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Wochenvorschau: Es lebe der Germknödelkrapfen!

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Wichtigster Tag der Woche:
Mittwoch. Weil da Fasching vorbei ist. Den mag ich nämlich nicht. Nicht falsch verstehen, ich bin kein militanter Faschingsgegner oder so. Find’s nur einfach nicht so toll.

Kulturelles Highlight:
Sorry, aber hier muss jetzt Eigenwerbung hin: jetzt.de lädt wieder zum Kneipenabend. Am Samstag lesen wir im Heppel&Ettlich in München. Bei Bier und Spezidrinks.





Politisch interessiert mich:
Wie sich die Wahlen in Hamburg (hier die Live-Berichterstattung mit Hochrechnungen und Ergebnissen von sz.de) auf die politische Landschaft in Deutschland auswirken. Auch wenn da nur das Parlament eines Stadtstaats gewählt wurde – solche Abstimmungen haben immer Auswirkungen auf die Bundespolitik und ihre Akteure. Weil alle versuchen, in dieses Wahlergebnis und die darauf folgenden Koalitionsverhandlungen irgendetwas hineinzudeuten. In Hamburg hat ja Olaf Scholz seine große Favoritenrolle bestätigt, im Bürgermeisterrennen war nicht viel Spannung. Interessanter finde ich deshalb, was AfD und FDP aus ihrem Hamburger Sprung über die Fünfprozenthürde für Schlüsse ziehen.

Soundtrack:
Am Freitag(*) erscheint endlich das neue Album von Bilderbuch. Es heißt "Schick Schock" und ich werde es ab Freitag jeden Tag bis zum Konzert im März hören. Wegen sehr großer Geilheit. Des Albums. Das wird, da leg ich mich schon jetzt im Februar fest, die Platte des Jahres.

(*) UPDATE:
Eva hat uns auf Facebook gerade darauf hingewiesen, dass der Release verschoben wurde:

"Wir, die Labelchefs von Maschin Records, müssen unseren SCHICK SCHOCK Release eine Woche nach hinten, auf den 27. Februar verschieben. Manche Mühlen in der Produktion mahlen leider nicht so schnell wie wir das gerne hätten."
Quelle: Bilderbuch auf Facebook

http://www.youtube.com/watch?v=-Yo2WOJ4WMY#t=27

Kinogang:
Puh. Die ersten beiden Filme auf der Liste der Neuerscheinungen sind: „Spongebob Schwammkopf 3D“ und „Into the Woods“, offenbar ein Märchenkommödienmusical, also so ziemlich das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Nicht so falsch klingt dagegen ein Film namens „Selma“. Da geht es um die Bürgerrechtsbewegung in den USA in den Sechzigerjahren, und das interessiert mich eigentlich immer. Alter Amerikanistik-Student, ich.

http://www.youtube.com/watch?v=x6t7vVTxaic

Geht gut diese Woche:
Krasse Krapfenvariationen probieren. Ich sag nur: Germknödelkrapfen.





Germknödelkrapfen, bitch! Ein von @christiansn976 gepostetes Foto am 12. Feb 2014 um 8:10 Uhr





Keine Chance hat diese Woche:
Fastenzeit.

Tagesblog - 16. Februar 2015

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18:15 Uhr: Ich pack's! Und verabschiede mich, passend für heute, aber irgendwie bin ich heut in der Stimmung, mit einem weiteren Witzchen, dem besten Netzwerknamen der Welt:

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Ich bedanke mich für die Herzen und Kommentare und Links und überhaupt. Ihr entlasst mich mit ziemlich guter Laune in den Feierabend. Morgen begrüßt euch hier die wunderbare Charlotte. 
Bis bald!

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17:44 Uhr:
Ich mag mich ja nicht gern verkleiden. Verkleidungen an anderen - auch Teebeuteln - mag ich aber ziemlich gern.

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(Quelle)

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[plugin imagelink link="http://media0.faz.net/ppmedia/aktuell/politik/1639924135/1.3432144/article_multimedia_overview/die-wahrscheinlichkeit-dass.jpg" imagesrc="http://media0.faz.net/ppmedia/aktuell/politik/1639924135/1.3432144/article_multimedia_overview/die-wahrscheinlichkeit-dass.jpg"]

17:40 Uhr: Geht auch gut: Single-Kaninchen in der Großstadt. Ich werde mir mal schnell die Animationsfilmrechte sichern.

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"Im Kölner Karneval verstecken sich echte Gefühle, echte Leidenschaft und Schlager ohne Helene Fischer."


17:25 Uhr:
Geht gar nicht: Karnevalsmusik. Geht sehr gut: Lars Weisbrod über Karnevalsmusik.

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Cristiano Ronaldo ist eigentlich ein Alien, sagt Moritz von WEGÜDA - Weltbürger gegen die Übernahme durch Außerirdische.

17:02 Uhr: Jetzt wird's wie versprochen lustig. Heute Abend demonstrieren in Berlin übrigens die Weltbürger gegen die Übernahme durch Außerirdische. Wieder kein Scherz. Aber auch nicht ganz ernst gemeint, wie auch Lisas sehr schönes Interview mit Moritz, der hinter "WÜGEDA" steckt. Jetzt auf der Startseite. Schnell lesen und lachen!

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16:43 Uhr:
Ich liebe ja Marvin aus "Per Anhalter aus der Galaxis". Ihr erinnert euch?

http://www.youtube.com/watch?v=yIN7cNnDJzc

Und der twittert seit kurzem. Also quasi. Weil vollautomatisch:





Aber das spült mir Marvin jetzt öfter in den Twitter-Feed, und das ist super. Wie es dazu kam, steht hier bei den Kollegen von der Wired.

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16:18 Uhr:
Ha, und weil wir ja heut schon beim Thema Verkleidungen waren:

[plugin imagelink link="http://www.superstarlifestyle.com/wp-content/uploads/2015/02/412.jpg" imagesrc="http://www.superstarlifestyle.com/wp-content/uploads/2015/02/412.jpg"](Quelle)

Hier gibt's noch mehr kreative Hallo-wir-bekommen-übrigens-ein-Baby-Nachrichten: Danke an Digital_Data!

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(Foto: Teresa Fries)

15:57 Uhr:
Bestimmt entzieht ihr mir die Herzchen gleich wieder (PS: Was, 10???? So viele hatte ich noch nie!!!). Einen Teil des Versprechens kann ich nämlich nicht einlösen. Wild wird es erst morgen. Dafür ist es jetzt jung und alt auf der Startseite. Von Teresa. Mit Jana. Hier geht's lang!

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[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/1h0fVZXT9Izss/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/1h0fVZXT9Izss/giphy.gif"]

15:31 Uhr:
Gleich gibt's wieder was zu lesen auf der Startseite, versprochen! Wir werkeln schon superkonzentriert im Hintergrund daran. Es wird heute noch wilder als "50 Shades of Grey". Und lustig. Seid gespannt!

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14:55 Uhr:
Oh Mann, heute ist irgendwie nichts los. Aber juhu, sechs Herzen! Ich glaube, die Streiche sind mir zu aufwändig. Und ich hab auch kein Equipment hier. Wenn dann muss das natürlich professionell gemacht sein. Gerade ist mir mehr so nach Büronickerchen. Dieses Bild ist schuld:



(Quelle)

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14:32 Uhr: 




Immer noch allein. Immer noch keine Idee, das gebührend auszunutzen.

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13:55 Uhr:
Hihi, Valentinstag ist zwar vorbei, aber ich mag diese Karte ziemlich gern:

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(Quelle)

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13:34 Uhr:
Ich fürchte, das ist ein Faschings-Gag (Echt fies in diesen Tagen, ich zweifle gerade eigentlich alles irgendwie an. Aber nur noch anderthalb Tage!). Aber ich wünsche mir so, dass das hier wahr ist:

[plugin imagelink link="http://www.drlima.net/wp-content/uploads/2015/02/51uMyL-KRyL.jpg" imagesrc="http://www.drlima.net/wp-content/uploads/2015/02/51uMyL-KRyL.jpg"] (Quelle)

Minion-Gummibärchen. Bestimmt schmecken sie super künstlich und kleben wie diese Schlumpf-Dinger (kennt ihr die noch?) zwischen den Zähnen. Aber das ist egal. Es sind Minions!

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13:05 Uhr: 





Eben hab ich die gedruckte SZ in die Hände bekommen und mich über einen Text über Matthew Perry gefreut. Chandler! Aus Friends! Den ich lange nicht mochte, dann aber dafür besonders. Zum Beispiel wegen dieses Gesichtsausdrucks:

[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/PmBtkm2xiStMs/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/PmBtkm2xiStMs/giphy.gif"]

Leider gibts den Text nicht online. Aber ich kann sagen, dass er in einer neuen Sitcom mitspielt, die "The Odd Couple" heißt und in die ich bald mal reinschauen muss.

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12:45 Uhr:
Puh, jetzt bin ich etwas entspannter. Mein Alptraum (übrigens kann man das auch mit b schreiben!) ist ja, am Abend im Tagesblog null Herzen zu haben. Hab ich wirklich schon mal geträumt. Ich bin aufgewacht und war voll traurig.

Übrigens bin ich heute allein im Redaktionszimmer, ganz allein! Ich überlege, was ich ganz laut anhören könnte. Oder mit wem ich ganz laut Ferngespräche führen könnte. Oder. Okay, ich bin heut nicht kreativ. Was würdet ihr allein im Büro machen? Oder habt schon allein im Büro gemacht?

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12:22 Uhr
: Herzhaschend versuche ich es jetzt mit Tier-Content. Sehr tollem Tier-Content aber!

http://www.youtube.com/watch?v=wdAELK4huQw

(via Lina Timm)

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(Foto: Juliane Metzker)

12:10 Uhr: Eine Besprechung folgt auf die nächste, dafür gibt es etwas Neues auf der Startseite: Unsere Autorin Juliane hat in Libanon Mariam kennengelernt. Mariam ist lesbisch, was in ihrer Heimat strafbar ist. Darum möchte sie einen schwulen Mann heiraten. "Lavendel-Ehe" nennt sich das Konzept. Wie das funktioniert, lest ihr hier. Sehr spannend, finde ich!

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(Foto: ap)

11:10 Uhr:
Kein Faschingsscherz: In Bolivien demonstrierten Tausende Menschen gegen eine Sendezeitverkürzung der "Simpsons" von zwei Stunden auf 45 Minuten täglich. In der Konferenz ist uns aufgefallen, dass die Serie seit wir denken können dengleichen Sendeplatz hat. Also ziemlich lange schon. Eine Institution quasi wie die Tagesschau. Aber anders natürlich. Für welche Serie würdet ihr auf die Straße gehen? Oder würdet ihr das überhaupt? Ich gucke kaum "richtiges" Fernsehen, drum würde mich das nicht stören. Wenn, sagen wir, "Sherlock", abgesetzt würde, würd ichs mir aber überlegen mit dem Demonstrieren...

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10:45 Uhr:
Noch hat sich der Sockenbesitzer nicht gemeldet. Dafür hab ich was gelernt. Der Duft, wenn nach einer langen Trockenperiode der erste Regen fällt, heißt: Petrichor. Ich hab diesen wudnerbaren Duft ja gleich in der Nase, wenn ich daran denke. Auch wenn draußen Schnee liegt.

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10:00 Uhr:
Hier beginnt gleich die Themenkonferenz. Uns beschäftigt vorab dieses ziemlich unästhetische Foto, das eben über den Redaktionsverteiler geschickt wurde. Wer verliert denn einfach so in der Arbeit eine Socke?





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09:45 Uhr: 

[plugin imagelink link="http://rack.2.mshcdn.com/media/ZgkyMDE1LzAyLzEyLzhiL2phbWllYnJld2VyLjc4MzI4LmpwZwpwCXRodW1iCTEyMDB4OTYwMD4/f196f819/52a/jamie-brewer-nyfw-1.jpg" imagesrc="http://rack.2.mshcdn.com/media/ZgkyMDE1LzAyLzEyLzhiL2phbWllYnJld2VyLjc4MzI4LmpwZwpwCXRodW1iCTEyMDB4OTYwMD4/f196f819/52a/jamie-brewer-nyfw-1.jpg"] (Quelle)

Als ich heut morgen ziemlich lange auf den Bus warten musste, habe ich ziemlich lange meine Faceboo-Timeline runtergescrollt. Und diesen Text gefunden. Jamie Brewer, die junge Frau auf dem Bild oben, schrieb gerade New-York-Fashion-Week-Geschichte. Sie ist das erste Model mit Downsyndrom, das auf der Modewoche üebr den Laufsteg lief. Finde ich großartig, wollte ich einfach mit euch teilen!

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09:35 Uhr:
Ach, lemongreen. Ich muss dich enttäuschen. Wir gehen alle als montagmüde Journalisten. Und ihr so? Ich würd ja schon gern Fotos von euren Verkleidungen sehen.

Ich hätte mich ja als Astronaut verkleidet. Oder als Right Shark (der linke, finde ich, hatte schon genug Aufmerksamheit). 

http://www.youtube.com/watch?v=i1_Pjcnr-pA

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09:15 Uhr:
Hab ich doch glatt vergessen, den Tagesblog auf die Startseite zu packen. Jetzt aber. Mit einem Nachrichten-Update:

* Der mutmaßliche Attentäter von Kopenhagen ist gefasst und war der Polizei bekannt.
* Die Bürgerschaftswahl in Hamburg in einem Satz: Panne für die CDU, viel zu viele Stimmen für die AfD und der merkelige Olaf Scholz bleibt Bürgermeister.
* Alle sind ganz aufgeregt wegen eines Cindy-Crawford-Fotos ohne Photoshop.  
* Gestern wurde YouTube unglaubliche zehn Jahre alt. Die Kollegen bei SZ.de - inklusive Simon und Hakan! - feiern das mit vielen ziemlich tollen Texten.

[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/GXnaqmGcg1CTu/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/GXnaqmGcg1CTu/giphy.gif"]

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08:31 Uhr:
Guten Morgen, liebes jetzt.de! Rosenmontag also. Wer von euch hat das Konfetti schon parat?

[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/6nuiJjOOQBBn2/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/6nuiJjOOQBBn2/giphy.gif"]

Ich halte es wie Chris (dessen super Wochenvorschau ihr unbedingt gleich lesen müsst!): Fasching muss ich nicht haben, nicht mal Germknödelkrapfen. Ich hasse den Karneval (und die Krapfen) nicht, mir ist er nur egal. Seit gestern, und damit muss ich so früh schon ernst werden, habe ich aber Bauchschmerzen, wenn ich an Faschingsumzüge denke. In Braunschweig wurde gestern der Karnevalsumzug wegen einer "konkreten Terrorgefährdung" abgesagt, es gab wohl einen entsprechenden Hinweis aus der islamistischen Szene.

Ich bin krass erschrocken, als ich das im Radio hörte. Bisher hatte ich nie eine konkrete Angst vor Terroranschlägen. Nach den Anschlägen in Paris und Kopenhagen wächst da bei mir zum ersten Mal ein konkretes ungutes Gefühl heran. Wie geht es euch damit?

Karneval in ernster Lage

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Rainer Heinemann dachte an nichts Schlechtes am Sonntagmorgen. Er startete mit der festen Ansicht in den Tag, dass der Braunschweiger Karnevalsumzug Schoduvel wieder ein lustiges Ereignis werden würde mit Musik, Farben, Menschen. Heinemann gehört zum Organisationskomitee des Braunschweiger Karnevals, er ist Zugführer und zuständig für die Verkaufsstände, er war ziemlich beschäftigt mit den letzten Vorbereitungen auf den Umzug, der um zwanzig nach zwölf starten sollte. Doch dann kam die Absage. Mannschaftswagen der Polizei fuhren vor, Heinemann sah, wie bewaffnete Beamte kugelsichere Westen anlegten, und er selbst bekam plötzlich eine ganz neue Aufgabe. „Ich habe den Auftrag, dass ich alle nach Hause schicken soll.“ Rainer Heinemann steht im vollen Ornat seiner Karnevals-Leidenschaft vor der VW-Halle in Braunschweig und versucht, der ankommenden Party-Gemeinde zu erklären, was er selbst nicht verstehen kann. Der Karneval fällt aus wegen einer Terrorwarnung. „Mir fehlen die Worte“, sagt Rainer Heinemann, „traurig, traurig.“



Die Feierstimmung ist verflogen. Statt Festwagen, Konfetti und verkleideter Menschen prägte die Polizei mit massiver Präsenz das Stadtbild.

Selbst größte Faschingsmuffel hat die Nachricht von dieser Absage nicht kaltlassen können, schon gar nicht mit Blick auf die jüngsten Terrorakte in Paris und Kopenhagen. In Braunschweig selbst herrschte eine gespenstische Atmosphäre. Die Altstadt war menschenleer, verlassene Absperrgitter säumten die Straßen, über die eigentlich die bunten Wagen hätten rollen sollen. Eindringliche Durchsagen hallten über den Altstadtmarkt: „Dies ist kein Scherz. Bitte begeben Sie sich umgehend nach Hause.“ Es gab keinen Zweifel, dass die Lage ernst war. Der Braunschweiger Karneval ist der größte Umzug seiner Art in Norddeutschland. Bis zu 250 000 Besucher waren zu erwarten gewesen, 4500 Teilnehmer, mehr als 100 Motivwagen – es ist keine Bagatelle, ein solches Ereignis kurzfristig nicht stattfinden zu lassen.

Die erste Meldung der Polizei am Sonntag um kurz vor elf Uhr war noch dünn. „Aus zuverlässigen Staatsschutzquellen“ sei bekannt geworden, „dass eine konkrete Gefährdung durch einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund vorliege“. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte: „Nach allen mir vorliegenden Informationen war diese Entscheidung der Verantwortlichen vor Ort, in Anbetracht der Gefährdungslage, aber leider absolut notwendig.“ Regierungssprecherin Anke Pörksen fügte hinzu: „Die zuständigen Stellen machen es sich nicht leicht, so eine Veranstaltung abzusagen.“

Nach SZ-Informationen erfolgte die Absage infolge eines Hinweises vom Samstag, den die zuständigen Stellen über Nacht bewerteten und abklärten. Die Faktenlage muss dabei ziemlich eindeutig gewesen sein, es gab keine zwei Meinungen, anders als kürzlich in Dresden, als die dortigen Behörden eine Demonstration der islamfeindlichen Bewegung Pegida absagten. Gleichzeitig war die Bedrohung so konkret, dass die Behörden nicht gleich das gesamte närrische Treiben im Land stilllegen mussten. Alle anderen Karnevalsveranstaltungen bundesweit sollten stattfinden.

Am Sonntagnachmittag gab die Braunschweiger Polizei eine Pressekonferenz. Polizeipräsident Michael Pientka sagte dabei, dass der Hinweis auf einen geplanten Anschlag von „einem Zeugen aus der islamistischen Szene“ gekommen sei. Der Zeuge muss ein bewährter Informant gewesen sein, Pientka sagte, es handele sich dabei um „eine Person, die wir kennen und die wir auch einschätzen können“. Der Anschlag, von dem diese Person sprach, war offensichtlich auf größtmögliche Wirkung angelegt. Michael Pientka sagte: „Nach den uns vorliegenden Informationen verdichteten sich die Hinweise darauf, dass insbesondere der Bereich des Altstadtmarktes eine besondere Bedeutung hat, weil dort die Medien seit Jahren eine Übertragung machen.“

Der Rest des Tages verlief ruhig in Braunschweig. Pientka dementierte Gerüchte, wonach es Bombenfunde und Schüsse gegeben habe. Er sagte auch, dass die Polizei weder Festnahmen noch Hausdurchsuchungen vorgenommen habe. Aber die Ermittlungen gehen weiter nach den Hinweisen aus dem islamistischen Milieu, die Rainer Heinemann und den anderen Karnevalisten den Festsonntag verdorben haben. Die nach Stand der Dinge aber auch eine Katastrophe verhindert haben könnten.

Abschiebung ins Gefängnis

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Die Europäische Union sieht sich wegen ihrer Flüchtlingspolitik neuen Vorwürfen ausgesetzt. Nach Recherchen der ARD und des Magazins Der Spiegel werden regelmäßig Flüchtlinge, die das Territorium der Europäischen Union erreichen, in die Ukraine zurückgedrängt und dort teilweise monatelang inhaftiert. Nach Einschätzung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) werden durch die sogenannten Pushbacks elementare Grundrechte verletzt. Den Flüchtlingen werde offenkundig das Recht versagt, Anträge auf politisches Asyl zu stellen. Die Grünen-Europaparlamentarierin Ska Keller sagte am Sonntag, „die Vorwürfe gehören lückenlos aufgeklärt“. Die EU-Kommission teilte auf Anfrage mit, ihr seien „keine Fälle von spezifischen oder umfassenden Pushbacks bekannt“.



Gewalt gegen Flüchtlinge ist ein dringendes Thema in der Europäischen Union. In einem griechischen Aufnahmelager hat ein pakistanischer Flüchtling Suizid begangen.

Eine besonders pikante Note erhalten die Vorwürfe dadurch, dass die Flüchtlinge in Gefängnissen landen, deren Bau von der Europäischen Union mitfinanziert wurden. In den vergangenen Jahren flossen dafür zweistellige Millionenbeträge aus Brüssel in die Ukraine. Die Schilderungen der Zustände in diesen Anstalten durch frühere Insassen lesen sich grauenerregend. Demnach sei es zu Misshandlungen, Hunger und Folter gekommen. Die hygienischen Zustände spotteten jeder Beschreibung – und führen Angaben der EU-Kommission ad absurdum, wonach die Finanzierung der Gefängnisse dazu dienen solle, die Bedingungen von Flüchtlingen an europäische Standards anzupassen. Zumal sich Flüchtlinge auch in EU-Ländern inhumanen Bedingungen ausgesetzt sehen.

Laut Spiegel erklärte die ukrainische Regierung, ihr lägen keine belastbaren Hinweise auf Gewalt gegen Flüchtlinge vor. Offen war am Sonntag, welchen Einblick die EU-Institutionen in die Lage in den Gefängnissen haben, die sie mitfinanzierten. Die Europaabgeordnete Keller forderte, dass die EU ein Mindestmaß an humanitären Bedingungen verlangen müsse. Gegebenenfalls müsse sie Geld zurückverlangen. Besonders entsetzt zeigte sie sich darüber, dass die EU „bei ihrer Abschottungspolitik nicht davor zurückschreckt, Flüchtlinge in ein Land wie die Ukraine auszulagern, das durch den Krieg mit einem massiven Binnenflüchtlingsproblem zu kämpfen hat“.

In der Kritik steht bislang auch Griechenland. Die neue Regierung kündigte am Wochenende an, dass sie ihr Wahlkampfversprechen wahr machen wolle, die gefängnisähnlichen Aufnahmelager für Flüchtlinge alsbald zu schließen. Nach dem Selbstmord eines pakistanischen Flüchtlings besuchte der stellvertretende griechische Minister für Bürgerschutz, Giannis Panousis, das seit Jahren völlig überfüllte Lager von Amydaleza im Norden Athens. Dort sind hinter Zäunen und Stacheldraht nach Medienberichten mehr als 2000 Menschen zusammengepfercht. Das Lager sei für 900 Menschen ausgerichtet. Panousis sagte, er sei ob der Zustände „von Scham erfüllt.“

Lebt wohl, Wale!

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Erst am Sonntag konnten sich die Helfer sicher sein: 64 Wale hatten sie offenbar gerettet. Zwar mussten sie weitere 134 Tiere, die an der Landzunge Farewell Spit vor der Südinsel Neuseelands gestrandet waren, aufgeben. Aber 64 Grindwalen hatten Tierschützer am Samstag den Weg zurück ins Meer eröffnet. „Die Wale scheinen nicht mehr in der Bucht zu sein“, freute sich am Sonntagabend (Ortszeit) die neuseeländische Umweltbehörde DOC. Und die Tierschützer vom Project Jonah, die am Donnerstag den ersten „Strandungsalarm“ ausgerufen hatten, ergänzten: „Ein Aufklärungsflugzeug hat kein Zeichen mehr von den 64 Walen entdeckt.“



Am Wochenende beförderten Tierschützer 64 der 198 vor Neuseeland gestrandeten Grindwale ins Meer zurück.

Das war nicht selbstverständlich. Schon am Freitag hatten Helfer einige Tiere wieder zum Schwimmen gebracht. Doch die Wale waren unverrichteter Dinge in die Bucht zurückgeschwommen und erneut gestrandet. Deshalb hatten die Tierschützer am Wochenende den befreiten Tieren zunächst skeptisch hinterhergeblickt.

64 gerettete Wale – das war eine Meisterleistung. Allerdings ist auch die Zahl der verendeten Tiere rekordverdächtig: Immer wieder wird die 35 Kilometer lange Farewell Spit, die „Lebewohl-Nehrung“, in der Golden Bay zur tödlichen Falle für Wale. Fast jedes Jahr stranden hier Kolosse. Doch so viele wie diesmal waren es seit Langem nicht. „Es ist die größte Strandung seit zehn oder 15 Jahren“, sagte Mike Ogle, Ranger beim DOC, dem Sender TV3. Auch neugeborene Kälber waren zu sehen.

Das Schicksal der Wale rührte viele Menschen: Rund 500 Freiwillige, darunter Einheimische ebenso wie Touristen, versuchten, die Wale zurück ins Wasser zu bugsieren. Stundenlang bedeckten sie die japsenden Riesen mit Laken und bespülten sie mit Wasser, damit sie nicht austrockneten. Manche buddelten Sand unter den Tieren weg und schoben Decken darunter, um sie ins Meer zu ziehen. Denn die bis zu sechs Meter langen und drei Tonnen schweren Grindwale drohten, von ihrem eigenen Gewicht erdrückt zu werden. Dabei war die Aktion auch für die Helfer gefährlich: Stets mussten sie auf der Hut sein, sich nicht von einer Schwanzflosse erwischen zu lassen. Ein solcher Schlag kann tödlich sein. Am Ende half die Flut den Tierschützern.

Was die Tiere nach Farewell Spit lockt, versuchen Wissenschaftler seit Jahren zu ergründen, ohne eine finale Erklärung anbieten zu können. Ein Grund könnte die Form der Bucht sein: Sie bildet einen Dreiviertelkreis, dessen Ausgang nicht so leicht zu finden ist. Außerdem steigt der Meeresboden in der Bucht sehr langsam an, sodass die Schallwellen, mit denen sich Wale orientieren, schlecht reflektiert werden. Wenn sich ein Tier hierherverirrt, reißt es oft andere mit ins Verderben. Denn Grindwale sind sehr soziale Tiere, die sich gegenseitig nicht im Stich lassen.

Tierschützer fordern die Umweltbehörde daher auf, die Tiere mithilfe von Schallsignalen fernzuhalten. DOC-Mitarbeiter Andrew Lamason sagte jedoch: „Das Letzte, was wir tun wollen, ist, diese Tiere zu stören.“ Dass Wale strandeten, sei zwar traurig, aber natürlich. Die Kadaver der verendeten Tiere sollten deshalb auch nicht vergraben werden, sondern anderen Meerestieren und Vögeln als Nahrung dienen: „So geben wir dem Ozean etwas zurück.“

Der Griechen-Poker

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Der öffentlich zuvorkommend auftretende Jean-Claude Trichet gab sich am 19.November2010 keine Mühe, seine Drohung in diplomatische Worte zu packen. In seinem Brief an Irlands Regierung knüpfte der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) die Gewährung weiterer finanzieller Nothilfen an die Bedingung, dass Dublin ein Anpassungsprogramm umsetze. „Nur wenn wir diesbezüglich eine schriftliche Zusage der irischen Regierung erhalten“, schrieb Trichet, „können wir weitere Nothilfen für den irischen Finanzsektor genehmigen“. Die Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht, die Iren mussten nachgeben, da sie ohne Hilfe der EZB direkt in die Staatspleite gerutscht wären.



Griechenlands Finanzminister Varoufakis hat sich mit EZB-Chef Draghi getroffen - jetzt geht es um eine nachhaltige Einigung für Griechenland.

Inzwischen werden keine Briefe mehr geschrieben. Der amtierende EZB-Präsident Mario Draghi trug dem neuen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis bei seinem ersten Treffen mündlich vor, dass die EZB eine Einigung Griechenlands mit der Euro-Gruppe auf ein Anpassungsprogramm verlangt. Ansonsten könne man das griechische Finanzsystem nicht mehr refinanzieren.

Die Frage, ob, und falls ja, wann Draghi tatsächlich den Stecker für Griechenland ziehen könnte, wird nicht sofort beantwortet werden. Noch beteiligt sich die Notenbank an den technischen Gesprächen mit den griechischen Regierungsvertretern; und auch an der von den anderen Kreditgebern Athens, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Euro-Gruppe, beauftragten Expertengruppe um eine Fortführung der Finanzhilfen für Griechenland.

Ob den technischen Gesprächen, die an diesem Wochenende in Brüssel stattfanden, aber überhaupt konkrete Verhandlungen folgen, stand am Sonntagabend vollständig in den Sternen. Die griechischen Unterhändler „scheinen auf einem anderen Planeten zu leben“, sagte ein hoher EU-Diplomat in Brüssel. Die Chancen, auf dem für diesen Montag angesetzten Treffen der Euro-Finanzminister eine Vereinbarung über die weitere finanzielle Zusammenarbeit zu unterzeichnen, seien „sehr, sehr gering“. Die griechischen Vertreter hätten es auch über das Wochenende nicht geschafft, harte Daten und Fakten vorzulegen, auf Basis deren konkrete Verhandlungen beginnen könnten. Athen braucht bis zum Sommer einen zweistelligen Milliardenbetrag, um Zahlungsforderungen zu erfüllen.

In Athen wurde am Abend ein Regierungspapier bekannt, wonach „Menschen keine Zahlen“ seien. Zugleich hieß es, auf dem Treffen der Euro-Finanzminister werde, wenn überhaupt, eine „Vereinbarung politischer, aber nicht ökonomischer Natur“ unterzeichnet. In Brüssel hieß es daraufhin, die Vorstellungen auf beiden Seiten seien „sehr unterschiedlich“.

Am Sonntagnachmittag bat Premierminister Alexis Tsipras um ein telefonisches Gespräch mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Juncker hatte bereits in den vergangenen Tagen versucht, zwischen den Euro-Partnern und der neuen griechischen Regierung zu vermitteln. EU-Diplomaten werteten das Gespräch als „letzten Versuch“, das Treffen am Montag noch zu retten.

Ursprünglich sollten die technischen Experten beider Seiten am Wochenende die Forderungen der Kreditgeber und von Griechenland schriftlich zu fixieren – und damit eine strukturierte Grundlage für das Treffen der Finanzminister aus den 19 Euro-Ländern vorzubereiten. An diesem Montag von 15 Uhr an wollen die Ressortchefs versuchen, sich auf die weitere Zusammenarbeit zu verständigen.

Dass sich die Experten überhaupt zu „technischen Gesprächen“ trafen, ist einem Einlenken der Euro-Partner zu verdanken. Einerseits semantisch: Das verhasste Wort „Troika“ steht seit Freitag auf einer Art inoffiziellen Sanktionsliste – und wird nicht mehr verwendet. Stattdessen sprechen beide Seiten nur noch von den „Institutionen“ der Kreditgeber. Auch das Wort „Verlängerung“ steht auf der Sanktionsliste. An der Forderung der Euro-Partner an Athen, eine Verlängerung des bestehenden Anpassungsprogramms zu beantragen, scheiterte vergangene Woche die Unterschrift unter die Absichtserklärung zur weiteren Zusammenarbeit. Premierminister Tsipras und Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem einigten sich später auf eine Erklärung, in der keine Rede mehr von einer Verlängerung ist.

Dieses zweite Zugeständnis ist nicht semantisch, sondern auch inhaltlich. In Athen und in Brüssel verlautete, dass eine Verlängerung des bestehenden Programms „nicht entscheidend“ für weitere Finanzhilfen sei. Ein Plan Bsei denkbar: dass beide Seiten eine neue Finanzierung aushandeln, ebenfalls unter strengen Auflagen. Ob die noch im laufenden Anpassungsprogramm vorhandenen und nicht genutzten Kredite in die neue Finanzierung übernommen werden können, ist bisher offen. Einige Euro-Länder sind dagegen, andere verhandlungsbereit.

Auch Draghi wird am Montag in Brüssel dabei sein. Die EZB hat Griechenland die sogenannte Emergency Liquidity Assistance (ELA) bewilligt, zunächst 65 Milliarden Euro. Das wird nicht reichen. Viele Griechen räumen ihre Konten. Athen steht unter Druck: Wenn Draghi den Geldhahn zudreht, ist die Pleite da.

Der Weltversüßer

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Im Italienischen unterscheidet nur eine feine Variation einen Vater von einem Chef, einen Padre von einem Padrone eben. Und in gewissen Fällen geht mit der Zeit auch diese Nuance verloren. Michele Ferrero war so ein Chef, ein väterlicher und auch ein paternalistischer, schlecht im Delegieren und misstrauisch mit den Managern. Bei unternehmerischen Persönlichkeiten wie ihm bemüht man dann gerne die abgedroschene Formel „Chef alter Schule“. Sie passt wunderbar, auch in der Folklore.



Der Erfinder des Überraschungseis aus dem Piemont, Michele Ferrero ist gestorben.

Seine Angestellten im heimischen Alba im norditalienischen Piemont verehrten ihn für seine menschliche Nähe, für seine Bodenständigkeit trotz des Erfolgs, für seine Treue zur Scholle, obschon das Unternehmen über die Jahrzehnte hinweg zum multinationalen Konzern angewachsen war – Produktionsstandorte in zwanzig Ländern, 30000 Mitarbeiter.

Und so werden dem öffentlichkeitsscheuen Weltversüßer, dem Erfinder von Nutella und Mon Chéri, von Kinderschokolade und Ferrero Rocher, Pocket Coffee und Tic Tac, nach seinem Tod mit 89 Jahren viele Hommagen zuteil, die über seine Leistung als Unternehmer hinausgehen. Es sind auch nostalgische Töne dabei. Die Firmengeschichte von Ferrero ist eines dieser klassischen Beispiele aus der Blüte des italienischen Familienkapitalismus, eine Geschichte des Aufstiegs aus der kleinen Provinz in die große Welt.

Es begann in den Vierzigern in einem Konditoreiladen an der Via Rattazzi in Alba, südlich von Turin. Micheles Vater Pietro und dessen Bruder Giovanni führten das Geschäft, man kannte es bald in der ganzen Gegend. Die Brüder hatten die Idee, statt auf reine Schokolade auf nussige Creme zu setzen. Nüsse gab es im Piemont immer in großer Menge. Michele Ferrero lernte Konditor, bildete sich kaufmännisch fort. Mit 32, nach dem Tod des Vaters und des Onkels, übernahm er das Geschäft, verfeinerte die „Hauscrème“ und brachte sie 1964 als Nutella auf den Markt. Der Name sollte italienisch klingen und doch international taugen. Das Rezept war ihm so heilig, dass er es auf Arabisch übersetzen ließ und in einem Büro für geistiges Eigentum in Kairo unterbrachte. Weit weg von möglichen Petzern. Nur so viel weiß man: In jedem 400-Gramm-Glas Nutella stecken 50 Nüsse. Und da Ferrero heute jedes Jahr 350 000 Tonnen des Brotaufstrichs produziert, beansprucht das Unternehmen mittlerweile ein Viertel der gesamten Weltproduktion an Nüssen.

Seine Pionierleistung aber, so jedenfalls sah das Michele Ferrero selbst, war „Mon Chéri“, eine Praline mit einverleibter Kirsche, die er bereits 1956 auf den Markt gebracht hatte – und zwar zunächst einmal in Deutschland.

Der Turiner Zeitung La Stampa erzählte er einmal, er habe die hübsch und einzeln verpackte Schokoladenkonfektion damals in ein versehrtes Land bringen wollen, dessen Menschen noch an den Folgen des Krieges litten: „Diese Praline kam wie ein kleines Geschenk daher, es funktionierte zwischen Verlobten, zwischen Ehefrau und Ehemann, und für das Schenken brauchte es kein Fest und kein Jubiläum.“ Ein Interview war das damals nicht, nur ein Hintergrundgespräch, das La Stampa nun posthum veröffentlicht. Michele Ferrero gab kein einziges Interview. Er äußerte sich auch nie über politische Belange. Es gab nur die Firma, die Familie.
Seine Durchschnittskundin nannte er „Veronica“. Alle Werbung, und er galt auch darin als innovativ, zielte auf die Hausfrau, die zum Einkaufen in den Supermarkt geht. „Veronica!“ Ihre Beschwörung wurde zum Mantra des Unternehmens. Sie war auch 1974 die erste Adressatin, als Ferrero die Ostereier zur Alltagsfreude erklärte – mit dem Überraschungsei für Kinder. Die Kleinstspielzeuge, die da in einer gelben Plastikkapsel im Innern einer Schokoladenhülle versteckt waren, wurden zum Kult. Damit die Mütter und Großmütter ihre Sprösslinge und Enkel auch ganz beruhigt beschenken konnten, bewarb Ferrero das Ei als Milchprodukt mit wenig Kakao.

So wuchs die Gruppe zum Weltkonzern mit einem Umsatz von 8,4 Milliarden Euro. Aus steuerlichen Gründen hat die Holding ihren Sitz mittlerweile in Luxemburg. Oft gab es Gerüchte, Ferrero könnte übernommen werden oder selber Firmen dazukaufen. Doch in Alba entwickelte man sich lieber aus eigener Kraft, auch ohne Geld von der Börse – bis heute ist Ferrero nicht an der Börse notiert. Reich wurde die Familie trotzdem, sehr reich sogar. Für das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes war Michele Ferrero Italiens reichster Bürger. Er war immer ein Arbeiter und Tüftler geblieben, selbst dann noch, als er schon Milliarden verdiente. In Pension ging er nie.

Zu Sitzungen lud er seine Manager mit Vorliebe am Sonntag nach der Messe, der er als strenggläubiger Katholik nie fernblieb, weil die Werktage ja zum Werken und nicht fürs Sitzen gedacht waren. Für seinen Betrieb wählte er mit Vorzug Leute mit nur wenigen Studienjahren aus, weil, wie er zu sagen pflegte, Studieren dumm mache. Noch so ein Bonmot, wie man es von dieser Art Padrone gewohnt ist. Auf dem Land liebten sie ihn für das Fortleben des deftig Provinziellen, immer vorgetragen im piemontesischen Dialekt, das mit ihm auch die rasende Globalisierung überlebte. Prämien zahlte er gerne persönlich aus, mit einem Griff in die Tasche.

Man verzieh ihm sogar, dass er die letzten Jahre im steuerfreundlichen und mondänen Monaco verbrachte. Auch dort ließ er ein Labor einrichten, um sich nicht zu langweilen. Das operative Geschäft hatten unterdessen seine beiden Söhne übernommen. Einer von ihnen, Pietro, starb vor einigen Jahren an einem Herzinfarkt in Südafrika, auf dem Fahrrad. Der andere, der 51-jährige Giovanni Ferrero, leitet nun das Unternehmen. Wie ein Patron, aber ohne die väterliche Aura des Vaters.

Projekt iCar

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Selten hat Apple neue Dinge erfunden: Vor dem iMac gab es andere Computer, vor dem iPod andere Musikspieler, vor dem iPhone andere Mobiltelefone. Apple aber hat all diese Dinge neu erfunden – und die daran verdienenden Branchen durcheinander gebracht. Deshalb dürften die neuesten Spekulationen aus dem Silicon Valley die Autobranche aufschrecken, selbst wenn sie bislang nicht mehr sind als eben dies: Spekulationen.



Apple liefert bereits Elektronikfür Autos. Jetzt soll der ein eigenes Fahrzeug entwickeln.

Apple soll mit der Entwicklung eines Elektroautos begonnen haben. Ein Apple-Team aus mehreren Hundert Leuten arbeite bereits abgeschieden an einem Auto mit Elektroantrieb, berichtetet nun das Wall Street Journal. Die etablierten Autohersteller würden damit nicht nur einen neuen Konkurrenten bekommen – sondern ausgerechnet einen Konkurrenten mit gut gefülltem Geldspeicher und der genialen Fähigkeit, aus einem Produkt, an dem sich schon viele versucht haben, einen echten Bestseller zu machen.

Bei dem Projekt mit dem Arbeitstitel „Titan“ gehe es nicht nur um die Entwicklung von Software oder einzelner Komponenten, sondern um den Bau des kompletten Fahrzeuges, verlautet aus dem Konzern. „Es scheint so, dass Apple nur wenig Hilfe von Autobauern will“, sagte eine mit den Plänen vertraute Person. Das ist typisch für Apple: Bei der Entwicklung seiner Produkte, bei seinem wichtigsten Umsatzbringer, dem iPhone, ebenso wie bei seiner neuen Hoffnung, der Apple Watch, meidet das Unternehmen Partnerschaften mit anderen, so weit es nur irgendwie geht. Während Autohersteller ihre Fahrzeuge zumeist in eigenen Fabriken bauen, lässt Apple seine Geräte bei Auftragsfertigern in China zusammenschrauben. So könnte es der Technologiekonzern auch bei einem iCar handhaben. Dazu passen die Gerüchte passen, wonach sich ein Apple-Team mit dem österreichischen Auftragsproduzenten Magna Steyr getroffen haben soll.

Für Apple haben solche Alleingänge gleich zwei Vorteile: Zum einen muss der Konzern von seinen üppigen Gewinnen nicht allzu viel abgeben. Zum anderen kann das Unternehmen, weil es die Kontrolle über Hard- und Software hat, beides perfekt aufeinander abstimmen. Das erleichtert den Kunden nicht nur die Handhabung, was gerade bei komplexen Dingen wie einem Auto entscheidend sein dürfte. Es hält den Kunden auch in einer Art goldenem Käfig: Schon heute kaufen Millionen Menschen passend zum iPhone nicht nur ihre Apps, sondern auch Musik oder Filme in Apples digitalem Laden – und buchen dafür Speicherplatz ebenfalls bei Apple. So sorgt der Konzern dafür, dass seine Kunden das Apple-Universum immer seltener verlassen. Und mit jeder Erweiterung verdient er noch etwas mehr.

Wird Apple nun also auch noch die Rolle des Kfz-Mechanikers übernehmen?

Nun ist es kniffliger, ein Auto zu fertigen als ein Handy. Und, so betonen selbst Insider, bis zur endgültigen Umsetzung des Projekts könnte es noch Jahre dauern. Allzu sicher können sich die Autofertiger trotzdem nicht sein. Tesla habe belegt, dass auch ein Neueinsteiger Autos bauen könne, sagt Thilo Koslowski, Autoexperte beim Marktforscher Gartner. Und das sei erst der Anfang. „Die Technologiefirmen verstehen mittlerweile, wie wichtig das Auto im Puzzle des digitalen Lebens ist.“ Auch der Internetkonzern Google forscht schon eine Weile an selbstfahrenden Autos.

Die Pläne von Apple sollen bereits weit gediehen sein. Derzeit werde das Design eines Minivans in einer geheimen Anlage im Silicon Valley entworfen, heißt es. Dort sollen bereits Hunderte Menschen beschäftigt sein. Projektchef Steve Zadesky dürfe ein Team von bis zu 1000 Leuten zusammenstellen. Zu Apple gewechselt sei bereits der bisherige Chef der Entwicklungssparte von Mercedes-Benz im Silicon Valley, Johann Jungwirth.

Ein Konzernsprecher nannte die Details „Gerüchte und Spekulationen“. Auch das ist übrigens typisch für Apple: Ehe der Konzern selbst ein neues Produkt präsentiert, gibt es erst einmal allerlei Spekulationen.

Ich liebe Frauen, ich suche einen Mann

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Nachdem Mariam Khalil ihren Eltern vorgestellt hat, ist es still im Raum. Das junge Paar sitzt etwas schüchtern auf dem Sofa. Dann endlich sagt die Mutter, dass sie findet, dass die Beiden sehr gut zusammenpassen. Mariam antwortet mit einem nervösen Lächeln und verschüttet beinahe den Kaffee, den sie sich gerade einschenkt. Nach dem Abendessen verabschiedet sich das Paar mit Küsschen links, Küsschen rechts. Als Mariam die Tür hinter Khalil schließt, steht ihre Mutter zufrieden daneben. Endlich wird ihre einzige Tochter unter die Haube kommen. Was sie nicht weiß: Ihr Schwiegersohn in spe ist schwul. Und Mariam ist lesbisch. Nicht nur ihre Mutter darf davon nichts wissen. Niemand darf es erfahren. Denn hier im Libanon ist Homosexualität noch immer strafbar. 



Mariam lebt in Beirut, hier lernte sie ihre erste große Liebe kennen: Doch ein lesbisches Paar hat in Libanon keine Zukunft.

Der Nachmittag bei Mariams Eltern ist jetzt zwei Jahre her. Die 25-Jährige erinnert sich aber noch sehr gut daran. An das Herzklopfen, die feuchten Hände, die Angst, der Schwindel könnte auffliegen. „Lavendel-Ehe“ nennt sich das Konzept, in dem ein Schwuler eine Lesbe oder Heterofrau heiratet, um seine Sexualität geheim zu halten. Eine Ehe ohne Sex wird als weiße Ehe bezeichnet, der abgewandelte Begriff der Lavendel-Ehe hat sich über Jahrzehnte hinweg in der Homosexuellenszene entwickelt – angeblich war der Lavendelstrauß im frühen 20. Jahrhundert ein Erkennungszeichen unter Homosexuellen. Berühmtheiten wie Oskar Wilde und Elton John sollen Lavendel-Ehen mit heterosexuellen Frauen geführt haben. Seltener kommt es vor, dass beide Partner homosexuell sind wie Mariam und Khalil. 

Im Libanon kämpfen einige Aktivisten für mehr Toleranz gegenüber Homosexuellen. Seit mehr als zehn Jahren setzt sich Helem (dt. Träume) als erste arabische Organisation für die Interessen der lesbischen, schwulen, bi- und transsexuellen Szene (LGBT) ein. Sie geht vor allem gegen Artikel 534 des Strafgesetzbuches an, der besagt, dass „unnatürliches Sexualverhalten“ mit bis zu einem Jahr Gefängnis geahndet werden kann. Auch gleichgeschlechtlicher Sex kann angezeigt und bestraft werden. 

Helems Bemühungen zeigen erste Erfolge: 2012 schaffte das Justizministerium die Rektaluntersuchung bei Verdacht auf homosexuelle Handlungen ab und ein Jahr später gab die libanesische Psychiatrie-Vereinigung bekannt, dass sie Homosexualität nicht länger als mental-geistige Störung einstuft. Die Lavendel-Ehe dürften die Aktivisten von Helem allerdings kritisch sehen – denn sie fordern von den libanesischen LGBTs mehr Offenheit, anstatt sich zu verstellen. 

„Meine Eltern dürfen niemals erfahren, dass ich lesbisch bin“, sagt Mariam, als sie am Abend in einer Beiruter Künstlerkneipe sitzt. Sie ist eine hübsche, zierliche Frau mit wallender Lockenmähne. Um den Hals trägt sie eine Kette mit einem silbernen Kreuz daran. Mariam ist sehr religiös. Ihre Mutter ist griechisch-orthodox und der Vater syrisch-maronitisch. Die Maroniten sind eine der größten christlichen Religionsgemeinschaften im Libanon. Mariam wuchs mit der Kirche auf, besuchte jede Woche den christlichen Jugendkreis. Bis heute praktiziert sie ihren Glauben. Doch für sie ist er etwas Privates, anders als für ihre Eltern, die Teil der konservativen libanesischen Gesellschaft sind. 

Mariam hat große Angst, dass die Familie sie verstoßen könnte, käme heraus, dass sie auf Frauen steht. Im Libanon werden Homosexuelle gesellschaftlich geächtet. Und vor allem im Berufsleben kommt man nur schwer ohne das sogenannte „wasta“ voran: die Vetternwirtschaft und Kontakte der Familie. Für Mariam gibt es deshalb nur einen Ausweg: „Meine Familie erwartet, dass ich bald heirate. Eine Lavendel-Ehe würde den gesellschaftlichen Druck von mir nehmen.“ 

Mit 15 verknallte sich Mariam das erste Mal in eine Mitschülerin. „Ich wusste nicht so richtig, was das bedeutete. Niemand hatte mir erzählt, dass Mädchen auch Mädchen lieben können“, sagt sie. Mit 16 vertraute sie sich einem Freund an, der ihr ein Jahr später gestand, dass er schwul ist. Zusammen suchten sie nach Gleichgesinnten und fanden das Acid. Der Underground-Club eröffnete in den Neunzigern, kurz nach dem Ende des 15-jährigen libanesischen Bürgerkrieges, und war lange Zeit der einzige seiner Art in Beirut.  

„Die Nächte im Acid waren irre. Ganz Nahost flog in den Libanon, nur um dort zu feiern. Es gab einen Haufen Drogen. Arm und Reich, Lesbisch und Schwul tanzten bis in den Morgen“, sagt Mariam. Die Behörden schlossen das Acid mehrere Mal wegen Prostitution und Drogengeschäften. Doch der Clubbesitzer verfügte über viel „wasta“ und eröffnete immer wieder neu. Erst 2010 zwang ihn die Stadt, das Acid endgültig aufzugeben. 

Mariam traf im Club ihre erste große Liebe. Ihren Eltern erzählte sie, dass die neue Partnerin lediglich eine gute Freundin sei. Daher sagte niemand etwas, wenn die beiden Mädchen sich in Mariams Zimmer zurückzogen. Um wirklich ungestört zu sein, fuhren sie hoch in die Berge über Beirut. Obwohl die Beziehung gut lief, machte Mariam nach drei Jahren Schluss, weil sie keine Zukunft mit ihrer Freundin sah: „Eine lesbische Liebe im Libanon ist zum Scheitern verurteilt. Am Ende stehen kein Happy End, keine Heirat und keine Kinder.“ 

Dann traf sie auf einen schwulen Libanesen, der ihr das Konzept der Lavendel-Ehe erklärte. „Er erzählte mir etwas von einer Fake-Ehe. Wir würden heiraten, Kinder bekommen, all das nur, um den Schein zu wahren.“ Mariam will eines Tages Kinder haben. Daher gefiel ihr der Plan sofort: Sie würde eine Familie gründen und nebenher Beziehungen zu Frauen führen können. Doch mit ihr und dem schwulen Mann wurde es nichts. Nach gerade mal drei Dates brach sie den Kontakt ab. „Ich war für ihn nur ein Projekt – das fehlende Teil in seinem Puzzle. Ihm ging es nicht um mich als Person.“ Von da an setzte sich Mariam in den Kopf, den perfekten schwulen Ehemann zu finden. Er dürfte nicht zu feminin wirken, müsste, wie sie, gläubig und gebildet sein, und natürlich sollte es auch menschlich passen. 

>>> Flirt-Apps für Homosexuelle werden im Libanon mehr und mehr zu schwul-lesbischen Heiratsbörsen.

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Dass jemand so offen über die Lavendel-Ehe im Libanon redet wie Mariam, ist selten.


An schwulen Anwärtern mangelt es im Libanon nicht. Vor allem in Flirt-Apps wie „Grindr“ für Schwule und „Brenda“ für Lesben wimmelt es von Heiratswilligen. Die Plattformen entwickeln sich mehr und mehr zu schwul-lesbischen Heiratsbörsen. Auch Mariam benutzt die Apps, um Frauen und potenzielle Ehemänner kennenzulernen. Sie klickt auf ihrem Smartphone auf den neuesten Eintrag: „Lavendel-Ehe: Ich suche nach einer Frau, die heiraten und Kinder möchte. Ich tue das nicht nur für meine Familie, sondern auch für mich.“ Sie speichert den Kontakt. In den letzten Monaten hat Mariam fünf schwule Männer gedatet. Zwei von ihnen möchte sie wiedersehen. 

Dass jemand so offen über die Lavendel-Ehe im Libanon redet wie Mariam, ist selten. Zu groß ist die Angst, dass das geheime Leben auffliegen könnte. Während der Recherche in den einschlägigen Flirt-Apps schreibt eine Userin auf Anfrage: „Lasst uns in Ruhe! Dass es die Lavendel-Ehe im Libanon gibt, darf niemand wissen.“ Doch Mariam will, dass ihre Geschichte publik wird. Sie selbst kennt niemanden, der in einer schwul-lesbischen Beziehung lebt, aber sie ist sich sicher, dass im Libanon schon viele solcher Arrangements existieren. Die Offenheit im Umgang mit dem Thema ist ihr kleiner Kampf gegen die Repression von Homosexuellen in ihrer Heimat – ein letztes Aufbäumen, bevor sie sich den gesellschaftlichen Zwängen ergibt und einen, wenn auch schwulen, Mann heiratet. 

Ein Jahr nach dem Ende ihrer ersten richtigen Beziehung trat Khalil in Mariams Leben. „Er übertraf all meine Erwartungen. Er war charmant, gut aussehend, lustig und selbstverständlich schwul. Bei unserem ersten Date saßen wir stundenlang in einem kleinen Kaffee am Meer“, erzählt sie. Zwischen den beiden hat es sofort gefunkt. Khalil teilte dieselbe Vorstellung von einem gemeinsamen Leben. Er wollte Kinder und eine Partnerin an seiner Seite. 

Mariam und Khalil wurden beste Freunde. Nach einem halben Jahr machten sie ihre Beziehung offiziell. Mariam erzählte sogar ihren engsten Freunden, dass sie nun einen Mann liebte. Die hielten das anfangs für einen schlechten Scherz, doch je länger die Beziehung dauerte, desto glaubwürdiger wurde die Geschichte. Und tatsächlich waren da Gefühle, die über eine bloße Freundschaft hinausgingen: „Manchmal hatte ich Schmetterlinge im Bauch, wenn ich an ihn dachte. Wir spürten, dass wir zusammengehören.“ Mariam hatte zwar immer noch Dates mit Frauen, aber Khalil war ihre Priorität. 

Nach einiger Zeit schlichen sich dennoch erste Zweifel ein. Die zwiespältigen Gefühle füreinander gewannen die Oberhand. Sie stritten häufiger wegen Kleinigkeiten. Darüber verloren sie den großen Plan aus den Augen: Heirat und Kinder. Plötzlich war alles doppelt kompliziert. Nach einem Jahr zog Khalil den Schlussstrich. 

Ist Mariams Projekt damit gescheitert? Sie schüttelt energisch den Kopf. „Ich weiß nun, dass es in meiner nächsten Beziehung mehr Kommunikation und Planung braucht. Wir müssen uns frühzeitig auf die Hochzeit und unser gemeinsames Leben vorbereiten.“ Und wie stellt sie sich das später mit dem Kinderkriegen vor? Mariam lacht. „Eine Flasche Tequila, dann Augen zu und durch.“ Es wäre für sie das erste Mal mit einem Mann. Doch nach ihrer Erfahrung mit Khalil schließt sie nicht aus, irgendwann für ihren Partner so zu empfinden, dass auch eine physische Beziehung kein Problem wäre. Das ist aber nicht ihre Absicht. Sie liebt Frauen und alles andere ist pure Spekulation. 

Am nächsten Morgen macht sich Mariam auf den Weg in die Berge. Dort gibt es einen Ort, der ihr viel bedeutet: Harrisa, eine Pilgerstätte für Christen aus aller Welt. Eine meterhohe weiße Madonnenstatue – im Volksmund „Lady des Libanon“ genannt – thront dort über der Küste des Mittelmeers. „Jedes Mal, wenn ich hierher gekommen bin, hat ein neues Kapitel in meinem Leben begonnen. Dann bete ich zu Gott oder danke ihm“, sagt Mariam.  Sie steigt die Stufen hinauf, die sich um den Turm zur Lady des Libanons winden. Oben angekommen holt Mariam einen Stift aus der Tasche und schreibt etwas auf das Podest. In etlichen Sprachen stehen dort Botschaften zu den Füßen der Madonna. Was schreibt Mariam? Sie lächelt geheimnisvoll: „Meinen Namen, einen anderen Namen und ein Dankeschön.“ Mehr will sie nicht verraten. Vielleicht ist es der Name eines Mannes, vielleicht der einer Frau. 

Zu jung – Zu alt (3)

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...für Für-immer-Beziehungen. Ich mag lange Beziehungen. Aber gerade mag ich es noch mehr, wenn sie vorbei sind. Man hat dann eine schöne gemeinsame Zeit hinter sich und gleichzeitig hat man eine schöne Zeit vor sich, die man ganz für sich allein hat. Du wirst nicht mehr mit der Frage begrüßt, wo denn dein Partner ist – endlich wieder eine eigene Identität. Keine Diskussionen, wer zu wessen Verwandtschaftsfeier muss. Du bist auf Feiern nicht mehr eines von diesen Pärchen, die brav nebeneinander sitzen. Er darf nichts trinken, weil sie dabei ist. Sie darf sich nicht mit anderen Kerlen unterhalten, weil er dabei ist. Und einer von beiden will immer früher nach Hause und weil man das als Pärchen eben so macht, gehen beide.  

Es gibt wieder so etwas wie Platz für Eigenheiten: Ja, ich muss manchmal fünf Outfits anprobieren, um mich dann für ein ganz anderes zu entscheiden. Das hat gefälligst niemanden zu stören. Und niemand sollte erwarten, dass man mit vollkommener Sicherheit sagt: „Das ist die Liebe meines Lebens.“ Manche in meinem Alter können sicher ziemlich gut jetzt schon „für immer“ sagen. Aber ich weiß oft noch nicht mal, wie meine nächste Woche aussieht. Für „für immer“ fühle ich mich echt noch zu jung.

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...für das Perverse-Wörter-Spiel. Eigentlich. Es funktioniert so: In einem Text Wörter und Wortteile markieren, die irgendwie pervers klingen. Angefangen habe ich damit in der Schule, in einer banalen Unterrichtsstunde mit einem dieser Arbeitsblätter, bei denen häufig Punkt und Komma falsch gesetzt sind und kein Mensch versteht, worum es geht. Der Klassiker ist „ei“. Viel besser sind aber die nicht so offensichtlichen Wörter. Ich kann da stundenlang drüber kichern. Ich sehe mich schon, wenn ich irgendwann einen Job in einem riesigen Unternehmen habe, das erste Mal in Kostüm und High Heels in einem Meeting sitze, wichtige Unterlagen durchblättere und laut lache. Wenn ich gefragt werde, was los ist, kreische ich: „Da steht Achten Sie immer auf Ihre EinSTELLUNG!“ Wahahaha.

Ich kann damit einfach nicht aufhören, dabei bin ich echt aus dem Alter raus. Und ich schäme mich auch ein bisschen, dass mein Humor an diesem Punkt stehen geblieben ist. Aber bei Witzen wie „Ich komm um drei und um fünf zu dir“, kann ich mich nicht halten. Wahrscheinlich kommt aber bald mal der Punkt, an dem ich so was nicht mehr gut finde. (Vielleicht kommt er aber auch nie.)

"Wir sind alle nur Gurken"

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jetzt.de: Moritz, du bist Soziologe, Philosoph und Statistiker – kommt man mit so einer Studienkombi zwangsläufig auf lustige Ideen?
Moritz Trautner: Ich finde, die Idee liegt auf der Hand, wenn sich da irgendwelche Patrioten gegen die Übernahme des Abendlandes durch Muslime zusammenraufen. Wir nutzen natürlich das Stilmittel Parodie um zu zeigen, wie irrational die Ängste von Pegida sind. Aber ich begreife mich schon als Weltbürger und wenn man sich dann fragt, wovor man Angst haben kann, dann bleiben dann nur das Weltall und andere Planeten und Galaxien.

Es sind also nicht die von der CSU gefürchteten Rumänen oder die von  Pegida gefürchteten Muslime, die uns Arbeitsplätze wegnehmen könnten, sondern... Aliens?
Ist doch ganz klar! Ein Rumäne, der nach Deutschland kommt – wie soll der mir denn den Arbeitsplatz wegnehmen? Der hat auf dem Arbeitsmarkt ja viel schlechtere Chancen als ich, viel weniger Netzwerke und er ist der Sprache oft nicht so mächtig. Da droht wirklich keine Gefahr. Wenn aber ein Außerirdischer kommt, der mit Gedankenkraft Supermarktregale in Windeseile einräumt oder ein Fließbandarbeiter mit sechs Armen, das sind echte Gefahren für menschliche Arbeiter.



Cristiano Ronaldo ist eigentlich ein Alien, sagt Moritz von WEGÜDA (Weltbürger gegen die Übernahme durch Außerirdische).

Was wollen die Aliens denn hier?
Das weiß man natürlich nicht so genau, aber Hippie-Aliens, wie zum Beispiel die jamaikanischen Aliens, von denen ging noch nie ein Krieg aus. Aber die, die mit Schiffen in andere Länder fahren, die wollten immer erobern und besiedeln. Die Menschheit hat noch nie irgendwohin ein Schiff geschickt, um dort dann Freundschaft zu schließen oder sich kulturell auszutauschen! Es ging immer um Eroberung. Deswegen: Die Außerirdischen, die zu uns kommen oder schon da sind und als Schläfer auf der Erde leben, die wollen die Erde erobern. Vielleicht auch, weil sie ihren eigenen Heimatplaneten zu Grunde gerichtet haben.

Die Kontaktadresse auf euer Facebook Seite ist die NASA. Ist das eure Zentrale zur Verteidigung der Welt?
Das kann ich nicht bestätigen, aber dementiere es auch nicht...

Ihr schätzt, dass zwischen 0 und 0,8 Prozent Aliens auf der Erde leben - die Zuwanderung sei dabei seit Jahren konstant. Wen konnte man denn bislang schon entlarven?
Eindeutig konnte noch niemand entlarvt werden. Am meisten in Verdacht steht Cristiano Ronaldo, weil er unmenschlich Fußball spielt. Bei welchem Verein spielt er? Bei Real Madrid, die auch „die Galaktischen“ genannt werden. Darauf muss man achten ­– es gibt Signale, die muss man halt lesen können. Deswegen ist es auch eine große Unverschämtheit, dass er als Weltfußballer ausgezeichnet wurde. Das hätte nicht passieren dürfen, denn er stammt nicht von dieser Welt.

Gibt es noch jemanden, bei dem ihr so eine Ahnung habt?
Ja, diese Oertel da, von Pegida! Ich hab die in einer Talkshow gesehen und dann erfahren, dass sie Mitte dreißig ist. Das kann einfach nicht sein! Wir diskutieren hier natürlich viel, da kommen wir von Helene Fischer über Angela Merkel bis zu Dieter Bohlen. Der wird von Jahr zu Jahr jünger. Wie geht das denn? Das ist schon wie bei Benjamin Button: Das kann nicht menschlich sein. Und wenn irgendetwas nicht menschlich ist, dann bleibt nur außerirdisches Leben übrig.

Ihr sagt, die Aliens bekommen Unterstützung - vom „Lügenkino“ aus Hollywood. ET,  Mr. Spock, Alf - die sind entweder leicht besiegbar, zu Verhandlungen bereit oder sogar ganz friedlich eingestellt.
Außerirdische wollen erobern. Ich kenne keinen Kinofilm, in dem am Ende die Außerirdischen gewinnen und die Menschheit aufgefressen oder versklavt wird! Es gewinnen immer die Menschen, und selbst bei "Mars attacks!", wo die Menschen klar unterlegen sind, gewinnen sie am Ende trotzdem – durch Busse mit Volksmusik, die durch die Gegend fahren und den Aliens die Köpfe platzen lassen. Das ist doch total unrealistisch!

Bislang habt ihr 46 Facebook-Likes. Sieben Leute wollen zur Demo heute Abend am Frankfurter Tor in Berlin kommen.
Wir haben natürlich noch andere geheime Quellen, die von Außerirdischen nicht so leicht zu überwachen sind wie Facebook. Diese sieben Anmeldungen sind Tarnung und sollen die Außerirdischen davon abhalten, eine größere Gegendemo zu starten. Das Ziel ist, dass wir 150 Leute werden, sodass die Polizei die Karl-Marx-Allee sperren muss. Das wäre ein schöner Erfolg. Wir wollen nämlich verkünden: „Wir sind die Welt. Wir sind die Menschen“- wie das schon der große Philosoph Michael Jackson sagte. Wir haben nur einen Planeten, die Erde, und den lassen wir uns nicht wegnehmen.

Sind noch weitere Montagsdemos geplant?
Nein, es soll kein regelmäßiger Termin werden, sondern ein Zeichen. Ich könnte mir vorstellen, dass man das jeden Rosenmontag in Berlin macht. Es waren harte Verhandlungen mit der Polizei, inwieweit man sich überhaupt verkleiden darf, weil ja das Vermummungsverbot gilt: Also wenn man sich als Tiger schminkt oder als Pirat mit Augenklappe mitdemonstriert, dann  könnte das dagegen verstoßen – dabei ist doch Rosenmontag.

Elektro-magnetische Strahlung und Katy Perrys Song "E.T." locken eurer Meinung nach Außerirdische an. Was wird denn auf den Schildern zu sehen sein, die ihr auf die Demo mitnehmt?
Wir wollen ein Bewusstsein schaffen und sagen: Wehret den Anfängen! Kornkreise zum Beispiel sind nur der Beginn. Den Aliens, die schon auf der Erde sind, muss ein klares Zeichen entgegengesetzt werden mit „Aliens go home“. Die Bevölkerung wollen wir mit Sprüchen wie „Kein Asyl für Aliens“ und „Keine Macht für Außerirdische“ aufrütteln.

Die Erde ist ja euer absoluter Lieblingsplanet. Wenn sich die Völker im Kampf gegen die Aliens verbünden würden, wären Kriege wie in der Ukraine sinnlos?
Natürlich – und das ist auch genau das Ziel: Dass der Ukrainer und der Russe begreifen, dass sie genau derselbe Quatsch mit Soße sind wie wir alle. Wir sind alle nur Gurken! Die eine ist nach rechts gebogen, die anderen nach links, die einen sind grüner, die anderen gelber, die einen ein bisschen größer, die anderen etwas kleiner. Aber wir sind alle Gurken! Im Spiegel mit den Außerirdischen können wir erkennen, wie ähnlich wir uns sind, dass wir gemeinsame Interessen haben und diese dann auch verteidigen.

Wir machen also die Erde dicht, suchen uns einen Feind in einem anderen Kosmos und dann haben wir eine einzige Gesellschaft nach Luhmanns philosophischen Ideal?
Das ist ein Ziel, auf das wir zuarbeiten sollten. Wir werden bestimmt Jahre brauchen. Aber irgendwann muss man ja mal anfangen.

WEGÜDA-Demonstration am Montag, 16.2., in Berlin. Beginn um 18:30 Uhr am Frankfurter Tor.

Kraut und Rüben

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Jacob Weiner würde gern eine kleine Revolution auf dem Acker anzetteln. Er hält nichts von der klassischen Reihenformation der Pflanzen. „Kulturpflanzen können sich viel besser gegen Unkräuter durchsetzen, wenn sie statt in Reihen gleichmäßig über das Feld verteilt stehen, wie die Knoten eines Drahtgitters, und wenn sie insgesamt dichter gesät werden“, sagt der Pflanzenwissenschaftler von der Universität Kopenhagen. Die Pflanzen könnten dann schnell Blattwerk in alle Richtungen bilden, nackten Boden beschatten und das anfangs meist langsamer wachsende Unkraut verdrängen.



Auf den meisten Äckern sieht es sehr ordentlich aus und es konventionelle Pestizide eingesetzt - dabei gibt es Alternativen.

Einen Beleg dafür lieferten Weiner und sein Fachkollege César Marín von der Universität von Bogotá, Kolumbien, kürzlich im Fachblatt Weed Research. Die Forscher hatten auf kolumbianischen Feldern Maiskörner in verschiedenen Anbaumustern und Saatdichten verteilt, dazu in jeder Testparzelle auch Unkrautsamen. Auf der Siegerfläche standen die grünen Maispflanzen gleichmäßig verteilt und etwa zu zehnt auf einem Quadratmeter statt wie sonst zu acht. Nach einem Jahr wuchs fast 80 Prozent weniger Unkraut als in der Standard-Reihensaat, im zweiten Jahr waren es noch knapp 60 Prozent weniger. Die Maisernten fielen in beiden Jahren um 45 Prozent höher aus. In früheren Untersuchungen Weiners hat sich die Strategie auch mit Weizen auf dänischen Feldern bewährt, wenngleich der Krautwuchs dort nur um 30 Prozent reduziert werden konnte.

Ziel der Methode ist es vor allem, mit weniger chemischen Unkrautvernichtern auszukommen. Allein in Deutschland wurden 2012 dem Umweltbundesamt zufolge ungefähr 20 000 Tonnen und damit mehr Herbizide denn je verkauft. Sie verschmutzen Gewässer und schaden Tieren und Pflanzen. Auch haben mehrere Hundert Unkräuter mittlerweile Abwehrmechanismen entwickelt und sind gegen die meisten Wirkstoffe resistent. Bodenschonende Verfahren wie die Direktsaat, bei denen Landwirte komplett auf klassisches Pflügen verzichten, verschlimmern das Problem noch.

Knapp 40 Prozent der deutschen Felder wurden im Jahr 2010 bodenschonend beackert. Zwar erodieren diese Böden nicht so schnell, es gehen weniger Nährstoffe und Wasser verloren, und der Betrieb spart Zeit und Geld; doch auch das Unkraut profitiert, es kann ungestört Fuß fassen.

Hinzu kommen Monokulturen, die es Unkräutern ebenfalls leicht machen. Sie sind weit verbreitet: So wuchs in Niedersachsen 2010 auf fast der Hälfte aller Maisanbauflächen und einem Drittel aller Weizenfelder mehrmals nacheinander die gleiche Kulturpflanze, wie Forscher der Universität Göttingen 2013 im Journal of Plant Diseases and Protection berichteten.

„Eine Trendumkehr ist dringend nötig“, sagt Herwart Böhm vom Thünen-Institut in Westerau. Variantenreiche Fruchtwechsel könnten ebenso wie Weiners Saatmuster das Unkraut unterdrücken. Zum Teil schreibt die EU sie zwar bereits vor: Seit Januar müssen Landwirte mit größeren Betrieben mindestens zwei oder gar drei verschiedene Ackerfrüchte im Jahr anbauen. Aber auf bis zu drei Vierteln ihres Landes dürfen sie sich weiter auf eine Pflanze beschränken und auch über Jahre das Gleiche anbauen. „Idealerweise wechseln in einer Fruchtfolge Pflanzen, die zu unterschiedlichen Zeiten ausgesät werden, und verschiedene Kulturarten“, sagt Böhm. Bauern könnten abwechseln zwischen Getreide, Blattfrüchten wie Raps oder Mais, Hackfrüchten wie Kartoffeln oder Zuckerrüben und Hülsenfrüchten, etwa Ackerbohnen, Erbsen oder Lupinen.

Der dänische Forscher Weiner hofft, dass die Tage des Spritzens und Hackens gezählt sind und die Pflanzen sich bald allein gegen das Unkraut zur Wehr setzen können: „Wenn Saatmuster und Fruchtfolgen ideal auf die Wetter- und Bodenbedingungen vor Ort abgestimmt sind, könnte das gelingen“, sagt er.

Allerdings ist schon seit Jahrhunderten bekannt, dass Abwechslung den Boden fruchtbar hält und das Unkraut eindämmt. Trotzdem bauen viele Bauern nur wenige Kulturen an. Denn auf den Acker kommt, was möglichst viel Geld bringt. Zum Beispiel Mais, der als Energiepflanze für die Biogas-Produktion begehrt ist. Außerdem ist der Ertrag bei Weizen oder Mais deutlich größer als bei anderen Kulturen. Und die Schere geht weiter auf, weil Agrarkonzerne sich auf die Züchtung derjenigen Pflanzen konzentrieren, die weltweit massenhaft angebaut werden.

So bringen Weizen und Mais in Deutschland heute zwei- bis dreimal so hohe Erträge pro Hektar wie 1960. Dahinter bleiben beispielsweise Bohnen, Erbsen und andere Hülsenfrüchte immer weiter zurück. Entsprechend unattraktiv sind sie für Bauern: In den vergangenen zehn Jahren sind die Anbauflächen für Hülsenfrüchte um mehr als die Hälfte geschrumpft.

Mit einer Eiweißpflanzenstrategie will das Landwirtschaftsministerium die Forschung und Anbaumethoden auch für diese Kulturen voranbringen, damit Ertrag und Anbaufläche wieder steigen. Bohnen, Erbsen und ihre Verwandten haben neben der Unkrautbekämpfung schließlich noch andere Vorteile: Sie erhöhen den Nährstoffgehalt des Bodens, sparen Stickstoffdünger und Sojaimporte für Futtermittel.

Es gibt noch weitere einfache Wege, wucherndes Ackerkraut in Schach zu halten. „Wir haben einen ganzen Baukasten an Werkzeugen, man muss sich nur bedienen“, sagt Böhm. Sehr wirkungsvoll sei es beispielsweise, verschiedene Kulturen gleichzeitig auf einem Acker anzubauen, etwa Hafer und Ackerbohnen. Man könne auch Klee oder Gräser aussäen, zusätzlich zur Hauptkultur oder zwischen Ernte und nächster Saat. Sie machen Unkräutern den Platz streitig, ohne die Erträge zu senken.

„Eine geschickte Sortenwahl kann ebenfalls helfen“, sagt der Thünen-Forscher. So werfen manche Weizen- oder Gerstesorten mit waagerechtem Blattwuchs mehr Schatten und wirken so dem Unkrautwuchs stärker entgegen als solche, deren Blätter eng am Halm nach oben wachsen. Auch Pflanzen, die in ihrer Jugend besonders schnell gedeihen, können sich besser gegen unerwünschtes Beikraut durchsetzen. Böhm und seine Kollegen plädieren deshalb schon seit Jahren dafür, einen Unkrautunterdrückungsindex in die Sortenlisten aufzunehmen.

Viele der Methoden zur Unkrautvorsorge werden im Ökolandbau längst eingesetzt, sie stammen noch aus Omas Trickkiste. Trotzdem gibt es immer noch Fortschritte. „Heute können wir die alten Methoden mit modernen Techniken verknüpfen“, sagt er. Mit Maschinen, die mit GPS, Sensoren und Kameras bestückt sind, könne nicht nur das optimale Saatmuster ausgesät, sondern auch sehr gezielt restliches Unkraut gehackt werden. Vor allem im Gemüseanbau kommen solche Geräte schon zum Einsatz. Für alles andere müssten Landwirte jedoch erst investieren. „Ohne ökonomische Anreize wird sich so schnell nichts ändern“, sagt Böhm.

Tagesblog - 17. Februar 2015

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16:00 Uhr: Und ähnlich wie diese Ente rappel ich mich jetzt von meinem Bürostuhl auf: Weil heute Karneval ist, haben wir nämlich früher Feierabend (auch ich). Der Tagesblog sagt also tschüss für heute, morgen um neun geht es hier wieder weiter!
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15:50 Uhr:
Unsere Autorin Valerie hat eine spannende Beobachtung gemacht: Wenn man umzieht und dort neue Spiegel hat, muss man sich erst einmal wieder an das neue Fremd-Bild gewöhnen. Weil das Licht anders ist, er anders steht und einen anderen Ausschnitt vom Körper zeigt. Ich muss bei dem Text die ganze Zeit an diese Krabb-Spiegel von Ikea denken, deren Form für mich nie Sinn ergeben hat, weil sie einem so komisch die Seiten abschneiden. Waren aber trotzdem mal in jedem Jugendzimmer zu finden, die Dinger.




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15:30 Uhr:
Kurzer Awwwww-Moment
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14:50 Uhr:
Gerade gesehen: Es gibt Ärger zwischen Til Schweiger und SPON. Schweiger findet die Art, wie SPON mit kuratierten Twitter-Kommentaren den Tatort kritisiert doof und SPON findet die Argumentation von Til Schweiger doof.
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14:20 Uhr:
Dass wir in der Redaktion Fans von der österreichischen Band Wanda sind, ist ja kein Geheimnis. Was mir jetzt aber auch sehr gut gefällt: Dieses türkische Cover von Wandas Song Bologna von Kent Coda aus Köln! Mehr Infos zu dem Künstler gibt es bei den Kollegen von Blog Bohème.
https://www.youtube.com/watch?v=xREl_68O-mw Original
https://soundcloud.com/zukkasonic/zukka-sonic_beyoglu-wanda-bologna-cover Anderes Original

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14:05 Uhr:
Ich durfte heute ein Lexikon des guten Lebens auswählen und dann habe ich natürlich direkt eines genommen, das mich auch persönlich betrifft: Was passiert, wenn man im Ausland geblitzt wird? War bei mir natürlich in Österreich...




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13:00 Uhr:
Gerade gesehen: Es gibt jetzt eine Startnext-Kampagne für "Deine Korrespondentin". Dabei wollen sieben junge Frauen aus dem Ausland vor allem über Frauenthemen berichten, sagen aber gleichzeitig, das Portal solle auch Männer ansprechen. Wie findet ihr das?

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12:00 Uhr:
Passend zur Mittagszeit: Ich war vergangenen Freitag mit Saskia, Ralf und Arsenij essen. Die Drei haben quasi zusammen einen Dokumentarfilm gemacht, in dem 16 Protagonisten allen Alters über Sex sprechen. Das haben wir dann auch beim Mittagessen getan: Über Sex reden. Das ganze Interview gibt es hier und so sieht der Trailer aus:
https://www.youtube.com/watch?v=fogGnMJFgLs&feature=player_detailpage

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11:30 Uhr: Heute ist ja Fastnacht, nech? Und würde ich heute ein Kostüm tragen, wäre es dieses hier:
http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=m6KovWhCJtw
via Kollege Matthias Fiedler

In eine Grundschule würde ich damit natürlich auch gehen.

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11:00 Uhr: Sonst in der Welt:
  • Zwischen Griechenland und der restlichen EU gibt es weiterhin keine Einigung. Der griechische Finanzminister Varoufakis hatte einen Vorschlag beim Finanzministertreffen als "unannehmbar" zurückgewiesen. Am 28. Februar läuft allerdings ein Kreditprogramm für Griechenland aus, wenn das Land dann nicht Teile seiner Schulden zurückzahlen kann, geht es im Sommer pleite, vermuten Experten.

  • Der am vergangenen Sonntag erschossene Attentäter von Kopenhagen hat in einem Video kurz vor den Anschlägen dem IS die Treue geschworen

  • Der FSV Mainz 05 entlässt seinen Trainer 

  • Lady Gaga hat sich verlobt

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    09:55 Uhr:
    Sorry, jetzt musste ich noch eben ein wenig an einem Text von mir hobeln. Bevor wir gleich konferieren, erfreue ich euch noch mit einem zweiten Foto vom Morgen: An dieser Werbekampagne der Milchindustrie fahre ich täglich vorbei. Gegen das Bild kann man ja eigentlich nicht viel sagen - zumindest sind schöne junge Menschen abgebildet und sie haben auch kein Skateboard unterm Arm. Aber der Titel? Bei "Milch im Blut" wird mir ja ganz anders.






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09:10 Uhr:
Guten Morgen lieber Kosmos. Heute Morgen gesehen: Das Schwein vom SZ-Magazin heißt Charlotte. Erinnert mich daran, wie ich mal mit fünf Jahren zu Fasching als rosa Katze verkleidet war, alle anderen mich aber für ein Schwein hielten. Wurde auch nicht besser, als ich anfing zu weinen.





Unser #Model der Woche (und des Herzens sowieso): #Charlotte 🐽 #behindthescenes #szmagazin #piglet #piggy Ein von Süddeutsche Zeitung Magazin (@szmagazin) gepostetes Foto am 16. Feb 2015 um 23:36 Uhr


Geld, mein Gott

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Sie erinnert an eine der Vitrinen, die in Kirchen gelegentlich für wertvolle Reliquien aufgestellt werden: dickes Glas, ein Spot darauf. Darüber ein Schild, 779 Franken, umgerechnet derzeit etwa 743 Euro. Es ist jedoch nicht etwa ein Splitter aus dem Kreuz Jesu, sondern ein iPhone, das hier präsentiert wird, und dazu die Kosten, die normalerweise verborgen bleiben. 185 Franken wurden ins Material investiert, 198 Franken in Marketing und Entwicklung. Der Gewinn, der Apple verbleibt, wird auf 396 Franken geschätzt – Geld, das die meisten Käufer vermutlich für zu viel halten, und trotzdem wurde allein im letzten Quartal des vergangenen Jahres durchschnittlich neun mal pro Sekunde eines der Smartphones erworben.

Geld, woraus es ist, wofür es steht, nichts Geringeres haben sich die Mitarbeiter des Stapferhauses in der Schweizer Stadt Lenzburg nahe Zürich als Thema für eine Ausstellung im örtlichen Zeughaus vorgenommen – und der Raum, in dem Alltagsgegenstände wie das iPhone in ihrem Wert beziffert werden, illustriert nur einen der vielen Zugänge, die sie gefunden haben.



Jenseits von Franken und Euros: Die Ausstellung "Geld. Jenseits von Gut und Böse." findet noch bis November im schweizerischen Lenzburg statt.


Nun gibt es im Haus eine Tradition, abstrakte Themen greifbar zu machen; das digitale Leben, die Lust am Auto etwa, aber Geld ist dann doch größer – jeder hat eine Beziehung dazu, es regiert die Welt und macht sie ungerecht, es ist in aller Hände und doch kriegt niemand genug. Und gerade in der Schweiz ist es Traditionsthema; seit die Nationalbank den Mindestkurs zum Euro am 15. Januar aufgehoben hat, wird in einem Maße darüber diskutiert, wie es die Ausstellungsmacher nicht vorausahnen konnten, als sie sich vor über einem Jahr dem Komplex näherten. Geld, das macht der Titel „Jenseits von gut und böse“ gleich deutlich, lässt sich gut mit Religion vergleichen: Menschen streiten darüber, ihr Umgang damit ist irrational und sie verehren wie verteufeln es zugleich.

Dementsprechend ist der Eingang gestaltet, eine Treppe führt an der Außenwand des provisorischen Zeughauses hinauf, oben lockt ein helles Licht, ringsum sind weiße Wolken vor blauem Hintergrund zu sehen. Ähnlich verheißungsvoll geht es innen weiter: In einem weißen Raum sind Wünsche flüsternde Kinder zu hören, dazwischen stehen Pappbäume, aus denen Geld wächst, und gemalte Bäche zieren den Boden, darin Münzen. Der Besucher absolviert einen Parforceritt durch philosophische Positionen von Aristoteles über Thomas von Aquin bis Milton Friedman, um anschließend zur Selbstbefragung gebeten zu werden. Würde ich für Geld die Katze des Nachbarn füttern? Finde ich, dass ich zu viele Steuern zahle? Glaube ich, mit mehr Geld glücklicher zu sein? Solche Fragen beantworten sie am Bildschirm.

Nach diesem eher idealistisch-optimistischen Einstieg geht es in die Niederungen des Geldes – ein kirchenähnlicher Raum, konstruiert mit Rundbögen aus schlichten Sperrholzplatten und sogar Beichtstühlen bildet das Erdgeschoss. Dort wartet nicht nur das erwähnte Mobiltelefon. Sondern eine Reihe weiterer Gegenstände, die allein durch ihr Nebeneinander zeigen, wie Beträge vergleichsweise hoch oder unbedeutend werden, wie subjektiv Unterschiede sind: Die gefälschte Rolex sieht teuer aus, kostet aber wenig, die Spermaprobe ist quasi umsonst erzeugt, kann aber Lebensträume erfüllen, und der Gegenstand des Monats, eine Frisbeescheibe, dessen Besitzerin sie zum Herumtollen mit ihrem Hund nimmt und das geliebte Stück Plastik sogar schon aus einem Teich gefischt hat, erhält das Prädikat „unbezahlbar“.

Der Ansatz, Geld und Religion zu vergleichen, zieht sich weiter durch die Räume, die dementsprechend „Jenseits“, „Propheten“ oder auch „Glaubenssache“ heißen: Wo in gewöhnlichen Kirchen Buntglasfenster Licht spenden, sind hier, in ähnlich fröhlichen Farben, Infografiken. Sie zeigen etwa das Verhältnis von Arbeitslöhnen zu Burger-Preisen in verschiedenen Ländern, erklären, wie viel Bhutan im Vergleich zu den USA in Bildung investiert oder dass zehn Millionen Franken gestapelt zehn Zentimeter hoch sind und 1,1 Kilogramm wiegen. Zwischendurch werden auf Bildschirmen die Ergebnisse der Umfrage aus dem ersten Stock aktualisiert: Eine Mehrheit der über 400 jugendlichen Ausstellungsbesucher würde zwar nur gegen 10000 Franken einen Regenwurm essen, aber kostenlos die Katze der Nachbarn versorgen.

Wie sehr Geld und Religion sich ähneln – beide erfüllen nur ihre Funktion, so lange an sie geglaubt wird –, beweist ganz plastisch ein anderer Bereich: Dort sind sogenannte Kerbhölzer zu sehen, auf denen früher Schulden verzeichnet wurden, aber auch Zigaretten, die in harten Zeiten immer mal wieder als Währung fungierten. Das Angenehme ist: Auch die Macher nehmen Geld zwar ernst, stellen aber gleichzeitig die gottgleiche Rolle infrage, beispielsweise, indem in den Beichtstühlen Menschen dem Besucher erzählen, was sie schon für Geld getan haben.

Der beliebteste Raum ist allerdings alles andere als ein Heiligtum: Vor schwarzen Wänden liegen auf etwa 20 Quadratmetern 200 000 Franken, bestehend aus golden glänzenden Fünf-Rappen-Stücken, in Szene gesetzt durch einen umgebenden Spiegel und schon deshalb ungewöhnlich, weil man ihn nur für begrenzte Zeit und mit Plastiküberzügen auf den Schuhen betreten darf, dafür aber einmal im Leben die Gelegenheit hat, sich ähnlich wie Dagobert Duck im Geld zu wälzen. Wie beliebt das ist, zeigt sich an all den Selfies, die sich im Web finden. Was die Fotos freilich nicht darstellen: Die Stimme im Hintergrund, die im Stil einer Meditations-CD fragt: „Ist Geld Unabhängigkeit für Sie? Oder gibt Geld Ihnen das Gefühl von Macht?“

Es sind keine angenehmen Fragen, die der Besucher in den 15 Minuten, die er im „Offenbarung“ getauften Raum verweilen darf, hört. Und doch hat man längst – irgendwo zwischen Faust-Zitaten, Schaubildern zum Bruttoinlandsprodukt und Umfragen zur Steuergerechtigkeit – begonnen, sich zu fragen: Was ist Geld für mich?

Dass die Schau auf diese Frage keine Antworten liefert, sondern weiter fragt, auch im exzellenten Begleitband mit Interviews, Grafiken und einem Essay von Wolf Lotter, bewirkt, dass man tatsächlich nachdenkt über Geld, wie es beabsichtigt war: jenseits von Gut und Böse. Zumindest eine der vielen Fragen gilt es an Ort und Stelle zu beantworten: die nach dem subjektiven Wertempfinden. Denn wie viel Eintritt der Besucher zahlt, kann er am Ende wählen. Neben den Vorschlägen steht, was dem Betrag entspricht, ein Croissant etwa. Ob es dieser Trick ist oder ob beispielsweise das iPhone so manchem Besucher bewusst macht, wofür er sonst sein Geld raushaut? Klar ist: Viele Gäste zahlen freiwillig 19 Franken. Und das entspricht dem Betrag, der sonst als Eintritt erhoben wird.

Geld. Jenseits von Gut und Böse. Stapferhaus Lenzburg, im Zeughaus der Stadt bis 29. November 2015. Begleitband unter www.stapferhaus.ch

Vom Messerstecher zum Dschihadisten

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In Kopenhagen kommen nach den Anschlägen vom Wochenende immer mehr Details über den mutmaßlichen Attentäter ans Licht. Offenbar war er – anders als zuerst vermutet – nicht allein: Zwei mutmaßliche Komplizen wurden festgenommen, wie die Polizei bestätigte. Auch wird immer deutlicher, dass die Taten einen radikal-islamischen Hintergrund haben. Den Medien ist bereits der Name des mutmaßlichen Terroristen bekannt. Sie zeichnen das Bild eines jungen Mannes, der sich immer mehr radikalisiert – unter den Augen der Strafverfolgungsbehörden, die Alarmsignale offenbar nicht ernst genug nahmen.



Der mutmaßliche Attentäter Omar Abdel el-Hussein ist erst vor kurzem aus der Haft entlassen worden. Das Gefägnispersonal soll von seiner Radikalisierung gewusst haben.

Die Bilder des erschossenen Attentäters, der am Kopenhagener Svanevej – dem Schwanenweg – in seinem Blut liegt, gingen am Sonntag um die Welt. Die Polizei ist sich mittlerweile sicher, dass es sich bei dem 22-jährigen Toten um jenen Mann handelt, der am Samstag erst ein Kulturcafé und in der Nacht zum Sonntag eine Synagoge mit Schusswaffen attackierte. Zwei Männer tötete er, fünf Beamte von Polizei und Geheimdienst wurden verletzt. Die offiziellen Angaben zu dem mutmaßlichen Täter, der nach einer 14-stündigen Großfahndung von der Polizei erschossen wurde, sind bislang dürftig. Dänische Medien berichten übereinstimmend, dass es sich bei dem 22-Jährigen um Omar Abdel el-Hussein handelte. Zeitungen und Rundfunksender beschreiben seine Geschichte als die einer verkorksten Jugend, die im Terror endete.

Omar el-Hussein wurde demnach als Sohn palästinensischer Einwanderer in Dänemark geboren. Er wuchs im Kopenhagener Einwandererviertel Nørrebro als älterer von zwei Söhnen auf. In „einer ganz normalen Familie, in der es den Kindern nie an etwas mangelte“, beschrieben Beamte später den Hintergrund Husseins, als sie ihn 2013 nach einer Straftat durchleuchten. Sie attestieren dem späteren Attentäter auch psychische Gesundheit.

Bekannte und ehemalige Schulkameraden, die sich inzwischen zahlreich in den Medien zu Wort melden, beschreiben Hussein als Einzelgänger, der sich schnell provozieren ließ. Er interessierte sich glühend für Politik, insbesondere für Palästina, das Herkunftsland seiner Eltern. Bei Diskussionen über dieses Thema sei es schon in der Schule vorgekommen, dass er offen seinen Hass auf Juden äußerte, sagte ein ehemaliger Mitschüler der Zeitung Politiken. Als Jugendlicher ging Hussein zum Thai-Boxen, im Internet finden sich sogar Videos, die ihn bei Wettkämpfen im Ring zeigen. Doch dann geriet er in schlechte Gesellschaft. Er begann Haschisch zu rauchen, brach die Schule ab, kam mit kriminellen Banden in Kontakt. Die Polizei musste sich mehrmals mit ihm befassen, wegen Drogen und unerlaubten Waffenbesitzes. Im November 2013 rammte er in der S-Bahn einem Mann ein Messer ins Bein. Das Gericht verurteilte ihn zu einer milden Strafe, darum kam er schon Ende 2014 wieder frei. Wenige Wochen später wurde er zum Mörder.

Die Leute aus Husseins Bekanntenkreis, die sich bislang geäußert haben, zeigen sich überrascht von der Entwicklung. „Ich bin genauso schockiert wie der Rest der Welt“, sagte der Vater des 22-Jährigen der Zeitung Jyllands Posten. Im Rückblick sieht es so aus, als sei Hussein während seiner Zeit im Gefängnis radikalisiert worden. Den Beamten dort war das – offenbar anders als Freunden und Angehörigen – aufgefallen. Der 22-Jährige soll in der Haft den Wunsch geäußert haben, für den Islamischen Staat (IS) in Syrien zu kämpfen. Die Gefängnisverwaltung informierte daraufhin den Geheimdienst PET und setzte Omar el-Hussein auf eine Liste „radikalisierter Gefangener“, die 39 Personen umfasst. Der PET hatte nach den Anschlägen erklärt, man habe den Attentäter „auf dem Radar“ gehabt. Eine Stunde vor der ersten Attacke soll Hussein ein Dschihad-Video ins Internet geladen haben, wie am Montag bekannt wurde.

Die Erkenntnisse werfen die Frage auf, ob die Behörden die Anschläge hätten verhindern können. Für den schwedischen Terrorforscher Magnus Ranstorp ist die Radikalisierung im Gefängnis ein typisches Phänomen, dem man sich nun stellen müsse. Ranstorp soll als Leiter einer Expertengruppe die Stadt Kopenhagen bei der Terrorbekämpfung unterstützen. „Wir nennen solche Leute Cross-Overs, sie gehen von Bandenkriminalität weiter zum Extremismus“, sagte er dem dänischen Rundfunk. Das komme auch in anderen Ländern vor, aber in Dänemark sei diese Art von Radikalisierung besonders häufig.

Dass Hussein einer Terrorzelle angehörte, glauben die Ermittler bislang nicht. Er soll die Anschläge alleine geplant haben. Allerdings nimmt die Polizei an, dass seine beiden mutmaßlichen Komplizen – sie sitzen in Untersuchungshaft – Hussein versteckt und eine Tatwaffe beseitigt haben. Terrorverbrechen werden ihnen ihrem Anwalt zufolge nicht zur Last gelegt, aber Beihilfe zum Mord. Dafür könnten sie nach Meinung von Experten eine lebenslange Haftstrafe bekommen.

Ringen um den Kompagnon

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Auch am Tag danach floss die Elbe gemächlich durch Hamburg, doch es ist manches in Bewegung. Bald wird auch wieder über diesen großen Fluss zu reden sein und über die Tiefe der Politik von Olaf Scholz, dem triumphal siegreichen Bürgermeister. Zunächst eilten die lokalen Führungskräfte zu Wochenbeginn nach Berlin, richtungsweisende Frage standen an. Mit 46 Prozent der Stimmen haben Scholz und seine SPD die Bürgerschaftswahl gewonnen, nur zwei Prozent fehlten zu ihrer Bestmarke von 2011 und der absoluten Mehrheit. Selten zuvor war die CDU dermaßen deklassiert worden, Dietrich Wersich sammelte kaum 16 Prozent, wenig mehr als ein Drittel. Aber außer um den souveränen Herrn Scholz geht es jetzt auch um eine Frau und eine Partei, die im Wahlkampf stilsicher und unauffällig geblieben waren: Katharina Fegebank und die Grünen.



Sigmar Gabriel überreicht Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz den Sieger-Blumenstrauß in Berlin, ein Tag nach den Wahlen in Hamburg.


Zur fortgesetzten Alleinregierung reicht es bei der Scholz-SPD ja trotz des neuen Großerfolgs nicht ganz. Dafür gab es wohl zu wenig Wähler (die Wahlbeteiligung lag bei miserablen 57 Prozent), und dafür gibt es künftig zu viele Parteien in diesem städtischen Landesparlament, nämlich sechs. Also braucht der Herrscher über die Hansestadt für die kommenden fünf Jahre einen Kompagnon. Scholz hatte schon vor der Abstimmung angekündigt, dass er in diesem Fall mit den Grünen sprechen werde, also nicht zuletzt mit deren Spitzenkandidatin Fegebank. Daran muss er sich halten, Verlässlichkeit sind ihm und seinen Anhängern wichtig. Laut Umfragen schätzen ihn 78 Prozent der Hansestädter als glaubwürdig, 76 Prozent sind mit ihm zufrieden, und gar 85 Prozent finden, er passe gut zu Hamburg. Nur: Wie gut passen die Grünen zum umschwärmten Scholz und seinem eher konservativen Flügel der SPD?

Ungefähr zwölf Prozent bekam die Partei von Katharina Fegebank, noch ein bisschen mehr als beim letzten Mal. Gemeinsam verspräche das eine stabile Übermacht gegenüber einer zerrissen-kuriosen Opposition aus CDU, Linken, FDP und AfD. Und neu wäre eine Kombination SPD/Grüne nicht einmal im Senat zu Hamburg. Mit der knapp verpassten absoluten Mehrheit verbinde sich „auch eine inhaltliche Botschaft, wie die Stadt sich weiterentwickeln soll“, erläuterte der Stratege Scholz am Montag in der Hauptstadt. Die Botschaft von den Wahlzetteln lässt sich auch dergestalt interpretieren, dass seine Riege trotz aller Sympathiewerte nicht mehr alleine bestimmen soll. Schwieriger ist die Konsequenz. Welches Korrektiv sind die Grünen?

Das Schattenboxen hat begonnen. „Wir werden uns nicht billig verkaufen“, sagt die grüne Bundesvorsitzende Simone Peter. „Wir werden hart verhandeln und sind dann zuverlässige Partner“, verspricht Jens Kerstan, der Hamburger Fraktionschef. Das Problem: SPD und Grüne sind bei nicht ganz unerheblichen Themen recht unterschiedlicher Meinung.

Da wären zunächst zwei Projekte von überregionaler Bedeutung. Das eine ist ein Klassiker: die bereits seit geraumer Zeit umstrittene Elbevertiefung. Der Senat, die Hafenbehörde und viele wichtige Unternehmen sind überzeugt davon, dass die Fahrrinne von Hamburgs mächtigstem Strom ab Cuxhaven wieder ausgebaggert werden muss. Andernfalls würden die modernen Containerriesen nicht mehr an die Terminals gelangen und Deutschlands größten Hafen in Abstiegsgefahr bringen. Auch die Grünen hatten im Rahmen ihrer verunglückten Koalition mit der CDU 2008 zunächst zugestimmt. Ökologen dagegen sorgen sich um die Folgen für die Natur. Umweltverbände haben geklagt und einen Baustopp erwirkt, das Bundesverwaltungsgericht und der EU-Gerichtshof befassen sich mit der Causa.

Der aktuelle Streitfall dreht sich um fünf Ringe. Hamburg könnte der deutsche Bewerber für die Olympischen Sommerspiele 2024 werden, Scholz und die SPD treiben die Kandidatur begeistert voran. Die Grünen sind nicht dagegen, Olympia sei für Hamburg eine Chance. Sie verlangen aber eine eingehende Studie zu Risiken und Kosten sowie eine Volksabstimmung. Und ganz anderer Ansicht sind die Grünen bei der Verkehrsplanung, denn sie wünschen sich statt einer weiteren Linie der U-Bahn eine Trambahn, die sogenannte Stadtbahn.

Widerstand kommt sogar aus eigenen Reihen. Der einstige SPD-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) rät seinem Genossen Scholz von den Grünen ab. Er sei „kein besonderer Freund von Rot-Grün“, berichtete von Dohnanyi dem Sender Phoenix, Deutschland müsse sich doch im internationalen Vergleich behaupten. Auch Unternehmerverbände warnten vor „zu großen Zugeständnissen an den künftigen grünen Koalitionspartner“, Hamburg dürfe keine „fortschrittskritische Laubenkolonie werden“. Ersatzweise hat sich im Rahmen ihrer Wiedergeburt die FDP in Stellung gebracht, weiter beschwingt durch ihre gut sieben Prozent. Der Bürgermeister könne sich gerne melden, richtete die Hamburger FDP-Frontdame Katja Suding aus. Olaf Scholz aber ist guter Hoffnung, dass die Grünen sich nicht überschätzen. „Da wird niemand seine Chance verspielen.“ Seine mögliche grüne Prinzessin Katharina Fegebank, 38, weiß um seine hoheitliche Bedeutung: „Scholz hat höhere Beliebtheitswerte als die Kanzlerin“, sagt sie, „das ist schon ’ne Nummer.“

Wilder Westen im Nahen Osten

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„American Sniper“, der neue Irak-Kriegsfilm von Clint Eastwood, hat in den USA heftige Debatten provoziert. Seine angebliche Ambivalenz gegenüber dem Krieg und der Gewalt führt dazu, dass Konservative wie Liberale versuchen, die Geschichte des Scharfschützen Chris Kyle, gespielt von Bradley Cooper, für ihre Sicht der Dinge in Anspruch zu nehmen: Die einen halten den Streifen für eine Ehrung der Tapferkeit amerikanischer Soldaten, andere sehen darin eine nihilistische Verherrlichung des Krieges, die Dritten meinen, in dem Werk den stärksten Anti-Kriegsfilm seit „Apocalypse now“ zu erkennen. Sehen wollen den für sechs Oscars nominierten Film in den USA jedenfalls viele – der kommerzielle Erfolg übertrifft alle Erwartungen.

Doch die andere Seite, die der Opfer, spart der Film fast völlig aus: „Iraker kommen darin eigentlich nicht vor“, sagt der franko-irakische Regisseur Abbas Fahdel, der selber mehrere Dokumentationen über den Krieg in seiner Heimat gedreht hat. „Sie tauchen nur als Silhouetten auf, und jeder, der stirbt, ist schuldig, auch Frauen und Kinder.“ Ähnlich sehen das die Menschen in Bagdad. „Er glorifiziert Amerikaner und macht aus Irakern nichts als Terroristen“, sagte der 27 Jahre alte Lehrer Ahmed Kamal in Bagdad der Washington Post. Er hatte sich den Film im Internet heruntergeladen. Das einzige Kino in Bagdad, das die Geschichte auf die Leinwand brachte, nahm ihn mit Bedauern wieder aus dem Programm, nachdem die Regierung Druck machte. Ein Beamter des Kulturministeriums habe ihm erklärt, der Film sei „eine Beleidigung der Iraker“, erzählt Fares Hilal, Besitzer des Kinos in der Mansour-Mall, einem der neuen und sehr amerikanischen Shopping-Paradise der Hauptstadt.



Bradley Cooper als Scharfschütze Chris Kyle - eine Szene des US-Films 'American Sniper'. In der arabischen Welt wird er wegen seiner simplizistischen Botschaft scharf kritisiert.


Chris Kyle, der aus seiner simplizistischen Weltsicht kein Geheimnis machte, bezeichnete die Iraker nur als „Wilde“: Für ihn gebe es Gut und Böse, schwarz und weiß, und wenige Schattierungen dazwischen, schrieb er in seiner Autobiografie, die als Vorlage für den Film diente. Die Araber, die im Fadenkreuz seines Zielfernrohres auftauchten, sind ohne Zweifel und fast immer der Kategorie Böse zuzuordnen. Bei seinen 160 bestätigten Tötungen habe er sich kein einziges Mal fragen müssen, ob er mit seiner Entscheidung richtig gelegen habe.

Abbas Fahdel hält „American Sniper“ deswegen sowohl filmisch als auch politisch für „sehr naiv“, empfindet ihn als „reaktionär“, weil er ohne zu hinterfragen sich die „Propaganda von George W. Bush zu eigen macht, die längst widerlegt ist“ – die erfundenen Kriegsgründe, die angebliche Al-Qaida-Connection in den Irak, der Zusammenhang mit den Anschlägen des 11. September 2001. Die verheerenden Folgen des Krieges für das irakische Volk dagegen interessieren Eastwood und seinen Drehbuchautor Jason Hall nicht, kritisiert der Filmemacher, der seit Langem in Paris lebt. „Der übergroße Teil der mehr als 100000 Opfer des Krieges waren aber unschuldige Zivilisten“, fügt er hinzu. Er fühlt sich an die rassistischen Stereotype in alten Western erinnert: Die edlen Amerikaner kämpfen gegen die wilden Rothäute. „Der Film lässt nicht einmal die Frage zu, ob die Irakern auch menschliche Wesen sind“, sagt er – und das in einem Land, das eine der ältesten Zivilisationen der Menschheit hervor gebracht hat.

Sein neuer, zweiteiliger Film „Homeland (Iraq year zero)“, der im Frühjahr auf einem Dokumentarfilm-Festival in Europa Premiere haben wird, dokumentiert unter anderem das Schicksal eines irakischen Studenten, der von einem amerikanischen Scharfschützen getötet wurde. Er hatte nach der US-Invasion in einem beliebten Café in Bagdad gesessen, der Aufstand in Falludscha war noch nicht losgebrochen. Als er mit einer Schachtel in der Hand das Lokal verließ, meinte der US-Soldat, in ihm eine Bedrohung zu erkennen – und schoss ihm in den Kopf. „Niemand wurde je dafür zur Rechenschaft gezogen, die Amerikaner haben nicht einmal die Leiche daraufhin untersucht, ob er wirklich eine Bedrohung darstellte. Sie hatten die absolute Macht, die ihnen auch absolute Straflosigkeit garantierte“, sagt Fahdel. Er lässt die Mutter des Opfers im zweiten Teil der Dokumentation zu Wort kommen, die das Leben normaler Iraker zeigt – einmal kurz vor der Invasion, als sich die Menschen auf den Krieg vorbereiteten, das andere Mal wenige Monate nach dem Fall von Bagdad.

Der irakisch-amerikanische Filmemacher Usama Alshaibi, der zurzeit in den USA lebt, war zunächst einmal überrascht davon, dass ein Film, der als Oscar-Favorit gilt, derart platt sein kann. „Wie eine wirklich schlechte Seifenoper“, war seine erste Reaktion. Ihm erschien der syrische Scharfschütze, Kyles Gegenspieler, als die interessantere Person – die aber wie so vieles in dem Film völlig unterbelichtet bleibt. Die Aufständischen würden ähnlich pauschal gezeichnet wie Nazi-Soldaten in frühen Filmen über den Zweiten Weltkrieg, schrieb der Economist. Das macht in Bagdad viele Menschen wütend. Sarmad Moazzem, der als Angestellter des Innenministeriums fünf Jahre lang eng mit den US-Soldaten gearbeitet hat, sagte der Washington Post: „Es gab Menschen, die die Amerikaner liebten und wollten, dass sie im Land bleiben und helfen es wieder aufzubauen.“

Auch Alshaibi spricht von einer „totalen Verteufelung der Iraker“. Als Kyles Platoon von einem Iraker zum Eid-Festessen eingeladen wird, nachdem sie sein Haus gestürmt haben, entpuppt sich der Gastgeber als hinterlistig und böse, hat er doch im Nebenzimmer ein Waffenlager unter einer Eisenplatte versteckt. „Selbst die großartige irakische und arabische Tradition der Gastfreundschaft wird herabgewürdigt“, sagt Alshaibi. Schlimmer noch findet er aber die Anfangsszene, als Kyle einen irakischen Jungen erschießt und Eastwood dann umschneidet auf eine Jagdszene in Amerika. Umgeben von ländlicher Idylle schießt der junge Kyle in Begleitung seines Vaters seinen ersten Hirsch. „Welche Botschaft sendet das?“ fragt Alshaibi. Ob beabsichtigt oder nicht: Dieser Subtext trifft in den USA auf ein empfängliches Publikum, das sich nach dem Film ermutigt sieht, rassistisch motiviertem Hass auf Araber in Tweets und anderen Äußerungen auf sozialen Medien freien Lauf zu lassen.

Tischgespräch: Sex!

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Freitagnachmittag in Berlin Prenzlauer Berg in einem italienischen Restaurant. Am Tisch: Saskia Walker und Ralf Hechelmann, Regisseure des Dokumentarfilms „Sprache: Sex“, der an diesem Abend Premiere auf der Berlinale feiert. In dem Film sprechen 16 Personen zwischen 13 und 74 Jahren über ihr Sexleben. Der jüngste Protagonist, Arsenij, Saskias Sohn, ist mittlerweile 14 Jahre alt und sitzt mit am Tisch. Alle sind in Anbetracht der Premiere ziemlich aufgeregt, nur der Kellner ist entspannt - auch er spielt in dem Film mit.



Die Regisseure des Fims: Saskia Walker und Ralf Hechelmann

Saskia:
Hier in dem Restaurant hat alles seinen Anfang genommen. Wir saßen mit unserem Kameramann beim Mittagessen, um die ersten Schritte zu besprechen. Dann kam jemand an unseren Tisch und fragte, ob er eine Zigarette haben könne, er habe nämlich heute schon Sex gehabt und könne es sich deshalb leisten, zu rauchen.

Wir haben ihn uns natürlich sofort geschnappt. Er erklärte uns dann beim Drehen, dass man fünf Jahre länger leben würde, wenn man zwei bis drei Mal die Woche Sex habe. Das ist auch die erste Szene des Films geworden.

Arsenij fragt seine Mutter, ob er heute eine Cola bestellen dürfe. Dann steigt er selbstbewusst in das Gespräch ein, zitiert den O-Ton des Films: "Aber eigentlich ist die Statistik ja anders herum: Wer keinen Sex hat stirbt 5 Jahre früher!"




Filmausschnitt mit Arsenij, der zu diesem Zeitpunkt 13 Jahre alt war

jetzt.de: Am Anfang des Films sagt einer eurer Protagonisten, mit Sex würde heutzutage inflationär umgegangen, überall werde er thematisiert. Das kann man auch eurem Film vorwerfen – dass ihr das Prinzip „Sex sells“  für euch nutzt…
Saskia:
Das, was heute unter der Überschrift „Sex“ verkauft wird, ist meist entweder pornografisch, pädagogisch oder wissenschaftlich. Was uns interessiert hat, ist ein individueller Blick auf das Sexuelle. Und zwar nicht auf spezielle Vorlieben oder wie oft es wer mit wem macht, sondern darauf, wie Sex unser Leben insgesamt beeinflusst.

Was genau ist denn aus eurer Sicht interessant an Sex?
Ralf
: Dass man um das Thema nicht herumkommt, egal ob man welchen hat oder nicht. Trotzdem wissen wir gar nicht so viel über Sex. Wir behaupten das zwar immer, aber eigentlich ist das totaler Quatsch. Denn nur, weil wir etwas über Treue und Untreue, Geschlechtskrankheiten oder Fetische gelesen haben, ist es uns noch nicht automatisch bewusst.

Das Thema lässt sich nicht durch Ratgeberliteratur abhandeln. Jeder muss eigene Erfahrungen machen. Deshalb haben wir in dem Film auch nicht versucht, einen gesellschaftlichen Querschnitt abzubilden, sondern jeden subjektiv sprechen zu lassen. So hat auch jeder immer noch etwas Neues zum Thema Sex zu sagen.

https://www.youtube.com/watch?v=fogGnMJFgLs&feature=player_detailpage

Zum Beispiel?

Ralf:
Ein Protagonist sagt, dass das Sexuelle der Rest ist, der sich nicht bündig machen lässt und auf unserer Bewusstseinsoberfläche nur selten einen Platz hat. Dass es entweder darüber oder darunter liegt, als Angstpol, als Störung, als Sehnsucht. Das sei der Grund dafür, warum wir uns so viel damit beschäftigen, weil wir es eben nicht so richtig integrieren können. Wir können es nicht planen wie einen Urlaub oder eine Geburtstagsparty.

Der These, dass wir kaum etwas über Sex wissen, würden jetzt viele widersprechen…

Ralf:
Was heißt denn, etwas über Sex zu wissen? Nur, weil wir uneingeschränkten Zugang zu Pornografie haben und alle Stellungen kennen, wissen wir doch nichts. Wir wissen nichts über die transzendenten Potenziale des Sexuellen. Seine Erfahrungen dabei in Worte zu fassen, ist ungefähr so schwierig, wie einen LSD-Trip zu beschreiben. Trotzdem sollte man es versuchen.

Arsenij (zu seinen Eltern): Jede Frage wirft eine neue auf!

Saskia:
Den Umgang mit Dildos zu kennen, ist nicht gleichzusetzen mit „etwas über Sex wissen“. Es bleibt oft bei den technischen Details stehen, die in jeder Cosmopolitan stehen. In dem Film versuchen wir aber, Sex als etwas unendlich Tiefes darzustellen.

Saskias Handy klingelt. Ihre Pressefrau ist dran und sagt, in der Pressevorführung des Films säßen gerade 200 Journalisten, die sich bei vielen Szenen kringelig lachen würden. Saskia erzählt, dass der Film ursprünglich als kleines Projekt gedacht war, mit dieser Riesen-Resonanz hatten sie nicht gerechnet. Spiegel Online hat den Film sogar in einem Atemzug mit dem Soft-SM-Streifen 50 Shades of Grey erwähnt. Arsenij lehnt sich in seinem Stuhl zurück und sagt: „Das wird uns ewig verfolgen.“ Man weiß nicht sicher, ob er das jetzt gut oder schlecht findet.


Arsenij, beim Filmdreh warst du 13. Dachtest du vorher, du weißt bereits viel über Sex?

Arsenij:
Ich lebe ja noch auf dem Trockenland. Trotzdem glaube ich, dass ich bereits damals mehr über das Thema wusste als viele andere in meinem Alter. Der Film hat mir dann allerdings gezeigt, dass ich so viel doch nicht weiß. Ich dachte zum Beispiel, der Orgasmus sei so eine Zuckung und dann ist man fertig. Aber der Film hat mir gezeigt, dass es weit mehr ist.

Ich stelle mir das ja sehr kompliziert vor, vor laufender Kamera mit den eigenen Eltern über Sex zu sprechen…
Arsenij:
Meine Eltern und ich gehen sehr offen miteinander um.

Saskia:
Ich wusste ja, dass mein Sohn selbstbewusst ist und Spaß daran hat, auf solche Fragen zu antworten. Wäre er ein verschüchterter Junge, hätte ich ihn nicht gefragt.

Nur, weil man mit seinen Eltern prinzipiell über Sex sprechen kann, möchte man das ja nicht automatisch auch.
Arsenij:
Ja, das stimmt. Ich tue das auch nur dann, wenn ich ein konkretes Problem habe.

Die Restauranttür öffnet sich, ein älteres, schick gekleidetet Paar tritt ein. Saskias Eltern. Sie sind extra zur Berlinale-Premiere ihrer Tochter angereist. Saskia verlässt deshalb kurz den Tisch.


Die älteste Person in dem Film ist 74. Hattet ihr auch überlegt, eure Eltern zu befragen?
Ralf:
Bei meinen wäre da nichts zu holen gewesen.

Konnten junge Menschen in dem Film offener über Sex sprechen als Ältere?

Ralf:
Nein. Sie sprechen nur über andere Themen, weil sie einen anderen Erfahrungshorizont haben. Der ältere Protagonist zu Beginn spricht zum Beispiel viel über Tantra, offene Zweierbeziehungen, eben Erfahrungen, die er in seinem langen Leben gemacht hat, er spannt eher den großen Bogen. Bei den jungen Frauen zwischen und 20 und 30 geht es hingegen konkret um ihr Beziehungsleben jetzt.

In eurem Film geht es um Sex, trotzdem spricht keiner eurer Protagonisten darüber, ob er schwul oder lesbisch ist oder welche Fetische er hat. Warum nicht?
Saskia:
In dem Film tauchen auch Homosexuelle auf, wir haben das nur nicht groß thematisiert. So wie man auch sonst nichts über die Hintergründe der Leute im Film erfährt.

Ralf:
Das ist doch auch nicht interessant. Ich selbst bin bisexuell. Ich lebe jetzt seit über fünf Jahren mit Saskia zusammen, davor habe ich sechs Jahre mit einem Mann zusammengelebt. Von allen anderen Geschichten abgesehen. Macht doch keinen Unterschied. Außer dass es vorher ein Familienleben mit zwei Hunden war und jetzt ist es eine Familie mit einem Stiefsohn.

Sprache:Sex feierte vergangenen Freitag auf der Berlinale Premiere, es gibt noch keinen Kino-Starttermin.

Das soll ich sein?

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Mein Elternhaus habe ich am liebsten durch den Keller verlassen. Denn neben der Kellertür hing ein Spiegel, in dem ich mir immer gefiel. Da konnte ich reinschauen und noch mal kurz „Ja, so kannst du vor die Tür gehen!“ denken, bevor ich wirklich vor die Tür ging. Wenn ich hingegen durch die normale Haustür ging, kam ich am Spiegelschrank im Flur vorbei, in dem ich unförmiger und bleicher aussah. Wenn ich da hineinschaute, fiel mir das Rausgehen viel schwerer. Das ist bis heute so, wenn ich meine Eltern besuche. Ich kenne diese Spiegel. Ich kenne mich in diesen Spiegeln. Ich kenne dadurch mich in meinem Elternhaus.

Jeder hat in seinem Alltag ein paar Standard-Spiegel. Die, an denen er an einem gewöhnlichen Tag immer vorbeikommt, in die er bewusst oder nebenher schaut, die er kennt und von denen er weiß, ob er darin besonders blass oder besonders schlank aussieht. Und diese Standard-Spiegel prägen unser Selbstbild mehr als wir denken. Man vergisst das bloß – und erinnert sich wieder daran, wenn sich die Spiegelkonstellation auf einmal ändert. Mir ist das gerade passiert: Ich bin umgezogen. Die Spiegel, die ich bisher benutzt habe, nicht.



"Ja, so kannste vor die Tür gehen!"

In meiner alten WG gab es im Flur einen Ganzkörperspiegel. Der war mein regelmäßiger Checkpoint. Er gab mir das Gefühl, meinen Körper unter Kontrolle zu haben. Ich konnte ihn anschauen und feststellen, ob er mehr oder weniger geworden war, wie er nach übermäßigem Alkoholkonsum aussah und wie nach dem Urlaub, wie in der neuen Hose und wie mit dem alten Pulli, den ich monatelang im Schrank vergessen hatte. Es gab auch den kleinen Spiegel im Durchgang zur Küche, in dem mein Gesicht immer sehr frisch aussah, und den großen Badspiegel, dessen Beleuchtung meine Augenringe etwas zu stark betonte. Diese Spiegel prägten mein Selbstbild drei Jahre lang, zusammen mit dem Aufzugspiegel und dem Toilettenspiegel im Büro. Der Ganzkörperspiegel im Flur stand dabei im Mittelpunkt, als Überblick, als eine Art Eichwertung.

In der neuen Wohnung gibt es (noch) keinen großen Spiegel. Nur einen sehr kleinen im Bad. Da passt mein Gesicht rein, meine Schultern kann ich auch noch sehen, dann ist es schon vorbei. Das lässt mich ratlos zurück. Ich kann mich nicht mehr so sehen, wie ich mich jahrelang gesehen habe. Ich muss nach Gefühl gehen, kann das Gefühl aber nicht mehr überprüfen. Die Hose fühlt sich heute so eng an – sieht sie auch eng aus? Wenn ich an mir runterschaue, scheint das frisch gewaschene T-Shirt doch sehr ausgeleiert zu sein – sieht es auch von vorne betrachtet so aus? Mein täglicher Gegenschuss ist verlorengegangen. Es bleibt nur der kleine Badspiegel. Aber auch der zeigt mir ein anderes Gesicht als der alte, große. Oder: Ich vermute zumindest, er könnte das tun. Immerhin ist das Licht hier anders. Vielleicht ist meine Haut ja viel schlechter geworden und ich sehe es bloß nicht.

Noch traue ich dem neuen Spiegel nicht. Ist meine Haut schlechter, und ich sehe es nicht?



Nie kommen wir dem Blick eines anderen Menschen auf uns näher als beim Blick in den Spiegel. Aber so wie uns jeder Mensch anders sieht, sehen wir in jedem Spiegel anders aus. Der immer gleiche Spiegel, der alltägliche Standard-Spiegel ist deswegen wie der Blick eines guten Bekannten, dessen Urteil wir vertrauen, dessen Urteil wir einschätzen können. Er ist wie jemand, den man fragen kann: „Wie sehe ich im Vergleich zum Rest der Welt aus?“ Verschwindet dieser Spiegel aus unserem Leben, verschwindet auch der gute Bekannte. Und damit ein Stück unseres gewohnten Selbstbilds.

Ich bin durch die neue Spiegelsituation verunsichert, ich fürchte, ich könnte die Kontrolle verlieren. Allerdings ergibt das auch eine Menge Sinn: Ich habe den Ort gewechselt, das hat etwas in meinem Leben verändert, das hat sicher auch mich verändert. Die neue Wohnung bringt neue Rituale, in meinem neuen Zimmer fühle ich mich anders als in meinem alten. Es ist also nur logisch, dass ich mich an diesem neuen Ort auch anders sehe. Beziehungsweise erstmal gar nicht, denn ich hänge noch ein bisschen in der Luft. Ich muss ja noch ankommen, muss mich neu einnorden, die neuen Rituale zu wirklichen Ritualen werden lassen. Das braucht Zeit. Und bald kaufe ich mir einen großen Spiegel und stelle ihn in den Flur. Und dann lernen wir uns kennen, bis er ein guter Bekannter geworden ist, dessen Urteil ich vertraue.

Bier per Whatsapp

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Vorsicht, in dieser exotischen Meldung versteckt sich ein Stückchen Zukunft: Der japanische Messenger-Dienst Line ermöglicht seinen 36 Millionen Nutzern in Thailand künftig, per App Lebensmittel zu bestellen. Eine Ladung Chang-Bier per Messenger ordern, statt mit Freunden zu chatten? In Deutschland, wo Whatsapp und Facebook Messenger den Ton angeben, klingt die Idee surreal. In Asien allerdings, wo Hunderte Millionen Nutzer das PC-Zeitalter übersprungen haben und direkt in der Smartphone-Welt gelandet sind, scheinen solche Funktionen logisch zu sein.



In Thailand kann man Lebensmittel bald ohne den nötigen Gang zum Laden oder Straßenstand ordern: Der Messenger-Dienst "Line" entwickelt eine App.

Die drei großen Smartphone-Messenger Line (Hauptkundschaft in Japan), WeChat (China) und Kakaotalk (Südkorea) haben zusammen mehr als eine Milliarde Nutzer. Doch es ist nicht nur die gewaltige Zahl, die westliche Tech-Firmen beeindruckt, sondern auch der Entwicklungsstand: Die Messenger sind keine reinen Chat- und Fotosharing-Dienste mehr, sondern vereinen höchst unterschiedliche Funktionen in einer einzigen App.

Line ist schon länger für den umsatzträchtigen Verkauf bunter Digital-Sticker bekannt, die klassische Emoticons ziemlich altbacken aussehen lassen; Nutzer können in der App auch Games spielen oder Coupons von Firmen sammeln, denen sie folgen. Im Dezember kaufte Line dem US-Konzern Microsoft den Streamingdienst MixRadio ab, der bald in die App integriert werden dürfte. Mit der Lieferfunktion nähert sich Line auch WeChat an, das einer von mehreren Messengern des Alibaba-Rivalen Tencent ist. WeChat-Nutzer haben nicht nur zahlreiche Kommunikationsfunktionen, sie können über den Dienst auch mobil und online bezahlen oder sich gegenseitig Geld schicken.

In sieben asiatischen Regionen lassen sich seit einiger Zeit in der App auch Kleider, Essen oder ein Taxi bestellen – WeChat hat sich hierfür mit Tochterfirmen von Rocket Internet zusammengetan. In China steht mit dem direkten Alibaba-Konkurrenten JD.com ein mächtiger Partner für ähnliche Dienste bereit. Zudem lässt das Unternehmen inzwischen Markenhersteller eigene Shops in der App einrichten.

All das lässt im Westen genutzte Software wie Whatsapp und Facebook ziemlich alt aussehen. Im vergangenen Frühjahr machte sich WeChat bereits über Facebook-Chef Mark Zuckerberg lustig und legte einen Doppelgänger in einem Werbespot auf die Psychiater-Couch. Die Klage: Alle meine Freunde verlassen mich. In Wahrheit hat Facebook noch genügend Freunde, doch es ist kein Geheimnis mehr, dass im Hauptquartier in Menlo Park gerade intensiv darüber nachgedacht wird, was mit dem 19-Milliarden-Dollar-Einkauf Whatsapp passieren soll (und wohin sich der hauseigene Messenger entwickelt). Facebooks Messenger-Chef David Marcus kam im Sommer von Paypal und bereiste Asien, um Eindrücke zu sammeln. „Es ist wirklich faszinierend“, schwärmte er in einem Interview von den Multifunktions-Messengern, „allerdings funktioniert es dort eben, weil der Zustand des Marktes ein anderer ist als hier.“

So ist Plastikgeld in vielen Gegenden Asiens kaum verbreitet; das Smartphone nimmt hier zunehmend die Ersatzrolle ein. Zudem gibt es für fast alle Funktionen, die WeChat und Co bieten, im Westen eigene Apps – in diesen Markt zu drängen, wäre ein deutlich höherer Aufwand. Und eine weitere Frage, die sich stellt: Wollen Messenger-Nutzer überhaupt mehr als chatten und Fotos teilen?

Path, ein mäßig erfolgreiches US-Netzwerk, scheint daran zu glauben und bietet seit einiger Zeit einen ungewöhnlichen Dienst an: In seiner Messenging-App Talk können Nutzer in englischsprachigen Ländern Restaurants oder Geschäfte mit Fragen anchatten. Genauer gesagt erhält ein menschlicher Digital-Concierge Fragen wie zum Beispiel „Wie lange ist die Schlange vor Ihrem Restaurant?“ oder „Haben Sie das Smartphone xy vorrätig?“ Der Concierge sucht dann nach einer Antwort und übermittelt diese per Chat-Nachricht. Ein solcher Dienst ist aufwendig, öffnet aber die Türen für ein direkteres Verhältnis zwischen Unternehmen und Messenger-Nutzern – eine Vermittlung, die sich eine Plattform in der Theorie glänzend bezahlen lassen könnte.

Doch womöglich geht es auch um mehr. Ben Thompson, einer der derzeit klügsten Tech-Beobachter, sieht die Messenger-Dienste so dominant werden, dass sie „die mobile Plattform darunter überflüssig machen werden.“ Sein Szenario: „Wenn alle wichtigen Apps durch deinen Messenger-Dienst geleitet werden, ist das darunter liegende Betriebssystem – ob iOS oder Android – mehr und mehr irrelevant.“

Auf dem Android-Kontinent Asien zeichnet sich eine solche Entwicklung bereits ab – ein Signal für den nächsten Umbruch in der noch jungen Smartphone-Welt?
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