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Schweinerei

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An der Wirbelsäule züngeln Flammen empor. Über die Flanke windet sich eine Schlange, dazwischen Stacheldraht, Kruzifixe und rote Rosen. Als Arschgeweih trägt Donata einen Seeadler und eine US-amerikanische Flagge. Ob das schön ist? Eine Geschmacksfrage. Eine andere Frage ist, ob Donata sich die Motive selbst ausgesucht hat. Wohl eher nicht, denn es handelt sich um ein tätowiertes Schwein.

Donata ist eine arme Sau. Erst wurde sie bei lebendigem Leib mit heißer Nadel beschriftet und bemalt und später dann, nach ihrem natürlichen Tod, ausgestopft. Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt Donata, ein Werk des belgischen Künstlers Wim Delvoye, derzeit in der Ausstellung „Tattoo“. Konzeptkünstler Delvoye wurde international bekannt mit der Maschine „Cloaca“, die den Verdauungsvorgang des Menschen täuschend echt simuliert (ebenfalls eine spektakuläre Sauerei). 2008 verkaufte Delvoye die Rückentätowierung des Schweizers Tim Steiner – Totenschädel mit Madonna – für 150000 Euro an einen deutschen Kunstsammler. Im Gegensatz zu Donata ist Steiner wenigstens noch am Leben.



Das tätowierte und ausgestopfte Schwein 'Donata' kann im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) in der Ausstellung 'Tattoo' bewundert werden. „Tätowierte Schweine sehen aus wie tätowierte Menschen.“ meint der Künstler Wim Delvoye.


Seit die Schau mit der Sau in Hamburg eröffnet wurde, werden Ausstellungsmacher und Künstler mit wütenden Protesten bombardiert. Geschmacklos, pietätlos, unmenschlich, pervers – das sind noch die harmloseren Kommentare auf der Facebook-Seite des Museums. „Hier werden Tiere für die Kunst missbraucht,“ sagt Manfred Graff, Vorsitzender des Hamburger Tierschutzvereins. Auch Martina Stephany von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten ist empört: „Tätowieren verursacht bei Tieren unnötige Schmerzen und ist in Deutschland verboten. Selbst unter Narkose gestochene Schweine leiden unter der Wundheilung.“

Tätowieren tut wirklich schweineweh. Und hierzulande sind zwar Brandzeichen, Nasenringe und Ohrmarken bei Tieren erlaubt, nicht aber das großflächige Verzieren von Tierkörpern, in den meisten europäischen Ländern ist das ähnlich. Deshalb hatte Wim Delvoye im Jahr 2004 in China seine „Art Farm“ eröffnet, auf der er mehrere Schweine tätowieren ließ, laut eigener Aussage unter Narkose.

Der Künstler soll seine Tattoo-Schweine gut umsorgt haben, mit viel Auslauf und artgerechter Ernährung. Und ging es den tätowierten Tieren auf ihrer Kunst-Farm letztendlich nicht besser als den meisten Schweinen in Deutschland, die ohne Betäubung kastriert, in Fabriken gemästet und dann zu Billigschnitzeln verarbeitet werden?

Tätowierer, die ihr Handwerk noch nicht so gut beherrschen, üben an toten Schweinen. „Wir haben die gleiche Haut, wir essen das Gleiche und wir haben die gleichen Organe“, sagt der Künstler, „tätowierte Schweine sehen aus wie tätowierte Menschen.“ Ob das Arschgeweih an einem Menschen oder an einem Schwein schön ist, mag eine Frage der Ästhetik sein – ob sich jemand ein Tattoo selber aussucht oder im Namen der Kunst zwangsweise tätowiert wird wie Donata, ist dagegen eher eine Frage der Ethik.  

Gut verschlüsselt

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Um dem amerikanischen Geheimdienst die Arbeit unmöglich zu machen, reicht Werner Koch anscheinend ein zehn Quadratmeter kleines Zimmer in Erkrath. Eine Kleinstadt, zwölf Minuten mit der Bahn von Düsseldorf entfernt. Die Straßen hier sind eng und manche Häuserdächer so tief, dass es eigene Warnschilder für Lkw gibt. Sie könnten Probleme damit haben, die Straße zu befahren, ohne anzustoßen. Werner Koch öffnet seine Haustür, an den Wänden hängen Kinderzeichnungen. Seine Firma, das Zimmer, ist ein Ein-Mann-Betrieb in seinem Keller. Bis vor Kurzem war sie das auch finanziell. Doch wenn er nun auf seinen Kontostand blickt, steht da eine sechsstellige Zahl. „Geld ist jetzt erst einmal genug da“, sagt er.



Gnu Privacy Guard ist ein Verschlüsselungsprogramm für Mails. Werner Koch hat es geschrieben und verdient damit nun auch Geld.

Der Grund dafür ist eine Veranstaltung Ende 2014 in Hamburg. Werner Koch saß in einem vollen Saal mit 3000 Personen. Auf der Bühne erklärten zwei Experten detailliert, wie der amerikanische Geheimdienst Menschen ausspioniert und welche technischen Schranken er umgehen kann. Plötzlich sagte der Redner: „Ist Werner Koch im Raum? Könntest Du bitte aufstehen?“ Die Menge jubelte ihm zu. Sie hatte dem Mann, der nun stand, einiges zu verdanken. Denn das Programm, das er geschrieben hat, kann der Geheimdienst nicht knacken. Zumindest nach allem, was bis heute bekannt ist.

Werner Koch ist 53 Jahre alt und verantwortlich für das Computerprogramm, mit dem sich Menschen weltweit verschlüsselt E-Mails schicken können: „Gnu Privacy Guard“ (Gnu PG). Wenn ein Geheimdienst eine auf diese Art verschlüsselte Nachricht abfangen sollte, sieht er nur kryptische Zeichen- und Wortfolgen. Auch Edward Snowden hat über solche E-Mail-Dienste Kontakt zu Journalisten aufgenommen und somit die NSA-Enthüllungen überhaupt erst ermöglicht.

Ein Geheimdienst mit Millionen-Budget scheitert an einem Programm, das Werner Koch Ende 1997 geschrieben hat. Es ist eine Geschichte, wie sie Hacker lieben, schließlich zeigt sie, dass Geld und Macht wertlos sind gegen clever eingesetzte Mathematik. Koch lehnt sich in einem Stuhl zurück, hinter ihm an der Wand baumeln mehrere Kabelstränge, in kleinen Boxen hat er Widerstände gesammelt. „Ich mache manchmal Elektronik-Basteln“, sagt er, wenn er darauf angesprochen wird und in Momenten wie diesen, gleicht der kleine Raum eher einem Hobbykeller als einer Firma.

Sie heißt G10-Code und der Name deutet auf die linke Vergangenheit von Koch hin, die auch erklärt, warum er so handelt: Er ist idealistisch. Der Name bezieht sich auf Artikel 10 des Grundgesetzes. In diesem wird geregelt, unter welchen Umständen Geheimdienste in Deutschland in das Fernmeldegeheimnis eingreifen dürfen. In linken Kreisen, erzählt Koch, hätten viele Aufkleber auf ihre Briefe geklebt. „Da stand drauf: ‚Der Inhalt entspricht der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.‘ Ich hatte sogar einen Stempel dafür“. Seine heutige Arbeit ist ähnlich – das Sicherstellen des Briefgeheimnisses – nur eben auf digitalem Weg.

Nach der Veranstaltung in Hamburg sprach Koch mit einer US-Journalistin. Er erzählte ihr, dass er kurz davor gewesen war, das Projekt hinzuschmeißen. Zu wenig Geld kam rein. Denn Gnu PG ist freie Software. Man kann sie kostenlos herunterladen und weiterentwickeln. Auch den Programmcode kann man einsehen und somit überprüfen, ob Koch und einigen seiner Mit-Programmierer Fehler unterlaufen sind. Das ist zwar gut, da sich so die Software verbreitet. Es reduziert aber auch den Anreiz, Koch finanziell zu unterstützen. Es habe Firmen gegeben, die ihm Geld gaben, damit er sich um etwaige Probleme kümmerte. „Die haben aber irgendwann gemerkt, dass das nicht oft der Fall ist“, sagt Koch. Auch die Bundesregierung unterstützte das Projekt – nach eigenen Angaben wurden 600 000 Euro investiert – doch das ist lange her. Zuletzt kam nur noch wenig Geld rein.

Koch kümmert sich fast im Alleingang um das Projekt E-Mail-Verschlüsselung. Im Gegensatz zu anderen, die hin und wieder mithelfen, arbeitet er Vollzeit daran, er aktualisiert das Programm, er sorgt für die Kommunikation. Er ist Chefentwickler, Chefsekretär und Firmenchef in einer Person. Er ist vor allem auch chronisch unterbezahlt. In einer Branche, die studierten Berufsanfängern gerne 50 000 Euro Einstiegsgehalt zahlt, erhält Koch bedeutend weniger, der Betrag steht auf seiner Homepage: 32000 Euro pro Jahr. Aufgrund knapper Kasse musste ein anderer Programmierer aufhören. „Ich wollte aufgeben“, sagt er nun, „aber ich wurde durch Snowden eines Besseren belehrt.“ Die Enthüllungen von Snowden hätten ihm gezeigt, wie wichtig sein Programm anscheinend sei. „Ich finde es gut, dass es eingesetzt wird“, sagt er.
Koch arbeitete vor Jahrzehnten als IT-Experte, und die Erfahrungen mit der Unternehmenskultur in Deutschland haben ihn massiv gestört. „Ich habe ein kompliziertes Beratungsprogramm für Finanzbuchhaltung geschrieben, aber die wurde nie benutzt“, sagt Koch. Und weiter: „Nicht, weil die schlecht gewesen wäre, sondern weil die von Anfang an nur aus Konkurrenzgründen entwickelt wurde, um in anderen Abteilungen mit Expertise angeben zu können. Das fand ich nicht befriedigend.“ Gegen Geheimdienste zu agieren, klingt da schon verlockender.

Hätte Koch wirklich hingeschmissen, wäre sein Rücktritt einem effektiven Aus des Programms gleichgekommen. Sein Programm hat 300000 Zeilen Code, der gepflegt werden muss, weil es einerseits ständig neue Software-Updates gibt, andererseits Fehler im Code selbst auftauchen. Niemand außer ihm hat einen guten Überblick. Das ist ein Problem. Seit den Enthüllungen hegen IT-Experten die Hoffnung, dass die Menschen sich vermehrt dafür interessieren, wie sie ihre Nachrichten geheim halten können. Doch das ist aktuell nur Wunschdenken. Menschen, die Koch kennen und die seine Arbeit bewundern, kritisieren ihn an diesem Punkt: Sich verschlüsselte E-Mails einzurichten gilt immer noch als zu komplex. In einer Zeit, in der Chat-Dienste wie Whatsapp es hinbekommen, die Nachrichten ohne Zutun der Nutzer abzusichern, wirkt ein Dienst wie GnuPG wie aus der Zeit gefallen.

Doch statt aufzugeben, entschloss sich Koch dazu, eine Crowdfunding-Kampagne zu starten. Er wollte Geld sammeln. Als der Artikel der US-Journalistin über ihn erschien, sammelte er dann mehr als 100 000 Euro – an einem Tag. Alarmiert davon, dass diese so zentrale Anwendung von einer Einzelperson nur mit Mühe betrieben werden kann, eilten viele zu Hilfe. Wenn Koch nun über Geld redet, listet er Spender auf: Facebook hat versprochen, jährlich 50 000 Dollar zu zahlen, der amerikanische Bezahldienst Stripe ebenfalls. Die Linux-Foundation, also das Konsortium, das hinter dem gleichnamigen Betriebssystem steckt, hat bereits 60 000 Dollar überwiesen. „Die Spendenbereitschaft ist hoch, viele Menschen wussten aber einfach nicht Bescheid“, sagt Koch nun.

Mit dem Geld plant er, einen neuen Entwickler einzustellen, und er erhöht sein Einkommen – auf das Jahresgehalt von Berufseinsteigern.

Tagesblog - 18. Februar 2015

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17:55 Uhr: Es geht nicht anders: Ich geh jetzt.

Aber weil ich weiß, wie sehr Eulen gerade geliebt werden, lass ich noch ein lustiges Eulenfoto da: [plugin imagelink link="http://static.boredpanda.com/blog/wp-content/uploads/2015/02/ingo-else-dog-owl-friendship-tanja-brandt-8.jpg" imagesrc="http://static.boredpanda.com/blog/wp-content/uploads/2015/02/ingo-else-dog-owl-friendship-tanja-brandt-8.jpg"]Wie die guckt! So will ich auch gucken können. Und ihr könnt noch mehr von diesen Fotos gucken.

Morgen dann: Bilder angucken mit Simon.

Tschüß!

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17:37 Uhr:
Kathrin ist krass. Sie hat "50 Shades of Grey" geguckt. Aber immerhin dabei nachgedacht. 50 lustige Gedanken hat sie danach aufgeschrieben. Die sind jetzt online.
Mein liebster: "Christian Grey schreibt mit Bleistift."
Mein zweitliebster: "Viele Schamhaare sind das."
Mein drittliebster: "Krasse Dialoge: Er schenkt ihr ein Auto. Sie sagt: 'Das ist ein Auto, Christian'."


Was muss der Klavier spielen, wenn sie schläft?

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16:28 Uhr:
Bei den Grammy's hat Beck in der Kategorie "Album of the Year" gewonnen. Fanden nicht alle gut, manche wollten (mal wieder), dass Beyoncé gewinnt. Ist jetzt alles schon ein paar Tage her und was ich gerade dazu gefunden habe, ist auch schon ein paar Tage alt. Aber ich kannte es noch nicht und finde es grade sehr super: Ein Soundcloud-User hat ein Mashup aus "Loser" von Beck und "Single Ladies" von Beyoncé gemacht. Und das funktioniert erstaunlich gut! Heißt: "Single Loser". Ist von: "Beckyoncé"!
https://soundcloud.com/beckyonce/single-loser-put-a-beck-on-it

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16:07 Uhr:
Michel würde ja gerne im Laden einkaufen. Statt im Internet. Aber: Im Laden sind sie halt irgendwie so unmotiviert. Und wenn er Schnürsenkel kaufen will, schicken sie ihn zu schnuersenkel.de.

Darum geht es im neusten Text: Warum der Einzelhandel selbst Schuld ist, dass wir online einkaufen.

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14:56 Uhr:
Es gibt ja verschiedene Methoden, den Tagesblog zu füllen. Eine davon geht so: Darauf warten, dass irgendjemand in der Redaktio anfängt zu kichern. Dann schnell sagen: "Schick mir den Link!"

Gerade hat Jan gekichert. Und zwar darüber, dass der Bürgermeister von Boston seinen Bürgern verboten hat, aus dem Fenster in den Schnee zu springen. Das ist gerade nämlich ein sehr beliebtes (und aus Bürgermeistersicht: zu gefährliches) Spiel in der sehr eingeschneiten Stadt. Nennt sich, natürlich, "Boston Blizzard Challenge". Und sieht zum Beispiel so aus:





‼️REPOST AND SHARE ‼️#BostonBlizzardChallenge #LoveLifeGoHard Ein von John Hancock (@bro_got) gepostetes Video am 16. Feb 2015 um 8:28 Uhr





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13:41 Uhr:
Hier eine Info für alle Münchner: Samstag ist jetzt.de-Kneipenabend! Wieder im Heppel&Ettlich. Wieder mit Texten und Spielen und Musik und Schnaps und Bier. Kommt vorbei. Und versucht doch vorher, Gästelistenplätze zu gewinnen. Das geht nämlich.




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12:36 Uhr:
In der Türkei wurde eine junge Frau ermordet, ihr Mörder wollte sie zuvor vergewaltigen. Die Tat hat Proteste ausgelöst. Auf der Straße – und im Internet. Vor allem auf Twitter, unter dem Hashtag #Sendeanlat. Was das bedeutet und was die Nutzer dort schreiben, das hat Kathrin in unserem Hashtag-Lexikon notiert, das wir immer wieder aktualisieren, wenn ein neuer politischer oder aktivistischer Hashtag auftaucht.




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12:09 Uhr:
Übrigens: Es ist Winter. Auch in den USA. Vor allem im Nordosten. Und die ja immer sehr sehenswerte Atlantic-Foto-Seite zeigt darum sehr schöne Rekord-Winter-Fotos.
Das zum Beispiel:
[plugin imagelink link="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/photo/2015/02/winter-storms-bury-freeze-northeastern-us/w07_AP335925234499_23/main_1500.jpg" imagesrc="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/photo/2015/02/winter-storms-bury-freeze-northeastern-us/w07_AP335925234499_23/main_1500.jpg"]
Oder das:
[plugin imagelink link="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/photo/2015/02/winter-storms-bury-freeze-northeastern-us/w11_AP434047045381_1/main_1500.jpg" imagesrc="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/photo/2015/02/winter-storms-bury-freeze-northeastern-us/w11_AP434047045381_1/main_1500.jpg"]
Und hier alle.

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11:37 Uhr:
Wenn ich GLEICH sage, meine ich auch GLEICH. Hier ist er schon, der erste Text. Es handelt sich dabei um eine Mischung und Text und Musik: Fünf Songs für den Mittwoch, zusammengestellt von Jakob "Mir fällt immer eine noch schmissigere Beschreibung für Musik ein" Biazza. Vorgeschmack mit Menschen:
http://www.youtube.com/watch?v=LDO7GbSLiBA

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11:33 Uhr:
GLEICH gibt es den ersten Text des Tages. Vorher noch eine kleine Geschichte. Der eine Kollege hat gestern sehr eilig ein Interview abgetippt. Der andere Kollege hat es gegengelesen und dann seinen liebsten Tippfehler groß ausgedruckt. Es war dieser:



Wir haben sehr gelacht. Und dann noch mehr gelacht. Wenn man nämlich weiß, was er eigentlich tippen wollte, ist das ein wahnsinniger Grower. Heißt: Wird immer lustiger, je länger man draufschaut.
Wer errät, was gemeint ist, gewinnt...äh...einen weiteren Lieblingscartoon.

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11:15 Uhr:
Wir haben konferiert und dabei gut gerochen. Das sage ich nur, um eine gute Überleitung zu schaffen, zu diesem Thema: Hygiene. Auf der Welt.

Der Atlantic hat verschiedene Studien zusammengetragen, in denen es (unter anderem) darum geht, wer wo wie oft duscht. Eine Befragung dazu unter 562 Reddit-Usern ergab zum Beispiel folgendes Ergebnis:
[plugin imagelink link="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/posts/2015/02/XstAjrH/56a37b3e8.jpg" imagesrc="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/posts/2015/02/XstAjrH/56a37b3e8.jpg"] Mir scheint allerdings der große prozentuale Unterschied zwischen Frauen und Männern, die sieben Mal die Woche duschen, unglaubwürdig.

Auch interessant: Der Zusammenhang von duschen und dabei die Haare mit Shampoo waschen: [plugin imagelink link="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/posts/2015/02/Screen_Shot_2015_02_12_at_6.56.46_PM/b783e237d.png" imagesrc="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/posts/2015/02/Screen_Shot_2015_02_12_at_6.56.46_PM/b783e237d.png"] In Mexiko shampooniert man anscheinend gerne.

In Deutschland duschen mehr als 50 Prozent aller Frauen und fast 50 Prozent der Männer ein Mal am Tag:
[plugin imagelink link="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/posts/2015/02/Screen_Shot_2015_02_12_at_7.05.41_PM/9b1c82766.png" imagesrc="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/posts/2015/02/Screen_Shot_2015_02_12_at_7.05.41_PM/9b1c82766.png"]

Und zum Schluss kommt dann da noch dieses Hygiene-Schönmachen-Umfrageergebnis: [plugin imagelink link="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/posts/2015/02/Screen_Shot_2015_02_12_at_7.16.32_PM/747806a2e.png" imagesrc="http://cdn.theatlantic.com/assets/media/img/posts/2015/02/Screen_Shot_2015_02_12_at_7.16.32_PM/747806a2e.png"] Was mich ja persönlich sehr weit ins Abseits stellt (kurze Haare, kein Schmuck, selten Parfüm). Aber okay, ich mag ja auch Bärte, die laut dieser Umfrage auch nicht zum idealen Mann gehören.

Und nach so vielen Grafiken hier die Masterfrage: Wie oft duscht ihr? Täglich? Zwei Mal täglich? Alle drei Tage? Haare shampoonieren immer? Oder mal auch nur mit Wasser? Hygienegeständnisse jetzt bitte!

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09:40 Uhr:
So, nun aber mal ernsthaft. Die Spaßzeit ist ja jetzt sowieso vorbei.

Nachrichten (subjektive Tagesblog-Auswahl):

- Griechenland und die Euro-Gruppe debattieren noch immer über die Verlängerung des Hilfspakets. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

- Karl-Heinz Kurras ist gestorben, allerdings wohl schon im Dezember. Der ehemalige Polizist hatte im Jahr 1967 Benno Ohnesorg erschossen.

- Es gibt wohl nun Beweise für die direkte russische Beteiligung an Attacken auf ukrainische Soldaten im vergangenen Sommer. Britische Journalisten und Waffenexperten haben Satellitenbilder und Youtube-Videos analysiert und sind sich sicher, dass von Russland aus Raketen abgeschossen wurden.

- Die Kunstszene und Tierschützer streiten um ein tätowiertes Schwein.[plugin imagelink link="http://polpix.sueddeutsche.com/polopoly_fs/1.2356225.1424240928!/httpImage/image.jpg_gen/derivatives/640x360/image.jpg" imagesrc="http://polpix.sueddeutsche.com/polopoly_fs/1.2356225.1424240928!/httpImage/image.jpg_gen/derivatives/640x360/image.jpg"]

- Vor der israelischen Küste wurde ein Schatz gefunden. So ein richtg echter. Wie ihn auch Dagobert Duck gesucht und gefunden hätte.[plugin imagelink link="http://i.guim.co.uk/media/w-620/h--/q-95/7c356745effc742fe14a2d7620cbd11e1a8a658c/0_73_856_514/500.jpg" imagesrc="http://i.guim.co.uk/media/w-620/h--/q-95/7c356745effc742fe14a2d7620cbd11e1a8a658c/0_73_856_514/500.jpg"]

- Obamas Einwanderungsdekret, das ein befristetes Bleiberecht für mehrere Millionen Einwanderer möglich gemacht hätte, wurde von einem Gericht in Texas gestoppt.

- Das Jahr des Schafes beginnt: "A Guide to Chinese New Year". In Zahlen.

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09:20 Uhr:
Hab noch was vor den Nachrichten. Nämlich etwas, das ich als Rheinländerin arg mit diesem Tag verbinde. Wurde mir da regelmäßig serviert. Habe ich immer gerne gegessen. Über den Geruch und wie sich die Zahnzwischenräume danach anfühlen, sprechen wir lieber nicht.
[plugin imagelink link="http://cdn.lvz-online.de/files/images/bild_770x770/00000924/riskanter-biss-ins-mettbroetchen_dpaf5987024321359534618.jpg" imagesrc="http://cdn.lvz-online.de/files/images/bild_770x770/00000924/riskanter-biss-ins-mettbroetchen_dpaf5987024321359534618.jpg"] Mjamm, ne?

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09:12 Uhr:
Achso, das hier ginge ja auch schon mal:
http://www.youtube.com/watch?v=CBG7GtQnPtI Alles vorbei!

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09:09 Uhr:
Guten Morgen und herzlich willkommen im Tagesblog. Gehen Sie bitte nicht weiter, es gibt schon etwas zu sehen! Also, eigentlich nicht, aber wie immer, wenn es eigentlich noch nichts zu sehen gibt, aber schon etwas zu sehen geben soll, poste ich schnell einen meiner Lieblingscartoons und erkaufe mir damit etwas Zeit. Angucken und freuen und gleich wieder vorbeikommen, dann gibt es Nachrichten und alles, was der Tag sonst so bringt.
[plugin imagelink link="http://2.bp.blogspot.com/-U-leX6T4l6U/UI08vQKpWHI/AAAAAAAAED4/J0EN0Ba1dZk/s400/663%253A1.jpg" imagesrc="http://2.bp.blogspot.com/-U-leX6T4l6U/UI08vQKpWHI/AAAAAAAAED4/J0EN0Ba1dZk/s400/663%253A1.jpg"][plugin imagelink link="http://2.bp.blogspot.com/-EFsPIsAMHMs/UI08tXFJ6pI/AAAAAAAAEDU/W511Mwk27L0/s400/663%253A2.jpg" imagesrc="http://2.bp.blogspot.com/-EFsPIsAMHMs/UI08tXFJ6pI/AAAAAAAAEDU/W511Mwk27L0/s400/663%253A2.jpg"][plugin imagelink link="http://3.bp.blogspot.com/-gF8Ff4Eue7w/UI08ti_JPRI/AAAAAAAAEDg/REDuyXY10mw/s400/663%253A3.jpg" imagesrc="http://3.bp.blogspot.com/-gF8Ff4Eue7w/UI08ti_JPRI/AAAAAAAAEDg/REDuyXY10mw/s400/663%253A3.jpg"][plugin imagelink link="http://3.bp.blogspot.com/-lMOdvxqvgAE/UI08uYSqEuI/AAAAAAAAEDs/QVmIMxjgKIs/s400/663%253A4.jpg" imagesrc="http://3.bp.blogspot.com/-lMOdvxqvgAE/UI08uYSqEuI/AAAAAAAAEDs/QVmIMxjgKIs/s400/663%253A4.jpg"](via Hauck&Bauer)

Die Mischung macht's

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Neuerdings ist „Gesindel“ eine soziologische Kategorie am Hamburger Institut für Sozialforschung, wenn es um die Bezeichnung von Menschen geht, die an städtischen Aufständen beteiligt sind. Institutschef Jan Philipp Reemtsma, der ja selbst ein nicht ganz unwichtiges Buch über „Vertrauen und Gewalt“ geschrieben hat, irritierte zur Eröffnung der Tagung „Politische Gewalt im urbanen Raum“ ein wenig das Vertrauen in seine wissenschaftliche Vorurteilsfreiheit, als er Sympathien für diese Denunziationsvokabel bekannte. Und weil Reemtsma offensichtlich eine ernsthafte Zuneigung zu Nicolas Sarkozy gepackt hat, der mit „Gesindel“ all jene bezeichnete, die 2005 an den Unruhen in den französischen Vorstädten beteiligt waren, sprach Reemtsma auch gleich noch über Krawall als Lebensform, über das „Schrebergärtnerhafte“ von Kiez-Aktivismus sowie die „xenophobe Attitüde“, die doch in den meisten Ausbrüchen von kollektiver Gewalt stecke.



Deutsche Polizisten haben ein völlig anderes Selbstverständnis als ihre französischen Kollegen, sagt eine Untersuchung.

Die Verdatterung unter den deutschen und französischen Konfliktforschern über diese Feindbild-Demagogie äußerte sich immerhin in einer langen Reihe von Einwänden, die freilich aus französischer Höflichkeit und deutscher Abhängigkeit von den Fördermitteln des Instituts argumentativ sehr verhalten blieben. Ging es doch in dieser dreitägigen Konferenz genau darum, das Phänomen der „urbanen Gewalt“ aus der Sparte politischer Pauschalverurteilung herauszuführen. Eskalationsrhetorik, so der spürbare Tenor dieser Wissenschaftler-Versammlung, ist da mehr Teil des Problems als der Lösung.

Gegenstand des Symposions – das vom Hamburger Institut mit dem Berliner Zentrum Marc Bloch und dem Pariser Justizforschungszentrum CESDIP organisiert wurde – waren trotz der aktuellen Anlässe weniger terroristische Anschläge als kollektive Gewaltausbrüche, sogenannte Riots. Zentrales Merkmal dieser Auseinandersetzungen ist die Konfrontation mit der Polizei, wobei diese von Scharmützeln nach Ausweiskontrollen über gewalttätige Demonstrationen bis zu mehrtägigen und sich ausbreitenden Krawallen oder gar revolutionären Entwicklungen reichen können. Diese Breite der Phänomene mag erklären, warum eine wirkliche Systematisierung und Schärfung des Begriffs „urbane Gewalt“ auf dieser Tagung nicht gelang. Trotz einiger Versuche, das Verhältnis von Stadtraum, Gewalt und Politik thesenartig zu fassen, lieferten vergleichende Untersuchungen mit pragmatischen Schlüssen die eindeutig fundierteren Erkenntnisse.

Insbesondere die Frage, warum Deutschland so relativ friedlich ist und Frankreich ständig aufgewühlt, erfuhr sehr konkrete Antworten für die potenziellen Konfliktparteien. In Frankreich haben die Nachkommen nordafrikanischer Einwanderer zwar Zugang zu Bildung, aber danach nicht zum Arbeitsmarkt, was die soziale Frustration deutlich verstärkt, während die „ethnischen“ Barrieren zum Berufsleben in Deutschland bei Weitem nicht so hoch sind. Auch die Segregation spielt eine entscheidende Rolle. Während der landesweiten Unruhen 2005 in Frankreich blieben Stadtviertel, die eine gesunde soziale Mischung unterschiedlichster Bevölkerungs- und Einkommensgruppen aufwiesen, von Krawallen verschont.

Und schließlich zeigte eine vergleichende Untersuchung von Selbstverständnis und Methoden der Polizei, dass die deutschen Ordnungshüter sich als Teil der Bevölkerung sehen und daher in der Regel eine kommunikative, integrative Handlungsstrategie befolgen, wogegen die französische Polizei im Verständnis agiert, von der Bevölkerung abgelehnt, ja gehasst zu werden, und dergestalt wesentlich konfrontativer vorgeht.

Diese Häufung von Beiträgen, die deutsche Vernunft gegen französische Disziplinierung setzte, führte schließlich gerade einige deutsche Forscher zu dem Einwand, dass ihr Land und ihre Polizei vielleicht doch ein wenig zu gut wegkämen. Aber der deutsche Zwang zur Selbstkritik gehört ja vielleicht mit zu den Ursachen, warum hierzulande weniger Eskalation stattfindet.

Ein zentraler Begriff dieser Tagung über städtischen Raum und Gewalt war der des „Territoriums“. Die Verletzung von empfundenen Raumgrenzen, sei es bei Demonstrationen oder in Bezug auf das subjektive Gebietsempfinden, das Menschen zu ihrem Viertel entwickeln, kann ein wesentlicher Auslöser für gewalttätige Konfrontation sein. Sei es eine Polizeieinheit, die in einen Demonstrationszug einbricht, Streifen, die Jugendliche auf ihrem Kiez schikanieren, aber auch deutlich spürbare Veränderungen im Sozialgefüge eines Stadtquartiers durch den Zuzug reicherer oder als „fremd“ empfundener Bevölkerungsgruppen – der archaische Instinkt der Territorialverletzung scheint eine bedeutende Komponente für die Bereitschaft zu sein, zur Verteidigung des eigenen Gebiets Gewalt einzusetzen.

Obwohl bei dieser deutsch-französischen Soziologen-Konsultation zahlreiche konkrete Ergebnisse präsentiert wurden, wie friedliches Miteinander in der Stadt entwickelt und gefördert werden kann, wurde der Aspekt der Stadtplanung und die Beziehung von Architektur und Aggression leider kaum thematisiert – wie Tagungsorganisator Ulrich Bielefeld vom HIS in seinem Resümee auch selbstkritisch bemerkte. Und Bielefeld brachte schließlich auch den Mut auf, die einleitenden Aussagen seines Chefs und Geldgebers zu verwerfen. Für die „Komplexität der soziologischen Analyse“ sei „Gesindel“ kein „brauchbarer Begriff“, sagte der Tagungsleiter zum Abschluss.

Damit war zwar nach außen die Institutsehre wiederhergestellt. Aber ob auf dem intellektuellen Territorium diese offene Autoritätsverletzung ohne Eskalation bewältigt werden kann, das erfährt man sicherlich nur im Vertrauen. Auf jeden Fall kann eine solche kleine Konfrontation etwas darüber erzählen, ob Geisteswissenschaftler wirklich weniger „Schrebergärtner“ sind als Hausbesetzer.

Nächstes Jahr in Jerusalem?

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Warum hat uns keiner geschützt? Mette Miriam Bentow fragt das, deren Tochter in der Kopenhagener Synagoge ihre Bat Mitzwa feierte, ehe der Attentäter kam und schoss und tötete. Nun hat die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt diesen Schutz für alle jüdischen Einrichtungen im Land versprochen, doch Frau Bentow glaubt ihr nicht mehr. „Ich fühle nicht, dass Dänemark die Bedrohung seiner jüdischen Gemeinschaft ernst nimmt“, sagt sie dem britischen Sender BBC. Die Sicherheit ist dahin.

Auch Schweden und Norwegen haben den Schutz für jüdische Einrichtungen erhöht. Vor allem die jüdischen Gemeinden in Schweden fühlen sich bedroht. Es gab enge Beziehungen zur Gemeinde in Kopenhagen, sagt, Jehoshua Kaufman, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Malmö. „Das beeinflusst unser tägliches Leben als Juden und unsere Sicht auf uns selbst. Wir machen uns Sorgen über unsere Zukunft.“



Die Auswanderung europäischer Juden nach Israel nimmt zu. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hält dagegen wenig davon, "aus Angst zu gehen".


Wer schützt Europas Juden vor der neuen antisemitischen Gewalt? Der französische Staat! So hat Präsident François Hollande den französischen Juden versprochen im Angesicht des geschändeten jüdischen Friedhofs in Sarre-Union. Der deutsche Staat, so hat es Bundeskanzlerin Angela Merkel den Juden in Deutschland zugesichert. In ganz Europa bewachen nun Polizisten und Sicherheitsleute Synagogen, jüdische Schulen und Kindergärten besonders aufmerksam – absolute Sicherheit können sie nicht versprechen.

Entsprechend verunsichert sind Europas Juden, je nach Schätzung eine bis 1,5 Millionen Menschen. Allein aus Frankreich sind im vergangenen Jahr 6700 Juden nach Israel ausgewandert, dramatisch nun der Appell von Hollande und Merkel an die Juden in ihren Ländern: Bleibt!

Mit ungewissem Erfolg. „Wir gehen!“ schreibt der jüdische Publizist Rafael Seligmann in der Wochenzeitung Die Zeit. 70 Jahre nach Adolf Hitlers Tod drohe ein „judenfreies Europa“: 1945 hätten noch sechs Millionen Juden in Europa gelebt, heute seien es nur noch etwas mehr als eine Million. Im „von antisemitischen Stereotypen heimgesuchten“ Europa werde der Prozess weitergehen. Und nun hat sich auch noch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eingeschaltet: Kommt! ruft er den verunsicherten Juden zu, „Juden wurden auf europäischem Boden ermordet, nur weil sie Juden waren“ – nun sei die Zeit gekommen, nach Israel zu gehen.

Netanjahus Äußerung ist auch innenpolitisch motiviert: Zuwanderer sind für den kleinen jüdischen Staat lebenswichtig. Erst am Sonntag hat die Regierung in Jerusalem ein Hilfsprogramm für Neueinwanderer aufgelegt, umgerechnet 40 Millionen Euro stellt sie zusätzlich bereit, um Juden vor allem aus Frankreich, Belgien und der Ukraine einzugliedern. Neubürger bekommen von der Jewish Agency einen „Aufnahme-Korb“, samt Hebräisch-Intensivkurs und Mietzuschuss.

Besonders wirbt das Land um junge Leute. Bis zum 26. Lebensjahr darf jeder Jude weltweit einmal zu einer zweiwöchigen, kostenlosen Rundreise nach Israel kommen; der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem ist genauso inklusive wie die Expedition ins Nachtleben. Der Erfolg kann sich sehen lassen: 24064 Einwanderer zählte Israel im vergangenen Jahr, trotz des Gazakrieges. Im Jahr zuvor waren es nicht einmal 17000 gewesen.

Der Aufruf zur Auswanderung nach Israel rührt aber auch an den bald 120 Jahre alten Streit zwischen den Zionisten, die das „Hinaufgehen“ (Alija) nach Israel propagierten und jenen Juden, die ihre Heimat in Europa sehen. Theodor Herzls 1895 geschriebenes Buch „Der Judenstaat“ war eine Reaktion auf den in Europa, vor allem in Frankreich grassierenden Antisemitismus: Wenn Europa die Juden nicht mehr wolle, müssten sie sich selber eine Heimstatt schaffen, meinte er. Das sei die Kapitulation vor den Judenfeinden, sagten schon damals seine Kritiker.

Nach der Schoah ging der Vorwurf aus Israel vor allem an die Juden in Deutschland: Wie könnt ihr nur im Land der Mörder leben! Der Zentralratspräsident Ignatz Bubis stritt darüber mit Israels Präsident Ezer Weizmann, und als 1991 Bundeskanzler Helmut Kohl eine großzügige Einwanderungsregelung für Juden aus der ehemaligen Sowjetunion schuf, reagierten israelische Politiker pikiert. Nun, nach den Anschlägen in Brüssel, Paris, Kopenhagen, hat die Debatte eine neue Dimension erhalten: Mehr denn je erscheint Israel als sicherer Hafen für Juden aus aller Welt gegen Judenfeindschaft.

Allerdings sehen das längst nicht alle Juden so – Netanjahus Aufforderung zur Auswanderung trifft auf breite Kritik. „Frankreichs Juden sind eine französische Angelegenheit“, schreibt die jüdische Publizistin Elisabeth Lévy, Netanjahu solle sich heraushalten. Der Schriftsteller David Ranan, der aus einer deutsch-jüdischen Familie stammt, in Israel aufwuchs und nun in London lebt, hält die Debatte für „hysterisch“: „Wenn überall zu lesen ist, dass die Juden nach Israel auswandern, überlegt man irgendwann, ob man etwas falsch macht, wenn man bleibt.“ Von den seit Kriegsende aus Europa ausgewanderten fünf Millionen Juden seien übrigens die meisten aus der Sowjetunion gekommen – „man darf jetzt nichts verharmlosen, aber auch keine Panik schüren“.

Auch Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, hält wenig von Auswanderungs-Aufrufen. Die Verunsicherung in den Gemeinden sei spürbar gewachsen, erzählt er, „vor allem bei Eltern, deren Kinder in jüdische Schulen und Kindergärten gehen“. Erst gestern habe er mit zwei Paaren geredet, die nicht mehr wüssten, was sie tun sollten – er habe für das Vertrauen in die Polizei geworben, „aber natürlich kann ich nicht garantieren, dass es keinen Anschlag gibt“. Das allerdings könne auch Benjamin Netanjahu in Israel nicht versprechen. Wer aus Angst gehe, der gebe den Terroristen recht. „Israel ist unsere Lebensversicherung“, sagt Schuster. Und die Heimat? Da erzählt er die Geschichte des Bekannten, der ihn fragte: „Reisen Sie wieder in die Heimat?“ Nein, antwortete er, „ich fliege dieses Jahr nicht nach Würzburg“.

Retter in Not

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Es ist Wochenende und das Kind hat hohes Fieber. Es ist Freitagabend und nach dem Zusammenprall beim Training schmerzt das Knie. Wer in einer solchen Situation einen Arzt aufsuchen möchte, fährt meistens in das nächstgelegene Krankenhaus. Man denkt nicht groß darüber nach. So kennt man es aus dem Fernsehen. Und doch ist dieses Verhalten nach der geltenden Gesetzeslage falsch. Kliniken sind nur für Notfälle zuständig. Für Fälle unterhalb des Notfalls gibt es den Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte. Auch telefonisch gibt es eine klare Unterscheidung. Im Notfall wählt man die 112, in allen anderen Fällen die 116117.

Wer diese Unterscheidung für spitzfindig hält, irrt. Die Kluft zwischen Gesetzeslage und Verhalten der Patienten entwickelt sich zu einem immer größeren Problem – für die Kliniken. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag der Krankenhausgesellschaft (DKG). Demnach behandeln die Kliniken pro Jahr etwa drei Millionen Fälle, die eigentlich von den niedergelassenen Ärzten versorgt werden müssten. Das ist etwa ein Drittel aller Patienten, die im Jahr in die Notaufnahme ins Krankenhaus gehen und nach einer medizinischen Erstversorgung wieder gehen können. Und nach Worten von DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum steigt die Zahl beständig an.



Das Wort 'Notfall' wird oft unterschiedlich interpretiert. Vor allem nachts kommen viele Menschen ins Krankenhaus, die sich selbst für einen Notfall halten.


Die Nachteile? Zum einen werden die Notaufnahmen der Kliniken immer voller, am Wochenende zum Beispiel oder an Feiertagen und auch Mittwochsnachmittags, wenn die meisten Arztpraxen geschlossen sind. Das führt zu längeren Wartezeiten und einer Überlastung der zuständigen Ärzte und so womöglich auch zu einer schlechteren Behandlung.

Finanziell betrachtet ist der Trend zur Notaufnahme für die Kliniken zudem ein Verlustgeschäft. So lautet jedenfalls die Argumentation der DKG. Denn die Kassen zahlen für die Klinik-Behandlung aller ambulanten Fälle – also auch für solche, die in einem Krankenhaus behandelt werden müssen – lediglich den Tarif, der für die Behandlung bei einem niedergelassenen Arzt üblich ist. Das sind im Schnitt 32 Euro. Weil die Krankenhäuser jedoch deutlich mehr und deutlich teurere Ausrüstung vorhalten, liegen die Kosten bei 120 Euro. „Bei ambulanten Notfällen ergibt sich ein Fehlbetrag von 88 Euro pro Fall“, so Baum. Bei mehr als zehn Millionen ambulant behandelten Fällen ergebe sich somit ein jährlicher Fehlbetrag von einer Milliarde Euro.

„Eine Kostenfalle“, wie Baum urteilt, und Schuld daran seien vor allem die niedergelassenen Ärzte, die kein geeignetes oder ausreichendes Versorgungsangebot zur Verfügung stellten. Indem sich immer mehr von ihnen an die Kliniken wendeten, stimmten die Patienten mit den Füßen gegen die geltenden Regelungen ab. Da das Geld für die Behandlungen aber nicht den Kostenstrukturen der Krankenhäuser entspreche, müsse „endlich eine geeignete Vergütung geschaffen werden“, betonte er. Was auf gut Deutsch nichts anderes heißt als: Mehr Geld muss her.

Wie immer im Gesundheitswesen sehen das die anderen Spieler natürlich ganz anders. Zum Beispiel die Krankenkassen. Einig sind sie sich mit den Kliniken, dass die niedergelassenen Ärzte es nicht schafften, einen ausreichend bekannten und ausreichend zuverlässigen Bereitschaftsdienst auf die Beine zu stellen. Mehr zahlen will man für die Leistungen der Krankenhäuser aber nicht – mit einer durchaus nachvollziehbaren Begründung. Denn, so lautet die Argumentation, für die Behandlung der leichten Notfälle werde die Hochleistungsapparatur der Kliniken ja gar nicht genutzt. Es sei nicht einzusehen und auch nicht zu verstehen, dass die gleiche Behandlung deutlich mehr kosten solle, nur weil sie in einer Klinik und nicht in einer Praxis stattfinde. Krankenhäuser und die niedergelassenen Ärzte sollten sich nun zusammensetzen und gemeinsam eine Lösung für das Problem erarbeiten.

Das aber dürfte nicht so einfach werden. Denn die niedergelassenen Ärzte sehen das Problem gar nicht. So erklärte beispielsweise die Kassenärztliche Bundesvereinigung, der flächendeckende Bereitschaftsdienst sei sichergestellt und außerdem erhielten die Kliniken schon mehr Geld, wenn es um Behandlungen am Wochenende und nachts gehe. Die Klagen der Krankenhäuser zeigten nur, dass sie schon jetzt überfordert seien. Es sei deshalb gar nicht daran zu denken, dass ihnen künftig der Bereitschaftsdienst übertragen werde.

Immerhin sprachen sich alle Beteiligten dafür aus, mehr ambulante Bereitschaftspraxen in den Krankenhäusern einzurichten. Mit diesem Modell, das etwa in Schleswig-Holstein häufig praktiziert wird, könnten die Patienten direkt an die vom Gesetzgeber vorgesehene Stelle gelotst werden. Gute Idee. Eigentlich. Doch dürfte es dauern, bis das in ganz Deutschland geht. „Ich schätze mindestens zehn Jahre“, hieß es in einem der Verbände.

Fünf Songs für den Mittwoch

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TÜSN – Schwarzmarkt
http://www.youtube.com/watch?feature=em-upload_owner&v=munSTRchIC8&app=desktop

Wie gut diese Zeile ist: „Für ein paar Zigaretten und viel Alkohol – hab ich mir eine Nacht auf dem Schwarzmarkt geholt!“ Wobei wir da vielleicht auch korrumpiert sind in unserer Wahrnehmung. Von diesem ganz wunderbar gockeligen Gesang zum Beispiel. Oder dem Hoppsa-Klavier, das sich schon sehr geil quer zu den knurrenden Synthies spreizt. Vielleicht auch einfach von der Geheimnistuerei der Berliner, die ganz wenig von sich preisgeben. Das ist ja in Zeiten, in denen man jeden ergoogeln und verlinken möchte, schon ein sauguter Marketing-Kniff. Vielleicht ist es aber auch nur der Kontrast zu den Schwarz-Weiß-Schnippseln, aus denen das Video zusammengepappt ist. Absolute Lieblingsstelle: Der Mann, der in Kapitänsuniform mit dem Tiger Tango tanz. Hm. „Tango mit Tiger“: Eigentlich auch eine gute Beschreibung für die Musik.


Friedemann Weise – "Was sind das"
http://www.youtube.com/watch?v=LDO7GbSLiBA

Das „Du“ ist in der Pop-Musik gerade wenigstens gefühlt etwas verloren gegangen. Vielleicht auch zurecht. Weil ein Du ja so schnell einen Unterschied aufmacht: Du und ich. Die und wir. Ich: gut. Du: Bäh. Weil in einem Du so leicht eine Anklage mitschwingt. Und weil man Anklagen ja gerade eher vermeidet. Wer wäre man schließlich, andere zu verurteilen? Es weiß doch keiner mehr irgendwas besser, richtig? Falsch! Da kommt nämlich dieser zauselige Friedemann Weise daher (hat 2013 das Passauer Scharfrichterbeil gewonnen – und ist trotzdem ganz schön witzig) und urteilt: „Was sind das für Leute, die sagen, dass sie ironisch Fernsehen gucken?“ Keine rhetorische Frage, sondern eine, die zu einem Vorwurf führt: „Du guckst das gar nicht ironisch. Du guckst das genau so, wie RTL will, dass du das guckst!“ Zack! Und warum uns das jetzt gefällt? Weil es noch mehr kluge Fragen gibt: „Was sind das für Leute, die anderen den Kopf abschlagen? Was sind das für Leute, die das filmen und bei Youtube hochladen? Was sind das für Leute, die das bei Youtube gucken?“ Und weil es eine Antwort auch noch gibt: „Es sind Menschen.“ Wie du und ich also. Und wie er.


Jonathan Jeremiah – Wild Fire
http://www.youtube.com/watch?v=e24gouHjIBg&feature=youtu.be

Puh. Und nach dem zugegeben etwas krawalligen Einstieg jetzt mal durchatmen. Mit Jonathan Jeremiah. Mit dem geht das gut. Weil der Brite, wenn wir ehrlich sind, eigentlich nichts tut, was Hirn, Herz oder Bauch in extreme Wallung versetzen würde. Nie. Und weil sein Song zwar „Wild Fire“ heißt, aber ja eigentlich in sehr sanfte Sepiatönen vor sich hin fließt. Wie gut das mal tut. Das ganze Album kommt Ende März.


Denyo – #Derbe
http://www.youtube.com/watch?v=PKKhqBJ13o0#t=28

Die schlechte Nachricht: Statt eines neuen Beginner-Albums gibt’s erst noch mal ein neues „Ansage“-Video, in dem erklärt wird, warum das alles noch etwas dauert mit dem gemeinsamen Werk von Jan Delay, Denyo und DJ Mad. Die gute Nachricht: Einer der Gründe ist, dass Denyo statt der geplanten EP nun doch ein ganzes Album rausbringt. Auf dem auch dieser hart bekiffte Song ist: #hochDieGläser, #dringendMalWiederAbschießen, #jeLangsamerDerBeatDestoSchnellerDerRap, #derbe


Noel Gallagher's High Flying Birds – The Ballad Of The Mighty I
http://vimeo.com/117270603

Warum wir jetzt mit diesem grantig verknautschten Briten aufhören? Der Rahmenhandlung wegen. Vor allem der Bassgroove ist dem des Einstiegssongs ja nicht eben unähnlich. Aber, und da wären wir wieder bei dieser weithin unerklärlichen Qualität von Noel Gallaghers Songwriting: Der alte Mann macht das eben doch immer noch ein schweres Pfund besser als die meisten. Nicht außergewöhnlicher. Nicht hungriger. Und auf gar keinen Fall auch nur ein bisschen innovativer. Das war bei Oasis ja eigentlich auch schon so. Aber Himmel: Ich bleibe bei dem, was ich schon beim letzten Mal geschrieben habe, als der Typ hier in den Fünf Songs war: „Bläst dich beim ersten Hören so gar nicht weg, aber irgendwas juckt im Belohnungszentrum – ganz sanft nur. Aber spürbar. Irgendwas sagt: ‚Hör noch mal. Hör genau hin.’ Und zack: Lieblingsalbum.“ Am Freitag kommt es endlich!

Karten für den jetzt.de-Kneipenabend gewinnen!

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Der jetzt.de-Kneipenabend geht in die fünfte Runde. Wir freuen uns schon - auf den Abend und auf euch!

Wir werden am Samstag, den 21. Februar im Münchner Theater Heppel&Ettlich ab 20 Uhr aus den gesammelten jetzt-Werken vorlesen (Texte aus dem online-Magazin, von den Printseiten in der SZ und aus den Magazinen; Texte über München, Popkultur, das Leben und das Lieben, Schönes, Lustiges und Trauriges) und natürlich auch diesmal wieder Rätsel mit euch spielen. Zu gewinnen gibt es Spezi-Drinks und andere schöne Preise. Nach der Lesung gibt es gute Musik zum Beisammensein und sich gepflegt einen Schwips antrinken – für den wir sorgen, indem wir unseren Anteil der Abendeinnahmen an der Bar in Freibier für das Publikum investieren. Klingt nach einem sehr guten Kneipenabend, oder?

Der Eintritt kostet 6 Euro - aber wir verlosen fünf Mal zwei Gästelistenplätze. Und wer die gewinnt, der kommt natürlich umsonst rein.

Die Gewinner werden am Freitag ab 15 Uhr per E-Mail benachrichtigt. Also rechzeitig ins Postfach schauen!

[plugin gewinnspiel id="109" name="Kneipenabend 21. Februar"]


Gefangen im Netz

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Vor ein, zwei Jahren habe ich entschieden, auf Amazon zu verzichten. Wegen mieser Arbeitsbedingungen, selbstherrlich-ignoranter Verhandlungsführung, Steuerflucht und kruder Allmachtfantasien (hier, hier, hier oder hier). Und weil mir bei jedem Paketboten, den ich an sechsgeschossigen Wohnblöcken klingeln sehe, kurz das Herz blutet, habe ich mein Gelübde auf andere Versandhändler ausgeweitet. Ich übe Verzicht.

Mit mäßigem Erfolg allerdings. Irgendwann geht der Cursor doch wieder auf den „Einkaufswagen“-Button. Irgendwann klingelt der Bote doch wieder bei mir. Und mit ihm das schlechte Gewissen – da nützt es auch nichts, dass ich ihm eilig die Treppe entgegenstolpere.



Der Paketbote muss kommen. Weil der Einzelhandel versagt.

Und Schuld daran ist: der Einzelhandel.

Er ist es, der mich immer wieder ins Netz der Internethändler treibt. Schon klar, das hört sich arg nach Rechtfertigung an. Nach einer Ausrede für die eigene Inkonsequenz. Nach Fehler-bei-anderen-suchen. Und doch: Es ist wahr. Zu oft schon wurde ich vom Händler ums Eck enttäuscht.

Der Winter kam, ich wollte Lammfelleinlagen für meine Boots. "Haben wir nicht in Ihrer Größe", hieß es im Schuhgeschäft. Nicht: "Können wir besorgen." Auch nicht: "Tut uns leid, kommt bald wieder rein." Adieu, ich komme nicht wieder rein.

Alter Hut: Die Innenstädte – vor allem kleinerer Städte – bluten aus. Neben dem Internet gibt’s ja auch noch jene Einkaufscenter, die in Stadt(viertel)randlage irgendwas mit Arcaden, Passage oder Mall heißen. Und den Innenstädten ebenso zu schaffen machen. Seit Jahren, nein, Jahrzehnten, gibt es diese Entwicklung – und immer mal wieder erklärt irgendwer den stationären Handel für tot. Womöglich ist das der Lauf der Dinge in einer Welt, in der Amazon in New York mittlerweile innerhalb einer Stunde (!) liefert.

Der Einzelhandel hadert. Mit sich selbst, mit den Kunden, mit der Welt


Und was machen die deutschen Kaufleute ob sinkender Umsätze und fehlender Kundschaft? Bemühen sie sich? Präsentieren sie Besonderes, Unerwartetes? Nicht wirklich. Immer mal wieder verhängen sie ihre Schaufenster. "So sähe es hier ohne uns aus", wollen sie sagen. Trostlos. Irgendwie stört‘s dann aber doch niemanden. Alle kaufen alles im Internet. Und die Kaufleute hadern. Mit sich selbst, mit den Kunden, mit der Welt.

Ich bin das leid. Sicher: Es gibt schon auch kleine, schicke Lädchen, in denen leidenschaftlich für mich alsKunde gearbeitet wird. Aber viele Kaufleute begegnen ihrem Untergang eben auch mit schicksalsergebener Larmoyanz, anstatt sich ihrer Stärken zu besinnen. Mir zumindest kommt das so vor.

Als an meinen Clarks ein Schnürband riss, wollte ich im innerstädtischen Clarks-Laden neue kaufen. Ich solle es mal unter schnuersenkel.de (oder so) versuchen, sagte man mir dort. Mit einer Miene aus Unlust und Unfreundlichkeit.

Warum dann noch in die Stadt fahren? Dass der stationäre Handel kein Sortiment wie Amazon haben kann – geschenkt. Aber Beratung, das geht dort doch viel besser als in der Anonymität des Internets. Oder?

Als mein Freund J. mit seiner Freundin eine Reise an der Westküste der USA unternehmen wollte, hat er mal was Neues ausprobiert: Er ging ins Reisebüro. Ausgangspunkt des Urlaubs sollte San Francisco sein, von da aus mit dem Mietwagen südwärts die Küste entlang. Was ihm die Reise-Fachfrau verschwieg: Ein Auto in San Francisco ist so überflüssig wie ein Kropf. Der Parkplatz kostet 50 Dollar aufwärts pro Tag und in der Stadt ist man sowieso besser mit dem Rad unterwegs. Hätte man schon auch selbst drauf kommen können, klar. Aber gerade deshalb geht man doch zum Fachmann – um nicht selbst alles bedenken zu müssen. Um sich weniger Mühe zu machen müssen. Um Fehler zu vermeiden, die andere vor einem gemacht haben. Die nächste Reise wird J. wieder im Netz buchen. Und dort wieder die Reiseberichte anderer lesen.

Der Einzelhandel hat gegenüber dem Internet einen Riesenvorteil. Stichwort Service, Stichwort Beratung. Wenn ich in ein Geschäft gehe, möchte ich ein gutes Gefühl haben. Stattdessen stellt sich bei mir oft ein Fluchtreflex ein. Wo der endet? Klar: im Internet.

Was muss der Klavier spielen, wenn sie schläft?

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  1. Die Männer trödeln im Kino erst am Eingang vor "Birdman" rum, blicken sich verstohlen um und biegen dann doch in "50 Shades of Grey" ab. 

  2. Und die Mutter-Tochter-Freundinnnen-Kombis? Kichern.

  3. "1,35 Millionen Kinobesuchern am Start-Wochenende", "81,7 Millionen US-Dollar am ersten Wochenende"? Um mich herum sitzen ungefähr 15 Menschen. Mehr als drei Viertel des Kinosaals ist leer. Kinotag. 20.30 Uhr.

  4. Sogar die Kinowerbung ist abgestimmt aufs Klientel. Vibratoren von Fun Factory. Kichern.

  5. Christian Grey hat nur graue Krawatten. Heißt der Film deshalb so?

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  6. Oder wegen seiner blonden Assistentinnen-Klone in ihren grauen Kostümen?

  7. Schönes Pandabild an Greys Empfang.

  8. Keiner findet so schnell einen Parkplatz direkt vor der Tür. Auch nicht in Seattle.

  9. Christian Grey schreibt mit Bleistift.

  10. Anastasia Steele braucht also nur deshalb einen Stift bei ihrem Interview mit Christian, weil sie damit an ihrem Mund herumspielen will. 

  11. Immer nur verträumt-nach-unten-gucken-und-an-der-Lippe-beißen ist aber auch langweilig.

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  12. Wie unterscheiden Baumarktmitarbeiter jetzt Serienmörder von BDSM-Fans?

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  13. Ich freue mich ja immer tierisch, wenn die Feuilletons solche Filme besprechen müssen.

  14. Die betrunkene Anastasia, die Christian anruft und peinlich ist, ist ein bisschen sympathisch.

  15. Wenn man aufwacht und auf dem Nachttisch neben einem stehen Tabletten mit der Aufschrift "Iss mich" und ein Getränk, auf dem "Trink mich" steht, sollte man misstrauisch werden. Wissen wir seit "Alice im Wunderland".

  16. Er hat sie also, als sie betrunken war, ausgezogen und mit ihr im Bett geschlafen?

  17. Hat er gerade wirklich "Würdest du mir gehören, könntest du eine Woche lang nicht sitzen" gesagt?

  18. Anastasia benutzt ein Klapphandy. Und lässt sich von ihrer erkälteten Mitbewohnerin das Sandwich stehlen. Meine Güte!

  19. Christian-Grey-Zitat für die Ewigkeit 1: "Mein Geschmack ist sehr speziell." Alle Kinobesucher kichern.

  20. Und er sagt: "Ciao, ciao, Baby".

  21. Hubschrauber-Flug und "Love Me Like You Do": Romantik 2015.

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  22. Er schnallt Anastasia im Hubschrauber fest. Metapher!

  23. Christian-Grey-Zitat für die Ewigkeit 2: "Ich schlafe nicht mit jemandem. Ich ficke ... hart." Wieder Kichern. 

  24. Christian-Grey-Zitat für die Ewigkeit 3: Christian will Anastasia in sein Spielzimmer führen. Sie fragt: "Für deine Xbox und so?" Kichern.

    [plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/1CowSnPQLIie4/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/1CowSnPQLIie4/giphy.gif"]

  25. Sie ist Jungfrau.

  26. Und "Wir werden die Situation bereinigen" das schlimmste Synonym für Entjungferung. Ever.

  27. Sie hat Haare auf den Beinen. Cool.

  28. Er hat lächerliche Brusthaare.

  29. Christian fragt: "Wo bist du nur (mein ganzes Leben lang, Anmerkung der Redaktion) gewesen?"
    Anastasia haucht: "Ich habe gewartet."
    Wenigstens lachen auch jetzt alle im Kinosaal.

  30. Was muss der Klavier spielen, wenn sie schläft?

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  31. Viele Schamhaare sind das.

  32. "Ich denke, ich behalte meinen freien Willen noch ein wenig", sagt Anastasia. Der ist ihr dann aber irgendwie egal. Vielleicht, weil Christian auf die Frage, welcher Wagen im Parkhaus seiner sei, antwortet: "Alle."

  33. Ein Bodyguard-Chauffeur-Assistent wie Jason Taylor ist aber schon beeindruckend.

  34. Christian erzählt, dass er jahrelang der Sexsklave einer Freundin seiner Mutter war. Und darauf wird nicht eingegangen?

  35. Und sagt er über den Missbrauch wirklich: "Wenn ich die Kontrolle abgegeben habe, fühlte ich mich frei und geborgen"?

  36. Der Film hat übrigens das Prädikat "wertvoll" bekommen.

  37. Vielleicht, weil Christian immer ein Kondom verwendet. Sehr vorbildlich.

  38. Reiche Leute verhandeln bei Sushi und Wein über Analstöpsel.

  39. Krasse Dialoge: Er schenkt ihr ein Auto. Sie sagt: "Das ist ein Auto, Christian".

  40. Er hat einfach ihren Käfer verkauft!

  41. Für einen Millionär hat er viel Freizeit.

  42. Sie fliegen im Segelflieger. Sicher auch eine Metapher.

  43. Macht er die Federn und Peitschen auch wieder sauber?

    [plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/3n0moljIeyE3m/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/3n0moljIeyE3m/giphy.gif"]

  44. Und wer kennt so viele Knoten?

  45. Christian erklärt, warum er so auf BDSM steht: "Weil ich in 50 Facetten abgefuckt bin." Doch nicht die Krawatten also.

    [plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/9PDrvvZ1ysKL6/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/9PDrvvZ1ysKL6/giphy.gif"]

  46. Anastasia verlangt die schlimmste Strafe, die er ihr antun kann. Es hat mit einem Gürtel zu tun. Und ihrem Po. Beziehungsweise ihrem Po-Double.

  47. Das dramatische Ende naht, und ich muss an Joey aus "Friends" denken.

    http://www.youtube.com/watch?v=FQwt-xjE_AE

  48. Leider ist das Ganze ja eine Trilogie.

  49. Fazit neben mir: "Redundant, es passiert nichts", "Kammerspiel", "todlangweilig", "unfassbar unheiß".

  50. Steele und Grey. Jetzt!

Tagesblog - 19. Februar 2015

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18:02 Uhr: Der Tag endet genauso, wie er begonnen hat: mit einer Panne (nachzulesen beim allerersten Eintrag um 7:18 Uhr). Unser Redaktionssystem, mein Laptop oder Google Chrome - einer dieser drei will nicht so richtig. Jedes Mal, wenn ich versuche, einen längeren neuen Eintrag zu speichern, lande ich am Ende mit einer Fehlermeldung auf der jetzt.de-Startseite.

Deshalb nur noch schnell der Hinweis auf unseren letzten Text für heute: "Ich will Menschen töten"
[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/591707/Ich-will-Menschen-toeten" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/si/simon-hurtz/text/regular/1035089.jpg"]

Zugegeben: Die Überschrift ist etwas martialisch, aber die Geschichte ist eigentlich nett. Ein niederländischer Web-Entwickler hat sich einen Twitter-Bot zugelegt, der plötzlich ein Eigenleben entwickelt und Morddrohungen ausgestoßen hat. Daraufhin hat die Polizei bei seinem "Eigentümer" geklingelt und mal gefragt, was da los war.

Interessant sind vor allem die Fragen, die sich daran anschließen: Wenn es immer mehr autonom handelnde Maschinen gibt (Stichwort: Googles selbstfahrende Autos) - wer ist dann verantwortlich, wenn die Mist bauen? Die Programmierer? Die Besitzer? Die Maschinen selbst?

Ich behaupte ja: Da entsteht gerade ein ganz neues Rechtsgebiet. In ein paar Jahren sitzen die Jura-Erstsemester in Seminaren über Algorithmen-Ethik und Computer-Strafrecht.

Und mit diesen wilden Spekulationen verabschiede ich mich aus dem Tagesblog. Schönen Abend euch allen!

++++

17:01 Uhr:
Nachdem mir gerade zwei mal nacheinander der Browser abgeraucht ist, als ich einen recht ausführlichen Tagesblogeintrag mit Linktipps geschrieben hatte, versuche ich es jetzt mit einer kurzen Statusmeldung. Nur um zu schauen, ob es überhaupt noch funktioniert. Ich (also Simon) bin jedenfalls wieder da. Also theoretisch. Sofern Gott und das jetzt.de-Redaktionssystem wollen. 

++++

16:00 Uhr
Sowas gefällt mir: Eine Mathematikstudentin aus den Niederlanden hat an einem einzigen Tag das gesamte Berliner S-Bahnnetz einmal abgefahren. Beziehungsweise jedes Gleis des Streckennetzes. Im Auftrag der Wissenschaft! Mehr hier. M.

Und jetzt sag ich Tschüss!

15: 24 Uhr
Wieder von Nadja ein Sia-Video zugeschickt bekommen. Oh, in meinem Musikherz erblüht eine neue große Liebe! M.

http://www.youtube.com/watch?v=eNwARV9tPUw

15:09 Uhr
Ich liebe das Medienmenü von Ferdinand von Schirach. Es ist so herrlich aufgeräumt und puristisch! Und er empfiehlt interessante Schreibprogramme (Scrivener und nvALT), die ich bald ausprobieren möchte. Ich mein: Wenn das dem nicht mal zu kompliziert ist! Und dem scheint ja fast alles zu kompliziert. M.

14:15 Uhr
Seit 12 (!!!) Jahren porträtiert eine New Yorker Künstlerin täglich (!!!) die Outfits ihrer Tochter. Nicht nur fotografisch, sondern zeichnerisch (!!!). Ich frag mich immer, wie Leute sowas machen. Durchhalten. Durchziehen. Und in diesem Fall frag ich mich auch, wie die Tochter das eigentlich findet.

Die hier:



(Klar, dass die auch noch coolchickmäßig aussieht!)

Liebe Grüße,
eure Mercedes

13:30 Uhr
Wer sich fragt, wo ich bin: Über diesem Text. M.

12:06 Uhr
Wir gehen essen. Cya, M.





11:58 Uhr
Gerade von Nadja geschickt bekommen: Dieses Musikvideo der geniesken Musikerin Sia, die Songs für Rihanna oder Beyoncé schreibt, selbst aber unerkannt bleiben möchte (coole Sau!).

http://www.youtube.com/watch?v=2vjPBrBU-TM

Toller Song, eh klar, aber das Video hat mich grad umgehauen (ist schon älter, aber ich habs zum ersten Mal gesehen). Wenn ich sowas sehe, ärgere ich mich, dass ich mich überhaupt nicht mit modernem Tanztheater beschäftige. Aber auch egal, das Video hat soviele starke Ebenen. Nadja sagte, in der FAS am vergangenen Sonntag habe es einen guten Text von Antonia Baum dazugegeben. Leider gibt es den nicht online. Darin wird nämlich unter anderem auch die Geschichte der jungen, australischen Tänzerin Maddie erzählt. Hier gibts was zu dem Mädchen zu lesen, und hier ein Videointerview. M.

11:40 Uhr
Kurze Nachfrage auf das untere Video bezogen: Gibts heut im Fernsehen noch IRGENDWAS, DAS SO LUSTIG IST?????????????? (Na gut, woher soll ich's wissen, isch hab ja keinen!) M.

11:32 Uhr
Neueste Timekiller-Entdeckung: Alte Harald-Schmidt-Shows. Ich halte mich kurz und poste keine ganze Folge, sondern nur Andraks und Schmidts Ausflug in die Eifel. M.

http://www.youtube.com/watch?v=xSQ9fvcjo7g

11:25 Uhr
Gute Nachrichten an die Welt: So bald werden unsere Computer die Weltherrschaft nicht an sich reißen. Warum? Weil sie's nicht checken! M.

http://www.youtube.com/watch?v=ONEzRsXGFv0

11:18 Uhr:
Hi friends! Hier ist Mercedes, ich übernehme jetzt. Mit dem Kürzel M. Wer hätt's gedacht.

11:15 Uhr:
Haaaaalt, da hab ich doch das Wichtigste vergessen! Das versprochene Interview ist online.

[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/591675/Das-Problem-ist-die-Stadt" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ja/jakob-biazza/text/regular/1035040.jpg"]Jan und Jakob haben mit drei Münchner Clubbetreibern gesprochen.

++++

11:12 Uhr:
 Ergebnis der Konferenz: Mercedes übernimmt hier mal kurz für mich, weil ich einen Text aufschreiben muss/soll/darf. Sie meldet sich gleich bei euch. Bis später.

++++

09:54 Uhr: So, nun hab ich noch schnell alle Links und Bilder zum Nachrichtenüberblick ergänzt. Jetzt jetzt-Konferenz, danach melde ich mich wieder. Mit einem ziemlich tollen Interview, das heute auch in der gedruckten SZ steht. Ihr könnt euch freuen (das ist mehr als eine hingeschriebene Floskel, das meine ich wirklich).

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09:24 Uhr:
Woohoo! 6 Kommentare, davon 5-mal Mitleid und ein Herz. Danke, da geht's mir doch gleich viel besser (dass ich mittlerweile geduscht und aufgewärmt bin und gefrühstückt habe, dürfte ebenfalls zur Verbesserung meiner Laune beigetragen haben).

Kurzes Update aus der morgendlichen SZ-Konferenz. Es wurde relativ lang und relativ kontrovers diskutiert, u.a. zu folgenden Fragen:

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07:18 Uhr:
Der frühe Vogel... ihr wisst schon. Manchmal macht sich der early bird Vogel aber auch einfach nur zum early Depp.

Zu nachtschlafender Zeit aufstehen, draußen Joggen gehen, verschwitzt heimkommen, sich auf die heiße Dusche freuen, feststellen, dass man den anstatt des Haustürschlüssels den Briefkastenschlüssel eingesteckt hat, fluchend in der Kälte stehen, kurz darauf einen Freudensprung machen, weil eine glückliche Fügung just in diesem Moment den (belustigten, aber freundlichen) Hausmeister vorbeischickt, der einen mit dem Generalschlüssel in die Wohnung lässt, sich noch mehr auf die heiße Duschen freuen, weil man in der Zwischenzeit angefangen hat zu frieren, in die Badewanne steigen, das Wasser aufdrehen...

...um sich dann an einen Aushang im Treppenhaus zu erinnern:

Sehr geehte Mieterinnen und Mieter,

[...] müssen wir wegen Arbeiten an den Leitungen am Donnerstag den 19. Februar ab 7 Uhr das Wasser abstellen. Wir bitten Sie, sich darauf einzustellen und gegebenenfalls Wasser vorrätig zu halten.

Mit freundlichen Grüßen,
die Hausverwaltung

Soviel zur "glücklichen Fügung". Klingt nach einer zweitklassigen Comedy-Serie oder einen drittklassigen Groschenroman. Die cleveren Leserinnen und Leser des Tagesblogs dürften aber messerscharf kombiniert haben, dass "man" synonym für einen bibbernden Morgensportler steht, der jetzt zu einer befreundeten WG radeln wird, sich innerlich auf Kübel voller Spott einstellt und schon mal überlegt, wie viele Bierkästen er wird stiften müssen, weil er es gewagt hat, Studenten mitten in der Nacht (nach Studenten-Zeitrechnung) anzurufen und aufzuwecken.

Das Problem: Wenn ich nicht zufällig jener ominöse "man" wäre, würde ich garantiert mitlachen. "Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen" ist zwar eine fürchterliche Binse, aber leider trotzdem wahr.

In diesem Sinne: Ich hoffe, dass ihr besser in den Tag startet als ich. Wenn ich mich später aus der Redaktion wieder melde, bin ich geduscht, aufgewärmt und kann vermutlich selbst über mich schmunzeln (gerade überwiegt noch der Ärger). Bis dann.
http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ja/jakob-biazza/text/regular/1035040.jpg

Mehr Klasse für die Klasse

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„Jetzt wird es kompliziert, die Lehramtsstudenten können sich mal eben kurz die Ohren zuhalten.“ Solche Sätze sind schon in Mathematikvorlesungen gefallen – was der Professor womöglich halb im Scherz gemeint hat, trifft den Kern des Problems. Um die Ausbildung der Lehrer ist es an vielen Universitäten nicht gut bestellt, sie wird oft irgendwie nebenbei erledigt. Die Studenten sitzen in Veranstaltungen mit angehenden Fachwissenschaftlern, werden da gern mal schief angeschaut, sie müssen sich bei mehreren Schulfächern Nachweise an zwei, drei Fakultäten zusammenklauben, ein paar pädagogische Scheine dazu. Fertig ist der Lehrer. Zu selten gibt es eine kluge Koordination und passgenaue Angebote. Schleichend hat sich seit den Pisa-Studien etwas geändert, zum Beispiel mit frühen Praxisphasen. Das Problem ist erkannt. Einen Schub für das Studium will jetzt der Bund liefern. Er steigt mit einer halben Milliarde Euro, bis 2023, in die Lehrerausbildung ein.



Dutzende Hochschulen könnten künftig Geld vom Bund beziehen – damit sie den Schulen bessere Lehrer bringen.

Die Frist, in der Hochschulen für eine erste Runde Ideen einreichen konnten, ist vorüber. Nun warten und bangen quer durch die Republik die Professoren. 80 Bewerbungen, teils von Unis im Verbund, sind nach SZ-Informationen eingegangen. Ende Februar tagen in Berlin hinter verschlossenen Türen die Gutachter.

Manche Hochschulen wollen Lehrer dafür sensibilisieren, dass die Schülerschaft vielfältiger wird – durch Kinder mit ausländischen Wurzeln oder mit Behinderung. Stichwort: Inklusion. Ausbauen könnten Unis ihre pädagogische Forschung , zudem soll es mehr Praxisbezug geben. Ähnlich wie in der Medizin, wo Universitäten Kliniken unterhalten, sind sogar eigene Schulen für Lehrerbildung denkbar. Zwei Umfragen von Stiftungen zeigen den Bedarf: Nur ein Drittel der Studenten hält den Praxisbezug für gut, die Hälfte der Befragten hadert mit ihrer Betreuung an der Uni. Und zwei Drittel der Junglehrer gaben zu, einen „Praxisschock“ erlitten zu haben.

Der Blick vieler Hochschulen geht nach München, an die Technische Universität. Dort gibt es eine „School of Education“, erstmals bekam die Lehrerbildung hier eine Fakultät. Zum Start hatte man aber eine Millionenspende aus der Wirtschaft; und einen bekannten Gründungsdekan: Manfred Prenzel, den deutschen Koordinator der Pisa-Studie. Münchner Studenten sind nah dran an Erkenntnissen der Forschung, zudem gibt es viele Partnerschulen. Der Rang der eigenen Fakultät kommt hinzu. An mehreren Hochschulen wird berichtet, dass man genau solch ein Konzept in den Antrag beim Bund geschrieben habe.

Fast ein halbes Jahrzehnt hat es gedauert, bis diese Initiative in Fahrt kam. 2011 hatte die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan den Ländern eine „Exzellenzinitiative“ für Lehrer vorgeschlagen. Prompt ging die Angst um, dass nur ein paar Spitzen-Unis profitieren. Das Projekt wurde gedimmt, zur „Qualitätsoffensive“. Und es geschah erst mal: nichts. Auch wegen der Frage, wer bezahlt.

Bei der endgültigen Abstimmung koppelte die neue Ministerin Johanna Wanka den Beschluss an eine Forderung: Die Länder müssen Lehramtsabschlüsse gegenseitig anerkennen. Die Neuerung, wenn sie in der Praxis besteht, ist wichtig: Je nach Land, Schulart und Fach herrscht ein Überangebot oder Mangel an Lehrern. Der Grenzverkehr wird da immer wichtiger.

Sicher stecken einige Gewinner-Hochschulen die Förderung in die Auswahl ihrer Studenten. Bis dato zählt zur Zulassung nur die Note. Doch ist das Abitur entscheidend? Der ideale Lehrer muss ein leidenschaftlicher Pädagoge sein und ein Meister seines Fachs – so lässt sich die Forschung zusammenfassen, einige Studien betonen das Fachliche, andere das Menschliche. Eine Auswahl nach Person gibt es kaum – nur vereinzelt „Castings“: Die Bewerber werden befragt, müssen Unterricht simulieren, brenzlige Situationen nachstellen. Wer nur den sicheren Job als Grund für die Berufswahl nennt, wer der Jury nicht in die Augen schauen kann, wer bei Stress in Tränen ausbricht – dem wird geraten, über die Wahl nachzudenken. Unverbindlich. Mit dem Geld des Bundes könnten solche Castings künftig Standard werden.

Athen gewährt tiefe Einblicke

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Im Streit darüber, wer für die ergebnislosen Treffen der Euro-Finanzminister zur Zukunft Griechenlands verantwortlich ist, hat die Regierung von Alexis Tsipras am Mittwoch einen ungewöhnlichen Schritt getan. Der Premier ließ die Verhandlungsdokumente der beiden gescheiterten Sitzungen veröffentlichen.



Griechenlands neue Regierung, Premier Alexis Tsipras und Finanzminister Janis Varoufakis irritiren die EU-Diplomaten.

Auf 30 Seiten ist nachzulesen, was der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis seinen Ressortkollegen am 11. und am 16. Februar vortrug, welche Verpflichtungen die Euro-Gruppe von ihm verlangte und wie der Kompromissvorschlag der Europäischen Kommission ausgesehen hatte. EU-Diplomaten in Brüssel reagierten irritiert. Das Veröffentlichen von vertraulichen Verhandlungsunterlagen sei „nicht üblich“. Die griechische Regierung ist allerdings nicht die erste, die sich über diplomatische Gepflogenheiten hinwegsetzt, um Klarheit zu schaffen. Zuletzt ließ der italienische Premier Matteo Renzi im vergangenen Herbst ein vertrauliches Schreiben der EU-Kommission zum italienischen Haushalt online stellen.

Die Dokumente zeigen, dass die griechische Delegation mit einigen konkreten Forderungen und Zahlen zu den Sitzungen angereist war, allein mit sechs Seiten für das zweite Treffen der Ressortchefs, das am Montagabend abgebrochen wurde und zu dem Ultimatum der Euro-Gruppe führte, wonach Athen zügig einen Brief schreiben und den Antrag auf Verlängerung des Rettungsprogramms stellen solle.

Varoufakis listet in dem „non-paper“, also in den vertraulichen Unterlagen, vom 16. Februar die Reformen aus dem laufenden Rettungsprogramm auf, über die sich die technischen Experten Griechenlands sowie von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds einig sind: Die Reform des Steuersystems, der Steuerverwaltung und des öffentlichen Finanzmanagements, der Kampf gegen Korruption, die Verbesserung des Geschäftsklimas, Reformen des Justizsystems und des öffentlichen Beschaffungswesens sowie die Umsetzung europäischer Gesetze für Netzindustrien und im Wettbewerbsrecht.

Der Finanzminister definierte „rote Linien“. Die gegenwärtig vereinbarte Arbeitsmarktreform passe nicht zur wirtschaftlichen Lage. Zusammen mit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO soll ein neuer Ansatz gesucht werden, der Schutz von Arbeitnehmern abhängig vom Wirtschaftswachstum erhöht. Ein neuer Ansatz soll auch für den Verkauf von Staatsbetriebenen gelten. Athen will laufende Privatisierungen nicht grundsätzlich stoppen, sondern Fall für Fall prüfen. Das noch gültige Ziel, bis 2020 etwa 22,3 Milliarden Euro aus den Verkäufen einzunehmen, hält sie für „unrealistisch“. Alle im Jahr 2011 (50 Milliarden Euro bis 2016) und später 2012 (50 Milliarden Euro bis 2020) vereinbarten Ziele seien nicht erreicht worden. Die noch für 2015 vorgesehenen Einnahmen von 2,2 Milliarden Euro könnten durch die Auszahlung der Gewinne, welche die Europäische Zentralbank (EZB) mit griechischen Anleihen erzielt habe, ausgeglichen werden.

Varoufakis zufolge sind dem Staatshaushalt im Januar 2015 durch den Wahlkampf zwei Milliarden Euro entgangen. Die Behörden wollen zusätzliche Einnahmen von 5,5 Milliarden Euro erzielen , indem sie illegalen Handel, Steuerflucht und Korruption bekämpfen sowie eine Vermögenssteuer einführen. Im Jahr 2015 muss Athen 17 Milliarden Euro an einmaligen Zahlungen leisten, vor allem an den Internationalen Währungsfonds und die EZB. Um die Kredite bedienen zu können, will Athen die Rahmenbedingungen eines neuen Vertrags mit dem IWF und den Euro-Ländern aushandeln. Varoufakis rechnet vor, dass die bisherigen Kalkulationen zur Schuldenentwicklung nicht korrekt seien. Es reiche aus, 2015 und in den folgenden Jahren einen Primärüberschuss von 1,5 Prozent zu erwirtschaften, um die Schuldentragfähigkeit bis 2020 zu erreichen. Varoufakis verweist auch auf Berechnungen aus dem IWF und dem Euro-Rettungsfonds ESM.

EU-Diplomaten gehen davon aus, dass Tsipras die Verhandlungsdokumente vor allem aus innenpolitischen Überlegungen heraus öffentlich macht. Er wolle den Bürgern zeigen, „dass die Regierung hart verhandelt“. Und sie zugleich darauf vorbereiten, dass auch die neue Regierung einige Zugeständnisse machen muss. Das Schreiben mit dem Antrag auf Verlängerung, so verlautete am Mittwoch aus Athen, solle am Donnerstag abgeschickt werden. An diesem Tag will Tsipras auch zwei Wahlversprechen wahr machen. Er will den Entwurf eines Gesetzes ins Parlament einbringen, das Sofortmaßnahmen zum Schutz des Erstwohnsitzes der Bürger und das Verbot des Weiterverkaufs von Immobilienkrediten an ausländische Fonds vorsieht. Zudem will Tsipras im Arbeitsmarkt die dreijährigen Laufzeiten von Tarifverträgen, die Erweiterbarkeit ihrer Gültigkeit ebenso wie Schlichtungsinstanzen wieder einführen.

Am Ende dieser Rede vom Dienstag forderte er indirekt ein Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs zu Griechenland. „Den Ausweg aus der beim Eurogruppen-Treffen zustande gekommenen Sackgasse können uns keine Technokraten aufzeigen“, sagte der Premier, „sondern nur die politischen Führer Europas.“

Die EZB zeigte sich am Mittwochabend geduldig mit den Streitenden. Sie hob die Summe für genehmigte Notfall-Hilfen der Athener Notenbank an die heimischen Geldinstitute um 3,3 Milliarden auf 68,5 Milliarden Euro an. Die Banken können damit Unternehmen und Bürger weiter mit Bargeld versorgen.

Wenn ein Kneipenabend zum Luxus wird

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Fast 13 Millionen Menschen gelten in Deutschland als armutsgefährdet. Das ist immerhin fast jeder Sechste. Nun gibt es Menschen, die behaupten in einer Industrienation wie Deutschland gebe es keine Armut mehr. Von vier Euro am Tag könne man schließlich gut essen und gegen die Kälte in der Wohnung einen Pullover überziehen. Was also heißt das überhaupt, arm sein? Ist nur der arm, dessen Geld kaum reicht, um jeden Tag ausreichend auf dem Teller zu haben? Der, der sich keine eigene Wohnung mehr leisten kann? Oder auch der, der kein Internet hat, keinen Fernseher und kein Telefon?



In Deutschland waren im Jahr 2013 16 Prozent der Einwohner armutsgefährdet.

Die entscheidende Grenze liegt in Europa bei 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung, das sind hierzulande momentan 979 Euro netto im Monat. Wer weniger hat, gilt als von Armut bedroht, ihm bleiben am Tag also etwas mehr als 30 Euro. Im Verhältnis zur Armutsgrenze der Weltbank von 1,25 US-Dollar, also etwa einem Euro, ist das viel. Die beiden Definitionen von Armut, die den beiden Beträgen zugrunde liegen, unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt: Die deutsche und europäische Armutsgrenze ist relativ, arm ist man im Verhältnis zu den anderen. Die internationale Armutsschwelle nach Definition der Weltbank dagegen ist absolut. Sie besagt, wer so wenig hat, kann kaum richtig leben, egal in welchem Land, egal wie viel die anderen in einer Gesellschaft besitzen. Das Argument, die Armen würden sich doch nicht arm fühlen, solange sie nicht wüssten, dass es Menschen mit mehr Vermögen gebe, verliert in einer vernetzten, globalisierten Welt an Bedeutung.

Schon in 15 Jahren soll, wenn es nach dem Präsidenten der Weltbank Jim Yong Kim geht, niemand mehr unter extremer Armut leiden müssen. Erst im vergangenen Jahr machte er in einer Rede deutlich, dass dieses Ziel durchaus zu erreichen sei. Schließlich habe man bereits in der Vergangenheit „Millionen Menschen jährlich von absoluter Armut befreit“. Ob die Zahlen der Weltbank die globale Armut wirklich fassen können, daran gibt es jedoch trotzdem Zweifel. Zwar wird bei den Berechnungen die Kaufkraft miteinbezogen: Arm ist also der, der in seinem Land nicht die Dinge erwerben kann, die umgerechnet 1,25 US-Dollar kosten würden.

Doch gerade an diesen Umrechnungen gibt es viel Kritik. Sie basieren unter anderem auf dem Vergleich von Preisen verschiedener Güter in den verschiedenen Ländern, von Zeit zu Zeit werden die Preise immer wieder angepasst. 2005 zum Beispiel schien ein wichtiges Ziel erreicht: Zum ersten Mal gebe es weniger als eine Milliarde absolut Arme auf der Welt, hieß es damals. Eine historische Marke.

Nur drei Jahre später allerdings musste man die Erfolgsmeldung wieder revidieren: Nein, es waren doch mehr. Mancherorts hätten die Preise höher gelegen als ursprünglich angenommen, es gab 2005 also wie in den Jahren zuvor mehr als eine Milliarde Menschen in existenzieller Not. Daten aus diesen Ländern sind oft schwierig zu erheben.

Eine weltweite Armutslinie ergibt Sinn, um gemeinsame, internationale Ziele zu formulieren und die Arbeit der Entwicklungshilfe zu rechtfertigen. Sie kann allerdings immer nur Richtwert sein, denn über die wirklichen Lebensumstände der Armen sagt eine einzige Zahl auf dem Papier wenig aus. Gerade, weil in Industrieländern wie Deutschland wohl kaum jemand unter die 1,25 US-Dollar Grenze fällt. Was aber nicht heißt, dass niemand dort arm ist.

Armut bedeutet Mangel. Nicht allein an Geld, sondern auch an Gesundheit, an Bildung, an sozialen Kontakten. Einer Frau, der das Laufen sehr schwer fiel, hatte ein Mitarbeiter einer deutschen Tafel-Einrichtung einmal angeboten, dass er ihr das Essenspaket nach Hause bringen könne. Sie lehnte dankend ab. Schließlich komme sie doch nicht nur wegen der Lebensmittel, sondern vor allem auch wegen der Gespräche, sagte sie. Wer wenig hat, der kann sich nicht im Café verabreden oder nach der Arbeit gemeinsam mit den Kollegen in die Kneipe gehen. Der hat womöglich nicht einmal ein Telefon, um sich bei den Freunden zu erkundigen, wie es geht.

Der Ökonom und Nobelpreisträger Amartya Sen definiert Armut deshalb als das Fehlen von Verwirklichungschancen. Arm ist der, der sein Leben nicht frei gestalten kann, der trotz vorhandener Fähigkeiten nicht die Möglichkeiten hat, diese zu entfalten. Auf diesen Ansatz geht zum Beispiel der Human Development Index der Vereinten Nationen zurück, bei dem auch Schuldbildung und Lebenserwartung berücksichtigt werden.

Die Europäische Union (EU) misst Armut mittlerweile ebenso nicht mehr nur am Einkommen, sondern erfasst mit der Armutsgefährdung auch die Bedrohung von sozialer Ausgrenzung. Die wird unter anderem daran gemessen, ob sich eine Person einmal im Jahr einen Urlaub leisten kann oder es im Haushalt ein Auto gibt. In Bulgarien, Rumänien und Griechenland sind demnach besonders viele von Armut oder Ausgrenzung bedroht. Die weiter gefasste Definition der EU ist auch der Grund, warum immer wieder zwei ganz unterschiedliche Zahlen bezüglich der Armutsgefährdung in Deutschland kursieren: Einmal die fast 13 Millionen Menschen, also 16,1 Prozent der Gesamtbevölkerung (siehe Grafik). Hier ist die Grundlage allein das Einkommen, momentan die weniger als 979 Euro netto. Die zweite Zahl, die nicht nur das Einkommen berücksichtigt, sondern eben auch, was sich jemand tatsächlich kaufen kann oder wie viele Menschen in einem Haushalt arbeiten, beläuft sich auf 16 Millionen Menschen, etwa 20 Prozent. Drei Millionen Menschen mehr. Oder weniger. Je nach Definition.

Der französische Soziologe Serge Paugam hat also durchaus Recht, wenn er schreibt „wie ausgefeilt und präzise die Definition einer Armutsschwelle auch sein mag, stets haftet ihr etwas Willkürliches an“. Die Definition von Armut ist abhängig von der Kultur einer Gesellschaft, der politischen Agenda, von Wohlstand und Gewohnheiten. Und ein Aspekt von Armut, vielleicht sogar der wichtigste, ist sowieso nicht statistisch fassbar: die subjektive Empfindung. Sie kann in Wohlstandsgesellschaften manchmal besonders groß sein, da der Reichtum der anderen hier oft besonders offensichtlich ist – und der soziale Druck steigt. Wenn jemand einen Fernseher oder ein Smartphone hat, sagt das noch nichts darüber aus, ob derjenige sich später am Abend auch eine warme Mahlzeit leisten oder die Stromrechnung bezahlen kann. Als arm gelten, das möchte schließlich niemand. Egal unter welcher Definition.

"Das Problem ist die Stadt"

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Vielleicht ist die Überpünktlichkeit berufsbedingt. Frank Bergmeyer, Thomas Bohnet und Tobias Frank sind seit Jahrzehnten die Scharniere zwischen Tourmanagern, Clubbetreibern und Rockstars. Jedenfalls kommen die drei quasi gleichzeitig zu früh im Baader Café an. Hier im Viertel haben alle ihre Büros, deshalb erst mal ein „Hallo“ an Menschen an anderen Tischen. Schon bevor die Jacken abgelegt sind, ist Stimmung wie auf Klassenfahrt – in der letzten Reihe des Busses.




Frank Bergmeyer, Thomas Bohnet und Tobias Frank (v.l.) im Münchner Baader Café.
 
Frank: Jüngere Veranstalter habt ihr nicht gefunden? (lacht)
Bohnet: Na ja, was kommt schon Jüngeres nach?
Bergmeyer: Stimmt.
 
jetzt.de München: Das Konzert-Geschäft hat Nachwuchsprobleme?
Bohnet: Es wachsen zumindest kaum selbständige Unternehmer nach.
Bergmeyer: Aber das wundert ja auch nicht. Die Summen, die man da inzwischen riskiert: Das kann sich keiner am Anfang leisten.
 
Was war früher anders?
Bohnet: Die Margen sind inzwischen viel kleiner geworden. Der Break-Even, also der Punkt, an dem man genug Karten verkauft hat, um die Kosten zu decken, kommt viel später.
 
Obwohl Tickets immer teurer werden?
Frank: Die Preise sind gestiegen, aber für die Veranstalter bleibt davon nicht mehr.
 
Für wen dann?
Frank: Die Ticketgebühren sind höher, die Gema-Kosten auch. Am meisten sind aber die Gagen gestiegen. Die Künstler verdienen ja kein Geld mehr mit dem Verkauf von Alben, deshalb müssen sie das übers Live-Geschäft reinholen.
Bergmeyer: Ein Beispiel: In die Olympiahalle passen ungefähr 10 000 Leute. Wenn wir Katy Perry oder andere Künstler dort veranstalten und 9000 Karten verkaufen, klingt das viel. Tatsächlich sitzen wir aber da und hoffen, dass es noch mindestens 500 mehr werden, damit wir nicht draufzahlen. Das muss man sich mal vorstellen! Dabei kosten die Karten eh schon 60 bis 70 Euro. Wo soll denn ein Teenie so viel Geld herhaben?
Bohnet: Die Olympiahalle ist inzwischen so teuer, dass du fast komplett ausverkaufen musst, damit es sich rechnet. Wir hatten da mal Tokio Hotel, als die gerade sehr angesagt waren. Die hatten im Vorjahr das Zenith zweimal hintereinander ausverkauft. Also haben wir das versucht. Es waren aber weniger als 7000 Leute da – und dann auch noch 7000 so kleine. Das sah dadurch noch leerer aus. (Alle lachen)
Bohnet: Jedenfalls haben wir da richtig Geld draufgelegt.

Was macht die Halle so teuer?
Bohnet: Alles. Wie viele Ordner man da alleine schon braucht und dann ...
Bergmeyer: . . . wenn ich da mal kurz unterbrechen darf: Das Problem ist doch, dass die da ein Monopol haben. Die Olympiahalle, wie der ganze Olympiapark, gehört der Stadt München. Und weil die diese exponierte Stellung haben, diktieren sie dir die Bedingungen. Die Miete beträgt zum Beispiel zwölf Prozent der Netto-Einnahmen, wenn du ein Drittel der Karten über München-Ticket verkaufst, weil die zu dem Konglomerat gehören. Verkaufst du kein Kontingent über die, kostet die Halle 15 Prozent. Das ist Wahnsinn! Das können die sich nur erlauben, weil sie im Kapazitätsbereich von 10 000 eine Monopolstellung haben!
Bohnet: Man muss fairerweise aber auch sagen, dass es schon teuer ist, so ein Ding zu unterhalten. Die müssen schon eine gewisse Miete nehmen.
Bergmeyer: Natürlich. Aber konntest du mit denen verhandeln, als bei Tokio Hotel nicht genug Leute gekommen sind?
Bohnet: Weiß ich nicht mehr.
Bergmeyer: Wenn du da einen wie den Nöth hast . . .
. . . Wolfgang Nöth, der einst den Kunstpark aufgebaut hat und jetzt unter anderem das Zenith betreibt . . .
Bergmeyer: . . . genau! Der sieht, dass zu wenig da sind, und kommt von sich aus her und sagt: „Mensch, ist ja scheiße gelaufen, lass mal schauen, was wir machen können.“ Das muss man eh mal sagen: Lieber Gott, danke dass es den Nöth gibt – ohne den wäre hier noch viel weniger los.
 
München hat also ein strukturelles Problem, was Live-Hallen betrifft?
Bohnet: Ja. Das größte Problem ist, dass Hallen fehlen.
 
In welcher Größe?
Bohnet: Eigentlich in jeder. Für die Größe der Stadt ist das Angebot in allen Kapazitäten zu gering.
Bergmeyer: Man kann aber schon sagen: Je größer die Kapazität ist, die du brauchst, desto schwieriger wird es. Sowohl zum Zenith als auch zur Olympiahalle hast du keine Alternative. Und alle Zwischengrößen fehlen sowieso.
Frank: Bei den ganz kleinen Hallen ist das genauso. Wo kann ich denn noch ein Konzert mit 100 bis 200 Leuten machen? Klar, es gibt die Glockenbachwerkstatt und jetzt neu das Unter Deck. Aber das sind absolute Nischen-Geschichten.




Tobias Frank ist Geschäftsführer und Booker beim Münchner Veranstalter Clubzwei. Die Agentur betrieb bis 2002 den gleichnamigen Club in der Kirchenstraße. Seitdem veranstaltet Frank mit zwei Kollegen Konzerte an verschiedenen Orten. In den kommenden Wochen bringen sie unter anderem Heinz Strunk, The Notwist, Jochen Distelmeyer und Tocotronic nach München.
 
Können wir das mal konkret machen? Alt-J haben zum Beispiel am Dienstag im Zenith gespielt. Das Konzert war schon vor Weihnachten ausverkauft. Warum zieht man mit so viel Vorlauf nicht in eine größere Halle um?
Bergmeyer: Perfektes Beispiel! Wir haben also 5880 Karten fürs Zenith verkauft. Alles Stehplätze. Der nächste Schritt wäre also die Olympiahalle. Da hast du aber wiederum nur knapp 3800 zugelassene Stehplätze in der Arena. Das heißt, du müsstest schon ungefähr 2000 Leute irgendwo hinsetzen. Die steigen dir aufs Dach und sagen: „Ich will bei Alt-J doch nicht sitzen!“ Das kannst du gleich vergessen. Du müsstest also eigentlich in dem Moment in die Olympiahalle umziehen, in dem du 3800 Stehplätze verkauft hast. Dann kannst du aber nur noch Sitzplätze anbieten.
Bohnet: Und von denen müsstest du wegen der deutlich gestiegenen Kosten noch mal fast 6000 verkaufen. Unmöglich!
Frank: Ich habe dasselbe Problem mit einer Show, die ich im Backstage Werk mache. Da ist jetzt schon klar, dass die Halle zu klein sein wird. Die nächstgrößere Halle, die Tonhalle, ist aber belegt. Ich kann da nicht größer werden. Also haben wir versucht, eine Zusatzshow zu organisieren, was daran scheitert, dass alles zugebucht ist.
Bergmeyer: In welchem Zeitraum ist das?
Frank: April.
Bergmeyer: Ah ja, kannst du vergessen. Im März und April kommen immer alle Bands.
 
Warum?
Frank: Das fragt sich jeder.
Bohnet: Im Januar und Februar ist halt die Witterung nicht so schön. Und im Sommer wollen alle nur Festivals spielen, wo sie mehr Kohle bekommen . . .
Bergmeyer: . . . die aber mittlerweile schon in den Mai rücken!
Bohnet: Mai, Juni, Juli kannst du also kaum noch Hallenkonzerte machen. Die Festivals schreiben ja auch einen Gebietsschutz in ihre Verträge.
 
Der zum Beispiel besagt, dass eine Band, die bei Rock im Park in Nürnberg spielt, ein paar Wochen oder Monate nicht in München spielen darf?
Bohnet: Genau. August ist auch noch schwierig.
Bergmeyer: Weil im Hochsommer kein Gast in einen dunklen Club will, wenn er auch an der Isar sitzen kann.
Bohnet: Damit konzentriert sich das auf wenige Monate im Jahr. Und wenn du in denen auch noch eine WM hast, kannst du eigentlich gleich zulassen. Bleibt grob März, April und zum Teil der Mai.
Bergmeyer: Und dann wieder September, Oktober, November. Ein bisschen noch Dezember.
Bohnet: Und dann hast du in München ja noch zwei Besonderheiten.
 
Die eine ist das Oktoberfest?
Bohnet: Die andere ist der FC Bayern.
Bergmeyer: Wir haben bei uns im Büro einen sogenannten „No-Day-Kalender“. In dem sind alle Tage rot, an denen du eigentlich keine Konzerte zu veranstalten brauchst: Wiesn, Fasching, die dämlichen bayerischen Feiertage, an denen du ja zum Teil auch keine Musik machen darfst, und Champions-League-Spiele des FC Bayern. Und der kommt ja im Turnier dummerweise immer weiter.
Bohnet: Das Problem hast du in Köln, Hamburg oder Berlin nicht. (Alle lachen)
 
Wer euch hört, wundert sich, dass es überhaupt noch Konzerte gibt.
Bohnet: Ganz so ist es nicht. Eigentlich läuft es ja gut.
Frank: Aber auch nur, weil die Fans die Ticketpreise noch mitgehen. Die haben halt sonst nichts mehr in der Hand vom Künstler. Früher hast du eine Vinyl-Platte gehabt. Dann wenigstens noch CDs. Das einzige, wo Musiker jetzt noch greifbar wirken, sind Konzerte.




Frank Bergmeyer betreibt selbst Clubs in der Stadt – das Strom und das Netzer & Overath. Außerdem ist er am Bergwolf beteiligt. Mit Propeller Music & Event veranstaltet er aber auch regelmäßig Konzerte im Zenith, der Olympiahalle oder dem Olympiastadion – unter anderem Robbie Williams, mit und ohne Take That, oder aktuell Katy Perry.
 
Gibt es überhaupt noch eine Stadt, in der nicht ständig geklagt wird, dass irgendwas fehlt?
Bergmeyer: Berlin.
Bohnet: Ist aber auch die einzige.

Wenn es so sehr an Clubs fehlt, wieso schließt ihr euch nicht zusammen und macht noch zwei auf?
Bergmeyer: Mir wäre das Risiko inzwischen einfach zu hoch.
 
Aber Publikum ist doch offenbar da?
Bergmeyer: Das Problem ist ja auch die Stadt. Es gäbe bestimmt noch die ein oder andere Location, die man erschnüffeln könnte. Aber dann geht es ja erst los: Genehmigungen von der Stadt, Lautstärkenbelästigung, Konzessionen. Und wenn da irgendwas nicht klappt, bin ich der Gelackmeierte! Die Stadt müsste halt mal sagen: „Wie schön, dass ihr hier Kultur schafft, wir wollen euch unterstützen. Wir haben da gerade was, könnt ihr was draus machen?“ Aber das gibt’s viel zu selten.

>>> Millionen für die Philharmonie und Festival-Headliner? Und dazu die große Frage: Darf man Böhse-Onkelz-Konzerte veranstalten?
[seitenumbruch]
Was haltet ihr von der Debatte um die Sanierung der Philharmonie?
Frank: Ich fänd’s schon gut, wenn ein neuer Konzertsaal gebaut würde. Was mich ein bisschen nervt an der Diskussion, ist eher, dass die Relationen nicht stimmen. In die Hochkultur wird sehr viel Geld investiert – über Popkultur redet kaum jemand. Die muss sich komplett privatwirtschaftlich tragen.
Bohnet: Bereiche wie die Oper oder klassische Musik muss man natürlich subventionieren. Das geht nicht anders. Deshalb kann man das nicht eins zu eins mit der Popmusik aufrechnen.
Bergmeyer: Andererseits kannst du nicht in die Oper gehen, wann du willst, weil die Abos verteilt sind.
Bohnet: Ich finde es jedenfalls etwas piefig für eine große Stadt wie München, dass es gleich so abgewiegelt wurde von Seehofer und Reiter.
 
Veranstaltet ihr Konzerte in der Philharmonie?
Bohnet: Eher selten. Wir hatten da vor Jahren mal Fanta 4 mit einem kleinen Orchester. Ich gehe aber immer mal wieder privat dort in klassische Konzerte und hatte da noch nie einen schlechten Sound.
Bergmeyer: Die Aufzüge sind halt viel zu klein für eine große Produktion, und es ist arschteuer. Wenn der Hausmeister nur einmal um die Ecke furzt, kostet die Extrastunde 50 Euro. Aber die Stadt renoviert dafür jetzt das Olympiastadion für ein irrsinniges Geld – obwohl es leider nur noch wenige Künstler gibt, die das füllen! Trotzdem: Toll, dass uns das Stadion erhalten bleibt.
 
Du hast es mit Robbie Williams noch ausverkauft. Dreimal hintereinander.
Bergmeyer: Ja, im Jahr 2006, da haben wir 210 000 Tickets verkauft. Würde aber heute nicht mehr gehen. 2013 war nicht mal die eine Show ganz ausverkauft. 2011 waren Take That im Stadion. Die kommen jetzt in die Halle – allerdings auch ohne Robbie.




Thomas Bohnet ist Pressesprecher von Target Concerts. Die Firma ist sowohl als Tournee-Veranstalter als auch als örtlicher Veranstalter in München tätig – zum Beispiel für Künstler Funny van Dannen oder Bands wie Die Fantastischen Vier, Seeed oder Nils Frahm. Im Februar bringt Target unter anderem Element Of Crime ins Zenith.
 
Wie steht es denn um die Qualität der Clubs? Vor allem im Zenith wird ja immer geklagt, dass der Sound so schlecht sei.
Bergmeyer: Das stimmt so pauschal nicht. Wenn eine Band einen guten Techniker hat, kannst du da auch viel Spaß haben.
 
Ihr seid alle seit Jahrzehnten im Geschäft. Kann man als Booker oder Veranstalter Bands gezielt aufbauen?
Bergmeyer: Manchmal klappt das. Bei James Blunt zum Beispiel: Der hatte zwölf zahlende Besucher im Feierwerk, als wir ihn das erste Mal veranstaltet haben. Da haben wir gesagt: „Ist nicht so gut gelaufen, hat aber Spaß gemacht. Komm, wir saufen einen.“ Dann hatte er einen Hit und die Hallen wurden immer größer.

Sind Künstler, die von Anfang an bei euch waren, oft so treu?
Bohnet: Leider selten. Wir haben zum Beispiel als erste Mando Diao gehabt. Die sind dann zu Lieberberg . . .
. . . dem Großveranstalter aus Frankfurt.
Bohnet: Bei Biffy Clyro das gleiche. Und bei Green Day auch.
Bergmeyer: Das ist wie bei Borussia Dortmund: Die bauen die Spieler auch auf und dann gehen sie zu den Bayern.
 
Weil die großen Agenturen höhere Gagen aufrufen?
Bergmeyer: Die haben vor allem Festivals – zum Beispiel Rock am Ring. Wir nicht, also gehen sie lieber zu denen. Festivals sind wie die Champions League.
Frank: Uns geht das wahrscheinlich noch öfter so. Wir sind eine kleine Agentur. Und wir erleben oft, dass Bands ab einer Größe von etwa 1000 Zuschauern woanders hin wechseln.
 
Nehmt ihr ihnen das übel?
Frank: Ich kann ihnen jetzt nicht direkt böse sein. So ist das Geschäft. Aber eigentlich haben die Künstler durchaus ein Wort mitzureden, mit wem sie Shows machen wollen. Tocotronic haben zum Beispiel die Agentur gewechselt, aber ganz klar gesagt: „In München wollen wir Konzerte trotzdem weiter mit Club Zwei machen.“
 
Kann man denn mit den ganz kleinen Shows überhaupt noch was verdienen?
Frank: Schon. Wenn 100 Leute kommen und du mit einer kleinen Soundanlage auskommst. Und wenn die Band nicht fünf Einzelzimmer braucht. Wir sind aber auch nur zu dritt in der Agentur.
 
Wie groß ist der Neid in der Szene?
Frank: Unter Münchner Veranstaltern sehr klein.
Bohnet: Höchstens gegenüber den ganz großen Agenturen eben.
Bergmeyer: Da geht’s aber nicht um Neid, sondern um Ideale! Schau dir an, was da jetzt mit diesem „Rockavaria“ passiert . . .
. . . dem neuen Hardrock-Festival im Olympiapark Ende Mai . . .
Bergmeyer: . . . das veranstaltet die DEAG, eine Aktiengesellschaft, der’s nur um Geld und Macht geht. Um nichts anderes!
 
Geld wollt ihr auch verdienen.
Bergmeyer: Schon, aber nicht um jeden Preis. Die DEAG veranstaltet auch Böhse-Onkelz-Konzerte am Hockenheimring, die sich viermal hintereinander ausverkaufen. Mit jeweils 100 000 Besuchern. Das muss doch nicht sein.
 
Beim „Rockavaria“ wird spekuliert, dass sich die Tickets nicht verkaufen.
Bohnet: Die Veranstalter geben keine Zahlen raus mit der Begründung, die Fans würde das nicht interessieren.
Bergmeyer: Das ist doch ein Witz. Wenn jemand nichts sagt, ist der Fall doch klar: Es läuft nicht wie erwartet.
 
Das klingt nun aber doch etwas schadenfroh.
Bergmeyer: Himmel ja, bei den ganz großen. Die zerfleischen sich da gerade gegenseitig, was ja noch egal wäre. Aber sie jagen damit die Preise extrem in die Höhe. Und die Bands und vor allem die Manager lachen sich krank.
 
Über welche Summen redet man denn bei einem Festival wie dem „Rockavaria“ für den Headliner?
Bergmeyer:Über ein paar Millionen – allerdings für insgesamt vier Shows. Das ist ein Deal für alle Partnerfestivals.
 
Kann sich das rechnen?
Bohnet: Das rechnet sich nur, wenn’s komplett ausverkauft ist. Wenn da nur 2000 Leute weniger kommen, machst du Verlust.
Bergmeyer: 2000 mal 150 Euro sind 300 000 Euro weniger Umsatz! Das ist alles eine Farce inzwischen, die den Spaß an dem Ganzen schon sehr nimmt.
 
Was macht dann Spaß?
Bergmeyer: Mir macht das Kleine wieder viel mehr Bock. Back to the roots, Kontakt zu den Künstlern, die Musik ist geil, die Ideale passen. Und dann machst du halt ’ne Strom-Show oder ’ne Backstage-Show, wenn’s besser läuft. Und da kann man auch was verdienen, wenn alle etwas vernünftig dealen, und hat nicht die irrwitzigen Risiken von diesen gigantischen Veranstaltungen. Da hast du nur noch Vorschriften von allen Seiten, und jeder geifert nach der Kohle, die da irgendwo noch drinsteckt. Grausam!

Lorbeeren für La Gomera

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Efigenia Borges Hernandez muss nicht lange überlegen, was sie ihren Gästen kochen könnte. Sie serviert seit 60 Jahren das Gleiche. Immer nur ein einziges, ein vegetarisches Menü: Salat und Gemüse aus dem eigenen Garten, dazu Almogrote und Gofio, zwei Pasten, die eine aus scharf gewürztem Ziegenkäse, die andere aus gemahlenem Getreide. „Alles frisch, alles biologisch“, sagt die zierliche alte Dame mit zittriger Stimme. Die genauen Zutaten verrät sie nicht, genauso wenig wie ihr Alter.

Ihr Restaurant La Montaña im Dorf Las Hayas, versteckt gelegen in einem Palmenhain zwischen den Hügeln um den Nationalpark Garajonay, kennt sowieso fast jeder Gomera-Urlauber. Efigenia – nie mit Nachnamen, immer nur mit ehrfürchtigem „Doña“ geschrieben – steht in allen Reiseführern. Ihr erstes Interview fürs spanische Fernsehen gab sie Anfang der Achtzigerjahre. Es ist nur auf den ersten Blick erstaunlich, vielmehr jedoch typisch, dass so viel Bohei um die Küche einer betagten Dame gemacht wird, die doch einfach nur Tag für Tag zubereitet, was sie schon immer gekocht hat: anfangs, in den Fünfzigerjahren, weil es schlichtweg keine anderen Zutaten gab, und heute, weil gerade Einfachheit ein kostbares, nämlich ein authentisches Urlaubserlebnis verspricht.

Wegen solcher Erlebnisse kommen die Urlauber nach La Gomera, die nach El Hierro zweitkleinste und mit am schwersten erreichbare Kanaren-Insel. Einen internationalen Flughafen hat sie nicht, keine Bettenburgen, keinen massenhaften Badetourismus. Wanderer und Naturfreunde lieben La Gomera, Individualisten, die eine etwas umständliche Anreise mit der Fähre gerne auf sich nehmen, wenn sie dafür nur von den Auswüchsen der Ferienindustrie verschont bleiben. Diese lassen sich beispielsweise in der Hafenstadt Los Cristianos auf Teneriffa besichtigen, wo die Schiffe nach La Gomera ablegen. Am künstlich aufgeschütteten Sandstrand promenieren die Urlauber vor der Kulisse von Hotelkästen, Ramschläden und Restaurants, die Pizza und Bratwurst per Fotoaushang anpreisen. La Gomera ist in Sichtweite, die Überfahrt dauert nur 40 Minuten – und führt doch in eine andere Welt.

Auf ganz La Gomera leben in etwa so viele Menschen wie in Los Cristianos, etwa 20000. Die meisten Gomera-Besucher, 400000 laut offiziellen Zählungen, kommen nur auf Stippvisite für einen Tag aus Teneriffa herüber, länger über Nacht bleiben gerade einmal 150000 Gäste pro Jahr. Jeder von ihnen findet genug Platz und Ruhe, oder, wie es Fernando Méndez ausdrückt: „Wir sind noch nicht in die Katastrophen der anderen Inseln geschlittert.“

Méndez trägt Urlaubsbräune zum leuchtend lachsfarbenen Hemd, als er zum Interview im Parador-Hotel auf einem Felsen hoch über San Sebastián, dem Hauptort La Gomeras, empfängt. Und er trägt den Titel Tourismusminister, was einerseits sehr staatstragend klingt für den Beamten einer Inselverwaltung, andererseits das Selbstbewusstsein der Gomeros unterstreicht und ihre Distanz zur spanischen Zentralregierung. Méndez ist klar, in welcher politischen Richtung die Zukunft La Gomeras liegt: „Der einzige Weg der Entwicklung ist weg vom Massentourismus“, sagt er. Natur, Umweltfreundlichkeit, Nachhaltigkeit, das sind die Schlagworte, um die es auf La Gomera geht. Aber woanders geht es längst schon besser. So hat die Verwaltung von El Hierro im vergangenen Sommer ein Windkraftwerk in Betrieb genommen, das die gesamte Energie der Insel erzeugen soll. Autarkie im Atlantik – für La Gomera bleibt das vorerst eine Vision. Méndez verweist auf die größeren Ausmaße seiner Insel im Vergleich zur Konkurrenz im Südosten des Archipels. Derweil rußt das Dieselkraftwerk am Ortsausgang von San Sebastián, das den Energiebedarf von ganz La Gomera deckt, weiter in den blauen Himmel – und versorgt auch die Küche von Efigenia Borges mit Strom.

Wenn man ihr weißes Haus hinter Eukalyptusbäumen an der einzigen Durchgangsstraße von Las Hayas betritt, steht man schon mitten in dem langen, schmalen Speiseraum. Die Gäste sitzen zusammen an zwei Tafeln mit Plastiktischdecken. In Vasen sind blaue Knoblauch-Blüten drapiert, an den Wänden hängen Zeitungsausschnitte aus aller Welt mit Geschichten über die Hausherrin.

Doña Efigenia wurde im Nachbardorf von Las Hayas geboren, wuchs dort auf und blieb. Mit ihrem Mann betrieb sie einen kleinen Laden und kochte für die Waldarbeiter, die Brenn- und Baumaterial für Häuser und Fischfabriken schlugen. In den Sechzigerjahren kamen die ersten Hippies bei Efigenia unter. Doch der Wohlstand ließ auf sich warten. Efigenias Menü war nicht etwa vegetarisch, weil sie die heutigen Ernährungsgewohnheiten geschäftstüchtig vorhergesehen hätte. Vielmehr waren ihre einzigen Tiere, die Ziegen, als Milchlieferanten zu wertvoll zum Schlachten. Es war die Zeit, als die Überfahrt zur Nachbarinsel Teneriffa noch 16 Stunden dauerte. Es gab nur das Frachtschiff, das Tomaten und Bananen von den Bauern Gomeras auf einer umständlichen Route einsammelte und abtransportierte. Erst die Siebzigerjahre brachten den wirtschaftlichen Aufschwung, den Massentourismus auf die Kanaren. Viele Exilanten, die vor der Armut nach Südamerika geflohen waren, kehrten zurück auf ihre Inseln. Der Tourismus verhieß ein leichteres Einkommen als die Landwirtschaft. Auch auf La Gomera lagen nun plötzlich Felder brach, die jahrhundertelang mühsam bewirtschaftet worden waren. Immer noch überziehen die Trockenmauern der früheren Terrassen-Pflanzungen Hänge und Schluchten bis in gefährlich hoch gelegene Winkel mit geometrischen Mustern.

Diese Kulturzeugnisse wieder vermehrt zu nutzen und sie dadurch zu erhalten, ist ein Ziel der Inselverwaltung. Sie bietet Kurse in Ackerbau und Viehzucht an und verpachtet Land. Aber das ist auch eine Maßnahme gegen die hohe Arbeitslosigkeit. Ein kleines Feld zur Selbstversorgung – das sehen immer mehr Gomeros als Option. Auch Umweltschutzverbände befürworten die Landwirtschaft: Kultivierte Flächen bremsen die Ausbreitung von Bränden. Das zeigte sich auch bei der jüngsten Feuersbrunst im Sommer 2012. Tourismusminister Méndez gibt sich jedoch nur verhalten optimistisch: „Wir können den Leuten ja nicht vorschreiben, dass sie leben sollen wie ihre Großeltern“, sagt er.

Wie es aussehen kann, wenn die Felder wieder aufblühen, zeigt das Beispiel des Weinguts Montoro bei Hermigua. Um dorthin zu gelangen, kurvt man mit dem Auto erst die Küste entlang, dann immer höher hinauf in die Berge. Aus Asphalt wird Schotter, aus Schotter staubige Erde voller Schlaglöcher, und wenn man vollends das Vertrauen ins Navigationsgerät verloren hat, taucht plötzlich eine Art Garten Eden auf: Terrassen voller Weinreben inmitten wüstenartigen Gerölls.

Armenia Mendoza empfängt ihre Gäste auf einer Terrasse in einer nach allen Seiten offenen Küche. Eine lange Tafel ist von einem Dach aus Weinranken geschützt, der Blick reicht weit hinab zum Atlantik. Seit 70 Jahren ist dieser idyllische Flecken in Familienbesitz. Einen Hektar davon kultivieren die Mendozas – als Hobby, seit Armenia Mendozas Mann, ein Banker, in Rente gegangen ist. Wanderer sind bei ihnen nach Voranmeldung zur Weinprobe willkommen. Ansonsten kann man ihren fruchtigen Forastera nur in ein paar Bars der umliegenden Dörfer kaufen. Das könnte sich bald ändern. Der Sohn der Mendozas studiert Önologie und hat neue Ideen. „Viele junge Leute interessieren sich wegen der Wirtschaftskrise wieder für die Landwirtschaft“, sagt Armenia Mendoza, die die Interessen der Weinbauern auch als Chefin der zuständigen Abteilung der Inselverwaltung vertritt, „wir wollen sie davon überzeugen, dass es viel schöner ist, auf den Feldern zu arbeiten als im Büro.“

Steigt man die Terrassen von Montoro weiter empor, gelangt man in den Nationalpark Garajonay. Auf rund 800 seiner 4000 Hektar großen Fläche wütete vor drei Jahren das Feuer. Brandstifter hatten es gelegt, wahrscheinlich in der Hoffnung auf Subventionen und Jobs bei Aufräumarbeiten. Die Spuren der Katastrophe sind weitgehend verschwunden. Vor allem im Norden des Nationalparks, über dem die feuchten Passatwolken hängen, hat sich die Natur gut erholt. Ángel Fernández López, der Direktor des Nationalparks, gibt sich dennoch ernst, wenn er Besucher durch den Wald führt: „Das Feuer hat gezeigt, dass hier alles mit allem zusammenhängt.“ Kultiviertes Land, Natur, die sich im geschützten Rahmen selbst überlassen ist, Touristen, die kommen, um diese Natur zu bewundern – „es kommt darauf an, die Balance zu halten.“ Schon jetzt gebe es halb so viele Hotelbetten wie Einheimische auf La Gomera, und die EU fördere die Stilllegung von Flächen – am Ende könnte La Gomera doch aus dem Gleichgewicht geraten, fürchtet Ángel Fernández.

Der Schutz des Lorbeerwaldes ist sein besonderes Anliegen. Ein solches Dickicht aus knorrigen, ineinander verschlungenen, mit Moos bewachsenen, immergrünen Laubbäumen hat vor 20 Millionen Jahren ganz Europa bedeckt und existiert so heute nur noch auf La Gomera. Durch diesen Wald zu gehen, ist ein archaisches Erlebnis. Wenn man beispielsweise zwischen Igualero und Vallehermoso unterwegs ist, bietet sich ein Abstecher bei Efigenia an.

Auch ihr Geschäft übernimmt bald der Sohn, Sergio, der in England Betriebswirtschaft studiert hat und nach dem Tod seines Vaters nach La Gomera zurückkehrte, um seine Mutter zu unterstützen. Wenn der 37-Jährige mit perfektem Oxford-Akzent von seiner Mutter spricht, nennt er sie respektvoll „The Lady“. „Sie hat das Konzept des Öko-Tourismus erkannt, ohne zu wissen, dass es ein Konzept ist“, sagt er. Den Gästen erklärt er genauestens, wie sie das berühmte Menü essen sollen: Getreidebrei, Gemüsesuppe und etwas vom süßen Salat mit Banane und Melone – alles zusammen in den Mund.

So viel von der Welt hat Sergio gesehen, so jung und gebildet ist er, und trotzdem ist ihm die Tradition so wichtig? „Na ja, was heißt Tradition“, sagt der Junior-Chef, „ich kenne es halt nicht anders.“

Flasche leer

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Gekauft an der Tankstelle, getrunken auf der Autobahn und zurückgegeben bei der nächsten Pause an der Raststätte: Getränke gehen oft auf Reisen. Die Käufer können die Plastikflaschen auch im nächsten Laden zurückbringen, und das Pfand zurückbekommen. Das macht den Herstellern Arbeit – aus Sicht von Coca-Cola so viel Arbeit, dass der Getränkehersteller nun zwei Modelle aus dem Sortiment nimmt. 0,5- und 1,5-Liter-Abfüllungen will der Konzern nur noch in Einwegflaschen anbieten. Das Getränkeunternehmen will so effizienter produzieren und in der Logistik Geld sparen, sagt eine Sprecherin. Die Umstellung von Pfand auf Einweg soll sowohl Cola als auch die Marken Fanta und Sprite betreffen. Die 1-Liter-Mehrwegflasche bleibe aber bestehen. Wiederverwertbare Glasflaschen werden ebenfalls weiterhin verkauft.

Die 0,5- und 1,5-Liter-Flaschen umfassen nach Firmenangaben ein Viertel des gesamten Angebots. Im vergangenen Jahr hatte Coca-Cola insgesamt einen Mehrweganteil von mehr als 50 Prozent. Der Wert liegt über dem Durchschnitt der Branche. Der Vorstoß könnte Signalwirkung haben, immerhin ist Coca-Cola das größte Getränkeunternehmen in Deutschland. Im Jahr 2013 verkaufte der Konzern nach eigenen Angaben hierzulande rund 3,8 Milliarden Liter.

Mehrwegflaschen zu verwenden, ist für die Hersteller mit Kosten verbunden, argumentieren die Konzerne. Die Flaschen würden häufig in anderen Geschäften abgegeben als verkauft, nennt auch die Coca-Cola-Sprecherin als Grund für die Entscheidung. Die Flaschen müssen von den Herstellern eingesammelt, zurück zum Abfüllstandort transportiert und gereinigt werden, bevor sie wieder in die Produktion zurückgehen könnten.

Umweltverbände befürchten nun eine Rückkehr zur Wegwerf-Flasche. Um das zu verhindern, fordern sie eine „Lenkungsabgabe“ für Einweg-Verpackungen, die zusätzlich auf den Preis aufgeschlagen werden soll. Die Deutsche Umwelthilfe schlägt als Höhe für diese Abgabe 20 Cent vor. Damit würden Einwegflaschen im Vergleich zu wiederverwertbaren Behältern deutlich teurer werden. So müssen beispielsweise bei Bierflaschen aus Glas nur 8 Cent als Pfand entrichtet werden. Das Mehrwegsystem helfe dabei, Energie zu sparen und so die Natur zu schonen, sagen Umweltschützer. Flaschen aus Polyethylenterephthalat (PET) lassen sich laut Bundesumweltministerium etwa ein Dutzend Mal wiederverwenden.
Um dem Pfand zu entgehen, könnten Hersteller auch auf Alternativen zurückgreifen, die als ökologisch vorteilhaft gelten: Kartonverpackungen, in denen etwa Milch abgefüllt wird, oder Folien-Standbodenbeutel, bekannt durch das Kindergetränk Capri-Sonne. Doch viele Cola-Fans greifen wohl lieber zur Flasche.

Gefahr im Detail

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Täglich kommen Verbraucher mit ihnen in Kontakt. Wir essen und trinken sie, schmieren sie uns ins Gesicht und tragen sie am Körper. Und das seit Jahrzehnten. Sie sind omnipräsent. Denn ihr Einsatz spart Produktherstellern Kosten und bietet unerschöpfliche Möglichkeiten, wenn es etwa um Effizienz und Innovation geht. Selbst ein herkömmliches Mikroskop kann sie kaum erfassen – so winzig klein sind die Teilchen. Die Rede ist von Nanomaterialien. Bei allen Vorteilen, die sie bieten: Mögliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen sind nicht ausgeschlossen. Verbraucherschützer sehen die Technologie deswegen äußerst kritisch.

Die Vorsilbe „Nano“ leitet sich aus dem griechischen Wort für Zwerg ab. Die industriell hergestellten Teilchen, die meist aus Kohlenstoff oder Metallatomen bestehen, haben eine Größenordnung von einem Milliardstel eines Meters. Zur besseren Einordnung der winzigen Dimension: Ein menschliches Haar ist 70000 Nanometer dick. Die vielen Verfahren zur Herstellung dieser kleinsten Partikel, die bis zu 100 Nanometer umfassen, fallen unter den Oberbegriff Nanotechnologie. Dank ihrer winzigen Größe können Nanopartikel Strukturen und Oberflächen verändern. So lassen sie brüchiges Material hart werden oder verbinden Moleküle, die sich sonst abstoßen. Im Vergleich zu konventionellen Stoffen sind Nanoteilchen leichter, widerstandsfähiger und teils kostengünstiger in der industriellen Anwendung sowie in der Verarbeitung von Verbraucherprodukten.

Mit ihren speziellen Eigenschaften schützen Nanopartikel die Haut vor UV-Strahlen, sie schützen vor Gerüchen und Bakterien in Schuhen und Socken, lassen Zähne makellos strahlen und tragen dazu bei, dass Lebensmittel auch nach vier Wochen noch genießbar sind. Die kleinen Teilchen stecken nicht nur in Cremes, Zahnpasta, Textilien oder in Lebensmittelverpackungen. Ihre Wirkung ist auch in anderen Bereichen beachtlich. Als Filter entgiften sie von der Industrie verunreinigtes Wasser oder binden Schadstoffe in Automotoren. Sie erhöhen die Leistung von Windkraftanlagen und Solarzellen bei geringeren Herstellungskosten und verbessern die Wirksamkeit und Dosierbarkeit von Medikamenten. Von ihrem Einsatz in verschiedenen Industriezweigen versprechen sich Wirtschaft und Politik Gewinne in Milliardenhöhe sowie große Chancen für Gesundheit und Umwelt.

Bereits seit Jahrzehnten setze die Industrie Nanomaterialien als „billiges Routinematerial“ in Smartphones, Autos, Textilien, Elektronik, Küchengeräten, Lack, Farben, Kleber, Verpackungen, Kosmetik und als Dünger und Pflanzenschutz in der Landwirtschaft ein, bestätigt Harald Krug, Toxikologe und Mitglied der internationalen Expertengruppe der europäischen Sicherheitsforschung, Nano Safety Cluster. Seit mehr als 80 Jahren nutzt allein die Automobilbranche Materialien und Verfahren im Bereich der Nanoforschung, um etwa Lacke kratzfester und Fahrzeuge umweltfreundlicher herzustellen.

Doch Nano hat längst auch die Nahrungsmittelindustrie erreicht. Solange keine ausreichenden Sicherheitsdaten vorliegen, die ein Risiko für den Menschen ausschließen, lehnen Verbraucherzentralen den Einsatz von Nanomaterialien in Alltagsprodukten ab. „Die Nanotechnologie mag in einigen Bereichen wie in der Umwelt Potenziale besitzen, doch im Lebensmittelbereich ist sie unnötig“, sagt Sarah Häuser vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Nicht nur die Risiken seien ungeklärt, auch die Vorteile zweifelhaft. „Die Nanoverkapselung zum Beispiel ermöglicht den Zusatz von Vitaminen in eigentlich ungesunden Lebensmitteln wie Chips und Limo“, so Häuser. Abgesehen davon, dass zusätzliche Vitamine bei gesunder Ernährung unnötig seien, bestehe hier die Gefahr einer Überdosierung.

Ob industriell hergestellte Nanomaterialien oder Produkte, die solche enthalten, ein gesundheitliches Risiko für den Verbraucher darstellen, ist dem Bundesinstitut für Risikoforschung zufolge wissenschaftlich noch gar nicht abschließend geklärt. Bislang wurden toxische Effekte von synthetisch hergestellten Nanopartikeln nur in Tierversuchen und an Zellkulturen untersucht und zum Teil bestätigt. Allerdings unterschieden sich sowohl die Versuchsansätze als auch die getesteten Nanopartikel erheblich. Folglich seien die Ergebnisse kaum vergleichbar, die Übertragbarkeit auf den Menschen sei begrenzt.

Und doch: Eine Gefahr ist nicht auszuschließen. Bisherige Tierversuche weisen darauf hin, dass die Teilchen Nieren, Leber und Lunge angreifen können. Wissenschaftler in der Schweiz haben bereits 2010 herausgefunden, dass Nanopartikel ungehindert in den Blutkreislauf von Ungeborenen dringen können.

Bislang hinkt die Risikoforschung der Marktentwicklung hinterher. „Genügend Fördermittel haben wir, aber das nützt wenig, wenn es an geeigneten Experten mangelt“, kritisiert Harald Krug von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in St. Gallen. Der Toxikologe arbeitet an der Auswertung von etwa 6600 internationalen Studien zur Gefährlichkeit von Nanopartikeln, finanziert vom Verband der Chemischen Industrie. 60 bis 70 Prozent der Studien seien qualitativ mangelhaft und nicht aussagekräftig. „Es fehlt uns schlichtweg der Nachwuchs.“ Nicht nur in der Schweiz: In den vergangenen 20 Jahren sind etwa die Hälfte aller Lehrstühle im Bereich Toxikologie an deutschen Universitäten verschwunden.

Etwa 1100 deutsche Unternehmen beschäftigen sich gerade mit dem Einsatz der Nanotechnik in Bereichen der Forschung und Entwicklung sowie der Vermarktung kommerzieller Produkte und Dienstleistungen. So steht es im Bundesbericht 2013 zur Nanotechnologie in Deutschland. Die Hälfte der Firmen geht von steigenden Forschungsinvestitionen aus. Ihr Gesamtumsatz im vergangenen Jahr wird auf etwa 15 Milliarden Euro geschätzt. Damit produziert bereits die Hälfte aller in Europa ansässigen Firmen, die auf Nanotechnologie-Produkte ausgelegt sind, in Deutschland.

Unter den deutschen Firmen, die im Bereich Nanotechnologien und Nanomaterialien forschen, befinden sich unter anderem der Automobilhersteller BMW, der Chemiekonzern BASF, der Nahrungsergänzungsmittel herstellt, und der Pharmakonzern Bayer. Nach Angaben des BUND forschen 29 Lebensmittelkonzerne wie Unilever und Kraft Foods in eigenen Laboren, weil sie sich lukrative Geschäfte versprechen. Vielen Teilbereichen der Nanotechnologie werden hohe Wachstumsraten prognostiziert. Mit einem Zuwachs von jährlich 19 Prozent schätzt das BMBF den Gesamtmarkt von Nanomaterialien bis zum Jahr 2017 auf etwa 29,7 Milliarden Euro.

„Die Nanotechnologie gehört ohne Zweifel zu den aussichtsreichsten Technologie- und Forschungsfeldern des 21. Jahrhunderts“, verkündete Thomas Rachel, Parlamentarischer Staatssekretär vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) bereits 2008 zum Start des Aktionsplans Nanotechnologie. Das ist nun sieben Jahre her, aber immer noch aktuell. Der mit jährlich etwa 220 MillionenEuro ausgestattete Aktionsplan zielt seither darauf ab, Forschungsergebnisse schnell in Produkte umzusetzen und damit mehr Unternehmen an die Nanotechnologie heranzuführen. Etwa acht Prozent davon entfallen auf die Risikoforschung.

Mit hohen Investitionen steht der Bund im Bereich Nanotechnologie seit Jahren an Europas Spitze. Während die EU im Zuge des siebten EU-Forschungsprogramms 2012 etwa 741 Millionen Euro an öffentlichen Fördermitteln für Nanotechnologie vergab, investierten Bund und Länder im selben Jahr an die 630 MillionenEuro aus mehreren Fördertöpfen. Allerdings besitzen die EU und Deutschland jeweils unterschiedliche Förderstrukturen. Weltweit konkurrieren neben Deutschland die USA, China und Japan um die Forschungsspitze im Bereich der Nanotechnologie.

In der EU müssen Nanomaterialien in Kosmetikprodukten, in Biozidwirkstoffen (etwa in Putz- und Reinigungsmitteln) und seit Kurzem auch in Lebensmitteln gekennzeichnet werden. Einige Mitgliedsstaaten, darunter Frankreich, Belgien, Dänemark und die Schweiz, betreiben bereits oder planen eine Nano-Produktdatenbank.

Das negative Image von Nanomaterialien beim Verbraucher und eine Kennzeichnungspflicht wie bei Kosmetika und Lebensmitteln setzen die Hersteller unter Druck. Die Folgen könnten rückschrittlich sein, befürchtet Harald Krug. Wie zum Beispiel bei der Kennzeichnungspflicht für Kosmetika, die er als einen „Kampf gegen Windmühlen“ beschreibt. „Hier wird die Industrie womöglich auf chemische Filter als Nanoersatz zurückgreifen, die umweltbelastend und gesundheitsschädlich eingestuft sind.“
 

Berlin, deine Gleise

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Im Januar bist du zusammen mit drei anderen Studenten in kürzester Zeit die komplette Strecke der Berliner S-Bahn abgefahren. Stellt sich einem ja die Frage: Warum nur?
Der Berliner Kunststudent David Kretz kam darauf – er hatte von Rekordversuchen in anderen Großstädten gehört, bei denen Menschen möglichst schnell das öffentliche Verkehrsnetz abfahren. Nun wollte David das in Berlin für ein Kunstprojekt ausprobieren. Er hatte zunächst versucht, die optimale Strecke händisch zu berechnen, was sehr kompliziert ist. Diese Route ist er auch einmal abgefahren, das hat 17 Stunden und eine Minute gedauert. Um zu wissen, ob es noch schneller geht, hat er das Berliner Zuse-Institut für Informationstechnologie, bei dem ich zu diesem Zeitpunkt Praktikantin war, gefragt, ob sie ihm helfen könnten. Ich habe dann ein Programm entwickelt, das einen Fahrtweg berechnet hat, der im günstigsten Fall nur 13 Stunden und 24 Minuten dauert. Den sind wir dann Anfang Januar innerhalb von 15 Stunden und vier Minuten abgefahren.

Und warum S- und nicht U-Bahn?
Wir dachten, S-Bahn ist netter als U-Bahn, da sieht man wenigstens etwas von der Stadt. (lacht) Außerdem ist die S-Bahn etwas komplizierter zu berechnen, weil dort die Züge seltener fahren.



Loes Knoben (links) und ihre Mitfahrer am Startbahnhof Strausberg Nord. Die 23-Jährige Niederländerin studiert mittlerweile wieder an der Universität Twente angewandte Mathematik.

Wie genau lief die Fahrt ab?
Wir sind morgens gegen zehn an der Station Strausberg Nord gestartet. Der Plan war dann, um circa halb zwölf abends fertig zu sein. Allerdings gab es an diesem Tag einen starken Sturm. Das hat dazu geführt, dass viele Bäume auf die Gleise fielen. Oftmals sind Züge dann ausgefallen und wir mussten den Schienenersatzverkehr nehmen. Dafür haben wir wiederum auch eine Verbindung geschafft, die laut BVG eigentlich unmöglich war. Sie hat uns dann zehn Minuten Vorsprung gebracht, den wir allerdings wieder verloren haben, als ein anderer Zug uns vor der Nase wegfuhr. Am Ende waren wir um ein Uhr nachts fertig.

Kannst du das Programm, das du da entwickelt hast, mal kurz erklären? Für Dummys sozusagen?

In meinem Tool kann man theoretisch die Fahrpläne von jedem öffentlichen Verkehrsnetz eingeben – in diesem Fall also von der S-Bahn der BVG. Man kann dann noch angeben, ob man an einem bestimmten Punkt anfangen und ankommen möchte und ob man nur alle S-Bahn-Stationen, oder auch alle vorhandenen Gleise abfahren möchte. Wir haben uns für letzteres entschieden – wir fanden, nur dann hat man wirklich das gesamte Netz einmal genutzt. Allerdings hat es uns dabei gereicht, jedes Gleis nur in eine Richtung abzufahren. Wir sind also nicht noch zwischen den Stationen gependelt.



Inwiefern waren in deiner Simulation Verspätungen mit eingeplant?
Ich hatte gehört, dass die S-Bahn in Berlin nicht ganz zuverlässig ist. Deshalb habe ich Verspätungen mitgedacht und den Fahrplan so aufgebaut, dass wir zu Beginn die schwierigen Strecken fahren, bei denen man bis zu 40 Minuten warten müsste, wenn man einen Zug mal verpasst. So wussten wir früher, ob wir den Rekord schaffen würden. Außerdem habe ich für Bahnhöfe wie den am Ostkreuz, bei dem das Umsteigen sehr lange dauert, zusätzliche Zeit eingeplant. Und natürlich für Toilettenpausen.

Mit eurer Fahrt wollt ihr ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen werden. Wie läuft sowas? Ist da jemand von denen bei euch mitgefahren?
Nein. Wir haben stattdessen an jeder Station ein Foto von dem Stationsnamen gemacht, das mit einem Zeitstempel versehen ist. Anfangs war das noch sehr stressig, da man an jeder Station schnell rausspringen musste. Mit der Zeit sind war aber besser darin geworden. Außerdem haben wir ein Logbuch geführt, die Zugnummern und genauen Abfahrts- und Ankunftszeiten dokumentiert. Teilweise haben wir uns auch von dem Zugführer unterschreiben lassen, dass wir wirklich in dem Zug waren. Das alles zusammen haben wir jetzt Guinness geschickt, ich hoffe, es klappt.

Wenn das Strecken-Abfahren ein richtiger Sport unter Rekordhaltern ist – haben dann jetzt schon andere Leute dein Programm angefragt?
Es gibt diesen Typen, der den Rekord für das Subway-Netz in New York hält. Er hat sich auch schon mal an der Berliner U-Bahn versucht, bisher allerdings immer alles manuell kalkuliert. Der hat sich gemeldet und Interesse an dem Programm gezeigt. Er hat auch gesagt, dass er bei unserem nächsten Versuch gerne mitfahren würde.

Inwiefern hat sich dein Eindruck von Berlin oder der Berliner S-Bahn durch eure lange Fahrt verändert?
Loes:
Ehrlich gesagt habe ich die S-Bahn vorher kaum genutzt. Ich komme aus den Niederlanden, also habe ich mir in Berlin als erstes ein Fahrrad gekauft. Aber es war toll, die verschiedenen Ecken der Stadt, die vielen verschiedenen Gebäuden mal aus der Bahn zu sehen.

Willst du nochmal antreten und es schneller versuchen?
Prinzipiell ja. Allerdings gibt es im Berliner Verkehrsnetz gerade einige Bauarbeiten zwischen Nord und Süd. Da fährt so viel Schienenersatzverkehr, das wäre schwierig. Aber vielleicht noch einmal im Spätsommer – dann hätte ich auch einen guten Grund, von Twente aus noch einmal nach Berlin zu kommen.

"Ich will Menschen töten"

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"I seriously want to kill people." Wer so etwas sagt, sollte sich nicht wundern, wenn kurz darauf die Polizei klingelt. Erst recht nicht, wenn man es in aller Öffentlichkeit auf Twitter verkündet.

Der niederländische Web-Entwickler Jeffry van der Goot hat sich trotzdem gewundert, als plötzlich Beamte vor seiner Amsterdamer Wohnung standen. Dabei schien die Sache eindeutig: Der Account @jeffrybooks war auf seine Mailadresse registriert und hatte kurz zuvor die Todesdrohung in die Welt gesetzt. Auch hatte kein böser Hacker den Account übernommen, um in van der Goots Namen einen Mord anzukündigen.




Tiefenentspannte Polizisten


Obwohl niemand anderes als van der Goot selbst verantwortlich war, blieben die Polizisten freundlich. Das Einzige, was sie verlangten: Er solle doch bitteschön den Account löschen (die Seite ist mittlerweile entfernt und nur noch über den Google Cache erreichbar); wenig später zogen sie von dannen und ließen einen nachdenklichen Jeffry van der Goot zurück.

[plugin imagelink link="http://fusion.net/story/48656/who-do-we-blame-when-robots-threaten-to-kill-people/" imagesrc="https://fusiondotnet.files.wordpress.com/2015/02/screen-shot-2015-02-12-at-5-06-03-pm.jpg?quality=80&strip=all"]So sah van der Goots Twitter-Bot aus, als er noch nicht gelöscht war.

Sind die Niederländer also nicht nur ein Stückchen relaxter, was den Umgang mit Gras angeht, sondern sehen auch Morddrohungen eher tiefenentspannt? Wohl kaum. Die Polizisten haben van der Goot nur deshalb nicht mit aufs Revier genommen, weil nicht er selbst, sondern eine Maschine den Tweet abgeschickt hatte: Hinter @jeffrybooks steckt kein Mensch, sondern ein Bot.



Der echte van der Goot wundert sich auf Twitter über den Polizeibesuch.

Das Programm scannte die Tweets von van der Goots eigenem Twitter-Account, setzte die Wörter mithilfe eines Algorithmus zu semantisch korrekten Sätzen zusammen und twitterte selbst drauflos. Immer mehr Menschen legen sich mittlerweile solche Zweitaccounts zu und beobachten, wie die Bots ein Eigenleben entwickeln. Die Tweets dieser Twitter-Tamagotchis sind mal philosophisch, mal poetisch, mal sinnlos – und normalerweise komplett harmlos.

Wer haftet für Algorithmen?


Wenn aber aus arglosen Algorithmen plötzlich mordlustige Maschinen werden, stellt sich die Frage: Wer ist dafür verantwortlich? Im Fall von van der Goot gibt es drei Optionen: Er selbst, weil er sich den Bot zugelegt hat und seine eigenen Tweets die Grundlage dafür waren. Der Pariser Student Clément Hertling, weil er die Software programmiert hat, auf der van der Goots Bot basiert. Oder der wildgewordene Algorithmus, weil er Absender der Todesdrohung war.

Klar scheint nur, dass Hertling nichts dafür kann und auch juristisch nicht für seine Entwicklung haftet. Beim amerikanischen Internetportal Fusion vergleicht ein Jura-Professor den Algorithmus mit einem Kampfhund: Wenn eine Bulldogge einen Menschen angreift, sei nicht der Züchter, sondern der Halter dafür verantwortlich. Überträgt man diesen Vergleich auf @jeffrybooks, müsste also sein "Halter" van der Goot dafür bestraft werden. Der kam aber mit einer Ermahnung davon, und ausbaden musste es letztendlich der wehrlose Bot: Für seine Todesdrohung bekam er die Todesstrafe, der Account wurde gelöscht.



Unaufgeregter haben Polizisten nach einer Morddrohung wohl selten reagiert.

Was nach einer lustigen, aber bedeutungslosen Anekdote klingt, könnte schon bald relevant werden. Fast zwei Drittel des weltweiten Datenaufkommens im Internet stammen mittlerweile von Bots. Ende letzten Jahres programmierte die Schweizer Mediengruppe Bitnik den "Random Darknet Shopper" – einen Bot, der nach dem Zufallsprinzip im Darknet auf Shoppingtour ging und dabei unter anderem auch Ecstasy-Pillen bestellte. Die Polizei beschlagnahmte die Drogen, ließ die Künstler aber laufen. Und Anfang Februar wurde eine auf dem Boden schlafende Südkoreanerin von ihrem Saugroboter "attackiert", der sich in ihren Haaren verfangen hatte. Schließlich musste die Feuerwehr kommen und den Roboter von ihrem Kopf entfernen.

[plugin imagelink link="http://www.geek.com/news/fire-department-called-after-robot-vacuum-attacks-sleeping-owner-1615192/" imagesrc="http://www.geek.com/wp-content/uploads/2015/02/robot_vacuum_attacks-590x330.jpg"]Alarm, die Saugroboter kommen!

In Zeiten von selbstfahrenden Autos (Wer ist schuld, wenn das Google Car einen Unfall baut?), saugenden Robotern (Hätte der Hersteller Schmerzensgeld zahlen müssen, wenn die Frau schwerer verletzt worden wäre?) und twitternden Bots dürften die ersten Juristen mit Schwerpunkt Maschinenrecht nicht lange auf sich warten lassen. Wer Lust hat, diese Entwicklung zu beschleunigen: In der deutschen Wired gibt es eine recht kurzweilige und leicht verständliche Anleitung, wie man sich selbst einen solchen Bot zulegt.
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