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Kurzer Rock = Schlampe?

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Dass jetzt deshalb aber niemand etwas von einer goldenen Mitte faselt! Die ist im Alltag ja schon selten der richtige Weg. Und bei diesem Thema schon gar nicht. Das Thema wäre grob vereinfacht: Frauen in kurzen Röcken und der Satz „Die hat’s doch nicht anders gewollt!“. Oder: Frauen in hochgeschlossenen Oberteilen und der Satz „Jetzt zier dich halt nicht so!“ Und damit: Frauen, egal in welchem Outfit, und die Annahme, dass sie damit irgendetwas über ihre sexuelle Verfügbarkeit aussagen.

Und weil Bilder nacherzählen ungefähr so sinnvoll ist wie Farben nachsingen, bitte einfach selbst die Kampagne anschauen, in der Theresa Wlokka für Terre Des Femmes mit dem Bild spielt, das manche Menschen offenbar immer noch von Frauen in hohen High-Heels haben. Oder in kurzen Röcken. Oder in langen.

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jakob-biazza

"Glückliche Liebesgeschichten hören wir sehr selten"

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In Afghanistan wird gerade die erste Generation nach der Talibanherrschaft erwachsen und entdeckt die romantische Liebe für sich – und das Internet und seine vielen Flirt-Möglichkeiten. Wie ist es, sich in einer immer noch konservativen und streng muslimischen Gesellschaft zum ersten Mal zu verlieben? In der (extrem beliebten) Radiosendung "The Night of the Lovers" auf dem Kabuler Sender Arman Radio FM erfährt man davon, denn dort erzählen junge Afghanen ein Mal in der Woche ihre Liebesgeschichten.

Ajmal Noorzai, 25, moderiert seit sechs Jahren bei Arman Radio. Seit einem Jahr ist er der Host von "The Night of the Lovers". Im Interview spricht er über gebrochene Herzen, Morddrohungen auf Facebook und Frauen, die für Sex vor der Ehe ins Gefängnis kommen.




Ajmal Noorzai

jetzt.de: In Afghanistan wurden Hochzeiten lange Zeit von der Familie arrangiert. Das Konzept „romantische Liebe“ ist also noch relativ neu, oder?
Ajmal Noorzai: Auf dem Land, in den Provinzen gibt es immer noch keine Liebeshochzeiten. Dort haben die Frauen keine Rechte, die Familie sucht ihnen ihre Ehemänner aus. Hier in Kabul hat sich das in den vergangenen Jahren geändert, jeder hier kennt mittlerweile Paare, die aus Liebe geheiratet haben, in der eigenen Familie oder der Nachbarschaft, und die jungen Menschen lernen langsam, damit umzugehen. Viele Beziehungen laufen aber über das Smartphone oder Facebook ab. Manchmal verliebt sich darum jemand auch nur in die Vorstellung von einer anderen Person. Vor allem die afghanischen Jungs suchen im Internet und über das Telefon nach Mädchen, nur, um mit ihnen zu schlafen.

Seit wann gibt es „The Night of the Lovers“?
Seit dem Valentinstag 2014. Unser Sender-Manager Sameem Sadat kam auf die Idee, als er auf dem Heimweg Jungs und Mädchen gesehen hat, die telefonierten und lachten. Sie wirkten verliebt, so, als ob sie mit ihrem Freund oder ihrer Freundin sprechen würden ­– und da dachte Sameem, es wäre schön, wenn sie ihre Geschichten erzählen könnten.

Wer ruft denn bei dir in der Sendung an?
Hauptsächlich Mädchen im Teenageralter.

Und wie viele?
Wir ermitteln das nicht genau und haben keine Studien dazu – aber die Telefone klingeln und klingeln. Ich denke, wir bekommen jede Woche etwa 90 bis 100 Anrufe.

Was erzählen die Anrufer so?
Meine liebste Geschichte war die von einem Paar, das sich am Telefon verliebt hat. Aber irgendwann hat sie ihn einfach nicht mehr erreicht. Als das Mädchen die Geschichte erzählt hat, hat sie dabei sehr geweint. Ich musste sogar selbst weinen...

Passiert dir das öfter?
Manchmal. Weil die Geschichten einfach zu traurig sind. Glückliche Liebesgeschichten hören wir sehr selten – Liebe bedeutet nun mal gebrochene Herzen.

Als Moderator so einer Sendung musst du sicher das Vertrauen der Zuhörer gewinnen – damit sie dann anrufen und ihre Geschichte erzählen.

Ja. Sameem rief mich an, erklärte mir das Konzept der Sendung und sagte: Ich will dich als Host, weil du auch Fernsehmoderator bist, die Mädchen kennen und mögen dich und vertrauen dir, sie werden dir ihre Geschichten erzählen. Und ich war selbst grade verliebt und hatte Erfahrung damit, konnte die Gefühle der Verliebten also gut nachvollziehen...

http://vimeo.com/118958255 Aus einer der Geschichten, die bei "The Night of the Lovers" erzählt wurden, ist ein animierter Kurzfilm entstanden.

Du moderierst die Sendung zwar, gibst den Anrufern aber keine Tipps, wie man das aus Call-in-Shows bei uns kennt. Wieso nicht?
In einem traditionellen Land wie Afghanistan würde es Probleme geben, wenn wir ihnen Tipps geben. Vor allem viele Männer hier mögen solche Ratgeber-Shows nicht und würden dafür sorgen, dass wir abgesetzt werden. Darum soll die Show nur eine Plattform für Geschichten über die Liebe sein. Die Anrufer können hier ihr Herz ausschütten. Und es hilft ihnen, die Geschichten anderer zu hören.

Ihr sendet die Geschichten aber nicht live.
Nein, wir haben ein automatisches Aufnahmesystem. Unsere Hörer rufen dort an und ihre Geschichte wird aufgezeichnet. Im Radio kündige ich sie an, dann wird sie gesendet. Allerdings meistens mit geänderten Namen. Man kann seine Geschichte auch per Mail oder Facebook einreichen, dann wird sie von einer Moderatorin vorgelesen. Und nach jeder Geschichte spielen wir ein Lied, das thematisch dazu passt.

Eure Sendung gefällt sicher nicht allen, oder?
Manche Leute schicken uns Nachrichten oder schreiben böse Kommentare, wenn wir Geschichten auf Facebook posten: dass wir die Show absetzen sollen, dass sie die Menschen zum Sex verführt, dass sie uns umbringen wollen und wir schamlos sind und so weiter.

Und für afghanische Frauen ist es sicher besonders schwierig, offen über ihr Liebesleben zu sprechen.
Ja, aber das verändert sich langsam. Und bei uns anzurufen ist für sie ganz ungefährlich, durch die geänderten Namen kann sie ja niemand erkennen.

Ihr habt auch Frauen besucht, die wegen „moralischer Vergehen“ im Gefängnis sitzen, und sie ihre Geschichte erzählen lassen. Was ist ihnen passiert?
Laut Islam und afghanischem Recht sollen Mädchen bis zur Hochzeit jungfräulich bleiben. Wenn sie ihre Jungfräulichkeit vorher verlieren, will niemand sie heiraten oder sie kommen sogar ins Gefängnis. Im Frauengefängnis von Kabul haben wir Frauen besucht, die dort sind, weil ihnen so etwas passiert ist. Zum Beispiel, weil ihnen ein Mann seine Liebe geschworen hat, sie Sex hatten und der Mann sie danach verlassen hat. Die Familie hat ihn dann von der Polizei festnehmen lassen und zur Hochzeit gezwungen. Die Geschichten, die uns diese Frauen erzählt haben, sind eine Art Warnung für andere Verliebte – wir wollen ihnen mit unserer Sendung zeigen, was wahre Liebe ist und was nicht.

Dichte Materie

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Als zu Beginn der Woche das neue Album „To Pimp AButterfly“ des amerikanischen Rappers Kendrick Lamar erschien, war schnell von einem Meisterwerk die Rede. Alles andere wäre auch eine echte Enttäuschung gewesen.



Der König des Westcoast-Rap tritt seine Regentschaft an: Kendrick Lamar.

Denn die alten Könige des Westcoast Rap, Dr. Dre, Snoop Dogg und The Game, hatten ja nicht umsonst das Nachwuchstalent Lamar schon vor Jahren in den Himmel gehoben und ihm freiwillig das Zepter zu ihrem Reich übergeben. Sein 2012 erschienenes Album „Good kid, m.A.A.dcity“ war auch sonst über alle Maßen gefeiert worden, weshalb von dem 27 Jahre alten Musiker aus L.A.s berüchtigtem Gang-Viertel Compton nun nichts anderes mehr erwartet wird als: größte Großtaten.

Und ja, man spürt vom ersten Song an, dass hier Außergewöhnliches passiert. Es knistert kurz, bevor man zu Beginn von „Wesley’s Theory“ ein Sample hört. Der jamaikanische Sänger Boris Gardiners singt butterweich die Titelzeile seines 1973 veröffentlichten, schmalzig-manifesthaften Songs „Every Nigger Is AStar“. Es klingt aber zuerst noch etwa so, als liefe man auf dem Flur auf eine Tür zu, hinter der der Song läuft. Dann geht die Tür auf, man lauscht dem Song noch eine kleine Weile ungedämpft, wird so angeschmeichelt von zwielichtig-süßlicher Retroseligkeit, mit der Gardiner alles Negative aus dem alten Schimpfwort heraussäuseln wollte, bevor die Platte hängen bleibt: „StarStaSta...“

In diesem Moment ruft jemand „Hit me!“ dazwischen. Es klingt heiser und leicht übergeschnappt. Das ist George Clinton, ja genau, der George Clinton, der mittlerweile 73-jährige Säulenheilige des P-Funk. Woraufhin eine Beatspur einsetzt, die sich mit Flying Lotus und Ronald Colson zwei der findigsten jüngeren Avantgarde-Hip-Hop-Tüftler ausgedacht haben: Da wobbelt ein agiler, etwas synthiehaft klingender Bass los, und ein vermutlich echtes Schlagzeug setzt mit einem zügigen Backbeat ein, der aber nicht, wie in der zeitgenössischen Bassmusik üblich, brachial von unten schiebt. Es ist eher ein energisches, leicht dumpfes Patschen, treibend, aber nicht zu dominant, gerade so präsent, dass der Eindruck entsteht, dass hier zwar etwas eindeutig vom Funk der Siebziger inspiriert ist, aber doch nicht nur altmodisch klingen will. Darüber tupft ein wabernder Synthie ein paar jazzige Töne, die sich mal wie eine leidende Flöte anhören, dann wieder eher wie eine betrunkene Trompete; und George Clinton gibt dem jungen Thronfolger noch eine Mahnung zur Selbstkritik mit auf den Weg – „Are you really who they idolize?“ Bist du wirklich der, den sie zu ihrem Idol gemacht haben?

Und dann: Auftritt Kendrick Lamar. Wobei seine Stimme erst mal mindestens vervierfacht wird. Kurzer, ganz breiter Stimmpinseleinsatz also, danach eine ungewöhnlich defensive, fast zerknirschte, aber immer irrsinnig wortgewandte, nie plumpe Reflexion auf die Untiefen des frühen Ruhms, gefolgt von einer Pre-Hook, die mit dem Klischee jongliert, dass Schwarze nicht mit Geld umgehen können, was wiederum auf eine Nummer des schwarzen Comediens Dave Chapelle anspielt, gefolgt von einem Statement der nächsten lebenden Legende, Dr. Dre. Der Rapper und Über-Produzent erinnert seinen Protegé Lamar daran, wie leicht es ist, berühmt zu werden – und wie schwer, berühmt zu bleibe, woraufhin Lamar den zweiten Vers als cleveres Rollenspiel leicht beschleunigt erst mal ohne Beat rappt, über eine aufsteigende, Spannung erzeugende Bassline. Er ist jetzt Uncle Sam, die Karikatur des skrupellosen weißen amerikanischen Geschäftemachers, der sich an den schwarzen Jungstar heranmacht und ihm das Blaue vom Himmel verspricht. Dann noch mal George Clinton und eine bittere Pointe am Schluss – wobei das nun viele Worte waren und doch kaum genug, um einen annähernd vollständigen Eindruck davon vermitteln zu können, was hier in einem einzigen Song eigentlich los ist.

Und von diesen irrsinnig anspielungsreichen und pophistorisch so ultra-informierten Monstertracks gibt es – mithilfe einschlägig-kongenialer Spezialisten wie Bilal, Mark Spears oder Snoop Dogg – noch 15 andere auf dem Album. Darunter nicht zuletzt etwa „King Kunta“, „The Blacker The Berry“ oder der lange vorab veröffentlichte, wirklich unwiderstehlich galoppierende Hit „I“ in einer (simulierten) Live-Version. So komplette, narrativ so dichte Pop-Alben wie diese gibt es nur alle paar Jahre einmal. Wenn überhaupt. Kendrick Lamar möchte ja nicht einfach ein paar Geschichten abwerfen. Er will auf dem Album eine ganze komplexe Welt wieder in den Griff bekommen. Und dennoch fühlt man sich hier sofort auch unmittelbar fremd, trotz all der hinreißenden musikalischen Raffinesse. Fremder, als man es von anderen Mainstream-Hip-Hop-Geniestreichen der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart, also etwa von den Emo-Orgien von Drake oder den Ego-Orgien von Kanye West gewohnt ist. Sogar (oder gerade) der absurd materialistische zeitgenössische amerikanische Gangster-Rap ist einem hier in Europa viel näher als „To Pimp AButterfly“.

Wie kann das sein?

In Peter Sloterdijks zeitdiagnostischem Großessay „Du musst dein Leben ändern“ findet sich der Gedanke, dass die „Entspiritualisierung der Askesen“ und die „Informalisierung der Spiritualität“ die „atmosphärisch mächtigsten Ereignisse in der aktuellen Geistesgeschichte der Menschheit“ seien. Wobei man Askese hier im Großen und Ganzen als Drang zur Selbstbehauptung durch fleißige Selbstverbesserung verstehen kann und Spiritualität als Sehnsucht nach einer höheren, außeralltäglichen Sinnreserve.

Beides ist natürlich in erster Linie eine Folge der Tatsache, dass offenbar zwar die Plausibilität der Religion(en) im Westen stark abgenommen hat, nicht aber die Plausibilität der Spiritualität. Das spirituelle Vakuum in jedem Einzelnen will weiter gefüllt werden. Kulturelle Sphären, die das für Sloterdijk besorgen, sind der Sport und die „populäre Neo-Mystik“.

Sloterdijk nennt für die „Neo-Mystik“ keine direkten Beispiele, man darf sich darunter aber getrost alles zwischen Yoga und Scientology vorstellen. Und wohl gerade auch die Popmusik, wenn er davon spricht, dass die Neo-Mystik als postmoderne Andacht den „zeitgenössischen Einzelnen“ mit „unvorhersehbaren Blitzen innerer Ausnahmezustände“ überziehe.
Mit anderen Worten: Ein Album wie „To Pimp AButterfly“ irritiert auf dieser Seite der Welt, weil Lamar als Hip-Hop-Star natürlich erst einmal die Informalisierung der Spiritualität in Reinform repräsentiert. In keiner Kunst wird schließlich der Selbstbehauptung unter den Bedingungen des Raubtierkapitalismus so gehuldigt wie im Mainstream-Rap.

Als Werk, das sich dann jedoch unmissverständlich darum dreht, was es bedeutet, in den USA schwarz zu sein, verweigert „To Pimp AButterfly“ von der ersten Zeile an („Every nigger is astar“), allerdings überhaupt nicht aggressiv, seine eilige Verallgemeinerbarkeit. Der Mangel an Universalisierbarkeit eröffnet diesem Album in gewisser Weise aber natürlich überhaupt erst die Möglichkeit zu dieser auch poetisch-literarisch so eindrucksvoll vielschichtigen Vivisektion seiner Welt – und damit zu seiner raren Größe.

Im Londoner Guardian bemerkte der britische Schriftsteller Tom McCarthy in einem Essay zur Lage des zeitgenössischen Romans vor ein paar Tagen, dass James Joyce heute keine Romane mehr schreiben würde. Ein Erzählgenie wie er, das mit aller Macht der Kreativität seine in alle Richtungen auseinanderdriftende Gegenwart in den Griff zu bekommen versucht – so ein Genie würde heute für Google arbeiten. Als anonymer Metatist im Werkraum eines Konzerns, der größer und mächtiger als alles ist, was sich ein einzelner Mensch, und sei es der begnadetste Schriftsteller, bislang vorstellen konnte.

Womöglich ist das so. Viel tröstlicher und greifbarer erscheint vorerst aber doch die Vorstellung, dass er auch ein Rapper wie Kendrick Lamar sein könnte.

Über Zeichen gehen

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Niemals in der Geschichte Deutschlands oder Europas wurde so viel über einen Finger geredet. Über einen Mittelfinger. In einer Zeit der anhaltenden Krise, die sich in einigen Ecken Europas längst zu einer humanitären Krise ausgewachsen hat, haben wir nichts Besseres zu tun, als über einen Finger zu reden.



Was stimmt denn nun? In Jauchs Sendung war der Mittelfinger zu sehen. Böhmermann behauptet, im Original haben Varoufakis gar keinen Finger gezeigt und jetzt gibt es auch noch eine Version mit dem Zeigefinger.

Yanis Varoufakis ist nicht der erste Grieche, der den Mittelfinger gezeigt hat. Der Philosoph Diogenes richtete bereits im vierten Jahrhundert vor Christus diese Geste gegen den Redner Demosthenes. Er erklärte das folgendermaßen: „Die meisten Menschen sind der Verrücktheit so nahe, dass ein gereckter Finger den ganzen Unterschied macht. Wenn du hingehst und deinen ausgestreckten Mittelfinger zeigst, wird dich jemand für verrückt halten, wenn es aber der kleine Finger ist, wird er es nicht tun.“ Warum also so viel Aufsehen um Varoufakis’ Mittelfinger?

Wir sehen uns hier mit einer neuen Form des Kapitalismus konfrontiert, die am besten als „Semio-Kapitalismus“ beschrieben werden könnte. Das ist ein Kapitalismus, der durch die Akkumulation und Interpretation von Zeichen funktioniert. Nehmen wir das folgende Beispiel: Sobald Syriza in Griechenland an die Macht kam, konzentrierten sich die meisten Kommentare, auch die der seriösen Medien, darauf, dass Tsipras keine Krawatte umgebunden hat und Varoufakis eine Lederjacke trägt. Das war ein klares Zeichen, dass die gegenwärtige griechische Regierung zumindest ungewöhnlich sei. Zweites Beispiel: Ob Angela Merkel lächelt oder nicht, kann ein Zeichen für die Märkte sein, darauf zu „reagieren“, so als ob sie Menschen wären. Jedes Mal, wenn man hört, dass „Märkte reagieren“, kann man sich sicher sein, dass man sich in der Sphäre des „Semio-Kapitalismus“ befindet. Oder nehmen Sie einen der Broker-Filme, von Oliver Stones „Wall Street“ bis zu „Margin Call“ oder „Wolf of Wall Street“. Sie alle zeigen, dass das Kaufen und Verkaufen von Aktien größtenteils von Gerüchten, Spekulationen, Ansehen abhängt und dass ohne Kommunikation (Zeichen) keine Akkumulation (von Kapital) stattfindet.

Insofern ist es wenig verwunderlich, dass ein einzelner gereckter Mittelfinger zu einem derart wichtigen Zeichen wurde, dass der deutsche Finanzminister Schäuble folgerte, die Griechen hätten „alles Vertrauen zerstört“.

Während des „Subversive Festivals“, für das ich Varoufakis 2013 als einen von vielen Gästen persönlich eingeladen hatte, war dieser noch nicht Finanzminister. Er kam als Autor von „Der globale Minotaurus“, einer präzisen Analyse der gegenwärtigen Finanzkrise. Er war einer von hundert Gästen, darunter Oliver Stone, Aleida Guevara, Tariq Ali und Slavoj iek. Das Überthema des Festivals war in diesem Jahr „Die Zukunft Europas“. Es ging darum zu zeigen, dass die Sparmaßnahmen und die aktuelle Ausrichtung der EU für uns alle keine gute Zukunft bringen können, und darum, dass wir untereinander Solidarität brauchen – auch zwischen Deutschen und Griechen. Auf dem Festival wurde in keiner Weise Hass zwischen den unterschiedlichen Nationen gefördert, im Gegenteil, es ging darum, unsere gegenwärtige tragische Situation zu befragen und eine mögliche gemeinsame Zukunft zu imaginieren.

Wenn Varoufakis aber damals noch nicht Finanzminister war, warum hat der deutsche Sender dann seinen Finger bewusst aus dem Zusammenhang gerissen und die Szene als eine Geste des aktuellen Finanzministers dargestellt?

Wie mittlerweile jeder weiß, der das Originalvideo gesehen hat, sprach Varoufakis damals über eine hypothetische Situation: Er berief sich auf einen Zeitpunkt im Januar 2010, als Griechenland in seinen Augen den Staatsbankrott erklären hätte sollen – ohne die Euro-Zone zu verlassen. Die Worte „Deutschland den Finger zu zeigen“ richteten sich hier ganz eindeutig nicht gegen einen Staat oder gegen ein Volk, sondern gegen eine deutsche Regierung, die zu dieser Zeit die hauptsächliche Vertreterin der desaströsen EU-Sparpolitik war und dies auch heute noch ist.

Also noch mal: Warum und wie wurde ein Mittelfinger zu einem Symbol historischen Ausmaßes? Es liegt an jenem „Semio-Kapitalismus“, der es so einfach macht, von wichtigen Fragen abzulenken, ja diese sogar auszulöschen. Es ist kinderleicht, Varoufakis’ Glamour-Bilder in Paris Match zu kritisieren oder seinen Mittelfinger, aber es ist unmöglich, eine ernsthafte Diskussion über Griechenlands Forderungen nach deutschen Kriegsreparationen zu führen. Es ist einfach, über Tsipras’ Kleidungsstil zu reden, aber es ist immer noch nicht möglich, ernsthaft über die größte Schuldentilgung des 20. Jahrhunderts zu diskutieren, bei der den Deutschen im Zuge des Londoner Abkommens 62 Prozent ihrer Schulden erlassen wurden.

Der Ökonom John Maynard Keynes sagte, wenn du Schulden in Höhe von tausend Pfund bei der Bank hast, die du nicht zurückzahlen kannst, dann hast du ein Problem. Wenn du aber zehn Millionen Pfund nicht zurückzahlen kannst, dann hat auch deine Bank ein Problem. Das ist die beste Beschreibung der aktuellen Systemblockade in Europa. Im Zusammenhang mit dem Finger-Skandal muss gesagt werden, dass Griechenland nicht tatsächlich Deutschland oder den Deutschen Geld schuldet, sondern privaten Banken und dem Finanzsektor, und dass eine kleine Minderheit versucht, Finger, Krawatten und Jacken dazu zu benutzen, die Aufmerksamkeit von dieser einfachen Tatsache abzulenken.

Wenn man aus dem Finger-Skandal eine Lektion lernen kann, dann die folgende: Zeichen sind Waffen; jeder Kampf ist auch ein semantischer, das heißt ein Kampf um die Deutungshoheit von Zeichen. Hier gilt die Antwort, die Humpty Dumpty auf Alices Frage „Wie kannst du einem Wort so viele verschiedene Bedeutungen geben?“ lieferte: „Die Frage ist, wer die Macht hat, das ist alles.“

Der Finanzkapitalismus funktioniert dadurch, dass er die Macht über die Bedeutung hat; er kann durch Spekulationen Ansehen und sogar durch Gerüchte Wert schaffen. Bezogen auf die Krise Europas: Die Frage ist, wer das Sagen hat, das ist alles. Er entscheidet dann auch darüber, was Varoufakis’ Finger wirklich bedeutet. Die Berichterstattung der letzten Tage hat gezeigt: Sobald der Finger da war, war es unwichtig, dass das Ganze 2013 passiert war, und zwar in einem ganz anderen Zusammenhang. Die jüngste Wendung im Stinkefinger-Skandal, bei der Jan Böhmermann beansprucht, den Finger nachträglich in die Videoaufnahme hineinmontiert zu haben, ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass wir wirklich eine gefährliche Zeit erreicht haben. Eine Zeit, in der es nicht mal mehr wichtig ist, ob ein Finger gefälscht ist oder real.

Eines allerdings ist klar: Nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa wurde der Mittelfinger gezeigt, wenn wir es nicht mehr schaffen, eine ernsthafte und erwachsene Debatte über die europäische Krise zu führen. Dieser Mittelfinger ist das wahre Symbol für die Krise Europas.

Der Autor ist Philosoph und Direktor des „Subversive Festival“ in Zagreb.

Eine schrecklich perfekte Familie

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Mal wieder einen Abend nur für mich, das wäre was. Aber ich will meinen Mann nicht alleine mit dem Kind zu Hause lassen.“ Nein, dieser Seufzer stammt nicht aus dem Jahr 1952, sondern ist erst wenige Monate alt. Die Mutter: eine selbstbewusst wirkende Frau Mitte dreißig. Das Paar: ein gleichberechtigt wirkendes Team. Das Problem: total überzogene Vorstellungen davon, wie gute Eltern heute sein sollen.



Wie viel Kind-Zentrierung ist gesund für die Mutter und welche Rolle spielt der Vater?

Dass dieses Phänomen weit verbreitet ist, beweist nun eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) in Wiesbaden, das die Vorstellungen der Deutschen zu Partnerschaft, Elternschaft und Familie untersucht hat. Befragt wurden 5000 zufällig ausgewählte Personen zwischen 20 und 39 Jahren, die 2012, 2013 und 2014 immer wieder kontaktiert wurden.

Demnach setzen sich gerade junge Erwachsene mit einer Überhöhung des Elterndaseins unter Druck: So glauben mehr als 80 Prozent der Befragten, dass man bei der Erziehung von Kindern viel falsch machen kann, und ein Viertel ist der Überzeugung, dass Eltern ihre Bedürfnisse komplett denen ihrer Kinder unterordnen sollten. Eltern, findet die Mehrheit, müssten sich gut über Erziehungsfragen aller Art informieren – das erklärt wohl die Vielfalt an Kursen, die viele Deutsche vor und nach der Schwangerschaft belegen. Zudem glaubt die Hälfte der Befragten, dass eine Familiengründung materielle Absicherung und die berufliche Etablierung der Frau voraussetzt. „Perfekte Eltern“, weniger geht nicht, so die Annahme.

„In Deutschland dominiert eine Kultur des Bedenkens, Zweifelns, Sorgens im Hinblick auf Elternschaft, obwohl der Wunsch nach einem Kind groß ist“, sagt BiB-Direktor Prof. Norbert F. Schneider. Elternsein gilt als schwer zu bewältigende Aufgabe, die viele Anforderungen mit sich bringt. Die Forschungsgruppe „Familienleitbilder“ des BiB möchte aus ihrer Arbeit Empfehlungen für die Politik ableiten und deshalb wissen: Warum scheint es für viele Menschen nicht mehr so erstrebenswert zu sein, Kinder zu bekommen? Und warum hängen manche ihren Job zugunsten der Familie an den Nagel?

Auslöser der Unsicherheiten sind offenbar nicht zuletzt die Vorstellungen von Familie, die von klein auf durch Beobachtungen entstehen – bei den Eltern, bei Bekannten, in Schule und Arbeit, oder in den Medien. Mit der Zeit erscheint das, was man sieht, als selbstverständlich. Überzeugungen wie „Bevor man heiratet, sollte man eine Weile zusammengewohnt haben“ oder „Ideal sind zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen“ tragen viele unbewusst in sich, ohne sie je zu hinterfragen.

Dr. Sabine Diabaté, die Leiterin der Forschungsreihe am BiB, hat noch eine weitere vermeintlich eherne Regel ausgemacht: „Viele denken, dass das Kindeswohl nur gewährleistet werden kann, wenn Eltern ihre Bedürfnisse zurückschrauben und das Kind in den absoluten Mittelpunkt stellen.“ Das zeige sich schon während der Schwangerschaft. „Was ist in Sachen Ernährung förderlich, auf was muss ich unbedingt verzichten? Die Menschen, sogar diejenigen, die noch gar keine Familie planen, sind aufgrund der Vielfalt an Informationen rund um den Kosmos Kind überfordert. Sie fühlen sich unter Druck gesetzt.“ Die persönlichen Vorstellungen, so die Untersuchung, sind dabei häufig liberaler als das gesellschaftliche Stimmungsbild, dem sich die Eltern dann doch unterwerfen.

Die Studie deckt noch einen weiteren Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit auf. So lehnen knapp 30 Prozent der Eltern das männliche Alleinverdienermodell ab – und leben es zu Hause doch. „Wir beobachten eine Retraditionalisierung“, so Sabine Diabaté. Tatsächlich sind mehr als drei Viertel der Befragten der Meinung, dass Mütter nachmittags zu Hause sein sollten, um Zeit für ihre Kinder zu haben. „Menschen, die bis zu der Geburt des Kindes eine gleichberechtigte Partnerschaft geführt haben, fallen danach zurück in klassische Rollen,“ sagt Diabaté. Das sei für Mütter wie Väter unbefriedigend. Zu den Ursachen zählt Diabaté auch den Mangel an Kleinkindbetreuung, widrige Bedingungen für den Wiedereinstieg von Frauen in den Job, sowie die aktuelle Familienpolitik, die immer noch auf das Alleinverdienermodell abzielt.

Die Mutter, die gern mal einen Abend für sich hätte und trotzdem nicht loslassen kann, mag auch dem Phänomen des „maternal gatekeeping“ unterliegen. Damit beschreibt man Mütter, die ihren Mann in Sachen Kind nicht als kompetent empfinden – und deshalb alles selbst machen. „Das liegt neben dem weit verbreiteten Muttermythos in der Natur der Sache: Wenn Frauen nicht arbeiten gehen, sehen sie die Familienarbeit als ihren Job an. Den wollen sie ungern hergeben, wenn der Mann abends übernehmen will“, so Diabaté. Der „neue Vater“, der Vollzeit arbeitet und gleichberechtigt miterziehen will, sollte das jedoch nicht als Einladung zum Nichtstun sehen. „ Väter müssen sich ihren Anteil eben erkämpfen. Und Mütter müssen sich fragen, wie viel Kind-Zentrierung gesund ist.“

Der Milliarden-Schwabe

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Dickrandige Brille, farbloser Pulli, graue Turnschuhe. Ungestutzter Vollbart, unfrisierte Haare, ein kommodes Bäuchlein. Der Mann sieht so unauffällig aus, dass er schon wieder auffällt. In jedem Film wäre er mit so einem Auftritt eine höchst verdächtige Figur. Tatsächlich hat der Stuttgarter Robert Schwentke – 1968 in Bad Cannstatt geboren, aufgewachsen in Hedelfingen, heute wohnhaft in Los Angeles – eine drehbuchreife Biografie. Weil er aber ehrgeizig im Hintergrund bleibt und untergeht in der breiten Masse, für die er mittlerweile Filme macht, wird er nicht als der Weltstar wahrgenommen, der er eigentlich sein müsste – immerhin ist er Deutschlands derzeit erfolgreichster Regisseur in den USA.



Robert Schwentke hat schwere Zeiten in Deutschland hinter sich, ist aber in Hollywood ein gefeierter Blockbuster-Regisseur.

Schwentke ist in Berlin, um zünftig über Hollywood, sehr offen über sich und nebenbei noch über den 3-D-Blockbuster „Die Bestimmung – Insurgent“ zu sprechen, der gerade im Kino läuft. Der futuristische Science-Fiction-Film basiert auf einer Jugendbuchreihe der US-Autorin Veronica Roth, 26. Es geht um eine hübsch und doch auf Krawall gebürstete Auserwählte, die gegen Folter und Unterdrückung und Pubertät ankämpft. Der Film ist der zweite von vier Teilen.

Schwentke wird auch den dritten Teil drehen, der in einem Jahr anlaufen soll. Damit wird er 2016 wohl eine irre Marke knacken: Seine dann erst sechs Hollywood-Filme werden eine Milliarde Dollar eingespielt haben – und das, obwohl er kürzlich eines der größten Kassendesaster überhaupt fabriziert hat („R.I.P.D.“). Ein Treffen im Hotel, bei Sandwiches und Drinks.

SZ: Ich habe Ihnen schon mal ein Glas Wasser hingestellt. Natürlich mit Wahrheitsserum drin, wie in Ihrem Film.
Schwentke: Danke, aber ich bleibe beim Tee. Ich sage sowieso immer die Wahrheit.

Wenn das so ist, reden wir doch gleich mal über Geld. Wie viel hat Ihr Film gekostet?
Puh, 120? 126?

126 Millionen Dollar Budget sind viel Geld für einen Regisseur, dessen vorheriger Film zig Millionen Miese gemacht hat.
Bei „R.I.P.D.“ ist vieles schiefgelaufen. Ich glaube, dass das Studio und ich uns nie einigen konnten, was für ein Film das werden soll. Ab einem gewissen Punkt macht man dann nicht mehr, was einen reizt oder inspiriert, sondern womit alle leben können. Schade um die Lebenszeit. Aber in der Branche wird der Film zum Glück als Ausnahme wahrgenommen, alles andere hat ja gut funktioniert.

Wie Ihr Stuttgarter Kollege Roland Emmerich gelten Sie in dieser Branche als günstiger und effizienter Regisseur.
Sie meinen das alte Schwaben-Klischee? Ich glaube eher, dass es entscheidend ist, wie man mit dem Filmemachen begonnen hat. Wer schon mal mit wenig Geld kreativ viel versucht hat, arbeitet vielleicht sparsamer und schneller als jemand, der mit Werbespots angefangen hat und dabei gleich über obszön viel Geld verfügen konnte.

Wie haben Sie denn angefangen?
Ich habe eine Super-8-Kamera auf dem Speicher gefunden, da war ich vielleicht sechs oder sieben. Der Speicher war für mich damals ein ganz besonderer Ort, da gab’s die Eisenbahn von meinem älteren Bruder, die ich nicht anfassen durfte, und einen Schrank voller Comics, für die mich meine Eltern für zu jung hielten. Und eben die Kamera vom Opa. Ich habe damit meine ersten Filme gedreht, meine Freunde waren die Schauspieler.

Wann wurde daraus was Ernsthaftes?
Ich hab das lange gar nicht als Beruf wahrgenommen. Ich komme aus einer relativ akademischen Familie, und mit meinen Studienfächern – Philosophie und Vergleichende Literaturwissenschaften – war klar, dass ich an der Uni bleibe, sonst kann man damit ja nichts machen.

Viele werden mit so einem Studium zum Journalisten.
(Lacht schallend) Genau, auch nicht schlecht. Das Lachen klang jetzt fast ein wenig fies.
(Lacht schallender) War nicht fies gemeint. Jedenfalls habe ich dann erlebt, wie Emmerich in Stuttgart Filme gemacht hat, bevor er nach Hollywood ging. Irgendwie ist damals bei mir was aufgebrochen. Ich dachte: Mensch, der macht das wirklich. Da ist mir das als Möglichkeit erst richtig bewusst geworden.

Hat Ihr akademisches Elternhaus das auch so gesehen?
Meine Mutter hat Filme geliebt, die ist als Kind stundenlang zum nächsten Ort geradelt, um dort ins Kino zu gehen. Aber als klar wurde, dass ich das beruflich machen wollte, hielt sie das für keine gute Idee. Für meine Eltern waren Filmschaffende noch eine Stufe unter den Zirkusleuten.

Sie wurden trotzdem Filmstudent.
Ich habe Regie studiert. Aber nicht an einer deutschen Filmhochschule, sondern in den USA, am American Film Institute.

Wie kam es dazu?
Mich hat damals Hollywood sehr gereizt. Ich mochte zwar die amerikanischen Filme gar nicht so gerne, aber da war zumindest noch eine Erzählwut zu spüren. Für den deutschen Film waren die 80er ja keine gute Zeit, da gab es gar nichts, nicht mal Komödien. Meine Eltern haben also herausfordernd gesagt: Gut, wenn du das machen willst, dann musst du aber auch nach Amerika gehen. Zu ihrer großen Überraschung habe ich gesagt: Ja, das mach ich.

In Amerika wurden Sie dann krank.
Im dritten Jahr bekam ich Krebs. Ich war eigentlich schon fertig mit der Ausbildung, aber an der Zeugnisvergabe konnte ich schon nicht mehr teilnehmen.

Wie haben Sie gemerkt, dass da etwas nicht stimmt?
Ich hatte Schmerzen, was sehr ungewöhnlich ist für Hodenkrebs. Deswegen wurde ich in Amerika falsch diagnostiziert. Man hat mir dort Antibiotika verschrieben, die natürlich nicht gewirkt haben. Ich bin dann nach Deutschland gekommen, um meinem Bruder beim Umzug zu helfen, und als ich was Schweres gehoben habe, ist es mir richtig reingefahren. Ich dachte, jetzt hast du dir einen Bruch gehoben. Ich habe also einen Freund angerufen, einen Schauspieler, der aber auch Gefängnisarzt war. Der hat mich angewiesen: Tut das weh, wenn du das Bein so und so hebst?

Er hat Sie übers Telefon untersucht?
Ja, ein Bruch ist das nicht, hat er gemeint. Ich sagte ihm, dass mein Hoden riesengroß ist. Da hat er mich gezwungen, ihm zu versprechen, dass ich gleich am nächsten Morgen zum Urologen gehe. Damit hat er mir das Leben gerettet. Beim Urologen war ich dann morgens der erste Patient, und abends war ich als letzter immer noch in der Praxis. Da wusste ich schon: Irgendwas ist da. Am nächsten Tag war ich im Krankenhaus. Hodenkrebs ist ja eigentlich kein Ding, aber bei mir hatte der Krebs gestreut. Ich musste sofort operiert werden. Weitere Operationen habe ich aber verweigert. Im Krankenbett dachte ich: Ich bin doch viel zu jung für diese Schnipselschneiderei. Ich war Anfang 30 und wollte noch Kinder. Also habe ich stattdessen eine Chemo gemacht, und das hat funktioniert.

Sie haben heute Kinder?
Ja. Aber die Chemo hat mir schon extrem zugesetzt. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich wieder auf den Beinen war.

Sie haben danach, noch in Deutschland, einen Film über die Therapie gemacht: „Eierdiebe“. Es ist eine Komödie geworden.
Im Krankenhaus muss man sich mit Sterblichkeit und Verfall auseinandersetzen, egal, ob man sich dafür jetzt zu jung fühlt oder nicht. Dort wird ja andauernd gestorben, da rollen sie nachts die Leute raus. Humor hat in der Situation extrem geholfen. Meine Zimmergenossen und ich haben die schlimmsten Witze gerissen, das war eine Waffe, mit der man dem Elend beikommen konnte. Beim Karneval lacht man ja auch über den Tod. Eine Komödie war für mich die natürlichste Art, mich dem Thema zu nähern. Das hatte etwas zutiefst Therapeutisches für mich.

Hatten Sie damals keine Bedenken, dass der Film zu persönlich gerät?
Überhaupt nicht. Ich spreche zwar generell nicht so gern über mich und gebe für den neuen Film jetzt auch nur in Deutschland Interviews. In Amerika habe ich überhaupt gar keine Pressearbeit gemacht. Ich würde liebend gerne in absoluter Anonymität arbeiten. Aber ich habe keine Probleme, gewisse Teile meines Lebens ganz exhibitionistisch zu zeigen.

Ihre Verwandten werden in dem Film ebenfalls porträtiert.
Deswegen sage ich immer: Eltern sollten vorsichtig sein, wie sie mit ihren Kindern umgehen. Weil die vielleicht später Autoren werden oder Filme machen.

„Eierdiebe“ war allerdings kein Erfolg. Genauso wenig „Tattoo“, der andere Film, den Sie noch in Deutschland drehten.
Stimmt. Niemand hat an meine Tür geklopft und gefragt: Was willst du als dritten Film machen? Aber „Tattoo“ lief noch lange auf Filmfestivals und hat einige Preise gewonnen. So wurde meine heutige Managerin auf mich aufmerksam. Die hat mir dann mehrere Drehbücher zugeschickt.

Ihr erster Hollywood-Film war gleich mit Jodie Foster: „Flightplan“. Lässt die sich was sagen von einem Neuling aus Europa?
Sie hat das gleich zur Sprache gebracht: Mach dir keine Sorgen, wir machen den Film, den du machen willst. Die ist super.

Bei „R.E.D. – Älter , Härter, Besser“ hatten Sie dann mit gleich mehreren Superstars zu tun: Bruce Willis, Helen Mirren, Morgan Freeman, John Malkovich. Ist das wie in Familien: Ob jetzt zwei oder vier Kinder ist auch schon egal, die laufen halt mit?
Na ja, mit dem Unterschied, dass Schauspieler keine Kinder sind, sondern gute Arbeit leisten wollen und abends auch gern pünktlich heimgehen. Und jeder ist anders, mit jedem muss man anders umgehen. Man merkt das schnell, oder man redet mit den Schauspielern direkt und fragt sie: Wie arbeitest du gerne? Magst du gerne proben, oder drehst du lieber gleich? Aber ganz wichtig: Ich liebe Schauspieler, und die merken das ganz schnell.

Es gibt Regisseure, die keine Schauspieler mögen?
Ja natürlich.

Ist Bruce Willis wirklich der komplizierteste Schauspieler in Hollywood?
Sagen wir es so: Ich glaube, es ist nach so vielen Jahren, in denen man oft und auch gerne einen spezifischen Charakter gespielt hat, keine leichte Aufgabe, noch neue Facetten herauszuarbeiten und die eigene Fantasie anzufeuern. Da ist es für den Regisseur dann schwierig, wenn einer denkt: Diese Szene habe ich doch schon 38 Mal gespielt.

Schwierig, weil der Schauspieler diese eine Rolle satt hat? Oder schwierig, weil er besser zu wissen glaubt als der Regisseur, wie man diese eine Szene nun spielt?
Oder vielleicht beides.

Sie leben in Los Angeles. Haben Sie viel zu tun mit den anderen Deutschen, die dort arbeiten?
Eigentlich nicht. So eine deutsche Connection wie einst bei Feuchtwanger, wo dann die Manns und Brecht zum Tee gekommen sind, die hat sich hier nicht entwickelt.

Zumindest drehen Sie immer mit Florian Ballhaus, dem Sohn von Kameramann Michael Ballhaus. Einer der wenigen großen deutschen Namen in Hollywood.
Aber nur wegen seines Namens würde Florian dort auch keinen Job kriegen.

Während Sie trotz Ihres Namens Jobs bekommen.
Ja, Schwentke kann dort wirklich kein Schwein aussprechen.

Ein gutes Stück Arbeit

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Es wird der nächste schwere Brocken, den die Familienministerin stemmen will. Und wie schon bei der Frauenquote gibt es Leute, die Manuela Schwesig prophezeien, sie werde sich einen Bruch heben. Noch in diesem Jahr will die Sozialdemokratin ein Gesetz auf den Weg bringen, das zu einer gerechteren Bezahlung von Frauen und Männern führt. „Eine moderne Wirtschaft braucht die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern. Frauen müssen darauf vertrauen können, dass sie fair bezahlt werden“, sagte Schwesig am Donnerstag, dem Tag vor dem Equal Pay Day, bei einem Besuch der Berliner Wasserbetriebe. In dem Unternehmen sind 41 Prozent der Spitzenjobs mit Frauen besetzt, auch hat es sich einem Prüfprogramm unterzogen, das Lohnungerechtigkeiten aufspüren kann. Das Ergebnis: Es gibt keine Geschlechterdiskriminierung durch das Unternehmen – wohl aber durch Tarifverträge.



Lohngleichheit ist das nächste Projekt von Manuela Schwesig (SPD).

Ganze 22 Prozent verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt weniger als Männer. 15 Prozentpunkte der Lohnlücke entstehen Studien zufolge, weil Frauen seltener Führungsposten innehaben oder in schlecht bezahlten Branchen arbeiten. Die übrigen sieben Prozentpunkte gehen schlicht auf Diskriminierung zurück. Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern sei „nicht zu akzeptieren“, heißt es im Koalitionsvertrag. Union und SPD haben sich darin auf ein Entgeltgleichheitsgesetz verständigt, wonach gleichwertige Arbeit gleich entlohnt wird. Arbeitnehmer sollen einen „individuellen Auskunftsanspruch“ bekommen, warum sie wie viel verdienen im Betrieb. So sollen Unternehmen eine transparentere Bezahlkultur entwickeln, aber auch nachvollziehbare Kriterien, wie eine Tätigkeit gerecht zu bewerten ist.

Erwartungsgemäß haben Arbeitgeber bereits ihre Bedenken angemeldet: Es drohe ein Berg unnützer Berichtspflichten. Auch aus der Union kündigt sich Widerstand an: Nach der Frauenquote wolle man Firmen nicht ohne Not weiter gängeln. Zudem sei unklar, wie Geschlechtergerechtigkeit überhaupt überprüft werden könne.

Zum Equal Pay Day an diesem Freitag, also dem Tag, bis zu dem Frauen im Arbeitsjahr unbezahlt arbeiten im Vergleich zu Männern, wird Familienministerin Schwesig am Brandenburger Tor die Schließung der Lohnlücke einfordern. Vom Entgeltgleichheitsgesetz, das ihr Ministerium erarbeitet, sind zwar noch nicht einmal Umrisse zu erkennen. Schwesig hält das nicht davon ab, das Feld zu bestellen, auch ideologisch. Nach den Erfahrungen mit der Frauenquote, die auf enormen Widerstand stieß, auch weil sie im Vorfeld nicht gut abgestimmt war, will die Ministerin diesmal mit allen Seiten ausgiebig geredet haben, bevor ihr Gesetzentwurf in die politischen Mühlen gerät.

Am Donnerstag also besuchte Schwesig einen Betrieb, der den Beweis bereits angetreten haben will, dass es geht. Die Berliner Wasserbetriebe haben nicht nur überdurchschnittlich viele Frauen in Führungspositionen befördert, sondern auch einen Entgeltgleichheitstest der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt. Der „eg-check“ wertet aus, ob die tarifliche und betriebliche Bezahlpraxis frei von Diskriminierung ist. Sind Jobanforderungen geschlechtsneutral? Worauf basiert die fachliche Bewertung? Werden psychische Belastungen angemessen honoriert? Eine Kundenkorrespondentin, bei der andauernd das Telefon klingelt, wurde da mit einem Automatisierungstechniker verglichen. Sie braucht gute Nerven, er technische Kenntnisse. Der Test machte bei der Bezahlung keine Benachteiligung aus. „Einen Gender Pay Gap gibt es bei uns nicht“, sagte Kerstin Oster, Vorständin bei den Wasserbetrieben.

Ganz so einfach aber ist es nicht. Der Vergleich einer Küchenwirtschafterin mit einem Kanalfacharbeiter ergab, dass der Betrieb die beiden zwar korrekt bezahlt. Dennoch verdient er unangemessen mehr als sie. Weil es im Kanal müffelt und der Kanalfacharbeiter hart anpackt, bekommt er Erschwerniszulagen. Die Küchenkraft, die auch hart anpackt, bekommt keine. Dafür sei aber nicht das Unternehmen, sondern der Tarifvertrag verantwortlich, hieß es bei den Wasserbetrieben. Das klingt, als liege vor Manuela Schwesig noch ein gutes Stück Arbeit.

Kunst im Auftrag des Bösen

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Eines der Bilder von Street-Artist "Rebelzer", das vom Bauherren genehmigt wurde. Kurz darauf wurde es übermalt.  


Am Bauzaun in Hamburg-Ottensen kämpfen sie um die Kunstfreiheit. Die Farbreste auf dem Boden zeugen vom Hin und Her, mit dem sich hier Streetart-Künstler und Anwohner seit zwei Monaten darum streiten, was auf dem Zaun in der Friedensallee zu sehen sein soll. Der Vorwurf steht im Raum, der Bauherr betreibe "Artwashing".

Bitte was?

Wenn die Mächtigen versuchen ihr schlechtes Image aufzupolieren, dann reden ihre Gegner schnell vom "Washing".  Zum Beispiel von "Whitewashing" für die absurde Maßnahme von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, in einem der ärmsten Länder der Welt das erste Skigebiet zu eröffnen. Er versuche so, von seiner schmutzigen Weste abzulenken und sie "weiß zu waschen". Aber man kann die sprichwörtliche Weste auch in Grün oder Pink waschen.

"Greenwashing" ist zum Beispiel, einer CO2-Schleuder wie dem Porsche Cayenne einen Hybridmotor einzubauen oder die Olympischen Spiele als umweltfreundlich zu bewerben. "Pinkwashing" nennen es Kritiker, wenn Unternehmen sich an Kampagnen gegen Brustkrebs beteiligen, obwohl sie selbst Produkte verkaufen, die das Brustkrebs-Risiko erhöhen.

Auch im Alltag greift der Vorwurf: Leni Riefenstahl macht "schöne Bilder"? Artwashing!


Vor ein paar Jahren kam nun das "Artwashing" hinzu, also der Vorwurf, ein schlechtes Image mit Kunst aufzupolieren. Der Vorwurf trifft vor allem Spender aus der Wirtschaft. Zum Beispiel die Schweizer Industriellenfamilie Schmidheiny, die in Rio de Janeiro ein edles Kunst-Museum bauen ließ. Das Geld dafür hatte sie während der Militärdiktaturen in Lateinamerika verdient. Aber auch im Alltag ist man nicht sicher vor "Artwashing"-Vorwürfen: Du verteidigst Leni-Riefenstahl-Filme wegen ihrer schönen Bilder? Artwashing!

Inzwischen greift der Vorwurf auch in der Streetart. Zum Beispiel bei dem Bauzaun in Hamburg: "Reaktionen aus dem Stadtteil gab es schnell. Überwiegend positive", erzählt Tasek, einer der beteiligten Künstler. "Wir wussten, dass es eine Brisanz gibt an dem Ort, aber als Künstler im öffentlichen Raum suchst du natürlich auch das Spannungsfeld."

Ihre Motive wählten sie selbst, Geld bekamen sie keins. Trotzdem wurde aus der anfangs dezenten Kritik schnell ein kleiner Shitstorm. Auf Facebook war die Rede von "Artwashing" und "Pseudo-Kunst-Credibility-Haltung". Die Bilder am Zaun wurden nachts mit brauner Farbe übermalt.



Ein Protest-Graffiti der Crew "Altonas Next Generation" (ANG). 


Die Emotionen kochen schnell hoch, wenn es um die Zeise-Baustelle in der Friedensallee geht. In den nächsten Monaten wird es einen Bürgerentscheid gegen den Neubau geben. Ursprünglich sollten hier nämlich Miet- und Sozialwohnungen gebaut werden. Stattdessen plante der Investor kurzfristig ein neues Bürogebäude, was ihm die Stadt auch genehmigte. Hauptmieter der 800 neuen Büroplätze wird die Werbeagentur Scholz & Friends - laut Kritikern steckt dahinter ein Prinzip: Stadtplaner siedelten heutzutage bewusst "Kreativarbeiter" in Stadtteilen mit alternativen Milieus an, damit durch die eine Aufwertung in Gang kommt, die anderes Kapital anzieht. Und das in einem Stadtteil, der ohnehin mit Wohnungsmangel zu kämpfen hat. Die Streetart am Bauzaun brachte das Fass dann zum Überlaufen.

Im Sommer wollte Tasek an dem Zaun eigentlich auch noch einen Workshop mit Kindern durchführen. Nun aber haben die Künstler ihr Projekt auf Eis gelegt. "Zur Zeit geht das nicht, wenn wir persönlich angegriffen werden und unsere Arbeit zerstört wird. Wir haben Verständnis für die Proteste, aber inhaltlich können wir uns nicht einschränken lassen, weder von Politik, Wirtschaft noch Initiativen." Die Kritiker überzeugt das nicht: "Das ist für Kunst der falsche Ort", sagt Hauke Sann von der Bürgerinitiative Pro Wohnen Ottensen, "wer im Sinne des Investors arbeitet und die Protestgraffitis übermalt, macht sich zum Teil des Projekts."

So ein "Artwashing" an Bauzäunen kann aber auch funktionieren: Am Bauzaun der Europäischen Zentralbank in Frankfurt etwa durften sich Graffiti-Künstler über Monate austoben, die Bank bezahlte sogar die Sprühdosen. Die Sprüher sparten nicht mit Kritik am Finanzsystem, monatelang erschienen in Zeitungen Bilder von der Graffitiwand mit der Bank im Hintergrund. Für einige Monate war der Bauzaun ein gemaltes Stück Interessenausgleich.

"Aus deiner Haut machen wir Schuhe"

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Das Internet ist manchmal kein schöner Ort - und das gilt leider doppelt, wenn man Migrant ist. Die Reaktionen auf den Mord des Flüchtlings Khalid aus Eritrea in Dresden haben das kürzlich gezeigt, aber auch gewöhnliche Meldungen über Asylpolitik ziehen fast immer rassistische Beleidigungen in den Kommentaren nach sich. Wie es sich anfühlt, Ziel solcher Angriffe zu werden, kann man sich als Nicht-Betroffener nur schwer vorstellen.

Das litauische Zentrum für Menschenrechte hat es nun geschafft, in einem Werbeclip zumindest ansatzweise diesen Perspektivwechsel zu erzwingen - und wird für diese Aktion gerade zurecht gefeiert. Das Zentrum hat für einen angeblichen Werbedreh Männer und Frauen zu einem Casting eingeladen. Nur dass sie bereits vor dem offiziellen Vorsprechen in dem Clip mitspielen, ohne es zu ahnen.

Noch im Wartesaal kommt nämlich ein farbiger Mann auf sie zu, der sie bittet, ihm einen Kommentar bei Facebook zu übersetzen - er selbst sei neu in Litauen und beherrsche die Sprache noch nicht. Alle stimmen natürlich zu. Doch was sie dann lesen, wollen die meisten lieber doch nicht übersetzen. Und in dem Moment, in dem man in ihre schockierten, teilweise auch traurigen Gesichter sieht, krampft sich auch bei einem selbst der Magen zusammen.

http://www.youtube.com/watch?v=qNX1256eVw8

charlotte-haunhorst

Zart behaart

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Ein versehentliches Zeichen der Zugehörigkeit: Das Fremdhaar auf der Schulter.


„Die nächste links?“, bellt der Taxifahrer und beschleunigt aus der nächsten Kurve, bis die Stadt zu Lichtern verschwimmt. Er sieht aus, wie jemand, der die letzte Nacht nicht geschlafen hat und die nächste durcharbeiten muss. Dann, beim Schulterblick, schimmert ein blondes Frauenhaar auf seinem Pulli. Und mir wird ein bisschen wärmer in der klimatisierten Luft.

Das passiert immer, wenn mir ein langes Haar an Menschen auffällt, zu denen es eigentlich nicht gehört. Wenn es sich kaum merklich vom Bart des Kollegen abseilt, am Revers des Professors in der Sprechstunde klebt oder eben beim grantigen Taxifahrer auf der Schulter hängt. Dann denke ich: Wie schön! Denn das einzelne Haar ist eine Tratschliese, die wunderbar indiskrete Dinge zu erzählen hat. Das Haar sagt: Hier war gerade noch jemand anderes. Jemand, der den, der jetzt so ernst guckt, so gern hat, dass er ihm ein paar Haare geschenkt hat. Beim Kuss, bei der Umarmung oder im Bett, als die Welt noch verschlafen war und die Lichter noch aus. Da ist jemand, der mit dem anderen Zähne putzt und Einkaufslisten schreibt und weiß, wie er in Jogginghosen aussieht.

Wenn ich jemanden sehr gern habe, verteile ich Haare. Auf Kopfkissen, auf Bodendielen und in Abflüssen. Wenn ich weg bin, bleiben meine Haare da. Deswegen schickt mir mein Freund manchmal SMS über neuste Fundorte: Mütze, linke Socke, Sandwichbox. Würde ich die Dame kennen, deren Haar der Taxifahrer durch die Nacht fährt, würde ich ihr gerne eine Nachricht schreiben: Linke Schulter oben.

Das Haar sagt: Dieser Mensch hat bald wieder einen Kopf zum Wuscheln in seiner Nähe. Auch wenn er gerade müde in der Konferenz sitzt. 



Als die Menschen den Affen noch näher waren – also sich noch keine Nachrichten über Haare oder Nacktfotos bei Snapchat schickten – trugen viele Liebende stattdessen eine Haarlocke des anderen bei sich. Hochromantisch, dieser kleine Schnipsel vom geliebten Menschen. Dabei sind Begegnungen mit Fremdhaar sonst eher unschön: In der Suppe, auf der Klobrille oder zwischen den Zähnen graust es uns, dieses Überbleibsel irgendeines fremden Körpers. Das Haar des Partners aber ist liebenswert, auch wenn es sich um die Zahnbürste windet. Es gehört eben zu einem ganz bestimmten Kopf, dessen Inhalt man genau so liebt, wie das, was daraus herauswächst. 

Wenn Affendamen verliebt sind pflücken sie ihren Auserwählten Läuse aus dem Fell. Weil es da beim durchschnittlich gepflegten Menschen nicht mehr so viel zu pflücken gibt, entferne ich bei meinem Freund auch mal Haare vom Pulli. Diese (nicht bei allen beliebte) Geste heißt: Ich kümmere mich um dich. Ich hab dich nicht nur so gern, dass ich dir ein paar Haare schenke, ich räume sie auch wieder auf. Und ich darf das auch. Dass der Mensch, der sonst Haare verteilt und wieder wegzupft, gerade nicht da ist, sieht man dann am einzelnen Haar. Ein Frauenhaar durch die Welt zu tragen, ist deshalb ein bisschen so, als ginge man mit einem Fetzen Toilettenpapier unter der Schuhsohle vor die Tür: Der Träger offenbart versehentlich etwas sehr Privates. 

Wenn ich dieses kleine Zeichen der Zugehörigkeit entdecke, weiß ich: Auch der Kollege hat einen bestimmten Schopf gern in Bartnähe. Und bald pflückt dessen Besitzerin ihm wieder Fussel und Haare vom Pulli.  Dann gibt es wieder einen ganzen Kopf mit Haar zu verwuscheln und zu beschnuppern. Auch wenn er oder sie gerade in Doppelschicht mit dem Taxi durch die Nacht fährt oder verschlafen in der Konferenz sitzt.

Verhasst ist das Haar bei Liebenden nur in einem Fall: Dann nämlich, wenn man ein anderes am Revers des Partners entdeckt. Dann packt man am besten Zahnbürste und Jogginghose ein und macht sich erst mal einen Zopf.

55-facher Spoiler

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Wer auch nur die allerkleinsten Spoiler hasst, der sollte dieses Video von Jacob T. Swinney besser nicht anklicken. Nein, auch nicht nur die ersten zehn Sekunden. Denn Swinney hat in diesem Clip einfach mal die erste und die letzte Szene von 55 Filmen hintereinandergeschnitten. Und das ist ziemlich faszinierend. Weil  diese fünf Sekunden von Anfang und Ende manchmal alles über den Film verraten ("Kill Bill", "12 years a slave") oder überhaupt nichts ("Der Pate II"). Bei manchen Filmen merkt man wiederum, dass nahezu identische Bilder gezeigt werden ("Gone girl", "12 Monkeys"), andere haben zusammenpassende "Opener" und "Closer" ("Boyhood").
http://vimeo.com/122378469

Swinney selbst ist Filmemacher in Baltimore und schreibt bei Vimeo über sein Werk:
"What can we learn by examining only the first and final shot of a film? (...) Some of the opening shots are strikingly similar to the final shots, while others are vastly different--both serving a purpose in communicating various themes. Some show progress, some show decline, and some are simply impactful images used to begin and end a film."

Die ganze Compilation eignet sich übrigens auch sehr gut, um "Filme raten" zu spielen. Die Auflösung, in welcher Sekunde Sequenzen aus welchem Film gezeigt werden, gibt es glücklicherweise hier dazu.

charlotte-haunhorst

Wir haben verstanden: KW 12

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  • Avocadotoast kann (und sollte) man ab sofort jeden Morgen zum Frühstück essen.

  • Geht auch mit Brötchen. Und vor allem: mit (Kräuter-)Salz und Pfeffer.

  • Avocadoflecken sind schlimmer als Himbeerflecken.

  • Wenn ein Getränk sehr gut schmeckt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man davon viel rülpsen muss, sehr hoch.

  • Die Vögel singen jetzt auch nachts. Ist also wirklich Frühling!

  • Bücherregale in fremden Wohnungen sind immer spannender als die eigenen.

  • Bevor man morgens verkatert im Bus noch mal Sprachnachrichten aus der letzten Nacht abhört, erst mal sicherstellen, ob die Ohrhörer auch eingestöpselt sind (ein "Baby, ich trage nur noch eine Socke!" wollen nicht alle hören).

  • Sehr viel zu tun haben ist toll – weil das Gefühl, wenn man endlich alles abgearbeitet hat, einfach unfassbar gut ist. Auf einmal fühlt sich dann nämlich alles wie Freizeit an, auch Arbeit. Und Freizeit fühlt sich an wie Sommerferien.

  • Polizisten dürfen Eis essen – auf der Arbeit!

  • Auf den Philippinen gibt es das erste Museum, in dem Selfies gern gesehen sind.

  • Das schwierigste am Einrichten ist das Ding mit den Lampen.

  • Bohrmaschinen haben immer eine irgendwie sexuelle Aura. Komisch, das.

  • In den sechziger Jahren gab es ernsthaft den Plan, eine Autobahn nach amerikanischem Vorbild durch Kreuzberg zu bauen. Arbeitstitel des Projekts: "Kahlschlagsanierung".

  • Haare gewaschen kriegen beim Friseur: bestes Gefühl der Welt!

  • Und das warme, weiche Handtuch auf dem Kopf danach: fast genauso gut!

  • Wenn Hotels damit werben, dass man gratis einen Schokoladenkeks bekommt, wen man bei ihnen eincheckt, sollte man zuschlagen.

  • Das beste Mittel, um richtig berühmt zu werden, ist und bleibt der Mittelfinger.

  • Schadenfreude ist die schönste Freude. Zumindest, wenn man sie im Gesicht von Jan Böhmermann sieht.

  • Erben ist unfair.

  • Man kann nie genug spazieren gehen.

Jungs, warum das Lob, wenn wir viel essen?

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Die Mädchenfrage

Liebe Jungs,

angeblich verbringt der Mensch 13 bis 17 Jahre seines Lebens mit Essen und Trinken. Das ist ziemlich viel. Dementsprechend verbringt man auch in Beziehungen viel Zeit damit, mit dem Partner zu kochen oder essen zu gehen. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten: Viele Beziehungen finden in einer Essenssituation ihren Anfang.

In eben so einer Anfangsbeziehungssituation habe ich das erste Mal in meinem Leben jenen Satz gehört, der mich seitdem verfolgt: "Schön, dass du so viel essen kannst." Damals war ich Anfang 20, es war mitten in der Nacht und ich dachte laut darüber nach, mir nach dem soeben verspeisten Döner noch ein Eis zu kaufen. Und dann also dieses unerwartete Lob. Was sollte mir das sagen? Was sollte ich dazu sagen? "Danke, nett von dir"?

Vielleicht muss ich dazu erwähnen: Ich bin mit Brüdern aufgewachsen, viel essen zu können, war für mich Pflicht, um im Rudel anerkannt zu sein, und somit normal. Dass auf einmal jemand meinte, mich explizit dafür loben zu müssen - ziemlich seltsam. War das vielleicht versteckte Kritik? Ironisch gemeint im Sinne von "Lass das Eis mal lieber bleiben"? Als ich bei meinem nächtlichen Dönerpartner allerdings nachfragte, kam direkt ein aufrichtig klingendes: „Mädchen, die viel essen, sind super!“ zurück. Das sagte übrigens auch jeder weitere Mann, der mich in meinem weiteren Leben dafür loben sollte, im Ernstfall ein Pfund Nudeln alleine essen zu können. Häufig noch mit dem Nachsatz "Schön, wenn eine mal nicht nur Salat isst".

Das macht mich ein bisschen ratlos. Warum sind Mädchen mit gutem Appetit automatisch toll? Und was soll dieses Lob? Ihr lobt doch auch nicht, dass wir uns selbst die Schuhe binden können! Ist das am Ende ein verschachteltes Kompliment? Im Sinne von: "So attraktiv wie du bist, hätte ich nicht gedacht, dass du auch noch so viel isst"?

Also, Jungs, macht mal den Mund auf!

>>> Die Jungsantwort von jan-stremmel>>>

[seitenumbruch]



Die Jungsantwort

Ach Mädchen,

so leid es mir tut: Ihr seid nicht automatisch toll, wenn ihr viel esst. Sonst wären wir ja schon seit den Tagen der Schulkantine in die Knödel-Manuela verliebt.

Sind wir aber nicht, weil: Es braucht da ein gewisses Überraschungsmoment. Da hast du nämlich richtig vermutet, der Kollege damals am Dönerstand hat dir über Bande ein Kompliment gemacht. Er wollte eigentlich sagen: Krassomat, Girl, wie du mal eben 1500 Kilokalorien wegpackst - und das mit deinem schmalen Körperchen!

Ich kann dir auch sagen, woher das kommt. Jeder Junge hat irgendwann mal den Tisch mit einer Kresse-Kathleen geteilt, also dem Gegenstück zur Knödel-Manuela. Und egal welche Dinge wir möglicherweise kurz zuvor über deren möglicherweise aufsehenerregende Figur gedacht haben: Es war uns in dem Moment egal, wo wir das mickrige Häuflein kohlenhydratfreier Rohkost gesehen haben, dass die Kresse-Kathleen da als Abendessen bezeichnete ("weil nach 18 Uhr"). Niemand fühlt sich beim Essen gerne wie ein Velociraptor neben einem Zwergkaninchen. Wer mit einem solchen Mädchen eine Beziehung angeht, muss bereit sein, sich einen beträchtlichen Teil seiner Zukunft (nämlich ungefähr 13 bis 17 Jahre, siehe oben) so zu fühlen. Oder halt selber mit dem Kressefressen anfangen. Na Mahlzeit! 

Deshalb unsere nachhaltige Faszination für Mädchen, die mampfen, als säßen ihnen drei große Brüder mit leeren Nudeltellern im Nacken. Und die dann noch Nachtisch bestellen! Das ist kein Lob einer gut erlernten Fähigkeit (wie dem Schuhebinden) - es ist das Lob einer Geisteshaltung. Denn zu essen, weil man verdammt nochmal Hunger hat, das finden wir seit dem Abend mit Kresse-Kathleen ganz schön wohltuend.

Der Ehrlichkeit halber noch eine Einschränkung: Wir würden der Knödel-Manuela eher nicht zum gesunden Kohldampf gratulieren. Da wären wir schön still, weil man ja automatisch sarkastisch klingt, wenn man den Appetit von Dicken kommentiert. Versteht das Essenslob, falls ihr eines bekommt, also gerne auch als Garantie. Dafür, dass ihr figurmäßig in unseren Augen extrem weit vorne mitspielt.

Das ist: Marion Maréchal-Le Pen, rechte Hoffnungsträgerin

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Das ist...


Marion Maréchal-Le Pen, jüngstes Gesicht des rechtsextremen Front National. Die Jura-Absolventin ist Spross des Le-Pen-Clans. Als Enkelin von Parteigründer Jean-Marie und Nichte der FN-Parteivorsitzenden Marine Maréchal-Le Pen bekam das uneheliche Kind von Yann Le Pen rechte Parolen in die Wiege gelegt. Und wurde damit erfolgreich: Seit 2012 ist sie Abgeordnete der Partei im südfranzösischen Département Vaucluse – und damit die jüngste Abgeordnete in der Geschichte der Republik.

Die kann...


gegen "Islamisierung" und Homo-Ehe hetzen und dabei jugendlich-unschuldig dreinblicken. Die junge Mutter, die nicht nur den Staatsdienst, sondern auch die Geburt ihrer Tochter als ihre “patriotische Pflicht” ansieht, präsentiert sich als traditionsbewusste, moderne Frau. Sie versteckt den Rechtsextremismus unter glattgeföhntem blondem Haar.

Die Gene von Großvater Jean-Marie scheint Marion dennoch geerbt zu haben. Gegen ihre Phrasen über Immigrationsanteil und Massenarbeitslosigkeit wirken die ihrer Tante Marine wie weichgespült. Marion wettert offen gegen den Islam und verbreitete auf Twitter nach den Charlie-Hebdo-Anschlägen ein Video eines Parteikollegen, in dem Frankreich Islamisten den Krieg erklärt. Die Strategie geht auf: Vergangenen November wurde Marion zusätzlich in das Zentralkommitee des FN gewählt. In der Partei engagiert sie sich auf ihre Weise für die Völkerverständigung: Sie ist Teil der Arbeitsgruppe französisch-russische-Freundschaft.

Sie füllt die Lücke, die der alte Le Pen zurückließ: aggressive Ausländerfeindlichkeit.



Die geht...


weiter nach rechts, und zwar voraussichtlich gemeinsam mit Frankreich: Etwa 30 Prozent der Franzosen werden den FN nach Hochrechnungen am ersten Wahltag, dem 22. März, wählen. In der Partei avanciert Marion zur neuen Hoffnungsträgerin. Im Gegensatz zu ihr versuchte sich ihre Tante Marine in der Vergangenheit von Parteivater Le Pens Antisemitismus zu distanzieren. Damit gewann die 1972 gegründete Randpartei in den letzten Jahren zwar verstärkt an Popularität, die Anhängerzahlen vervierfachten sich nach Abtritt des alten Le Pens.

Trotzdem blieb eine Lücke, und die füllt nun Marion, mit aggressiver Ausländerfeindlichkeit. Von der weiblichen Doppelspitze mit Marine dürfte sich die Partei neue Wahlerfolge versprechen: Jenen, denen Tante Marines Deeskalationstaktik seicht vorkommt, bietet Marion neue Hoffnung auf einen starken Ruck Richtung rechts. Und zwar nicht im Gewand des wetternden Großvaters, sondern der jungen, schönen Vorstadtpariserin.

Wir lernen daraus, dass...


der Front National auch in Zukunft nicht von der politischen Bühne Frankreichs verschwinden wird. Mit Marion hat er nun eine Führungsfigur gefunden, die gleichzeitig junge Wähler und alte Rechte anspricht. 

Nur Google weiß über sie...


dass der Name ihrer Tochter Olympe ein kleiner Seitenhieb auf Nicolas Sarkozy sein könnte: Zur Geburt seiner Tochter Giulia kritisierte Marion die Wahl des italienischen Namens – ihrer Meinung nach ein Zeichen von mangelndem Patriotismus.

Wochenvorschau: So wird die KW 13

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Wichtigster Tag der Woche:
Freitag. Da geht es nach acht Wochen Bayern (und Praktikum) zurück in den heiß geliebten Norden Deutschlands.



So hübsch kann Niedersachsen sein.

Kulturelles Highlight:
...findet am Donnerstagabend statt. Da liest und diskutiert der deutsch-portugiesische Autor Miguel Szymanski in München über Portugals verlorene Jugend. Auch Szymanski selbst ist Eurokrisenflüchtling und fragt in seinem Buch „Ende der Siesta“, ob man nicht doch sein Land verrät, wenn man die Flucht ergreift. Könnte spannend werden.

Politisch interessiert mich:
...ob es nach der Varoufake-Fake-Fake-Sache und der anhaltenden Personalisierung in der Griechenland-Debatte auch mal wieder um Inhalte geht. Zwischen den ganzen Finger-Artikeln ging ein Thema nämlich leider (mal wieder in den deutschen Medien) unter: Die Troika hat der griechischen Regierung empfohlen ein Sozialpaket für die Armen zu stoppen. Es hätte gratis Strom und Maßnahmen gegen Altersarmut und Obdachlosigkeit beinhaltet. In so einem Europa will ich eigentlich nicht leben. 

Wochenlektüre:
Auf meinem Nachttisch liegt gerade „Madame Picasso“ von Anne Girard. Egal ob man morgens in der U-Bahn sitzt oder abends im Bett liegt: Das Buch zieht einen hinein ins Paris des frühen 20. Jahrhunderts. Ich sehe beim Lesen Montmatre vor mir, wo die junge Protagonistin Eva Gouel am Moulin Rouge eine Anstellung als Kostümschneiderin bekommt. Da begegnet sie auch Pablo Picasso. Weiter bin ich noch nicht, aber Eva Gouel gab es tatsächlich und sie starb an Tuberkulose. Deswegen wird es sicher noch trauriger.

Kinogang?  
Die Top-Neuheiten sind „Fast and Furious 5791“ und „Der Nanny“, mal wieder ein Schweighöfer-Film. Hauen mich beide nicht um. Um ehrlich zu sein, war ich auch schon mindestens zwei Jahre nicht mehr im Kino – maximal im 2-Euro-Unikino. Ist mir zu teuer geworden und auf 3D kann ich verzichten. Stattdessen habe ich die echt gute Serie „The Team“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehen (ja, das ist möglich!) entdeckt. Ein Krimi, der in Belgien, Dänemark und Deutschland spielt und vor Fernsehausstrahlung online gezeigt wurde. Revolutionär! Hier der Trailer:

https://www.youtube.com/watch?v=bwoZdgyc3WY

Soundtrack zur Woche:
Jessie J! Die macht nämlich echt gute Musik. Zu hören in ihrem aktuellen Album „Sweet Talker“. Anfang Juni kommt sie für ihre erste Mini-Deutschland-Tour her! Allerdings, und jetzt kommt’s: nach Offenbach (warum Offenbach?), Köln und München, was beides für mich einfach 600 Kilometer zu weit weg ist. Also weiter Youtube.  

https://www.youtube.com/watch?v=yzlvhbbX374  

Geht gut diese Woche:
Auf den Urlaub freuen. Zum ersten Mal raus aus Europa.

Geht gar nicht:
Günstige Bahn-Tickets finden.

Der Sonntag mit... Jim Kroft in Uganda

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Name: Jim Kroft
Alter: 35
Geburtsort: Schottland
Wohnort: Berlin
Liebster Wochentag: Montag. Ich mag das Gefühl, wenn die Welt vor dir liegt und die Herausforderungen, deine Wochenend-Tagträume in die Realität umzusetzen.
Aktuelles Projekt:Journeys". Das Projekt basiert auf der Idee „ein Mann, eine Gitarre, eine Kamera". Nachdem mein Deal mit EMI auslief, als Universal Music das Label übernahm, machte ich mich daran, meine Karriere dadurch wieder anzukurbeln, dass ich toure und dabei eine sechsteilige Doku drehe.




12.36 am
Ich bin gerade in Nairobi, Kenia, gestartet und fliegen nach Entebbe in Uganda. Da spiele ich morgen die 23. Show meiner Tour, die mich schon durch Sansibar, Tansania und Kenia geführt hat.




2.45 am
Mein Freund Gisa holte mich ab. Er ist Ruander und ein wahrer Rasta – vom vegetarischen Essen über seine Kleidung bis zu seinen Rauchgewohnheiten. Er hat hier viel für mich organisiert, dass er mich jetzt auch noch abholt, zeigt nur einmal mehr, was für ein zuvorkommender Mensch er ist. Ich hoffe, ich kann jetzt noch ein bisschen schlafen. Der Tag ist ziemlich vollgepackt.




9.30 am
Guten Morgen. Das erste, was ich diesen Sonntag erlebe, ist meine übliche Verschlafene-Augen-Verwirrung. "Wo zur Hölle bin ich heute?! … Hm…. Moskitos, … Netz, … China kann es nicht sein… Kein Fernseher… Die USA also auch nicht. Ah, stimmt! Uganda!




11.00 am
Es wird Zeit, ein "Bodaboda" zu nehmen und auf Nahrungssuche zu gehen. Meine Gitarre nehme ich auch mit, weil ich später mit meinem Freund Charles Obina für eine Show proben will, die wir diese Woche am Goethe-Institut in Kampala spielen. Auf einem Bodaboda rückwärts zu fahren ist übrigens nichts, das ich wirklich empfehlen kann. Schon gar nicht mit einer Gitarre. Naja, die Einheimischen hat’s amüsiert.




2.30 pm
Ich treffe Charles Obina. Er ist ein Ex-Kindersoldat, der mit acht Jahren in den Bürgerkrieg entführt wurde. Wir planen den Dreh seines Videos, ich werde da Regie führen. Wir sind uns einig, dass ich ihn in zehn Jahren auf seiner Afrika-Tour begleiten werde und er mich auf meiner Europa-Tour.




3.15 pm
Ich habe ein bisschen Zeit, mal diese Jungs zu knipsen, die hier ständig rumwuseln und einen alten Knacker wie mich lehren, wie man auch in schweren Zeiten ein Lächeln im Gesicht behält.




3.25 pm
Auf dem Weg, eine der ärmsten Gegenden in Kampala zu besuchen. Die Konzerte sind die Anker in meinem "Journeys"-Projekt, durch sie kann ich die Reisen finanzieren. Aber mindestens genauso wichtig ist, was dazwischen passiert: das Lernen über die Kulturen der Orte, an denen ich spiele. Erfahrungen, Herausforderungen der Leute hier. Der Klang ihres Lachens, die Farbe ihrer Träume.




4.28 pm
Ich bin in einem "Slum" in der Nähe von Bukoto. Ich finde den Begriff Slum irreführend – er bezeichnet nur das Ökosystem, in dem Leute leben, die wenig haben. In tiefer Armut zu leben ist demütigend, aber trotzdem sind unsere westlichen Wahrnehmungen manchmal beschränkt: Ich habe es auf meiner Reise so oft erlebt, dass die Leute vor Ort sagten, sie wollen Investitionen, keine Hilfe. Eine Geschäftsbeziehung, keine Charity.




5.30 pm
Nachdem ich eine Weile herumgelaufen bin, werden ein paar Kinder neugierig und wollen einen Song hören. Das endet in einem kleinen Konzert vor einer Moschee. Der Imam ist im Hintergrund in Grün zu sehen – zumindest glaube ich, dass er der Imam war – und nickte wohlwollend und zustimmend. Er schien sich zu freuen, dass die Kinder ein bisschen Abwechslung bekommen.




5.46 pm
Auf dem Rückweg filme ich ein paar Takes für ein neues Musikvideo für einen Song namens „Beyond the Bloodshed". Mehr neugierige Blicke. Und ein paar Fist Bumps.




6.35 pm
Zurück nach Hause für eine schnelle Dusche und Wäsche.




8.47 pm
Gisa und sein Freund Bruno Ruganzu holen mich ab, es geht in Richtung Markt. Ich fühle mich erstaunlich frisch nach der langen Reise – liegt vielleicht an der Energie, mit der die Jungs zur Musik meiner EP mitsingen. Ein Moment, der mich stolz macht.




9.30pm
First things first: Ich brauche meine „Rollex" (Rolled Eggs), eine ugandische Spezialität aus gebratenen Eiern, die in Brot gewickelt werden. Eddie ist ein Meister darin.




10 pm (ungefähr)
Das Konzert beginnt. Draußen und ohne Verstärkung. Es gerät ziemlich schnell außer Kontrolle, weil die Locals tanzen und singen und das ganze irgendwann eher weg von meinem Song in Richtung einer kollektiven Zeremonie geht. Das ist das Schöne daran, in Ostafrika zu spielen: Bei Konzerten geht es hier nicht so sehr um das Individuum, sondern um die Interaktion zwischen Musiker und Publikum.




10.15pm
Die Dame mit dem besten Lächeln Ugandas ist auch da!




10.30pm
Ein paar neugierige Nachbarn kommen auch noch vorbei.




10.47pm
Sowas hab ich auch noch nicht erlebt: Dieser Mann ohne Beine wurde immer euphorischer und begann plötzlich zu jaulen und auf seinen Händen zu tanzen. Und was hatte der für einen Groove und eine Energie!




10.53pm
Danach haben wir noch ein bisschen zusammen gesungen.




11.50pm
Auf dem Weg nach Hause noch ein letzter Schnappschuss im Rückspiegel des Motorrads.

Zu alt, um früh dran zu sein

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. . . für jeden Besitzstand, der über Gewicht oder Lebensdauer einer HiFi-Anlage hinausgeht und eine Bindung bedeuten könnte. Keine Ahnung, warum irgendwer eine Wohnung kaufen wollen sollte, außer um dem Kampf auf dem Mietwohnungsmarkt zu entkommen. Mir macht die Aussicht, jetzt schon zu wissen, welche Tür ich in drei Jahren aufschließe, eher Angst – auch wenn es mittlerweile ein zunehmend erträglicher, wärmender Gedanke ist zu wissen, wer dahinter warten wird.

Mein wertvollster Besitz ist ein Produktdesignerbett aus Pappe, weil man es bei jedem Umzug easy zusammenfalten und in einem DHL-Karton an den nächsten Ort schicken kann.

Ich habe allgemein den Eindruck, dass man sich einer gewissen Agilität verschreiben muss, wenn man sich von Projektvertrag zu Projektvertrag hangelt. Aber vielleicht ist es auch einfach nur der angstvolle Blick über den Zaun des Mittvierziger-Nachbarn. So wie der, mit dem Staubsauger armtief im Korpus eines Mercedes’ in Nudetönen, möchte man nun wirklich nicht enden. Noch weniger Bewegung ist nämlich schon Verwesung.

>>> Warum Katharina zu alt fürs Early-Adopten ist.

[seitenumbruch]



. . . fürs Early-Adopten. Für mich ist die Ära vorbei, in der ich alles vor allen anderen entdeckte. Früher war ich vor allem bei neuen, coolen Bands immer eine der ersten, die sie hörte. Heute nicht mehr.

Vielleicht ist es ein generelles Problem der Aufmerksamkeitsökonomie: Das Avantgarde-Dasein erfordert besonders freshe und exklusive Geheiminformationen, die man nur in nächtelangen Beutezügen durchs Internet anhäuft. Die Zeit dafür fließt bei mir mittlerweile aber eher in meinen Brotjob als in den Funfact-Generator. Ich weiß jetzt fast alles über Annotations-Tools, Presseverteiler und Netzpolitik. Aber ich habe keine Ahnung, wer eigentlich in den Charts ist, wo die coolen Kids ihre neue Musik herbekommen oder warum es ihnen so viel Aufregung wert ist, wenn dieser LeFloid jetzt auf einmal Werbung für ein Versicherungsunternehmen macht. Ich kenne nur Pink Floyd.

Zuschuss für Zuzügler

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Florian Gläser unterrichtet Geschichte und Gemeinschaftskunde an der Oberschule Heinrich von Trebra in Marienberg im Erzgebirge. Studiert hat er diese Fächerkombination für das Lehramt Gymnasium. Eine nicht gerade seltene Kombination, für die es in Sachsen mehr Bewerber als Stellen gibt. Nach seinem Referendariat nahm er deshalb 2013 die Stelle an der Oberschule im Erzgebirge an, die Schüler zum Haupt- oder Realschulabschluss führt, obwohl er dort weniger Geld bekommt. Die Liebe zur Heimat war stärker. Sogar ein Angebot aus Sachsen-Anhalt schlug er aus, obwohl er, im Gegensatz zu Sachsen, verbeamtet worden wäre. Zu weit weg von einer Großstadt und von seiner Heimat Chemnitz. Aber: „Zu pendeln und flexibel zu sein gehört zum Lehrerberuf dazu“, sagt der Chemnitzer, der täglich 60 Kilometer zurücklegt.



Das Erzgebirge gilt nicht gerade als angesagte Gegend unter Studenten und angehenden Lehrern – zu Unrecht? 
Leute wie ihn wünscht sich das sächsische Kultusministerium, denn ein Großteil der sächsischen Lehrer geht in den nächsten Jahren in den Ruhestand. Es gibt sehr viele ältere Pädagogen, es droht akuter Lehrermangel. Besonders betroffen sind schon jetzt Grund-, Förder-, Berufs- und Oberschulen, vor allem auf dem Land. Das geht nicht nur Sachsen so: Brandenburg denkt über eine Art „Buschzulage“ beim Gehalt nach. Doch auch Teile Niedersachsens haben bereits Schwierigkeiten, neue Lehrer auf das Land zu bekommen.
Sachsen versucht nun ein neues Instrument gegen den Pädagogen-Notstand auf dem Land: CDU und SPD haben ein sogenanntes Sachsen-Stipendium vereinbart, im aktuellen Entwurf für den Doppelhaushalt 2015/16 sind dafür 300 000 Euro vorgesehen – jährlich. Das Geld sollen Lehramtsstudenten erhalten, im Gegenzug verpflichten sie sich dazu, für ein paar Jahre auf dem Land zu unterrichten. Über die Details will das Kultusministerium zwar erst nach dem Beschluss des Haushalts informieren. Dass das Stipendium aber kommt, gilt als sicher. Vorbild sind ähnliche Projekte, die Ärzte für das Landleben gewinnen sollen.

Besonders im Erzgebirge und im Vogtland ist der Lehrermangel jetzt schon groß. Der Marienberger Oberschule beispielsweise fehlten Vertretungslehrer. Hätten sich nicht zwei junge Gymnasiallehrer für die Oberschule auf dem Land entschieden, wäre auch Schuldirektor Wolfgang Härtel von akutem Lehrermangel betroffen: „Das Durchschnittsalter unter den 29 Lehrern beträgt 50 Jahre, die Generation zwischen 30 und 40 fehlt komplett. Nur drei Lehrer sind unter 30“, sagt der 61-Jährige. „Ich ver-stehe, wenn Gymnasiallehrer auch am Gymnasium und am liebsten in den Groß-städten unterrichten wollen. Dort sind die kulturellen Angebote natürlich verlo-ckend.“ Und er habe den Eindruck, die meisten Studenten würden nur das Gymnasium kennen. Dabei sei die Oberschule besser als ihr Ruf, vor allem auf dem Land. Die künftigen Lehrer sollten schon vor Beginn ihres Studiums über die Stärken und Schwächen der verschiedenen Schularten aufgeklärt werden – und über die Vorzüge der ländlichen Regionen.

Mit einer eigenen Internetseite bewirbt das Kultusministerium schon jetzt die Regionen. Die Chemnitzer Bildungsagentur, wie das Schulamt dort heißt, steht zum Beispiel in engem Kontakt mit dem Erzgebirgskreis. Dieser bietet künftigen Referendaren und Lehrern Informationsveranstaltungen, hilft bei der Suche nach einer Wohnung, Kita oder einem Arbeitsplatz für den Lebenspartner.

Selbst Eltern würden gemeinsam mit den Schulen helfen, wo es geht, um junge Lehrer ins Erzgebirge zu locken oder zum Bleiben zu bewegen, sagt Peter Lorenz, Vorsitzender des Landeselternrates. „Wir wollen gemeinsam eine Willkommenskultur schaffen und zeigen, dass nicht nur die Region lebenswert ist, sondern auch die Menschen hier herzlich und aufgeschlossen sind.“ Lorenz hofft auch das Sachsen-Stipendium. Doch zwei Dinge gelte es zu beachten: „Den künftigen Lehrern muss frühzeitig gesagt werden, wo sie eingesetzt werden sollen. Es wäre unklug, ihnen einen Referendariatsplatz im Vogtland anzubieten, um sie anschließend in die Lausitz zu schicken.“ Und: Solange die Lehrergehälter im Vergleich zu anderen Bundesländern so niedrig blieben, würde es schwer werden, Lehrer überhaupt nach Sachsen zu locken.

Für den Oberschullehrer Florian Gläser selbst kommt das geplante Sachsen-Stipendium zwar zu spät, aber das stört ihn nicht: „Es ist zwar ein erster Schritt, aber das allein wird wohl nicht reichen. Mich hätte es wahrscheinlich nicht gelockt, weil ich dafür wohl ein Stück Freiheit aufgeben müsste.“ Die Freiheit, selbst zu entscheiden, wo er nach dem Studium arbeiten möchte. Denn auch andere Bundesländer, die ebenfalls unter Lehrermangel leiden, beginnen, für eine Lehrerstelle bei ihnen zu werben. Gehaltszulagen sind da nicht ausgeschlossen.

Selfiletstücke

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Helfie





Zu sehen:
Haare. Oft auch nur mit Teilen des dazugehörigen Gesichts.
Die machen’s: Mädchen, nach dem Frisörbesuch. Miley Cyrus, immer.
Will sagen: Neue Frisur, neues Leben, ich komme!
Sagt eigentlich: Schreibt bitte jemand, dass mir der neue Undercut steht?

Boob-Selfie





Zu sehen:
Meistens das Dekolleté, manchmal auch mehr.
Die machen’s: Mädchen, die „Holz vor der Hütten“ sagen. Auf dem Oktoberfest: alle Mädchen.
Will sagen: Ich habe nicht nur schöne Augen.
Sagt eigentlich: Aua, Rückenschmerzen.

Sideboob





Zu sehen:
Der seitliche Brustansatz.
Die machen’s: Rihanna, Miley Cyrus und alle, die auf roten Teppichen Kreativität beim Hautzeigen beweisen wollen.
Will sagen: Da guckt nur ganz beiläufig was raus.
Sagt eigentlich: Man kann nicht jeden Tag nackt auf einer Abrissbirne reiten.

Underboob





Zu sehen:
Der untere Brustansatz, meist unter einem Oberteil, das den Begriff „bauchfrei“ sehr weit nach oben dehnt.
Die machen’s: Popstars und Frauen mit mindestens Körbchengröße C.
Will sagen: Das Shirt ist in der Wäsche eingegangen.
Sagt eigentlich: Die Narbe von der Brust-OP sitzt an der Seite.

Nelfie





Zu sehen:
Fingernägel! Am liebsten lang, bunt und nicht echt.
Die machen’s: Menschen, die viel Zeit für Maniküre haben. Siehe Kim Kardashian.
Will sagen: Mein Nagelbett ist Ort meiner Selbstverwirklichung.
Sagt eigentlich: In den nächsten Wochen wird es von mir keine fehlerfreien Whatsapp-Nachrichten geben.

Bikini-Bridge





Zu sehen:
Gut gebräunte Hüftknochen als Brückenpfeiler, von denen sich ein Bikini-Slip über die unteren Ausläufer eines flachen Bauchs spannt.
Die machen’s: TV-Sternchen und Schönheitsköniginnen.
Will sagen: Schöner neue Bikini, oder?
Sagt eigentlich: Geiles Schambein, oder?

Belfie





Zu sehen:
Das 800-Gramm-Steak unter den Selfie-Körperteilen: ein Hintern, voluminös und vollfleischig.
Die machen’s: Vertreterinnen der Kardashian-Po-Kultur und Profi-Twerkerinnen.
Will sagen: Auf meinem Po kann man ein Glas abstellen.
Sagt eigentlich: Ich habe zu viele Hip-Hop-Videos gesehen.

Thigh Gap





Zu sehen:
Die möglichst große Lücke zwischen zwei sehr dünnen Oberschenkeln. Verhält sich zum Belfie-Po wie ein Stangensellerie zum 800-Gramm-Steak.
Wer macht’s: Models und Size-Zero-Anhängerinnen.
Will sagen: Drei Zentimeter, Bitches!
Sagt eigentlich: Nudeln wären schon mal wieder geil.

Beach-Hotdog





Zu sehen:
Gebräunte Schenkel. Oder doch Wiener Würstchen?
Die machen’s: Höhere Töchter auf Papis Privatyacht vor St. Tropez und Dauerurlauber.
Will sagen: Viel Spaß im Büro, ihr Idioten!
Sagt eigentlich: Ich habe in diesen Teint sehr viel Zeit investiert. Und viel Bräunungscreme.

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Beard-Selfie





Zu sehen:
Dichtes Gesichtshaar. Oft nebst Hornbrille und kariertem Hemd.
Die machen’s: Coffeeshop-Besitzer und Großstädter mit Fixie-Rädern.
Will sagen: Mein Bart ist der Allerschönste.
Sagt eigentlich: Meine Profi-Bartschere war teurer als dein Telefon.

Back-Selfie





Zu sehen:
Festfaserige Schulter- und Rückenmuskeln.
Die machen’s: Menschen, die sich im Fitnessstudio im Spiegel zuzwinkern.
Will sagen: Es gibt mehr als nur den Bizeps.
Sagt eigentlich: Ich bin so eitel, dass ich jeden Quadratzentimeter meines Rückens ausforme.

Gun-Selfie





Zu sehen:
Ein Bizeps (englisch umgangssprachlich: gun) mit großem Umfang.
Die machen’s: McFit-Jungs, Backgroundtänzer und ehemalige Teilnehmer von Castingshows.
Will sagen: Ich bin Meister Propper. Nur ohne T-Shirt und Putzfimmel.
Sagt eigentlich: Ich kann mich nicht mehr im Nacken kratzen.

Abs-Selfie





Zu sehen:
Bauchmuskeln. Am besten in sechs- bis acht-facher Ausführung.
Die machen’s: Justin Bieber. Und Jungs, die wie er angehimmelt werden wollen.
Will sagen: Ich bin so männlich!
Sagt eigentlich: Ich bin noch zu jung für das Bierbauch-Problem.

Bulge-Selfie





Zu sehen:
Eine sehr deutliche Auswölbung (englisch: bulge) in der Trainings- oder Unterhose.
Die machen’s: Möchtegern-Calvin-Klein-Models, Latten-Lover,
Wrestler.
Will sagen: I love my penis.
Sagt eigentlich: Sinn für Ästhetik nicht vorhanden.

Man-Thigh





Zu sehen:
Möglichst eindrucksvolle Oberschenkel.
Die machen’s: Eisschnellläufer, Footballer.
Will sagen: Mit denen kann man Nüsse knacken!
Sagt eigentlich: Dosen kriege ich trotzdem nicht auf.

Calfie





Zu sehen:
Durchtrainierte Waden in Sportsocken und Laufschuhen.
Die machen’s: Fußballer, Radfahrer, Menschen, die nach der Arbeit auf Voralpen-Gipfel joggen.
Will sagen: Ich bin der Grund, warum kurze Hosen bei Männern salonfähig sein sollten.
Sagt eigentlich: Funktionskleidung und Joggingschuhe sehen selten gut aus.

Weniger ist mehr

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Prominente Grünen-Politiker werben für den Aufbau einer Europäischen Armee und setzen auf eine stärkere militärische Arbeitsteilung in der EU. Ihr Ziel ist – anders als bei ähnlichen Initiativen in jüngster Zeit – nicht eine neue Aufrüstung in Europa, angestoßen durch den Konflikt in der Ukraine. Sie wollen im Gegenteil doppelt und dreifach vorhandene militärische Fähigkeiten abschaffen, um am Ende das militärische Potenzial in der EU auf das Nötigste zu reduzieren. Parteichef Cem Özdemir und der Verteidigungsexperte Tobias Lindner schreiben in einem gemeinsamen Papier: „Die Vision eines Europa, das weniger Geld für Rüstung ausgibt und weniger Soldaten als heute hat, muss keine Vision bleiben.“



Grünen-Politiker werben für den Ausbau einer europäischen Armee und setzen auf stärkere militärische Arbeitsteilung.

Mitten hinein in die Debatte über eine Stärkung der Nato und eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben in Europa wollen Özdemir und Lindner damit bewusst einen Kontrapunkt zur allgemeinen Stimmung setzen. In ihrem Plädoyer „Zum Frieden vereint“, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, verweisen sie darauf, dass die EU-Mitgliedsstaaten im Jahr 2012 gut 190 Milliarden Euro für Rüstung ausgaben, es aber dennoch in der Bundeswehr und anderen Streitkräften große Mängel beim Zustand des Materials und der Ausstattung gebe. „Europa kann mehr erreichen, wenn es sich zusammentut statt in der Sicherheitspolitik Kleinstaaterei zu betreiben.“

Sie knüpfen ihre Forderung an drei Bedingungen. Voraussetzung sei eine offene Diskussion über die Frage, „wozu die Mitglieder der EU bereit sind, militärische Mittel einzusetzen – und wozu nicht“. Außerdem dürfe eine solche Übertragung von zentralen Kompetenzen an eine neue Armee nur stattfinden, wenn eine parlamentarische Kontrolle gewährleistet sei. Sie schlagen deshalb vor, die heute beim Bundestag liegenden Befugnisse am Ende auf das EU-Parlament zu übertragen. Und schließlich dürfe eine solche EU-Armee keine Parallelstrukturen neben der Nato und den nationalen Armeen schaffen. Das heißt für beide: „Mit dem Aufbau einer gemeinsamen europäischen Armee muss ein Abbau und – im Endstadium – die Auflösung nationaler Streitkräfte einhergehen.“ Nur so könne die neue Struktur Kriege zwischen EU-Staaten verhindern, die gemeinsame Verteidigung stärken und Einsparungen möglich machen.

Die beiden lösten schon am Wochenende Widerspruch aus. Der Außenpolitik-Experte der Fraktion, Frithjof Schmidt, sagte der SZ, er halte von der Idee wenig. In Zeiten, in denen die europäische Integration in der Finanz- und Sozialpolitik ins Stocken gerate, könne eine militärische Integration nicht helfen. Außerdem befürchte er eine Aushöhlung des Parlamentsvorbehalts, weil es so etwas in anderen EU-Ländern nicht gebe und in Frankreich gar als absolutes Tabu gelte.
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