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"Wir kamen zur rechten Zeit"

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Wie habt ihr das Ende des Atomic Cafes erlebt?
Heike:
Schmerzlich. Wir machen den Film ja nicht nur aus einer filmerischen Perspektive, sondern es ist auch eine Herzensangelegenheit. Wir mögen das Atomic sehr und sind da ziemlich oft hingegangen. Ich war auch in den letzten Minuten noch dort und das war schon komisch, als sich Leute plötzlich von der Garderoben-Frau verabschiedet haben. Das hat schon was mit mir gemacht. Es war plötzlich klar: Das ist jetzt echt das letzte Mal, und die gehen jetzt. Am 1. Januar gab es ja noch einen „Trauermarsch“. Da sind sich Leute weinend in den Armen gelegen!
Marc:
Ich glaube, ich realisiere jetzt erst so langsam, was es bedeutet, dass es wirklich weg ist. Man merkt es an Abenden, an denen man mit Leuten was trinkt und dann seine vier, fünf Alternativen durchgeht, wo man noch hingehen könnte. Das Atomic ist da jetzt eben keine Option mehr.




Heike Schuffenhauer und Marc Seibold sammeln bei Startnext Geld für eine Doku.

Was hat das Atomic für euch bedeutet?
Heike: Ich bin da 13 Jahre lang hingegangen. Als ich nach München gezogen bin, war das der erste Club, in den ich gegangen bin. Ich war total begeistert, dass es so ne Indie-Kultur in München gibt.
Marc: Ich war jetzt nicht so'n krasser Fan-Boy...
Heike: Hey!?
Marc: ... aber ich bin in München groß geworden und das Atomic hat eben einfach dazugehört.
Heike: Jetzt merkt man plötzlich, die ein oder andere Band, die jetzt so groß ist, hab ich ja damals dort gesehen, vielleicht einfach zufällig – ohne zu wissen, dass die mal so groß werden würden.

Welche Bands waren das zum Beispiel?
Heike: Also ich hab damals schon dieses Libertines-Konzert gesehen, Anfang der Nuller Jahre. Bei anderen, zum Beispiel Black Rebel Motorcycle Club, weiß ich es gar nicht mehr so genau, ob ich die da oder woanders gesehen habe, weil ich damals vielleicht einfach zufällig dort gelandet bin. Von denen bin ich jetzt ein großer Fan.

Was, meint ihr, war das Spezielle an diesem Ort?
Heike: Es war die besondere Atmosphäre in dem Laden, vielleicht schon allein durch die Auswahl der Leute, die dort gearbeitet haben. Dass ein Kiosk mit drin war. Es war eben ein Ort, wo bestimmte Leute zusammengekommen sind. Ich kenne Menschen, die da ihre Frau kennengelernt oder spontan eine Band gegründet haben! Die Five Fast Hits haben sich sogar über das Gästebuch des Atomics kennengelernt. Einer hat da einen Aufruf nach Bandmitgliedern gestartet und dann haben sie sich alle im Atomic zum ersten Mal getroffen. Christian Heine, einer der Besitzer, hat erzählt, dass sich auch Celeste, Whiskey Foundation und Twin Tone Trigger da gegründet haben - alles Münchner Bands. Es ranken sich natürlich auch unzählige Mythen und Anekdoten um den Laden.

Welche ist eure liebste?
Heike: Dass angeblich irgendjemand mal mit der Vespa reingerollt ist: am Türsteher vorbei, hat ein paar Runden auf der Tanzfläche gedreht, um dann einfach wieder zu verschwinden. Keiner wusste, wer das war.

Nun wollt ihr einen Film über das Atomic drehen: „This is Atomic Love“ ...
Heike: ... was eigentlich ein Songtitel von den Beatsteaks ist. Der Name war also etwas eine „Schnapsidee“(lacht). Ich bin ein Fan von Clubdokumentationen. Ich mag Orte, an denen Musik weiterentwickelt wurde.

Ihr habt schon angefangen, obwohl die Finanzierung noch nicht steht.
Marc: Wir wollten unbedingt auch noch „normale“ Clubabende einfangen wie zum Beispiel den „Britwoch“ - nicht nur die Trauerstimmung am Ende. Und auch die Besitzer wollten wir unbedingt in dem Club festhalten, mit Barleuten und DJs.
Heike:
Das Projekt gärt schon seit etwa zwei Jahren. Irgendwann habe ich Chris Heine mal von der Idee erzählt.
Marc: Wir hatten Glück, denn wir kamen zur rechten Zeit. Vor einem Jahr wollte wohl schonmal jemand einen Film darüber machen. Damals hatten die Besitzer aber keinen Bock. Irgendwie haben sie wohl gemerkt, dass wir echtes Interesse daran haben, und dass der Film richtig gut werden kann. Und als wir die Besitzer im Boot hatten, war es leichter, an die anderen zu kommen. Plötzlich konnte jeder eine Geschichte erzählen. Leute wie Mehmet Scholl haben mitgemacht. Und wir sind gerade dabei, Künstler wie Pete Doherty anzufragen ...
Heike: ... das dauert aber wohl noch etwas ...
Marc: Das Material besteht aus drei Teilen: die Phase, als das Atomic noch offen war. Der Nachklapp von Leuten, die interessante Geschichten zu erzählen haben. Und dann die Archiv-Phase, wo wir alte Aufnahmen, Handyvideos, Zeitungsartikel, alles zusammen tragen. Damit sind wir noch lange nicht durch.

Ihr wollt das über Startnext crowdfunden. Wie viel fehlt noch?
Heike: Bisher ist ungefähr ein Fünftel finanziert. Aber das ändert sich natürlich ständig.

Und was bekommen die Unterstützer?
Heike: Es gibt verschiedene „Dankeschöns“. Für 20 Euro bekommt man einen Jutebeutel mit Atomic- und bald auch mit dem Film-Logo drauf. Wer will, kann seinen Namen für 30 Euro im Abspann haben. Und für 60 Euro gibt’s eine Einladung zur Premierenfeier.

Und wann und wo bekommt man euren Film zu sehen?
Marc: Details stehen noch nicht fest. Es wird aber wohl erstmal eine Premiere geben, die in einem Kinosaal laufen wird.
Heike: Der Plan ist, im Sommer fertig zu werden - hoffentlich im Juli. Das hängt davon ab, wann die Interviewpartner, wir und die Helfer Zeit haben. Wir haben Equipment geliehen, Geld vorgeschossen, Freunde und Bekannte haben uns in ihrer Freizeit unterstützt. Das Schöne an der Geschichte ist, dass das Atomic ja für viele Leute eine Bedeutung hatte, und sie dadurch auch Bock haben, uns zu helfen.


Mädchen, was sollen diese Komplimente auf Facebook?

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Nehmen wir an, ein Freund von uns, nennen wir ihn Harry, fügt ein neues Profilbild hinzu. Er ist drauf zu sehen, ganz gut ausgeleuchtet, im Urlaub, mit relativ frisch gebräunten Unterarmen und meinetwegen einem gut sitzenden T-Shirt.

Würden wir dann sowas drunterschreiben wie: „Du Hübscher!“ - „Soooooooooo schön!“ - „WUNDERschöner Harry!!! <3“ – „¡¡Guapo!!!“ – „Wie süß! Miss you!“ – „uuu, schöne haaris! :D“ – „Komm sofort hierher du hübscher! SOFORT!“

Na? Würden wir? Nein. Würden wir nicht. Nicht mal nach zwölf Weißbieren. Und wenn doch – etwa, weil wir finden, dass Harry mit diesem Foto aber mal echt den Vogel namens Über-Eitelkeit abgeschossen hat – dann mit so beißender Ironie, dass Harry das Foto schleunigst wieder runternimmt.

Ihr aber, liebe Mädchen, macht das. Wenn eine von euch auf Facebook ihren Freundinnen ein Foto hinstellt, kann sie sich sicher sein, dass binnen Minuten die Komplimente loshageln. Und zwar unter jedem Foto, egal wie gut gelungen, wie selbstverliebt, egal wie vollironisch oder hässlich es sein mag.

Wir kennen das zum einen bei Topmodels, denen ihr auf Instagram folgt. Da verstehen wir noch, wenn ihr in arg jungen Jahren und mit arg viel Kleinmädchenrespekt sowas schreibt wie: „Uuuh, bist du schön, bittebitte folge mir zurück, Cara!“ Was uns aber verwundert, ist die Hartnäckigkeit, mit der ihr selbst solchen Mädchen ihr Hübsch-Süß-Schön- und grundsätzliche Unwiderstehlichkeit attestiert, die, sagen wir, uns Jungs auch noch auf den zweiten Blick nachzuvollziehen Mühe kostet.

Was hat es mit dieser reflexhaften Komplimentiererei auf sich? Verteilt ihr Komplimente wie manche Leute Weihnachtskarten – je mehr rausgehen, desto mehr kommen hoffentlich auch zurück? Erklärt es uns, ihr Hübschis!

Auf der nächsten Seite liest du die Mädchenantwort von martina-holzapfl.
[seitenumbruch]




Glücklicherweise kann ich mich auf deine Frage hin entspannt zurücklehnen und sagen: Also ICH gehöre ja nicht zur Gruppe der Komplimentiererinnen, ABER natürlich weiß ich ganz genau, wovon du sprichst. Und kann es dir erklären.

Das Bild mit den Weihnachtskarten ist schon nicht schlecht. Gerade, weil der Grad zwischen Verschwesterung und geiferndem Neid unter Mädchen oft nur sehr schmal ist, (das eine existiert auch gern neben dem anderen her, wie sich im deutschen Bildungsfernsehen der Sorte „GNTM“ oder „Bachelor“ beobachten lässt), stellt das großzügige Verteilen von Komplimenten unter Mädchen eine Art „Vorsorgestrategie“ dar.

Und die funktioniert so: Macht man sich durch säuselnde Worte als eine bekannt, die kein Problem damit hat, anderen (insbesondere anderen Frauen!) zu sagen, wie schön sie sind, erweckt man den Anschein einer selbstlosen Gönnerin. Anderen Honig ums Maul zu schmieren, heißt auch, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Sich ein bisschen zu verbeugen. „Ach, du Hübsche“ irgendwohin zu schreiben, soll heißen: „So wie du wäre ich auch gern, werde ich aber nie sein...“. In Wirklichkeit heißt es natürlich vor allem: „Naja, ganz nett, aber wenn ich so ein Foto von mir machen würde, dann wäre das mindestens so heiß und hätte auch voll viele Likes, okay?“

Hinter der vermeintlichen Nettigkeit steckt also auch ein erstes Reusewerfen des „Fishing for compliments“. In den Anderen soll jetzt der Reflex entstehen, zu sagen: „Ach komm, das musst DU gerade sagen! Selber Hottie!“ Egal, ob diese Reaktion sofort erfolgt oder nicht - was zählt, ist: Nach der eigenen Großzügigkeit sind jetzt die anderen in der Bringschuld. Der gesamte ausgetauschte Kommentarhonig ist quasi nur geliehen! Er dient auch als Kitt eines Nichtangriffspakts, der besagt: „Hey, ich mach dir Komplimente, also wag es nicht, je gemein zu mir zu sein oder mich nicht auch immer zu unterstützen und zu verteidigen!“

Aber man muss das Ganze hier eigentlich auch gar nicht so verbitchen. Man kann es auch andersrum drehen, und sagen: Wir Mädchen, wir pflegen eben unser Karma. Wir richten unser Leben nach dem Spruch: „Wie es in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus!“

Und ihr Jungs, ihr seid bemühte Coolspießer, die auch 2014 noch voll Angst davor haben, nett zueinander zu sein, weil ihr fürchtet, als „schwul“ oder „eierlos“ verspottet zu werden. Gebt euch einen Ruck. Ihr wollt doch auch geliebt werden!

Wir haben verstanden KW 03

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Rosinen im Reis: geil! Wenn der Reis noch dazu gebacken ist: noch geiler!

Nicht so geil hingegen: Gummibärchen kriegen, wenn man sich auf Schokolade eingestellt hat.

Erste Devise, wenn einen etwas zu sehr beschäftigt: Einfach aufhören, drüber zu reden. Manche Sachen existieren nämlich nicht mehr, wenn sie nicht ausgesprochen werden.





Das Video mit dem größten Schnief-Faktor haben in dieser Woche leider wir selbst gemacht: Bye bye Atomic Café! Bis zum letzten Schutthaufen ...

Dabei mal wieder gemerkt: wahnsinns Song, dieses "Forever Young".

Dabei wieder gemerkt: die Band kommt ja aus Münster (Westfalen)!

Im Winter gibt es zwar weniger Licht, dafür sehr viel mehr Abendrot-Fotos.

Die jetzt-Redaktion kann auch aussehen wie auf einem Album-Cover.

Manchmal sind kleinere Bilder besser als große.

Auch Pop-Ikonen streiten wie Vorstadt-Spießer.

Smartphones werden zu Walkie-Talkies.

Auch Menschen, die Vorträge auf der Re:Publica halten, wissen nicht, welchen Staubsauger sie kaufen sollen.

Wer aus Versehen fremde Kugelschreiber mitnimmt, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben.

Alleine nachts an einem Tresen zu sitzen, kann sich sehr gut anfühlen.

Es gibt Bars, in denen es kein Bier gibt.

Es gibt Jungs, die sich Shampoo für ihren Bart selbst mixen.

Man kann Tim Cook per Mail erreichen. Direkt!

Allerdings nur, wenn es um das - seiner Meinung nach - richtige Thema geht. Und das lässt sich wiederum durchaus diskutieren.

Das Münchner Kreisverwaltungsreferat ist ein seltsamer Ort. Auf ein und demselben Amtsflur befinden sich das Geburtenbüro, das Sterbebüro und der Saal, in dem geheiratet wird. Da prallen im Neonlicht und auf farblosem Teppichboden die ganz großen Themen ganz bürokratisch zusammen.

Pinkettys "Das Kapital" ist zwar unhandlich, unter Punks gerade aber scheinbar der heiße Scheiß.

Hilft gegen Winterdepression und macht auch im Sommer noch Spaß: das Sounddesign von Computern immitieren.

Hilft gegen Feinde: Glitzer.

Hilft für das Gefühl des Ankommens in einer neuen Stadt: Wenn einem der Kaffeemann von sich aus eine Stempelkarte gibt.

Viel zu viele Menschen kennen immer noch nicht den Unterschied zwischen "Islam" und "Islamismus".

Unter einem Hasthtag zu Liebesbekundungen für ein Produkt aufzurufen, funktioniert nie. Siehe zum Beispiel: #weilichdichliebe oder #emmaistfürmich.

Man schafft ja viel mehr als man denkt, im Leben! Wenn man muss.

Voll so ein alter Feng-Shui-Kalenderspruch, aber: Ausmisten und aufräumen und neu machen im Haus, klart die Seele um 150 Prozent auf.

Nach vielen Monaten kältebedingter Fahrradabstinenz weiß man bei der ersten Fahrt plötzlich wieder: Eine Wahnsinnserfindung eigentlich, dieses Zweirad!

Warum eigentlich dieses jahrelange Gequäle ums Sportmachen, wenns ein paar lange Spaziergänge in der Woche auch tun und sogar gesünder sind? Angeblich.

Einfach mal für 160 Euro Bücher bestellen, die am nächsten Tag ins Haus gebracht werden, ist weder vernünftig noch nett für den Einzelhandel - aber besser als Weihnachten.

Beruf: Ansteher

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jetzt.de: Hallo Robert, gibt’s zur Zeit viel zu tun?
Robert Samuel: Geht so. Am Wochenende stand ich für ein paar Tickets vor der „Tonight Show“ mit Jimmy Fallon, letzte Woche drei mal für den Cronut. Vor der Bäckerei, die den erfunden hat, wartet man jeden Tag zwei Stunden. Damit verdiene ich das meiste.





Was kostet dein Dienst denn?
25 Dollar für die erste Stunde, dann zehn Dollar für jede halbe Stunde.

Macht für zwei Stunden 45 Dollar.
Plus die Cronuts, die kosten elf Dollar für zwei Stück. Die meisten geben dann gleich 60.

Wer sind denn deine Kunden?
Vor allem superbeschäftigte New Yorker. Die nicht einfach ein paar Stunden totschlagen können, wenn sie ihren Reisepass abholen. Oder die ihrem Partner Cronuts mitbringen wollen. Die sind ja wegen der langen Wartezeit ein guter Liebesbeweis.

Dann muss man aber verschweigen, dass man sich nicht selbst angestellt hat.
Ach, wenn man jemanden fürs Warten bezahlt, zeigt das doch sogar noch mehr Zuneigung!

Jetzt im Winter haben die Leute wahrscheinlich besonders wenig Bock auf Schlangestehen.
Klar, du musst schon vorbereitet sein. Ich habe Schlafsäcke, Gesichtsmasken, Handwärmer. Dabei ist unsere Hauptsaison der Sommer und der Spätsommer.

Ach ja?
Da kommen neue Apple-Produkte auf den Markt. Und hier in New York sind ständig Gratis-Events, für die man sich lange anstellen muss. Theateraufführungen in Parks, Festivals. Die Leute sind eher bereit, Geld für eine Ansteh-Hilfe auszugeben, wenn sie danach was umsonst bekommen.

Kannst du vom Warten leben?
Noch nicht. Ich arbeite hauptberuflich als Sicherheitsmann. Oft bin ich in der Arbeit, wenn ein Auftrag reinkommt – dann delegiere ich an mein Team. 27 Leute arbeiten für mich.

Du selbst hast mit einem Inserat auf Craigslist angefangen.
Genau, das war vor zwei Jahren. Ich bot an, für 100 Dollar vor dem Apple Store auf das neue iPhone 5 zu warten. Ich wollte mir eh selbst eins holen. Ein Typ rief tatsächlich an.

Hast du inzwischen Konkurrenten?
Ich sag mal so: Von den acht Millionen New Yorkern stellt sich bestimmt noch jemand für Geld in Warteschlangen. Aber niemand außer mir hat eine Hotline und eine Website.

Was war deine längste Wartezeit?
38 Stunden, als das iPhone 6 rauskam. Wegen der irren Nachfrage hatte ich elf Leute engagiert. Man kriegt ja nur zwei Smartphones pro Person. Wir hatten Matratzen, Essen, Trinken, Gartenstühle – es war wie ein Campingausflug in der Stadt.

Hast du einen Lieblings-Apple-Store zum Warten?
Den, der am nächsten an meiner Wohnung in Chelsea liegt. So können meine Mitarbeiter und ich zwischendurch bei mir aufs Klo gehen.

Hast du Tipps, wie man gut wartet?
Erstens: Dein Smartphone ist dein bester Freund. Es sei denn, du hast einen echten Freund dabei. Zweitens: Sei immer nett zu den Leuten, die mit dir da stehen. Quatsch einfach mit denen! Du glaubst gar nicht, wie schnell dann die Zeit verfliegt.

Ich habe irgendwo gelesen, dass ein Mensch zwei bis drei Jahre seiner Lebenszeit mit Warten verbringt.
Da rattern mir die Dollarzeichen durch den Kopf! (lacht) Das ist ja das Tolle: Ich mache hier etwas zu Geld, das jeder tun muss und das jedem lästig ist. Ich muss keinen Laden mieten, ich brauche nur meinen Körper. 

Was war eigentlich das letzte, für das du privat richtig lang gewartet hast?
Für Beyoncé. Als sie vor ein paar Jahren im Roseland Ballroom aufgetreten ist. Das waren sechs oder sieben Stunden in der Schlange. Ich wollte in der ersten Reihe stehen, damit sie mich sieht.

Und?
Es war jede einzelne Minute wert, Mann.

Fashion Week? Houellebecq? Museum?

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Wichtigster Tag der Woche: Der Dienstag. Da gehe ich das erste Mal in meinem Leben zu einer Filmpremiere und dann ist es auch noch ein Film, den ich nach dem Interview von Franziska mit dem Regisseur Burhan Quarbani sowieso gerne gucken wollte: "Wir sind jung. Wir sind stark" über die Anschläge in Rostock-Lichtenhagen. Und nach den Reaktionen auf den Tod des eritreischen Asylbewerbers Khalid I. vergangene Woche in Dresden, teile ich ja leider auch ein bisschen das Gefühl, das Quarbani in dem Interview bereits zur Sprache brachte: Fuck, das kann wieder passieren.
https://www.youtube.com/watch?v=-51WN8fHamM

Politisch interessiert mich...
wie sich die ganze Diskussion um den Islam, Pegida und die Attentate in Paris und Belgien weiterentwickelt. Ich hoffe natürlich, dass die Menschen von ihrem "Der-Islam-ist-schuld-Trip" schnellstens wieder runterkommen, aber jemand hat neulich gesagt "Mit diesem Thema werden wir alle uns noch lange beschäftigen" und ich befürchte, dass er recht hat.

Soundtrack zur Woche:
Als ich zum ersten Mal ein Lied von Asaf Avidan hörte, war ich mir zugegebenermaßen nicht sicher, ob da ein Mann oder eine Frau singt. Ist ja eigentlich auch wurscht - das letzte Album war perfekt geeignet für Regentage, die man im Bett verbringt. Und wenn nun kommende Woche "Gold Shadow" erscheint, hoffe ich auf einen ähnlichen Effekt.
https://www.youtube.com/watch?v=uNcyAzSmKpc

Wochenlektüre?
Ich tue mich mit Michel Houellebecq ja immer ein bisschen schwer: Die Bücher haben meistens supergute Grundideen ("Die Möglichkeit einer Insel" fällt mir da immer als erstes ein), im Verlauf des Buches wird es dann aber oft zäh und mir manchmal zu psycho. Über sein neues Buch "Unterwerfung" habe ich jetzt aber, natürlich wegen der gespenstischen Nähe zu den Anschlägen auf die Charlie-Hebdo-Redaktion, so viel gelesen, dass ich es mir kaufen muss. In dem Roman wird durchgespielt, wie Frankreich im Jahr 2022 einen islamischen Staatspräsidenten erhält. Hoffentlich bekomme ich überhaupt noch ein Exemplar, die Vorbestellungen sind bereits voll.

Kulturelles Highlight:
Meine Berliner Museumsliste für dieses Jahr ist lang, aber vermutlich gehe ich erstmal in die Sonderausstellung "RAF - Terroristische Gewalt", im DHM, bevor diese Anfang März dichtmacht. Dann gäbe es aber auch noch die Grüne Woche in der Stadt, von der ja immer alle sagen, da müsste man sich mal durchessen. Außerdem würde ich gerne die Schmidt-Rottluff-Ausstellung im Brücke-Museum angucken, die zum Thema "rituelle Beschneidung" im jüdischen Museum... aber ich merk schon, das wird alles nix kommende Woche.

Geht gut diese Woche:
Sich von außen den Berliner "Fashion Week"-Zirkus angucken und zu Hause dann freuen, dass man die eigenen Sachen zum Großteil nicht mal bügeln muss.




Geht gar nicht:
Möbelstücke, auf die im Shabby Chic Schriftzüge aufgedruckt sind. Scheint aber immer noch ein großes Ding in deutschen Möbelhäusern zu sein.
[plugin imagelink link="http://planungswelten.net/data/images/paragraph/moebel-restaurieren-kommode-shabby-chic.jpg" imagesrc="http://planungswelten.net/data/images/paragraph/moebel-restaurieren-kommode-shabby-chic.jpg"] Symbolbild

Zwangsjacke unendlicher Möglichkeiten

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Jahr 1972 gründete eine Handvoll junger britischer Philosophen das Magazin Radical Philosophy, das der sozialistisch inspirierten Jugend des Landes ein Vokabular für ihre politischen Aufstände zur Seite stellen sollte. „Die zeitgenössische britische Philosophie ist in eine Sackgasse geraten“, hieß es in der ersten Ausgabe, „Ihre Vertreter haben den Versuch aufgegeben, die Welt zu verstehen, geschweige denn, sie zu verändern. Sie haben Philosophie in ein enges, spezialisiertes Fach verwandelt, für das sich außerhalb der akademischen Kreise kaum jemand interessiert.“

43 Jahre später sind diese Mängel zumindest teilweise behoben. Heute gibt es kaum noch jemanden, der von sich behaupten würde, sich nicht für Philosophie zu interessieren. Philosophische Sachbücher verkaufen sich weltweit millionenfach. In den Verlagsprogrammen wimmelt es vor Internet-, Finanz- und Gesundheitsphilosophen, und auf der Konferenz, die das Radical Philosophy-Kollektiv nun im Berliner Haus der Kulturen der Welt ausgerichtet hat, drängten sich Hunderte. Philosophie ist heute populär wie nie, und zwar im doppelten Sinne.

Bliebe noch die Sackgasse: Einerseits ist es den Achtundsechzigern in Europa tatsächlich gelungen, soziale und politische Theorie auf die Küchentische der Studenten-WGs zu spülen, wo sie dann zu Parteiprogrammen und Lebensentwürfen verdichtet wurde. Andererseits hat die neoliberale Verwertungslogik, die man eigentlich aufbrechen wollte, seitdem auch den transformativen Zauber sozialer Bewegungen zum Anlageobjekt umfunktioniert. Jüngstes Beispiel: Geschäftsleute haben versucht, sich den Slogan „Je suis Charlie“ als Markenzeichen schützen zu lassen.

Da die Universitäten zunehmend auf private Gelder angewiesen sind, werden sie jetzt von den Geistern heimgesucht, die sie selbst gerufen haben: Investoren geben ihr Geld am liebsten für glanzvolle, epochale Umstürze aus, weshalb es nun alle paar Jahre eine philosophische Wende zu vermelden gibt. Die Sackgasse hat damit ihre Gestalt verändert: Sie ist jetzt keine Mauer mehr, sondern tritt als Zwangsjacke unendlicher Möglichkeiten auf. Die zeitgenössischen Philosophen wissen das. Nur hilft ihnen dieses Bewusstsein nicht weiter. Die meisten Vorträge bei der Berliner Konferenz endeten resignativ.

Das konnten auch die Programmplaner nicht verhindern. Sie setzten den Akzelerationismus gleich an den Anfang der Konferenz, jene optimistischste antikapitalistische Denkschule der Gegenwart. Der Akzelerationismus versucht, den Neoliberalismus nicht durch Verweigerung, sondern durch Speed und Überlastung zu bekämpfen. Allein Deutschlands bekanntester Akzelerationist Armen Avanessian hat 2014 zehn Bücher und zahllose Aufsätze veröffentlicht. Weil das niemand alles ernsthaft lesen kann, ist diese Offensive in erster Linie eine ironische Performance.

Das Hauptproblem der radikalen Philosophie besteht vielleicht darin, dass sie auf der Suche nach Haltungen, die nicht unmittelbar vom Neoliberalismus inkorporiert werden können, ungebetene Konkurrenz bekommen hat, die nicht mehr radikal denkt, sondern radikal nicht denkt: IS, Boko Haram, Pegida. Der Neoliberalismus brauche immer eine gewisse Übereinkunft mit seinen Gegnern, um abweichende Positionen zu vereinnahmen, sagte die österreichische Autorin Nora Sternfeld in Berlin.

Und dieser common ground zwischen dem Neoliberalismus und jenen Philosophen, die die Welt mit akademischer Exzellenz, analytischer Kompetenz und argumentativer Überzeugungsarbeit verbessern wollen, ist letztlich ziemlich groß. Das wollen Goldman Sachs und McKinsey schließlich auch. In einer Gegenwart, in der Fundamentalisten Zeitungsredakteure erschießen, finden sich Denker, die sich gerade noch als radikale Oppositionelle verstanden haben, deshalb plötzlich Schulter an Schulter mit ihren Gegnern wieder.

Wobei auch die Option der Totalverweigerung in Berlin diskutiert wurde. Aus den Siebzigerjahren sind zwei Aufrufe zum Künstlerstreik überliefert: Die Künstler Gustav Metzger und Goran Djordjevic hatten unabhängig voneinander ihre Kollegen aufgefordert, die Arbeit niederzulegen, um so den kapitalistischen Kunstbetrieb zum Erliegen zu bringen. Am Ende waren sie zwar jeweils die Einzigen, die ihrem Aufruf folgten. Trotzdem reimt sich hier die Geschichte: Auch die Fundamentalopposition der damaligen Linken hat Einzelne in den Terrorismus getrieben. Weshalb die Integrationskraft der Verwertungsgesellschaft in diesen Tagen so gut dasteht wie lange nicht.

Helfer in Not

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Simona Sieglar weiß nicht, ob sie im Sommer noch einen Job haben wird. Die Stelle der Schulsozialarbeiterin im nordrhein-westfälischen Wermelskirchen wurde aus Mitteln des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) des Bundes finanziert, doch bald ist der letzte Rest des Geldes aufgebraucht. Hunderte derartige BuT-Jobs sind in anderen Ländern bereits ausgelaufen. Dabei hatte alles so gut angefangen: Etwa 3000 Stellen für Schulsozialarbeit sind nach Recherchen des Paritätischen Gesamtverbands bundesweit mit dem Programm geschaffen worden. Ursprünglich als Begleitung für das Paket, mit dem die damalige Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) Zuschüsse zum Mittagessen, Kultur oder Nachhilfe für ärmere Kinder lancierte. Neue Kräfte sollten den Eltern durch den Dschungel der Formalia helfen – und auch klassische Sozialarbeiter-Aufgaben übernehmen.



Wenn Schüler Probleme haben, können sie an vielen Schulen mit einem Sozialarbeiter sprechen. Die Finanzierung dieses Angebots ist nun allerdings gefährdet.

Doch das Projekt war von Anfang an befristet, vielerorts stellt sich die Frage: Wer springt nun ein? Seit mehr als einem Jahr heißt es oft: zittern. Es gibt teils Übergangsgeld durch Kommunen, mancherorts öffneten Unternehmer ihr Portemonnaie, gar mit einer Tombola haben einige Kommunen die Jobs gerettet – oder zumindest die an Schulen in Problembezirken.

Nur Berlin, Hamburg, Bremen und Bayern hätten die Stellen einfach weiterfinanziert, sagt Thomas Pudelko vom Paritätischen Gesamtverband. Doch handele es sich um vergleichsweise niedrige Zahlen, Schwergewicht in diesem Zusammenhang sei Nordrhein-Westfalen. Fast 1500 Stellen habe allein NRW über das Paket geschaffen. Der Haken aber bei der Lösung, die im November nach langem Ringen gefunden wurde: Das Land zahlt zwar – vorerst bis 2017 – 48 Millionen Euro pro Jahr. Allerdings sollen Städte und Gemeinden sich beteiligen, mit 20 Millionen jährlich. Tun sie das wirklich? Im Rheinisch-Bergischen Kreis, wo Sozialarbeiterin Sieglar arbeitet, ist die Sache völlig offen. Sie ist für 13 Schulen und zudem 17 Kitas zuständig, betreut vor allem Kinder aus Familien mit geringem Einkommen. Die können mit dem Teilhabepaket an Ausflügen teilnehmen oder im Verein Sport machen.

Wie breit die Schulsozialarbeiter wirken, kann Petra Strübel-Yilmaz berichten, Geschäftsführerin des Sozialkritischen Arbeitskreises Darmstadt: Manchmal leide ein Kind so unter der Schule, dass es nicht mehr hingehe, andere hätten Stress mit den Eltern, Streit untereinander, fühlten sich von einem Lehrer gemobbt. Vieles, so Strübel-Yilmaz, „lässt sich durch Gespräche wieder in die richtigen Bahnen lenken“. Die Aufgaben variieren von Schule zu Schule, es geht um den Blick auf Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen – aber oft um das ganze Schulleben: Streitschlichtung, Maßnahmen gegen Schwänzen, Elternarbeit wie durch Mütter-Cafés, Projekte mit Vereinen. Wenn man sich auf Einzelfälle konzentriere, sei meist schon etwas passiert, so Strübel-Yilmaz. In Darmstadt setzt man auf Prävention: Schon Schulanfänger werden betreut, „damit sie gut ankommen“; und so könne man die Ansprechpartner früh bekannt machen, denn für Jugendliche sei „die Hürde oft groß, in den Beratungsraum zu gehen“.

Schulsozialarbeit in Deutschland wird seit den Neunzigern ausgebaut, Pilotprojekte gab es schon früher. Wie viel Personal genau in dem Bereich arbeitet, kann nur geschätzt werden. Karsten Speck von der Universität Oldenburg sagt, dass es in den Ländern mindestens 5300 Sozialarbeiter gibt, wenn auch nicht alle in Vollzeit, meist sind sie bei freien Trägern angestellt. In der Zahl enthalten seien aber nicht diejenigen, die nur Kommunen finanzieren, da es darüber keine Statistik gibt. „Was man aber ohne Zweifel sagen kann: Der Trend geht zu Schulsozialarbeit.“

Problematisch werde es dann, wenn Schulsozialarbeit befristet aufgelegt werde, sagt Speck – wenn ein Programm auslaufe, breche die Sozialarbeit weg: „Für eine Beziehungsarbeit ist aber Kontinuität nötig.“ Weil Stellen immer wieder in Gefahr geraten und auch die einheitliche Linie fehlt, schlägt jetzt der Bundeselternrat Alarm und fordert ein zentrales Programm: „Jugendsozialarbeit an jeder Schule“. Hier sei „der Bund in der Verantwortung, denn Jugendsozialarbeit ist eine gesellschaftspolitische Aufgabe“, meint die freiwillige Arbeitsgemeinschaft der Landesvertretungen von Müttern und Vätern. Um die Qualität zu sichern, seien darüber hinaus bundesweite Standards für den Job unverzichtbar.

Den Bund in der „Pflicht“ sieht auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Schulsozialarbeit sei eine soziale Aufgabe und keine, die zunächst nur mit Bildung zu tun habe. Doch für eine Fortführung der BuT-Stellen habe sie sich in Berlin nicht durchsetzen können. Nachdem kürzlich das Grundgesetz geändert worden war und sich der Bund Einfluss bei den Hochschulen sicherte, forderten viele Politiker von SPD und Grüne eine solche Reform auch für Schulen – und nannten ausdrücklich die Sozialarbeit als Beispiel. Signale für einen Konsens gab in jüngster Zeit aber nicht.

Den Nutzen einer solchen Initiative würde wohl niemand bestreiten. Vielleicht ist es der gute Ruf ihrer Zunft, der Simona Sieglar aus Wermelskirchen hoffen lässt. Auch wenn der Kreistag abgelehnt habe, Geld des Landkreises in die Schulsozialarbeit zu stecken und damit die Landesmittel zu flankieren, ist sie optimistisch: „Ich glaube daran, dass die Stadt einspringt.“

Für Professor Speck, der sich seit Jahren mit den Wirkungen der Sozialarbeiter beschäftigt, ist die Sache klar: „Den empirischen Nachweis, dass Schulsozialarbeit etwas bringt, haben wir.“ Und sie spare sogar Geld. Wo es Stellen gebe, müsse für andere soziale Hilfen weniger ausgegeben werden. Zudem schaffen laut Speck an Schulen mit Sozialarbeit mehr Jugendliche einen Abschluss, Schüler sind seltener aggressiv, es wird weniger demoliert und geschwänzt. „Schulsozialarbeit ist kein Allheilmittel“, räumt Speck ein. Die Lehrer müssten schon mitziehen. Allerdings seien Pädagogen meist sehr glücklich, wenn sie durch die Kollegen entlastet werden.

Andere Studien, zum Beispiel eine Vor-Ort-Analyse der Universität Wuppertal, zeigen: Dort, wo Sozialarbeiter an Schulen etabliert sind, gelten sie als unkomplizierte Ansprechpartner, Schüler kontaktieren sie ohne Hemmung. So vertrauen sich dreimal so viele Schüler bei Ärger im Elternhaus eher dem Sozialarbeiter an als Lehrern. Eltern, die mit Sozialarbeitern zum Beispiel für Behördendinge zu tun hatten, wurden gefragt, ob sie sich gut unterstützt fühlten. Verneint wurde das in Wuppertal von gerade mal 2,8 Prozent.

Tagesblog - 19. Januar 2015

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17:10 Uhr: Heute muss der Tagesblog pünktlich Schluss machen, ich hab noch einen Termin.Morgen begrüßt euch hier Jan Stremmel. Bis dahin - euch allen einen schönen Abend!
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16:55 Uhr:
Weil es gerade so viel geteilt wird und auch Userin josephineKilgannon darauf hingewiesen hat: Wie wäre Harry Potter wohl verlaufen, wäre Hermine Granger und nicht Harry die Hauptperson gewesen? Buzzfeed hat da mal was entwickelt...




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16:20 Uhr:
Heute Morgen habe ich ja schon kurz darüber berichtet, dass die Pegida-Demonstrationen in Dresden heute ausfallen. Das bedeutet aber nicht, dass andere Bündnisse wie Bärgida oder Legida oder Mügida und wie sie alle heißen, nicht trotzdem auf die Straße gehen. Der Kollege Jakob Biazza wird dann, wie vergangene Woche auch, wieder auf der Gegendemonstration sein - und dabei überfällt ihn leider immer ein Unbehagen. Warum genau, das hat er hier aufgeschrieben.




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15:10 Uhr:
Wer schon immer mal mit einem Teleskop ins All gucken wollte, die Astro-AG in der Schule aber leider verpasst hat: Die Bilder der Andromeda Galaxie vom Hubble Space Telescope gibt's jetzt auch digital. Und man kann sogar reinzoomen. Bessere Sicht hat man von hier aus eh nicht, bei all dem grauen Wetter.
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14:05:
Gefällt mir gut: Unsere neue Kolumne! Wir haben ja vergangene Woche Nadjas und Lars' "Woher der Hass"sehr wehmütig verabschiedet, aber natürlich nicht, ohne euch etwas Neues zu präsentieren: "Zu jung, zu alt" ist die neue Kolumne von Teresa Fries, jede Woche befragt sie darin einen jungen Menschen darüber, aus was er sich rausgewachsen fühlt und was noch kommt. In der ersten Folge geht es um Kurzhaarfrisuren und Soaps.




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13:25 Uhr:
Gerade einen Text von jetzt-Userin NinaAnin gelesen. Darin beschreibt die gebürtige Iranerin, die mit sechs Jahren nach Deutschland kam und sich in vielen Dingen eher als "Deutsche" bezeichnen würde, warum die Anhänger von PEGIDA, die ja immer zu ordentlich integrierten Ausländern sagen "Dich meinen wir ja nicht", warum sie eben doch sie meinen. Und wie sie sich fühlt, wenn sie das hört und selbst nicht mehr so richtig weiß, wo sie eigentlich hingehört. Sehr lesenswert.

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13:10 Uhr:
Das Internet macht ja alles einfacher, ne? War also eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis man auch automatisch Online-Beschimpfungen generieren kann (oder gabs vielleicht auch schon und ich habe es nur verpasst?): Jetzt auf jeden Fall: Der Larsiator, für besonders faule Trolle, die eine Gruppe verlassen wollen. Mir gefällt ja am besten die "weinerliche" Funktion:
 

via Schlecky Silberstein

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12:15 Uhr:
Eine ziemlich simple, aber hoffentlich wirklich hilfreiche Idee: Eine neue App aus Dänemark verbindet Blinde mit Sehenden, wenn diese ein Paar Augen benötigen. Das System funktioniert so, dass die Sehbehinderten daraufhin an ihrem Smartphone die Videofunktion einschalten und mit Sehenden verbunden werden, die ihnen dann sagen, was sie dort erkennen und ggf. Fragen beantworten.
http://vimeo.com/113872517

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11:40 Uhr: So, falls ihr euch auch noch leicht verknautscht vom Wochenende fühlt: Mercedes hat aufgeschrieben, warum der dritte Drink meistens der tödliche ist. Lieblingssatz: "Stellt man sich den Abend als Schaukelprozess vor, ist man bei dem dritten Drink schon mit Wumms in der Luft. Abspringen, so was macht jetzt kein gesunder Mensch mehr: Die Sache läuft doch, das Gerüst wackelt noch nicht und nichts trübt die Illusion, man könnte fliegen."




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11:20 Uhr:
Instagram-Parodien laufen gerade ziemlich gut. Neulich gab es ja diesen Typen, der die Posts von Frauen imitiert, dann den kanadischen Studenten Mina Gerges, der Promi-Posts nachstellt. Irgendwie nur plausibel, dass es jetzt auch ein Skelett gibt, das sich in typische Instagram-Posen wirft.










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11:00 Uhr: So, ausgeskypet, und da ich das Gefühl habe, der Rest der Welt hat noch nicht so gut Laune wie ich, hier erstmal eine sehr süße Illustration von Christoph Niemann, die mir gestern eine Freundin zur Aufheiterung geschickt hat (mit Erfolg):





T-Rex  in his favorite turtleneck sweater.


A photo posted by Christoph Niemann (@abstractsunday) on Jan 18, 2015 at 4:33am PST







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09:55 Uhr:
Weil es unter der Wochenvorschau so stark diskutiert wurde: Michel Houellebecq (yeah, auf Anhieb mal richtig geschrieben), liest heute aus seinem Roman "Unterwerfung" in Köln. Ich habe mir das Buch noch am Wochenende gekauft und angefangen, die ersten 50 Seiten sind auf jeden Fall typisches "ein-Ich-Erzähler-ist-frustriert-über-sein-Sexualleben"-Geschwafel. Hoffe, da kommt bald ein bisschen Handlung. Noch lustiger allerdings: Diese von User Montrose zusammegetragenen vorher-nachher-Bilder von Houellebecq:
[plugin imagelink link="http://i.telegraph.co.uk/multimedia/archive/01710/Houellebecq_1710051c.jpg" imagesrc="http://i.telegraph.co.uk/multimedia/archive/01710/Houellebecq_1710051c.jpg"]
[plugin imagelink link="http://media.zenfs.com/de-DE/News/AFP/3edaf3de6b7bcb4784727ba80e11713d75e8a752.jpg" imagesrc="http://media.zenfs.com/de-DE/News/AFP/3edaf3de6b7bcb4784727ba80e11713d75e8a752.jpg"]

Was bei dem im Leben wohl los war?

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09:20 Uhr:
Ein bisschen Nachrichtenlage:
  • Die heutige PEGIDA-Demonstration in Dresden fällt aus - Grund ist die erhöhte Anschlagsgefahr in Dresden. Ich habe gestern Abend dazu die Diskussion bei Günter Jauch gesehen, bei der auch die PEGIDA-Sprecherin eingeladen war. Irgendwie war ich danach noch ratloser als zuvor, die Kollegin Hannah Beitzer hat für SZ.de aber verständlich aufgeschrieben, welche Thesen vertreten wurden

  • Der Euro hat momentan einen historischen Tiefstand von 1,15 US-Dollar erreicht. Grund dafür ist vor allem die kommenden Donnerstag anstehende EZB-Entscheidung über den Verkauf von Staatsanleihen, auch die Freigabe des Frankens von der Schweizer Zentralbank drückt den Kurs

  • In Berlin startet heute die Fashion-Week. Wolfgang Joop sagt heute darüber in der B.Z.: "Die großen kreativen Zeiten, in denen hier aus Kacke Bonbon gemacht wurde, sind lange vorbei!" Sagt zwar jedes Jahr irgendwer so ähnlich, aber die Formulierung fand ich schon schmissig

  • Die kommende SZ-Recherche behandelt das Thema"Arbeit und Ausbeutung"


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09:05 Uhr: Guten Morgen lieber Kosmos. Das Wochenende ist rum, das ist aber gar nicht schlimm, weil mich diese Woche eigentlich nur Gutes erwartet, wie man auch in der aktuellen Wochenvorschau nachlesen kann. Gleich geht's los!
[plugin imagelink link="http://www.reactiongifs.com/r/kerm.gif" imagesrc="http://www.reactiongifs.com/r/kerm.gif"]

„Dass das Geld nicht vom Himmel fällt“

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In digitalen Zeiten kann schon eine kurze Nachricht auf Twitter den Verfasser zum politischen Akteur machen. So hat vor ein paar Tagen eine Schülerin – Naina aus Köln – eine Debatte über den Sinn ihres Unterrichts in Bewegung gesetzt. „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ‘ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen“, twitterte die junge Frau – was Experten und Politiker zu Reaktionen veranlasste.



Wissen Schüler zu wenig über das Berufsleben? Der Tweet einer Schülerin hat in der letzten Woche eine neue Debatte darüber ausgelöst. Baden-Württemberg reagiert und will 2016 das neue Unterrichtsfach Wirtschaft und Beruf einführen.

Der Deutsche Lehrerverband konterte: „Eine gewisse Alltagstauglichkeit sollte auch von den Eltern vorgelebt werden.“ Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) ließ ausrichten: „Ich finde es sehr positiv, dass Naina die Debatte angestoßen hat. Es bleibt aber wichtig, Gedichte zu interpretieren.“ Nordrhein-Westfalens Ministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) verwies auf Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK), Verbraucherbildung stärker in die Lehrpläne zu bringen, wandte aber ein: „Die Frage ist: Wie schaffen wir das, ohne dass wir ständig von oben draufsatteln.“

Diese Frage beschäftigt die KMK schon länger. Im Fokus: Ist gar ein eigenes Fach nötig? Vorreiter wird Baden-Württemberg sein. Die grün-rote Landesregierung will 2016 an allen allgemeinbildenden Schulen das Pflichtfach Wirtschaft und Beruf einführen. Die Pläne bestätigte nun Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD). Das Fach solle „Kindern helfen, zu mündigen Wirtschaftsbürgern zu werden.“ Ähnliche Inhalte kommen in allen Ländern in der Mittel- und Oberstufe in verschiedenen Fächern vor, an Gymnasien unter anderen in Bayern wird Wirtschaft teils in bestimmten Stufen angeboten. Eine umfassende, verpflichtende Behandlung wie nun im Südwesten ist ein Novum. Auch Praktiker sollen in Schulen referieren. Gewerkschaften und Elternvertreter weisen aber darauf hin, dass keinesfalls Konzerne einseitig ihre Interessen in Klassen tragen dürften.

Wirtschaftsverbände haben immer wieder ein solches Fach gefordert und haben auf Befragungen von Schülern verwiesen, die mangelnde Kenntnisse beweisen sollen. Ein Zusatz zur letzten Pisa-Studie, in dem 15-Jährige etwa die Kosten eines Kredits prüfen sollten, fand ohne Deutschland statt. „Dadurch, dass wir in der Schule heile Welt spielen, bereiten wir die Schüler nicht darauf vor, auf Augenhöhe am Wirtschaftsleben teilzunehmen“, rügte Wirtschaftsjunioren-Chef Christian Wewezow.

Hatte die Politik Angst vor einer Blamage? In KMK-Kreisen heißt es, dass man an einer solchen Studie gern teilnehme, wenn die Beschlüsse für mehr Verbraucherbildung greifen. Mit eigenem Fach? In einigen Ländern werde das durchaus geprüft.

Wie das Fach in Stuttgart exakt aussehen wird, ist noch unklar. Wirtschaftsminister Schmid, der in der Angelegenheit offensiver auftritt als der Kultusminister, sagte in einem Zeit-Interview zur Kritik an den Plänen: „Die gleichen Eltern, die sich über dieses Fach aufregen, haben kein Problem damit, ihren Kindern das neueste Smartphone zu kaufen. Man sollte den Schülern dann zumindest erklären dürfen, woher das Geld kommt und dass das Geld nicht vom Himmel fällt.“ Noch wichtiger sei berufliche Orientierung. Schmid denkt da an das Duale System, das unter dem Trend zum Studium leide: „Baden-Württemberg lebt vom Ruf und von der Güte seines Mittelstandes. Der besteht zum Großteil aber nicht aus Akademikern, das sind gut ausgebildete Fachkräfte, Meister, Techniker.“

Laut einer Umfrage des Instituts Allensbach fühlen sich nur die Hälfte der Schüler bundesweit gut über die Berufswelt informiert. Die meisten, die sich mehr Hilfe wünschen, sehen das als Aufgabe der Schule. 2014 hatte der Wissenschaftsrat, das Beratergremium der Politik, Reformen angeregt: Mehr Praktika und Beratung, denkbar sei deutschlandweit ein Fach Berufsorientierung. Gutachten des Rates werden häufig von der Politik umgesetzt – auch Indiz dafür, dass das Stuttgarter Vorhaben Schule machen könnte.

Die Spur der Trawler

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Google kennen die meisten Nutzer als weltweit größte Suchmaschine, was viele nicht wissen: Nun übt sich die Internetfirma im Tierschutz. Gemeinsam mit den Non-Profit-Organisationen Oceana und Skytruth hat Google ein Programm online gestellt, das in großem Stil illegale Fischerei öffentlich sichtbar machen will. Gesetzeswidriger Fischfang ist ein riesiges Problem. Schätzungen zufolge wird weltweit jeder fünfte Fisch ohne Erlaubnis gefangen. „Kaum ein Mensch weiß, was auf hoher See passiert und ob da illegal gefischt wird“, sagt Google-Projektleiter Brian Sullivan. „Das ist nicht akzeptabel.“



Illegaler Fischfang ist ein großes Problem. Die Online-Plattform "Global Fishing Watch" soll für mehr Transparenz auf dem Meer sorgen.

Für mehr Transparenz soll eine Online-Plattform namens Global Fishing Watch sorgen, die seit Kurzem online ist. Auf dieser Webseite sollen in Echtzeit die Fahrten von Fischereischiffen angezeigt werden. Für den Prototypen haben Google & Co die Daten von mehr als 3000 größeren Schiffen aus den Jahren 2012 und 2013 ausgewertet und aufbereitet. Seekarten und kurze Filme zeigen die Routen dieser Trawler und die beliebtesten Fischgründe bestimmter Nationen.

Etwa fünf Millionen Dollar kostet das Projekt. Für Google sei es eine Art imageträchtiges Abfallprodukt, erzählt Sullivan. Vor zwei Jahren habe ein Entwickler bei einer internen Google-Konferenz ein Programm vorgestellt, dass die Fahrten von Schiffen weltweit darstellen kann. Daraus sei die Idee entstanden, die Google-Technologie zu nutzen, um Fischereiboote und ihre illegalen Aktivitäten in den Fokus zu nehmen, so Sullivan. Der wirtschaftliche Schaden durch illegalen Fischfang ist enorm: Elf bis 26 Millionen Tonnen Fisch würden jedes Jahr gesetzeswidrig aus dem Meer geholt, schätzt Oceana. Vermuteter Schaden: zwischen zehn und 23 Milliarden Dollar.

Mit Global Fishing Watch könnten Bürger und Behörden erkennen, ob Schiffe in geschützte Gebiete eindringen, erklärt Sullivan. Etwa Gebiete wie das Great Barrier Reef in Australien, das größte Korallenriff der Erde. Oder ob Kutter in Gegenden fischen, für die sie keinerlei Fangquote haben, und ihre Beute dann auf andere Schiffe umladen. Was grotesk klinge, komme häufiger vor, sagt Alfred Schumm, Meeresexperte des World Wide Fund for Nature (WWF). Ein Grund: In Europa gibt es eine große Flotte von Hochseetrawlern. Das sind schwimmende Fabrikschiffe, die ihren Fang an Bord lagern und wochenlang auf See bleiben. Wenn es für solche XXL–Trawler in der EU nicht mehr genug zu fischen gibt, weichen sie in fremde Gewässer aus – meistens mit und manchmal eben ohne Fangquoten, argwöhnen Umweltschützer. Das ist vor allem für afrikanische Küstenländer mit hoher Korruption und schwacher Wasserschutzpolizei ein Problem: Oft ist es schwierig, sich gegen die illegale Jagd von Trawler zu wehren und heimische Fischer zu schützen.

Solche kriminellen Aktivitäten will Global Fishing Watch jetzt aufdecken: Die Website nutzt dafür die vorhandenen Daten des Automatic Identification Systems (AIS), das ähnlich wie GPS funktioniert. Via Satellit liefert AIS präzise Daten wie etwa Größe, Name und Position eines Schiffes – seit Ende 2000 ist es als verbindlicher Standard in der Schifffahrt vorgeschrieben. In der Europäischen Union etwa müssen alle Fischereischiffe, die länger als 14 Meter sind, mit AIS ausgestattet sein und es dauerhaft angeschaltet haben.

Der Vorstoß stößt auf Interesse, weil illegaler und legaler Fischfang die Weltmeeren bedroht. Die Ozeane sind heftig geplündert worden. Egal, ob Thunfisch, Schwertfisch, Kabeljau oder Heilbutt: Bis zu 90 Prozent der globalen Fischbestände werden bis an die Grenze genutzt (61,3 Prozent) oder sind überfischt (28,8), schätzt die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen.

Schuld daran sei das „systematische Leerfischen der Meere“ sagt Sandra Schöttner, Meeresexpertin bei Greenpeace. „Zu viele Schiffe fangen zu viel Fisch.“ Kurz: Die EU hat ihre industrielle Fischfangflotte auf eine nicht mehr nachhaltige Weise aufgebläht und verlagert deshalb die Probleme zunehmend ins Ausland.

Doch die werbewirksame Initiative von Google wird auch kritisiert. „Man macht der Öffentlichkeit jetzt vor, sie könnte ohne tiefere Analyse illegales Fischen erkennen“, sagt WWF-Experte Schumm. Tatsächlich sei es aber schwierig, illegales Tun auf hoher See auf den ersten Blick zu erkennen. „Das kann wie ein Pranger wirken“, sagt Schumm. Der WWF hat sich für eine andere Methode entschieden: Bereits vor zwei Jahren haben die Meeresschützer ein Programm namens Transparent Seas entwickelt. Wie Global Fishery Watch greift es auf AIS-Satelliten-Daten der Schiffe zurück. Der Unterschied: Der WWF veröffentlicht weder Namen noch Zeitangaben, mit deren Hilfe einzelne Schiffe erkennbar sind. Der WWF nutzt diese Daten aber, um mit Politikern zu verhandeln oder um Fischereien zu beraten, die sich um ein Gütesiegel für nachhaltigen Fang bemühen.

Die Webseite als Pranger? Googles Projektleiter Sullivan kann diesen Vorwurf nicht nachvollziehen. Natürlich gehe es darum, den öffentlichen Druck auf Fischereischiffe zu erhöhen und den Behörden am Ort zu helfen, illegales Verhalten aufzudecken. „Wir wollen aber niemanden strafrechtlich belangen“, sagt Sullivan. Global Fishing Watch wolle vielmehr dazu beitragen „gutes Verhalten sichtbar zu machen und zu belohnen“.

Doch bis das wirklich passiert, kann es noch länger dauern. Der Grund: Echtzeitdaten von Tausenden Schiffen und Kuttern zu erheben und aufzubereiten ist teuer. Selbst wenn Google dafür Hochleistungsrechner einsetzt, die große Datenmengen bewältigen können. Außerdem fehlen noch etliche Spenden – sie sollen vom Partner Oceana beschafft werden. Sullivan ist trotzdem optimistisch: „Wenn alles klappt, gehen wir Ende 2015 mit Echtzeitdaten online.“

Verstoß gegen die Verfassung

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Der Streit um private Schiedsgerichte bei den Freihandelsabkommen Ceta und TTIP bringt Bundesregierung und EU-Kommission immer mehr in Bedrängnis. Erhebliche Einwände meldet nun auch der Verfassungsrechtler Professor Siegfried Broß an. Die Sonderrechte für Investoren, die in den Verträgen mit Kanada und den USA eine wichtige Rolle spielen, verstoßen nach seiner Auffassung gegen nationales und internationales Recht. „Deutschland und die EU dürfen diese Abkommen mit den jetzt bekannt gewordenen Klauseln über Investorschutz und private Schiedsgerichte nicht abschließen“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. „Diese Klauseln verstoßen gegen deutsches Verfassungsrecht, Recht der EU und bedeuten einen Systembruch des Völkerrechts“, meint Broß, der bis 2010 Richter des Bundesverfassungsgerichts war.



Gegen die Freihandelsabkommen Ceta und TTIP werden immer mehr Einwände laut. Der Staatsrechtler Siegfried Broß hält die in den Verträgen vorgesehenen Sonderrechte für Investoren für unzulässig.

Der Jurist moniert, dass der Staat mit solchen Klauseln ohne Not einen Teil seiner Souveränität an private Schiedsgerichte abtrete. Wenn ausländische Firmen gegen eine Regierung dort klagen dürften, bedeute dies, „dass der jeweils betroffene Vertragsstaat insoweit seine Souveränität und Gestaltungsmacht im Völkerrechtsverkehr aufgibt“, ergänzt er. „Dafür gibt es keine Legitimation nach deutschem Verfassungsrecht“. Der Verfassungsrechtler hat im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung eine Studie erstellt, die Anfang dieser Woche veröffentlicht wird.

Schlichtungsstellen im Rahmen eines Freihandelsabkommens müssen nach seiner Ansicht einer staatlichen Kontrolle unterworfen sein. Eine Lösung sieht er in staatlichen Schiedsgerichten, die es so bisher nicht gibt. „Eine Schiedsgerichtsbarkeit innerhalb eines Freihandelsabkommen darf allenfalls als Staatsschiedsgericht organisiert werden“, stellt er fest.

Broß bestätigt die Bedenken vieler TTIP- und Ceta-Gegnern, die schon länger vor den Risiken der Investitionsschutzregeln (ISDS) warnen. Deren eigentliches Ziel soll es sein, ausländische Investoren vor Verstaatlichungen und anderer unfairer Behandlung zu schützen. Seit einigen Jahren werden die Sonderrechte jedoch von einigen Konzernen missbraucht, um strengere Gesetze zum Schutz von Mensch und Umwelt zu verhindern und hohen Schadensersatz zu verlangen.

Broß macht aber auch deutlich, dass ein Veto der Gerichte gegen die umstrittenen Regeln Ceta und TTIP keinesfalls grundsätzlich ins Wanken bringen kann. „Es geht nicht um alles oder nichts. Die Abkommen würden nicht insgesamt scheitern, sondern nur mit den genannten Klauseln.“ Die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns dieser Regeln vor den Gerichten schätzt Broß allerdings als „sehr hoch“ ein. Die EU-Kommission müsse dann in diesem Punkt nachverhandeln, und die Bundesregierung dürfte vorerst kein Zustimmungsverfahren in Bundestag und Bundesrat einleiten.

Brisant wäre ein Veto der Gerichte zudem, weil es Folgen für bereits laufende Abkommen hätte. „Hinsichtlich der alten Verträge müsste dann nachverhandelt werden“, sagt Broß. Da könnte viel Arbeit auf die Regierungen in der EU zukommen. Allein Deutschland, das als „Erfinder“ von Investorenschutzregeln gilt, hat 130 laufende Freihandelsabkommen im Bestand. Dass die wissenschaftliche Debatte über die umstrittenen Klauseln erst jetzt richtig in Gang kommt, ist für Broß ein großes Versäumnis. Nach seinen Worten gibt es einen Mangel an neutraler Forschung auf dem Gebiet. „Möglicherweise war dies mit einem Tabu belegt“, vermutet er. „Über Jahrzehnte hat sich ein interessiertes Umfeld zugunsten der privaten Schiedsgerichte entwickelt.“ Wissenschaftliche Bewertung stammten meist von Juristen, die selbst in diese Verfahren involviert seien.

Ein Beispiel für solche Interessenverflechtungen liefert das Gutachten, das Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Herbst zum kanadischen Abkommen vorlegte. Es stammt von Stephan Schill vom Max-Planck-Institut in Heidelberg, der selbst auf der Schlichterliste der internationalen Schiedsstelle der Weltbank in Washington geführt wird. Bedenken gegen Investorenschutzregeln in Ceta seien in Hinblick auf Haftungsrisiken für Deutschland oder einer Einschränkung des gesetzgeberischen Handlungsspielraums zu vernachlässigen, heißt es in seinem Gutachten. Gabriel selbst hält die Klauseln nach wie vor für unverzichtbar. Doch der Wirtschaftsminister steckt in der Zwickmühle. Selbst in der SPD ist seine Haltung umstritten. Er will nun bei einem Parteitag darüber abstimmen lassen.

Die Auseinandersetzung über die Schiedsgerichte hat schon jetzt spürbare Folgen. Sie verzögert nicht nur Ceta, sondern auch das TTIP-Abkommen. Die EU-Kommission kündigte Anfang Januar an, dass sie die Regeln überdenken will. Derzeit liegen die Verhandlungen mit den USA über diesen Punkt auf Eis. Wann sie wieder aufgenommen werden, ist unklar.

Ultimative Bitte

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Was macht man, wenn man Abgeordnete wachrütteln will? Wenn man sie unbedingt gewinnen möchte für einen Neuanfang? Frank-Walter Steinmeier erinnert an die eigene Geschichte. Also erzählt der deutsche Außenminister vor den Abgeordneten des Parlaments von Bosnien-Herzegowina, wie es bei ihm vor 15 Jahren gewesen ist. Als Deutschland in Europa als ,,kranker Mann‘‘ bezeichnet und deshalb ein ,,riesiger politischer Kraftakt‘‘ nötig wurde. Damals, so der SPD-Politiker, habe man ,,viele ausgetretene Pfade‘‘ verlassen müssen, damit es wirtschaftlich aufwärts ging. Natürlich nennt er die Hartz-Gesetze nicht beim Namen. Hier würde die wohl kaum jemand kennen. Aber seine Botschaft ist unmissverständlich: Rafft euch auf, ihr müsst jetzt den Mut haben. Verpasst nicht den richtigen Zeitpunkt.



Frank-Walter Steinmeier (rechts) und sein britischer Amtskollege Philip Hammond (links) bei der Pressekonferenz in Sarajewo.

Der richtige Zeitpunkt – das ist ein gutes Stichwort für diesen Besuch in der bosnischen Hauptstadt. Steinmeier ist mit seinem britischen Amtskollegen Philip Hammond gekommen. Und die beiden führen hier nicht die üblichen freundlichen Gespräche. Sie haben nur ein Ziel: den Menschen des Balkanlandes klarzumachen, dass sie sich entscheiden müssen. Wollen sie sich Richtung Europa aufmachen? Oder wollen sie das nicht?

Vor zwei Monaten haben Steinmeier und Hammond im Kreise ihrer EU-Kollegen noch einmal für einen Anlauf mit dem Land geworben. Bosnien-Herzegowina ist im Vergleich zu seinen Nachbarn längst ins Hintertreffen geraten. Während um sie herum so gut wie alle Staaten Reformen vorantreiben, hängt das ethnisch geteilte Land hinterher. So sehr sogar, dass man in Berlin und London inzwischen einen Zerfall der Zentralmacht befürchtet. Also haben Hammond und Steinmeier noch mal Bedingungen und Chancen formuliert, um das seit fünf Jahren ausgehandelte und ratifizierte Assoziierungsabkommen doch noch umzusetzen. Und sie haben im November 2014 in bosnischen Medien einen Aufruf veröffentlicht, um der Bevölkerung die Dringlichkeit der Lage bewusst zu machen. Dahinter steckte nicht nur das Ziel, auf dem Balkan Gutes zu leisten. Beide fürchten auch die Folgen eines Scheiterns in einem Land mit schwachen staatlichen Strukturen, in dem es viele alte Waffenlager gibt, viel organisierte Kriminalität und immer mehr gewaltbereite Islamisten.

Angesichts dessen verwundert es nicht, mit welcher Verve sie hier auftreten. Bitte, Appell, letzte Chance – sie lassen wenig Zweifel daran, wie ernst die Lage aus ihrer Sicht ist. „Ich bitte Sie: Ergreifen Sie diese Chance“, erklärt der Deutsche. „Bringen Sie Ihr Land auf den Weg nach Europa.“ Wer das Assoziierungsabkommen haben wolle, müsse endlich etwas dafür tun.

Was aus Sicht der EU nötig wäre, ist in einer sogenannten Selbstverpflichtung festgehalten worden, die die „Präsidentschaft“, also jener bosnisch-kroatisch-serbische Dreier-Rat an der Staatsspitze, aufgeschrieben hat – auferlegt von der EU, umzusetzen von der bosnischen Regierung, dem bosnischen Parlament, den bosnischen Parteien. Inhaltlich geht es vor allem um den Kampf gegen Korruption, ein besseres Investitionsklima und Sparmaßnahmen zur Konsolidierung des Haushalts. Doch so schwer das werden dürfte – für Steinmeier ist der Moment der Entscheidung gekommen. „Die Verantwortung liegt in Ihren Händen.“

Dass sich zwanzig Jahre nach Ende des Krieges wirklich etwas ändern könnte, darauf hofften Hammond und Steinmeier seit dem Frühjahr des vergangenen Jahres. Erst hatten im Februar starke soziale Unruhen gezeigt, dass die Bevölkerung von den Politikern immer drängender eine wirtschaftliche Verbesserung erwartet. Als dann im Mai ein furchtbares Hochwasser über das Land hereinbrach, standen Bosniaken, Kroaten und Serben so eng Seite an Seite, dass man in Berlin und London hoffte, Bosnien sei dabei, seine alten Spaltungen zu überwinden. Die Wahlen im Herbst hingegen wirken wie eine Rückkehr zum alten Bild. Die meisten Wähler haben streng nach ihrer ethnischen Herkunft den jeweiligen Parteien ihre Stimmen gegeben. In Berlin wächst die Sorge, dass es immer schwerer werden könnte, den Stillstand im Land noch einmal aufzubrechen. Auch deshalb gebe es diese Reise mit sehr klarer Botschaft, hieß es aus Delegationskreisen.

Ziemlich ungeschminkt drückt das auch Großbritanniens Außenminister aus. Hammond erklärt den Abgeordneten wie später allen Parteichefs, dass es ein Angebot wie dieses nicht noch einmal geben werde. Jetzt und hier liege es an ihnen, das Fenster, das die EU ihnen biete, zu nutzen. Hammond zögerte nicht, auch über Konsequenzen zu sprechen. Sollte Bosnien weiter zögern, werde das „sehr schlechte Rückwirkungen“ in der EU, aber auch auf mögliche Investoren haben. Bitte, Appell, Warnung vor einer Abkehr aus Europa – so unverblümt sind EU-Außenminister selten aufgetreten, um EU-Aspiranten endlich zum Handeln zu bewegen.

Das Hauptproblem, auch zwanzig Jahre nach Kriegsende, ist die ethnische wie emotionale Spaltung des Landes. Nach wie vor blockieren sich die Volksgruppen, die Zentralregierung in Sarajevo kann keine klare Autorität entwickeln. Die kroatischen und serbischen Vertreter, obwohl alles andere als gute Freunde, versuchen viel, um den Einfluss der Regierung in Sarajevo zu beschränken. Die Folge: Das Land mit seinen 3,8 Millionen Einwohnern zögert bei den Reformen, schwächelt im Kampf gegen Korruption und Kriminalität, ist ziemlich wehrlos im Kampf gegen eine auch radikale Islamisierung, die aus dem Ausland befördert wird und so gar nicht zum liberalen Islam der alteingesessenen Bosniaken passt. Es kann nicht so weitergehen – das war die Botschaft.

Einer geht noch

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Zwei Drinks braucht man, um herauszufinden, ob der Trunkenbold in einem heute überhaupt in Form ist. Es gibt ja Tage, an denen gar kein Drink anschlagen will, der erste nicht, der zweite nicht – na gut, weiß man dann, nun wird auch der dritte nicht knallen. Jedenfalls nicht auf gute Weise. Man geht nach Hause und guckt einen Film oder legt sich schlafen.
Zwei Drinks sind es auf der anderen Seite auch, die man höchstens darf, wenn der innere Trunkenbold sehr gut in Form ist, seine wilden Gelüste aber dringend im Zaum halten sollte. Etwa weil am nächsten Tag was Wichtiges ansteht oder er Medikamente nehmen muss.

Und so ist es eigentlich immer der dritte Drink, der den Trumpf des Abends bestimmt. Sitzt man in fröhlicher Runde und hat schon zwei weg, ist es der dritte Drink der, der nie „Na gut, ich nehm noch einen, und dann ist Schluss!“ heißt, sondern: „Na klar, nehm ich noch einen, jetzt erst recht!“. Stellt man sich den Abend als Schaukelprozess vor, ist man bei dem dritten Drink schon mit Wumms in der Luft. Abspringen, so was macht jetzt kein gesunder Mensch mehr: Die Sache läuft doch, das Gerüst wackelt noch nicht und nichts trübt die Illusion, man könnte fliegen. Alles glitzert, die Augen der anderen, das Kondenswasser am Glas, die Beleuchtung der Bar. Und könnte man sich von innen angucken, würde auch da alles glitzern, im Bauch britzeln die Endorphine wie Brausepulver und Wunderkerzen.


Der Dritte war schuld!

Nie lebt man das so dringend erstrebte Credo des „Genieße den Moment!“ so mühelos wie jetzt. Jeder Anlass, den Kopf vor Lachen in den Nacken zu werfen, ist so willkommen wie das Springen vom Dreimeterbrett im Freibad als Kind - hauptsache mit viel Karacho, hauptsache immer weiter und immer höher und noch 'ne Arschbombe obendrauf. Man ist in diesen Momenten um den dritten Drink herum permanent verliebt. In den Nebensitzer, ins Gegenüber, in sich selbst, sogar in den ganzen Scheiß des eigenen Lebens, denn was macht der schon, wenn es Momente wie diese gibt? Das Hirn ist jetzt schon viel zu beduselt, die Schönheit des Moments kaputt zu relativieren, oder sich zu ärgern, dass man der Disziplinlosigkeit anheim gefallen ist. Nein, nein, im Gegenteil, ruft einem plötzlich eine Stimme aus dem eigenen Britzelbauch zu: Für was, wenn nicht für die Disziplinlosigkeit lohnt es sich denn überhaupt zu leben?! Man lebt nur einmal, das letzte Hemd hat keine Taschen, haha! Morgen wird’s vielleicht alles scheiße, aber dafür wird heute noch so richtig geil, und ist es nicht das, worauf es ankommt? Weiter, weiter, immer weiter!

Der dritte Drink, der ist wie die Sekunde, in der der Orgasmus einsetzt, wie mittendrin im riesigen Teller Spaghetti mit Parmesan und Basilikum, wie kurz, bevor der Schlaf einen holt – das Denken hört auf und übrig ist nur Glück und Körperrauschen. Es ist ein Schwelgen im: So, wie es jetzt ist, so könnte es immer bleiben, wahrscheinlich wird’s gleich sogar noch ein bisschen besser, aber besser als jetzt wird’s eigentlich doch nicht, denn es geht noch nach oben und was ist besser, als auf dem Weg nach oben zu sein und den Abgrund noch nicht zu sehen? Furcht vor dem Abgrund kann schließlich nur der haben, der ihn schon sieht. Und jetzt sieht man gar nix, keine Zeit, alles oben, alles gut, viel zu schön, don’t stop it!

Natürlich kommt der Sturz doch viel zu schnell und viel zu heftig. Den Rauschpegel des dritten Drinks die ganze Nacht aufrecht zu erhalten, funktioniert nie. Entweder man dosiert unter und rutscht in die Nüchternheit und damit in eine gewisse Langweile zurück, oder man dosiert über und der Boden beginnt sich zu drehen. Im Bett muss man dann das Bein auf den Boden stellen, oder, wenn auch das nichts hilft, den Gang zur Kloschüssel antreten. Da rinnt es dann dahin, das vergammelte und vergorene und verlogene Glück und verschwitzt sinkt man auf dem Boden und kühlt die Wange am Badewannenrand und weiß: Ach, ist ja eigentlich alles wieder nur Betrug gewesen und morgen früh schäme ich mich für den ganzen Überschwang, mit dem ich den Leuten einen angelabert habe.

Am nächsten Morgen tritt diese Scham dann auch zuverlässig ein und unter der Dusche krächzt man die bekannten Verdrängungsmantren. Ist das innere Sausen danach immer noch nicht weg (ist es nie!) hängt man den Kopf aus dem Fenster und schwört: Nie wieder Alkohol.

Ha!, durchzuckt einen plötzlich eine Erkenntnis: Der letzte Wodka Tonic war schuld. Natürlich! Wo kam der eigentlich her? Den wollte man doch gar nicht, man war ja vorher schon kurz auf der Toilette und hat gemerkt, wie schnell die Erde sich dreht. Jetzt lieber gleich ein Glas Wasser bestellen, sagte man sich. Auf dem Weg zurück an die Bar muss man das nur irgendwie wieder vergessen haben. Da standen nämlich der lustige Julius und die schöne Luise und sagten im Chor: „Ey, wo isn dein Drinkkkk?“ Und der wurde dann natürlich geordert, war ja nicht mehr da, musste ja wieder her. Wodka Tonic, wie immer, haha, kein Problem, das letzte Hemd hat keine Taschen!

Der war’s, der Arsch. Also, wie lautet der Vorsatz? Nächstes Mal einfach weglassen, den letzten Drink, kein Problem.

Aber natürlich ist das ein fataler Trugschluss. Das letzte Glas kann rein gar nichts dafür, dass es zufällig als letztes an der Reihe war. Nein, alle Schuld hängt an Glas drei. Glas drei ist die Einstiegsdroge, der Biss in den verbotenen Apfel, der Pakt mit dem Teufel des Schnapses. Glas drei heißt nicht: Eins noch und dann mal sehen. Glas drei heißt: Los jetzt! Auch schon wurscht!

Man soll das Trinken nicht loben. Alkohol ist schlimm. Gerechterweise bezahlt man diese Lehre mit dem Kater, jedes Mal. Aber man muss auch sagen: Leider ist der das manchmal wert. Selten fühlt man sich zuverlässig leichter und präsenter und jetziger, als vom Rausch des dritten Glases getragen. Alle paar Wochen einen Pakt mit dem dritten Glas einzugehen, das hat auch etwas sehr Reinigendes. Die Erschöpfung am Abend des Katertages, die fühlt sich an wie die Erschöpfung nach Sauna und Sport zusammen. Und wenn der Schmerz dann endlich, endlich nachlässt und das Gift raus ist – das ist ein bisschen wie neu geboren werden.

Zu jung - zu alt (1)

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...für eine Kurzhaarfrisur. Meine Mutter sagte einmal, dass sich Frauen Kurzhaarfrisuren schneiden lassen, wenn sie älter werden. Und das stimmt einfach in ganz vielen Fällen. Am besten noch Frisuren, die immer auf die gleiche Weise geföhnt oder gelegt werden müssen. Bei der Oma einer Freundin ist das so: Die geht einmal in der Woche zum Friseur und schläft dann mehr oder weniger im Sitzen, damit die Frisur auch wirklich eine Woche hält. Und das macht sie wohl schon seit Jahrzehnten. Dieses Bild hat sich bei mir so festgesetzt, dass ich immer lange Haare haben wollte. Ich beziehe diese Regel allerdings nur auf mich selbst. Ich habe noch nie eine junge Frau mit kurzen Haaren gesehen und gedacht: Mann, sieht die alt aus! Eher im Gegenteil. Aber wenn ich mir die gleiche Frisur dann bei mir vorstelle: geht gar nicht. Wahrscheinlich ändert sich meine Vorstellung, wenn ich zu alt für den Pferdeschwanz bin. Der ist im Gegensatz zur Kurzhaarfrisur nicht erst ab einem gewissen Alter tragbar, sondern hat ein Verfallsdatum.
[seitenumbruch]





 
...um „Sternenfänger“ zu sehen. Ersetze „Sternenfänger“ auch mit „Abschlussklasse“, „Schule“, „Crazy“ oder „10 Dinge, die ich an dir hasse“. Eben alles, was ich vor zehn Jahren auf VHS-Kassette aufgenommen und in Dauerschleife geschaut habe. Es ist nicht so, als fände ich diese Filme und Serien nicht mehr gut. Ich kann sie nur nicht mehr genießen, weil ich geschockt bin, dass ich nicht mehr die Zielgruppe, sondern älter als die Protagonisten bin. Mir kommt es vor, als hätte ich an einem Tag noch bei meinen Eltern im Wohnzimmer gesessen und mir vorgestellt, wie es sein wird, wenn ich erst mal so alt und cool wie Nora Tschirner bin, oder wie lässig das Leben in der Abschlussklasse sein muss. Und nun sitze ich hier, Abschlussklasse vorbei, Studium bald vorbei, Jugend neigt sich auch dem Ende zu – und es war einfach nicht so spannend, wie ich mir das vorgestellt habe, und so cool wie Nora Tschirner damals war ich auch nie. Natürlich könnte ich die Serien und Filme noch aus Nostalgiegründen schauen. Aber das Gefühl des Betrugs sitzt zu tief.

Ich und die Brüllaffen

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Und plötzlich war da dieser Mann. Ein Männchen eigentlich eher – schrumpeliges Gesicht unter der groben Wollmütze, geifernder Blick, geifernder Ton, festes Schuhwerk. Er spuckte beim Brüllen, und er brüllte immer. „Nazi-Arschlöcher!“, „Fickt euch!“, „Wir wollen euch hier nicht!“, „Widerliches Gesindel!“, „Verschwindet!“ Und immer wieder „Pfuuiiii!“ und „Buuuh!“ Jedes Mal noch etwas keifender hervorgespien. Auch, um die Trillerpfeifen zu übertönen. Aber wohl auch aus Hass.

Dieser Mann hasste weißglühend und das ist wohl sehr gut. Glaube ich. Er brüllte schließlich Demonstranten der Mügida an, des zweiten Münchenablegers der Pegida (der „offizielle“ und zahlenmäßig etwas größere heißt Bagida und lief zeitgleich ein paar Kilometer entfernt). Vergangenen Montag war das und ich musste die Demo vorzeitig verlassen, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe. Wer brüllt, hat doch so schrecklich selten Recht.



Die Demo in München am vergangenen Montag.

Der Mann und viele mit ihm machten mir jedenfalls Angst, auch, wenn der Rest mehrheitlich fröhlich Trillerpfeifen und Blechblasinstrumente statt Parolen nutze, um seinen Unmut kundzutun. Beziehungsweise riefen sie genauer ein Unbehagen in mir hervor, das irgendwo im Unterbauch mit einem kalten, elektrischen Ziehen begann und sich von dort binnen einer halben Stunde bis in die Haar- und Fingerspitzen ausbreitete. Ich glaube, Abscheu fühlt sich so an, das tiefe Gefühl, ein Fremdkörper zu sein.

Grund war wohl auch das Zahlenverhältnis: Etwa ein Dutzend Mügida-Vertreter, so schrieben die Kollegen auf sz.de, seien am Weißenburger Platz zusammengekommen. Wenigstens gefühlt waren es noch weniger. Und etwa 250 Gegendemonstranten. Der Weißenburger Platz liegt im Stadtteil Haidhausen. Man könnte ihn als Ort gentrifizierter Co-Existenz beschreiben. Im Sommer führen gut angezogene Eltern hier ihre Kinder um den Springbrunnen, während die lokalen Trinker gewohnheitsmäßig und eher grimmig daneben sitzen. Im Winter ist Christkindlmarkt. Die Grünen erreichen bei Wahlen in diesem Stadtteil regelmäßig Ergebnisse über 40 Prozent. Man ist sich hier mit tiefer Münchner Gemütlichkeit sehr einig über sehr viel. Konflikte gibt es eher nur, wenn Mütter mit Kinderwagen über eine Straße wollen, die auch von Autos genutzt wird.

250 gegen zwölf, das zeigt auch Einigkeit. Und es erscheint mir wie ein durchaus demokratisch verfasstes Verhältnis. Etwas weniger als fünf Prozent Vollidioten, damit kann man eine Wahl abhalten. Es ist, als würden in Dresden etwa 400.000 Menschen gegen Pegida auflaufen. Aber es ist noch eindrücklicher, weil wir kleinere Zahlen direkter erfassen können.

Der Sieger – aber bitte: dieses Bild mag auch ganz furchtbar schief sein, weil es bei Demonstrationen vielleicht auch nicht ums Gewinnen geht – stand also schon fest, bevor das Spiel überhaupt angepfiffen war. Und als der Demonstrationszug sich in Bewegung setzte, vorne (umringt von einem Schutzwall aus Polizisten) die Mügida-Würstchen, und hinten die Demonstranten mit ihren Trillerpfeifen und ihren Schildern und ihren Parolen und ihren Gesängen, da war das Unbehagen bei mir längst in alle Kapillargefäße gespült worden.

Der Politikwissenschaftler rät: "Zieh den Kopf aus dem Arsch!" Weil offener Streit wichtig ist.



Denn vorne, da lief wenigstens optisch nicht der dumpfe Nazi-Plumquatsch, den ich vielleicht erwartet hatte. Keine kahlen Schädel, keine Visagen wie Kassler in Aspik. Da war ein Mann mit Beatles-Frisur und hohem Anteil an Outdoor-Funktionskleidung. Und eine Frau, die aussah, als würde sie oft mit Hirse kochen. Und da war dieses Gefühl, dass diese Leute gerade keine Protestbewegung anführen, sondern dass sie vielmehr vor einem Pulk hergetrieben werden. Ich musste an Menschen in Schandgeigen denken, die man auf dem Marktplatz ausgestellt hat.

Und da war ich. Der Fremdkörper. Der ja gekommen war, um Gesicht zu zeigen, gegen etwas Widerliches, etwas, das er verachtet. Der sonst durchaus ein Fan davon ist, Vollidioten zu sagen, dass sie Vollidioten sind. Ich finde, man muss nicht immer den Umweg über die umfassende Differenzierung nehmen, um bei der Erkenntnis anzugelangen, dass ein Depp schon wirklich ein Depp ist. Ich mag Abkürzungen. Auch, wenn es Trampelpfade sind.

Und trotzdem konnte ich mich nicht identifizieren mit alldem um mich herum. Weil es mir erschien, wie ein Empörungswettbewerb, bei dem derjenige der beste Mensch ist, der am energischsten zeigt, wie schlimm er das alles findet? Weil ich die individuellen Anliegen auf beiden Seiten nicht kannte (eine erste Studie über die Pegida in Dresden zeigt ja, dass die durchaus ambivalent sind)? Weil Dialog so nicht zustande kommt? Weil Meinungsfreiheit immer die Freiheit der anderen meinen muss?

Andererseits ist Rassismus ja auch keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Und wenn eine Demokratie eine Pegida-Demo aushalten muss, muss eine Pegida-Demo doch auch eine Gegendemo aushalten. Und dumpfe Ressentiments sind ja auch keine politische Position. Und außerdem: Wehret den Anfängen.

All diese mehligen Phrasen habe ich also in meinem Kopf hin- und hergeschoben, als ich nach Hause ging, um mich noch ein paar Stunden mies zu fühlen. Dann rief ich den Bekannten S. an, der inzwischen an angesehener Stelle Politikwissenschaft lehrt. S. gestand mir viele meiner Phrasen eine Zeitlang zu. Dann grätschte er doch dazwischen: Es sei ein Merkmal unserer „harmoniesüchtigen Gesellschaft“, sagte er, Konflikte zu scheuen. Zeiten, in denen eine große Koalition regiert, seien da übrigens besonders anfällig für. Dabei gehöre Streit, auch der heftige, offen ausgetragene, zur Demokratie.

Ihm jedenfalls, da spreche er jetzt aber privat, sei in diesem Fall jeder Brüllaffe lieber als jemand, der gar nicht da ist. Ich solle also – mit Verlaub – „den Kopf aus dem Arsch ziehen“ und wieder antreten. Ich halte den Bekannten inzwischen für eine kleine Instanz was das Thema betrifft, deshalb gehe ich heute Abend noch mal hin. Diesmal wieder zur großen Demo, da kann man nicht jedem Einzelnen, der gerade ausgepfiffen wird, in die Augen schauen. Alles ist diffuser. Auch und vor allem die vermeintliche Anerkennung, die man für besonders heftiges Demonstrieren bekommt. Das ist mir näher, glaube ich.

Gesicht zeigen. Versteckt zwischen zehntausenden anderen Gesichtern. Hm, wenn man es so formuliert, klingt es auch schon wieder nicht richtig.

Der Druck steigt

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Es ist Montag in Dresden, und alles ist anders. Keine Deutschlandflaggen vor der Semperoper diesmal, keine Trillerpfeifen und Warnwesten auf der Gegenseite. Die Dresdner Polizei hat alle Versammlungen unter freiem Himmel untersagt – die Gefahr eines Terroranschlages sei nicht mehr abstrakt, sondern konkret, heißt es als Begründung für die Allgemeinverfügung.



Die Mitbegründer der Dresdner Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann und Kathrin Oertel bei der Pressekonferenz in Dresden. "Wir wollen einen besseren Umgang miteinander", erklärte Oertel die neue Bereitschaft zum Dialog.

Über Pegida geredet wird trotzdem. Und – auch das ist neu – mit Pegida. Die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ haben für den Vormittag zur Pressekonferenz geladen. Zum Dialog mit jenen Medienvertretern, die in den Wochen zuvor pauschal als „Lügenpresse“ abgekanzelt, deren Interviewanfragen bis auf wenige Ausnahmen abgelehnt worden waren. Die Frage, was sich denn plötzlich geändert habe, beantwortet Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel prompt: „Wir sind nicht bockig. Wir wollen einen besseren Umgang miteinander.“

Oertel kennt inzwischen das ganze Land. Seitdem die Mutter von drei Kindern, die sich selbst als Wirtschaftsberaterin und Immobilienexpertin vorstellt, am Sonntagabend neben Günther Jauch im Studio saß. Auf Kundgebungen der Pegida auch um abwertende Begriffe wie „Politikerkaste“ nicht verlegen, gab Oertel sich bei Jauch gemäßigt und musste kaum harte Nachfragen fürchten. Erst gegen Ende der einstündigen Sendung entglitt ihr der Satz, wie es denn sein könne, dass in Sachsen hauptsächlich Männer aus Tunesien Asyl suchten, „einem Land, in dem wir Urlaub machen“.

Bei der Pressekonferenz in Dresden entschuldigt sich Oertel für ihre angeschlagene Stimme. „Wir wollen keine Revolution. Wir wollen ein anderes Verhältnis von Politik und Bürgern“, sagt sie und lässt gleichwohl offen, wie dieses Verhältnis aussehen könnte. Stattdessen verliest Organisator Lutz Bachmann erneut die sechs Kernforderungen der mittlerweile als Verein eingetragenen Bewegung: mehr Volksentscheide, mehr Mittel für die Polizei, weniger „Kriegstreiberei“ Richtung Russland. Neben einem Recht auf Integration müsse es auch die Pflicht zur Integration geben. Bachmann, der eigenen Angaben zufolge unter Personenschutz steht, bekräftigt noch einmal die Dialogbereitschaft.

Mittler zwischen Presse und Pegida ist an diesem Montag Frank Richter. Die Konferenz findet in der Sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung statt. Seit 2009 ist Richter deren Chef. Während der Friedlichen Revolution in der DDR war der Theologe Gründer der „Gruppe der 20“ in Dresden; am vergangenen Sonntag war er ebenfalls zu Gast bei Jauch. Die Entscheidung, Räumlichkeiten für Pegida zur Verfügung zu stellen, heiße nicht, dass man deren Ansichten und Ziele teile, betont Richter zu Beginn der Veranstaltung – und erntet dennoch heftige Kritik. Insbesondere die Grünen beanstanden eine „Verletzung des überparteilichen Charakters“ der Einrichtung. „Es ist bittere Ironie, dass Richter mit Pegida eine Organisation unterstützt, die seinen ureigensten Aufgaben entgegenwirkt“, sagt Volkmar Zschocke, Fraktionsvorsitzender der Grünen im sächsischen Landtag. Bereits am 6. Januar hatte Richter Anhänger und Gegner der islamfeindlichen Bewegung an einen Tisch gebracht. Titel der Veranstaltung: „Warum (nicht) zu Pegida gehen?“ Man müsse endlich beginnen, miteinander zu reden, so Richter damals.

Tatsächlich gleicht Dresden in diesen Tagen einem Kessel, in dem der Druck langsam steigt. Als am Samstag etwa 3000 Menschen in Gedenken an den im Stadtteil Leubnitz-Neuostra ermordeten Asylbewerber Khaled B. auf die Straße gingen, war der Landtag weiträumig abgesperrt. Selbst Kathrin Oertel beklagt, sich in der Stadt nicht mehr frei bewegen zu können, ständig mit Blicken bedacht zu werden. Spätestens jetzt, möchte man einwerfen, wäre es doch an der Zeit, den Perspektivenwechsel zu vollziehen. Zu überlegen, wie sich Migranten, Muslime, weltoffene Menschen an einem Montag in Dresden fühlen. Darüber nachzudenken, wie vergiftet das gesellschaftliche Klima einer Stadt sein muss, wenn sich breite Teile der Bevölkerung mit Argwohn begegnen. „Kein Ausländer muss in Dresden Angst haben, auf die Straße zu gehen“, versucht Bachmann den Zweifel fortzuwischen. Minuten vorher hatte er eingeräumt, dass es natürlich Fremdenfeinde auf den montäglichen Kundgebungen gebe, man sich von deren Parolen jedoch distanziere.

Die Pressekonferenz des Pegida e.V. ist seit Stunden vorbei, als Stanislaw Tillich (CDU) vor die Journalisten tritt. Der sächsische Ministerpräsident verteidigt das Demonstrationsverbot in Dresden: „Der Schutz von Leib und Leben von Demonstrationsteilnehmern überwog.“ Freiheit brauche auch Sicherheit, sagt Tillich. Auch handle es sich nur um einen „konkreten Einzelfall“, der auf den Montagabend in Dresden begrenzt sei.

Am kommenden Montag will Pegida wieder auf die Straße gehen, ein entsprechendes Sicherheitskonzept sei in Vorbereitung. Vorher könnte dieser Mittwoch zum neuralgischen Punkt für die islamfeindliche Bewegung werden: Im 120 Kilometer entfernten Leipzig will „Legida“ laufen. Der Ableger, der in seinem Positionspapier unter anderem ein „Ende des Kriegsschuldkultes“ fordert, rechnet fest mit Unterstützung aus Dresden.

Das Ring-Experiment

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Fast ein Jahr, nachdem der größte Ebola-Ausbruch der Geschichte begann, stehen mehrere Impfstoffe bereit, um in den drei betroffenen Ländern Westafrikas erprobt zu werden. Wann die Testreihen genau starten sollen, haben die beteiligten Wissenschaftler noch nicht exakt festgelegt. Die ersten Dosen könnten noch im Januar verabreicht werden.

Drei Studien seien derzeit in Planung, berichtete das Wissenschaftsjournal Science am Freitag. In Liberia organisiert die amerikanische Gesundheitsbehörde NIH die derzeit wohl größte Testreihe. Zwei verschiede Impfstoffe werden dort ins Rennen geschickt. 30000 Menschen aus der Hauptstadt Monrovia sollen an der Studie teilnehmen. Es kann allerdings bis zu sechs Monate dauern, bis die Statistiker mit Sicherheit eine Schutzwirkung aus den Datensätzen herauslesen können – so es denn eine geben sollte.



Ein Fußballfan hält ein Plakat mit der Aufschrift 'Stop Ebola in Africa' bei einem Spiel am 17. Januar 2015 zwischen Guinea und Kongo im Stadium in Bata. In den kommenden Wochen sollen mehrere Impfstoffe gestestet werden.


Ein Grund für diesen langen Zeitraum ist eigentlich ein erfreulicher: Die Neuinfektionsrate sinkt seit einigen Wochen in vielen Regionen. Laut den jüngsten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO sank die Zahl der Neuinfektionen in Liberia, Sierra Leone und Guinea in der zweiten Januarwoche auf den niedrigsten Stand seit dem Sommer. In manchen Orten stehen mittlerweile sogar die Behandlungszentren leer. Die verbesserte Lage äußert sich auch darin, dass am Montag in Guinea die Schulen wieder geöffnet wurden. Sie waren seit Juli geschlossen. Unterdessen wurde der Ebola-Ausbruch in Mali offiziell für beendet erklärt, nachdem 42 Tage lang kein neuer Fall aufgetreten war. Der erste Fall war Ende Oktober aus Mali gemeldet worden. Insgesamt waren dort seither acht Menschen an Ebola erkrankt, sechs erlagen dem Virus.

Experten sind sich allerdings darin einig, dass der Ebola-Erreger noch lange nicht unter Kontrolle ist und die Zahl der neuen Fälle jederzeit wieder deutlich ansteigen kann. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen etwa sieht trotz des Rückgangs der Neuinfektionen keinen Anlass zur Entwarnung. In weiten Teilen von Sierra Leone und Guinea sei die Lage weiterhin kritisch und die Sterblichkeitsrate alarmierend hoch. Besonders besorgniserregend sei, dass aus bisher nicht betroffenen Regionen erstmals Infizierte gemeldet werden. In diesen Gegenden fehlten angemessene Behandlungsmöglichkeiten. Insgesamt wurden in Westafrika bislang mehr als 21000 Ebola-Fälle bekannt, von denenmehr als 8400 tödlich verliefen. Die WHO vermutet allerdings eine sehr hohe Dunkelziffer.

Neben dem klassischen Studiendesign zum Testen der Wirksamkeit eines Arzneimittels, wie es die US-Gesundheitsbehörde in Liberia plant, verfolgen die beiden anderen von Ebola betroffenen Länder jeweils eine weitere Strategie. In Sierra Leone plant die amerikanische Seuchenschutzbehörde CDC eine Studie an 6000 Pflegekräften in Ebola-Stationen. Die Experten haben sich allerdings noch nicht auf einen Wirkstoff festgelegt. Drei Impfstoffkandidaten stehen theoretisch zur Auswahl, allerdings liegen erst zu zwei von ihnen Daten aus Testreihen an Freiwilligen vor. Der dritte wurde in der vorvergangenen Woche erstmals an Menschen verabreicht. Wie gut verträglich dieser Substanzcocktail ist, wird sich erst ein einigen Wochen zeigen. Die beiden anderen Arzneimittel hatten kaum schwerwiegende Nebenwirkungen im Test gezeigt und die Immunabwehr der Probanden gegen das Ebola-Virus messbar auf Trab gebracht.

In Guinea planen die Forscher im Auftrag der WHO ein komplett anderes Vorgehen, das so noch nie in einer Wirksamkeitsstudie versucht wurde. Diese Variante wird als „Ringimpfung“ bezeichnet. Dabei werden alle Menschen im Umfeld eines frisch Infizierten mit dem Impfstoff behandelt. Im Durchschnitt sollen etwa 50 Personen den Testimpfstoff bekommen. Auf diese Weise wurden in den 1960er-Jahren die Pocken weltweit ausgerottet.

Im Kampf gegen Ebola wird nun ein modifiziertes Protokoll eingesetzt. In der Hälfte der Fälle bekommt das Umfeld eines Neuinfizierten den Impfstoff schnellstmöglich. Bei den übrigen warten die Ärzte zwischen vier und acht Wochen, bis sie die Arznei verabreichen, um für die Wirksamkeit der Substanz eine Kontrollgruppe zu haben. Auch das Pflegepersonal in Guinea soll den Impfstoff bekommen. Spätestens Ende Februar sollen die Tests beginnen. In afrikanischen Ländern, die derzeit nicht von Ebola betroffen sind, sollen die Impfstoffe gleichzeitig weiter auf ihre Sicherheit getestet werden. Um die Einführung einer flächendeckenden Impfung nicht weiter zu verzögern, lassen die Wissenschaftler diese beiden Versuche parallel laufen und nicht nacheinander, wie es normalerweise in der Pharmaforschung üblich ist. Sollte sich einer der getesteten Impfstoffe als wirksam erweisen und sicher sein, könnten die Ringimpfungen auch in Zukunft die zentrale Strategie darstellen, um die Ausbreitung des Erregers zu bremsen.

Aus Liebe zum Propheten

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Eine Million ist dann doch nicht zusammengekommen, so wie Ramsan Kadyrow es versprochen hatte. Und selbst die 800000, die laut den Behörden am Montag ins Zentrum der tschetschenischen Hauptstadt Grosny geströmt waren, um gegen die Mohammed-Karikaturen des Satiremagazins Charlie Hebdo zu protestieren, waren offenbar wohlwollend gezählt. Grosny selbst hat nur 270000 Einwohner, in der ganzen Teilrepublik Tschetschenien leben knapp 1,3 Millionen. Mehr als 100000 Menschen dürften es den Fernsehbildern nach dennoch gewesen sein, die sich über die Alleen mit Namen Putin-Prospekt und Kadyrow-Prospekt zur zentralen Moschee hin bewegten, die ebenfalls den Namen Achmat Kadyrows trägt, des Vaters des 38-jährigen Tschetschenen-Oberhaupts.



Tschetschenische Muslime beim Gebet während der Demonstration gegen die Mohammed-Karikaturen des Satiremagazins "Charlie Hebdo". 100000 Menschen kamen deswegen am Montag zur Achmat Kadyrow Moschee in Tschetscheniens Hauptstadt Grosny.

Die Botschaft, die von der Veranstaltung ausging, war eindeutig: Freiheit und Demokratie sind nur Vorwände, unter denen der verdorbene Westen die wahren menschlichen Werte zu untergraben sucht. Der Islam sei eine Religion des Friedens, sagte Ramsan Kadyrow, um schon zwei Sätze später zu drohen: „Niemand beleidigt straflos unseren Propheten.“ Kadyrow hatte die Pariser Anschläge zwar verurteilt, dann aber erklärt, sie gingen auf das Konto der USA, die den islamistischen Terror förderten, um den eigenen Einfluss in der Region aufrecht zu erhalten.

Nach zwei blutigen Kriegen, in denen teils radikale Muslime für ein von Russland unabhängiges Tschetschenien gekämpft hatten, war Achmat Kadyrow 2003 ein Bündnis mit Moskau eingegangen. 2004 starb er bei einem Attentat, seit 2007 regiert sein Sohn Ramsan. Weil Subventionen allein die Treue der Tschetschenen nicht garantieren, wird neuerdings die Ablehnung gegen „westliche“ Werte betont, die das sunnitische Tschetschenien und das christlich-orthodoxe europäische Russland einen sollen.

Russland habe die Gewalt in Libyen, Syrien, Ägypten und der Ukraine verurteilt, sagte Kadyrow. „Als Antwort darauf verhängen die westlichen Verteidiger der Demokratie Sanktionen gegen 146 Millionen Menschen in Russland.“ Aber Muslime ließen sich nicht „missbrauchen, um die Situation aus dem Gleichgewicht zu bringen“. Unter der Führung von Präsident Wladimir Putin leiste Russland dem Westen Widerstand. Kadyrow hatte mehrmals seine Bereitschaft erklärt, im Donbass gegen die ukrainischen Streitkräfte zu kämpfen.

Auf der Kundgebung sprachen auch muslimische Geistliche aus dem Ausland und Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche. In einer mehrfach von „Allahu Akbar“-Rufen unterbrochenen Rede sagte der Bischof von Machatschkala und Grosny: „Die russisch-orthodoxe Kirche verurteilt die Menschen, die Karikaturen des Propheten Mohammed zeichnen. Wir sagen Nein zu dem Bösen, das der Westen zwischen unsere Religionen bringen möchte.“ Seit vergangenem Jahr gilt in Russland ein Gesetz, dass die „Verletzung religiöser Gefühle“ unter Strafe stellt.

Moskau umwirbt seit Jahren weltweit antiwestliche und antiliberale Bewegungen. Der Propaganda-Kanal RT (Russia Today) hat auch ein arabisches Programm, das die Reden aus Grosny übertrug. In Russland selbst sind derlei Auftritte indes nicht überall willkommen. Eine Demonstration gegen die Mohammed-Karikaturen, zu der muslimische Aktivisten für kommendes Wochenende aufgerufen hatten, wurde von der Moskauer Stadtverwaltung nicht genehmigt.

Tagesblog - 20. Januar 2015

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15:30 Uhr: Seit vor einer Woche der Schweizer Franken aufgewertet wurde, ist das Land für Ausländer ein gutes Stück teurer geworden. Weil knapp ein Drittel aller Studenten in der Schweiz aus dem Ausland kommen, hat Kathrin sich mit dem (deutschen) Präsidenten des dortigen Studentenverbands unterhalten. Er sagt: "Viele haben Angst." Das Interview ist jetzt online.


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15:00 Uhr:
Von 5 bis 8 Uhr morgens schlafen, Sport von 18 bis 20 Uhr: So sah angeblich der Tagesablauf von Franz Kafka aus. Dieses Schaubild stellt gegenüber, wie bekannte Persönlichkeiten der Weltgeschichte laut Überlieferungen ihre Tage eingeteilt haben:

[plugin imagelink link="http://www.thisiscolossal.com/wp-content/uploads/2015/01/redo.jpg" imagesrc="http://www.thisiscolossal.com/wp-content/uploads/2015/01/redo.jpg"] 

(Immanuel Kant muss übrigens ein Effizienzmonster gewesen sein - hat sein ganzes Werk in nur einer Stunde Arbeit pro Tag geschafft!) 

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13:15 Uhr:
Eben aus der Kantine zurück. Ich poste ja ungern Essensfotos. Aber es gab ein Gericht namens "Schickeria-Hot-Dog". Und ich wünschte, ich hätte heute Morgen gekifft:





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12:00 Uhr:
Wie sehen eigentlich die Gesichter von Menschen aus, die als Handmodel arbeiten?

Ziemlich genau so:

[plugin imagelink link="http://asset1.itsnicethat.com/system/files/012015/54b65d8a5c3e3c21e00020bc/img_col_main/Annabel.jpg?1421238045" imagesrc="http://asset1.itsnicethat.com/system/files/012015/54b65d8a5c3e3c21e00020bc/img_col_main/Annabel.jpg?1421238045"]

[plugin imagelink link="http://asset0.itsnicethat.com/system/files/012015/54b65e2e5c3e3c21e000231d/img_col_main/Federico.jpg?1421238045" imagesrc="http://asset0.itsnicethat.com/system/files/012015/54b65e2e5c3e3c21e000231d/img_col_main/Federico.jpg?1421238045"]

(Die Fotos stammen aus einem neuen Bildband, hier gibt's noch mehr.)

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11:30 Uhr:
Dieses Interview hat gerade jemand in meiner Timeline gepostet. Ein Sexualwissenschaftler räumt in der Brand Eins mal in aller Gemütsruhe mit der Hysterie um das Thema Jugendliche und Pornografie auf. Ist schon ein paar Wochen alt, aber lesenswert.

Guter Satz:

"Man kann Pornografie viel vorwerfen, aber geschossen wird da nicht, und Leichen sieht man auch selten." 

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11:00 Uhr:
Ich finde, zur Fashion Week muss hier im Tagesblog auch mal Platz für Stylingtipps sein. Hier ein Tutorial für besorgte (aber stilbewusste!) Bewohnerinnen des Abendlandes. 

http://www.youtube.com/watch?v=5Zv-cN9-ea4

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10:05 Uhr:
Schnell noch eine Leseempfehlung vor unserer Konferenz: Der Text von unserer Seite in der SZ heute ist online. Die Geschichte einer späten Einbürgerung.

[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/na/nadja-schlueter/text/regular/1033511.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/na/nadja-schlueter/text/regular/1033511.jpg"]

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9:50 Uhr:
So, ein kurzer Schwenk in die News-Ecke:

- In Berlin haben Spezialkräfte die Wohnungen von mutmaßlichen Islamisten durchsucht
- Die Welt-Arbeitslosigkeit steigt. Allein die Finanzkrise hat angeblich 61 Millionen Jobs vernichtet
- Der FC Bayern steht in der Kritik, weil er in Katar trainiert und für eine Millionen-Gage in Saudi-Arabien gespielt hat
- Und noch was schönes: Wir sind alle zu Shakiras Baby-Shower eingeladen!

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9:15 Uhr:
Guten Tag, liebe Leser und Leserinnen! Habt ihr gut gefrühstückt? Hier geht's gleich los, wir tauen nur noch eben ein bisschen auf.

Zustimmung für Wanka

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Breite Zustimmung, allerdings mit ein paar kritischen Fußnoten versehen – so lassen sich die Reaktionen auf die Pläne von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) gegen die Ausbeutung junger Wissenschaftler zusammenfassen. „Ich finde viele Positionen von uns wieder – wir können das nun gemeinsam auf den Weg bringen“, sagte die SPD-Bildungsexpertin, Simone Raatz, der Süddeutschen Zeitung. Raatz hatte bereits vergangenen Sommer Eckpunkte ihrer Fraktion für eine Reform des Arbeitsrechts für Nachwuchswissenschaftler vorgelegt. Sie forderte am Montag weitergehende Regelungen als von Wanka in Aussicht gestellt. So sollten Doktoranden nicht nur einen Vertrag über mindestens drei Jahre erhalten, sondern auch ein Recht auf Verlängerung um ein weiteres Jahr. Zugleich müsse es Betreuungsvereinbarungen geben, in denen der zeitliche Aufwand geregelt werde. „Die Doktoranden müssen mehr als die Hälfte ihrer Zeit für die eigene wissenschaftliche Qualifizierung haben“, sagte Raatz. Bisher bleibt vielen Doktoranden neben den Aufgaben als Lehrende oder der Arbeit für ihren Professor zu wenig Zeit, um ihre Promotion voranzutreiben.



Bildungsministerin Johanna Wanka will die Ausbeutung junger Wissenschaftler eindämmen. Sie fordert Mindestvertragslaufzeiten für die Wissenschaft.

Zudem forderte Raatz „deutlich mehr Stellen im akademischen Mittelbau“, also für Wissenschaftler unterhalb der Professur. Derzeit verhandeln Union und SPD über eine Neufassung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, das Zeitverträge in der Wissenschaft regelt. Bisher verlaufen die Gespräche zäh. „Ich wünsche mir, dass sich die CDU nun auch endlich auf den Weg macht“, sagte Raatz.

Johanna Wanka hatte der SZ gesagt, sie wolle die ausufernde Praxis von Zeitverträgen in der Wissenschaft eindämmen. Sie sprach sich für Mindestvertragslaufzeiten aus: In der Regel drei Jahre für eine Doktorarbeit, bei Forschungsvorhaben sollen die Verträge so lange laufen wie das Projekt. Zudem seien mehr feste Stellen nötig.

Der Vorsitzende des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Bernhard Kempen, begrüßte die Aussagen. „Alle Insider wissen wie es läuft – und es läuft nicht rund“, sagte er mit Blick auf die Arbeitsbedingungen von Nachwuchswissenschaftlern. Ihre Situation werde ausgenutzt – „unvernünftig, fahrlässig, manchmal sogar boshaft“, sagte Kempen. Eine Mindestvertragsdauer für Doktoranden von drei Jahren lehnte er allerdings ab. „Das geht an der Lebenswirklichkeit mancher Fächer vorbei, es gibt Leute, die schreiben prima Arbeiten in einem Jahr.“ Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, betonte, dass Zeitverträge häufig unumgänglich seien. Starre gesetzliche Regelungen von Mindestlaufzeiten seien „kontraproduktiv“, auch in Drittmittelprojekten „muss es möglich bleiben, Mitarbeiter für bestimmte Zeiträume zu beschäftigen, etwa im Rahmen von Teilprojekten“, sagte Hippler.

Von Seiten der Nachwuchswissenschaftler kam dagegen Zustimmung. Mit ihrer Forderung nach einem höheren Anteil fester Stellen übernehme sie eine Hauptforderung der Petition „Perspektive statt Befristung“, sagte dessen Initiator, Sebastian Raupach. Er forderte, den Anteil der befristeten Stellen an einer Einrichtung gesetzlich zu begrenzen.
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