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Verwanzt

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Zuerst war ich ja doch etwas schockiert: „Hast du ihr das etwa erzählt?“ Ich fragte das: meinen besten Freund. Der hatte weitererzählt: ein Geheimnis. Und zwar: seiner Freundin. „Wenn ich eine Freundin habe“, sagte er, „musst du doch damit rechnen, dass ich ihr so was erzähle!“ Ich hätte daraufhin auch explodieren und ihm den Kopf waschen können. Aber stattdessen wirkte seine Entschuldigung. Denn: Es stimmt ja. Eigentlich hatte ich damit gerechnet. Oder hätte zumindest damit rechnen müssen.



"Eigentlich ist es ja geheim, ABER..."

Wenn jemand ein Geheimnis ausplaudert, gibt es normalerweise Streit. Wenn er aber sagt: „Ich habe es echt niemandem erzählt, nur XY!“ und XY teilt mit ihm seit drei Jahren ein Bett, dann wird das hingenommen. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz. Wenn dir jemand, der in einer Beziehung ist, das Versprechen gibt, etwas nicht weiterzuerzählen, bedeutet das gleichzeitig, dass er es sehr wahrscheinlich seinem Freund oder seiner Freundin weitererzählen wird. Das ungeschriebene Gesetz besagt außerdem, dass du, wenn du dir dieses Versprechen geben lässt, erlaubst, dass der Partner oder die Partnerin des anderen davon wissen darf.

Eigentlich ist das nicht gut. Ein Geheimnis sollte auch mal eines bleiben dürfen, so ganz unter vier Augen. Warum es trotzdem akzeptiert wird, dass Partner davon erfahren? Ganz einfach: Weil fast jeder es macht, wenn er in einer Beziehung ist. „Also, eigentlich ist das ja geheim, aber...“ ist mit Sicherheit ein sehr oft ausgesprochener Satz in Betten und auf Sofas und an Küchentischen.

Ein Geheimnis einem Freund mit Partner erzählen, bedeutet: Es bleibt unter sechs Augen.



Das hat auch einen Grund. Person A erzählt Person B ein Geheimnis. Vor allem, wenn es dabei um ein Problem, um größere Sorgen geht, kann es sehr hilfreich sein, wenn Person B es auch noch mal besprechen kann, am besten mit jemandem, der Person A nicht ganz so gut kennt. Der das Ganze etwas neutraler betrachten kann. Das ist meist Person C, der Partner. Und auch, wenn es um etwas Peinliches geht, über das Person B lachen muss, möchte sie es gerne Person C erzählen, weil sie mit der tendenziell am meisten lacht. Der Partner ist so eine Art natürliche Verlängerung des Informationsflusses, der von einem Menschen zum nächsten gegangen ist. Oder es ist so, als seien Menschen in Beziehungen mit einer kleinen Wanze ausgestattet. Es hört immer jemand mit, wenn auch zeitverzögert.

Man kann da natürlich Angst kriegen. Dass dieser Informationsfluss, wenn er ein mal ins Fließen gekommen ist, auch noch weiter fließen wird. Dass Person C, für die die Info nicht bestimmt war, sie weiter trägt an Menschen, für die sie noch weniger bestimmt ist. Das könnte dann zu kleinen bis mittleren, eventuell sogar zu großen Katastrophen führen.

Das Gute ist: Die Gefahr ist sehr gering. Person C ist eher ein Damm im Informationsfluss, der ihn stoppt (und der hoffentlich nicht bricht). Denn da das ungeschriebene Gesetz ja besagt, dass man nur dem Partner erzählen darf, was man nicht weitererzählen soll, gibt es ja niemandem mehr, dem Person C jetzt noch etwas erzählen könnte. Sie hat es ja schon vom engsten Vertrauten erfahren. Wenn man also einen Freund ins Vertrauen zieht, der eine Freundin hat, dann kann man zwar nicht davon ausgehen, dass das Geheimnis unter vier Augen bleibt – aber immerhin, dass es unter sechs bleibt.

Vielleicht kann man aus dem ungeschriebenen Gesetz sogar einen praktischen Lackmustest für das Weitererzählen oder Verschweigen brisanter Geschichten ableiten. Bevor ich meinem besten Freund das nächste Mal etwas Geheimes anvertraue, werde ich mir kurz vorstellen, wie er es seiner Freundin erzählt. Und wenn ich dann merke, dass die Sache so brisant/schlimm/peinlich/bescheuert ist, dass es nicht mal die vertrauteste Person einer mir sehr vertrauten Person wissen sollte – dann sollte es vermutlich überhaupt niemand wissen.

Die Islamistenformel

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Zwei der naheliegenden Fragen, die immer wieder gestellt werden, wenn es um die Gräueltaten des Islamischen Staats (IS) geht: Was treibt diese Menschen an? Wie werden sie zu Kämpfern für einen grausamen Gottesstaat?

Es ist schwer, solche Fragen zu beantworten, man kann in diese Menschen ja nicht hineinsehen. Was man aber kann: lesen, was sie auf Twitter geschrieben haben.

Forscher aus Katar haben genau das getan, mit großer Akribie und interessanten Ergebnissen. Sie haben 3,1 Millionen Tweets analysiert, um herauszufinden, wie Menschen ticken, die den IS unterstützen. Und wie sie tickten, bevor sie das taten. Verhalten sie sich alle ähnlich, bevor sie sich radikalisieren? Twittern sie über dieselben Themen, haben sie sonst irgendetwas gemeinsam? Solches Wissen würde einen ja auch in Zukunft vielleicht weiterbringen: wenn man sich fragt, ob jemand kurz davor ist, nach Syrien in den Dschihad zu ziehen.

Am Ende der Untersuchung (PDF der Studie) gab es tatsächlich einen Algorithmus, der anhand von Tweets analysieren kann, ob deren Verfasser ein IS-Symphatisant ist oder nicht - auch wenn er den IS bis dahin in seinen Tweets nie wörtlich erwähnt hat. Wenn man so will, eine Art Islamistenformel.

So gingen die Forscher vor


Sie sammelten mehr als drei Millionen Tweets, die in arabischer Sprache verfasst waren und alle das Stichwort „IS“ enthielten, sei es in dieser abgekürzten Form oder unter Erwähnung des vollen Namens der Terrororganisation. Diese Unterscheidung war wichtig, denn eine der ersten Erkenntnisse nach der inhaltlichen Überprüfung einer Stichprobe war: IS-Symphatisanten nutzen fast nie die Abkürzungen, sondern meistens den vollen Namen. Das zweite, etwas näherliegende Ergebnis: Die Tweets von Pro-IS-Twitterern häuften sich immer dann, wenn der IS Propaganda-Videos veröffentlichte oder militärische Erfolge vermeldete.

Danach konzentrierten sich die Forscher auf die Nutzer, die auch schon bei Twitter aktiv waren, bevor sie offensichtlich Islamisten waren. Die Frage, die sie sich stellten: Nutzten die alle bestimmte Hashtags? Twitterten die bei ähnlichen Ereignissen über ähnliche Themen mit einem ähnlichen Tenor? Kann man also sagen: Wer A und B twittert, wird bald dem IS beitreten?

So tickten die Islamisten, bevor sie zu Islamisten wurden


Der größte Teil der späteren Islamisten brannte früher für die Revolutionen des Arabischen Frühlings. Vor allem die Hashtags, die sie benutzt hatten, sprachen da eine deutliche Sprache: Sie drückten Solidarität mit den Demonstranten in Ägypten oder den Rebellen in Syrien aus, sie unterstützten die Oppositionsparteien und Gruppen, die sich gegen die alten Machtstrukturen in arabischen Staaten wandten. Und sie zeigten Frustration darüber, dass die Arabellion nicht die erhofften Verbesserungen gebracht hat.

Interessant ist auch: Die wenigsten Tweets hatten religiöse Inhalte. Das deutet darauf hin, dass der Zustrom in Richtung IS im arabischsprachigen Raum vor allem ein politisch motivierter sein könnte und nicht in erster Linie ein religiöser.

Eine Islamisten-Suchmaschine?


Wäre der Algorithmus der Forscher aus Katar also in der Lage, zukünftige Terroristen zu identifizieren? Soweit kann man sicher nicht gehen. Der Algorithmus schaffte es zwar, mit einer Wahrscheinlichkeit von immerhin 87 Prozent vorherzusagen, ob jemand später mit dem IS sympathisieren würde oder nicht. Das ist zwar viel, aber noch nicht genug für eine wirklich aussagekräftige Prognose. Zweitens funktioniert das Modell ja nur bei der „ersten Generation“ von IS-Unterstützern: bei denen, die von der Zeit des Arabischen Frühlings geprägt und politisiert wurden. Der begann 2010, das ist fünf Jahre her. Es kann also sein, dass es für jetzt nachrückende IS-Kämpfer längst andere Motive gibt – zumal ein beachtlicher Teil davon gar nicht mehr aus dem arabischen Raum kommt.

Keine Schlampen und auch bitte keine Homosexuellen!

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Okay, das mit der Waldmeisterbrause war wirklich so dämlich, dass wir nicht mehr viel dazu sagen wollen. Die Kurzfassung: Ein bayerisches Startup macht Limo mit Waldmeistergeschmack, gibt gratis Samples an diverse Bars um bekannt zu werden, nur um dann bei einer Stuttgarter Schwulenbar doch wieder einen Rückzieher zu machen. Begründung: "Homosexuelle gehören leider nicht in unsere Zielgruppe". Das Ende: Berechtigter Shitstorm für die Limofirma, mehrfache Wiedergutmachungsversuche, aber die Stuttgarter wollen jetzt sowieso keine Brause mehr, die Bar ist auch so voll.
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Von dieser Brause reden gerade alle. Via Facebook

Wo man bei einem kleinen Startup mit viel gutem Willen noch sagen könnte: "Okay, war richtig dumm und verletzend, aber ihr seid halt auch unerfahren", gehen einem beim Klamottenriesen American Apparel allmählich die Argumente aus. Klar, dass Unternehmen provoziert prinzipiell gerne (überall Schamhaare, Ex-Chef Dov Charney wurde erst rausgeschmissen, nachdem er mehrfach wegen sexueller Nötigung angezeigt wurde), dementsprechend macht das Unternehmen auch seit Monaten nur noch Verlust. Könnte man ja meinen, sie würden jetzt ein bisschen taktvoller im Umgang mit anderen Menschen sein. Aber nö:
[plugin imagelink link="http://i.huffpost.com/gen/2761582/original.jpg" imagesrc="http://i.huffpost.com/gen/2761582/original.jpg"] via Huffington Post

Diese Notiz stammt angeblich von Agenturchef Phira Luon und besagt, dass man beim nächsten Casting für American Apparel doch bitte echte Models, keine "Instagram-Huren und Schlampen" auswählen sollte - schließlich würde das Unternehmen gerade einen Imagewandel durchlaufen. Schwer auszudenken, wie das so klappen soll.

charlotte-haunhorst

Bleib doch weg!

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Hat eben das zweite Comeback seiner Band verkündet: Morten Harket, Sänger von A-ha.


"Keiner braucht die aufgewärmte Rentnersuppe!", findet sina-pousset.


Jetzt also auch noch die Spice Girls! Soeben haben sie ein mögliches Comeback angedeutet. Es handelt sich hier um ein Phänomen, das in der Musikindustrie immer beliebter wird: Eine ehemals erfolgreiche Band, die eigentlich keiner vermisst hat, verkündet ihre Rückkehr. Jüngere Beispiele: A-ha, Take That, Backstreet Boys.

So richtig freuen sich darüber aber eigentlich nur die Pop-Rentner selbst: Nach Jahren meist wenig ergiebiger Alternativexistenz dürfen sie endlich wieder auf die Bühne. Die Tour, das neue Album – alles wird toll, am besten genau so toll wie damals. Beispiele wie Kiss oder Limp Bizkit belegen: Wird es leider nie.

Ein Comeback wird deswegen so ausgiebig gefeiert, weil es außer der Rückkehr meistens nichts mehr zu feiern gibt. Die Kreativität ist zusammen mit dem Hasch von damals verraucht, geblieben ist: eine Masse an eingeschweißten Ur-Fans, die sich in ihre Jugend zurückversetzen lassen will und ihr Urlaubsgeld für überteuerte Karten ausgibt. Denn der Erfolg aller Comebacks basiert auf einem Ist-Ja-So-Wie-Früher-Gefühl. Weiterentwicklung ist da nicht erwünscht.

Abgesehen davon ist jedes Comeback eine emotionale Zumutung. Wenn die Lieblingsband zerbricht, ist das für Fans wie eine echte Trennung: Es wird gelitten, geheult und das Lieblingslied auf Repeat gehört, bis das T-Shirt salzig schmeckt. Als sich Take That 1996 trennten, wurde eine Suizid-Hotline eingerichtet. Und nicht nur für Pubiertierende bricht da eine Welt zusammen. Als ich von einem abgesagten Oasis-Konzert mit dem Shuttlebus nach Hause fuhr, roch ich Männertränen und Schnaps. Man lag sich in den Armen, schunkelte und sang: „Don’t Look Back in Anger.“

Wenn die Lieblingsband  ihr Comeback verkündet, ist das, als stünde der Exfreund nach zehn Jahren wieder mit einer Flasche Wein vor der Tür.


Deswegen ist das Zurückkehren, das ja immer nur halbherzig ist, nicht nur künstlerisch Mist, sondern auch denen gegenüber gemein, die damals gelitten haben. Der Fan-Schmerz ist nach Jahren gerade verheilt, die Löcher an der Zimmerwand sind mit neuen Postern bedeckt. Es ist vorbei - diese Gewissheit hat man sich mühevoll in Herz und Ohr gehämmert. Wenn die Lieblingsband von damals ihr Comeback verkündet, ist das in etwa so, als stünde der Exfreund nach zehn Jahren wieder mit einer Flasche Wein vor der Tür. Im besten Fall denkt man sich: "Was soll der Scheiß?" Im schlimmsten Fall: "Warum jetzt, du Arsch! Ich hab doch jetzt den Peter/meine Katze/mit Stricken angefangen. Mein Leben ist endlich wieder schön!"

Bei soviel Verletzungspotential möchte man Gewissheit: Das ist jetzt wirklich für die Ewigkeit! Ist es aber nicht. Genau so, wie es Usus ist, sich als ehemals erfolgreiche Band mindestens einmal zu versöhnen, ist es üblich, sich darauf wieder zu trennen. A-ha zum Beispiel: Zwei Trennungen, zwei Wiedervereinigungen. Gewissheit darf es nie geben – die Alt-Rocker Led Zeppelin verkündeten auf ihrem letzten Reunion-Konzert: „Remember: it’s never over!“ Grausam, dieser Warmhaltesatz! Eine On/Off-Beziehung für das Fanherz.

Einen richtigen Comeback-Gewinner gibt es also nicht. Es gibt nur Musiker, die, statt kreativ zu sein, alte Hits neu auflegen, Nicht-Fans, die sich die aufgewärmte Rentnersuppe im Radio anhören müssen und echte Fans, die für ein bisschen Nostalgie viel zahlen und viel leiden müssen. 

>>> Die Gegenmeinung: "Schluss mit dem Geheule - für ein Recht auf Comebacks!"  >>>
[seitenumbruch] 
"Was soll das Rumgeheule - lasst die alten Herren doch zurückkommen, so oft sie möchten!", sagt jan-stremmel.

Worüber wir nicht streiten müssen: Dass die aufgewärmte Soße vieler Rückkehr-Bands ungenießbar ist. Oder dass es würdelos ist, wenn ein Popstar die Songs von vor 20 Jahren auftischt, weil er mutmaßlich nochmal vor der Rente das alte Geldschwein melken will. Und dass das für Fans eine Enttäuschung sein kann.

Aber: Das ernsthaft blöd zu finden ist weinerlich und vermessen. Denn es geht hier weder um Kunst noch um die Fans.

Stell dir vor, du bist Anfang 20 und Musiker. Du wirst erfolgreich. Du wirst berühmt. Du weißt gar nicht recht, was passiert – aber plötzlich bist du Superstar. Du hast also durch eine unerhörte Verkettung von Zufällen, Glück und Talent eine  sehr profitable Einnahmequelle erschlossen. Ein paar Jahre genießt du das. Aber auch du wirst älter.

Irgendwann stört dich morgens der Mundgeruch der Kollegen im Tourbus, die alten Songs gehen dir auf die Nerven. Aber die Fans wollen nun mal immer nur „Back for Good“ oder „Take on Me“ hören - „künstlerische Weiterentwicklung“ ist ein Wort, das die wenigsten Fans akzeptieren. Sie wollen das, was sie kennen, womit wir das Thema Vermessenheit schon anschneiden.

Alten Popstars geht es wie Zahnärzten nach der Midlife-Crisis: Es ist leichter, einfach weiterzumachen.



Du hörst also auf. Trennung, Schlagzeilen, in Hotlines heulende Teenager. Dir egal – du kannst die alten Songs nicht mehr hören. Du willst Ruhe, Privatleben. Vielleicht sogar mal darüber nachdenken, was eigentlich sonst noch machbar ist mit einem angebrochenen Leben, das die erste Hälfte wie in Schienen vor sich hingelaufen ist, nur weil aus deiner Band zufällig eine globale Marke geworden ist.

Es vergehen ein paar Jahre. Du schreibst Songs, die keinen interessieren, du schwängerst jemanden, du moderierst hin und wieder irgendwas. Aber du merkst: Neu anfangen geht nicht. Diese Band aus deinen Zwanzigern ist dein Schicksal. Und sie ist auch die angenehmste Art für dich, Geld zu verdienen. Alten Popstars geht es da wie Zahnärzten nach der Midlife-Crisis: Die meisten von denen arbeiten ja auch nach Sinnkrise, Affäre, Scheidung und Motorradkauf weiter als Zahnärzte. Weil es leichter ist, einfach weiterzumachen.

Du als Popstar also: Comeback. Reunion-Tournee. Wieder die großen Hallen, wieder die gleichen Leute, die deine alten Songs hören wollen. Du denkst dir: Eigentlich sind sie ja rührend, wie sie da 90 Euro pro Stehplatz zahlen.

Keine Frage, in diesem Moment hast du große Teile dessen aufgegeben, woran du möglicherweise früher mal geglaubt hast. Du bist Establishment. Altes Inventar, das genau die Rolle erfüllt, die ihm im System zugedacht ist. Es geht nicht mehr um Revolution, es geht um Alterswohlstand und wahrscheinlich den Unterhalt für drei anspruchsvolle Kinder.

Aber es ist dein Recht. Und die Fans, die dir jetzt Gier oder Trägheit oder Kalkül vorwerfen, sind weinerlich und vermessen, weil eine Band eben keine Aktiengesellschaft ist. Die Fans sind keine Anteilseigner, die irgendein Mitspracherecht hätten. Sie sind Fans einer Gruppe Künstler, die du erfunden hast. Und weil du sie erfunden hast, darfst du sie auch kaputt machen.

"Einmal grau färben, bitte!"

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Friseure sind die ungeschlagenen Könige der Alltagsweisheiten. Verständlich - in kaum einem Berufsstand sonst muss man so viel Smalltalk führen. Deshalb sagen sie gerne Dinge wie "Der Haaransatz wird mütterlicherseits vererbt", "Die Haare ab und zu mal mit Bier waschen" oder eben auch "Graue Haare nie ausreißen, dafür wachsen direkt zehn neue nach". Was eben gerade so passt und in Mode ist.

Letzter Kalenderspruch wird zukünftig allerdings nicht mehr so häufig fallen, glaubt man Buzzfeed: Angeblich ist grau die neue Trendhaarfarbe. Was man bisher eher von exaltieren Frauen wie Lady Gaga oder Kelly Osborne kannte, soll mittlerweile auch bei der jungen Durchschnittsfrau angekommen sein. Beweis: Bilder wie diese auf Instagram, verhashtagt mit "Grannyhair".

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Am Ende ist das natürlich doch alles gar nicht so neu. Bereits 2012 schrieb Viva "Grau ist das neue Blond", 2013 die Bild "Silberschöpfe sind im Trend" und 2014 die Brigitte wieder "Grau ist das neue Blond", das kann man bei Google aber auch belieblig mit Schwarz und Brünett ersetzen. So richtig scheint sich der Trend dafür, dass er bereits so lange existiert, also nicht durchzusetzen. Ist aber auch nicht schlimm, klappt schon automatisch irgendwann.

charlotte-haunhorst

Mädchen, warum mögt ihr "Mom-Jeans"?

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Die Jungsfrage

Dürfen wir wohl mal kurz über euren Po sprechen? Es gibt da diesen Trend, den ich schon länger beobachte. Jetzt nach den Fashionweeks haben ihn diverse Bloggerinnen in meine Timeline hineinreportiert: Ihr tragt ganz andere Hosen als früher! 

Wenn ich das mal kurz beschreiben dürfte: Diese Hosen haben vorne lange Reißverschlüsse und der Hosenknopf liegt ziemlich deckungsgleich mit dem Bauchnabel. Aber erst von hinten entfalten diese Hosen ihre ganze Innovationskraft: Sie schnüren oben kurz unter den Rippen ein wie ein Sack und machen aus allem, was darunter liegt, eine Birne.

Von den Bloggerinnen weiß ich: Die Dinger heißen „Mom Jeans“. Tatsächlich kannten wir diese Art des Hosenschnitts bis vor kurzem nur von Familienfotos, auf denen Mama dazu Polohemd und Kurzhaar trägt. Und von diesem auch schon in die Jahre gekommenen Saturday-Night-Live-Clip.

http://www.youtube.com/watch?v=2aVxNH6iN9I

Ist das nicht komisch? Da redet ihr jetzt ständig von der Rückkehr des Hinterns, trällert Meghan Trainor und benutzt ernsthaft das Wort „Twerken“ – und dann zieht ihr euch Hosen an, die jeden Hintern basisdemokratisch in die Form eines Müllsacks bringen?

Wir checken’s nicht. Und wenn ihr schon dabei seid, erklärt doch auch mal, wie ihr’s grundsätzlich haltet mit eurem Hintern beim Hosenkauf!

>>> Die Mädchenantwort von sina-pousset [seitenumbruch]

Die Mädchenantwort

Mit den goldenen Shorts fing es vielleicht an. Die goldenen Shorts, die Kylie Minogue in „Spinning Around“ trug und die in Männer- und Frauenhirne die Vision vom perfekten Hintern einbrannte. Dabei steckte er gar nicht in Jeans, sondern hauptsächlich: in Haut. Und einem kleinen bisschen Gold.

[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/sJ7HwJ3zCfBUk/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/sJ7HwJ3zCfBUk/giphy.gif"]

Die Jeans ist so was wie eine zweite Haut mit Superkräften. Ihretwegen ist der Wunsch berechtigt, hintenrum einmal ein bisschen so auszusehen wie Kylie. Denn das kann eine gute Jeans: Ein bisschen liften und pushen, ein bisschen gegen die Erdanziehung ankämpfen, die sonst Dinge tut, gegen die wir machtlos sind. Dort, wo es in Goldshorts Dellen schlägt, sitzt mit guten Jeans alles schön an seinem Platz. Aber so wie die richtige Jeans Wunder vollbringt, kann die falsche ein Schlachtfeld hinterlassen.

Der prüfende Schulterblick ist Standard beim Jeanskauf. Wir wollen wissen: Wie sieht das da hinten aus? Macht das aus unserer Kehrseite (zu der jede Frau ihre eigenen Bedenken hat) vielleicht einen Entenarsch? Ein flaches Brett? Zwei Sofakissen? Irgendwie wollen wir ja wissen, was ihr seht, wenn ihr zufällig mal draufschauen solltet.

Soweit könnt ihr uns noch folgen, oder? Jetzt also ein neues Kapitel: Die Mom-Jeans. Die am Allerwertesten so unverblümt herunterhängt. Die nicht gegen die Erdanziehung kämpft, sondern den Po, ja, einfach kommentarlos in die Breite zieht.

Erstmal: Der Riesenpo ist in, das stimmt. Mit ihm kann man besser twerken, Belfies machen und im besten Fall sogar Gläser darauf abstellen. Praktisch! Aber: Getwerkt wird eher in Goldshorts, keinesfalls in Mom-Jeans.

Die Mom-Jeans ist der Birkenstockschuh unter den Hosen.


Die Mom-Jeans sind für den Hintern, was der Birkenstockschuh für den Fuß ist: nicht sexy, aber stylish. Nicht schön, aber bequem. Knallenge Jeans sind aber, genau wie Goldshorts, sehr unbequem. Und darauf haben wir Mutterhosenträgerinnen keine Lust mehr. Die neue Mode sagt also auch: Es ist uns ein bisschen egal, dass ihr unseren Hintern - um Gottes Willen! – möglicherweise nicht mehr ganz so attraktiv finden könntet.

Letztlich ist die Mom-Jeans ein Retro-Trend, wie vorher Röhre oder Schlag. Nur dass er zufällig zwei empfindliche Gebiete gleichzeitig erkundet: Bequemlichkeit (in der Mode ein eher männliches Vorrecht) und den Hintern (eine sensible Zone weiblichen Sex-Appeals).

Nach Jahrzehnten Gequetsche, Gepushe, Mit-Socken-in-der-Röhre-Steckenbleiben und Tanga-aus-der-Pofalte-Geziehe haben wir die knallenge Jeans also in die hintere Schrankhälfte verbannt. Unser Po hat frei. Er darf rumhängen, ein bisschen schwabbeln und es sich gut gehen lassen. Der prüfende Blick auf den Arsch ist der Mom-Jeans und ihrer Trägerin nonchalant egal: Da, bitte, hier ist er, der unförmige Riesenhintern.

Die Mutter-Hose ist eine kleine Revolution: Es ist uns jetzt endlich mal wurscht, was die Hose aus dem Hintern macht. Wir finden sie bequem. Und da sind wir endlich mal ganz nah bei euch.

Wir haben verstanden: KW 13

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  • Blöde Tee-Weisheiten am Etikett sind manchmal gar nicht so blöd ("Freiheit ist Geburtsrecht").

  • "Das geht jetz vor"-Sagen tut gut.

  • Der FC Bayern kann doch verlieren.

  • Das Problem, wenn man Konzertkarten ein halbes Jahr im Voraus kauft: Man weiß nie, wo man sie hingelegt hat.

  • Das Wort "Hasi" ist eines der schlimmsten der deutschen Sprache.

  • Eine Breze schmeckt anders, wenn sie eine andere Form hat.

  • Das Gute, wenn man Konzertkarten ein halbes Jahr im Voraus kauft: Man vergisst manchmal, dass man sie gekauft hat. Und freut sich dann sehr, wenn es einem kurz vor dem Konzert einfällt.

  • Auch im Frühling kann man noch Schnupfen bekommen.

  • Knöpfe annähen ist gar nicht so einfach.

  • Warum Waldmeisterlimonade und Schwul-Sein für ein Unternehmen aus dem Allgäu nicht zusammen geht.

  • Bayerische Polizisten-Uniformen werden ab 2016 auch blau.

  • Nike Air Max sind die High Heels von eher kleinwüchsigen Männern

  • Super Freizeitsbeschäftigung: In einen Asia-Supermarkt gehen und sich irgendwas kaufen, was man wirklich noch nie gegessen oder getrunken hat (zum Beispiel Chrysanthemen-Eistee – schmeckt gut!).

  • Campus-Unis sind die besseren Unis.

  • Wenn einen zum vierten Mal ein Pick-Up-Artist anspricht, einfach sagen: "Ich würde gerne über euch was schreiben, nimmst du mich mit?". Wollen die dann nämlich nicht.

  • Es gibt sie wirklich noch, die Einzel-Hotelzimmer, in denen ein 90-Zentimeter-Bett steht.

  • Es ist ein ganz, ganz seltsames Gefühl, wenn man nach Jahren auf einmal seinen Bahn-Comfort-Status verliert. Nämlich eines irgendwo zwischen "Endlich angekommen!" und "Oh nein, hängengeblieben!"

  • Der Bildblog schrieb diese Woche nach dem Flugzeugunglück: "Es gibt Tage, an denen vor lauter Abgründen kaum noch Journalismus zu sehen ist". Sollte man im Hinterkopf behalten.

  • Es ist wichtig, immer wieder daran zu erinnern, dass Menschen mit Depressionen nicht automatisch Flugzeuge gegen Berge setzen.

Wochenvorschau: So wird die KW 14

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Wichtigster Tag der Woche:

Mittwoch. Auf diesen Tag sollte man vorbereitet sein: gut ausgeschlafen, die Augen offen, die Sinne geschärft, wachsam. Die Welt will dich verarschen und an jeder Ecke lauert ein Witzbold, der denkt, Aprilscherze seien wirklich lustig. Also Obacht.

Kulturelles Highlight:
Da meine Arbeitswoche nur vier Tage hat und ich dann über Ostern zu meinen Eltern fahre - wo es mit den kulturellen Highlights nicht so weit her ist - bleiben die wohl eher auf der Strecke. Aber man kann ja mal wild herumkonjunktivieren: Wenn ich Zeit und eine Karte hätte, würde ich gerne zum Konzert von Nneka am Dienstag in der Münchner Muffathalle gehen und mir "Und jetzt: Die Welt" von Sibylle Berg im Volkstheater ansehen. Wenn ich auch noch in Berlin wäre, würde ich in die Oper von Dirk von Lowtzow (der von Tocotronic) und René Pollesch gehen. Alleine weil mir der Titel so gefällt: "Von einem der auszog, weil er sich die Miete nicht mehr leisten konnte".

Politisch interessiert mich:
Spannend wird der Ausgang der Verhandlungen zum Atomstreit mit dem Iran. Momentan sprechen die fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat und Deutschland in Lausanne. Bis zum Dienstag haben sie sich Zeit gegeben für ein Ergebnis.

Soundtrack:
Die Münchner Band "The Whiskey Foundation" bringen am Donnerstag ein neues Album heraus. Darauf bin ich schon gespannt. Bei der Releaseparty in der Muffathalle könnte man dann auch gleich noch vorbeischauen.
http://www.youtube.com/watch?v=x3gkawc3BPo

Wochenlektüre:
Meistens ist das Internet meine Wochenlektüre und leider oft auch die einzige. Wird wohl auch in dieser Woche so sein. Ein Buch, das ich mir aber schon seit Monaten mal kaufen will, ist die Graphic Novel "Wizzywig", die einen fiktiven Hacker über 30 Jahre hinweg porträtiert.

Kinogang:
Bei den Kinostarts diese Woche ist nichts dabei, was meine innere Popcornmaschine zum poppen bringt. Aber ich will unbedingt noch "Tod den Hippies, es lebe der Punk" sehen mit Tom Schilling als Punker in den 1980ern in Westberlin. Ich glaube, das könnte ganz nach meinem Geschmack sein. Auch wenn Tom Schilling mit seinen 33 Jahren vielleicht ein bisschen zu alt für die Schülerrollen geworden ist.
http://www.youtube.com/watch?v=M6fEV2i_Ygc

Geht gut diese Woche:
Mit der besten Freundin ausführlich über Tattoos diskutieren, die man sich dann doch nie stechen lassen wird.

Geht gar nicht:
Leute, die einen darauf hinweisen, dass der Frühlingsputz ansteht.

Und sonst so:
Notiz an mich: Eierverstecke auf einem Lageplan einzeichnen, um vergessenen Gammeleiern vorzubeugen.

Am Gefrierpunkt

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Mina spürt einen leichten Klaps im Gesicht. Sie liegt im Aufwachraum, noch etwas benommen, Vorhänge trennen sie von anderen Patientinnen. Den Klaps hat ihr eine Krankenschwester gegeben, damit sie wach wird. Draußen wartet ihr Vater, er bringt sie nach Hause.

Mit einer Nadel wurden Mina gerade 25 Eizellen über die Vagina aus dem Eierstock entnommen. 14 davon werden nach der Qualitätsprüfung bei minus 196 Grad in flüssigem Stickstoff schockgefrostet. Und in der Münchner Maximilianstraße gelagert, die Bayerische Staatsoper und eine Filiale von Louis Vuitton sind direkt ums Eck.

Wenn Mina, 25 Jahre, von diesem Tag erzählt, muss sie ein bisschen schmunzeln. In der Klinik hielt die Anästhesistin ihren Vater für ihren Lebensgefährten. Naheliegend wäre es: Es geht bei dem Eingriff schließlich um Familienplanung. Bei Bedarf können Minas Eizellen jederzeit wieder aufgetaut, künstlich befruchtet und in ihre Gebärmutter eingesetzt werden. Was Mina da macht, nennt sich Social Freezing.

Im März 2015, ein halbes Jahr nach der Operation, sitzt Mina am Küchentisch in ihrem Apartment in Prenzlauer Berg Berlin. Sie trägt ihre dunklen Haare zum Mittelscheitel gekämmt, dazu einen gelben Pullover. Die Episode mit der Anästhesistin und ihrem Vater findet sie noch aus einem anderen Grund ein bisschen lustig: Sie ist seit sieben Jahren Single. Ein Lebensgefährte war lange nicht in Sicht.

Zu Beginn ihres Studiums war Mina das letzte Mal richtig verliebt. Sie möchte auf jeden Fall mal Kinder haben. „Nur die nächsten Jahre auf keinen Fall“, sagt sie. Und dann noch: „Ich bin Planerin.“

Sie will nicht irgendwann feststellen, dass sie den Zeitpunkt für Kinder verpasst hat. Genauso wenig will sie sich aber von ihrer biologischen Uhr in den Irrsinn treiben lassen. Wenn man so will, hat Mina mit dem Einfrieren ihrer Eizellen den Plan gefasst, lange nichts planen zu müssen.

Meistens geht es in der Debatte um Frauen Mitte 30. Mina ist 25


Social Freezing – seit vergangenen Sommer ist dieser Begriff ein großes Thema. Damals verkünden Facebook und Google, dass sie die Kosten für Social Freezing bei ihren Mitarbeiterinnen übernehmen. Mina hat sich zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden, aber es gibt Streit und Diskussionen auf der ganzen Welt. Darf ein Arbeitgeber so in das Privatleben seiner Mitarbeiter eingreifen? Darf er Anreize setzen, mit der eigenen Fruchtbarkeit zu pokern? Befürworter sehen darin ein familienfreundliches Signal, das Frauen mehr Möglichkeiten gibt, selbst zu entscheiden, wann und unter welchen Umständen sie Mutter werden wollen. Andere sagen: Das helfe auch nicht, das eigentliche Problem zu lösen: dass es Frauen nicht gerade leicht gemacht wird, Karriere und Kinder gleichzeitig in ihrem Leben unterzubringen.

Minas Geschichte ist Teil dieser Diskussion, aber sie zeigt einen neuen Aspekt. Bislang standen in der Debatte immer Frauen im Mittelpunkt, bei denen es langsam, aber sicher knapp wird mit dem Kinderkriegen. Frauen ab 30, die nicht mehr ewig warten können. Mina ist 25. Sie hat noch viel Zeit, sich muss sich nicht sorgen, sie braucht noch keine Versicherung in einer Eiskammer in München. Eigentlich.

Das Problem bei der Fruchtbarkeit der Frau sind die Eizellen. Die Qualität des Erbmaterials nimmt ab Mitte 20 ab. Unter anderem wird es deshalb schwerer, im Alter noch Kinder zu bekommen. Die Chancen einer Risikoschwangerschaft steigen – diese Angst wird oft in Kinderwunsch-Broschüren aufgegriffen, wie sie in Kliniken wie der in der Münchner Maximilianstraße ausliegen. Auch wenn der Körper die Belastung einer Schwangerschaft noch über die 40 hinaus auf sich nehmen könnte – wenn es die Eizellen nicht mehr hergeben, ist es vorbei.

Die Methode, gesundes Erbmaterial für einen späteren Zeitpunkt zu konservieren, stammt aus der Krebstherapie. Vor einer Chemotherapie werden Patientinnen schon länger gesunde Eizellen entnommen. Für den Fall, dass die Medikamente die Zellen schädigen.

Minas Krankenkasse übernimmt die Kosten für das Freezing nicht. Sie zahlt die 4000 Euro selbst – ihr erstes eigenes Gehalt. Dazu kommen 20 Euro im Monat für die Lagerung.

Im Februar vor einem Jahr kommt Mina auf die Idee. Sie arbeitet gerade als wissenschaftliche Dokumentarin und sichtet eine Reportage des Bayerischen Rundfunks. Sie handelt von Paaren, die sich für Social Freezing entscheiden. So erfährt Mina von einem Münchner Arzt, der diese Dienstleistung speziell für Frauen anbietet, die später Mütter werden wollen. Sie lässt sich einen Termin geben.

>>> Erfolgloser Dating-Marathon, die Aussicht auf eine Karriere mit befristeten Verträgen - warum Mina sich für Social Freezing entscheidet.

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Als sie ihr Studium beendet hat, verfällt Mina in einen regelrechten Dating-Marathon. „Ich war bereit für eine neue Beziehung“, sagt sie. Sie probiert Online-Datingseiten durch, von Shopaman über OkCupid zu Tinder. Niemand dort begeistert sie. „Ich glaube, das Problem meiner Generation ist: Es gibt zu viel Auswahl. Du kannst dich jeden Tag mit jemand anderem verabreden“, sagt sie. Es gibt eine Wortneuschöpfung, die die notorische Unentschlossenheit auf den Punkt bringt: Mingle. Eine Mischung aus Mixed und Single. Mina gefällt das Wort nicht, doch es beschreibt ganz gut, wie es in letzter Zeit aussah, wenn da was lief mit Jungs. „Kuscheln war okay, aber zusammen waren wir nicht.“



Seit Mina Eizellen eingefroren hat, ist der Druck weg.

Als sie das Arztzimmer betritt, begrüßt sie der Arzt enthusiastisch. „Eine super Sache, für die Sie sich entschieden haben“, sagt er. „Je früher, desto besser.“ Eigentlich will Mina sich nur beraten lassen, stattdessen gratuliert der Arzt ihr zu einer Entscheidung, die sie noch gar nicht getroffen hat.

„Ich war unsicher nach dem Termin“, sagt sie. Der Arzt vermittelt ihr das Gefühl, es handle sich um das Vorgespräch zu einer Zahnreinigung. Mit einer Broschüre, die eine tickende Eieruhr zeigt, verlässt sie die Praxis. Sie muss mit ihren Eltern sprechen.

Mütter sind bei ihrer ersten Geburt im Durchschnitt 29 Jahre alt und unverheiratet.


Die Eltern hören sich an, was Mina sagt. Sie finden die Idee gut. „Ohne ihre Unterstützung hätte ich es mich wahrscheinlich nicht getraut,“ sagt Mina. Ihre Mutter war mit 31 Jahren zweifache Mutter. „Dass meine Familienplanung nicht so ablaufen wird, ist mir klar“, sagt Mina. Sie studiert Geschichte und Jura und schließt eine Ausbildung zur Volontärin an – „trotzdem steht mir eine Karriere in befristeten Verträgen bevor. Da möchte ich mich beruflich erst noch etablieren, bevor ich Mutter werde.“ In ihrem Freundeskreis ist von Kindern noch keine Rede.

Vielleicht wird das auch noch lange nicht der Fall sein. Wer heute jung ist, braucht ein bisschen, sich selbst und einen Partner zu finden und dann auch noch den Moment, in dem das Leben sich so anfühlt, als könnte ein Kind da reinpassen. Die „späten Mütter“ mit über 30 Jahren liegen im allgemeinen Trend, vor allem unter Akademikern. Mütter sind bei ihrer ersten Geburt im Durchschnitt 29 Jahre alt und unverheiratet. Vielleicht ist das, was Mina tut, also nur die logische Konsequenz aus diesen Entwicklungen? Wenn so vieles darauf hindeutet, dass man eine tiefgefrorene Versicherung für die Familienplanung vielleicht mal gut gebrauchen kann, warum soll man sie dann nicht mit Mitte 20 abschließen?

Zwei Wochen vor dem Eingriff lässt Mina sich Blut entnehmen, um ihre Werte für die Hormondosierung zu ermitteln. Am ersten Tag ihrer Periode beginnt die hormonelle Stimulation. Zwei Wochen lang spritzt sie sich täglich Hormone in den Bauch. „Meine Eierstöcke wurden riesig und drückten.“ Zwei Tage vor der OP, um acht Uhr abends, löst sie mit einer weiteren Spritze ihren Einsprung aus. Alles ist bereit.

Viele von Minas Freunden reagieren überrascht, wenn sie hören, wie viel Geld sie für ihre Eizellen ausgegeben hat. Aber Mina fühlt sich jetzt ruhiger, sagt sie. „Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass ich vorgesorgt habe“, sagt sie. „Und das Freezing bleibt ja nur Plan B.“ Bis sie einen passenden Mann gefunden hat, mit dem sie eine Familie gründen will, datet sie weiter, nur neuerdings ohne irgendeinen Druck. Und im Kreis ihrer engen Freundinnen nutzen sie jetzt eine neue Maßeinheit, um zu beschreiben, wie teuer ein Date war: „20 Euro entspricht einem Monat Eizellen in der Maximilianstraße.“


"Dann züchte ich halt Rinder"

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Mehr als 120 000 griechische Akademiker haben seit 2010 das Land verlassen. Nach Deutschland kamen 2012 und 2013 zusammen rund 76 000 Griechen. Sie gehen, weil sie zu Hause keine Chance für sich sehen: Mehr als jeder zweite junge Mensch unter 25 in Griechenland ist arbeitslos. Aber manche wollen nicht gehen. Sie suchen nach Wegen, wie sie auch zu Hause ein lebenswertes Leben führen können. Dabei geht es nicht nur um das Finanzielle, sondern auch darum, das Leben in der Krise erträglicher zu machen. Sich nicht unterkriegen zu lassen. Wir haben drei junge Griechen gefragt, wie sie das machen: warum sie geblieben sind, welche Wege sie gegangen sind und was sie dabei erreicht haben.




Vally arbeitet ehrenamtlich in einer Sozialklinik


„Es ist schwierig, meine Gefühle zu beschreiben, wenn ich die Sozialklinik verlasse. Manchmal bin ich so deprimiert, wenn ich sehe, dass manche Griechen nicht mal Geld für die günstigsten Medikamente haben. Auf der anderen Seite treffe ich Menschen, die nicht aufgeben, die immer bereit sind einander zu helfen. Diese Leute geben mir die Hoffnung, dass der Wandel aus uns selbst kommen wird.

Seit zweieinhalb Jahren arbeite ich im Athener Metropolitan Community Center (MCCH). Wir bieten dort kostenlose Erstversorgung für unversicherte, arbeitslose oder bedürftige Menschen an. Das MCCH funktioniert ausschließlich über ehrenamtliches Engagement und Spenden. Inzwischen arbeiten bei uns 200 Freiwillige.

Ich habe auch eine eigene Zahnarztpraxis in Chalkida, etwa eine Autostunde nördlich von Athen. Da bin ich aufgewachsen. Nach dem Studium bin ich 2007 wieder zurückgekehrt, um die Praxis meiner Mutter zu übernehmen.

Ich habe da viel über mein eigenes Leben und meine Träume nachgedacht und gemerkt: Ich will wissen, wie es ist, im Ausland zu leben. Also ging ich nach Großbritannien, machte einen Master in Implantologie und arbeitete in Preston und Manchester als Zahnärztin.

In England hätte ich tolle Karrieremöglichkeiten gehabt und hätte gut verdient. Aber ich wäre dann ein ökonomischer Flüchtling gewesen. Also ging ich zu meiner Familie und zu meinen Freunden zurück. Das war 2011, mitten in der Krise. Erst da verstand ich richtig, was Krise wirklich bedeutet. Deswegen wollte ich ab dem ersten Tag mithelfen, als im Sommer 2012 im MCHH die Zahnklinik eröffnet wurde. Das war nur möglich, weil ein Athener Zahnarzt in Pension gegangen war und seine Ausrüstung gespendet hatte. Die Patienten haben fast alle ihre Geschäfte oder Arbeitsplätze verloren, sind nicht mehr versichert und können sich die Medikamente nicht mehr leisten. Das sehe ich auch in meiner eigenen Praxis: Die meisten Leute haben kein Geld mehr für Zahnprothesen, weil es nicht mal mehr für ihre Miete, Lebensmittel und Strom reicht. Viele fragen selbst bei kleinen Behandlungen, ob sie die Kosten in Raten bezahlen können.

Ich bin ein paar Mal in der Woche im MCCH, immer wenn es mir meine eigene Praxis erlaubt. Wir alle glauben daran, dass wir die Konsequenzen der Sparpolitik durch diese Form von Solidarität ein bisschen auffangen können.“

>>> Antonis sah in der Fischerei keine Zukunft. Dann halt Rinder, dachte er sich.
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Antonis wurde Rinderfarmer


„Mein Tag startet bei Sonnenaufgang mit der Fütterung der Tiere. Dann säubere ich die Ställe und das Gelände. Mittags ruhe ich mich etwas aus und fange dann wieder von vorne an. Im Frühling und Sommer hole ich Futter aus der Stadt und manchmal fahre ich auch ein paar Rinder zum Schlachthof.

Ich habe eigentlich Fischereiwissenschaft studiert. Aber als ich 2009 fertig wurde, begannen die Auswirkungen der Krise deutlich zu werden: Betriebe gingen pleite, die Leute verloren ihre Arbeitsplätze. Ich verabschiedete mich von dem Plan, in der Fischindustrie Arbeit zu finden. Ich begann mich nach Alternativen umzusehen, wo ich nicht von Kündigung oder Konkurs getroffen werden könnte. Und nach einer Arbeit mit Zukunft. Ich habe nie darüber nachgedacht, Griechenland zu verlassen. Nie! Ich wollte immer hier leben.

Mir ist dann aufgefallen, dass es hier in der Region kaum Rinderfarmen, sondern überwiegend Schweinezucht gibt. Das meiste Rindfleisch kommt von größeren Farmen in Nordgriechenland, lokale Produkte fehlen. Dabei eignet sich das Hochland hier sehr gut zur Rinderzucht. Ich dachte: Dann halt Rinder. Das ist übrigens gar nicht so schwer, ich konnte mir einiges über Fachliteratur selbst anlesen.

Deshalb habe ich 2010 meine Farm in den Bergen von Elatovrisi gegründet und konnte so zu Hause wohnen bleiben. Gründungszuschüsse vom Staat gab es nicht, aber mein Vater hilft im Betrieb mit, weil er wegen der Krise seinen Job als Bauarbeiter verloren hat. Ich möchte die Farm auf jeden Fall noch vergrößern und hoffe dafür auf Mittel aus einem europäischen Förderprogramm. Momentan habe ich 150 Tiere im Stall, Kühe und Rinder, die zwischen einem und 15 Monaten alt sind. Mit mehr Geld könnte ich einen zweiten Stall und meine eigene Fleischerei aufbauen – dann könnte ich mein Fleisch selbst verkaufen. Letztes Jahr habe ich nämlich meinen Abschluss an der Nationalen Schule für Metzger gemacht.
 
Wenn ich es mir nochmals aussuchen könnte, würde ich genau das wieder tun. Der Umstieg von Fischereizucht auf Rinderzucht war nicht so schwer wie gedacht. Klar ist es ein harter Job: Ich muss 365 Tage im Jahr hier sein, Urlaub ist nicht drin. Aber dafür kann ich selbst etwas produzieren. Und das Wichtigste für mich: Ich bin mein eigener Chef, mir kann nicht gekündigt werden. Seit ich angefangen habe, steigt mein Einkommen jedes Jahr und die Arbeit fällt mir leichter, weil es mir Spaß macht. Ich werde nicht reich, aber es reicht aus, um ein gutes Leben zu führen.“

>>> Konstantina hat keine Stelle als Lehrerin bekommen. Jetzt macht sie Theater
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Konstantina baute ein Theater auf


„Meine Heimatstadt Nafpaktos ist mit 20 000 Einwohnern eine relativ kleine Stadt. Als ich nach meinem Studium in Thessaloniki dorthin zurückgekommen bin, weil ich keine Stelle als Grundschullehrerin gefunden habe, war ich total geschockt. Es ist so anders als in der Großstadt! Die Menschen erschienen mir so desinteressiert. Ich wollte ihnen sagen: „Wacht auf! Seid kreativ!“ Also habe ich mit sieben Freunden das „Youth Theatre of Nafpaktos“ aufgebaut. Ich hatte an der Uni schon Theaterkurse, da bot sich das an.

Wir wollen den Kindern und Jugendlichen hier etwas bieten, auch wenn die Eltern kein Geld haben. Jetzt ist das Projekt größer geworden als anfangs gedacht, weil noch mehr junge Menschen Alternativen suchen und sich einbringen wollen. Wir haben jetzt also auch ein Musik-Team, eine Mal- und eine Tanzgruppe und Umweltprojekte. Ein Kern von sechs Leuten organisiert alle Aktivitäten. Wenn jemand mitmachen will, ist er willkommen, und wenn er wieder aufhören will, kann er das auch jederzeit. Eine Frau, die eine Sprachschule in Nafpaktos hat, hat uns einen Raum überlassen, den wir nicht bezahlen müssen. Wir müssen uns nur drum kümmern. Die paar Euro, die das Projekt sonst noch kostet, zahlen wir aus der eigenen Tasche.
 
An eine Sache erinnere ich mich besonders gut: Letztes Jahr luden wir alle Migranten ein, die bei uns in der Stadt wohnen, und sie kochten traditionelle Gerichte, die wir im Zentrum mit allen Bürgern zusammen aßen – wie bei einem riesigen interkulturellen Essen. Sehr viele Leute waren neugierig, probierten und kamen miteinander ins Gespräch – solche Aktionen machen mich sehr zufrieden.
 
Aber es ist für mich auch okay, wenn sich gar nichts verändert durch unsere Or-
ganisation. Das war gar nicht mein Ziel, als ich angefangen habe. Ich musste einfach etwas für mich selbst tun und aktiv werden. Momentan arbeite ich ein paar Stunden
als Englischlehrerin an einer Grund-
schule, da verdiene ich aber nur ein paar Euro. Ich habe während meines Studiums überall in Griechenland nach Jobs gesucht und unzählige Bewerbungen geschrieben. Aber ich habe fast nie eine Antwort bekommen.

Ins Ausland möchte ich nicht. Aber wenn es woanders in Griechenland einen Job für mich gibt, dann bin ich weg. Das Projekt ist mir sehr ans Herz gewachsen, aber es würde auch ohne mich gut funktionieren.“

Diskriminierung erlaubt

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Das Internet hat einen neuen Feind: Mike Pence, Gouverneur des US-Bundesstaats Indiana. „Sie sind ein Arschloch“, schrieb Miley Cyrus vergangene Woche zu einem Foto von ihm auf Instagram. Dazu: „Der einzige Ort, an dem es mehr Idioten als auf Instagram gibt, ist die Politik.“

Hintergrund ist der„Religious Freedom Restoration Act“, ein Gesetz zur Wiederherstellung der Religionsfreiheit, das der Politiker vergangene Woche unterzeichnet hatte. Klingt harmlos, dem Gesetz zufolge können sich aber zum Beispiel Unternehmen leichter – nämlich mit dem Verweis auf ihre religiösen Gefühle – weigern, LGBT-Kunden zu bedienen.

Der Moderator George Stephanopoulos stellte dem Politiker in der ABC-Show „This Week“ deshalb mehrfach die Frage, ob es in Indiana bald legal sei, wenn sich ein Blumenhändler weigert, einem schwulen Paar zu seiner Hochzeit Blumen zu liefern? Mike Pence antwortete kein einziges Mal eindeutig.

http://www.youtube.com/watch?v=hjjyuo921RA

Am Wochenende demonstrierten Hunderte gegen das Gesetz, das sogar Hillary Clinton und Miley Cyrus zu Verbündeten macht:





kathrin-hollmer 

Kaffeekunst

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(Quelle)

Jemandem beim Zeichnen zuzusehen, ist immer faszinierend. Das gilt für den Straßenkünstler wie für die Hunderten Youtube-Videos, die zeigen, wie jemand aus Pfannkuchenteig Gorillas malt oder wie ein 3D-Zeichentrick-Krokodil entsteht (was fast zehn Millionen Mal angeschaut wurde). Ein neues Level erreicht die britische Künstlerin Maria A Aristidou (es lohnt sich sehr, ihr auf Instagram oder Facebook zu folgen!). Sie malt berühmte Bilder (wie das "Mädchen mit dem Perlenohrring") nach, sie zeichnet Prominente (wie Gianis Varoufakis oder die Queen), Disney- und Videospielfiguren– und das alles mit Kaffee.

http://www.youtube.com/watch?v=AbgKbtgmsDs

Mit unterschiedlich gebrühtem und dadurch unterschiedlich dunklem Kaffee malt sie wie mit Wasserfarben. Stundenlang könnte man ihr dabei zusehen (leider gibt es bisher nur drei Videos auf ihrem Youtube-Account). Und wir wissen, was wir tun, wenn wir das nächste Mal Lust auf Wasserfarben haben, und der Malkasten leer ist. 





kathrin-hollmer

Sei selbst das Emoji!

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[plugin imagelink link="http://www.klonblog.com/images/2015/03/Memoji-Keyboard-.gif" imagesrc="http://www.klonblog.com/images/2015/03/Memoji-Keyboard-.gif"] (Quelle)

Nun kann man nicht behaupten, dass das Internet ein Ort ist, an dem Selbstbildnisse rar sind. Auf Instagram und Facebook ist jedes zweite Foto in der Timeline ein Selfie (oder Artverwandtes). Wenigstens die Twitter-Accounts von Prominenten sind auch voll damit. Nur auf Whatsapp ist das Selfie bislang nicht so präsent. Um dort dem Narzissmus nachzugehen, musste man die Selbstbildnisse bisher nämlich verschicken – was durchaus ein wenig aufdringlich wirken könnte. Und mit den, freilich vielen Hundert Emojis, lässt sich auch nicht wirklich ein Selbstbild kreieren (so ein Emoji kann man auch ganz schnell in einem falschen Kontext verwenden, Stichwort grinsender Kackehaufen). 

Aber es gibt Hoffnung für die Netznarzissten unter uns: Mit der App "Memoji Keyboard" kann man endlich Emojis mit dem eigenen Gesicht posten. Damit nicht mehr ein anonymer gelber Punkt den anderen angrinsen muss – sondern wir das endlich selbst tun können!

http://www.youtube.com/watch?v=1wcp-2d7jfA

Nicht nur Fotos, auch animierte Gifs kann man mit der App als Emojis speichern und für die Stimmungen verwenden, die bisher die Emojis abdecken. Und dann sehen wir jeden Tag endlich noch mehr Gesichter lachen, nicken, staunen, vielleicht sogar grün anlaufen und kotzen. Die Emoji-Tastatur, die wir vor zwei Wochen an dieser Stelle vorgestellt haben, macht das freilich ein wenig überflüssig.

kathrin-hollmer

Fünf Songs für den Dienstag

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Vierkanttretlager – Kaktusblüte
http://www.youtube.com/watch?v=ZfHV4jqwLgI&feature=youtu.be

Kaktusblüte also. Schon klar. Blüte = aufgekeimte Liebe, Entfaltung, Schönheit – aber noch zart. Und Kaktus: Stacheln halt – eher was mit Abstand und Distanz und Angst. Ein Widerspruch! Damit arbeitet man ja allgemein gerne bei Gefühligem, das nicht im Schmalz ersaufen soll. Und damit Interpretationsbuch zu und Hirn aus und genießen. Weil: „Der Mensch ist einfach nicht gemacht, den andern zu verstehen!“ Und wenn er sich dann trotz aller Mühe („hab ich mich sooo bemüht“) einfach nicht verlieben kann, Himmel, das ist doch einfach ein wunderbar-tottrauriges Motiv, das die Band aus Husum da gefunden hat. Husum taucht übrigens in einem Gedicht von Theodor Storm auf. „Doch hängt mein ganzes Herz an dir/Du graue Stadt am Meer“, heißt es da. Das ganze Album erscheint im April. „Krieg & Krieg“ heißt es. Puh.


Die Orsons – Papa Willi und der Zeitgeist
http://www.youtube.com/watch?v=BlZtkDNzy60

Deshalb schnell weiter zu Fröhlichem. „Verballhornung“ dürfte wohl der Terminus technicus sein für das, was Die Orsons da machen: Die Zeile „pop a wheelie on the zeitgeist“ (aus Kanye Wests „I’m In It“) so hanebüchen blöd missverstehen, dass es leider schon wieder schwer gut wird. Einziges Problem: Bei dem permanenten Beömmeln über die, phasenweise ja schon auch gelungenen, Wortspiele muss man den Song unter Umständen auch ein drittes Mal hören, um zu merken, wie abgefahren gut dieser Beat eigentlich ist. Fast hätten wir hier auch Kanye als Referenz herangezogen. Wäre übertrieben. Aber für deutsche Verhältnisse ist das trotzdem hohes Niveau. Überall.


Bass Sultan Hengzt – Flasche mit Licht
http://www.youtube.com/watch?v=YCBTWnZt1oU

Und das auch. Weil es auch immer noch nicht oft vorkommt, dass hierzulande mit viel Geschmack gesampelt und zitiert wird. Deshalb haben wir uns sehr gefreut, dass Bass Sultan Hengzt seine aktuelle Single an den Groove von „Love Rollercoaster“ von den Ohio Players anlehnt (die Jüngeren unter den Alten kennen den noch aus dem Beavis-und-Butthead-Film – gecovert von den Chili Peppers). Damit ist das beides: Ein schon ziemlich manierlicher Tassen-hoch-Feier-Song und etwas popkultureller Geschichtsunterricht.



Scott Matthew – Skyline
http://www.youtube.com/watch?v=3wk3IeeRbEM

Damit ist wieder genug Frohsinn versprüht, damit noch mal ein kräuterlikör-zäher Tränenflusssong geht, gell?  Scott Matthew war mal Mitglied der Alternativen-Pop-Band Elva Snow (zusammen mit Ex-Morrissey-Mitglied Spencer Cobrin). Und für ganz fuchsige: Ja, er hat auch mal auf einem Rosenstolz-Song mitgeschmachtet. Aber das ignorieren wir tapfer. Denn die schwer violetten Streicher-Vorhänge, die die „Skyline“ in diesem im schönen Sinn epischen Schwermut-Brett verhängen, die kann man schon noch einmal ausgiebig betrachten, bevor wir sie endgültig aufreißen und den Frühling reinlassen. Dann entscheiden wir auch per Münzwurf, ob nun „Kaktusblühte“ oder „Skyline“ der traurigste Song des Monats ist.

Chilly Gonzales – Advantage Points
http://vimeo.com/119441115

Warum Chilly Gonzales so verflucht gut ist? Eigentlich fast schon zum Kotzen gut, wenn man mal ehrlich ist. Weil: Es kann ja nicht richtig sein, einen einzelnen Typen auf allen Ebenen immer derart in den Himmel zu loben! Wie zum Beispiel jüngst wieder in der auch sehr guten Plattenkritik vom Kollegen Rühle. Aber der Punkt ist: Selbst wenn der Musiker Gonzales mal nicht ganz brillant ist, wir würden nämlich jetzt einfach mal behaupten, dass er bei „Advantage Points“ minimal unter seinen Möglichkeiten bleibt, dann springt ihm sofort der Entertainer-Gonzo bei. Und dann gibt es diese so herrlich blasierten Blicke. Und diese hintersinnige Mimik. Und dieses ganz wunderbare Slapstick-Video. Ach ja. Ist schon alles gut.

Die Fenster der anderen

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Was hinter den Fenstern in fremden Küchen und Wohnzimmern, vor fremden Schreibtischen und Sofas vor sich geht, wenn wir abends daran vorbei gehen, kann nicht so banal sein, dass wir nicht hinschauen müssen. Das Problem ist nur: Allzu lange können wir nicht stehen bleiben und schauen, das würde dann doch zu sehr nach Spannerei aussehen. Ein Glück, dass die Fotografin Gail Albert Halaban das für uns macht.

Sie fotografiert in Paris und New York von Wohnungen aus in die Fenster gegenüber – mit der Zustimmung aller Beteiligten. Das merkt man dem Ergebnis leider auch ein wenig an. Menschen, die in schmuddeligen Pyjamas vor ihrem Morgenkaffee sitzen oder vor dem Laptop in der Nase bohren sieht man nämlich nicht. Dafür sehen die Fotos so gut aus, dass wir sie uns gern die Wohnung hängen würden. 

[plugin imagelink link="http://pixel.nymag.com/imgs/thecut/slideshows/2014/5/gail-albert-halaban-paris/gail-albert-halaban-paris-07.nocrop.w1800.h1330.2x.jpg" imagesrc="http://pixel.nymag.com/imgs/thecut/slideshows/2014/5/gail-albert-halaban-paris/gail-albert-halaban-paris-07.nocrop.w1800.h1330.2x.jpg"] (Quelle)

Gail Albert Halabans Fotos sind bis 2. Mai in der Galerie Esther Woerdehoff in Paris ausgestellt.
 

Schatz, wie viele hattest du schon?

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"Fragen, auf die es nur falsche Antworten gibt, sollte man nicht stellen", findet sina-pousset.


Elf. Mit dieser Zahl an sich ist nichts verkehrt. Sie kann aus sich heraus nichts dafür, dass sie mir ein kleines Loch in den Magen stampft, seitdem ich weiß, dass mein Freund mit einem knappen Dutzend Frauen geschlafen hat. Seitdem sehe ich ein paar Dinge anders. Zum Beispiel Fußballmannschaften: auf einmal elf nackte Frauen in Knieschonern. Und ob man überhaupt wissen muss, mit wie vielen Menschen der Partner vor einem geschlafen hat, weiß ich jetzt auch: Muss man nicht.

Denn wird die Frage gestellt, hat das immer denselben Effekt: kurze, grillzirpige Stille und ein angestrengtes Rattern in Hirn, dass sich in kurzer Zeit in ein Rasseln in der Herzregion ausweitet. Und dann: Stille, nervöses Lachen und ein paar scheue Blicke. Im Zusammenhang mit dem Intimsten, das zwei Menschen teilen können, wird aus simpler Mathematik ein komplexes emotionales Gewirr. Deswegen gibt es auf die Frage auch keine richtige Antwort. Und Fragen, auf die es nur falsche Antworten gibt, sollte man nicht stellen.

Natürlich: Die Bett-Fähigkeiten des Partners kommen nicht von ungefähr. Aber die Zahl macht alles konkret.



Denn hat sich der Partner statt durch die Fußballmannschaft eher durch das UEFA-Stadion gebumst, spielt er im Kopf fortan in der Rolle des Pornohengstes – auch wenn er beteuert, jetzt nur noch Charakterdarsteller zu sein. Im anderen Extremfall tendiert der Sexualquotient des Partners eher gegen Null. Das kann heißen: Langzeitbeziehung, Sex mit Augenkontakt und ohne Blinzeln, gemeinsamer Höhepunkt und danach die kurzatmig-schweißnasse Diskussion über Kindernamen. Das ist bedrohlich viel Nähe. Oder: unbeholfene Hände, die ein Kondom aus der Tasche fummeln, ein Akt, der kürzer ist als die Zigarette danach und vielleicht die Frage, ob der Partner vielleicht noch mal raus in die Welt muss und rein in ... irgendwas.

Und jetzt die Elf.  Vielleicht so etwas wie die goldene Mitte auf der Porno-Papst-Kurve. Nicht übersext, aber auch nicht sexuell unterversorgt. Sogar auf vitale Lebensjahre gerechnet relativ plausibel, vielleicht sogar wünschenswert. Und trotzdem zwickt und zwackt es in der Körpermitte. Denn so plausibel die Zahl, sie lässt etwas konkret werden, das unkonkret bleiben will: den Sex mit jemand anderem. Klar weiß man als aufgeklärter Mensch, dass das da dran und drin schon jemand anderes war. Dass die Fähigkeit zu Tantra-Cobra-Stellung wahrscheinlich nicht vom Himmel fiel. Aber die Zahl macht alles konkret.

Sie sagt: Genau so viele waren das. Die haben das alle gesehen, gefühlt, geschmeckt und gemacht, was du siehst, fühlst, schmeckst und machst. Es sind nicht mehr die abstrakten null bis 1000 Menschen, sondern eine Gruppe. Eine, die vielleicht eine Rikscha, einen Fahrstuhl, ein Stadion füllt. Das ist ein greifbares Bild im Kopf. Und es ermöglicht den direkten Vergleich. Wer ist die Schlampe, wer der Papst? Alles entscheidet eine Zahl aus der Vergangenheit, die hier nicht mehr hingehören: ins gemeinsame Bett, ins Jetzt.

>>> Die Gegenmeinung: "Eine Zahl von früher sagt nix über das Jetzt!", meint jakob-biazza  >>>
[seitenumbruch]Möglicherweise bin ich ja gesegnet. Mit einer schwachen Vorstellungskraft und/oder einer grundsätzlich nicht sehr ausgeprägten Neigung zu Kopfkino (was ich beides eigentlich nicht glaube). Vor meinem geistigen Auge marschierten bislang jedenfalls keine pulsierenden Penisse stramm im Gleichschritt auf und ab, wenn Partnerinnen mir gesagt haben, mit wie vielen Typen sie vor mir geschlafen haben. Wenn bei anderen da nun peinigende Bilder auftauchen von Fußballmannschaften oder Konzertsälen oder Smart For Twos mit ehemaligen Sexualpartnern, dann berührt das wohl Areale des Gehirns, die außerhalb des aktiven Einflussbereiches liegen. Will sagen: Wir können nicht recht regulieren, was wir fühlen. Irgendwie müßig also, da jetzt reinzuargumentieren und jemandem zu sagen: Es ist falsch, was du empfindest.

Aber auch nicht ganz müßig. Ich würde bei dem Thema nämlich doch für etwas Ratio plädieren. Manchmal kann die ja auch die brennenderen Gefühle einfangen. Probieren wir also mal mit ein paar möglichen Ergebnissen rum: zwei, zwölf, 40 und 140 zum Beispiel. Ich kann mir schon vorstellen, was man bei denen jeweils ungefähr assoziiert:

Zwei: graue Maus.

Zwölf: irgendwie durchschnittlich (wahrscheinlich im doppelten Sinne).

40: mal eine Phase gehabt, gell?

140: arbeiten tust du aber auch noch, oder?

Ob der geliebte Mensch mit 7 oder 100 Leuten vögeln musste, um der zu werden, der er ist - es war nötig!


Das klingt jetzt blöd, ich weiß, aber tatsächlich habe ich alle Ergebnisse schon mal gehört (wenn auch nicht immer in einer Beziehung). Und deshalb kann ich sehr überzeugt sagen, dass das alles keine zwangsläufigen Rückschlüsse auf die Persönlichkeit zulässt. Zumal auf die aktuelle. Wer sich in zwei Beziehungen ausgelebt hat, ist nicht automatisch grauer als jemand mit 140 One-Night-Stands. Wer’s in einem bunten Mix auf 40 bringt, ist damit in keiner Weise näher dran an einem wie auch immer gearteten Durchschnitt als jemand mit vier, sieben oder 15 Partnern.

Aber selbst wenn, und das wäre dann auch schon der entscheidende Punkt, selbst wenn es unsere Persönlichkeit zwangsläufig zeigte: Wo ist der Schrecken? Wir haben uns doch eben gerade (auch) in eine Persönlichkeit verliebt. In einen Menschen, der – ich glaube, die Forschung ist sich da noch nicht ganz einig – irgendwie die Summe seiner Erfahrungen ist. Wir sind mit H. wegen der grundpositiven und manchmal vielleicht auch naiven Neugier zusammen, mit der er auf die Welt blickt. Wir lieben S., weil sie uns so selbstbewusst in den Arsch tritt, wenn wir Blödsinn reden. Und wir freuen uns, dass T., V. oder A. uns dazu auch noch das Hirn rausvögeln.

Wenn die dafür jetzt erst mit einem, neun, 100 oder null Menschen schlafen mussten, dann war das eben nötig. Oder eben auch nicht. In beiden Fällen ist es einfach nur eine Zahl. Eine Zahl sagt nichts. Bis man sie interpretiert. 140 kann man genauso positiv oder negativ interpretieren wie zwei oder 25. Am besten ist aber, man interpretiert erst gar nicht. Alle Zahlen haben schließlich eins gemein: Sie machen einen geliebten Menschen zu dem, was er ist: Toll!

Total verstockt

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Genug, es reicht, vorbei! Das wollen vermutlich viele rufen, wenn vor ihnen wieder ein Euro-Trip-Urlauber mit dem Stock vor den Da Vincis und Warhols der Welt herumwedelt. Auch Konzerte der Lieblingsband sind häufig nur noch durch einen Teleskoparm-Wald zu sehen. Dabei war der Selfie-Stick, ein langer Stock mit anmontierter GoPro Kamera, doch eigentlich eine gute Idee: In jeder erdenklichen Lage macht er Bilder von oben, von einem selbst mit Drumherum, ohne dass der peinliche Selfie-Arm ins Bild ragt. Und deswegen war der Stick so ziemlich überall dabei.

[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/101BNDlsYRklgs/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/101BNDlsYRklgs/giphy.gif"] Zurück zu den Wurzeln: Der Selfie-Arm.

Nach mehrfacher Weltumrundung von Oktoberfest bis Coachella ist jetzt vielerorts Schluss mit der Selfie-Manie: Der Teleskoparm wird verbannt. Konzertveranstalter begründen ihre Entscheidung mit Verletzungsgefahr und Sichtbehinderung. Museen wie das MoMA, die Londoner Nationalgalerie oder gerade das Nationalmuseum in Peking sind zudem besorgt, dass der Selfie-Stange das eine oder andere Kunstwerk zum Opfer fällt. Und das stimmt zumindest indirekt: Gepost wird mit dem Stick viel. Nach vorne geschaut? Eher weniger. Und das wäre besonders an den genannten Orten doch eigentlich eine gute Idee. Wer sich trotzdem nicht von seiner Sucht lösen kann, sei unbesorgt: für den klassischen Badezimmerselfie reicht immer noch ein iPhone.

Ergeben

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Ein Mädchen streckt die Arme zum Himmel, die Augen voller Angst. Vor einer Woche wurde dieses Foto auf Twitter als "herzzereißendstes Bild des Internets" bekannt und mehr als 16.000 Mal retweetet. 

Das Motiv stammt von Osman Sağırlı, Kriegsfotograf der türkischen Zeitung Türkiye. Die Journalistin Nadia Abu Shaban, die das Bild ursprünglich twitterte, versah das Bild mit dem Hashtag #Surrendered – ergeben. Woher es stammt und ob es echt ist, war zunächst nicht bekannt.

Nun machte die BBC den Fotografen Sağırlı in Tansania ausfindig. Er bestätigte, dass es sich um ein Kind aus dem syrischen Flüchtlingscamp Atmeh handelt. Er habe das Bild vergangenen Dezember gemacht. Die vierjährige Hudea sei damals mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern aus dem 150 Kilometer entfernten Hama geflohen. Gezeichnet von Krieg und Angst habe das Mädchen das Spezialobjektiv der Kamera instinktiv für eine Waffe gehalten. Eine ungewöhnlich Reaktion: Die meisten Kinder, sagt Sağırlı, liefen vor der Kamera entweder weg oder lachten.

Das Bild, erklärte Sağırlı, sei für ihn ein starkes, kondensiertes Symbol für das Kriegselend: "It is the children who reflect the feelings with their innocence." Das macht die Reaktion der vierjährigen Hudea so rührend: Sie zeigt den Verlust der kindlichen Unschuld im Krieg.

sina-pousset

Eine Line Kakao

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Dagegen wirkt der Löffel Nutella ziemlich unschuldig: Menschen auf der ganzen Welt schnupfen Schoko-Koks im Pulverformat. Die Idee dazu kam dem Erfinder des Trends, dem belgischen Chocolatier Dominique Persoone – klar, in Verbindung mit Rockmusik. Als der Mann mit dem verdächtig nebligen Blick nach einer ausgefallenen Idee für eine Geburtstagsparty der Rolling-Stones-Mitglieder Roonie Wood und Charlie Watts suchte, dachte er scheinbar: warum denn immer nur Pralinen zum Nachtisch?

http://www.youtube.com/watch?v=nAgu34bpT6c

Das Drogen-Erlebnis hat Persoone mittlerweile perfektioniert: Damit sich die Nasenschleimhäute besser öffnen, mischt er feinste belgische Qualitätsschokolade mit Ingwer und Minze. Geschnupft wird mit einer eigens dafür kreierten Schokoschleuder– oder ganz klassisch mit Geldschein und Kreditkarte. Suchtfaktor hat der Schoko-Staub genau so, wie Schokolade in Tafelform: 35.000 der Schleudern hat Persoone schon verkauft. Wer jetzt bereits die SMS and den Dealer tippt, sei gewarnt: Schoko-Koks ist zwar billiger als sein weißer Zwilling, aber auch gesundheitsschädlich – das braune Pulver kann Nasenhärchen und Nasenwand schädigen.

Ob sich dieses Risiko lohnt, ist fragwürdig. Wie es sich anfühlt, wenn man sich hochkonzentrierten Kakao in die Nase zieht, beschreibt Persoone, der seine Ladenkette passender Weise „The Chocolate Line“ taufte, als 15-Minütiges Schoko-High – ähnlich dem regulären Effekt des Dopaminausschütters. Vielleicht also lieber beim Riegel bleiben? Umso unwahrscheinlicher ist da der unangenehme Hinweis: "Du hast da was Braunes an der Nase."

Tödliche Musik

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Musiker sein, das klingt nach einem Traumberuf. Kreativ sein, sich ausdrücken, auf Bühnen stehen, jubelnde Menschen. Dianna Kenny, eine australische Forscherin der University of Sydney, hat sich mit den dunklen Seiten dieses Berufs befasst. Mit Schicksalen wie dem von Amy Winehouse oder Kurt Cobain. Vor allem blickte sie weit über diese berühmten Fälle hinaus.



Amy Winehouse starb im Alter von 27 Jahren.

Kenny sammelte Daten von mehr als 12.500 Popmusikern aller Genres, die zwischen 1950 und 2014 gestorben sind, und untersuchte, woran sie gestorben sind und in welchem Alter. Die Ergebnisse verglich sie mit den Daten der gesamten US-Bevölkerung. Außerdem interessierte sie, ob das Musikgenre eine Rolle spielt und zum Beispiel Rapper gefährlicher leben als R&B-Künstler.

Ihre Ergebnisse:
  • Musiker sterben früher als der Rest der Bevölkerung, nämlich zwischen 45 und 65. Der Durchschnitt der restlichen Bevölkerung stirbt in einem Alter von 65 bis 80 Jahren.


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  • Musiker sterben häufiger eines unnatürlichen Todes. Dianna Kenny wertete aus, wie häufig Musiker Unfällen zum Opfer fielen, wie oft sie Selbstmord begingen oder ermordet wurden. In allen drei Kategorien lagen die Musiker-Kurven deutlich über denen des Bevölkerungsdurchschnitts, die Selbstmordrate war zeitweise sieben mal so hoch.


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  • Das Musikgenre könnte Einfluss auf die Todesursache von Musikern haben. 36 Prozent aller Metaller zum Beispiel starben in Folge von Unfällen (darunter fällt in Kennys Studie auch eine unfreiwillige Überdosis Drogen). Das ist deutlich mehr als in anderen Genres. Metaller begingen auch am häufigsten Selbstmord, fast 20 Prozent kamen so ums Leben. Der Durchschnitt über alle Genres hinweg liegt bei sieben Prozent. Die niedrigste Selbstmordrate fand die Forscherin bei den Gospel-Musikern. Besonders ins Auge springt die Mordrate: Sie liegt im Durschnitt aller Genres bei sechs Prozent. In den Bereichen Rap und HipHop (wie da genau der Unterschied definiert ist, ist eine andere Frage) war Mord in 50 Prozent der Fälle die Todesursache. In Zukunft also noch mal überlegen, bevor man sagt, diese Gangster-Rapper tun alle nur so, als ob.


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Man muss bei all diesen Zahlen natürlich sagen: Hundertprozentig aussagekräftig sind sie nicht. Das gibt die Forscherin auch selbst zu. Es ist logisch, dass Vertreter jüngerer Genres seltener eines natürlichen Todes oder an Krebs starben als Musiker aus Genres, die schon lange existieren. Es gibt viel mehr alte Jazz- und Blues-Musiker als Rapper, Letztere hatten sozusagen noch gar nicht die Chance, erst mit 80 Jahren zu sterben.

Interessant ist die Studie aber trotzdem. Denn eine Tendenz zeigen die Zahlen allemal und wenn man sie so geballt sieht, man denkt plötzlich ein bisschen anders über das Musikgeschäft. Man denk mehr an den Kater, den der Musiker im Tourbus am nächsten Morgen hat, als an die Show am Abend zuvor. Man denkt daran, dass Ruhm auch eine Last sein kann. Udn man fragt sich, warum musikalische Kreativität, Rausch, Hemmungs- und Grenzenlosigkeit in der Popkultur eigentlich so eng miteinander verknüpft sind.

Die ganze Musik-Welt wirkt plötzlich weniger erstrebenswert. Weil der Mythos von Sex, Drugs and Rock’n’Roll plötzlich einen ganz anderen Geschmack bekommt.

christian-helten

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