Wie sich im Kleinen etwas verändern lässt und wie man mit all den “besorgten Bürgern” umgeht, die vor Flüchtlingsheimen herumlungern. Die Frage ist für mich persönlich - angesichts meines neuen Wohnortes - besonders drängend. In diesen Wochen habe ich schon das ein oder andere “Uiuiui, nach Dresden, wirklich?” über mich ergehen lassen müssen.  

Wochenlektüre: Philippe Djians “Schwarze Tage, weiße Nächte”. Hab ich gerade erst angefangen, aber vermutlich geht es wieder um einen erfolglosen Schriftsteller in der Midlifecrisis. Find ich ja super sowas. Philippe Djian, das ist übrigens der mit “Betty Blue” in den Achzigern - das hat ja die BILD letztens in ihrer ganz fürchterlich designten “Skandal Edition” neu aufgelegt. Trotzdem, super Buch.

Kinogang? Da gibt es keinen so richtigen Favoriten. Vielleicht “About a girl”, eine Geschichte über die lebensmüde Charleen, die sich nach einem gescheiterten Selbstmordversuch mit dem Streber Linus anfreundet und so mehr oder weniger zurück ins Leben findet. Kann super werden, wenn man’s richtig macht. Allerdings wird der Film als “freches Plädoyer für die Liebe” angekündigt, und da bin ich immer schonmal vorsichtig. Viel wichtiger: In welches Kino? Fünf Minuten von meinem neuen Zuhause entfernt ist nämlich die Schauburg Dresden, und da will ich allein des Namens wegen mal hin.    

Soundtrack der Woche: Einfach mal das Gegenteil von einer Neuerscheinung: Ein Freund von mir probt im Rahmen seines Studiums für einen Beatlesabend, wo er mit ein paar Freunden die Lieder vom “White Album” von 1968 singt. Alt, aber immer noch extremes Ohrwurmpotenzial.  

Geht gut diese Woche: Ommas Malerlatzhose auftragen, ebay-Kleinanzeigen als Favoriten im Handy speichern.    

Geht gar nicht diese Woche: Selbstgebastelte Malerhütchen aus Zeitung peinlich finden. Mein Vormieter war zwar sehr nett, hat aber auch Fußabdrücke (!) an der Decke hinterlassen - die muss also gestrichen werden, ohne dass man sich auf den Kopf kleckst.
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