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„Man muss dauernd Angst haben vor Angriffen“

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Und schon wieder ein Angriff auf eine jüdische Einrichtung in Frankreich: Am vergangenen Montag attackierte ein 30-jähriger Mann Soldaten, die ein Jüdisches Zentrum in Nizza bewachten, mit einem Messer. Drei von ihnen wurden verletzt. Der Angriff steht in einer langen Reihe von Aggressionen gegen Juden in den vergangenen Jahren, darunter das Attentat auf eine jüdische Schule in Toulouse 2012 und die Geiselnahme in einem Supermarkt Anfang Januar.

Die jüdische Gemeinde in Frankreich ist verunsichert, viele Juden wandern aufgrund des wachsenden Antisemitismus aus: Vergangenes Jahr zogen 7000 französische Juden nach Israel, so viele wie nie zuvor.

Ist jüdisches Leben in Frankreich noch möglich? Wir haben junge französische Juden nach ihren Gedanken zu den Attentaten und der Auswanderungswelle gefragt.

Jordan Jablonka, 22 Jahre alt, studiert Wirtschaftsrecht





"Ich war geschockt von den Anschlägen. Von diesem Angriff auf die Meinungsfreiheit, aber auch darüber, dass erneut Juden zum Ziel geworden sind. Denn die Geiselnahme im „Hypercasher“ war das Ende einer Reihe von Zwischenfällen in den vergangenen Jahren: Der Angriff auf die jüdische Schule in Toulouse, das Attentat im jüdischen Museum in Brüssel vergangenes Jahr. Aber es geht nicht nur um diese Anschläge. Antisemitismus ist in Frankreich im Alltag angekommen. Es gibt viel physische Gewalt, es kommt oft vor, dass Juden auf der Straße angegriffen werden. Aber es sind vor allem die verbalen Attacken, die mir auffallen. Das beobachte ich gerade in den sozialen Netzwerken immer wieder. Nach den Anschlägen gab es dort natürlich viel Anteilnahme, aber einige schrieben dort auch „Je suis Coulibaly“, solidarisierten sich also mit dem Attentäter, der vier Menschen in einem Supermarkt getötet hat. Das ist doch furchtbar. Nur ein Prozent der französischen Bevölkerung ist jüdisch, dennoch sind Juden überdurchschnittlich oft Opfer von Angriffen. Das ist einer der Gründe, warum viele französische Juden nun nach Israel oder sonstwohin auswandern. Ich verstehe das. Ich verurteile das nicht. Aber ich möchte in Frankreich bleiben. Denn ich glaube, dass wir für unsere Werte einstehen sollten. Ich engagiere ich mich zum Beispiel in der Jugendorganisation der Partei UMP. Weil ich glaube, dass die Anhänger der Republik zahlreicher sein müssen als die Antisemiten."

Marie-Sarah Seeberger, 23 Jahre alt, studiert Poltikwissenschaften





"Als ich von den Anschlägen gehört habe, dachte ich: „Was passiert hier? Das ist ja wie Krieg.“ Das war ein Gefühl der Machtlosigkeit. Ein Schock. Ich glaube, dass es ein Sicherheitsproblem für Juden in Frankreich gibt. Aber das gilt, denke ich, für jeden, der hier seine Religion frei ausleben möchte - also auch für Moslems. Und es stimmt schon, dass der Antisemitismus immer mehr banalisiert wird. Ich selber praktiziere den Glauben nicht einmal, nur ein Teil meiner Familie ist jüdisch, aber auch ich spüre, dass etwas anders ist. Die antijüdischen Witze von Komikern wie Dieudonné schocken zum Beispiel niemanden mehr, sie sind normal geworden. Auch, wenn der Ministerpräsident Manuel Valls zuletzt nochmal betont hat, dass Antisemitismus und die Leugnung von Völkermorden ein Delikt ist. Moslems und Juden - sie beide haben zurzeit Angst, Opfer von politischen Vorurteilen zu werden. Für mich ist Erziehung ein Weg, um das Problem des Antisemitismus zu bekämpfen. Wir müssen in Kindergärten, Schulen und Jugendzentren junge Menschen ansprechen. Was ist ein Jude? Was ist Israel? Was ist der Holocaust? Viele Menschen in Frankreich sind, was diese Fragen angeht, ignorant. So könnten wir Vorurteile abbauen. Ich glaube aber übrigens nicht, dass der wachsende Antisemitismus der Grund dafür ist, dass viele französische Juden nach Israel auswandern. Sie tun das, weil sie Israel lieben und nicht, um Frankreich zu verlassen. Das sind zwei verschiedene Dinge. Aber natürlich: In Israel ist es sicherlich einfacher, den jüdischen Glauben zu leben."

Elie Touitou, 19 Jahre alt, studiert Jura





"
Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas wie die Anschläge Anfang Januar in Frankreich möglich sind. Natürlich, es gab immer wieder Drohungen. Aber diese tatsächliche Kaltblütigkeit hat mich überrascht. Das war ein Angriff auf die Republik, die Polizei, den Journalismus – und die jüdische Gemeinde. Die Gefahr für Juden in Frankreich wird von der Politik ernstgenommen. Politiker haben diese Angriffe verurteilt und jüdische Einrichtungen werden von Soldaten und Polizisten geschützt. Aber dadurch fühlen sich Juden auch etwas vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Es gibt ein ständiges Misstrauen, man muss dauernd Angst haben vor Angriffen. Egal, ob man zum Gottesdienst oder nur zum Supermarkt geht. Ich glaube, damit hängt auch die steigende Zahl der Auswanderer nach Israel zusammen. Viele Freunde von mir sind schon weg und immer wieder lese ich auf Facebook von weiteren Auswanderern. Das Problem liegt irgendwo in der französischen Gesellschaft begraben. Die Attentäter vom Januar, die Brüder Kouachi und Abdoulaye Coulibaly, sind in Frankreich geboren, sie sind hier zur Schule gegangen. Sie sind Kinder der Republik. Das ist das Dramatische daran. Wie wir diesen Antisemitismus bekämpfen können, weiß ich nicht, ich bin kein Politiker. Ich sehe keine kurzfristige Lösung, denn dieses Problem scheint tief in der Gesellschaft verankert. Aber ich weiß, dass ich kein Leben mehr hinter Soldaten und Polizisten führen möchte. Schulen und Synagogen, die von Kameras überwacht und von Polizisten beschützt werden - das ist nicht normal. Und das ist auch nicht lebenswert."

Für tot erklärt

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"Journalist Felix Huesmann. In unseren Herzen lebst du auf keinen Fall weiter. Bald ist es Zeit zu gehen." So steht es in der fingierten Todesanzeige. Vier weitere Dortmunder Journalisten und Blogger haben genau wie Huesmann am Montagabend Morddrohungen erhalten - über die nun gesperrte Facebookseite "Jagd eröffnet jetzt". Seit einem halben Jahr berichtet Huesmann für verschiedene Medien über die Dortmunder Neonaziszene. Hat die Drohung etwas verändert? Wir haben mit ihm gesprochen.


jetzt.de: Felix, wie ist das, zu wissen, dass sich jemand hingesetzt und über deinen Tod nachgedacht hat?
Felix Huesmann: Als ich am Montagabend an meinem Computer saß, habe ich irgendwann eine Twitter-Benachrichtigung bekommen und einen Post gesehen, in dem mein Name und noch einige andere erwähnt wurden. Dahinter stand noch ein Facebook-Link. Auf den hab ich dann drauf geklickt und bin auf die mittlerweile gesperrte Seite „Jagd eröffnet jetzt“ gekommen. Da hab ich mir gleich gedacht: Oh, neue Todesanzeigen“.





Wieso? Hast du schon mal eine Morddrohung erhalten?
Nein, aber es gab Ende Dezember eine Drohung gegen einen Kollegen in Dortmund. Und jetzt war halt mein Name dabei. Es ist schon erstmal ein ziemlich mulmiges Gefühl. Ich hab mir erst gedacht, das ist ganz schön schäbig! Als ich abends dann nochmal das Haus verlassen habe, hab ich mich schon noch zwei Mal umgedreht, als ich aus der Tür gegangen bin. Aber es ist halt auch anonymes Rumgepose im Internet, was wegen der Anonymität auf Facebook und Twitter erst möglich ist. Nach dem Gedanken habe ich mich nicht mehr so krass bedroht und eingeschüchtert gefühlt.


Also ist es ein Unterschied digital bedroht zu werden oder in der Realität?
Ja schon. Mehrere Dortmunder Neonazis haben mich auf Demos schon persönlich angefeindet. Das erste Mal bei einer Kundgebung von der Partei „Die Rechte“ in Dortmund, wo einer der Neonazis auf mich zukam und sagte: „Hey Felix, Schubertstraße ist braun“ – das ist halt die Straße, in der ich wohne, um mir zu sagen: „Wir kennen dein Gesicht, wir kennen deinen Namen und wir wissen wo du wohnst, mach mal dir mal Gedanken“.





Will sich nicht einschüchtern lassen: Felix Huesmann.


Du hast einen Artikel geschrieben unter dem steht: ‚Folgt (oder bedroht) Felix auf Twitter’: @felixhuesmann. Rechnest du mit weiteren Attacken?
Der Zusatz kam vom Redakteur, aber ich finde ihn total witzig! Für mich ist es wichtig, mit der ganzen Sache mit Humor umzugehen und mich dadurch nicht einschüchtern zu lassen. Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der es Nazis schaffen Journalisten von kritischer Berichterstattung abzubringen.

Hast du dich dann öffentlich geäußert zu der Drohung?
Das erste was ich auf Twitter öffentlich geantwortet habe war ein Screenshot aus dem Film „Der Pate“ mit einem blutigen Pferdekopf im Bett des Mafiosi. Die Message dahinter war: Leute, lernt doch dazu! So sieht eine richtige Morddrohung aus. Ich lasse mich nicht einschüchtern. Nicht auf Kundgebungen, wenn ich fotografiere und ihr mich zurück fotografiert und auch nicht durch gefälschte Todesanzeigen.

Du und dein Kollege Sebastian Weiermann haben am Dienstag Anzeige erstattet und nun ermittelt der Dortmunder Staatsschutz. Erhoffst du dir etwas von den Ermittlungen?
Persönlich hoffe ich, dass es einen höheren Verfolgungsdruck gibt, gerade weil es medial so groß aufgeschlagen ist. Sogar der Innenminister von Nordrhein-Westfalen sagte in einem Interview, dass er sich mit uns solidarisiert – darauf müssen aber natürlich Taten folgen. Die Rechte sitzt immer noch mit einem Abgeordneten im Dortmunder Stadtrat, obwohl sie Volksverhetzung übelster Art betreibt. Ich glaube nicht an einen Ermittlungserfolg – einfach durch die Anonymität des Internets.

Unter den Todesanzeigen findet sich eine Aufforderung an alle Deutschen bei dem Onlineshop antisem.it zu kaufen. Vermutest du auch deshalb, dass die Drohung aus der Partei „Die Rechte“ stammt?
Ich kann nur mutmaßen. Die Neonazis in Dortmund sind nicht dumm, unter ihnen gibt es viele Studenten. Zum Beispiel Michael Brück, den Betreiber des Onlineshops, der in Bochum Jura studiert und dessen Onlineshop ja unter den Todesanzeigen stand. Natürlich muss er das nicht selbst gewesen sein. Die Frage ist aber trotzdem: War das irgendein einzelner Depp oder war das eine abgesprochene Aktion?

Aber warum lassen sich diejenigen zu so einer Aktion verleiten?
Ich denke es ist eher ein Zeichen von Schwäche, als ein Zeichen von Stärke. Es ist nicht so zu interpretieren, dass sie stark sind und sich das trauen, sondern eher so, dass sie politisch gerade nichts Besonderes hinbekommen und sie nur noch durch Aggressivität und Provokationen auffallen können.




Tagesblog - 6. Februar 2015

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11:46 Uhr: Nach der geballten Ladung Politik (2-mal Varoufakis, 2-mal Pegida) in der letzten Linksammlung jetzt ein bisschen was Leichteres für Zwischendurch (keine Sorge: keine Gifs und keine Katzenbilder).

Puls (dieses Jugend-Dings vom BR, ihr wisst schon. Also quasi das was wir bei der SZ sind, nur in multimedial) hat die Größe der Wortschätze deutscher Rapper analysiert und daraus ziemlich witzige, interaktive Infografiken gebastelt. Kann man sich durchaus mal angucken:





Über das "Techniker ist informiert"-Meme von der Uni Mainz habt ihr ja sicher alle schon mindestens einmal gelacht (falls nicht: Wo habt ihr die letzten Tage gelebt? Vermutlich an einem Ort ohne Internetanschluss). Buzzfeed hat sich die Mühe gemacht, die ganze Geschichte in 62 Bildern nachzuerzählen. Je länger man nach unten scrollt, desto absurder wird es:

[plugin imagelink link="http://www.buzzfeed.com/sebastianfiebrig/techniker-ist-informiert" imagesrc="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2015-02/4/5/enhanced/webdr04/enhanced-buzz-21683-1423047209-9.jpg"]

Zu guter Letzt noch eine Aussage des Papstes, die mich leider etwas ratlos hinterlässt. Leider, weil ich mich über viele Dinge, die Franziskus bisher gesagt und getan hat, sehr gefreut habe - und mich eigentlich entschieden hatte, ihn gut zu finden.

[plugin imagelink link="http://www.sueddeutsche.de/panorama/franziskus-zu-erziehungsfragen-papst-findet-wuerdevolles-schlagen-von-kindern-okay-1.2339038" imagesrc="http://polpix.sueddeutsche.com/bild/1.2244697.1423214140/640x360/papst-franziskus-tuerkei-blaue-moschee.jpg"]

Und dann das hier:

Einmal habe ich einen Vater bei einem Treffen mit Ehepaaren sagen hören: "Ich muss manchmal meine Kinder ein bisschen schlagen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu demütigen." Wie schön! Er weiß um den Sinn der Würde. Er muss sie bestrafen, aber tut es gerecht und geht dann weiter.

Und der Pressesprecher des Vatikan als Rechtfertigung:

Wer hat seine Kinder nicht gezüchtigt oder ist von seinen Eltern als Heranwachsender gezüchtigt worden?

Puh... Eure Meinung?

++++

11:15 Uhr:
Da ist er, der erste Text für heute! Nadja hat mit einem französischen Regisseur gesprochen, der einen ziemlich außergewöhnlichen Film gedreht hat. Es geht um die Frage, ob man nur mit Hilfe der Wikipedia überleben kann, wenn man in der Wildnis ausgesetzt wird. Und um miteinander verbundenen Ratten-Gehirne. Und um einen Kybernetiker, der sein Nervensystem mit dem einer Frau verbunden hat, sodass sie automatisch ebenfalls ihre Hand schließt, sobald er eine Faust ballt. Weird stuff. But fascinating.

[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/591446/Man-braucht-nur-Luft-und-Daten" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/na/nadja-schlueter/text/large/1034322.jpg"]

++++

10:34 Uhr:
Puhhhh... Dünne Themenlage heute. Wir haben zwar einiges im Stehsatz, müssen damit aber aus unterschiedlichen Gründen noch warten. Deshalb für die Zwischenzeit ein paar Linktipps, Variante Zeit-Online-Spezial. Da hab ich in den letzten Tagen nämlich einige richtig interessante Texte gelesen (Klick auf die Bilder führt jeweils zu den Artikeln):

Wenn man sich für Politik interessiert, sollte man dieses Interview mit dem neuen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis gelesen haben:

[plugin imagelink link="http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-02/yanis-varoufakis-griechenland-finanzminister-inhalt-interview/komplettansicht" imagesrc="http://images.zeit.de/politik/ausland/2015-02/varoufakis/varoufakis-540x304.jpg"]

Als Hintergrund dazu das SZ-Porträt von Varoufakis: Rebellischer Diplomat

Wer in den letzten Jahren die Privatfehde zwischen Stefan Niggemeier und Harald Martenstein mitverfolgt hat, wird diese Martenstein-Kolumne gerne lesen. Ob man ihm zustimmt, ist ne ganz andere Frage. Aber lustig ist es schon.
(Vermutlich ist das eh nur so ein Medien-internes-Rumgezänke, das bloß Journalisten interessiert und alle anderen völlig ratlos hinterlässt. In diesem Fall: sorry!)

Zweimal Pegida: ein kluger Essay eines jungen Ostdeutschen, der darüber nachdenkt, wie Pegida sein Bild von Ostdeutschland erschüttert hat.

[plugin imagelink link="http://www.zeit.de/2015/06/pegida-dresden-ostdeutschland/komplettansicht" imagesrc="http://images.zeit.de/gesellschaft/2015-02/pegida-dresden-ostdeutschland/pegida-dresden-ostdeutschland-540x304.jpg"]

Und ausgesprochen vielsagende Infografiken, die mit Hilfe von Facebook-Statistiken versuchen, die Frage zu beantworten, wer eigentlich die Menschen hinter Pegida sind:

[plugin imagelink link="http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/wer-ist-pegida-facebook-daten/komplettansicht" imagesrc="http://images.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/pegida-facebook-wordle/pegida-facebook-wordle-540x304.jpg"]

Thematisch passen dazu noch ein Dossier der Amadeu-Antonio-Stiftung über den "Aufstand der alten Männer Herren mittleren Alters":

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09:54 Uhr:
Kurze Frage, bevor's in die nächste Konferenz geht: Habt ihr gestern zufällig das Neo Magazin von Jan Böhmermann gesehen? Kommt ja ab sofort auch ins ZDF-Hauptprogramm. Ich bin aber immer noch unsicher, was ich davon halten soll - und da bin ich offenbar nicht der Einzige.

Zeit Online fand's nämlich richtig super - die SZ eher enttäuschend.

Habt ihr ne Meinung dazu? Oder ist euch der Typ einfach schnurzepiep?

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09:18 Uhr:
Danke für eure ganzen guten Besserungswünsche. Ich fühl mich gleich ein ganzes Stück weniger schlapp (und wie gesagt: So schlimm ist's wirklicht nicht, ich jammere nur gerne.)

Viel wichtiger: Ich habe alle 209 (Stand 09:19 Uhr) Kommentare unter diesem Text gelesen (der Rest der Redaktion übrigens auch; nur, dass ihr nicht denkt, wir würden euch nicht wahrnehmen). Da steht viel Quatsch und viel Wahres, wenig davon lässt sich sofort umsetzen, aber manches schon - und zwar, um livingnextdoortoelvis zu zitieren:

Nicht den ganzen Tag damit verplempern, irgendwo am anderen Ende des World Wide Web nach doofen Katzen mit, auf oder in Haushaltsgeräten zu suchen, sondern gewissenhaft die Beiträge der User durchstöbern und die Perlen lobend hervorheben.

Auch wenn ich euch versichern kann, dass wir nicht den ganzen Tag damit verplempern, nach Katzenbildern zu suchen - auf schöne Usertexte hinzuweisen, kann auf keinen Fall schaden. Deshalb mein Aufruf an euch: Wenn ihr heute Texte lest, von denen ihr denkt, dass sie einen Ehrenplatz in diesem Tagesblog und vielleicht auch auf der Startseite verdient hätten: ab in die Kommentare damit, und ich guck's mir an.

Natürlich halte ich auch selbst die Augen offen, aber ich werde heute voraussichtlich ziemlich beschäftigt sein und nicht alle Texte sorgfältig lesen können. Danke für eure Mithilfe schon mal!

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07:36 Uhr:
 Draußen so:

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Drinnen so:

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In Zahlen:
-9,7°C (Außenthermometer) vs. 39,1°C (Fieberthermometer)

Ich bin heute also heiß - leider nicht auf den Tagesblog.

Das Internet kann zwar vieles, aber zum Glück hat noch niemand herausgefunden, wie man damit Viren überträgt. Deshalb kann ich euch zumindest nicht anstecken. Ich werde heute also Sicherheitsabstand zum Rest der Redaktion halten und ein bisschen vor mich hinbloggen, -schwitzen und -schüttelfrosten.

(Ganz so schlimm ist es nicht, eigentlich fühle ich mich fitter, als die Temperatur aussagt. Ich versuch's einfach mal. Zur Not kann ich mich ja am Wochenende auskurieren.)

Jetzt geht's erstmal ab ins Büro und dann auf die erste Konferenz. Bis später!

Man braucht nur Luft und Daten

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Durch das Internet sind wir alle miteinander verbunden, ein Netz liegt über der Welt, ein kollektives Bewusstsein, das langsam zu einem eigenen Organismus wird: dem „World Brain“.

So lautet auch der Titel des Films der beiden französischen Künstler Stéphane Degoutin und Gwenola Wagon, den sie erstmals auf der transmediale in Berlin gezeigt haben und der jetzt auch online zu sehen ist. Darin erzählen sie vom Internet von heute und entwerfen Ideen des Internets von morgen. Die Reise führt von den Glasfaserkabeln in den Ozeanen, über riesige Rechenzentren und niedliche Katzenvideos, bis zu Ratten, deren Gehirne über das Internet verbunden werden. Und zu einer Gruppe von Forschern, die im Wald campiert, dort versucht, nur mithilfe der Wikipedia zu überleben, und Experimente zur Vernetzung durchführt – untereinander und mit der unmittelbaren Umgebung.

Im Interview erklärt Stéphane Degoutin die Idee des Films, warum man bald vielleicht nur noch eine Datenverbindung braucht, um zu überleben, und was „Das Internet des Inneres“ ist.


Stéphane Degoutin und Gwenola Wagon

jetzt.de: Ich habe „World Brain“ online angeschaut. Da erscheint der Film eigentlich gar nicht als Film, sondern als große Karte: Jede Sequenz ist ein einzelnes Video und drumherum gibt es ganz viel Zusatzmaterial, das man sich durchlesen kann.

Stéphane Degoutin: Es gibt den Film auch in linearer Form, also als 70-Minüter, so haben wir ihn auf der transmediale gezeigt. Da sind alle Elemente des Films verbunden, durch die Musik und das Voice-Over. Und es gibt diese experimentelle Form, die Karte, auf der es wirkt, als sei der Film explodiert. Plötzlich sind alle Elemente autonom und unverbunden.

Wieso habt ihr diese Form gewählt?
Wir wollten einen Film über die heutige Welt machen, über den konstanten Informationsfluss, dauernd kommen von allen Seiten Informationen auf uns zu. Der Film soll dem Betrachter das Gefühl geben, Teil dieses Informationsflusses zu sein.

Ich war ja etwas verwirrt, als ich den Film angeschaut habe: Ist das jetzt eine Dokumentation oder ein Spielfilm?
Beides gleichzeitig – und gleichzeitig nichts davon. Wir nennen den Film nicht “Dokumentation”, weil er gar nicht die Wahrheit abbilden soll. Wir haben Aspekte dokumentiert, die existieren, zum Beispiel haben wir in Fabriken gefilmt, in denen Glasfaserkabel produziert werden. Aber genauso gibt es fiktive Elemente und Bilder und Videos aus dem Internet. All das haben wir zusammengefügt.

Eine wichtige Rolle spielt die Gruppe von Wissenschaftlern, die ihr im Wald ausgesetzt habt, in einem Camp, nur ausgerüstet mit ein paar Büchern und einer Internetverbindung. Das sind schon echte Wissenschaftler, oder?
Manche ja, manche nein. Wenn ihr Name eingeblendet wird, dann sind es echte Wissenschaftler, wenn du keinen Namen siehst, dann sind es Schauspieler.

Haben sie denn wirklich im Wald gecampt?
Auch da war es wieder eine Mischung. Wir haben wirklich dieses Camp gebaut, zusammen mit Julien Imbert, einem Grafikdesigner, der aber auch Überlebenstrainings anbietet, und Olivier Peyricot, einem Designer, und einige Teilnehmer haben in diesem Camp gelebt. Ein paar kamen nur für ein, zwei Tage.

Und sie haben Feuer mithilfe von Wikipedia gemacht…

Ja, das haben sie wirklich gemacht, sie haben den Wikipedia-Eintrag gelesen und versucht, ihn umzusetzen. Wir haben allerdings ein bisschen geholfen, weil es wirklich sehr komplex ist, ein Feuer zu machen – es hat zwei Tage gedauert, diese Szene zu drehen.

Die Idee dahinter ist, dass man nur noch eine Datenverbindung braucht, um zu überleben, und sonst nichts, oder?
Ja, genau. Natürlich ist das heute noch nicht möglich, aber wir können uns eine Zukunft vorstellen, in der man immer einen Computer bei sich trägt und sonst nichts braucht, weil man Zugriff auf alle nötigen Informationen hat: wo man schlafen kann, wo man Schutz findet, welche Früchte man essen kann. Dann würde man zum Beispiel eine Pflanze anschauen und automatisch die Information bekommen, welche es ist.

[plugin bildergalerielight Bild2="Szene aus World Brain" Bild3="Szene aus World Brain" Bild4="Szene aus World Brain" Bild5="Szene aus World Brain"]

Es geht darum, die Verbindung zur Natur zurückzugewinnen – mit Technologie?

Das ist ein bisschen ironisch, aber ja: Das ist die Idee! Wir wollten eine Geschichte über das Internet erzählen und sie verbinden mit einer Idee, die wir vor längerer Zeit hatten: Wenn der Mensch wirklich zurückkehren will zur Natur, dann könnte er alles zurücklassen, er könnte quasi nackt sein, aber das eine, was er immer noch bräuchte, wäre die Verbindung zu anderen Menschen.

Und eine zu allem Wissen, das es in der Welt gibt.

Genau.

Im Film wird mit einer direkten Verbindung zwischen Lebewesen experimentiert: In die Gehirne von Ratten wurden Elektroden eingesetzt und über das Internet miteinander verbunden – so entstand eine Ratte mit zwei Körpern. Ist das wirklich so passiert?
Ein Forscher namens Miguel Nicolelis behauptet, dass er die Neuronen von Ratten verbunden hat. Es ist sehr schwer zu sagen, was wirklich passiert ist, was genau von einem Gehirn zum anderen übertragen wurde. Aber es geht weniger darum, ob es passiert ist oder nicht, sondern um den Traum dahinter, darum, dass wir es uns vorstellen können.

Aber ist das nicht eher ein Albtraum? Elektroden im Gehirn, die absolute Verbindung zwischen Menschen oder Tieren oder Menschen und Tieren?
Ja, zum einen ist das eine Art Albtraum, zum anderen glauben viele Menschen daran, dass wir mithilfe technischer Apparaturen auf eine besonders tiefe Art verbunden sein können. Wir spielen mit dieser Idee und betrachten sie aus verschiedenen Perspektiven – eine zeigt eine Dystopie, in einer anderen hört es sich ganz schön an.

Wie bei dem Kybernetiker Kevin Warwick, der per Computer sein Nervensystem mit dem seiner Frau verbunden hat. Wenn er seine Hand schloss, schloss sie auch ihre. Er sagt in eurem Film, dass sie sich dadurch extrem nah waren.
Ja, genau. Aber am Ende ist die Botschaft des Films ambivalent. Wir erforschen Möglichkeiten, ohne zu sagen, ob sie gut oder schlecht sind. Darum sieht man zu Schluss noch mal die Forscher im Wald und weiß nicht, was man von ihnen halten soll: Sie wirken ein bisschen verloren, wir wissen nicht, wo sie hingehen und ob sie noch daran glauben, was sie tun.

Die Forscher sind am Ende mit einer grünen Paste eingeschmiert. Das habe ich nicht ganz verstanden…

Das ist eine Metapher. Die Paste ist eine Art Kleidung, die du trägst und dann verlierst du das Gefühl für deinen Körper und bist dadurch unmittelbar mit deiner Umwelt verbunden. Das ist ein anderer wichtiger Aspekt des Films: Wenn man heute das Internet nutzt, muss man auch immer sein Gehirn und sein Bewusstsein nutzen, man muss etwas auf der Tastatur tippen oder sprechen. Aber wir können uns ein Internet vorstellen, das am Bewusstsein vorbeifließt, das direkt nutzt, was in unseren Gehirnen ist oder an unseren Körpern.

Das ist, was ihr im Film “Das Internet des Inneren” nennt?
Genau.

Aber wenn alle mit allem und allen verbunden sind, verlieren die Menschen dann nicht ihre Individualiät und ihren freien Willen? Das ist doch beängstigend.
Darüber gibt es schon lange eine Debatte. Die Idee des “World Brain” gibt es ja schon seit mehr als zwei Jahrhunderten. Seit wir immer mehr verbunden sind, durch Medien und Kommunikationsmittel, haben sich Menschen vorgestellt, dass wir eine kollektive Intelligenz bilden können und miteinander verschmelzen. Klar ist es möglich, dass wir dann unsere Individualität verlieren, aber ich sehe auch andere Möglichkeiten: Wir müssen nicht verschmelzen, wir können uns auch nur verschieben, also am Leben anderer teilhaben, ohne uns selbst aufzugeben.

Vater, Freund, Onkel?

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Das größte Glück, unser Sonnenschein. Oder schlicht: der Mittelpunkt der Welt. Beschreiben Eltern, was ihre Kinder für sie bedeuten, reicht oft kein Superlativ aus. Wovon sie weniger reden, sind die Abgründe, in die sie eine Elternschaft stürzen kann. Niedergeschlagen, ausgelaugt und überfordert von der neuen Rolle überstehen manche Eltern nur mit Mühe die ersten Jahre mit ihrem Nachwuchs. In Mitleidenschaft gezogen werden aber nicht nur die Mütter. Zwar hat sich herumgesprochen, dass „Babyblues“ und Wochenbettdepression viele Frauen nach der Geburt heimsuchen. Mittelfristig gefährdet sind aber vor allem die Väter.



Vater mit Kind: Elternschaft kann stressig sein, auch für Männer. Besonders in Patchworkfamilien sind die Anforderungen oft hoch. Depressive Symptome können die Folge sein.


„Mütter wie Väter haben es mit erheblichen Belastungen zu tun, und manche Formen der Elternschaft sind extrem stressig“, sagt Kevin Shafer. Der Professor für Sozialarbeit hat gemeinsam mit Garrett Pace von der Universität Princeton mehr als 6000 Eltern untersucht und die Ergebnisse im Fachmagazin Social Work an diesem Freitag veröffentlicht. Besonderen Anforderungen sind demnach Männer in Patchwork-Familien ausgesetzt, die bis zu drei Rollen ausfüllen müssen – und sich um „deine, meine und unsere Kinder“ kümmern. Ihr Risiko für Depressionen liegt um 57 Prozent über jenem von Eltern mit nur einer Rolle in der Familie. „Es gibt Vorstellungen und Normen für die Elternschaft, aber keine dafür, Stiefvater zu sein“, sagt Shafer. „Sollte ich mich wie ein normales Elternteil verhalten, wie ein guter Freund – oder eher wie der coole Onkel?“ Viele Väter seien unsicher, welche Position die richtige für sie ist.

Die Gefahr für Stressreaktionen und Depressionen ist noch größer, wenn ein Vater in einer neuen Patchwork-Konstellation lebt, seine leiblichen Kinder aber nicht bei ihm wohnen. Oft haben Väter dann Schuldgefühle, weil sie mehr Zeit mit den jüngeren Kindern verbringen als mit ihren älteren. Kommt ein weiteres Baby hinzu, entwickelt sich eine neue Dynamik, der Freiraum für die anderen Kinder wird noch knapper.

„Der Stress entsteht ja nicht aus niederen Motiven, sondern aus edler Absicht“, sagt Shafer. „Sie wollen weiterhin gute Eltern sein, gute Stiefeltern und natürlich auch gute neue Eltern.“ Da es Patchwork-Familien immer häufiger gibt, nehmen derartige Probleme zu, und Psychiater wie Psychologen bekommen vermehrt damit zu tun. Männer sind auch deswegen anfälliger, an einer Depression zu erkranken, weil sie es nicht wie Frauen gewohnt sind, sich professionelle Hilfe zu holen.

„Es gibt auch den Väter-Blues“, sagt Karl Heinz Brisch, Leiter der Psychosomatik am Haunerschen Kinderspital der Uni München. „Gerade Väter, die an verschiedenen Stellen unterwegs sind, haben ein Vielfaches an Belastungen.“ Wird ihnen alles zu viel, sind sie erschöpft oder unruhig, schlafen schlecht und können ihre Frau nicht mehr unterstützen. „Das strahlt auf das Baby zurück, wenn nicht genug mit ihm gelacht und gespielt wird und wenig Nähe entsteht“, so Brisch. Die Rolle des Stiefvaters sei besonders schwierig. „Die Männer kriegen Übertragungen der Stiefkinder ab, etwa Wut und Enttäuschung, die vermutlich dem leiblichen Vater gelten“, sagt Brisch. „Oder sie werden extrem idealisiert, was oft nicht lange anhält.“ Anstrengend sei moderne Elternschaft allemal.


 

Bei Anruf Hundefutter

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Drückerkolonnen klingeln nicht mehr an der Haustür. Sie rufen an. Täglich werden Zigtausend Bürger von dreisten Verkaufsprofis telefonisch belästigt, bequasselt und abkassiert. Bei Senioren klappt die Masche am besten. „Sie wollen doch sicher sparen? Oder gewinnen?“, so fangen die meisten Telefonate an. Ja klar, sagen viele Angerufene arglos – und sitzen am Ende in Zeitschriften-Abos fest, haben Lotterielose gekauft, Versicherungen und Kontoabbuchungen am Hals. Oder haben den Stromanbieter gewechselt. Unerlaubte Werbeanrufe sind eine Massenplage, wie eine bundesweite Umfrage der Verbraucherzentralen ergab.

Dabei sind die sogenannten cold calls verboten, wie Friederike Wagner, Juristin der Verbraucherzentrale Sachsen, betont. Seit Oktober 2013 ist das Anti-Abzocke-Gesetz in Kraft, das den nervigen und häufig unseriösen Verkaufspraktiken am Telefon endlich den Riegel vorschieben sollte. Seither gilt: Wer einen Bürger anruft, muss vorher dessen Einwilligung eingeholt haben. Doch die meisten Angerufenen haben nie wirklich einem Werbeanruf zugestimmt. Letztlich wird nicht überprüft, ob dem Unternehmen tatsächlich eine rechtswirksame Einwilligung vorlag, wie Ilja Braun vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) in Berlin kritisiert.



Ob Hundefutter, Lotterielose oder Zeitungs-Abo: Call-Center-Mitarbeiter haben einige Tricks auf Lager, um Produkte zu verkaufen. Auch mündliche Absprachen können wirksam sein.


Obwohl das neue Gesetz mehr Schutz versprach, „hat sich am täglichen Ärgernis für die Bürger bislang nicht viel geändert“, sagt auch Julia Rehberg, Juristin der Verbraucherzentrale Hamburg. Da hilft auch kaum, dass deutsche Callcenter nicht mehr vor 8.00 Uhr morgens oder nach 20.00 Uhr abends durchläuten, sich samstags auf die Zeit zwischen 9.00 und 18.00 Uhr beschränken und nicht mehr als 15-mal pro Woche beim gleichen Anschluss vorstellig werden. Denn am Kernproblem wurde nicht gerüttelt: Kommt bei den Werbeanrufen und Marketingkampagnen ein Vertrag zustande, ist das erlaubt.

Wichtig: Auch mündliche Vereinbarungen sind Verträge. So ist ein telefonisch geschlossener Vertrag genauso gültig wie ein im Laden unterschriebener. „Es herrscht Vertragsfreiheit“, erklärt Rechtsanwalt Jürgen Widder vom Deutschen Anwaltverein (DAV). Obwohl telefonische Verträge häufig auf unlauterem Weg zustande kommen, sind sie in der Regel rechtlich wirksam, wie Juristin Wagner betont. Kunden, die zu spät oder gar nicht widerrufen, sitzen darin fest. Diese paradoxe Situation wird von Firmen gnadenlos ausgenutzt.

„Vor allem Ältere lassen sich oft aus Höflichkeit auf Verkaufsgespräche ein und werden dann mit System über den Tisch gezogen“, berichtet Juristin Rehberg. Geschickt werden den Senioren zum Beispiel Abos für Hunde- und Katzenfutter angedreht, obwohl sie gar keine Haustiere haben. Oder sie kriegen nach einem Telefonat die Rechnung für ein angeblich neues Rheumamittel, das sie gar nicht brauchen. Per Telefon werden auch gern Strom-, Internet- und Telefonverträge an den Mann oder die Frau gebracht, Abbuchungen vom Konto vereinbart oder gar ein Geldtransfer mit Western Union eingefordert.

Die Methoden werden immer dreister. Inzwischen geben sich dubiose Anrufer als Anwälte, Mitarbeiter von Behörden oder Verbraucherschützer aus, um Kontodaten abzufischen und Kasse zu machen. Vorher wird noch schnell die Rufnummer unterdrückt oder manipuliert, sodass der Anruf nicht zurückzuverfolgen ist.

Dass die Bundesnetzagentur bei illegaler Telefonwerbung seit 2013 happige Bußgelder von bis zu 300000 Euro verhängen darf, schreckt offensichtlich nicht ab – zumal die Behörde diesen Rahmen trotz unzähliger Beschwerden nicht ausschöpft, wie Juristin Wagner bemängelt. Aus Abzocker-Sicht sei die Rechnung recht einfach: „Wenn ein einziger Call-Center-Mitarbeiter pro Stunde sechs Leute anruft und vieren einen Vertrag unterjubelt, der in zwei Fällen auch noch bezahlt wird, ist ein Bußgeld von ein paar Tausend Euro schnell wieder raus“, so Wagner. Nur ein verschärftes Gesetz könne vor unseriösen Verkaufspraktiken schützen, sind Verbraucherschützer überzeugt. Die vzbv-Experten wollen, dass Telefonverträge erst dann gültig sind, wenn der Kunde sie schriftlich bestätigt hat. Das gilt bisher nur für Gewinnspielverträge.

Und so bleibt allen, die einer Verkaufsmasche am Telefon aufgesessen sind, nur eins: Nach dem Anruf so schnell wie möglich aussteigen. Das Widerrufsrecht bei Telefonverträgen beträgt 14 Tage. Außerdem muss der Verkäufer seine Kunden darüber aufklären, wie Anwalt Widder erläutert. Die 14-Tages-Frist startet, wenn die Belehrung schriftlich beim Kunden eingeht. Ist das nicht der Fall, ist der mündlich geschlossene Vertrag in der Regel nicht gültig. „Auf keinen Fall unter Druck setzen lassen und vorschnell zahlen“, rät Juristin Rehberg. Zwar zeichnen viele Anrufer die Verkaufstelefonate auf, brauchen dafür aber das Einverständnis des Kunden. Drohungen, den Mitschnitt als Beweis einzusetzen, seien deshalb oftmals ohne Basis.

Ist die 14-tägige Widerrufsfrist mitsamt Belehrung schon länger vorbei, wird es allerdings schwierig. Bei komplizierten Fällen ist es ratsam, sich bei Verbraucherzentralen vor Ort Hilfe zu holen (gegen Gebühr). Wer Problemen von vornherein aus dem Weg gehen will, sollte bei Werbeanrufen sofort auflegen, Gewinnspiele meiden und persönliche Daten wie Telefonnummern nur selten aus der Hand geben, empfiehlt Wagner. Wer sich von Werbeanrufen massiv belästigt fühlt, kann sich direkt an die Bundesnetzagentur wenden, am besten per E-Mail an: rufnummernmissbrauch@bnetza.de. Oder unter www.bundesnetzagentur.de, Button „Rufnummernmissbrauch“. Die Regulierungsbehörde geht Beschwerden dann nach. Wichtig ist, Datum und Uhrzeit des Anrufs parat zu haben, welche Produkte beworben wurden, wenn möglich auch die angezeigte Rufnummer und den Firmennamen.

Zu billig

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„Preissenkung auf Dauer“ – so wirbt die bundesweit tätige Discounter-Gruppe Netto auch in dieser Woche. Hundert Gramm Wurst aus Truthahnbrust („gepökelt, gegart und gebacken“) kosten nun nur noch 89 Cent, zehn Cent weniger als bisher. Die Konkurrenz zwischen den Discountern ist groß, so groß, dass die Lebensmittelpreise in Deutschland seit Jahren immer weiter nach unten gehen. Vier große Ketten teilen sich den Milliardenmarkt: Aldi, Lidl, Penny und Netto. Sie alle standen bereits in der öffentlichen Kritik. Denn so positiv die kleinen Preise für die Kunden sind, Leidtragende sind oft die Mitarbeiter, die mit harten Arbeitsbedingungen bei geringer Entlohnung leben.

Einige Discounter-Ketten haben bereits etwas geändert, am Image und an der Personalpolitik. „Nur Netto ist eine echt harte Nuss“, sagt Stefan Sell. Der Professor für Volkswirtschaft an der Hochschule Koblenz kennt die Strategie des Discounters, weil er sich seit Jahren damit beschäftigt. „Die sitzen das einfach aus.“ Die jüngsten Vorwürfe gegen den Lebensmitteldiscounter : Zu wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Filialen, Druck durch die Unternehmensspitze, unbezahlte Überstunden, Kündigung bei zu langer Krankheit. All das ist bekannt.



Zu wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Filialen, Druck durch die Unternehmensspitze, unbezahlte Überstunden und Kündigung bei zu langer Krankheit sind unter anderem Vorwürfe gegen den Discounter-Riesen.


Und all das wird auch gedeckt von Edeka. Denn Netto gehört seit einigen Jahren zur Gruppe des größten deutschen Lebensmittelhändlers. Gerade Edeka, die Supermärkte mit dem Zahnweiß-Image, die mit funktionierenden Ausbildungsstrukturen, Familienfreundlichkeit und in der Branche übertariflicher Bezahlung werben. Erst im vergangenen Jahr sorgte Edeka mit einem Werbespot mit dem Berliner Friedrich Liechtenstein („supergeil“) im Internet für Aufsehen. So soll das etwas angestaubte Image von Edeka , besonders auch bei jungen Kunden, poliert werden.

Da kommen die Vorwürfe gegen die Discounter-Tochter Netto ungelegen. „Die Edeka-Gruppe fährt zweigleisig“, sagt Wissenschaftler Sell dazu. Aber die Verantwortung für die schlechten Arbeitsbedingungen bei Netto sieht er trotzdem klar beim Edeka-Konzern. Eine Dokumentation, die am Mittwoch im SWR ausgestrahlt wurde, beschäftigt sich mit den Arbeitsbedingungen bei Netto. Sell spricht da über „Hierarchie, Druck und ein negatives Organisationsgefälle“ im Unternehmen Netto.

In dem Film („Das System Netto“) wird berichtet, dass teilweise nur zwei Mitarbeiter gleichzeitig im Laden arbeiten. Das bestätigt auch das Unternehmen. Zu allem anderen gibt man keine Auskunft. Weitere Vorwürfe sind, dass Mitarbeiter gekündigt werden, wenn sie keine unbezahlten Überstunden leisten wollen. Aus einem Protokoll geht hervor, dass Festangestellte mindestens 33 Artikel pro Minute über den Scanner ziehen sollen. Wer diese Vorgaben nicht erreicht, wird nicht mehr in Kassenschichten eingesetzt.

Netto selbst gibt sich zugeknöpft. In einer Stellungnahme distanziert man „sich ausdrücklich von den Vorwürfen der Sendung“. Vor allem ist dem Unternehmen wichtig, dass Netto nicht die vom Jobcenter vermittelten Praktikanten ausnutzt und länger arbeiten lässt als zulässig. Genauso seien Führungskräfte stets angewiesen, Überstunden anzumelden, sie würden dafür auch entlohnt. „Netto Marken-Discount hat flächendeckende Betriebsratsstrukturen“, heißt es.

Die Arbeitsbedingungen sind wohl trotzdem nicht die besten. Aber die Mitarbeiter organisieren sich kaum bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. So könnten sie sich gegen ihre eigene Ausbeutung wehren. Sell erklärt das so: Die Angestellten seien meistens Frauen, die auf Teilzeitjobs und flexible Arbeitszeiten angewiesen seien. In vielen Regionen, etwa auf dem Land, seien Discounter fast die einzigen Arbeitgeber. Da bleibe nicht viel Raum für Gewerkschaftsarbeit. Doch durch die negativen Berichte ist nun das Image in Gefahr. Netto wurde in einer Zeit aufgebaut, als Discounter die klassischen Supermärkte überholten. Doch zuletzt sank der Marktanteil der Discounter um 0,7 Prozentpunkte. „Das ist fast so etwas wie ein Absturz“, diagnostiziert die Gesellschaft für Konsumforschung. Hinzu kommt, dass die Discounter verpflichtet sind, den Mindestlohn zu zahlen und die Arbeitsstunden zu dokumentieren. Neue Zeiten also.

Jungs, warum habt ihr Angst vor zu viel Dominanz?

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Wahrscheinlich sind in unserer Generation wenige Dinge verpönter, als sich in einer Beziehung drangsalieren zu lassen. Trotzdem bleibt es nicht aus, dass man unter seinen vermeintlich so kompromisslosen und emanzipierten Freunden und Freundinnen hin und wieder Spuren der pathologischen Unterwürfigkeit entdeckt. Freundin N. zum Beispiel, die nun doch nicht allein nach Rio fliegt, weil, "naja, unter anderem halt der Max da jetzt auch nicht so amused drüber ist", wie sie verdruckst vorbringt. Oder Freund S., der die Clique verzweifelt bittet, seiner Freundin nichts von der exzessiven Party in der gemeinsamen Wohnung neulich zu erzählen, als sie übers Wochenende bei ihren Eltern war.

Unsere innere Reaktion auf solcherlei Unterwürfigkeiten unserer besten Homies verläuft meist in folgenden Phasen:

1. Kleiner Schreck: Was, x/y ist da so unsouverän? Passt jetzt irgendwie gar nicht.
2. Mittelstarke Enttäuschung: Hätt’ ich irgendwie mehr Selbstbewusstsein erwartet, dachte immer, x/y sei cooler.
3. Kurze Wut auf die andere Hälfte: Blöde Schnepfe / Blödes Arsch, würd ich sofort abschießen, hat x/y überhaupt nicht verdient!
4. Toleranz- und Thema-abhaken-Phase: Naja, ist ja nicht mein Problem, wer bin ich, die Leute zu belehren, holt sich halt jeder ab, was er braucht und was weiß ich von außen schon, wie es in der Beziehung wirklich zugeht.





Ja nach Engheitsgrad unserer Beziehung zu der offensichtlich drangsalierten Person würden wir vielleicht vor Schritt Vier noch einmal den Versuch wagen, die Sache anzusprechen und nachzuhaken, ob x beziehungsweise y sich da wirklich so unter Druck setzen lassen möchte. Aber dann wäre es auch gegessen. Und im Übrigen spielt es für uns keine Rolle, von welcher Seite die Unterdrückung ausgeht. Vom Partner unterdrückt ist vom Partner unterdrückt, egal ob nun Mann oder Frau die "Täter" sind.

Ihr hingegen, und daher rührt überhaupt erst meine Frage, scheint das noch etwas anders zu sehen. Wenn ein Mann sich von seiner Freundin bestimmen lässt, macht euch das sehr viel wahnsinniger, als andersrum. Bei einer beherrschten Frau setzt ihr die Mitleidsmiene auf: Ach herrje, die Arme, hoffentlich steckt da nicht häusliche Gewalt dahinter! Bei Typen aber werdet ihr regelrecht wild: So ein Weichei, so ein Warmduscher, Sitzpinkler, da fallen in der größten Wut sogar Schimpfworte wie "Fotzenknecht".

Letzteres habe ich mir übrigens nicht ausgedacht, sondern erst vor einigen Tagen selbst aus dem Mund eines Bekannten gehört, der ansonsten außerordentlichen Wert auf gute Manieren legt. Die Geschichte dahinter: Ein Freund, mit dem dieser Bekannte zum Stammtisch verabredet war, ist nicht zu diesem Stammtisch erschienen. Er hat aber auch nicht selbst abgesagt. Seine Freundin hat eine SMS an den Stammtisch geschickt, der X könne nicht kommen, Fieber und Schüttelfrost, viele Grüße, die Y.

Was zur Hölle!, habt ihr da gebrüllt, so ein "Fotzenknecht" ist der X also? Erstens, wart ihr euch sicher, sei er gewiss nicht so krank gewesen, dass er nicht einmal mehr selbst eine SMS hätte schreiben können, und zweitens, selbst wenn er es gewesen wäre, hätte er die Freundin ja auch bitten können, in seinem Namen eine SMS zu formulieren, und nicht in ihrem. Tatsächlich, ich gebe es zu, eine verstörende Szene und alles sehr mysteriös bis höchstverdächtig. Aber diese Aufregung darüber, Jungs, dieses Emporfluchen bis zum Wort "Fotzenknecht", das müsst ihr uns erklären. Wieso betrifft euch das Unterdrücktwerden eines Mannes auf so gänzlich andere Weise als das einer Frau? Doch nicht nur, weil ihr selbst welche seid?

Auf der nächsten Seite liest du die Jungsantwort von elias-steffensen.
[seitenumbruch]




Lieb von dir, das mit dem "Bekannten". Aber wir tun da jetzt gar nicht lang rum und sagen einfach, dass ich das war. Weil Himmel, der X. – spinnst du, kann ich mich da reinsteigern! Lässt der wirklich seine Alte den Stammtisch absagen! Per SMS! Ja geht’s denn eigentlich noch?!

Ja, ja: "Alte", weiß schon. In dem Wort hängt der Weißbierdunst von tausend Schafkopfrunden. Aber so fühlt sich das für mich leider an. Als müsste ich von einer "Oiden" reden, die zu Hause sitzt und grantelt und greint und das Nudelholz wetzt und dabei eine geblümte Kochschürze anhat. Wobei ich das mit dem "Fotzenknecht" noch präzisieren möchte. Ganz genau genommen hab ich nämlich den X. nicht direkt "Fotzenknecht" genannt, ich habe gesagt, dass ich vor lauter Erregung kurz davor sei, ihn so zu nennen.

Viel besser macht es das aber jetzt auch nicht. Dass mir (und ich glaube, man kann da tendenziell auch sagen "uns") das Vokabular da manchmal derart Richtung Wolfsmensch verrutscht, zeigt schon, aus welchen Regionen in uns das hervorkriecht: Wir stecken bis zum Anschlag in tradiertem Scheißkram. Alte Rollenbilder, die klebrige Reste hinterlassen haben, wie die halbherzig abgepulten Paninisticker in unseren Jugend-Kleiderschränken: Der Macker und die Alte. Wir gegen euch.

Und während ich die vorherigen Absätze noch mal überfliege, und mir vor allem die Semantik ansehen, fällt mir auf: Das ist gar nicht so sehr die Rückwärtsgewandtheit reaktionärer Sexisten. Es hat eher etwas Pennälerhaftes. Und genau das ist – glaube ich – auch das Irrationale, die Gefühlsseite des Ganzen: Wir sind da geistig wieder im Kosmos Pausenhof. Jungsgruppe und Mädchengruppe. Kicken und Gummitwist.

Und irgendwann ist dann der frühreife Jürgen plötzlich zu den Mädchen rübergegangen. Und kurz drauf hat er geknutscht. Mit euch. Und nicht mehr gekickt. Mit uns. Und das war dann eine Art von Verrat. Eine Entscheidung gegen die Gruppe. Gegen die Schicksalsgemeinschaft. Gegen "uns". Für "die".

Dieses Gefühl kraxelt wieder hoch, wenn wir ein bisschen Galle auf den Stammtisch-Bruder X. speien. Würde ich sagen. Auf eine etwas verquere Art finde ich das sogar ganz niedlich – dass der kleine Elias aus der Vergangenheit noch mal herüberkrakeelt. Dass er sagt: "Igitt, mit Mädchen?! Wie schwul!" Was wohl auch erklärt, warum wir das starke Gelästere nur in Gruppen tun. Hätte mir der X. alleine abgesagt, wäre mein Ton garantiert ein anderer gewesen.

Ich würde mich sogar noch an einer rationaleren Erklärung versuchen. Für die brauche ich aber eine etwas steile These: Damit Typen sich in einer Beziehung auf Augenhöhe bewegen können, müssen sie eine winzige Spur souveräner sein als ihre Freundinnen. Frauen haben nämlich mehr Manipulationsmöglichkeiten. Oder halt! Mehr von den leisen zumindest. Von dem gemaunzten "Och, ich dachte, wir machen uns einen schönen Abend zu zweit heute ...". Von dem "Hm, wenn du meinst, dann geh da ruhig noch hin".

Maunzen kann bei euch etwas Niedliches haben. Wenn ihr es selten genug benutzt. Bei uns ist es eher immer schluffig und teigig. Wenn wir dem X. also vorwerfen, unter dem Pantoffel zu stehen, wenn wir von ihm also wenigstens implizit fordern, mal eine Ansage zu machen, dann ist das weniger ein Aufruf, das Weib zu unterjochen. Es fordert eigentlich nur Augenhöhe in einer Beziehung von jemandem, den wir mögen.

Wir haben verstanden! KW 06

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  • Monatelang mit der These hausieren gehen, dass Schwangerschaften jetzt ja wohl wieder total in sind, und dann feststellen, dass man wahrscheinlich einfach nur langsam in das Alter kommt, in dem das naturgemäß ziemlich in ist.

  • Wenn die Temperaturen unter null sinken, will man eigentlich nur noch eins: essen.

  • München ist schon deshalb die beste Stadt, weil sie geographisch so ziemlich genau im Zentrum Europas liegt und man so schnell überall hinkommt, wo es schön ist.

  • Man muss zum Aufwachen viel öfter ausländisches Radio hören, das versetzt den Körper nämlich in einen kurzen Instant-Urlaubsrausch.

  • In Berlin sind sogar die Zettel aggressiver als in München.





  • Immer dasselbe: Hat man den Regenschirm dabei, regnet es nicht, vergisst man ihn, regnet es. Kauft man eine Fahrkarte, kontrolliert einen keiner, kauft man keine, wird man erwischt.

  • Super Sache: Die Waage wegschmeißen.

  • Voll der olle und doch so gute Leitungswasser-Pimp-Trick: Bisschen frische Zitrone reinpressen und voilà, it's a drink.

  • Das beste Getränk der Welt kann jetzt auch betrunken machen.

  • Ein anderes gutes Getränk nervt mittlerweile allerdings ziemlich.

  • Der Sprecher von Pegida-Wien hat mal eine Single namens "Genocidium" rausgebracht. Weißte auch, woran du bist.

  • Ungeahnte Radikalkonfrontation mit der eigenen Sterblichkeit: Sich, bevor man wieder einmal drei neue Bücher bestellen will, aus purem Interesse mal ausrechnen, wie viele Jahre man beim derzeitigen Lesetempo bräuchte, die bereits vorhandenen, ungelesenen Bücher des eigenen Bücherregals zu lesen.

  • Wenn Leute, an die du dich nicht erinnern kannst, in einer anderen Stadt deinen Freunden schlechte Sachen über dich erzählen, dann verteidigen deine Freunde dich. Und dann weißt du, warum sie deine Freunde sind.

  • Man kann nur mit Wikipedia im Wald überleben.

  • Sich teure Klamotten so lange mit der Möglichkeit schön reden, dass es ja auch hätte sein können, dass man jetzt einen Unfall gebaut oder ungeahnt irgendwelche fiese Strafen hätte zahlen müsste (dann wäre das Geld auch weg und man hätte noch nicht mal was davon!), bis man wirklich mal einen Unfall baut oder fiese Strafen zahlen muss und dann eben keine schöne Tasche hat.

  • Manchmal kann man nichts machen und kann auch nirgendwo hingehen. Manchmal muss man nämlich einfach ein bisschen wohnen.

  • Keine Ahnung, wo genau Mut anfängt – aber wenn man bei Minusgraden und mit eingefrorener Hinterradbremse mit dem Rad zur Arbeit fährt, dann fühlt man sich zumindest ein bisschen mutig!

  • Einem Floristen zu sagen, dass man den Strauß bitte ohne Grün und nicht unten abgeschnitten und nicht fest gebunden haben möchte, tut jedes Mal wieder so weh, wie einem motivierten Friseur sagen zu müssen, dass man bitte wirklich nur die untersten Spitzen geschnitten haben möchte und sonst nichts und bitte auch selber fönen. Aber leider ist es so halt meist doch am schönsten.

Der Sonntag mit... Sebastian Steudtner

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Name: Sebastian Steudtner
Alter: 29
Geburtsort: Esslingen a. Neckar
Wohnort: Die Welt, hauptsächlich in Irland, Portugal und den USA. Wenn ich mal in Deutschland bin, dann meistens in München und Nürnberg.
So erkläre ich meinen Job meiner Oma: Ich surfe die größten Wellen der Welt, so hoch wie ein sehr großes Haus.
Mein Liebster Wochentag: Jeder Tag, an dem ich etwas unternehmen kann.
Aktuelles Projekt: Der Weltrekord für die größte gesurfte Welle und neue Wellen finden und surfen. Außerdem werde ich mein Herzensprojekt endlich umsetzen und mit Kindern arbeiten.




00:10 Uhr: Ankunft in Lech: Ich arbeite zurzeit viel und nutze die Fahrt von Innsbruck, um E-Mails zu schreiben. Vor mir liegen die Berge, und ich reflektiere über die letzten Monate. In den Bergen ist es wie im Wasser: man fühlt sich geborgen und hat mehr Energie als in der Stadt.




00:20 Uhr: Ein spätes Essen im Steakhaus mit leckerem Fleisch und gutem Wein, interessanten Menschen und Gesprächen. Ich bin unter Gleichgesinnten und lasse den Abend ganz entspannt auf mich zukommen.




4:46 Uhr: It’s time to sleep. Mein komfortables Bett erwartet mich, und ich freue mich schon darauf, aufzuwachen und die Berge zu sehen.




9:30 Uhr: Yes, ausgeschlafen … okay, nicht wirklich, aber die Sonne scheint, und die Berge sind weiß. Leider kann ich nicht Snowboarden gehen, da ich eine Verletzung an der Schulter habe, umso mehr freue mich darauf, einen entspannten Tag zu verbringen.




10:00 Uhr: Mein Hotel hier in Lech ist superedel, aber auch gemütlich und vor allem sportlich. Außerdem ist es Herberge der Laureus Stiftung, die weltweit die meisten Sport-Projekte für Kinder unterstützt, was ich genial finde.




10:30 Uhr: Axel Pfefferkorn ist der perfekte Hoteldirektor, immer gut drauf, super positiv und für interessante Gesprächen gut. Ich muss zur Reha ins Fitnessstudio, und Axel begleitet mich dorthin - mit Stil, standesgemäß im Hotel-Bentley. Wir stellen fest, dass die Massagefunktion in der Rückenlehne definitiv eine Notwendigkeit ist und Beinfreiheit einfach zum Leben dazugehören muss.




12:45 Uhr: Ergometer-Training und Rumpfübungen stehen auf dem Programm, ich würde jetzt lieber die Pisten runter düsen und mich im Schnee austoben, aber die Saison geht noch einige Zeit, und ich muss so schnell es geht wieder fit werden. Die nächsten Wochen steht tägliche Reha an, auch am Sonntag wird gearbeitet.




13:50 Uhr: Zeit für einen kleinen Mittagsschlaf, mit der Aussicht fällt es mir leicht, abzuschalten.




15:30 Uhr: Ich chille weiter auf der Terrasse des Hotels und treffe Eric Jelen, er ist eine deutsche Tennislegende. Eric hat  große Turniere gewonnen und ist einer der lustigsten Sportler, die ich kenne.




16:10 Uhr: Ahhh, der Spa ist schwer zu überbieten, etwas Plantschen ist angesagt.




19:30 Uhr: Auf dem Weg zum Abendprogramm: Essen, Essen, Essen!  Da der Golf gerade in der Garage geparkt ist, nehmen wir den Bentley - oder doch den Mercedes?




20:45 Uhr: Das Gute daran, als Genießer mit Menschen zu tun zu haben, die selbst gerne genießen, ist, dass man zusammen mehr Spaß beim Genießen hat.




22:30 Uhr: Bin ich alt geworden? Mir gefällt es, durch die Stadt spazieren zu gehen. Fand ich früher immer langweilig.




23:00 Uhr: Good night, liebe Berge, ab morgen geht meine Reha in München weiter. Der Tag hat mir viel Energie gegeben und Spaß gemacht. Unter gleichgesinnten und Sportlern zu sein, ist etwas ganz Besonderes und Tolles! Ich freue mich darauf bald wieder nach Lech zu kommen und die Crew zu sehen.

So wird die KW 7

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Wichtigster Tag der Woche?
Der Freitag, weil: Mein Geburtstag. Dreißig. Ich hab mir freigenommen und besuche Freunde übers Wochenende in Wien. Keine Flucht - sondern das Gegenteil! Wie auch immer man das dann nennt. 

Kulturelles Highlight:
Donnerstag gehe ich auf ein Konzert ins Münchner Substanz. Meine Lieblings-Wirtshausband spielt da: G. Rag & die Landlergschwister.

http://www.youtube.com/watch?v=fF_l5SaS9GQ

Auch überlegenswert, mal angenommen, ich hätte mehr Zeit und mehr Geld (und einen anderen Musikgeschmack): Am Dienstag gastiert MC Fitti im Backstage, am Mittwoch Lordi.

Soundtrack?


Das Video gibt's leider nur hinter dem Link unten im Text.


Am Freitag kommt ein Album, auf das ich mich schon länger freue. Zugezogen Maskulin, das ist ein Duo aus Berlin, über das zur Zeit viele reden. Trotz ziemlich beknacktem Namen. Warum? Weil sie über die Jugend im Plattenbau rappen. Aber, und das ist ja selten: ohne dabei so zu tun, als sei das irgendwie cool. Als habe man dadurch per se dickere Eier. Eher im Gegenteil. Der seltsame Name spielt übrigens auf eine Rapformation aus den 90ern an: „Westberlin Maskulin“. Ist also, wenn ichs mir recht überlege, doch gar nicht so beknackt.

Wochenlektüre?
Freaks, Spießer und Anarchos, Waffen, Drogen und Kalifornien: Jep, es gibt einen neuen Roman von T.C. Boyle! „Hart auf Hart“ heißt er, und er soll, wenn ich den Amazon-Rezensenten meines Vertrauens glauben darf, ein ziemliches Brett sein. Also: hochspannend und witzig. Den letzten Boyle-Roman fand ich ja etwas schleppend, den hier hab ich mir trotzdem gekauft. Und fange hoffentlich diese Woche damit an.





Kinogang?
Ja, verdammt nochmal: ja! „Inherent Vice“ ist die Verfilmung eines irrwitzigen Kiffer-Romans von Thomas Pynchon. Verfilmt vom „Magnolia“-Regisseur Paul Thomas Anderson. Ein Drogenthriller, in dem Joaquin Phoenix einen verpeilten Privatdetektiv in den 70er Jahren spielt. Läuft am Donnerstag an und jetzt, aaaah, schaut endlich den Trailer:


https://www.youtube.com/watch?v=wZfs22E7JmI

Geht gut diese Woche:
Kerzen auf der Sachertorte ausblasen!

Keine Chance hat diese Woche:
Falten, Freaks, Spießer und Anarchos.

Abschied vom Willkommensland

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In Märsta sitzen sie wieder auf ihren Koffern. Die Flüchtlinge, die hier im Aufnahmezentrum ankommen, bleiben nur kurz. Sobald sie registriert sind, Namen, Foto und Fingerabdruck abgegeben haben, fahren sie in ein größeres Flüchtlingsheim. Sie füllen jeden Tag einen Bus, manchmal zwei, machen Platz für die nächsten Neuankömmlinge.



Wohnungsnot ist das Hauptproblem der Flüchtlinge: Oft teilen sich mehrere Flüchtlinge gleichzeitig einen kleinen Raum.

Märsta liegt nahe dem Flughafen Arlanda, 40Kilometer vor Stockholm. Eine Durchlaufstation. Im Warteraum klettern Kinder über Bänke und über große blaue Plastiktaschen. Die stehen überall herum, wie vollgepackte Ikea-Tüten. Sie enthalten das Nötigste für die ersten Tage: Blümchen-Bettwäsche, Handtücher, Zahnbürste, Shampoo. Willkommen in Schweden.

Kein EU-Land nimmt mehr Flüchtlinge pro Einwohner auf. 81300 Menschen haben vergangenes Jahr Asyl in Schweden beantragt, die meisten kamen aus Eritrea und Syrien. Sie erhalten in der Regel unbegrenztes Aufenthaltsrecht. Dieses Jahr erwartet Schweden bis zu 105000 Hilfesuchende – eine riesige Zahl angesichts der 9,7 Millionen Menschen, die hier leben.

Für die Schweden gehört diese Offenheit zu ihrem Selbstverständnis. Egal, wie sehr das System unter dem Zustrom ächzt, niemand stellt sie grundsätzlich infrage. Niemand, außer den Schwedendemokraten, einer Partei mit rechtsextremen Wurzeln. Sie fordern, die Einwanderung um 90Prozent zu senken.

Alle anderen Parteien möchten jede Verbindung zu den Rechtspopulisten unbedingt vermeiden. Auch deswegen wagen sie sich nun nur zögerlich an das Thema Einwanderung. Sie haben aber kaum eine Wahl: Unterschwellig wird längst die Frage gestellt, wie lange das Land seine großzügige Flüchtlingspolitik noch durchhält. Die Unterkünfte werden knapp, die Behörden sind überfordert, die Zugewanderten oft frustriert. Seit Jahren tut sich Schweden schwer, sie nicht nur aufzunehmen, sondern auch zu integrieren.

Nicholas Aylott ist einer der wenigen, die das Schweigen darüber schon lange kritisieren. „Persönlich möchte ich nicht, dass die Schweden Einwanderung in demselben scharfen Ton diskutieren, wie es dänische oder britische Parteien tun“, sagt der britische Politikwissenschaftler von der Stockholmer Södertörn Uni. „Aber es beunruhigt mich, dass es nicht etwas mehr Freiheit gibt, über dieses Thema zu sprechen.“ Die Schwedendemokraten haben sich diese Freiheit genommen und erhielten 13 Prozent bei den Wahlen im Herbst.

Von alldem weiß Oumar Mahamadou noch nichts, als er in Märsta dem Bus hinterhersieht. Der Warteraum im Ankunftszentrum ist nun leer. Nur der 25-Jährige sitzt noch auf einer Bank, still und todmüde. Er ist eben erst angekommen, erzählt er, mit dem Bus aus Spanien. Eigentlich aber aus Gambia. Wie es ihm jetzt geht? „Ich mag Schweden“, antwortet er nur. Dann erzählt er von seiner fünfjährigen Tochter, seinen Eltern und den beiden Brüdern, die er zurückgelassen hat. In Schweden möchte er arbeiten, um ihnen zu helfen. Er ist längst nicht am Ende seiner Reise.

„Manche Länder versuchen die Flüchtlinge zu verscheuchen. Schweden tut das nicht“, sagt Mikael Ribbenvik, stellvertretender Leiter der Einwanderungsbehörde. Sein größtes Problem ist, Betten für die Flüchtlinge zu finden, solange sie auf eine Entscheidung warten. 30000 leben in Wohnungen, für 20000 mussten Betten in früheren Kliniken, Jugendherbergen oder ungenutzten Ferienunterkünften gefunden werden. Wer Asyl erhält, für den beginnt eine zweijährige Integrationsphase.

Das Arbeitsamt stellt Stundenpläne für die Flüchtlinge zusammen, mit Sprachkursen, Weiterbildung, Praktika, und bezahlt sie für die Teilnahme. Nach zwei Jahren sollen sie einen richtigen Job finden, was etwa jedem Vierten gelingt. Mahmoud Nozhatzade arbeitet beim Amt in Stockholm-Spånga und wünscht sich in diesen Tagen vor allem einen Hinterausgang. Denn vor seinem Büro warten oft Kursteilnehmer, die seine Hilfe brauchen. Früher, als Nozhatzade noch 30 statt heute gleichzeitig 85 von ihnen betreut hat, konnte er sie selbst regelmäßig anrufen und sich nach ihren Fortschritten erkundigen. Heute ist er froh über jede Minute, in der sein Telefon nicht klingelt. Es sei frustrierend, wenn besser qualifizierte Flüchtlinge als Putzhilfe arbeiten müssen, weil Sachbearbeitern wie ihm die Zeit fehle, ihnen einen Praktikumsplatz zu suchen.

Seine Schützlinge haben oft genug Probleme damit, eine Wohnung zu finden. Sobald sie Asyl erhalten haben, sollen sie aus den Unterkünften der Einwanderungsbehörde in eine Gemeinde ziehen, die Arbeitskräfte braucht. Tausende hängen aber in den Unterkünften seiner Behörde fest, können ihre Integrationskurse nicht beginnen. Nozhatzade erzählt von Kursteilnehmern, die schon auf Parkbänken oder in Obdachlosenheimen geschlafen haben.

Das Tabu, kritisch über Einwanderung zu sprechen, weicht langsam auf. Die Christdemokraten, die es bei der letzten Wahl knapp über die vier Prozenthürde geschafft haben, wagten sich bereits im Dezember vor. Sie wollen Flüchtlingen erst nach einer dreijährigen Probezeit permanentes Aufenthaltsrecht gewähren, ihre Sozialhilfe kürzen und sie mit Steueranreizen zum Arbeiten bringen. Die Liberalen ziehen jetzt nach. Sie schlagen unter anderem vor, dass die Staatsbürgerschaft nur erhält, wer gut genug Schwedisch spricht. Nur wer sich selbst versorgen kann, darf für immer bleiben. Sie treffen damit den Nerv vieler Wähler. In einer Januarumfrage gab jeder Fünfte an, dass Einwanderung für ihn das wichtigste politische Thema sei – eine für Schweden völlig neue Situation.

Von ihr profitieren vor allem die Schwedendemokraten. Markus Wiechel ist ihr Integrationsbeauftragter. In der Parlaments-Kantine grüßt er niemanden, setzt sich an einen Tisch am Rand. Eine große Gruppe Schweden stehe hinter seiner Partei, sagt er. Doch viele trauten sich nicht, das offen zu zeigen. „Weil eine Menge Menschen einen als Rassisten betrachten, wenn man gegen die Masseneinwanderung ist, die wir heute haben.“ Er erinnert sich an den Wahlkampf vor fünf Jahren, als es die Rechtspopulisten zum ersten Mal ins Parlament schafften. Damals hätten die Leute sie auf der Straße noch beschimpft. Heute zeigten sie ihnen im Vorbeigehen den hochgehaltenen Daumen.

Kippt die Stimmung in Schweden? In der Woche nach Weihnachten brannte es in drei Moscheen im Land. Die schwedische Antirassismus-Stiftung Expo zählte im vergangenen Jahr mindestens zwölf Anschläge auf Moscheen. Im Sommer 2013 kam es zu schweren Jugendunruhen im Stockholmer Vorort Husby, wo viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Autos brannten, es gab Straßenkämpfe mit der Polizei. Weltweit rieb man sich damals verwundert die Augen über das sonst so friedliche Schweden.

Abullahi Abdisalam Yusuf haben die Krawalle damals nicht überrascht. „Wenn man sich die ganze Zeit über krank fühlt und niemand hilft, jahrelang nicht, dann muss man irgendwann laut werden“, versucht er die Frustration der Jugendlichen zu erklären. Husby ist ein Stadtteil mit trostlosen Wohnburgen und hoher Jugendarbeitslosigkeit. Yusuf, der selbst 1992 aus Somalia nach Schweden kam, springt manchmal als Integrationshelfer ein.

Jetzt sitzt er in einem Café in Husby und zeichnet Kreise auf ein Papier, Stichworte wie „Schule“, „Wohnung“, „Jobs“. Großfamilien mit bis zu 15 Personen lebten hier in Dreizimmerwohnungen. „Am Abend ist der Platz hier voller junger Leute, die Drogen verkaufen“, sagt Yusuf. Seit Jahren würden die Probleme immer größer. Yusuf malt zwei letzte Kreise auf sein Blatt. Er tippt in den einen, dann in den anderen. „Die und wir“, sagt er.


Tresor der Mächtigen und Verschwiegenen

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Vor wenigen Tagen, Ende Januar, entschied sich die Schweizer Filiale der Großbank HSBC zu einem höchst ungewöhnlichen Schritt: Sie schickte Tausenden aktuellen und ehemaligen Kunden alarmierende Schreiben. Überschrieben sind die Briefe mit „streng privat und vertraulich“. Darunter heißt es, offenbar seien Journalisten an vertrauliche Bankdaten gelangt, die der Bank vor Jahren von einem damaligen Angestellten, einem IT-Experten, gestohlen worden seien. Man habe „führende Prozessanwälte“ eingeschaltet, aber es bestehe das Risiko, dass manche dieser Informationen „in der Öffentlichkeit auftauchen“.
Genau so ist es.



Geheime Dokumente enthüllen die dunklen Geschäfte der HSBC in der Schweiz

Jener frühere IT-Experte der HSBC heißt Hervé Falciani und ist heute einer der bekanntesten Whistleblower der Welt (Seite Drei). Falciani stahl um 2006/2007 herum die Daten von Tausenden HSBC-Kunden und ihren oftmals geheimen Schweizer Konten. An diesen Datensatz gelangten zwei Reporter von Le Monde, die den Bestand dem Internationalen Konsortium von Investigativen Journalisten (ICIJ) übergaben. Das ICIJ stellte ein Rechercheteam von mehr als 140 Reportern aus 45 Ländern zusammen, die in den vergangenen Monaten die Daten sichteten – unter ihnen auch Teams des Guardian, der BBC, des amerikanischen TV-Nachrichtenmagazins „60 Minutes“ und des Recherche-Teams von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR.

Insgesamt identifizierten die Rechercheteams 106458 Kunden aus 203 Ländern, auf deren Namen rund 60000 Haupt- und 81000 Unterkonten angemeldet waren. Nicht allen Konten des Leaks können Geldbeträge zugeordnet werden. Aber allein die enthaltenen Kontostände belaufen sich auf rund 75 Milliarden Euro.

So wird jetzt, etliche Jahre nach Hervé Falcianis Diebstahl, das wahre Ausmaß und die tatsächliche Bedeutung des wohl weltgrößten Bankdatenleaks deutlich. So versteht man auch, warum Hervé Falciani, der Whistleblower, inzwischen unter massivem Polizeischutz an wechselnden Orten in Frankreich lebt.

Denn in diesen Bankdaten trifft man nicht nur auf wohlhabende Pensionäre, die ihr Geld sicher verwahrt sehen wollten. Die Dokumente zeigen, dass die HSBC Geschäfte machte mit Personen, die verdächtigt werden, Osama bin Ladens Terrorgruppe finanziert zu haben. Mit Waffendealern, die vermutlich Granaten zu Kindersoldaten nach Afrika verbrachten. Mit Handlangern von Diktatoren, mit mutmaßlichen Händlern von Blutdiamanten oder Drogen und mit Betrügern aller Art. Man kann bestaunen, wie korrupte Regimes aus der ganzen Welt hier Millionen bunkern, man kann die Königshäuser im Nahen Osten abzählen und die Verwandten von Autokraten wie Syriens Baschar al-Assad oder dem ehemaligen tunesischen Machthaber Zine el-Abidine Ben Ali. Die HSBC war offenbar zu Diensten, wenn Vermögen außer Landes gebracht werden sollte.

Die Daten geben auch einen Einblick in die geheime Welt des Schweizer Bankensystems und belegen, wie HSBC-Mitarbeiter bereitwillig Kunden unterstützten, die ihre Vermögen vor den Steuerbehörden versteckten. Beispielsweise wurden Millionen Euro an Schwarzgeld in bar ausgezahlt, Briefkastenfirmen in der Karibik gegründet, die Zinsabschlagsteuer kreativ umgangen und anderes.

Unter den Kunden sind hochrangige Politiker und höchste Richter, Konzernlenker und Rockstars, Fußball- und Formel-1-Weltmeister, Hollywood-Schauspieler und etliche Mitglieder der reichsten Familien dieser Welt. Und Tausende weitere Kunden mit ausreichend Geld, um über ein Konto in der Schweiz nachzudenken.

Aber wie hoch mag die Quote der Steuersünder sein? Eine Untersuchung der französischen Nationalversammlung aus dem Herbst 2013 gibt einen Fingerzeig. Nach seiner Flucht aus der Schweiz nach Frankreich im Dezember 2008 hatte Falciani, der neben der italienischen auch die französische Staatsangehörigkeit besitzt, seine Daten den französischen Steuerbehörden übergeben. Deren Fahnder überprüften rund dreitausend Konten mit positivem Guthaben und kamen zu dem Ergebnis, dass nur sechs der Konten deklariert waren. Das entspricht etwa 0,2 Prozent.

Die französischen Behörden haben länderspezifische Teile des Materials im Laufe der Jahre an mindestens elf andere Länder weitergereicht. So übergab die damalige französische Finanzministerin Christine Lagarde im Jahr 2010 den griechischen Behörden eine Liste von etwa 2000 Namen, die als „Lagarde-Liste“ bekannt wurde. Zwei Jahre geschah damit nichts in Griechenland. Als die Liste wieder auftauchte, fehlten drei Namen: eine Cousine des damaligen griechischen Finanzministers und ihr Ehemann sowie der Ehemann einer anderen Cousine des Ministers. Dem droht jetzt eine Anklage wegen Amtsmissbrauch, Untreue und Urkundenfälschung.

Nach Recherchen der ICIJ-Partner liegen die Daten inzwischen Frankreich, Griechenland, den USA, Kanada, Spanien, Großbritannien, Irland, Indien, Belgien, Italien, Argentinien und Deutschland vor.

Nach Zählung von Datenexperten des ICIJ sind in den Swiss-Leaks-Dateien knapp 2000 Personen mit Verbindung zu Deutschland enthalten. Ein Team von SZ, NDR und WDR hat diese Namen gesichtet. Fest steht: Die deutschen Finanzämter konnten einiges an entgangenen Steuern zurückholen. Wie viel genau, wurde von den Finanzbehörden nicht zentral ermittelt. Weltweit liegt der Betrag der wiedergeholten Steuereinnahmen und damit verbundenen Strafzahlungen im Milliardenbereich. Etwa 264 Millionen Euro nahm der spanische Fiskus durch Falcianis Daten ein, 449 Millionen Euro der indische, 181 Millionen Euro der britische und 186 Millionen die französischen Steuerbehörden.

In der Schweizer Bank war die Steuerproblematik kein Geheimnis. Wenig verwunderlich also, dass die HSBC anfangs mit allen Mitteln eine Veröffentlichung der Swiss-Leaks-Recherchen zu verhindern suchte, als sie mit den Ergebnissen konfrontiert wurde. Die Rechtsanwälte der Bank forderten, die Daten sollten zerstört werden und drohten dem ICIJ und einzelnen Medien und Journalisten mit drastischen rechtlichen Schritten. Nach einigem Hin und Her folgte die Wende, und diese Stellungnahme: „Wir räumen ein, dass es in der Vergangenheit Kontroll- und Verhaltensdefizite gab und übernehmen dafür die Verantwortung.“

Über viele Jahre stand die Ausreizung des Schweizer Bankgeheimnisses offenbar im Mittelpunkt der Geschäfte der HSBC. Aus den fast 60000 detaillierten Kundendateien des Swiss-Leaks-Bestands geht hervor, wie sehr die Geheimhaltung zum täglichen Geschäft der HSBC gehörte. Der Chef einer australischen Großbank etwa bestand laut den HSBC-Notizen darauf, am Telefon nie mit seinem echten Namen angesprochen zu werden. Er wollte „Mr. Shaw“ genannt werden, Shaw wie „Shaw99“, so hieß sein Nummernkonto. Charles Barrington Goode, wie „Mr. Shaw“ in Wahrheit heißt, teilte auf Nachfrage mit, sein Bankberater habe ihn gedrängt, sich einen Alias-Namen zu geben. Die Erträge dieses Kontos habe er später versteuert.

Anonyme Nummernkonten, Kunden, die ihre Taschen in der HSBC mit Bargeld vollstopften und ihre Bankunterlagen noch in der Bank zerrissen: Das war, so ergibt es sich aus den Aufzeichnungen der Bankberater, allgegenwärtig.

Dabei hatte Chris Meares, Ex-Chef des Private-Banking-Zweigs der HSBC, 2008 vor dem britischen Parlament erklärt, die Bank „verbietet ihren Beratern, bei Steuerhinterziehung mitzuwirken oder sie auch nur zu fördern“. Gegenbeispiele dafür gehen in den Swiss-Leaks-Daten in die Hunderte. Kunden mit nicht erklärten Konten werden Kreditkarten gemacht, damit diese im Ausland sicher an ihr Geld kommen. Kunden mit nicht erklärten Konten werden Unterlagen vorbeigebracht, weil diese nicht selbst mit belastendem Material herumlaufen wollen. So geht es immer weiter.

Ähnlich wohlwollend ging die HSBC mit Kunden um, für die eigentlich besonders strenge Regeln gelten sollten: „politisch exponierten Personen“, sogenannten PEPs. Dazu zählen, je nach Definition, die Inhaber wichtiger öffentlicher Ämter und ihre engsten Verwandten und Berater. Regierungen und Bankenverbände weltweit sind sich einig, dass dieser Personenkreis nicht einfach an anonyme Auslandskonten kommen sollte. Die Reporter der Swiss-Leaks-Recherche fanden aktuelle oder ehemalige Politiker fast aller Staaten in den Daten, von Großbritannien, Russland, der Ukraine, Georgien, Rumänien, Indien, Liechtenstein und Mexiko über Tunesien bis zu Paraguay oder Djibouti. Die Liste ist lang. Auch deutsche Politiker tauchen auf, allerdings weder aktuelle noch exponierte.

Gleichzeitig stellte sich heraus, dass diese PEPs offenbar eben nicht mit jener Sorgfalt behandelt wurden, die angebracht gewesen wäre. So war Frantz Merceron unter den HSBC-Kunden, der Ex-Minister und Vertrauensmann des verrufenen ehemaligen haitianischen Präsidenten Jean Claude „Baby Doc“ Duvalier – der Hunderte Millionen Dollar außer Landes gebracht hatte, bevor er Haiti verließ. Ebenso Raschid Mohamed Raschid, ehemaliger ägyptischer Handelsminister der Regierung Hosni Mubarak. Raschid, der im Februar 2011nach Dubai geflohen war, soll öffentliche Gelder veruntreut und ins Ausland geschafft haben; er wurde 2011 in Abwesenheit verurteilt. Auf dem mit ihm verbundenen Konto lagen 2007 rund 31 Millionen Dollar. Rami Makhlouf, ein Cousin und enger Vertrauter des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, war an einer ganzen Reihe von Konten beteiligt, auf denen sich eine zweistellige Millionensumme befand. Auch Belhassen Trabelsi, der Schwager des mittlerweile gestürzten tunesischen Machthabers Zine el-Abidine Ben Ali hatte ein Konto in Genf mit mehr als 20 Millionen Dollar.

Nach den Aufständen des Arabischen Frühlings untersuchte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht 2011 bis 2013, ob Schweizer Banken die besonderen Auflagen bei Geschäften mit PEPs aus dem Nahen Osten eingehalten hatten. Die HSBC schnitt am schlechtesten ab. Die drastische Konsequenz: Die Bank darf drei Jahre lang keine PEPs als Neukunden annehmen, der Bann gilt noch immer.

Die Reihe der problematischen PEPs macht die Falciani-Liste zu politischem Sprengstoff. In den jeweiligen Heimatländern wird man genau registrieren, wer Geld in der Schweiz bunkerte. Etwa Li Xiaolin, die Tochter von Li Peng, chinesischer Premier zur Zeit des Massakers am Tian’anmen-Platz. Auf ihrem Konto lagen 2007 2,5 Millionen Dollar. Und natürlich die Königshäuser des Nahen Ostens. König Mohammed VI. von Marokko und der Kronprinz von Bahrain sind in den Daten, ebenso wie Dutzende Mitglieder der herrschenden Königsfamilie von Saudi-Arabien und der König von Jordanien, Abdallah II. Nun ist ein Konto in der Schweiz nichts Verbotenes, all diese Konten sind möglicherweise absolut legal. Ebenso wie die Konten der Oligarchen Alexander Lebedew, Vladimir Antonow oder Gennadi Timtschenko, der wegen seiner Nähe zu Putin nach der Krim-Annexion auf der US-Sanktionsliste steht.

Der Punkt ist: Die HSBC gab in den vergangenen Jahren offenbar auch solchen Leuten ein Konto, die sich in der Position befanden – und vielleicht auch in dem Ruf standen –, dies zu missbrauchen.

Das Problem ist auch nicht das Bankgeheimnis an sich. Das Problem ist, dass verborgen unter seinem schützenden Dach neben legitimen Geschäften auch internationale Verbrechen gesteuert wurden. Das belegen die Daten der Swiss-Leaks.

Da ist das Konto der Firma „Katex Mine Guinee“. Diese Katex war nach Meinung eines Expertengremiums des UN-Sicherheitsrats in Waffenlieferungen an liberianische Rebellen verstrickt – auch in die Hände von Kindersoldaten. Das wurde 2003 bekannt. Noch 2006 hatte die Katex laut den Unterlagen ein Guthaben von sieben Millionen Dollar bei der HSBC. Aus italienischen Ermittlungsakten geht hervor, dass ihr Direktor noch im selben Jahr mit der HSBC telefonierte. Ob auch er von der HSBC dieser Tage brieflich gewarnt wurde vor den Recherchen des ICIJ?

Als Bank kann man nie garantieren, dass alle Kunden sauber sind. Aber: „Wenn sich bei einer Bank die Fälle häufen, ist man geneigt zu sagen: Die Annahme solcher Kunden war wohl ein Geschäftsprinzip“ , sagt der ehemalige Zürcher Staatsanwalt David Zollinger.

Und wirklich: Selbst die Spuren des internationalen Terrorismus führen in die HSBC. In den Daten taucht etwa ein saudischer Prinz auf, der einst Osama bin Laden protegierte. Dazu der ehemalige Gründer und Schatzmeister einer mutmaßlichen Al-Qaida-Tarnorganisation – sowie ein Mann, dessen Fabrik im Sudan vom US-Militär bombardiert wurde, weil dort angeblich Chemiewaffen hergestellt wurden. Dazu mehrere Männer, die im Verdacht stehen, al-Qaida mit Geld versorgt zu haben.

Mutmaßliche Verstrickungen der HSBC in kriminelle Geschäfte sind nicht neu: 2012 zahlte die Bank in den USA 1,9 Milliarden Dollar Strafe, weil sie mexikanischen Drogenkartellen Geldwäsche ermöglicht hatte. Nur eines von vielen Problemen, mit denen die Bank in der Vergangenheit zu kämpfen hatte.

Schweizer Banken sind einzigartige Orte, man betritt dort eine Welt, die sehr international und dann doch wieder erstaunlich klein ist. Hier treffen sich – im Foyer oder nur in den Kundendaten – Israelis und Palästinenser, Amerikaner und Iraner, Russen und Ukrainer. Verfeindet in der Welt, vereint in ihren ureigenen Interessen.

Oder man nehme die beiden belgischen Diamantenhändler Mozes Konig and Kenneth Lee Akselrod, beide verrufen, beide wegen „illegaler Verbreitung von Edelsteinen“ auf der Most-Wanted-Liste von Interpol, und beide Kunden der HSBC. Wie das Leben so spielt, ist unter den HSBC-Kunden auch Elias Murr, der frühere Innenminister Libanons, der einem Interpol-Gremium namens „Foundation for aSafer World“ vorsteht. Grüßt man sich dann in der Bank, gilt sie als neutrales Gebiet?

Murr war zu seiner Ministerzeit mit einem HSBC-Konto verbunden, das über eine Firma namens Callorford Investments Limited eröffnet wurde. Ein Sprecher von Murr sagte dem ICIJ: „Die libanesische Regierung stellt keine Recherchen über libanesische Halter von Schweizer Konten an. Das Thema ist in Libanon weder von Interesse noch von Relevanz.“

Auf dem erwähnten Konto lagen 2006/2007 rund 42 Millionen Dollar.

Mitarbeit: Bastian Brinkmann, Mar Cabra, Rigoberto Carvajal, Will Fitzgibbon, Robert Gast, Christoph Giesen, Daniel Glaus, Martha M. Hamilton, Titus Plattner, Tanjev Schultz, Tom Stites, Marina Walker Guevara, Oliver Zihlmann


Gratisstrom für die Ärmsten

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Griechenlands neuer Regierung läuft die Zeit davon, aber sie setzt weiter auf Konfrontation mit den internationalen Kreditgebern. Ministerpräsident Alexis Tsipras kündigte in seiner Regierungserklärung am Sonntagabend in Athen ein Bündel von Maßnahmen an, um zunächst die soziale Not eines großen Teils der Bevölkerung zu lindern. Tausende Haushalte sollen kostenlos Lebensmittel und Energie erhalten. Tsipras versprach, Griechenland werde seine Schulden begleichen, das Land brauche jetzt aber ein „Überbrückungsprogramm“, um Zeit zu gewinnen. Der Chef der Linkspartei Syriza will zudem die Staatsausgaben verringern, Privilegien für Minister abschaffen und große Auslandsguthaben überprüfen. Der öffentliche Sektor dürfe nicht länger den Interessen der Oligarchen dienen, sagte Tsipras.



Griechenlands neuer Premier Alexis Tsipras scheint in Griechenland gut anzukommen, was die vielen Neueintritte bei Syriza zeigen. Doch er muss auch Europa überzeugen.


Als Symbol für die Abkehr von der Sparpolitik der Vorgängerregierung kündigte Tsipras auch eine Wiedereröffnung des öffentlichen Fernsehsenders ERT an. Auch an der Ankündigung, den Mindestlohn von derzeit 580 Euro bis zum kommenden Jahr auf 750 Euro anzuheben, hielt er fest. Zu der Frage, wie die Mehrausgaben finanziert werden sollen, verwies Tsipras auch auf die seiner Ansicht nach noch offenstehende Forderungen an Deutschland aus der Nazi-Zeit. Tsipras spielte dabei vor allem auf eine Zwangsanleihe der griechischen Nationalbank an das Dritte Reich an, die nie zurückgezahlt wurde.

Am Dienstag steht die Vertrauensabstimmung über Tsipras’ Regierung im Parlament an. Die dürfte für die Koalition aus Linkspartei und rechtspopulistischer Anel kein Problem werden. Nach Umfragen ist die Zustimmung zu Syriza seit der Wahl am 25. Januar noch gestiegen. Dass der Tsipras-Kurs ankommt, zeigen auch zahlreiche Neueintritte bei Syriza.

Die Finanzminister der Euro-Gruppe erwarten dann am Mittwoch bei einer außerordentlichen Sitzung von ihrem griechischen Kollegen Yanis Varoufakis Auskünfte darüber, wie Athen konkret über die Runden kommen will, wenn das bisherige Hilfsprogramm der EU am 28. Februar ausläuft. Euro-Gruppen Jeroen Dijsselbloem hatte am Freitag einen Übergangskredit für Athen ausgeschlossen. Damit sollte der Druck auf die Regierung von Tsipras erhöht werden, doch noch rechtzeitig - das heißt bis zum 16. Februar - eine Verlängerung des EU-Programms zu beantragen, damit für die Parlamente der Mitgliedstaaten Zeit bliebe, sie zu billigen. Nach der Regierungserklärung erscheint dies allerdings wenig wahrscheinlich.

Tsipras und Varoufakis hatten schon vorher klargemacht, dass die mit dem EU-Programm verbundenden Auflagen wie weitere Rentenkürzungen und Privatisierungen ihren Wahlkampfversprechen zuwiderlaufen. Diese einzuhalten nannte Tsipras jetzt eine Frage der „Ehre und des Respekts“. Der Euro-Gruppe wolle Varoufakis, schreibt der griechische Finanzblog Macropolis, stattdessen eine andere Vereinbarung anbieten und hoffe, dass diese von der EZB auch als „Programm“ akzeptiert werde. Nur so könnte die EZB wieder griechische Anleihen als Sicherheiten für neues Zentralbankgeld akzeptieren. Am Donnerstag hatte der EZB-Rat angekündigt, bereits zum 11. Februar die Annahme solcher Anleihen zu beenden. Varoufakis strebt eine Erhöhung der Grenze an, bis zu der Griechenland sich über kurzfristige sogenannte T-Bills finanzieren kann, von derzeit 15 Milliarden Euro auf 25 Milliarden. Athen will Zeit gewinnen bis Juni, um eine breiter angelegte Vereinbarung mit den Kreditgebern zu erreichen, einschließlich einer Umschuldung.

Zudem fordert Varoufakis jene 1,9 Milliarden Euro, die bei der EZB an Profiten durch den Kauf von Griechenland-Anleihen aufgelaufen sind. Dieses Geld hat die EZB allerdings bereits an die Notenbanken der anderen Euro-Staaten weitergereicht. Als Gegenleistung will Athen einen eigenen „nationalen Reformplan“ präsentieren mit den Schwerpunkten: Bekämpfung von Steuervermeidung und Korruption sowie einer Reform der Bürokratie.

Nach der Sitzung der Euro-Gruppe, die am Mittwochabend um 17.30 Uhr beginnt, bleiben nur wenige Stunden bis zum Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag. Griechenland steht gar nicht auf der Tagesordnung des Treffens, aber das Thema dürfte kaum zu vermeiden sein. Kanzlerin Angela Merkel und Tsipras werden erstmals Gelegenheit haben, ein paar Worte zu wechseln.

Vergangene Woche waren Tsipras und Varoufakis durch Europa getourt, um für einen neuen Umgang mit Athen zu werben. Sie waren aber mit leeren Händen zurückgekehrt. Danach hatte die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit griechischer Anleihen von Bauf B- herabgestuft. Danach drohte mit Moody’s ein weiteres Ratinghaus mit einer Senkung der Bonität und warnte, die Pleitegefahr für Griechenland steige „deutlich“.

Das Land verfügt nach griechischen Medienberichten nur noch über Bargeld-Reserven von rund 1,5 Milliarden Euro. Das Wall Street Journal zitierte Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis mit den Worten, schon im März könne es Zahlungsschwierigkeiten gebe. Nach der Veröffentlichung twitterte Stathakis, er habe das so nicht gesagt. Man werde für höhere Steuereinnahmen sorgen und so die Liquidität sichern.

Freiheit für die Flunder

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Daniel Stepputtis mag Flundern. So ausführlich kann der Fischerei-Forscher über die Flunder als Speisefisch schwärmen, dass man richtig Appetit darauf bekommt. In Mehl gewälzt, in der Pfanne gebraten – „ein Superessen“, sagt Stepputtis. Er hat trotzdem Verständnis dafür, dass die Fischer keine Flundern in ihren Netzen haben wollen. Flundern verkaufen sich schlecht. Die Flunder gehört zur Ordnung der Plattfische. Sie sieht tatsächlich so aus, als wäre sie unter eine Dampfwalze geraten, und sie gibt nicht viel Fleisch her. Die Industrie kann aus ihr keine Schlemmerfilets schneiden, nicht mal für Fischstäbchen ist die Flunder geeignet, und für die eigene Küche daheim ist sie den meisten Leuten erst recht zu umständlich. „Die Flunder ist nicht praktisch genug“, sagt Stepputtis. Sie hat nicht die richtigen Maße für die Konsumgesellschaft, also darf sie im Meer bleiben. Aber wie macht man den Flundern klar, dass sie nicht wie die anderen Fische in die Netze schwimmen sollen?



Der Flussbarsch gräbt sich nicht wie die Flunder tagsüber in den Sand ein, hätte aber bei dem neuen Fischernetz auch einen Notausgang.

Es gab Zeiten, in denen sich die Fischerei-Forschung vor allem mit der Frage beschäftigte, wie man mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Fisch aus dem Meer zieht. Ein Arsenal an verschiedensten Fanggeräten ist dabei entstanden, zum Teil in riesenhafter Größe . Es gibt Schleppnetze für die Hochsee, in denen man mehrere Flugzeuge unterbringen könnte. Die Umweltverbände kritisieren die Massenfischerei scharf, sie tun dies auch deshalb, weil diese Art der Fischerei auf Kosten von Meerestieren geht, mit denen die Fischer gar nichts anfangen können: Sie schadet Jungfischen, Vögeln, Haien, Schildkröten. Die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, schätzt den jährlichen unerwünschten Beifang auf 7,3 Millionen Tonnen.

Die Politik versucht, das Problem anzupacken. Seit Anfang des Jahres greift zum Beispiel die neue Fischerei-Reform der EU, nach der die Fischer ihren unerwünschten Beifang nicht mehr einfach größtenteils tot ins Meer zurückwerfen dürfen, sondern ihn an Land mitbringen sollen und auf ihre Fangquoten anrechnen müssen. Ende Januar haben sich Vertreter des Europäischen Parlaments, der Mitgliedsstaaten und der EU-Fischerei-Kommission auf einen Kompromiss geeinigt, der die Reform mit anderen EU-Verordnungen in Einklang bringt und ihre Umsetzung sichern soll. Zwei Jahre Zeit haben die Fischer demnach, bevor sie Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie sich nicht an die neuen Beifang-Regeln halten.

Mehr denn je beeinflussen ethische Erwägungen die wirtschaftlichen Interessen der europäischen Fischer. Und mehr denn je sind deshalb neue Ideen aus der Fischerei-Forschung gefragt. Es geht nicht mehr nur darum, möglichst viel aus dem Meer zu holen. Es geht darum, das Richtige aus dem Meer zu holen.

Die Forschung hat sich des Themas längst angenommen: Für Langleinen gibt es runde Haken, an denen weniger Schildkröten hängen bleiben sollen als an den üblichen J-förmigen. Stellnetze könnten mit UV-Leuchtdioden ausgestattet werden, um Schildkröten von vornherein fernzuhalten. Mit Magneten oder mit Gestank sollen Haie verscheucht werden. In vielen EU-Fischereigebieten müssen größere Fischkutter ihre Stellnetze bereits mit lärmenden Geräten versehen, die Wale und Delfine auf Abstand halten. Solche Methoden sind allerdings unter Naturschützern umstritten, weil sie die Tiere zum Teil gleich ganz aus ihren Lebensräumen vergraulen könnten.

Besonders kompliziert bleibt es aber, nur bestimmte Fischarten aus dem Meer zu holen und andere zu schonen. Eine der neuesten Ideen dazu stammt aus Rostock, vom Thünen-Institut für Ostseefischerei. Genauer gesagt von der Arbeitsgruppe Fischerei- und Survey-Technik, die der Flunder-Liebhaber Stepputtis leitet. Stepputtis und seine Mitarbeiter haben für diese Idee zuletzt den zweiten Preis im internationalen Smart-Gear-Wettbewerb der Naturschutzorganisation WWF bekommen.

Die Idee ist vor allem eine Hilfe für die Grundschleppnetzfischer in der Ostsee. Aber sie könnte eines Tages auch die Hochseefischerei prägen. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass ein Netz mit der Wahrnehmung der Fische umgehen muss, wenn es deren Wege beeinflussen soll. „Die Fische verhalten sich manchmal anders, als man denkt“, sagt Stepputtis. „Wenn man lernt, das Verhalten der Fische zu verstehen, kann man auch darauf reagieren.“

Die Grundschleppnetzfischer in der Ostsee wollen vor allem Dorsche fangen. Sie wollen keine Plattfische im Netz. Nicht nur, weil sie diese nicht verkaufen können, sondern auch weil die gefangenen Plattfische sich mit ihren breiten, flachen Körpern so über die Maschen legen, dass auch junge Dorsche nicht mehr fliehen können. Stepputtis und seine Leute suchten also nach einem Netz, dass die Plattfische von den Rundfischen trennt. Ein schwedischer Fischer hatte die Idee, in den vorderen Teil des Netzes ein Gitter einzuarbeiten, durch dessen Stäbe die Plattfische durchpassten. Die Forscher erprobten das Gitter, aber es funktionierte nicht. „Die Plattfische haben das Gitter nicht als Fluchtmöglichkeit wahrgenommen“, sagt Stepputtis. Sie schwammen mit den anderen geradeaus in den Schlund des Netzes.

Die Forscher schauten sich die Videos von dem misslungenen Versuch an, sie diskutierten und überlegten. Ihnen wurde klar, dass die Plattfische auf ihrem Weg durch den ersten Teil des Netzes noch gar keinen Grund hatten, auf das Gitter zu achten. Ein Netz ist eine Falle. Es ist darauf ausgerichtet, dass Fische die Gefahr erst erkennen, wenn sie ihr nicht mehr entkommen können. Das Netz muss also die Aufmerksamkeit der Plattfische auf den Fluchtweg lenken. Die Forscher bauten die Fluchtgitter schräg an das Netz, in einem 45-Grad-Winkel, wie Plakatwände, die auf einen Konferenzraum zulaufen und die jeder übersehen würde, wenn sie parallel zu den Seitenwänden stünden. Und dazu stellten sie den Plattfischen eine Säule in den Weg. „Wie eine Stewardess, die sagt: Gucken Sie mal, unsere Plakate“, sagt Stepputtis. Fertig war Freswind, das erste interaktive Fischernetz zur Plattfisch-Befreiung.

Stepputtis startet ein Video auf seinem Laptop. Es zeigt, wie Freswind wirkt. Auf den milchig-grünen Unterwasserbildern kann man sehen, wie die Flundern der Säule ausweichen, ihren Weg zum Gitter finden und durch die Stäbe ins Freie schwimmen. „Wir können mit dem neuen Netz den Plattfisch-Beifang um 70 Prozent reduzieren“, sagt Stepputtis. Der Fang von Dorschen in marktfähiger Größe ging dabei nur um sieben Prozent zurück. Und das soll erst ein Anfang sein. Wenn es nach Daniel Stepputtis und seinen Leuten geht, ist Freswind irgendwann Teil einer ganzen Auswahl von intelligenten Netzen, die nicht mehr wahllos nach dem Leben im Meer greifen.



Strahlende Zukunft

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Das Hinterzimmer der Revolution liegt in einem vergammelten Bürogebäude in der Nähe des Baseballstadions von San Francisco. Ein paar Computer stehen herum, eine Biowerkbank und ein Industriekühlschrank. Aber Einrichtung wird generell überschätzt, das zeigen die Erfolgsgeschichten, die in den Garagen des Silicon Valley begannen.

Antony Evans fühlt sich sichtbar wohl hier, vor allem aber auf der richtigen Seite der Geschichte. Für den Mitgründer des Start-ups „Glowing Plant“ ist die Gentechnik-Debatte längst beendet, er gehört zur Bewegung der Biohacker, die Manipulationen von Organismen als logischen nächsten Zivilisationsschritt betrachten. „Als unser Projekt bekannt wurde, sind alle ausgeflippt“, erklärt Evans. „Davor haben alle Angst: Vor Kids, die in Garagen am Genom herumbasteln. Aber genau das passiert. Das ist die Vision, an die wir glauben.“ Der Brite klingt nicht einmal stolz, sondern vor allem überzeugt.



Die Natur (hier: roter Klatschmohn) sei nicht perfekt genug, sagen Vertreter der Biotech-Firma "Glowing Plant" im Silicon Valley. Hierbei soll Glühwürmchen-DNA in Pflanzen gespritzt und diese damit zum Leuchten gebracht werden.


Im Frühsommer 2013 rauschte Glowing Plant weltweit durch die Schlagzeilen: Evans und sein Partner Kyle Taylor kündigten an, Glühwürmchen-DNA über Bakterien in Pflanzen zu injizieren und diese so im Dunkeln zum Leuchten zu bringen. 65000 Dollar wollten sie dafür in einem Kickstarter-Crowdfunding einsammeln. Doch die Kampagne wurde so bekannt, dass es am Ende 484000 Dollar wurden.

Kickstarter hat seitdem Gentechnik-Projekte auf seiner Plattform verboten, und auch Wissenschaftler aus dem als „synthetische Biologie“ bekannten Fach übten Kritik an der Idee. „Das hat uns überrascht, denn unser Projekt hat das Potenzial, dieses Gebiet bekannt zu machen“, sagt Evans. In der Tat hat Glowing Plant das Phänomen der Do-it-yourself-Biologie (DIYbio) weltweit bekannt gemacht, jenen wachsenden Kreis von Amateur- und Profi-Biologen, die abseits der Konzernlabors und Universitäten Gentechnik betreiben.

Etwa 4000 Biohacker gibt es Schätzungen zufolge weltweit. Neben Wissenschaftlern rekrutiert sich ein beachtlicher Teil aus dem Umfeld der Tech-Branche. „Biologie ist Technologie“, heißt das Buch des Vordenkers Rob Carlson, das auch unter Software-Entwicklern viele Anhänger hat. Wenn die DNA eine Programmiersprache ist, so die Logik, lassen sich mit ihr Objekte und Prozesse basteln, die viele Probleme der Menschheit lösen könnten. Glowing Plants, was übersetzt leuchtende Pflanzen heißt, verspricht, Licht ohne elektrische Energie zu liefern, das als natürliche Straßenbeleuchtung dienen könnte.

Vor einigen Jahren hätten die Biohacker einen Science-Fiction-Roman über ihre Ideen schreiben können, weil die Ausrüstung für die Umsetzung viel zu teuer gewesen wäre. Doch inzwischen gibt es einen florierenden Gebrauchtmarkt für Biotech-Laborzubehör, günstige Geräte und die Möglichkeit, Experimente an spezialisierte Firmen auszulagern.

„Inzwischen lässt sich ein Bio-Start-up für sehr wenig Geld auf den Weg bringen“, sagt Arvind Gupta von der Investmentfirma SOS Ventures. „Heute kann man aus einer Idee für 100000 bis 150000 Dollar einen Prototypen bauen und testen.“ Gupta vergleicht die Entwicklung mit den ständig sinkenden Preisen für Computer und Server, die zu einer Explosion von Software-Start-ups geführt haben. Junge Wissenschaftler könnten deshalb nun auf eigene Faust Unternehmen gründen, weg vom Uni-Betrieb und den großen Pharma- und Biotech-Konzernen. SOS Ventures rechnet mit einer Start-up-Welle und hat deshalb als erste Firma im Valley mit „Indie–Bio“ ein Gründerprogramm gestartet, in dessen beste Teilnehmer das Risikokapital-Unternehmen investieren wird.

Dana Perls von der Umweltorganisation „Friends of the Earth“ beobachtet die Entwicklung mit jener Furcht, über die sich Antony Evans wundert: „Wir sehen gerade in der Gegend um San Francisco viele kleine Labore, in denen experimentiert wird“, sagt sie. „Das kann problematisch sein, weil es kaum Regeln für den Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen gibt. Wir wissen nicht, was wir tun, wenn sie in Umlauf kommen. Es gibt keine Langzeitstudien zu den Risiken für die Biosysteme, nichts.“

Was in den USA nicht verboten ist, gilt erst einmal als erlaubt. „Die Behörden haben ein Auge auf uns, aber am Ende regulieren sie das Produkt, nicht den Prozess“, sagt Glowing-Plant-Mann Evans. Leuchtende Pflanzen bedürfen keiner Zulassung – so darf die Neugründung sie nicht nur mit Hilfe der Gentechnik züchten, sondern auch die Samen an die Crowdfunding-Unterstützer im ganzen Land verschicken.

In Europa ist selbst die Eröffnung eines Labors an strenge Bedingungen geknüpft, die gentechnisch veränderten Samen müssen einen langwierigen Zulassungsprozess durchlaufen. Ein Fehler, sagt der Brite Evans, denn so verpasse Europa, von seiner Grundlagenforschung ökonomischen Wert abzuschöpfen. Ein Mindestmaß an Regulierung sei nötig, findet dagegen Dana Perls, weil man Gentechnik nicht ohne sorgfältige Prüfung in Umlauf bringen dürfe. Allerdings setzen sich Lebensmittel, Biotech- und Chemie-Branche in Washington mit viel Geld dafür ein, den Einsatz von Gentechnik nicht unnötig zu erschweren.
Die glühenden Pflanzen von der unauffälligen Blumensorte Ackerschmalwand stehen noch im Labor. In den kommenden Wochen sollen die Samen verschickt werden. Ob sie wirklich leuchten, ist im künstlichen Licht nicht zu erkennen. Das Labor gehört zu Cambrian Genomics, ein Start-up, das nichts weniger als einen „3-D-Drucker für lebendige Dinge“, in der Praxis eine Lasermaschine zur Massenproduktion von DNS-Sequenzen. Cambrian-Gründer Austen Heinz sagte vor Kurzem auf einer Konferenz in Wien einige bemerkenswerte Sätze: Zum Beispiel: „Alles, was lebt, ist nicht optimal. Es kann verbessert werden“, oder: „Es ist doch offensichtlich, dass irgendwann einmal jeder Mensch an einem Computer entworfen wird.“ Sie finde solche Äußerungen verstörend, sagt Umweltschützerin Perls. Natürlich müsse man über die Ethik in der synthetischen Biologie diskutieren, sagt Investor Gupa. Es ist höchste Zeit.

Erst Freund, dann Feind

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Lajos Simicska ist in die Berge geflogen zum Skifahren; Fotos zeigen ihn am Wochenende mit seiner Familie am Budapester Flughafen. Business as usual will er damit demonstrieren, zeigen, dass sein Wutanfall vorbei ist und seine Geschäfte geregelt weiterlaufen. Hinterlassen hat er eine Hauptstadt im Schock, die sich die Augen reibt und fragt: Sind die Drohungen gegen Viktor Orbán und seine Regierung, die Simicskas Kurztrip vorausgingen, der Anfang vom Ende des Premierministers? Oder war das, was am vergangenen Freitag wie ein Wirbelsturm über Ungarns Hauptstadt hinwegfegte, nur ein lauter Streit zwischen Kumpels, die sich über Geld in die Haare gekriegt haben?

Am Wochenende kochte die Gerüchteküche und ganz Budapest fragte sich, was die neue Woche wohl bringen wird im Kampf um das, was die einen einen Kampf zwischen korrupten Oligarchen, die anderen einen Kampf um die Meinungsfreiheit nennen. Aber von vorn: In Ungarn ist ein Medienkrieg ausgebrochen, und wenn man dem Medientycoon Lajos Simicska glaubt, dann ist es ein „totaler Krieg“. Simicska war lange einer der wichtigsten Financiers der Regierungspartei Fidesz, er teilte mit Orbán im Studium ein Zimmer, gründete mit ihm die „Jungliberalen“, die Fidesz-Partei. Vom Machtzuwachs seines Freundes hat auch sein Konzern Közgép in den vergangenen Jahren enorm profitiert. Etwa 40 Prozent aller Ausschreibungen für EU-Gelder soll der Oligarch mithilfe seiner Leute im Machtapparat gewonnen haben.



Ungarns Premierminister Viktor Orban (r) und Medientycoon Lajos Simicska (Bild von 1999) sind im Streit. Simicska kündigte an, Orbans "Diktatur vernichten" zu wollen.


Nun folgt der Stimmungswechsel, der sich in kleineren Scharmützeln schon angekündigt hatte: Simicska hat verkündet, Orbán vernichten und eine „Diktatur“ beenden zu wollen. Er bezeichnet den Premier öffentlich als „Wichser“ und „Sperma“, er spricht davon, dass er fürchte, wegen seiner Kampfansage bei einem Attentat, etwa einem fingierten Autounfall, zu sterben.

Die Informationsbranche in Ungarn, die sich traditionell in links und rechts, mittlerweile aber vor allem in Orbán-Freunde und Orbán-Feinde teilt, ist seither in Aufruhr. Ein Journalist der Zeitung Nepszabadsag sagt, das Ganze sei eine „Mischung aus Trashporno und Seifenoper auf ungarische Art“. Peinlich geworden sei die Sache, weil Orbán seinem Freund Simicska „einmal zu viel auf die Füße getreten ist“.

Denn: Die Regierung hatte eine Steuer für Medienunternehmen beschlossen, die nach Umsatz gestaffelt sein sollte. Der zu Bertelsmann gehörende RTL-Klub hätte demnach 50Prozent Steuern auf sein Werbeaufkommen zahlen müssen. Kurz vor dem Besuch von Kanzlerin Angela Merkel vergangene Woche wurde nachverhandelt, nun soll die Steuer gesenkt und einheitlich bei fünf Prozent festgelegt werden. Gut für RTL-Klub, schlecht für Simicska. Dessen Zeitungen und Radiostationen müssten nun insgesamt mehr zahlen.Am Freitag sagte Simicska dem linken Blatt Nepszava, dieser Vorschlag sei ein „weiterer Anschlag auf die Demokratie“. Gegenüber einer Online-Zeitung fügte er hinzu, es gehe ihm nicht um Geld, sondern um die Machtfülle Orbáns, der mit einem Fingerschnipsen alles entscheiden könne.

Simicska flippte aus, als er kurz darauf hörte, dass die Führungsriege seiner wichtigsten Medien zurückgetreten war, darunter die Chefredakteure der Zeitung Magyar Nemzet, des Senders Hir-TV und von Radio Lanchid. Ihr Argument: Gewissensgründe. Der gut informierte Blog Hungarianspectrum will wissen, sie hätten nicht „gegen Viktor Orbán arbeiten“ wollen. Simicska, von dem es kaum Fotos gibt und bislang selten mit Journalisten sprach, gab nun Dutzende Interviews, brüllte in jedes Telefon Beleidigungen gegen den Premier, gegen dessen Russland-Politik, gegen seine Machtfülle. Er übernahm kurzerhand selbst die Chefredaktion bei Hir-TV, setzte Vertraute ein und drohte, die Berichterstattung nun kritischer und politischer zu machen. Regierungskritischer also.

Der Kulturwissenschaftler Péter György, der an der Universität Elte lehrt, sagt, in diesem Streit gehe es um Enttäuschung und um Geld. Simicska habe Orbán jahrelang unterstützt, aber der Bruch habe sich schon vor Monaten angekündigt. Auch andere Medien in Ungarn hatten berichtet, dass dem Premier der Oligarch zu einflussreich geworden sei und dass Beamte in letzter Zeit seinen Konzern bei Ausschreibungen demonstrativ ignoriert hätten. Umgekehrt hatte der Unternehmer zeitweilig überlegt, bei Nachwahlen selbst um einen Parlamentssitz gegen Fidesz anzutreten, um die Zweidrittelmehrheit zu kippen, die nur an einem Mandat hängt. Sollte sich der Kampf ausweiten, so György, dann könne das ein Fanal für die Regierung sein. „Simicska war ein Mitglied des Clubs, der Familie. Wenn er so über Orbán redet, dann will er einen richtigen Skandal.“

Für Orbán könnte die Sache aus einem anderen Grund problematisch werden: RTL-Klub hatte im Streit um die Werbesteuer seine kritische Berichterstattung intensiviert; das hatte Orbán Stimmen gekostet. Nun, da die Bertelsmann-Tochter befriedet werden soll, dürfte der Gegenwind aus Simicskas Medien zunehmen – wenn der den Krieg finanziell überlebt. Denn bisher hatten Simicskas Medien hervorragend an staatlich finanzierten Inseraten und Werbekampagnen verdient. Orbán hat aber schon angekündigt, jetzt nur noch den Staatsfunk mit Anzeigen zu bedenken.

Tagesblog - 9. Februar 2015

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12:36 Uhr: Es soll eine Neuauflage der "Ghotsbusters" geben. Mit weiblicher Besetzung. Manche finden das gut, andere beklagen sich, dass ihre guten, alte Ghostbusters dadurch kaputtgemacht würden. Und dagegen hat jetzt zum Glück jemand einen Text geschrieben. Er heißt "Your childhood entertainment is not sacred"und es geht darin um diese seltsame Verteidigungshaltung mancher Menschen, wenn jemand es wagt, Bücher oder Serien oder Filme ihrer Kindheit neu zu verfilmen. Und um Nostalgie. Die klugen Worte dazu:

"But nostalgia is a powerful force, particularly when connected to adults defending the entertainment they worshipped during a pre-critical phase of their thinking. Nostalgia can cloud judgment in ways that romanticize an often-crappy past while damning a future that radiates a lot more promise than the nostalgic are willing to allow."

Lasse ich als Leseempfehlung da und gehe jetzt essen.

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12:06 Uhr:
Juhu, endlich mal wieder eine neue Spick-Möglichkeit: die Smartwatch. Deswegen sind Smartwatches jetzt während Prüfungen an der Londoner Uni verboten. Frage: Wer zur Hölle besitzt eigentlich eine Smartwatch?

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11:49 Uhr:
Jakob ist heute übrigens nicht da. Jakob ist heute in Berlin.

Das ist übrigens ein besonders schönes, aber auch etwas verwirrendes "Mensch, ärgere dich nicht"-Brett: [plugin imagelink link="https://fbcdn-sphotos-h-a.akamaihd.net/hphotos-ak-xpf1/v/t1.0-9/s720x720/10255291_842880749084224_5752986838354977452_n.jpg?oh=bc14940446488b2806adb55540e58460&oe=55583083&__gda__=1432236606_3e0976b817318d5dc054a04477e1bf66" imagesrc="https://fbcdn-sphotos-h-a.akamaihd.net/hphotos-ak-xpf1/v/t1.0-9/s720x720/10255291_842880749084224_5752986838354977452_n.jpg?oh=bc14940446488b2806adb55540e58460&oe=55583083&__gda__=1432236606_3e0976b817318d5dc054a04477e1bf66"]
Und wer hier klickt, der erfährt, wie diese beiden Informationen zusammenhängen.

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11:46 Uhr:
Man bat mich, diese jetzt.de-Gruppe zu bewerben: Erzähl deine Geschichte. Und das tue ich sehr gerne, denn sie ist dafür da, dass es hier wieder mehr User-Texte gibt. So richtig echte Geschichten. Immer gerne. Ich denke da an die guten alten Zeiten, als noch...ach, lassen wir das, ich zieh jetzt erstmal die Mütze aus!

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11:23 Uhr:
Eventuell könnte ich mit meine Mützen-Selfie eine Mütze bezahlen. Oder Rabatte bei einer Mützen-Firma bekommen. Das ist nämlich der neuste Bezahl-Trend: mit Selfies oder geposteten Werbelinks bezahlen. Etwas dafür bekommen, dass man seine Daten hergibt. Das ist spannend und darum hat Charlotte es aufgeschrieben. Hier entlang bitte.


Wer braucht schon schnöden Mammon, wenn er Likes verteilen kann?

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10:39 Uhr:
Nachrichten, die es innerhalb von fünf Minuten irgendwie in mein Bewusstsein geschafft haben:

Die HSBC in der Schweiz hat Kriminellen geholfen, ihr Geld zu verstecken, unter anderem Personen, die im Verdacht stehen, al-Qaida finanziert zu haben. Jetzt wurden diese Geschäfte aufgedeckt. "Swiss-Leaks" nennt man das natürlich, und der Whistleblower, der schon vor Jahren entsprechende Daten gesammelt hat, heißt Hervé Falciani.

Angela Merkel ist zu Besuch in den USA. Wichtigstes Thema: die Ukraine-Krise.

– Sam Smith ist der große Gewinner der Grammys. Sam Smith? Wer ist das? Der Guardian sagt: "In case you’re still wondering who he is, here’s a quick guide."Danke!
[plugin imagelink link="http://i.guim.co.uk/static/w-620/h--/q-95/sys-images/Guardian/Pix/pictures/2015/2/9/1423469265413/f57a2ca9-5cd8-4205-bdbe-3c19b6e80f53-1020x612.jpeg" imagesrc="http://i.guim.co.uk/static/w-620/h--/q-95/sys-images/Guardian/Pix/pictures/2015/2/9/1423469265413/f57a2ca9-5cd8-4205-bdbe-3c19b6e80f53-1020x612.jpeg"]Und so sieht er aus, dieser Sam Smith. (via The Guardian)

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10:26 Uhr:
Heute ist übrigens so ein Tag, an dem ich es einfach nicht schaffe, die Mütze auszuziehen.


Ich bin das Gegenteil von Madonna.
Und sichte jetzt mal schnell die Nachrichten.

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09:58 Uhr:
Guten Morgen! Nach kurzer Terminverwirrung in der Redaktion bin ich auf einmal Tagesblogger. Macht aber nichts. Kann ich euch nämlich gleich das Bild zeigen, das mich heute Morgen als erstes verwirrt hat:
[plugin imagelink link="http://cdn29.elitedaily.com/wp-content/uploads/2015/02/modann-800x400.jpg" imagesrc="http://cdn29.elitedaily.com/wp-content/uploads/2015/02/modann-800x400.jpg"] Das ist Madonna. Beziehungsweise ihr Hintern. Bei den Grammys. Die gestern verliehen wurden. Dazu (vielleicht) später mehr. Erstmal Konferenz.

Das kostet einen Euro – oder ein Selfie!

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Eigentlich ist es rührselig: „Pay with Lovin'“ heißt die aktuelle Vor-Valentinstag-Kampagne von McDonald's in den USA. In dem Spot dazu sagen Eltern ihren Kindern zwischen Fritten und Happy-Meal-Geburtstagfeier, wie sehr sie sie lieben. Die Idee dahinter: McDonald's akzeptiert Liebe als Währung, wer mal wieder seine Mama anruft oder ihr ein Selfie schickt, bekommt das Essen umsonst. Total selbstlos von McDonald's, möchte man sagen. Ist es aber natürlich nicht.



Denn die ganze Aktion ist Teil eines Trends, den sich immer mehr Firmen zunutze machen: Dem freiwilligen Tausch von persönlichen Daten gegen einen monetären Gegenwert. Im Fall von McDonald's teilen viele Nutzer freiwillig unter dem Hashtag #paywithlovin Bilder von der Aktion in sozialen Netzwerken. McDonald's erfährt so sehr genau, wer ihre Kunden sind und kann dieses Wissen für seine Marketingstrategien und personalisierte Werbung einsetzen. Und das alles zum Preis eines Cheeseburgers.

Dass unsere Daten Unternehmen etwas wert sind, ist bekannt. Dass wir sie selbst auch zu Geld machen oder gegen materielle Güter tauschen können, ist neu. Eine Hand voll Startups versucht sich momentan in Deutschland an diesem Konzept. „Pay with a tweet“ ist eines von ihnen, bei dem man digitale Güter, wie zum Beispiel E-Books, mit einem Werbetweet bezahlen kann. Oder das Hamburger Startup „Payorshare“, das Anfang dieses Jahres von Fiona Brandes, 28, und Max Fielker, 27, auf den Markt gebracht wurde. Fiona erklärt das Konzept so: „Payorshare bietet Usern im Netz eine Bezahlalternative bei digitalen Inhalten, das können Texte, Videos, Musik oder Games sein. Sie können entscheiden, ob sie entweder per Micropayment direkt bezahlen oder stattdessen einen Post zu dem Portal in ihren sozialen Netzwerken teilen.“ Eine Alternative zu Bezahlservices wie Paypal also. Eine andere Variante bei Payorshare ist der Erhalt von Coupons für das Posten eines Empfehlungslinks. Im Falle eine Carsharing-Firma erhält der Nutzer dann zum Beispiel Freikilometer, auch Rabatte in Online-Shops wären möglich.

Der gepostete Link wird dabei natürlich von der beworbenen Firma festgelegt, der Nutzer kann ihn allerdings frei kommentieren. Um zu vermeiden, dass die Käufer die Firma dabei negativ bewerten, wir der Post mit einer Blacklist an Worten abgeglichen, die nicht darin vorkommen sollten – sonst wird der Post nicht gesendet.

Aus Sicht von Max und Fiona haben beide Seiten etwas von diesem Deal: Das Unternehmen erhält kostenlose Werbung in privaten Timelines, die deshalb auch nicht durch einen Adblocker beseitigt werden kann. Zusätzlich erhält es genaue Informationen über seine Kunden auf Basis von deren Profilen in sozialen Netzwerken. Es kann Menschen belohnen, die für eine besondere Reichweite der Werbebotschaft sorgen, oder seine Marketingstrategie anpassen, wenn die Käufer ganz anders sind als bisher gedacht. Der Nutzer wiederum erhält zum ersten Mal überhaupt etwas: einen Gegenwert für seine Daten.

Denn bereits jetzt hinterlässt jeder gratis Spuren im Internet. Wer aktuell auf das Facebook-Profil eines Unternehmens geht und es vielleicht sogar liket, gibt dem Unternehmen Informationen über das Gerät, mit dem man die Seite aufruft (iPhone, Android-Handy, Computer?) und, je nach Ausführlichkeit des Profils und Privatssphäreeinstellungen, auch über Alter, Geschlecht, Wohnort, Bildung und Beziehungsstatus. Ein Traum für Zielgruppenforscher. Dafür muss man allerdings möglichst viele Kunden auf die Seite locken. Das geht einfacher, wenn diese potenziellen Kunden die Seite von Freunden empfohlen bekommen – und die Empfehlenden dann dafür auch eine Belohnung bekommen. „Wenn die Leute ein Gefühl dafür entwicklen würden, was sie für ihre Daten eigentlich verlangen können, wäre das keine schlechte Entwicklung. Die Infos auf Facebook-Profilen sind für andere viel wert und diesen Wert kann man nutzen. Bisher verkaufen sich da viele Nutzer zu billig“, sagt Max.


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Wenn man für Posts Geld bekommen kann, wer macht das dann überhaupt noch gratis?


Prof. Rainer Böhme ist Wirtschaftsinformatiker an der Uni Münster und forscht über die Ökonomie von personenbezogenen Daten. Für ihn ist der Belohnungstrend beim Handel mit Daten eine logische Entwicklung: „Schon vor Social Media gab es bei Zeitungen 'Leser werben Leser'-Aktionen. Dabei wollte man herausfinden, wer wen kennt und dieser Person so ein möglichst passendes Angebot machen, für den werbenden Leser gab es noch eine Prämie obendrauf.“ Die Digitalisierung und vor allem der Boom von digitalen Zahlungsmöglichkeiten habe dieses Prinzip nur verfeinert und automatisiert.

Aus seiner Sicht hat das nicht automatisch negative Folgen: „Positiv wäre es, aus Sicht von Verbraucher- und Datenschützern, wenn die Menschen wegen dieser Entwicklung auf einmal vorsichtiger mit ihren Daten umgingen, weil ihnen bewusst wird, dass diese tatsächlich Geld wert sind. Eine negative Folge daraus könnte allerdings sein, dass Unternehmen sich dann immer hinterlistigere Tricks ausdenken, um trotzdem noch günstig an die Daten der Nutzer zu kommen.“ Bereits jetzt sind bei vielen digitalen Gewinnspielen oder Mitmachaktionen Klauseln in den AGB versteckt, die die Nutzer beispielsweise ihre Bildrechte abtreten oder die Weiterverarbeitung der persönlichen Daten legitimieren lassen.

Und noch eine andere Sache sieht Böhme durch die Entwicklung bedroht: den Altruismus. „Bisher beteiligen sich die meisten Menschen gratis an Online-Diskussionen, meistens zum Nutzen aller Beteiligten. Wenn Menschen allerdings glauben, dass ihr Tweet auch etwas wert sein könnte, werden diese Debatten vielleicht gehemmt.“

An diesen Altruismus haben Fiona und Max allerdings noch nie geglaubt. "Wenn man heute etwas teilt, geschieht dies häufig, weil man das positive Image der Marke oder der Nachrichtenseite auf sich selbst übertragen möchte“, sagt Fiona. Dementsprechend würden Nutzer auch eher Links zu coolen Produkten teilen als zu Trash, ergänzt Max. Wem ein Produkt zu peinlich zum Teilen ist, der entscheide sich dann halt fürs Zahlen des vollen Preises.

Also können wir in Deutschland bald auch unser Eis mit einem Selfie bezahlen? Max würde so ein Konzept prinzipiell ausprobieren wollen, sieht aber noch technische Umsetzungsschwierigkeiten. Professor Böhme ist da optimistischer: „Die USA sind Deutschland in der digitalen Entwicklung zwar immer einen kleinen Schritt voraus, allerdings ist es auch dort noch nicht so, dass man jeden Kaffee in San Francisco mit einem Tweet bezahlen kann. Sollte es je dazu kommen – wenn die deutsche Start-up-Szene in etwas besonders schnell ist, dann im Kopieren.“

Tippen wir noch richtig?

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Die Chat-Partner:

Christoph Wiegand alias "Weekend" ist Rapper und Sozialarbeiter aus Gelsenkirchen. 2013 veröffentlichte er sein erstes Album bei Chimperator, am 24. April erscheint der Nachfolger “Für immer Wochenende”.

Rebecca Martin ist Schriftstellerin aus Berlin. 2008 veröffentlichte sie ihren ersten Roman “Frühling und so”. 2012 folgte “Und alle so yeah!”, im März erscheint ihr dritter Roman: “Nacktschnecken”.

Joachim Scharloth ist Professor für Angewandte Linguistik an der TU Dresden. Er erforscht, wie sich Sprache durch die digitale Kommunikation wandelt. Nebenbei entwickelt er einen Chat-Roboter.

Roman Schmid ist Literaturwissenschaftler und Dichter. Als Mitglied des Lyrikkollektivs “July in der Stadt” ist er seit Jahren auf Lesungen in ganz Deutschland unterwegs. Er beschäftigt sich mit Lyrik im Internetzeitalter.

Dennis Müller ist Lehrer für Deutsch und Geschichte an einem bayerischen Gymnasium. Weil Lehrer nicht ohne Einverständnis über ihre Schüler sprechen dürfen, heißt er eigentlich anders.





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