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Nach der Plage

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Diejenigen, die hier aufgewachsen sind, erzählen sich noch, wie das war, damals, als die Stechmücken nicht bekämpft wurden am Rhein: Abends traute sich keiner mehr hinaus oder unter den Gittern und Netzen hervor. Riesige Schwärme von Plagegeistern waren unterwegs, 50, 70 Stiche keine Seltenheit. Einschmieren half nicht. Dann, 1976, begann die Kabs mit der Arbeit, die „Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage“, ein Verein. Seither hat die Kabs eine Art Heldenstatus in der Region. Knapp 100 Städte, Gemeinden, Landkreise und das Land Baden-Württemberg gehören ihr heute an und finanzieren sie. Was als kleinere Schnaken-Aktionen um Speyer, Mannheim und Karlsruhe herum begann, das zieht sich heute auf breiter Front 300 Kilometer den Rhein hinunter, vom Kaiserstuhl bis nach Bingen – „ein Gebiet von 6000 Quadratkilometern“, wirbt die Kabs für sich, „und eine Bevölkerung von rund 2,7 Millionen Menschen vor Stechmückenplagen geschützt“.

Der Stoff, auf den die Bekämpfer am Rhein seit Jahrzehnten setzen, heißt BTI, „Bacillus thuringiensis israelensis“, ein Bodenbakterium, das tödlich wirkt auf Mückenlarven. Mehrmals im Jahr wird BTI per Hand oder mit dem Helikopter ausgebracht, an die 90 Prozent der Mücken werden laut Kabs vernichtet. Die Substanz ist mittlerweile rund um den Globus ein Renner, etwa in den USA, in Schweden oder an der französischen Mittelmeer- und Atlantikküste. In Westafrika erproben das Universitätsklinikum Heidelberg und die Kabs das Mittel zur Bekämpfung von Malaria. Die Überträger, Mücken der Gattung Anopheles, haben teilweise Resistenzen gegen die gängigen Insektizide entwickelt. BTI gilt als biologische Alternative, die nur wenige Mückenarten gezielt tötet und ungiftig ist für Menschen und Wirbeltiere.

Doch so einfach ist es offenbar nicht. Auf der einen Seite scheint die Wissenschaft weitgehend einer Meinung zu sein, dass sich außer Mücken nichts so leicht mit BTI umbringen lässt – auch wenn eine argentinische Laborstudie von 2014 Hinweise liefert, dass südamerikanische Pfeiffrösche an hohen BTI-Dosen sterben und bei niedrigeren Konzentrationen in oxidativen Stress geraten oder Genschäden davontragen können. Auf der anderen Seite deuten neue Untersuchungen darauf hin, dass das Vernichten der Mücken der Natur langfristig zusetzt. Mehrere Studien zeigen, dass BTI nicht nur die Plagegeister der Gattung Aedes vernichtet, sondern auch einen Teil der nicht stechenden Zuckmücken. Die sind eine wichtige Nahrungsquelle für Vögel, Fledermäuse oder einige Libellenarten und Fische. So hat eine über drei Jahre angelegte Erhebung der University of Missouri 2014 in Minnesota nachgewiesen, dass BTI den Zuckmückenbestand am Ende um 60 bis 80 Prozent dezimiert hatte.



Am Rhein werden gegen die Mückenplage Insekitizide verwendet, deren Folgen für die Umwelt unklar sind.

In der südfranzösischen Camargue, einem einzigartigen Feuchtgebiet, das aus ökologischen Gründen über 40 Jahre von der Mückenbekämpfung ausgenommen blieb, wurde 2006 auf einem knappen Neuntel der Fläche erstmals BTI eingesetzt. Die Forscherin Brigitte Poulin vom Tour du Valat Research Center begleitete das Projekt fünf Jahre lang und stellte fest: Die Mehlschwalben in dem Gebiet mussten auf andere Beute wie fliegende Ameisen ausweichen, die ihrer Brut nicht sehr gut bekam – die Küken blieben in der Entwicklung deutlich hinter den Schwalbenjungen zurück, die in den unbehandelten Landstrichen aufwuchsen.

Auch in der Rheinebene bei Neustadt-Geinsheim hat das Institut für Umweltwissenschaften der Universität Landau im vergangenen Jahr den Einfluss von BTI auf Überschwemmungsflächen untersucht. Ergebnis: In den ersten sechs Wochen nach dem Ausbringen waren weniger Fledermäuse und Spinnen unterwegs. Außerdem wurden an einer behandelten Stelle „deutlich weniger“ junge Molche gefangen. Die Forscher verweisen darauf, dass die Aussagekraft ihrer Studie „durch die wenigen Flächen begrenzt“ sei. Doch warum sich die BTI-Effekte nicht ganz so klar ausprägen wie in der Camargue, dafür haben sie eine einleuchtende Erklärung: In Südfrankreich wurden zum ersten Mal überhaupt Mücken bekämpft, in der Pfalz dagegen blieb über lange Jahre behandeltes Gelände nur eine einzige Saison BTI-frei.

Die Königlich Schwedische Wissenschaftsakademie hat 2014 die weltweit verfügbaren Daten zur BTI-Forschungslage durchforstet und kommt zu dem Schluss: Zwar sei gut untersucht, welche Organismen beim BTI-Einsatz unabsichtlich mitgetötet werden, nämlich die Zuckmücken. Aber man wisse wenig darüber, wie sich das Gift auf die Nahrungsnetze auswirkt, auf das Fressen und Gefressenwerden – auf die Tierwelt, die auf Insekten angewiesen ist, und die Arten, die wiederum von den Insektenvertilgern leben.
Am Oberrhein ist das besonders problematisch, weil die Region zu den artenreichsten Naturlandschaften Deutschlands zählt. Das Gebiet wurde als einer von 30 „Hotspots der Artenvielfalt“ ausgewählt – 600 Quadratkilometer Auen und Feuchtgebiete gibt es hier. Und ausgerechnet dort wird auch BTI eingesetzt, denn gerade dort brüten die Mücken. Das läuft über Ausnahmegenehmigungen der Naturschutzbehörden, die immer wieder erteilt werden. Allerdings nicht ohne ein gewisses Unbehagen, wie mehrere Schriftwechsel belegen: In den zuständigen Amtsstuben sehnt man sich nach Daten, um den Einsatz von BTI endlich auf eine fundiertere Basis stellen zu können. Öffentlich äußern will sich keiner, nicht einmal die damit befassten Wissenschaftler. Das Thema ist politisch zu beladen. Wer will den Menschen schon beibringen müssen, dass sie künftig vielleicht wieder mit mehr Schnaken leben müssten, sollte sich BTI als Artenausdünner erweisen?

Doch es könnte auch ganz anders kommen. Womöglich reguliert sich die Natur von selbst, wenn die BTI-Last heruntergefahren wird und wieder mehr Insektenfresser die Schwärme dezimieren, sodass das Mückengift gar nicht flächendeckend eingesetzt werden muss. Wissenschaftler verweisen auf die Elbregion: Hier toleriere die Bevölkerung die Schnaken seit Jahrzehnten. All diese Fragen kann derzeit keiner beantworten, weil es an groß angelegten, belastbaren Untersuchungen fehlt. „Das Thema ist völlig unerschlossen“, bekräftigt ein Forscher.

Norbert Becker bestreitet das. Seit Jahren wischt der wissenschaftliche Direktor der Kabs alle Bedenken wegen BTI beiseite: Das Mittel schade der Natur nicht. Aufgrund der von Becker vorgelegten Daten genehmigen die Behörden den Einsatz des Mückengifts am Rhein. Dabei ist das, was die Kabs bislang präsentiert hat, alles andere als unumstritten. Eine Liste mit Forschungsarbeiten, die Becker dem Regierungspräsidium Freiburg in der ersten Märzwoche zugestellt hat, belegt nach Ansicht von Wissenschaftlern nicht, wie BTI im Nahrungsnetz wirkt. Größtenteils stammen die darin von der Kabs aufgelisteten Studien aus den 1990er-Jahren. Zudem handelt es sich in der Mehrzahl um Diplom- oder Doktorarbeiten und um unveröffentlichte Berichte, was, so ein weiterer Forscher, „sehr intransparent“ sei. Das Problem: Diese Untersuchungen wurden nie in einem Fachblatt gedruckt. Das erschwert es der Forschergemeinde, die Ergebnisse zu diskutieren. Außerdem haben die Arbeiten damit auch nicht die wissenschaftliche Qualitätskontrolle einer Fachzeitschrift durchlaufen, „Peer-Review“ genannt. Je renommierter die Fachzeitschrift, desto strenger die Qualitätskontrolle.

Becker sagt, er wolle eine „Gesamtschau zur Umweltverträglichkeit“ von BTI bis Ende des Sommers vorlegen. Zudem gebe es sehr wohl Fachzeitschrift-Publikationen bei der Kabs zum Nahrungsnetz, die teilweise allerdings erst noch erscheinen müssten. Das Material, das Becker nachreicht, sei altbekanntes Material, erschienen in wenig gelesenen Fachmagazinen und befasse sich „maximal mit dem Einfluss von Stechmücken auf eine Tiergruppe, nicht aber mit dem Nahrungsnetz“, so ein Forscher zu den Kabs-Studien.
Offenbar ist inzwischen auch offiziellen Stellen nicht mehr ganz wohl. Das für Umweltfragen zuständige Landwirtschaftsministerium in Stuttgart verspricht, das Regierungspräsidium Freiburg werde aufgrund der von Becker für Sommer angekündigten Kabs-Studie entscheiden, „ob und gegebenenfalls welche Änderungen an der bisherigen Genehmigungspraxis erforderlich sind“. Das von Minister Alexander Bonde (Grüne) geführte Haus legt sogar noch nach: Sollte die neue Kabs-Studie „nicht alle Problemstellungen ausreichend“ klären, oder sollten „aufgrund neuer Erkenntnisse weitergehende Prüfungen erforderlich werden“, dann müsse die Kabs nachbessern und nachweisen, dass durch BTI keine erhebliche Beeinträchtigung eintritt.

Die Nervosität hat ihren Grund: Sind Naturschutzareale nämlich als Natura-2000-Gebiete ausgewiesen, sitzt den Ländern die EU im Nacken. Die Areale werden Brüssel gemeldet und es muss dann sichergestellt sein, dass etwa der Bestand an bestimmten seltenen Arten nicht abnimmt. In Mainz freilich reagiert man gewohnt routiniert auf Anfragen zum Thema BTI: „Denkbare Beeinträchtigungen für natürliche Lebensgemeinschaften“ würden untersucht, „um die Anwendungen zu optimieren“.

Die Sammler sind wieder da

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Am 8. April 2014, so konnte man damals glauben, war der Schlusspunkt einer jahrelangen Debatte erreicht. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) er-klärte die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig, das Urteil ließ allenfalls einen geringen Spielraum für eine Neuauflage der anlasslosen Speicherpflicht von Verbindungsdaten – vielleicht auch gar keinen. Dann geschahen die Anschläge von Paris, seither klettert das Thema auf der Agenda steil nach oben. Die Kanzlerin hat ihre Wiedereinführung gefordert, ebenso der Vizekanzler (wenngleich rechtsstaatlich eingehegt). Selbstverständlich befürworte er die Speicherpflicht, sagt auch Innenminister Thomas de Maizière, das „erscheint mir im Kampf gegen den Terrorismus notwendig“. Oder Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft: „Es geht um schwerste Kriminalität, es geht um Terrorismus, den wir aufklären wollen.“



Ermittler verfügen bereits über viele Instrumente zur Überwachung, Kritiker warnen vor allwissenden Behörden.

Die Botschaft ist eindeutig: Wir brauchen den Zugriff auf den Datenvorrat, und zwar zur Terrorbekämpfung.
Stimmt das?

Lange vor den Anschlägen von Paris hat Generalbundesanwalt Harald Range, der ja zuständig ist für den „Kampf“ gegen den Terrorismus, jene Islamisten ins Visier genommen, die beim „Islamischen Staat“ in Syrien das Handwerk des Tötens gelernt haben und dann nach Deutschland zurückkehren. Hier werden sie reihenweise festgenommen, die Bundesanwälte beantragen Haftbefehle und schreiben Anklagen, inzwischen laufen Verfahren gegen mehr als 100 Beschuldigte – Tendenz steigend. Ermittler in Bund und Ländern arbeiten Hand in Hand. Wäre Erfolg im Antiterrorkampf nicht eine stets vorläufige Kategorie, müsste man von einer Erfolgsgeschichte sprechen.

Und man fragt sich: Wie machen die das, so ganz ohne Vorratsdaten?

Die Debatte um die Speicherpflicht für Telekommunikations- und Internetverbindungsdaten krankt daran, dass der Begriff „Vorratsdatenspeicherung“ zu einer Chiffre degeneriert ist, die suggeriert: Entweder wir haben sie, oder wir haben nichts. Dass dieses Alles-oder-nichts-Prinzip eine Schimäre ist, kann erkennen, wer Gesetze lesen kann – wie das BKA-Gesetz.

Das Bundeskriminalamt, so steht es in Paragraf 20m, kann „Verkehrsdaten“ von Personen erheben, bei denen „bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dass sie eine jener Straftaten aus dem langen Katalog der Terrordelikte vorbereiten. Dass „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“, dafür braucht es noch nicht einmal einen Anfangsverdacht, wie ihn die Staatsanwälte etwa für ein Ermittlungsverfahren wegen „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat“ benötigen. Und schon dort ist die Hürde nicht sonderlich hoch: Wer konspirativ mit den falschen Leuten kommuniziert, kann sich schnell ein solches Verfahren einfangen. In Sachen Terror ist die Lizenz zum Datensammeln für die Ermittler vom BKA also leicht erhältlich. Und das ist nur ein Werkzeug in ihren Händen: Telefonüberwachung, Observation, Lauschangriff – der Instrumentenkasten ist reich bestückt.

Richtig ist aber, dass die Ermittler damit nur sehr begrenzt in die Vergangenheit blicken können. Die Datensammlung beginnt, sobald „Tatsachen“ eine entsprechende Gefahr begründen. Zwar umfasst dies auch die bei den Telekommunikationsdienstleistern gespeicherten Daten, die dort oft nur ein paar Tage oder Wochen lang vorhanden sind. Lange Speicherfristen könnten womöglich helfen, die Aufhellung terroristischer Strukturen zu erhellen – falls überhaupt Strukturen existieren: Die radikalisierten Syrienrückkehrer entsprechen eher dem Typus des Einzelkämpfers, mit einem Einblick ins Kommunikationsmuster ist dort nicht viel zu holen.

Außerdem gibt es in Deutschland eine große Zahl weiterer Behörden, die die Strukturen des Terrors durchleuchten, allen voran das Bundesamt für Verfassungsschutz. Auch das BfV verfügt über die Befugnis, Telefon- und Internetdaten aufzuzeichnen – wenn „tatsächliche Anhaltspunkte“ vorliegen, dass bestimmte Personen „schwerwiegende Gefahren nachdrücklich fördern“. Eine Hürde, die höher aussieht, als sie wirklich ist, meint Matthias Bäcker, Professor für Staatsrecht in München. „Wenn der Verfassungsschutz will, kann er relativ viel machen.“ Zwar ist der Auftrag der Verfassungsschützer eher allgemein auf die Aufklärung staatsgefährdender Umtriebe und nicht auf die konkrete Verbrechensbekämpfung gerichtet. „Aber wenn er auf den Verdacht einer terroristischen Straftat stößt, kann er die Erkenntnisse weiterreichen.“ Man ahnt es bereits: Zum Beispiel dann, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte“ für bestimmte staatsgefährdende Delikte bestehen. Also wenn es um Terrorismus geht.

Die Protagonisten der Terrorbekämpfung sammeln, speichern und tauschen also längst eine Vielzahl jener Daten, die ihnen die Politik mit einer neuen Speicherpflicht bereitstellen möchte. Der Rückgriff in einen vorsorglich angelegten Megapool aus Verbindungsdaten könnte dabei helfen, die letzten Fugen im Beweisgebäude zu kitten – integraler Bestandteil der Ermittlungen ist er nicht. „Beim Terrorismus leuchtet eine Vorratsdatenspeicherung nur sehr begrenzt ein“, resümiert Bäcker.

Wofür braucht man dann überhaupt die Vorratsdatenspeicherung?

Als nützlich zur Aufklärung vieler Verbrechen werden vornehmlich die Standortdaten angesehen, die beim Einloggen von Handys in Funkzellen entstehen – aber solche Bewegungsprofile will die SPD explizit ausschließen, sagte kürzlich Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Spricht man mit Ermittlern, dann stößt man vor allem auf einen Bereich, in dem sich der Wegfall der Speicherpflicht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2010 schmerzhaft bemerkbar macht: die Kriminalität in der digitalen Welt. Computersabotage, Ausspähen von Passwörtern, Kinderpornografie, solche Dinge. Dort ist die IP-Adresse der entscheidende und häufig einzige Ansatzpunkt, um den Tätern auf die Spur zu kommen – und wenn die nicht gespeichert ist, tappt die Polizei im Dunkeln. Gern genannt wird zudem der „Enkeltrick“, mit dem sich Kriminelle bei alten, einsamen Menschen als vorgebliche Verwandte in Geldnot einschleichen, um sie um ein paar tausend Euro zu prellen. Solche Taten sind schwer aufzuklären, wenn man nicht die Telefonnummer des ersten Lockanrufs hat.

Nur: Wer dafür eine Speicherpflicht möchte, der muss dies auch sagen. Und muss einräumen, dass er nicht über Schwerkriminalität spricht. Gewiss, auch hinter solchen Delikten stecken mitunter kriminelle Organisationen und skrupellose Täter. Doch in einer aufrichtigen Debatte muss die Frage lauten, ob eine Gesellschaft bereit ist, für die Bekämpfung von Enkeltricks und Internetkriminalität einen Preis zu zahlen: den der Einführung einer anlasslosen Massenüberwachung unverdächtiger Bürger.

Wenn Waffen erzählen

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Theoretisch darf jeder, in den USA. Der Drugstore-Besitzer, die Nachbarin, der Student, die Lebenskünstlerin. Ihnen allen garantiert der zweite Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten, dass sie eine Waffe tragen dürfen. Nach Ereignissen wie dem Amoklauf im Newtown oder dem Tod des deutschen Austauschschülers Diren D. in Montana werden die Stimmen der Waffengegner laut, doch am Ende setzen sich die Befürworter immer wieder durch. Eine Verschärfung des Waffengesetztes scheiterte zuletzt im April 2013.

Doch was würde passieren, wenn die Waffen sprechen könnten? Wenn sie ihren Besitzern – dem Studenten oder dem Drugstore-Besitzer – ihre Geschichte erzählen könnten? Davon, wie ein fünfjähriges Kind sie im Elternschlafzimmer fand und dann aus Versehen den neunjährigen Bruder erschoss? Würde der Student sie dann noch haben wollen? Würde der Drugstore-Besitzer sich noch sicher fühlen, wenn er sie in der Hand hielte?

Die Organisation „States United to Prevent Gun Violence“ hat genau das gemacht: die Waffen erzählen lassen. Mitten in New York wurde ein Laden für „First-time gun buyers“ eröffnet, mit dem Versprechen, dass sie hier gut beraten werden, wenn sie sich ihre erste Waffe zulegen wollen. Das Kaufargument der Kunden, die in den Laden kamen: „Safety“ – Sicherheit. Das Besondere an dem Laden: Jede der Waffen hat eine Geschichte, die man auf einem anhängenden Etikett nachlesen kann. Oder die der Verkäufer nebenbei erzählt. Wer wann wie und wo damit getötet wurde. Die Reaktionen der Kunden wurden mit versteckten Kameras gefilmt: http://www.youtube.com/watch?v=1nAfWfF4TjM

Wahrscheinlich sind die jungen New Yorker, die man hier sieht, nicht repräsentativ. Keiner von ihnen scheint ein ausgewiesener Waffennarr zu sein, der bis zum Letzten für sein Recht kämpfen wird, ein Gewehr im Schrank zu haben, egal, was mit diesem Gewehr vorher schon alles getan wurde. Aber das Video ist dennoch ein großer Erfolg und wurde bisher mehr als drei Millionen Mal angeklickt, die Aufklärungsidee scheint also zu fruchten. Und vielleicht muss man es so sehen: Jede Waffe, die nicht verkauft wird, ist eine gute Waffe. Wenn man „gute Waffe“ überhaupt sagen kann.

nadja-schlueter

Komm doch zur Party, Fremder!

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Manchmal bekommt man eine Mail und versteht sie nicht. Die Anrede schon noch, da steht der eigene Name. Aber was dann kommt, ist einem ein Rätsel.
„Die Lerngruppe ‚Einführung in die Atomphysik’ trifft sich am Dienstag um 16 Uhr“. Ich studiere doch gar nicht Physik!
„Wir brauchen noch dringend ein Geschenk für Ulla!“ Ich kenne keine Ulla!
„War super gestern!“ Ich war gestern alleine zu Hause und habe meine Steuer gemacht!



Stell dir vor, du wirst zu einer Party eingeladen – obwohl dich niemand kennt.

Manchmal verwechselt nämlich jemand eine Mailadresse. Tippt ein .net, wo ein .de hingehört hätte, einen Punkt statt einem Unterstrich, baut einen Buchstabendreher im Nachnamen ein. Und schon bekommt man eine Mail, die nicht für einen bestimmt war, sondern für jemanden mit dem gleichen oder einem sehr ähnlichen Namen. Joey DiJulio aus Seattle kann wegen genau so eines Versehens am kommenden Freitag zu einem Junggesellenabschied nach Philadelphia fliegen. Und das kam so:

Wegen eines Tippfehlers in der Mailadresse geriet DiJulio in den Freunde-Verteiler, der einen Junggesellenabschied plante. Monatelang verfolgte er still den Mail-Verkehr, bevor er das Versehen aufklärte:

Hi All,
So, I have no idea who any of you guys are, but I have been enjoying being a fly on the wall hearing about the plans for this bachelor party over the last few months.

I’m assuming my E-Mail address was added to the list by mistake (perhaps a typo of someone else?).
I live out in Seattle, WA and although for a moment I thought it might be funny to just show up and be that guy nobody knows but everyone wonders “who is that guy?”, buying a plane ticket for a cross-country flight just to crash a bachelor’s party might be a bit over the top (although it would be epic!).

Nonetheless, I do hope you guys have a great time an d I’d like to take a moment to wish the best of luck in life to the groom!
Cheers!


Die Freunde hätten nun verärgert sein können, dass da jemand ihre Mails mitgelesen hatte, der gar nicht dazugehörte. Aber stattdessen schrieben sie ihm, dass sie ihn gerne dabeihätten. Der Bräutigam lud ihn sogar zur Hochzeit ein.

Damit er die Reise bezahlen kann, startete DiJulio eine Crowdfunding-Kampagne und  sammelte sehr schnell die 1264 Dollar für den Flug. Jetzt versucht er, auf 10.000 Dollar zu erhöhen, um dem zukünftigen Ehepaar Geld für ihre Hochzeitsreise nach Italien schenken zu können.

[plugin imagelink link="http://cdn29.elitedaily.com/wp-content/uploads/2015/03/Bachelor-Elite-Daily.jpg" imagesrc="http://cdn29.elitedaily.com/wp-content/uploads/2015/03/Bachelor-Elite-Daily.jpg"]Joey DiJulio und der Bräutigam, den er nicht kennt. Noch nicht. Und dann sehen die sich auch noch so ähnlich! (via Elite Daily)

Danke Internet, für diese schöne Geschichte vom Zufall und von neuen Freundschaften! Was wir uns bloß noch fragen: Was ist eigentlich mit dem armen Freund, der so ähnlich heißt wie Joey DiJulio, aber die gesamten Bachelorparty-Planungsmails nie bekommen hat?

nadja-schlueter

Immerhin haben sie das Knäckebrot verbrochen

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Gestern Abend, Günther Jauch, es geht um ungleiche Löhne für Frauen und Männer. Irgendwann im zweiten Drittel der Sendung kommt, was sehr oft kommt, wenn Menschen im Fernsehen darüber streiten, was in Deutschland falsch läuft: der Schwedenvergleich.

Er wird immer dann hervorgeholt, wenn jemand beweisen will, dass ein Problem prinzipiell lösbar wäre, wenn man sich nicht so dumm anstellen würde. Dann heißt es: “In Schweden ist man da ja schon viel weiter.“ Und dann erzählt man sich von den besseren Bildungseinrichtungen, der Unternehmenskultur oder der Gehälter-Transparenz.

Und dann sehen die Schweden auch noch alle so famos aus! Sitzen mit ihren tollen Schwedenkörpern auf schicken Designermöbeln, mit super Frisuren und stylischen Klamotten. Und wenn jemand erzählt, dass Serien in der Originalfassung viiiel besser sind, sagt irgendjemand: “In Schweden laufen Serien immer im Original.”

Wir haben es nicht mehr ausgehalten. Wir mussten jetzt mal nachsehen, ob in Schweden nicht auch manchmal etwas schief läuft. Irgendwas ganz kleines vielleicht. Ein bisschen was haben wir gefunden.


  • IKEA hat seinen Sitz gar nicht in Schweden, sondern in Holland!

  • Schwedische Elche verursachen 5000 Unfälle jährlich. 

  • Geschäfte haben nur bis spätestens 18:00 Uhr geöffnet.

  • Beim schwedischen Kinderarzt gibt es eine Wiegepflicht.

  • ABBA. http://www.youtube.com/watch?v=yhqV49us4J8

  • Die Band Rednex stammt auch aus Schweden. Ja, das sind die mit "Cotton Eye Joe".

  • Es gibt ein staatliches Monopol auf Alkoholverkauf. Man kann nur in einer einzigen Kette höherprozentigen Fusel kaufen.

  • In den 40ern hat Astrid Lindgren Neger gesagt.

  • Über 20 Prozent der Bevölkerung tragen einen dieser fünf Namen: Andersson, Johansson, Karlsson, Nilsson und Svensson. Generell tragen 47,4 Prozent aller Schweden einen Namen, der auf -son endet.

  • An schwedischen Unis gibt es keine Mensen. Nein, da stehen überall Mikrowellen rum[plugin imagelink link="http://www.chris-bauer.eu/images/woche2_mikrowelle.JPG" imagesrc="http://www.chris-bauer.eu/images/woche2_mikrowelle.JPG"]

  • Auch in Schweden brechen Regierungen auseinander. So passiert Ende 2014.

  • Sechs Monate im Jahr ist es stockdunkel und kalt - sehr, sehr kalt.

  • Ohne “Personnummer” kann man sich nicht mal einen Film ausleihen, denn die bestimmt das ganze Leben in Schweden.

  • Die Schweden haben das Knäckebrot erfunden.

  • Die Regierung hat Transsexuelle zur Sterilisation gezwungen - 40 Jahre lang. Dieses Gesetz wurde erst 2013 aufgehoben.

  • Das schwedische Nationalgericht besteht aus vergorenem Dosenfisch. Surströmming. http://www.youtube.com/watch?v=vu6_Pi_a1lI

  • In Schweden entspricht die Note 1 einer 6.

  • Kaum einem Fest fallen so viele Blumen zu Opfer wie dem schwedischen Midsommer-Fest.

  • Schwedische Spezialität: Essen in Tuben

  • Michel aus Lönneberga ist der Albtraum aller Eltern.

  • Die Wintersportnation landete im Medaillenspiegel der olympischen Winterspiele in Sotschi auf Rang 14. Hinter Südkorea.

Der "Früher war alles besser"-Effekt

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Nostalgie geht immer. Wenn man in der Kneipe mal kein Gesprächsthema mehr hat, einfach irgendeine alte Serie ansprechen oder eine Süßigkeit, die man früher immer gegessen hat. Kennen die anderen sicher auch und schon kommt man wieder ins Plaudern. Praktisch.

Nostalgie macht aber nicht nur guten Smalltalk. Nostalgie macht uns auch spendabel. Das haben Verhaltensforscher herausgefunden, die ihre Testpersonen in zwei Gruppen geteilt haben. Die eine davon wurden nostalgisch gestimmt, durch alte Werbungen oder indem die Teilnehmer einen Text über ein Ereignis in ihrer Vergangenheit schreiben mussten. Danach wurde überprüft, wie viel Geld sie ausgeben würden, für Bücher zum Beispiel, aber auch für Teureres wie etwa ein Haus oder ein Motorrad. Das Ergebnis: Wer gerade in Nostalgie schwelgte, der war bereit, mehr zu bezahlen. Außerdem wurde getestet, wie wichtig den Testpersonen Geld generell ist (den nostalgischen weniger wichtig als der Kontrollgruppe) und wie bereitwillig sie Geld mit anderen teilen (die nostalgischen eher als die Kontrollgruppe).

"Ach, die gute alte Zeit... Und wo kann ich hier jetzt Geld ausgeben???"

Anscheinend sorgt Nostalgie dafür, dass wir uns mehr gönnen, macht uns aber auch sozialer und feinfühliger. Nostalgie lässt uns die harten materiellen Fakten vergessen und ein bisschen freundlicher, großzügiger und genießerischer werden. "Die Ergebnisse zeigen, dass Nostalgie das Verlangen nach Geld schwächt, weil sie die soziale Verbundenheit fördert", heißt es dazu in der Studie.

Dass Nostalgie uns das Geld quasi aus der Tasche saugt, erklärt auch, warum sie so gerne in der Werbung und im Marketing eingesetzt wird. 90er-Partys gibt es in jeder Stadt, im VW-Transporter-Spot schmiegt sich ein alter Mann an ein altes Fahrzeug und der Brandt-Zwieback setzt auch beim neuen Design aufs alte Logo. Die Liste könnte man lange fortführen.

Der Nostalgie-Bonus funktioniert natürlich vor allem in Krisenzeiten wie der unsrigen gut, in denen man sich gerne in die Vergangenheit flüchtet, in der es scheinbar so viel kuscheliger zuging. Und wer sich gerade noch nicht so richtig anfällig für „Früher war alles besser“ fühlt, dem sei gesagt, was die Experimente auch noch ergeben haben: Je älter wir werden, desto nostalgischer werden wir auch. In ein paar Jahren müssen wir also vielleicht etwas vorsichtiger sein, wenn in der Bar wieder mal jemand einen „Weißt du noch...“-Smalltalk anstimmt. Sonst sind wir am Ende des Abends pleite.

nadja-schlueter

Und ein paar luftige Bah Bah Bahs

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Modest Mouse – Lampshades of Fire


http://vimeo.com/122696195

Wer „Strangers to Ourselves“ kennt, das neue Album der famosen Indie-Rocker Modest Mouse, weiß es bereits: Die Single „Lampshades of Fire“ hat alles, was ein scharfkantiges Brett aus dem Hause Mouse braucht: luftige Bah Bah Bahs, mitreißende Melodie, entspannte Bridge und einen Isaac Brock, der sich rappend durchs Chaos pflügt. Jetzt wissen wir: Das Video dazu steht dem Ganzen in nichts nach. Modest Mouse laden zum surrealen Maskenball. Oder in den Worten Brocks: „Well, this is what I really call a party now.“

Tocotronic – Die Erwachsenen


http://www.youtube.com/watch?v=nLqtcyXs750
Kontrastprogramm von den Tocos: Nach dem gewöhnungsbedürftigen „Prolog“ kommt hier eher klassischer Stoff als Vorbote des „roten Albums“ (1. Mai). Von Lotzow ruft singend zum Widerstand gegen „Die Erwachsenen“ auf – allerdings wesentlich zurückhaltender als noch zu den Sportjacken-Zeiten der 90er. „Wir sind Babys / sie erziehen uns nicht“, heißt es. Dazu gniedelt die Band gefällig auf ihren Instrumenten herum. Das geht zwar gut ins Ohr, bleibt aber nicht im Kopf. Dazu ist’s zu konturenlos.

Major Lazer & DJ Snake feat. Mø – Lean On


http://www.youtube.com/watch?v=YqeW9_5kURI
Da gibt’s endlich mal wieder neue Musik von (besser: mit) Mø – und das Internet beschäftigt nur eine Frage: Kann die Dänin auch anders, als im breitbeinigen Ententanz durchs Bild zu wackeln? Musikalisch ist auf die 26-Jährige aber wie gehabt Verlass. In „Lean On“, bei dem sie für die Reggae/Dancehall-Buddys Major Lazer (aka DJ Diplo) und den Franzosen DJ Snake die Lyrics singt, klingt das allerdings nicht so krawallig wie auf ihrem Album „No Mythologies to Follow“, sondern ziemlich relaxed. Könnte für einen entspannten Frühling taugen.

Soko feat. Ariel Pink – Lovetrap


http://www.youtube.com/watch?v=n-kuDCSWloo
Zeitreise in den New Wave der Achtziger: Soko, Sängerin und Schauspielerin, haut zusammen mit Ariel Pink die neue Single „Lovetrap“ zum Album „My Dreams Dictate My Reality“ raus. So weit, so schön. Bizarrer ist da schon das Video, in dem sie sich selbst und eine karikierte Version ihres Duettpartners spielt.

Charlie XCX – Famous


http://www.youtube.com/watch?v=5f5A4DnGtis
Charlotte Emma Aitchison ist im Interview mit jetzt.de schon ausführlicher zu Wort gekommen. Dass sie nicht so naiv ist, wie es ihre plakativen Ohrwürmer erahnen lassen könnten, war da schon klar. Ihr Video zur Single „Famous“ bestätigt das: Es tanzt ein Charlie-Fan im quietschbunten Kinderzimmer herum, bidebum, und schießt ein Selfie nach dem anderen – bis der Akku leer ist. Dann wird aus dem Kinderzimmer ein Gruselkabinett. Das Video (von Eric Wareheim) hat etwas zu sagen, die Musik bleibt, nun ja, gewöhnungsbedürftig.

Ich wusste, dass der mal ganz groß wird!

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Jetzt hat er es geschafft. Er wird bejubelt und gefeiert, als großer Satiriker und Entertainer. Wer etwas auf sich hält, hält etwas auf ihn: Jan Böhmermann ist angekommen, ganz oben. Und wenn ich das so sehe, dann möchte ich gerne sagen: Ich habe es ja gewusst. Immer schon. Oder zumindest schon sehr lange. Aber das darf man ja nicht sagen.



Sich öffentlich freuen, wenn ein alter Bekannter ganz groß wird: lieber nicht, wenn man nicht als Angeber gelten will.

„Ich habe den/die schon gekannt, als er/sie noch ganz unbekannt war“, das ist ein verbotener Satz. Ebenso alle artverwandten Sätze wie „Das erste Mal habe ich ihn bei einer ganz kleinen Lesung in einer Bar gesehen, in die nur 30 Leute passten“.

Wenn man solche Sätze ausspricht, wird einem Angeberei vorgeworfen. Man wird als arroganter Eigenlob-Verteiler abgestempelt, als Mensch, mit dem sich auf einer Party keiner gerne unterhält.

Am verpöntesten sind solche Äußerungen beim Thema Musik: Menschen, die betonen, dass sie heutige Major-Label-Bands vor fünf Jahren noch in einem kleinen Kellerclub beklatscht haben anstatt in der seelenlosen Mehrzweckhalle, in der sie heute spielt, gelten als extrem unsympathisch. Weil sie sich mit ihrem Musikwissen schmücken und es vor sich hertragen wie eine Medaille. Dabei wollen sie damit vielleicht vor allem eines sagen: dass sie sich freuen. Darum sollten sie sagen dürfen – nein, darum sollte jeder sagen dürfen, wenn er schon damals, schon immer gewusst hat, dass jemand mal Erfolg haben wird!

>>> Warum man sich freuen dürfen sollte - und was Jan Böhmermann mit einem Bernhardinerwelpen gemeinsam hat.
[seitenumbruch]

Immer, wenn Böhmermann in den vergangenen zehn Jahren irgendwo auftauchte und gelobt wurde, wollte ich „Ich habe es längst gewusst!“ oder „Ich kenne und mag den schon ganz lange!“ rufen. Damals, als er „Lukas’ Tagebuch“ für 1LIVE erfand und der WDR von Lukas Podolski verklagt wurde. Damals, als er im Fernsehen auftauchte, mit „echt Böhmermann“ und später mit „TV Helden“ . Damals, als er zum Team der neuen Harald-Schmidt-Show gehörte und das Buch mit dem sehr lustigen Titel „Alles, alles über Deutschland“ herausbrachte. Und so weiter, bis irgendwann Roche&Böhmermann startete und ich mit meiner Meinung nicht mehr alleine war. Ich freute mich. Hatte so ein „Der hat’s aber auch verdient!“-Gefühl. Und als er er kürzlich den Varoufakis-Musikvideo-Hit landete und vergangene Woche mit dem Mittlefinger-Fake-Fake das ganze Land durcheinanderbrachte, als alle schier durchdrehten vor Begeisterung und sogar sämtliche Feuilletons wohlwollend brummten und nickten, da hätte ich gerne die Humorwelt umarmt. Endlich geschafft, endlich der endgültige Durchbruch, endlich nicht mehr wegzudenken, der Typ!

So müssen sich Eltern fühlen, wenn Torben bei den Kreismeisterschaften den ersten Platz macht.


Vielleicht ist das ein blöder Vergleich, aber: Wenn man mitverfolgt, wie ein Künstler, eine Künstlerin oder eine Band groß wird, dann ist das ein bisschen, wie einen kleinen Bernhardinerwelpen zu haben, von dem man weiß, dass er grade noch als tollpatschig belächelt, aber später mal ein Pfundskerl sein wird, der im Gebirge Menschenleben rettet. Vielleicht ist es sogar noch eher wie die Geschichte vom hässlichen Entlein, weil der Künstler, die Künstlerin, die Band so total unterm Radar fliegt, ignoriert wird, keinen interessiert – bis dann irgendwann der Schwan draus wird. Das Gefühl, das man dann selbst, als eine Art treuer Unterstützer, hat, ist Freude und auch ein bisschen Stolz. Man hat ja das Potenzial erkannt und ist immer dabeigeblieben. So ähnlich stelle ich mir das Gefühl vor, das Eltern haben, wenn ihr Torben bei den Kreismeisterschaften den ersten Platz im Kraulen gemacht hat, was sie schon ahnten, als er das erste Mal im Teich plantschte.

Klar, irgendwie ist das auch Selbstlob, irgendwie findet man es auch ein bisschen geil, dass man den Erfolg vorausgeahnt hat. Man schreibt sich selbst einen guten Sensor zu. Aber wieso auch nicht – sich bestätigt sehen und das ausdrücken, ist ja nicht falsch. Zumindest nicht, solange man allen anderen nicht vorwirft, total ignorant zu sein und das neue große Genie jahrelang bewusst geschnitten zu haben. Und solange man keiner von denen ist, die den Künstler, die Künstlerin, die Band für sich beanspruchen und beklagen, dass der Mainstream ihnen etwas „wegnimmt“. Das ist vielleicht der Hauptunterschied zwischen Angebern und den guten „Ich habe es schon immer gewusst“-lern: Für letztere gibt es nichts Schöneres, als wenn ihre Entdeckung im Mainstream angekommen ist, ihr Bernhardiner also endlich den Suchtrupp im Gebirge anführt.

Und darum: Sagt es laut, wenn ihr schon 2004 zu „Arcade Fire“-Songs getanzt habt. Oder Benedict Cumberbatch schon in „Abbitte“ super fandet. Wenn ihr es immer schon gewusst habt und euch darum jetzt freut.

Im besten Falle können die, die es schon immer gewusst haben, noch etwas sehr Schönes tun: Davon erzählen, wie es früher war, als der Bernhardiner noch klein war. Was er damals Tolles gemacht hat. Die Late-Adopter können dann ein altes Album oder Buch leihen, eine alte Sendung anschauen. Und sich nachträglich mitfreuen. Also: Hört euch doch mal ein paar Folgen von Lukas Tagebuch an. Oder schaut dieses Interview mit Sahra Wagenknecht aus der Harald Schmidt Show:

http://www.youtube.com/watch?v=RyFmqKTJH2Q


Gleich gemacht

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Dass Menschen mit Bärten, Cardigan und Jutebeuteln irgendwie überall gleich aussehen, lässt sich bei einem laktosefreien Matcha-Latte in jedem Grosßtadtcafé Europas feststellen. Dass der Wunsch nach Individualität oft darin endet, dass man aussieht, wie der Rest, zeigt die Bilderserie "Exactitudes", die seit den Neunzigern Subkulturen verschiedener Städte erfasst: "Die Casual Queers", Männer mit Polohemd und vertrauensvollem Blick, so genannte "Mwah!", langhaarige Lolitas in Jeans-Shorts, "Farmcores", junge Menschen im lässigen Landgraf-Look. Oder eben: "Americanos", Männer mit Bart und Cardigan, die ihren Kaffee gerne mit Blattoptik trinken.

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Dass sich Figuren wie die "Farmcores" heute zwischen San Francisco und Berlin überall ihre Barbour-Jacken einkaufen, verdankt die Welt laut Fotografen Ari Versluis und Profiler Ellie Uyttenbroek zusehends dem Internet. Es erschwert dem Exactitudes-Duo die Arbeit - denn Subkulturen verlieren dadurch ihre lokale Zugehörigkeit, sagten sie im Interview mit der US-Website The Cut:
"In Europe, you can go to Copenhagen or Rome or Berlin or Madrid, and young people all look the same nowadays. There’s hardly any real subculture. Everything is driven by the internet. We’ve started concentrating more on old people for our series, because it’s very difficult to get a grip on the younger situation."

Will heißen: Subkulturen werden vom lokalen Phänomen zum globalen Trend. Ist das aber so schlimm? Im digitalen Kaufhaus kann man also jetzt aus einer größeren Bandbreite von Exclusivmodellen wählen, zu denen man sich Zugehörig fühlt. Für das Grundprinzip, dass hinter der Subkultur-Abgrenzung steckt, ist das Internet aber lediglich Katalysator: Individuell ist man am besten gemeinsam. Dass das auf einen Großstadtpunk in den Neunzigern genau so zutrifft, wie auf einen Großstadthipster nach der Jahrtausendwende, ist doch eigentlich beruhigend. Denn es zeigt: Jeder findet eine Ecke. Und das läd dazu ein, den eigenen Coolnessfaktor mit etwas Selbstironie zu betrachten. Also mal kurz in den Bart lachen, bevor man die Beanie aufsetzt und mit dem Fixie Richtung Coffeshop davonbraust. Vielleicht machen das die anderen dann auch.

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Heul doch!

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Lebensweisheiten bekommt man mittlerweile überall mitgegeben: in den kleinen Keksen beim Chinesen, am Teebeutel und an der Toilettenwand. An einer Stelle wären sie aber tatsächlich nützlich, dachte sich der Grafikdesign-Student Hugo Santos, der jetzt Taschentücher mit tiefsinnigen Muntermach-Zitaten anbietet. Santos Idee ist aus der Not geboren: Als aufstrebender Designer kennt er sich mit kleinen Zusammenbrüchen aus.

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"Eine Krise ist auch immer eine Herausforderung." – lautet ein Zitat. Gut, dass einem das endlich einer sagt.

Oder sind die Sprüche in Krisenzeiten genau so nervig, wie gut gemeinte Ratschläge von Muttern? Dann hat es vielleicht therapeutischen Wert, wenn man statt in ein nichtssagend-weißes Tuch auf die Sätze schnäuzt, die man sich so oder so ähnlich schon in tausendfacher Ausführung anhören musste.

Übertreiben sollte man es aber nicht: In der Krisen-Box befinden sich 20 Stück. Dann ist mit dem Heulen hoffentlich Schluss und neben Rotz vielleicht auch ein bisschen Lebensweisheit hängen geblieben.
Für jene, die eine preisgünstige Alternative zur 4€-Variante suchen, empfehlen sich Taschentücher mit Menthol-Geruch: Sie machen Schnäuzen (und damit auch Heulen) geruchsbedingt unmöglich.

Schön doof

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Eigentlich schon klar, was hier faslchläuft: Julia Roberts, Prostituierte mit Herz (aber ohne Zukunftsaussichten), shoppt sich langbeinig durch ihre bezahlte Affäre mit Richard Gere, erfolgreicher Geschäftsmann mit dickem Portemonnaie. Ein Glück: Nach mehrfachem Outfitwechsel (Stichwort: Krawatte) verlieben sie sich und Julias Zukunft ist gerettet. Gut, dass wir es heute besser wissen.

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Falsch. Falsch. Falsch. PROSTITUTION IST KEINE ARBEIT! (Alice Schwarzer)

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Wieder so ein selbst-perpetuierender Unterwerfungsmythos der sexistischen Disney-Industrie! Du wirst schon merken: retten kannst du sich nur selbst.

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Großer Fehler? Der einzige Fehler ist, als selbstbestimmte Frau in monetäre Abhängigkeit zu verfallen! Lass uns mal über die Frauenquote reden.


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War ja klar.

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K
lassisch sozial antrainierte Verhaltensmuster, die entmündigen. Mit den Klimperwimpern und langen Nägeln lassen sich Werke von Judith Butler natürlich schwer durchwälzen.


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Interessante Prinzipien! Kein küssen, aber mit 20 Männern am Tag schlafen!?  


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Und dann wälzt du dich auch noch in Unterwerfungsstellung auf dem Flügel!

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Klarer Fall von Selbstaufgabe in der männerdominierten Zweierbeziehung. Du gibst bei der Hochzeit bestimmt auch deinen Nachnamen auf, du dumme Nuss!


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Hier haben Leser und LeserINNEN (Leser/innen) sie wieder, die Male-Dominance. Einen Schritt weiter und wir sind bei 50 Shades of Grey!





Pretty Kackscheiße!

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Prostituierte mit Herz lässt sich von reichem Gentleman für eine Affäre bezahlen und wird bei ihm glücklich. Äh, hallo, muss man noch mehr sagen?! Eigentlich nicht - trotzdem schimpfen gerade malwieder viele über "Pretty Woman". Wir haben uns hinter der Couch einer Hardcore-Feministinnen-WG versteckt - und notiert, wie sie den Film kommentieren.

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Falsch. Falsch. Ganz falsch. Prostitution ist sehr vieles, aber bestimmt keine Arbeit. Google mal "Alice Schwarzer", Schätzchen!

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(Seufz) Lass uns raten: In ein paar Wochen findest du bestimmt auch, dass sein Nachname "sowieso viel leichter zu buchstabieren ist" und "eh viel besser" zu deinem Vornamen passt. 

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Uff. Schon mal was von selbstperpetuierendem Disney-Sexismus gehört? Und, ähm, sag bloß, dein "Prinz" soll den Heiratsantrag im Anzug auf einer Feuerleiter machen und dabei mit Rosen wedeln? Ha! 

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"Huge Mistake"? Are you kidding, Miss Roberts? Der einzige Fehler, den wir hier sehen können, ist als Frau in monetäre Abhängigkeit von SEINER KREDITKARTE zu verfallen!

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Hmpf.

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Oh, prima, Male Dominance in der kalifornischen Mittagssonne. Was kommt als nächstes - ihr geht zusammen in den Baumarkt und erkundigt euch nach Kabelbindern?!

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Na klar. Er schafft die Knete ran, und du - merkste selbst, oder?

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Raus aus der Wanne und - logisch - nackt auf die Couch! Aber immerhin, wenigstens hast du für ihn noch den Tisch gedeckt. Damit er ZEITUNG LESEN kann! (Arrrrgh.) 

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Na-türlich. Und ER sitzt oben. Damit DU auf dem Stöpsel hockst.

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Schnapp, Finger ab? Hahaha, angedeutete häusliche Gewalt! Ist ja zum Totlachen!!!

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Pff, Glückwunsch, Mädchen. "#LifeGoals - check", sag ich nur! 

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Und here we go, der älteste Köder der Welt für die künftige Hausfrau mit Föhnwelle. Pfff. Wir hören uns nach der Scheidung, du Opfer*In!

Im Land der tanzenden Frauen

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Sama Bahrami hat sich eine lange, dunkelbraune Perücke über ihre kinnlangen Locken gestülpt. Angespannt nestelt sie daran herum. Ihre Freundin Rozhîn kommt mit blonder Perücke und Sonnenbrille in den Flur der Frauenaktivistin, bei der die beiden übernachtet haben und fragt: „Na, wie seh ich aus?“. Sama reagiert nicht, sie ist im Moment nicht zu Scherzen aufgelegt. Bevor sie abgeholt werden, verstauen die beiden die Perücken doch wieder in ihren Reisetaschen und Samas Gesichtsausdruck entspannt sich. Ihr Verlobter hat ihr per Whatsapp Mut gemacht: Hier in Rojava wird schon niemand unterwegs sein von der iranischen Regierung.



Sama heißt in Wirklichkeit anders, sie will sich nicht zu erkennen geben. Die iranische Regierung darf nichts von ihrem politischen Engagement wissen.

Es ist der 8. März, internationaler Frauentag. Sama, 29, und Rozhîn, 34, die beide in Wirklichkeit anders heißen, haben eine weite Reise hinter sich, um zu sehen, wie dieser Tag hier gefeiert wird. Rojava: das ist der kurdische Name für eine Region im Norden Syriens – beziehungsweise der südwestliche Teil Kurdistans, ein Gebiet, das sich über Teile der Türkei, Syriens, des Irak und des Iran erstreckt. In den Wirren des syrischen Bürgerkrieges kam es 2011 in Rojava zu einer Revolution. Trotz fortlaufender Kämpfe gegen den IS wird hier seitdem eine Form von autonomer Rätedemokratie aufgebaut.

Wenn ihre Reise auffliegt, droht Gefängnis, vielleicht sogar die Todesstrafe.


Bei ihren Skypekonferenzen mit anderen Feministinnen hat Sama schon viel gehört von der zentralen Rolle, die Frauen in diesem neuentstehenden politischen System und in der Gesellschaft Rojavas spielen. Es klingt alles so hoffnungsvoll, so anders als bei ihr zu Hause im kurdischen Teil des Iran. Dort wird kein Frauentag gefeiert. Bei ihr zuhause muss sie höllisch aufpassen, damit nicht herauskommt, dass sie gerade – verbotenerweise - die „Feministische Partei Kurdistan“ mitbegründet hat. Und bei ihr zu Hause wartet Gefängnis, vielleicht sogar die Todesstrafe auf sie, wenn ihre Reise nach Rojava auffliegt.

Die Entscheidung, trotzdem hierher zu kommen, war keine leichte. Einige Male ist Sama schon ins Wanken geraten. Zum Beispiel, als sie eine Nacht und einen halben Tag an der Grenze zwischen Irak und Syrien aufgehalten wurden. Die Willkür der Grenzbeamten und die Ungewissheit, wann und ob sie Rojava jemals erreichen würde, zermürbten sie beinah. „Eine halbe Stunde warte ich noch, dann fahre ich zurück!“, hatte sie gesagt. Und dann wurden sie plötzlich doch durchgewunken.

Einen Tag später kommt Sama auf einem brechend vollen Platz in der Kleinstadt Amûdê an und beginnt zu ahnen, dass es sich gelohnt haben könnte. Die Feierlichkeiten zum 8. März nehmen ihren Lauf: Eine junge Frau, keine 18, spricht selbstbewusst und kämpferisch ihre Botschaft zum Internationalen Frauentag ins Mikrofon. Die Menge jubelt ihr zu. Alte Frauen machen Victory-Zeichen und schwenken ihre erhobenen Arme zur Musik. Ein kleines Mädchen hält ein Schild, fast so groß wie sie selbst, auf dem „Jin, Jîyan, Azadî“ steht – „Frauen, Leben, Freiheit“. Die Anspannung ist verflogen: Sama steht von dem ihr zugewiesenen Ehrenplatz in der ersten Reihe auf und reiht sich in die Kette der ausgelassenen Frauen in festlichen Kleidern ein. Jetzt hat sie keine Angst mehr. Jetzt tanzt sie.

Der Platz, auf dem gefeiert wird, trägt seit heute den Namen „Platz der Freiheit der Frau“. In seiner Mitte hat die Stadtverwaltung eine riesige Statue bauen lassen: die Mutter einer gefallenen Kämpferin.

Natürlich sehen sich Frauen auch in Rojava noch mit vielen Problemen konfrontiert: Ehrenmorde, Zwangsverheiratungen junger Mädchen und Frauenarmut sind nur einige Beispiele. Doch es wird viel dagegen unternommen: Frauen stellen ihre eigenen Verteidigungseinheiten (YPJ), es gibt Frauenhäuser, selbstverwaltete Frauenkooperativen und kostenlose Frauenakademien. Vor allem aber wird in der autonomen Verwaltung Rojavas darauf geachtet, dass Frauen ihre eigenen Entscheidungen treffen: In jedem Dorf, in jedem Stadtteil gibt es einen Frauenrat und alle politischen Führungspositionen werden jeweils von einem Mann und einer Frau gleichzeitig belegt.

>>> Schon seit sie klein ist, hat Sama immer wieder erfahren müssen, wie Frauen unterdrückt werden.
[seitenumbruch]

Sama ist begeistert vom Selbstbewusstsein und vom freiheitlichen Lebensstil der Frauen in Rojava, aber auch von der respektvollen Art der Männer. in Iran sei die Situation von Frauen eine ganz andere, vor allem die Situation kurdischer Frauen. Schon als Sama klein war, sagte ihr Vater ihr und ihren vier Schwestern immer wieder: „Seid vorsichtig in der Schule, redet nicht über Politik. Auf euch liegt so schon eine dreifache Schuld: ihr seid sunnitisch, ihr seid kurdisch und ihr seid Frauen.“

„Jede Woche zünden sich bei uns drei oder vier Frauen selber an“, erzählt Sama.



Je mehr sie sich politisch engagierte, desto mehr bekam sie zu spüren, was er meinte: „Egal was du tust, du bist immer besonders schuldig, wenn du aufgrund deiner Geburt eh schon dreifach schuldig bist“, sagt sie.

Einmal schrieb sie in Teheran für ihre Unizeitung einen Artikel über weibliche Genitalbeschneidung und erregte damit riesige Aufmerksamkeit. „Ich war total überrascht, niemand hatte eine Ahnung, dass diese Praxis bei uns so verbreitet ist“, erzählt Sama. Sie wollte über das Thema ihre Bachelorarbeit schreiben, doch bekam keine Erlaubnis.

Später wollte sie in Teheran ihren Master in Women’s Studies machen, sie hatte sogar schon einen Platz. Auch hierfür bekam sie keine Erlaubnis. Das sei eine übliche Praxis in Iran, Leuten aufgrund ihrer politischen Aktivitäten das Recht aufs Studium zu entziehen, erklärt sie bitter.

Obwohl sich die Situation schon verbessert habe, komme es auch immer noch zu sogenannten Ehrenmorden. Auch die ökonomische Situation kurdischer Frauen sei katastrophal. Die kurdischen Gebiete würden von der Regierung komplett vernachlässigt, was natürlich die gesamte kurdische Gesellschaft treffe – Frauen aber besonders, meint Sama, weil sie wirtschaftlich sowieso schon schlechter gestellt seien als Männer. Viele Frauen lebten in Abhängigkeit von ihren Vätern oder Ehemännern und stünden dadurch noch mehr unter Druck. „Jede Woche zünden sich bei uns drei oder vier Frauen selber an“, erzählt Sama. So auch eine junge Verwandte von ihr. Samas Stimme wird leiser und ihre Augen groß, als sie sich an den Besuch im Krankenhaus erinnert. „Sie hatte große Angst, sagte immerzu ,ich will nicht sterben`. Sie war einfach verzweifelt gewesen und hatte kein anderes Mittel gesehen, sich in ihrer Familie Gehör zu verschaffen. Nach einer Woche starb sie“.

Sama selbst wohnt auch bei ihrer Familie. Nach verschiedenen administrativen Jobs in Teheran, die sie inhaltlich wenig interessierten, ist sie wieder zu ihren Eltern zurückgezogen, um sich ganz ihren politischen Aktivitäten zu widmen – von denen ihre Eltern allerdings nichts wissen.
 
Viele der Gründungsmitglieder ihrer Partei leben in Europa oder den USA und wollen von dort über internationale Organisationen Druck auf die iranische Regierung ausüben. Für die wöchentlichen Skypekonferenzen sucht sich Sama verschiedene Internetcafés, benutzt Decknamen und falsche E-Mail-Adressen. Eines der Ziele ihrer Partei ist es, dass sich bestimmte Gesetze ändern: beispielsweise die Straffreiheit bei Ehrenmorden, das Mindestheiratsalter für Frauen von 9 Jahren oder die Todesstrafe für Homosexualität.

Sama und Rozhin selbst wollen in Iranisch-Kurdistan mit konkreten Hilfestellungen für benachteiligte Frauen beginnen, es geht vor allem ume Alphabetisierung und psychologischen Beistand. Vor allem geht es Sama um Empowerment. „Wir müssen zuerst an uns selber glauben und dies den anderen Frauen vermitteln“, sagt sie. „Die Frauen in Rojava sind so stark, so selbstsicher!“, das habe sie am meisten beeindruckt. „Selbst wenn ich zurück gehe und ins Gefängnis komme, bereue ich diese Reise nicht!“

Das lässigste Kind des Internets

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Wäre Baseball in Deutschland beliebter - Mo'ne Davis wäre ein Star. Denn die 13-Jährige ist das, was man gerne als "Wunderkind" bezeichnet. Nicht nur, dass sie als eine von zwei Frauen vergangenes Jahr (und erste Afroamerikanerin überhaupt!) beim Little League World Cup, einer Art Jugendweltmeisterschaften im Baseball, mitspielen durfte - sie hat das auch noch verdammt gut gemacht. Im Finale war Mo'ne Pitcherin und ihre Mannschaft hat gewonnen. Kein Wunder, dass sie kurz darauf als erste Jugendbaseball-Spielerin auf das Cover der Sports Illustrated kam und Disney jetzt ihr Leben verfilmen will.


Mo'ne Davis - 13 und ziemlich cool.

Ebenfalls nicht verwunderlich ist, dass so eine Karriere Neider anzieht - müssen sich ja schon viele die Frage stellen, was sie mit 13 eigentlich gemacht haben. Unter anderem auch Joey Casselberry, der ist nämlich eher so der Typ Kantenkopf-Baseball-Spieler an der Universität Bloomsburg. Und hat über Mo'ne einen wahnsinnig dämlichen Tweet abgesetzt.
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Die dritte - wenig überraschende - Sache an der Geschichte: Casselberry wurde, trotz Entschuldigung, gefeuert, eine 13-Jährige als Schlampe zu beschimpfen, kommt nun mal selten gut an.

Und jetzt die wirkliche Überraschung: Anstatt zu sagen "Richtig so!" und sich öffentlich über die Bösartigkeit des Internets auszulassen, hat Mo'ne das Gegenteil getan. Sie hat der Universität Bloomsburg geschrieben, dass sie Casselberry wieder einstellen sollten. Weil jeder Fehler machen würde und eine zweite Chance verdiene. Dafür wird sie nun als das coolste und in sich ruhendste Kind des Internets gefeiert.

Die Unversität Bloomsburg hat übrigens mittlerweile auf Mo'nes Bitte reagiert: Sie hat abgelehnt.

charlotte-haunhorst

"Mir folgt wirklich Barack Obama! Echt jetzt!"

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Der 12. September 2014 war kein guter Tag für Kam Brock aus Long Island. An diesem Tag beschlagte nämlich die Polizei ihr Auto, angeblich sei sie unter Drogeneinfluss gefahren. Und damit beginnt eine Geschichte, über die nun ein Gericht entscheiden muss.

Als die 32-Jährige Bankangestellte, die sich nebenbei auch als Rapperin versucht, ihr Auto nämlich zurückhaben wollte (es konnten keine Drogen gefunden werden), eskaliert die Situation. Brock selbst sagt, sie habe "emotional, aber nicht verrückt" mit der Polizei diskutiert. Diese ließ sie allerdings ins Krankenhaus einliefern. Begründung: Sie habe äußerst labil gewirkt.

[plugin imagelink link="http://assets.nydailynews.com/polopoly_fs/1.2159048.1427084844!/img/httpImage/image.jpg_gen/derivatives/article_970/tweet23n-1-web.jpg?enlarged" imagesrc="http://assets.nydailynews.com/polopoly_fs/1.2159048.1427084844!/img/httpImage/image.jpg_gen/derivatives/article_970/tweet23n-1-web.jpg?enlarged"] Kam Brock aus Long Island. vial Nydailynews

Was dann passiert sein soll, klingt nach einer schlechten Verwechslungskomödie: Im Gespräch mit dem Arzt in der Klinik sagt Brock, als Nachweis ihrer geistigen Gesundheit, sogar Präsident Barack Obama folge ihr auf Twitter. Für den Arzt müssen in diesem Moment alle Warnlichter angegangen sein - wegen Verdacht auf eine bipolare Störung ließ er die Frau in die Psychiatrie in Harlem einweisen. Dabei sagte sie die Wahrheit - der Präsident folgt ihr (und 644.000 weiteren Menschen) tatsächlich.


Wäre jetzt nicht so schwer gewesen rauszufinden, dass die Frau die Wahrheit sagt.

In der Psychiatrie wurde Brock nach eigenen Angaben direkt fixiert, mit Medikamenten sediert und musste an Gruppentherapiestunden teilnehmen. So sollte sie wieder in die Realität finden und irgendwann widerrufen, dass der Präsident ihr auf Twitter folgt. Auch, dass sie einem geregelten Job nachgeht, wurde der Frau wohl nicht geglaubt. Sie vermutet, dass ihre Hautfarbe damit zu tun haben könnte.

In dem den Daily News vorliegenden Behandlungsplan aus der Psychiatrie wird diese Darstellung teilweise bestätigt:

“Objective: Patient will verbalize the importance of education for employment and will state that Obama is not following her on Twitter”

Nach acht Tagen wurde Kam Brock schließlich entlassen - ob dann jemand mal auf die Idee gekommen war Twitter zu checken, ist nicht bekannt. Für ihren Klinikaufenthalt sollte sie allerdings 14.000 US-Dollar zahlen. Dagegen klagt sie jetzt, ein Gericht entscheidet momentan, ob das Verfahren eröffnet werden soll.

Brock selbst versucht übrigens, neben all dem Leid, das beste aus der Sache zu machen: Als erstes forderte sie alle Menschen auf, ihr bei Twitter zu folgen - Barack Obama täte das ja schließlich auch.

charlotte-haunhorst

Nett gemein

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Das erste Mal bei jemandem zu Hause sein, ist immer ein bisschen, wie dem anderen unters Bett zu leuchten: ein Blick in eine fremde, unbekannte Welt, in der man eigentlich nichts zu suchen hat. So fühle ich mich, als ich mit der Großfamilie eines Freundes beim Abendessen sitze. Klirr, macht meine Gabel auf dem Teller. Ein paar dicke Fäuste schlagen auf die Tischplatte. Lautes Lachen aus sonoren Kehlen. Der Vater vergleicht gerade die Fahrkünste seines ältesten Sohnes mit denen einer grenzdebilen Altersheimbewohnerin. Ich nippe hilflos an meinem Wasser und weiß plötzlich nicht mehr, wie das geht, laut lachen.

Dabei kann man mich durchaus zu sich nach Hause einladen: Ich putze mir regelmäßig die Zähne, kann mir mit überzeugendem Gesichtsausdruck Angelanekdoten anhören, mit zahlreichen Adjektiven Essen loben, Teller abräumen und meinen Lebenslauf einigermaßen kohärent vortragen, ohne gemeinsame Saufgeschichten auszupacken. Aber meine antrainierten Soft-Skills sind in der Großfamilie nicht gefragt. Hier geht’s ums Überleben. Und das habe ich nicht gelernt. Ich bin nämlich Einzelkind.

In einer Großfamilie herrscht am Essenstisch ein Kommunikationskreislauf, in dem ich nicht zu Hause bin: sich necken, sich ärgern, ein bisschen am Stolz kratzen und dann darüber lachen. In einer Kleinfamilie haben sich auch nicht alle lieb. Ein Hauptfaktor fürs Necken fällt aber weg: die geschwisterliche Konkurrenz. Man muss keinem beweisen, dass man eigentlich ein bisschen schneller, schöner, schlauer ist, weil ganz einfach keiner da ist, der das sein könnte. Ohne Direktvergleich lebt es sich beim Abendessen also recht entspannt. Zwar folgt am Kleinfamilientisch nicht auf jeden Spaghetti-Nachschlag der Ausspruch: „Iss, du Wunderkind!“, aber in der Regel werden Dinge ehrlich und ohne Beilagen serviert. 

Und deswegen überfordert mich Spott im Familienkreis: Ich weiß nicht, was ernst gemeint ist, und was nicht. Wenn meine zwei besten männlichen Freunde mich wegen meiner Tollpatschigkeit mal wieder als Trampeltier bezeichnen und Orang-Utan-Moves nachäffen, gucke ich deswegen eher zu Boden, als zurückzufeuern. Dann sagen sie: „Merkt man, dass du keine Brüder hast.“ Stimmt.

An fremden Tischen bekomme ich deshalb einen Haussegen-Schutzreflex. Beim Familienmitglieds-Bashing will ich am liebsten ganz laut rufen: „Habt Euch doch alle mal lieb!“ Aber das haben sie ja. „Dass wir uns Necken, ist der Beweis, das wir uns gern haben.“, sagt mein Freund auf dem Nachhauseweg. Necken heißt auch: Ich kenne deine Schwächen. Und du kennst meine. Es ist wie ein gegenseitiges Nacken-Entblößen. Ein Vertrauensbeweis: Man weiß, dass der, der da vor einem sitzt, niemals zu tief beißen würde. Verkehrt wäre an diesem Spiel nur, wenn einer nicht mitmacht, so wie ich. Denn alle, die mitmachen sind: eine Familie.

Und beim Spielen nicht mitmachen zu dürfen, wäre für mich als Einzelkind sehr traurig. Dann hätte ich am Ende gar keine Freunde mehr. Deswegen nehme ich mir vor: Das nächste mal sage ich was richtig fieses. Und dann lache ich laut und haue mit der Faust auf den Tisch.

Plötzlich wieder da

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In einer Mystery-Serie würde es in solchen Momenten kurz hell aufblitzen. Danach wären die Farben sepia-getönt, die Musik hätte sich geändert, vielleicht würde auch die Kamera ein wenig wackeln. Das alles würde signalisieren: Flashback! Erinnerung! Rückblick!

Wenn man länger in München lebt oder erwachsen wird, verbringt man hier viele verschiedene Lebensphasen. Die Stadt bleibt dieselbe, man selbst wird ein anderer. Gerade wenn man jung ist, sind diese Veränderungen ziemlich häufig und ziemlich grundsätzlich. Mit 15 Jahren nimmt man einen Ort ganz anders wahr als mit 18, und mit 25 noch mal ganz anders.

Deshalb sind diese Flashback-Momente so intensiv und beeindruckend: Man geht mit 28 die Straße entlang, und plötzlich sieht man etwas, das einen in eine andere Zeit katapultiert. Man ist dann für einen kurzen Moment wieder 16 oder 22. Man sieht diesen Ort so, wie man ihn damals sah, man spürt wieder, wie sich das Leben damals anfühlte.

Es sind oft Kleinigkeiten, die diese Zeitreisen auslösen. Der schiefe Baum an der Kreuzung, das herausgebrochene Stück Mauer, ein ganz bestimmter Blickwinkel auf ein paar Treppenstufen. Wenn genau diese Kleinigkeiten vor dem Auge auftauchen, scheinen sie ein Bild anzuknipsen, das irgendwo in der Erinnerung schlummert und sich jetzt kurz über die Realität legt. Das kann schön sein, traurig oder beängstigend. In jedem Fall ist es: besonders. Sechs kleine Zeitreisen:
 

Die Haltestelle der Ex





Der Ort: Westend, Heimeranstraße Ecke Ligsalzstraße, der U-Bahn-Aufgang Schwanthalerhöhe. Eine U-Bahn-Treppe wie es Hunderte in in München gibt: graue Stufen, es zieht ein bisschen, oben auf dem Gehsteig ein paar angekettete Fahrradleichen, eine Litfaßsäule, stumme Zeitungsverkäufer, Altglascontainer.

Der Auslöser: Früher Abend, ich bin auf dem Weg zur Alten Kongresshalle. Ich war in Gedanken, habe nicht darauf geachtet, welchen Ausgang ich nehme, bin einfach meinen Füße gefolgt. Dann: Rolltreppe, Blick nach oben. Ab einer bestimmten Höhe wird die Litfaßsäule sichtbar, dann die rote Wand des Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Moment! Dieses Bild kenne ich. Aus einer anderen Zeit. Ich fliege in die Vergangenheit.

Die Erinnerung: Meine Füße haben diesen Weg wahrscheinlich gewählt, weil sie einem alten Automatismus gefolgt sind. Sie sind den Weg damals sehr oft gegangen, das Ziel war die Wohnung meiner damaligen Freundin. Die Treppe rauf, rechts, vorbei am Tattoo-Studio, an der Kreuzung links, und dann konnte ich schon einen Blick nach oben werfen und sehen, ob in der Küche Licht brannte oder sie am Fenster saß und rauchte.
Es kommen Erinnerungen an Abende in dieser Küche, an das Aufwachen im Zimmer daneben, an ihr verschlafenes Murren, wenn der Supermarkt gegenüber um sechs Uhr früh lärmend beliefert wurde – kleine Momente einer längst vergangenen Beziehung.

Die Reaktion: Kurzes Innehalten auf der Rolltreppe, als hätte mich jemand überrascht, indem er mir auf die Schulter tippt. Am ehesten gleicht das Gefühl wohl tatsächlich einem Erschrecken. So plötzlich und ohne Vorwarnung an alte Gefühle erinnert zu werden, ist meistens komisch – die schlummern normalerweise gut verstaut in einem Kellerabteil der Seele. Man will ja nicht ständig drüberstolpern.
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Der erste Studentenjob





Der Ort: Das „Café an der Uni“ gegenüber der Universität. Ein Innenhof mit Alu-Stühlen, drinnen das typisch maxvorstädtische Interieur: hüfthohe Wandvertäfelung, ein bisschen Bierwerbung an der Wand, ein paar dekorativ befüllte Bücherregale, eine Wand mit unverputzten Backsteinen. Weder extrem schön noch extrem scheußlich – guter, solider Uni-Mittelstand, mit dem man weder Juristen verschreckt noch Komparatisten anödet.

Der Auslöser:
Es passiert nicht oft, dass man die Orte rund um den eigenen Unicampus von früher besucht. Wenn doch, dann, weil nebenan der Englische Garten beginnt und der Kaffee zum Mitnehmen hier besser ist als der im Backshop an der U-Bahn. Ich betrete also zum ersten Mal seit Jahren wieder das Café an der Uni, gehe den Schlängelweg durch den Innenhof, vorbei an Kellnerinnen, die ich noch nie gesehen habe. Sie tragen aber immer noch die gleichen dunklen Tops und die gleichen Knödelfrisuren wie die Kellnerinnen damals. Ich stelle mich an die Bar, um den Kaffee zu bestellen – und sehe den Barmann an der Espressomaschine. Wobei, eigentlich ist das eher ein Barbub. So wie ich, als ich hier früher arbeitete.

Die Erinnerung:
Den Job hat mir eine Freundin zugeschustert, obwohl ich die Grundvoraussetzung gar nicht erfülle – ich habe noch nie „in der Gastro“ gearbeitet. Also: bekomme ich die Montagsschicht. Da ist eh nix los. Die ersten beiden Semester stümpere ich vor mich hin, verwechsle Pils mit Hellem, mische Whisky in Caipirinhas und verschütte Milchschaum in alle verfügbaren Ritzen der Bar – engelsgeduldig unterstützt von den Knödelfrisurenmädchen mit den dunklen Tops. In diesen Monaten lerne ich zwei Dinge: Erstens, dass man ein Jahr lang als Barkeeper arbeiten kann, ohne die Kopf-Hand-Koordination auch nur ansatzweise zu verbessern. Und zweitens, wie man richtig gründlich putzt.

Die Reaktion:
Ich beuge mich zum Barbub und sage: „Nur keine Eile mit dem Kaffee.“ Dann gebe ich ihm sittenwidrig viel Trinkgeld.
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Das alte Ausflugsziel





Der Ort:
Das Olympia-Eissportzentrum, genauer: die ovale Halle mit dem hellen Zeltdach, in der das Eis längst anderen Freizeitspäßen wie Hallenfußball Platz gemacht hat.

Der Auslöser:
Ich bin auf dem Weg zu einem Eishockey-Spiel des EHC München. Ich laufe vom Parkdeck um das Eissportzentrum herum, blicke nach links, dort wölbt sich das Zeltdach – und zack, bin ich wieder 12 Jahre alt.

Die Erinnerung:
Wo heute vor allem gekickt wird, war früher die „Action Area“. Eine Halle voller Halfpipes, Miniramps und Rails zum Skaten oder Inline-Skaten. Mit 11 oder 12 fahren meine Freunde und ich hier jedes Wochenende hin. Wir ziehen unsere stinkenden Knieschoner und die Inline-Skates schon in der U3 an, damit wir um 10 Uhr, wenn die Action Area öffnet, die ersten sind und die Halfpipe nicht mit den Großen teilen müssen, die einen Bart haben und höher als zwei Zentimeter über die Kante der Pipe hinausspringen können. Wir fahren den ganzen Tag herum, außer Felix, der knutscht ab 13 Uhr. Timmi übt „Oneeighty über drei Hütchen“ und nervt den Typen, der einen Sponsor hat. Auf dem Rückweg kaufen wir uns einen großen Slush Puppie.

Die Reaktion:
Zuerst Grinsen – der Ort, an den man mit 12 jedes Wochenende fährt, ist rückblickend ein Ort maximaler Unbeschwertheit. Dann Erschrecken: Ist nämlich ganz schön lange her, das alles.
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Die erste WG in der Stadt





Der Ort: Der Kurfürstenplatz in Schwabing. In der Mitte liegt eine Insel mit Kiosk und großen Kastanien, drumherum laufen der dezente Schwabinger Verkehr und ein paar Tramgleise. Oben teilt der Platz die Hohenzollernstraße, im Norden in der Belgradstraße lag meine erste WG.

Der Auslöser:
Ich bin bei einer Freundin zum Essen eingeladen und muss den Platz überqueren. Da steht diese Kastanie neben dem Kiosk. Die Krone ragt oben durch das Netz aus Oberleitungen, fahl angeleuchtet von den Straßenlaternen ringsum.

Die Erinnerung:
Ich stehe nachts mit drei Freunden genau hier, an der Tramstation, auf dem Weg in die Innenstadt – zum Feiern in die Clubs, die wir vom Hörensagen kennen. Ich bin 20 und vor ein paar Wochen hierher gezogen. Mitten in die Stadt. Seither übernachten jedes Wochenende irgendwelche Freunde bei mir, die noch bei ihren Eltern wohnen. Niemand von uns hätte vorher gewusst, wo der Kurfürstenplatz genau liegt. Jetzt ist er der eine bekannte Fleck, von dem aus wir diese fremde Stadt erkunden. Meine Orientierung reicht nur ein paar Häuserblöcke weit. In die meisten Straßen, die am Kurfürstenplatz münden, bin ich noch nie eingebogen. Die Kastanieninsel ist der erste mir bekannte Fleck in Schwabing.

Die Reaktion:
Kurzer Moment der Reflexion. Gedanke: Ich muss! Endlich! Mal wieder! In eine neue Stadt ziehen! Dann: Augen auf, Arm um die Freundin gelegt, rüber über die Straße und rauf in die Wohnung zum schönen Abendessen. [seitenumbruch]

Der Fahrradunfall





Der Ort: Ohlmüllerstraße, hinter dem Mariahilfplatz. Eine Riesenkreuzung mit Fahrradweg, im Hintergrund erhebt sich der Giesing Berg, obendrauf ein Schornstein.

Der Auslöser:
Ich fahre mal wieder mit dem Rad zum Sport. Am Mariahilfplatz erwische ich eine Grünphase, ich kann Vollgas durchradeln. Praktisch, weil: Ich brauche Schwung für den Giesinger Berg. Die Reifen meines Rennrads zischen, nur im Augenwinkel sehe ich die Sparkasse rechts an mir vorbeifliegen und links die Tramstation.

Die Erinnerung:
Vor zwei Jahren im Sommer – ich auf dem Weg zum Sport. Vor der Arbeit. Gleiches Szenario, nur mit damals neuem Rennrad. Es hat Klickpedale aus Plastik, ich trage Turnschuhe. Die Ampel wird grün, ich beschleunige wie blöd die Ohlmüller rauf, immer noch total überrascht, wie schnell so ein Rennrad von null auf vierzig kommt, ich trete im Stehen voll rein, rechts zischt die Sparkasse vorbei, links die Tramstation, den Berg werde ich rauffliegen! Dann rutscht meine Sohle vom Pedal. Ich trete ins Nichts, das Rad schlingert nach links auf die Straße, ich fliege über den Lenker und das Rad über mich. Dass jetzt kein Auto kommt und mich überrollt, ist reiner Zufall.

Die Reaktion:
Adrenalin. Das Gefühl des Fallens, die Erleichterung über das Riesenglück von damals. Der schmale Grat zwischen Alltag und Lebensgefahr ist plötzlich gut sichtbar. Ich prüfe, ob die Schuhe gut auf dem Pedal sitzen. Kurz der Gedanke: Diesen Sommer montiere ich aber wirklich mal normale Pedale an mein Rad. Dann trete ich weiter. Gleich fängt ja die Steigung an.[seitenumbruch]

Die Polizeikontrolle





Der Ort: Direkt neben dem Isartor gibt es eine kleine Seitenstraße namens „Lueg ins Land“. Neben hübschen Altstadthäusern steht hier auch ein Neubau, und davor ragt eine etwa hüfthohe Backsteinmauer aus dem Kopfsteinpflaster.

Der Auslöser:
Diese Mauer ist Treffpunkt für eine „kulinarische Stadtführung“. Habe ich zum Geburtstag geschenkt bekommen. Wir warten, bis alle Teilnehmer da sind, der Stadtführer erklärt in der Zwischenzeit, dass die Mauer ein Rest der mittelalterlichen Stadtmauer ist. Ich kann ihm aber gerade nicht folgen, denn ich erinnere mich gerade an das letzte Mal, als ich hier stand und wartete.

Die Erinnerung:
„Wenn ich schon in aller Öffentlichkeit meinen Penis rausholen muss, darf ich dann wenigstens hinter die Mauer gehen?“ Diesen Satz höre ich vor meinem inneren Ohr. Ein Kumpel sagt ihn an einem Samstagabend vor ein paar Jahren gegen zwei Uhr nachts zu einem Polizisten, der uns angehalten hat. Warum? Vielleicht, weil wir vier Jungs in einem verbeulten Opel Corsa sind und zwei davon, Fahrer inklusive, Dreadlocks tragen. Und weil an dem Abend ganz in der Nähe in der Muffathalle ein Reggae-Konzert stattgefunden hat. Während wir warten, muss der Fahrer sich in die Augen leuchten lassen und ein paar Spielchen mit den Polizisten spielen (Geradeausgehen, schätzen, wann eine Minute vorbei ist). Irgendwann einigt man sich auf die Abgabe einer Urinprobe. Hinter den Überresten der Münchner Stadtmauer.

Die Reaktion:
Ich hole mein Handy aus der Hosentasche, öffne eine Musik-App und tippe in die Suchmaske: „John Holt, Police in Helicopter“.

Kondom fürs Handy

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Jetzt also eine App, die einem am nächten Morgen den Weg nachzeichnet, auf dem man vergangene Nacht rumgetorkelt ist: In den USA wird momentan die App Drunkmode zum Verkaufsknüller- weil sie einem ziemlich viele Probleme im Rausch abnimmt. Man kann mit der App bestimmte Nummern und Apps auf dem Handy sperren lassen, herausfinden, wo das nächste Taxi steht und zukünftig soll Drunkmode einem sogar die Länge der Schlange vorm Lieblingsclub anzeigen können und wer von den Freunden bereits drinnen ist.

[plugin imagelink link="http://i.telegraph.co.uk/multimedia/archive/03118/app_3118212c.jpg" imagesrc="http://i.telegraph.co.uk/multimedia/archive/03118/app_3118212c.jpg"] Um die App Drunkmode deaktivieren zu können, muss man eine mittelschwere Matheaufgabe lösen.

Drunkmode ist natürlich nicht die erste App, die einem das betrunkene Leben erleichtern sollen. Auch Apps wie "Drunkblocker" oder "Drunklock" sperren für einen die sozialen Funktionen eines Handys, "Where to whee" oder "Free pee" weisen den Weg zur nächsten Toilette. Die "Find my phone"-App ist sowieso Standard ("Fuck, ich glaube, ich hab mein Handy verloren"). Und prinzipiell ist es ja auch schön, dass es das alles jetzt gibt - wenn man's denn mag.


Drunkmode-Erfinder und Student Joshua Anton hat das Prinzip seiner App gegenüber dem Telegraph so zusammengefasst: "It's like a condom for your phone. A condom allows you to have sex and have fun but not get pregnant. It keeps you safe". Was natürlich ein schönes Bild ist. Aber gleichzeitig auch ziemlicher Quatsch: Denn egal ob mit oder ohne Kondom - Sex macht vor allem Spaß, wenn er ein bisschen spontan ist. Wenn nicht alles für einen von vorneherein geregelt wird. Es sollen sich auch schon gute Liebesgeschichten ergeben haben, wenn jemand betrunken doch noch einen letzten Versuch bei der Ex gestartet hat. Gut also, dass solche angeblich sicherheitsfördernden Apps immer noch freiwillig sind. Nicht, dass es irgendwann heißt, wenn jemand betrunken mal wieder peinliche Sachen postet: "Ach hättest du doch diese App installiert."

charlotte-haunhorst

Meine Straße: Plinganserstraße

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Die Plinganserstraße ist erst mal funktional bis hässlich. Aber ich habe sie in den sieben Jahren, die ich hier schon wohne, sehr lieb gewonnen. Hier kommen die verschiedensten Leute zusammen, und vieles ist noch schön rustikal und bodenständig.

Die Jugend vom Harras trifft sich vorm McDonald’s und geht dann ins Shisha-Café. Oder bleibt im Sommer einfach auf der Straße. Da stehen sie dann, zusammen mit den Leuten aus dem Wettbüro, der Videothek, dem Imbiss. Jung und alt, total gemischt, lachen und genießen das Straßenleben.

Neben dem Stemmerhof gibt es das Café Schuntner, dort gibt es die besten Torten des Viertels. Mindestens. Früher war das ein richtiges Oma-Café, dann hat der Besitzer gewechselt und seitdem kommt von der Studentin bis zum Rentner wirklich jeder hierher. Was alle verbindet, sind die leckeren Torten. Einer der Tortenverkäufer ist DJ, und oft unterhalten wir uns dann an der Kuchentheke darüber, wie die Nacht noch so war.

Über dem Café gibt es eine richtig alte Bilderbuch-Boazn, die noch nicht von besonders vielen jungen Menschen entdeckt wurde. Antonios Tenne heißt die. Die Fenster sind aus buntem Mosaikglas, sodass man nicht rausschauen kann und drinnen immer ganz schummriges Licht herrscht. Die Wände sind holzvertäfelt, schwere Stofflampen hängen von den Decken, alles sehr urig. Und das Publikum besteht aus lauter Sendlingern, die am liebsten ihre Ruhe haben. Angeblich soll das Schnitzel hier sehr gut sein.

Genau da, wo die Straße eigentlich am banalsten ist und wo man wirklich nichts Aufregendes erwartet, zwischen Stemmerhof und Harras, steht plötzlich die imposante Margaretenkirche. Es ist jedes Mal wieder ein Erlebnis, wenn man daran vorbeikommt, denn sie ist eigentlich viel zu groß für so ein kleines Viertel. Und wenn ihre Glocken läuten, fühlt man sich wie auf dem Dorf.

Im Café Grass ist die Zeit stehen geblieben, ich finde, es sieht aus, als ob es seit mindestens 30 Jahren nicht renoviert worden ist. Drinnen sitzen meist auch sehr alte Menschen. Man könnte es leicht mit einer Seniorenresidenz verwechseln. Und doch scheint es sich zu halten. Vielleicht ist dort ja das letzte Geheimnis Sendlings zu finden, wer weiß. Irgendwann werde ich es testen.

Kürzlich erst entdeckt habe ich die Kitchenette am Harras, das ist ein super Frühstücksladen mit einer schönen Karte, auf der man mehr als immer nur das Übliche findet. Man kann dort aber auch nur Kaffee trinken oder Kuchen essen und in Ruhe eins der vielen guten Bücher aus dem Regal nehmen und lesen.

Der Harras selbst ist übrigens ein gutes Beispiel für eine gelungene Umgestaltung. Jahrelang war das ja eigentlich nur ein Busbahnhof, viel zu groß, immer tot und verlassen, ein hässlicher Platz. Schon in meiner Kindheit, die ich im Hasenbergl verbracht habe, kannte ich den Harras, weil meine Großeltern ganz in der Nähe wohnen. In den vergangenen Jahren hat sich viel verändert und jetzt gibt es einen kleinen Brunnen, viele Bänke, und tatsächlich so etwas wie eine kleine, gemütliche Fußgängerzone. Seit zwei Jahren gibt es hier sogar einen eigenen Weihnachtsmarkt. Und der ist echt sympathisch. Die meisten Stände kommen gleich aus dem Viertel, wie zum Beispiel der Falafelstand, der von den Besitzern des Beirut Beirut in der Valleystraße betrieben wird.

Am Neuhofener Berg, das ist die Grünanlage, die man erreicht, wenn man der Plinganser nach dem Harras noch weiter Richtung Süden folgt, kann man gut joggen oder Gassi gehen. Am höchsten Punkt gibt es einen Pavillon, von dort aus hat man einen großartigen Blick über die Stadt. Und wenn man schon mal da ist, sollte man auch noch den Sprung rüber zur alten Philipp-Morris-Zigarettenfabrik wagen. Früher liefen dort die Kippen vom Band, jetzt gibt es hier Büros, Kunst und ein Café.

H&M und die Nazi-Metaller

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In dieser Geschichte kommen Metaller, Nazis und Trolle vor. Deshalb: durchatmen. Und dann Schritt für Schritt.

• Im Februar bringt H&M eine Kollektion mit Metal-Klamotten raus. Teilweise mit Logos von Slayer oder Metallica - teils von Bands, die offensichtlich erfunden sind, "Mortus" oder "Lany" zum Beispiel:  





• Am Montag berichtet ein großes Metalblog über den Verdacht, H&M hätte zu den ausgedachten Logos auch noch Bandbiografien erfunden - und dabei Neonazi-Symbolik verwendet. Warum? Eine Facebook-Seite des angeblichen Labels der erfundenen Bands ist aufgetaucht. Sie ist offensichtlich erst kürzlich erstellt worden. Als PR-Gag? Dort findet man jedenfalls fiktive Tourplakate der H&M-Bands mit Erkennungszeichen der skandinavischen Nazi-Blackmetalszene. Zum Beispiel das: 

[plugin imagelink link="http://i0.wp.com/www.metalinjection.net/wp-content/uploads/2015/03/Lany_Promoletter.jpg?resize=700%2C992" imagesrc="http://i0.wp.com/www.metalinjection.net/wp-content/uploads/2015/03/Lany_Promoletter.jpg?resize=700%2C992"]

• Der Verdacht ist nicht komplett aus der Luft gegriffen - H&M hat erst letztes Jahr eine Kollektion zurückgerufen, in der ein mutmaßlich antisemitisches Logo verwendet worden war.

Gestern dann die Auflösung: Alles ein Hoax. Hinter der Facebookseite steckt Henri Sorvali, Mitglied der bekannten finnischen Metalband Finntroll. Er hat die Tourplakate entworfen, angebliche Hardcore-Fans erfunden (die auf der Facebook-Seite begeistert über "das Demo von 2000" reden) und sogar aus den H&M-Models düstere Goths gemacht:

[plugin imagelink link="http://assets.noisey.com/content-images/contentimage/55147/10953900-527336667406670-6806894169603727153-n--1-.jpg" imagesrc="http://assets.noisey.com/content-images/contentimage/55147/10953900-527336667406670-6806894169603727153-n--1-.jpg"] 

• In einem Interview hat er jetztNoisey erklärt

Der Zweck (...) war, eine Diskussion anzuregen darüber, dass die Metal-Kultur mehr ist als nur "cool" aussehende Logos und viel mehr ästhetische und ideologische Aspekte in verschiedenen Subgenres hat, als manche Konzerne versuchen auszudrücken. (...) Seht uns als die einmaligen "Yes Men" der Metalszene.

Bleibt uns nur noch, zu applaudieren - und in diesem Finntroll-Video zu schauen, was echte Metaller eigentlich so tragen. Wär das nichts für die Herbstkollektion?

https://www.youtube.com/watch?v=CJhi43RntJk



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