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Moment mal

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Der Witz


Es ist Herbst und schon am Nachmittag verdunkelt sich der Himmel. Ich stehe an einer großen Ausfallstraße im Münchner Norden, es nieselt, ich friere und warte darauf, von jemandem abgeholt zu werden. Die wenigen Passanten, die vorbeikommen, kämpfen sich mit hängenden Mundwinkeln über die Bürgersteige. Sie sehen hässlich und grob aus, und sie machen damit schlechte Laune. Plötzlich eilt ein älterer Herr auf mich zu, ich erschrecke und trete ein Stück zurück, da packt er mich schon am Arm und sagt: „Was sagt ein ... zum Arzt?“
 
Ich habe den Mittelteil nicht richtig verstanden, bin aber noch so erschrocken von seinem plötzlichen Auftritt, dass ich nur hilflos mit den Achseln zucke. Also reicht er die Antwort nach, die ich wieder nicht richtig verstehe. Und dann lacht er und strahlt mich noch eine Sekunde lang mit hüpfenden Augenbrauen an, dreht sich wortlos um und eilt davon. Kurz bin ich benommen, dann vergnügt. Und für den Rest des dunklen Tages von misanthropischen Gefühlen befreit. Wenn einem an einem Tag wie diesem ein Fremder auf der Straße einen Witz erzählt, dann kann die Stadt, in der man lebt, so schlimm nicht sein. Selbst, wenn man den Witz gar nicht verstanden hat.  Mercedes Lauenstein
 

Der Lärm


Man denkt ja, man wisse alles über die Wiesn, wenn man dort so gut wie jedes Jahr war, seit man denken kann. Dieses Jahr habe ich gemerkt, dass das nicht stimmt.
 
Zweiter Wiesn-Samstag, circa 15 Uhr. Ich stehe mit einer Gruppe von etwa 15 Leuten an der Bavaria und habe eine Gitarre umgehängt. Die Gruppe ist der Münchner Kneipenchor, wir treffen uns einmal wöchentlich in einer Bar, um zu singen, und manchmal treten wir mit unserem Repertoire auf oder ziehen durch Kneipen. Heute haben wir uns an der Bavaria postiert.
 
Ein 15-Mann-Chor ist nicht leise. Eigentlich. Aber hier auf der Wiesn gehen wir unter. Wir singen aus voller Kraft, aber schon vier Meter weiter drehen sich die Leute nicht mal mehr um. Sie hören uns nicht. Die Geräuschkulisse der Wiesn verschluckt uns einfach.
 
Ich wusste schon vorher, dass das Oktoberfest laut ist. Aber noch nie habe ich den Lärm dort so bewusst wahrgenommen. Sonst liegt er da wie ein Teppich, den man nicht weiter beachtet. Man verschiebt seinen Lärm-Nullpunkt auf der Wiesn einfach ein paar Dezibel nach oben, ohne es zu merken. Jetzt aber, als ich da stehe, auf die Gitarrensaiten eindresche und singe, bin ich plötzlich selbst ein Bezugspunkt zu dem enormen Geräuschbrei um mich herum. Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, die Wiesn wirklich zu hören und in all ihrem wunderbaren Wahnsinn zu begreifen.   Christian Helten
 

Weihnachten auf Shore und Koks


Ist ja nicht so, als gäbe es in München kein Elend. Es versteckt sich nur besser. Aber manchmal begegnet es einem halt auch Mitten in Haidhausen. Mir zum Beispiel in Form einer jungen Frau, die mit blaugefrorenen Lippen vor einer dieser komischen, beinahe unsichtbaren Trinkerkneipen mit „Zutritt ab 18“-Schild an der Tür auf dem Bürgersteig lag. Von den Menschen in der Kneipe wollte sie niemand kennen und nachdem ich ihr aufgeholfen hatte, fing sie zu weinen an und wollte im Arm gehalten werden.
 
Sie war sehr durcheinander und nicht ganz da und als ich fragte, ob sie irgendwohin könne, schüttelte sie nur den Kopf, und als ich fragte, ob sie ins Krankenhaus wolle, nickte sie. Also habe ich ein Taxi gerufen und sie in die Notaufnahme gebracht. Dort mit ihr gewartet. Sie sagte Dinge, die keinen Sinn ergaben, aber sie sagte auch: „Mein Freund ist im Knast.“ Und: „Ich bin Suchtpatientin.“ Und: „Ich wollte Weihnachten auf Shore und auf Koks feiern!“ Sie fragte, ob ich Weihnachten bei meiner Familie sei, und ich wollte „Nein“ sagen, aber ich kann nicht gut lügen, drum sagte ich „Ja“ und da weinte sie wieder.
 
Mein Herz brach mehrfach in diesen vielleicht zwei Stunden mit ihr, ganz besonders aber, als sie fragte, ob sie sich „mal ankuscheln“ dürfe. Als der Pfleger kam und sie in einen Rollstuhl setzte, hat sie mich geküsst und umarmt und dann saß sie da, im Rollstuhl, und lächelte und die Tränen liefen ihr über das Gesicht, und noch mal: Herz gebrochen.
 
Eine Freundin fragte mich später, ob ich auf der Hamburger Reeperbahn denn auch jedem aufhelfen würde. Komische Frage. Oder gute Frage? Ging das nur, weil man in München-Haidhausen nur ein Mal im Jahr jemanden auf dem Bürgersteig findet?  Valerie Dewitt
  [seitenumbruch]

Stille Nacht


Man muss der Fairness halber wohl sagen, dass es ein Montagabend war, der aus dem Ruder lief. Keiner der bevorzugten Tage also, um im Pulk durch die Straßen zu marodieren und die Feierqualitäten Münchens lobzupreisen. Aber trotzdem! Die Ausgehrunde endete jedenfalls in der Favorit Bar und zwar so spät, dass der Barkeeper neuen Wein auch auf mehrmalige Nachfrage verweigerte. Also raus in die sommerliche Schwüle, Damenstiftstraße runter, am Altheimer Eck in die damals gerade arg zerfieselte Ruine schauen, in der mal die Deutsche Journalistenschule war, am alten SZ-Verlagsgelände entlang und weiter die Sendlinger Straße queren.
 
Ungefähr ab da breitete sich ein Unbehagen aus. Ein noch ganz unscharfes Gefühl der Verlassenheit, das erst auf der Strecke über Rosental und Viktualienmarkt bis zum Marienplatz zu einem klaren Gedanken wurde: Kein Mensch! Also nicht wie in: „Montagnacht ist in der Innenstadt ja echt kein Mensch.“ Sondern im Sinne von: Nicht eine einzige Person auf der Straße – und zwar, wie sich herausstellen sollte, auf einer Fußstrecke von mehr als eineinhalb Kilometern.
 
Im Tal bog ein Taxi in die Hochbrückenstraße ab. Am Thomas-Wimmer-Ring kreuzten noch zwei weitere. In meiner Erinnerung wehte kurz vorm Isartor eine leere Burgerschachtel vorbei. Aber da kann ich mich auch täuschen – manchmal füllt das Hirn die Lücken ja mit Dingen auf, von denen es glaubt, sie würden jetzt dazu passen. Beim Fahrrad vorm Cinemaxx bin ich mir wiederum ziemlich sicher, dass es wirklich umgefallen ist.
 
Die ersten Menschen, die ich kurz vor der Museumsbrücke traf, waren ihrem Englisch nach Amerikaner (eher Süden). Sie fragten, wo sie jetzt noch hingehen könnten. „Party! Drinking!“ Und weil ich inzwischen etwas verstört war von der Stadt, und deutlich nüchtern auch wieder, wollte ich nicht lügen: „Berlin“, habe ich deshalb wahrheitsgetreu gesagt. „Wahrscheinlich auch in Bielefeld. Hier ist niemand.“  Jakob Biazza

Stammkneipe


Ich war immer neidisch auf Menschen, die eine Stammkneipe haben. Denn ich fand es sehr erstrebenswert, eine Stammkneipe zu haben. Das gibt einem so ein Gefühl des Angekommenseins, dachte ich. Ein Gefühl des Hierhingehörens (auch wenn vermutlich sehr viele Menschen oft an einer Theke sitzen, weil sie eben nirgends hingehören). Allerdings wusste ich nie genau, was das eigentlich heißt: eine Stammkneipe haben. Muss man dafür jede Woche hingehen oder einmal im Monat?
 
Vor einer Weile war ich einkaufen, ich glaube in einem Drogeriemarkt. Als ich um eine Regalecke bog, stand dort einer der Türsteher der Bar, in die ich etwa einmal pro Woche gehe. Er sah von seinem Einkaufswagen auf, blickte mich an und begrüßte mich. Seitdem weiß ich, dass ich eine Stammkneipe habe.  Christian Helten
 

Demonstrieren


Am 22. Dezember war ich auf der ersten Kundgebung meines Lebens. Auf dem Max-Joseph-Platz war das und es ging gegen Pegida.
 
Also stand ich gemeinsam mit 12.000 (sagt die Polizei) bis 25.000 (sagen die Veranstalter) anderen Münchnern vor der Staatsoper. Ich hatte keine Angst vor den vielen Menschen. Dabei war ich genau aus diesem Grund vorher noch nie auf einer Demo. Ich war sehr glücklich über jeden Einzelnen, der zwei Tage vor Heiligabend verdrängt hatte, dass er noch ein Geschenk für Oma braucht oder eigentlich lieber auf der Couch liegen würde, und über die Polizisten, die sich freuten, dass so viele zusammengekommen waren. Als der syrische Flüchtling Ahmed auf der Bühne erzählte, wie er drei Tage auf der Erde vor der Bayernkaserne schlafen musste, war es, als hielten alle um mich herum den Atem an. Keiner sagte ein Wort. Auch die nicht, die mit Nespresso- und Louis-Vuitton-Tüten in der Armbeuge nur zufällig stehengeblieben waren.
 
Ich kann mit „Wir sind Weltmeister“ und „Mia san mia“ und wie man diese ganzen „Wir-Gefühl“ gerne noch betitelt, nichts anfangen. Aber, verdammt, WIR setzten zum genau richtigen Zeitpunkt ein Zeichen: bevor die Pegida-Bewegung in der Stadt ankommen konnte. Ich lebe seit sieben Jahren hier und nie fühlte ich mich hier so sehr am richtigen Platz wie an diesem Abend. Der Kabarettist Christian Springer sagte von der Bühne herunter, was ich in diesem Moment auch dachte: „Ja, des is mei Stadt!“  Kathrin Hollmer
 

Die Wohnung


Ich habe sehr geflucht. Auf die Stadt und ihre Makler, auf die Selbstauskünfte, auf die Besichtigungstermine morgens, mittags, abends. „Wohnungssuche in München“, dachte ich, „ist wirklich das Schlimmste. Und du wirst niemals eine Bleibe finden.“ Und dann: eine Anzeige in der SZ geschaltet, ein Gesuch, ganz analog. Der dritte Anruf kam vom nettesten älteren Herren der Welt auf Nachmietersuche. Wohnung angeschaut an einem kalten, klaren Samstagnachmittag. Der kleine Hund im Wohnzimmer hatte einen Hüftschaden. Der Vermieter sagte nach nur fünf Minuten am Telefon: „Ich schicke Ihnen den Vertrag.“ Und der netteste ältere Herr schrieb eine SMS, in der stand: „Manche Sachen sollen einfach sein.“ Nadja Schlüter

Ein Tag ohne Halt

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Ich kann mich nur an einen einzigen schönen Neujahrstag erinnern. Ich habe ihn mit Freunden in Istanbul verbracht. Wir liefen einen weiten Weg durch die sehr große Stadt zu einem Basar, aßen Gözleme und gingen ins Hamam, wo man uns den Schmutz eines ganzen langen Jahres vom Körper schrubbte. Danach fielen uns beim Tee die Augen zu und unsere Haut war sehr weich. Aber der Neujahrstag war nicht nur so gut, weil es ein Tag im Urlaub war und weil wir schöne Dinge unternahmen - er war vor allem gut, weil wir ihn geplant hatten. Basar, Gözleme, Hamam, das alles hatten wir uns fest vorgenommen, das alles zwang uns am Vormittag aus dem Bett und auf die Straße, Raki-Kopf hin oder her.

Die Menschen haben so ein Ding mit Silvester. Früh fangen sie an zu planen oder aber zu betonen, dass sie nichts planen, aus Trotz. Früh fragen sie sich gegenseitig: „Und was machst du an Silvester?“ Eine andere Frage aber, die stellt niemand: „Was machst du an Neujahr?“ Dabei ist sie ungleich wichtiger. Kein Tag will besser geplant sein als der schlimmste, der leerste Tag des Jahres.



Neujahr. Und auf den Straßen der Dreck der vergangenen Nacht. 

Denn es ist ja so: Silvester passiert einfach. Es stößt einem zu, ganz von alleine, man muss ja nur um zwölf aus der Hautüre treten: Wumms, schon ist es da. Niemand muss Silvester allein daheim im Bett verbringen, außer, er möchte das. Immer kann man irgendwo hingehen, immer ist irgendjemand irgendwo, überall Menschen, Sektgläser und Wunderkerzen, alle Bars und Clubs haben geöffnet, überall brennt Licht und es wird erst ausgemacht, wenn es draußen hell wird. Um Silvester muss man sich wirklich nicht kümmern. Es wird ja sowieso gefeiert.

An Neujahr hingegen passiert nichts, wenn man sich nicht vorher darum kümmert. Sicher gibt es Menschen, die genau das gut finden. Die es genießen, einen völlig leeren Tag zu haben, einen Tag, der noch mehr Sonntag ist als ein Sonntag, noch mehr Feiertag als andere Feiertage, weil es der Feiertag nach allen Feiertagen und nach einer langen Nacht ist. Aber wenn man nur ein ganz kleines bisschen zur Schwermut neigt (und das tun die meisten), dann kann Neujahr unerträglich sein. 

Man wacht auf, der Körper ein einziger Festtagskater, träge und ein bisschen aufgeschwemmt, und der Tag liegt da wie die Stadt: leergefegt, totenstill, aber überall noch der Dreck, die Reste, das achtlos Hingeworfene der vergangenen Nacht. Hinter einem der Advent und Weihnachten, die Zeit, in der man nur zu gerne „Ach, nach Silvester dann!“ sagt und alles liegen lässt. Vor einem zwei Monate Winter und die liegen gelassene Arbeit, im schlimmsten Falle gute Vorsätze, die einzuhalten man gestern noch Lust hatte, heute aber schon nicht mehr. Was soll man tun? Warten, bis es wieder dunkel wird und einen morgen endlich wieder der Wecker weckt und nicht der Durst? Rausgehen und was unternehmen, einen Spaziergang, ins Kino? Aber wer ist denn eigentlich schon wach außer einem selbst? Meistens nur die alte Nachbarin, meistens nicht mal der Mensch, mit dem man das Bett teilt. Alles hat zu, alles ist still, nichts bewegt sich, auch man selbst nicht.

Und genau darum braucht man am Neujahrstag eines ganz dringend: Termine. Und sei es nur, dass jemand zum Frühstück vorbeikommt, sei es nur „um drei ein Mal durch den Park gehen“, Hauptsache, man befestigt an dieser blanken Tagesfläche irgendeinen Knauf, etwas, an dem man sich festhalten kann, damit man nicht einfach willenlos drüber schlittert und mit den Armen rudert. Und genau darum muss man das vorher planen. Schon drei Tage im Voraus einkaufen, damit nicht der Kühlschrank leer ist, wenn man aufsteht. Schon eine Woche vorher fragen, wer in der Stadt ist am 1. Januar. Sich schon mal ein Konzertticket kaufen. Schon mal checken, welche Cafés aufhaben. Und dann: aufstehen, jemanden reinlassen, rausgehen, ganz egal. Bloß nicht einfach abwarten, bis der 2. ist.


Dass alle sich um Silvester kümmern, aber fast niemand um Neujahr, das liegt vielleicht an einem großen Fehlschluss der Menschen: Enden, denken sie, die müsse man gut durchplanen, damit sie groß und schön werden. Anfänge denken sie, die kommen dann schon von selbst. Dabei ist es doch genau andersherum. Zu Ende gehen die Dinge von ganz allein. Anfangen hingegen ist sehr viel schwerer. Dafür muss man schon etwas tun. Wenigstens durch den Park gehen. Oder ins Hamam.

Tagesblog am 2. Januar 2015

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12:30 Uhr: Noch etwas Bemerkenswertes, das mir heute auf einem Blog begegnet ist: Kunst des marokkanischen Künstlers Mounir Fatmi. Er beschäftigt sich, wie ich gelesen habe, in seinen Werken meistens damit, religiöse Objekte, Dogmen und Ideologien in ein anderes Licht zu rücken. Was ihm mit diesen mit Gebetsteppichen bezogenen Skateboards, die er in Miami Beach während der Art Basel vorstellte, ganz gut gelungen ist, wie ich finde.
[plugin imagelink link="http://urbanshit.de/bilder_urbanshit/2014/12/mounir_fatmi_skateboards.jpg" imagesrc="http://urbanshit.de/bilder_urbanshit/2014/12/mounir_fatmi_skateboards.jpg"]

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11:27 Uhr:
Ins Berghain gehen doch auch nur noch Gummibärchen.Glaubt ihr nicht? Seht selbst:





Berghain Lebkuchenhaus #wahrhaftnahrhaft #berlin #berghain #lebkuchen #winter #gummibärchen #selfmade


Ein von Wahrhaft Nahrhaft-Betty (@wahrhaft_nahrhaft) gepostetes Foto am Dez 12, 2014 at 11:40 PST







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11:12 Uhr:
Wie bringt man Schüler dazu, ihre Hausaufgaben zu machen? Shawn Young hatte eine Idee: Er ließ seine Klasse ein Online-Rollenspiel spielen, bei dem es Lebensenergie und Erfahrungspunkte gibt. Mittlerweile wird sein Spiel in 60 Ländern eingesetzt. Wir haben ihn interviewt.




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10:43 Uhr:
Ich habe heute morgen diesen Text gelesen. Es geht um eine Studie, die herausfinden wollte, ob es einen Unterschied macht, ob Leute den Begriff "African American" oder "Black" benutzen. Ja, macht es. In einem Versuch bekamen die Leute eine kurze Beschreibung eines Mannes und sollten danach sein Jahreseinkommen und sein Bildungsniveau schätzen. Der einzige Unterschied in den Beschreibungen war die Bezeichnung als "Black" oder "African American". Und der schwarze wurde deutlich schlechter beurteilt.

"The “African-American” group estimated that he earned about $37,000 a year and had a two-year college degree. The “Black” group, on the other hand, put his salary at about $29,000, and guessed that he had only "some" college experience. Nearly three-quarters of the first group guessed that Mr. Williams worked at a managerial level, while 38.5 percent of the second group thought so."
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10:00 Uhr:
Ein paar meiner Freunde, die in Berlin Neukölln wohnen, betonen immer, wie krass es da an Silvester sei. Krieg den ganzen Tag. Ich war dort nie an Silvester, ich kann das nicht beurteilen. Deswegen habe ich mit Spannung dieses Video angeschaut: Eine Autofahrt durch Berlin zum Jahreswechsel. Mit viel Bummbumm und Rauchschwaden. 

https://www.youtube.com/watch?v=WVOV9YrMFCs#t=28



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9:17 Uhr:
Dann kurz die tägliche Morgenration Nachrichten:
 

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9:09 Uhr:
Zurück aus der Konferenz, wo ich mit folgenden Worten begrüßt wurde: "Der Chris hat am ausgiebigsten Silvester gefeiert." Hat jemand Tipps zur Bekämpfung von Augenringen?

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8:37 Uhr:
Während ich in die Konferenz sprinte, könnt ihr schon mal den Text von Nadja lesen. Sie hat festgestellt, dass die meisten Menschen Silvester sehr viel Aufhebens um ihre Silvesterplanung machen, aber darüber vollkommen vergessen, dass der erste Januar eigentlich auch gut geplant werden sollte. Weil man sonst den ersten Tag des neuen Jahres gleich so doof versandelt.

Ich hatte ja einen Plan: Wohnung aufräumen. Hat auch so ziemlich den ganzen Tag gedauert, bis alles beseitigt war, was die Meute hinterlassen hat. Was habt ihr gestern getan? Bitte um Berichte in den Kommentaren.

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8:27 Uhr:
Guten Morgen und ein hervorragendes 2015! Wie seid ihr hineingekommen ins Jahr? So in etwa? [plugin imagelink link="http://media2.giphy.com/media/sLGSt1R30Api0/giphy.gif" imagesrc="http://media2.giphy.com/media/sLGSt1R30Api0/giphy.gif"]

Balancieren in Tirana

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Die Männer haben gerade ihr gemeinsames Gebet beendet und die Moschee leert sich, als Matilda Dushku mit vor Kälte geröteten Wangen in den Vorraum tritt. Sie ist auf dem Weg zu einem Treffen mit Freundinnen, erzählt Dushku, ihr Besuch in der Ethem Bey Moschee in Tiranas Innenstadt ist nur ein kurzer Zwischenstopp. Dushku ist 29 Jahre alt, ihr Vater ist Katholik, ihre Mutter Muslimin. Sie arbeitet bei der Post und freut sich sehr, dass sich ihr Mantel über ihrem Bauch nicht mehr schließen lässt. Im Februar erwartet sie ihr erstes Kind: „Es soll Ikra heißen, so wie die erste Offenbarung des Propheten Mohammed.“ Während Dushku erzählt, klingelt ihr Handy, sie geht ran, spricht schnell und lacht viel. Wer kein Albanisch kann, versteht nur immer wieder das Wort „Tourist“. Matilda Dushku hat selten die Gelegenheit, Fremden über ihr Leben zu erzählen.



70 Prozent der Bevölkerung Albaniens sind Muslime. Trotzdem gibt es in der Hauptstadt Tirana nur eine kleine Moschee. Die türkische Religionsbehörde Diyanet will dort nun die größte Moschee des Balkans bauen.

Die 29-Jährige hofft, dass Tirana bald eine neue Moschee bekommt, eine größere, die mehr Platz bietet als das 200 Jahre alte Gebetshaus, in dem sie gerade steht. So schön die filigranen Malereien auf den Wänden sind: In die kleine Moschee passen nicht mehr als 60 Leute.

Die Türkei will das ändern. In Tirana will die türkische Religionsbehörde Diyanet die größte Moschee des Balkans bauen. 4500 Gläubige sollen dort Platz finden. Eine logische Reaktion auf den Mangel – und gleichzeitig ein Symbol dafür, wie schwierig es für Albanien ist, zu einer eigenen Identität zu finden.

Nach dem Ende der sozialistischen Diktatur 1990 begann für die Muslime, Katholiken und Griechisch-Orthodoxen in Albanien ein langsamer Prozess des religiösen Erwachens. Zuvor hatte der Diktator Enver Hoxha das Land 1967 zum ersten offiziell atheistischen Land der Welt erklärt und jegliche Religion verboten. Albanien hat sich davon bis heute nicht erholt. Im Alltag hat die Religion nur wenig Platz. Ob ihre Freunde und Kollegen auch für eine neue Moschee sind? Sie weiß es nicht, sagt Dushku. „Wir sprechen selten über Religion. Vor allen Dingen nicht auf der Arbeit.“

Das schwierige Verhältnis Albaniens zu Religiosität beruht nicht nur auf dem Vakuum, das durch die Zerstörung der Gotteshäuser und die Verfolgung der Geistlichen unter Enver Hoxha entstand. Es hat auch mit der latenten bis offenen Islam-Skepsis Europas zu tun.

Kein anderes Land in Europa hat einen so großen muslimischen Bevölkerungsanteil wie Albanien. 70 Prozent der Einwohner sind Muslime wie Matilda Dushku. Doch während der Vatikan in Tirana bereits in den Neunzigerjahren eine Kirche baute, in der Tausende Katholiken Platz finden, und die orthodoxen Christen von Griechenland ein Gotteshaus ähnlichen Ausmaßes finanziert bekamen, ist die einzige Moschee in Tiranas Zentrum ein kleines Steinhaus aus osmanischen Zeiten.

Im Dezember hat Albaniens Premier Edi Rama nun ein Grundstück in bester Lage für den Moschee-Neubau freigegeben. Damit beginnt für das kleine Land auf dem Westbalkan ein schwieriger Balanceakt.

Das hat weniger mit der komplizierten Bevölkerungsstruktur zu tun, als damit, dass Albanien eines der ärmsten Länder Europas ist. 17,7 Prozent der Albaner waren im Juni dieses Jahres arbeitslos. Jene, die Arbeit hatten, verdienten im Durchschnitt 377 Euro im Monat. Erlösung soll langfristig der Beitritt zur Europäischen Union bringen. Seit August 2014 ist das Land Beitrittskandidat. Die aktuelle Regierung habe sehr erfolgreich begonnen, die extrem hohe Korruption zu bekämpfen, finden die Sprecher der EU in Tirana. Und sobald EU-Offizielle und albanische Politiker die Razzien gegen die organisierte Kriminalität und Reformen in der Justiz aufgezählt haben, führen sie zusätzlich ein kulturelles Argument ins Feld: Das friedliche Zusammenleben der Religionen mache Albanien zum idealen Beitrittskandidaten. Als Papst Franziskus sich in diesem September entschied, Tirana zum Ziel seiner ersten innereuropäischen Reise zu machen, nannte er Albanien ein Land, das „für viele Länder zu einem Vorbild werden“ könne und das beweise, dass „das friedliche und fruchtbare Zusammenleben von Menschen und Gemeinschaften, die unterschiedlichen Religionen angehören, konkret möglich und machbar ist“.

Es stellt sich die Frage, wie sich dieser von innen und außen beschworene Frieden entwickeln wird, wenn die Moschee kommt. Mehmet Görmez, der Vorsitzende der türkischen Religionsbehörde, sagt deutlich, dass der Bau des Gotteshauses nicht nur eine religiöse, sondern auch eine politische Entscheidung ist: „Albanien und die Türkei teilen die gleiche Geschichte, Kultur und Geographie.“ Görmez macht den Moscheebau somit nicht nur zur Staatsangelegenheit. Er stellt auch klar, dass die Türkei sich auch lange nach dem Ende des Osmanischen Reiches noch als muslimische Schutzmacht auf dem Balkan begreift.

Dabei sehen die Pläne der Albaner selber anders aus. 90 Prozent der Bevölkerung wollen zur Europäischen Union gehören. Sie hoffen auf Jobs, auf bessere Schulen und darauf, dass nicht jeder, der noch Pläne hat, so schnell wie möglich auswandert. Eine Studie der Universität Oslo zu Identität und Nation in Albanien ergab 2012, dass über die Hälfte der Bevölkerung das Land gerne verlassen würde. 76 Prozent der Befragten gaben dafür ökonomische Gründe an. Wie viele Erwartungen die Menschen mit einem Beitritt zur EU verbinden, ist der politischen Elite Albaniens bewusst. Ebenso ist ihr klar, dass die Chancen auf einen EU-Beitritt steigen, wenn Albanien sich als multi-religiös bis christlich inszeniert.

Auch wenn Religion in Albanien nicht mehr verboten ist, ist sie noch lange keine Privatsache. Sie bleibt politisch.

Die Anthropologin und Albanien-Expertin Cecilie Endresen beschreibt diese auf den Westen zielende Inszenierung als „Mutter-Teresifizierung“. Obwohl Mutter Teresa in Kalkutta die indische Staatsbürgerschaft annahm: Sie wurde als Albanerin geboren. Ein Umstand, an den ausdauernd von den wechselnden Regierungen erinnert wird – mit Tiranas Mutter-Teresa-Flughafen, mit einer Gedenktafel im Obersten Gerichtshof, auf der ihr „Gebet für die Richter“ steht, mit zahlreichen Statuen, die sie beseelt gen Himmel blickend zeigen. „Eine Kosten-Nutzen-Analyse“, sagt Endresen, die darauf abziele, das Land dem EU-Beitritt näher zu bringen. Proteste gegen den Nonnen-Kult regten sich erst, als die Regierung 2007 Mutter Teresa inklusive Kreuz auf die albanischen Personalausweise drucken wollte. „Niemand würde ein Bild des Korans mit sich herumtragen wollen. Personalausweise mit der Darstellung einer christlichen Seligen widersprechen der albanischen Verfassung,“ musste der Rat der Muslime die Regierung belehren. Das Projekt wurde beerdigt.

Auch der Bau der Moschee kann nun als Kosten-Nutzen-Analyse betrachtet werden. „Die Türkei ist für Albanien zu einem wichtigen wirtschaftlichen Unterstützer geworden“, sagt der Leiter der von George Soros finanzierten Open Society Foundation in Albanien, die sich als Organisation für den Westkurs des Landes einsetzt. Albanien profitiere im Bildungssektor von muslimischen Schulen. Und Ministerpräsident Edi Rama scheint gut zu wissen, dass 70Prozent Muslime auch 70 Prozent der Wahlberechtigten bedeuten. Rama wurde im September 2013 gewählt. Er ist der erste albanische Premier, dessen Wahl von internationalen Beobachtern als frei und fair anerkannt wurde. Rama ist Katholik, seine Frau ist Muslimin. Dass er den Bau der Moschee unterstützt, ist zunächst einfach als Zeichen zu betrachten, dass die Regierung anerkennt, welcher Religion die Mehrheit der Albaner angehört.

Wie lückenhaft das albanische Selbstbild bislang ist, lässt sich am besten mitten in Tiranas Zentrum beobachten. Wer etwas auf sich hält, hat sich hier, auf dem „Boulevard der Märtyrer“, seinen Platz gesichert. Am nördlichen Ende grüßt der Kriegerfürst Skanderbeg, am südlichen Mutter Teresa. Beide aus Bronze, beide jeweils so, wie es zu ihrer Legende passt: Skanderbeg als überlebensgroße Reiterstatue, Mutter Teresa barfuß und mit mehr Kopftuch als Gesicht. Zwischen ihnen 530 Jahre und eine sechsspurige Straße. Dort stehen der Präsidentenpalast, die Neubauten der katholischen und der griechisch-orthodoxen Kirche, das Nationalmuseum, das verrottende Mausoleum des Diktators Enver Hoxha, und auf einem Grünstreifen schlafen ineinander geknäult die Straßenhunde. Der Boulevard zeigt, was Albanien hat, aber auch, was es nicht hat. Jedes Jahr, wenn der Fastenmonat Ramadan zu Ende geht, versammeln sich hier Zehntausende Muslime zum gemeinsamen Fastenbrechen auf der Straße; ausgerechnet zwischen der katholischen Nonne Mutter Teresa und dem Nationalhelden Skanderbeg, der gegen die Osmanen und ihren Islam kämpfte. Noch fehlt eine Moschee, in der all diese Gläubigen Platz finden könnten.

Volle Kraft voraus

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Sie rauchten Zigaretten der Marke „Popularne“, ein ungesundes Kraut. Und an der Jacke trugen sie, wie einen Button, ein elektrotechnisches Bauteil, aus dem Drähte ragten; man nennt es opór, „Widerstand“ – , wie im Deutschen hat das Wort auch im Polnischen eine doppelte Bedeutung. Es war die große Zeit der Streiks auf den Ostsee-Werften, der gepanzerten Milizfahrzeuge und der Muttergottes von Tschenstochau, deren Bild unübersehbar am Tor 2 der Danziger Lenin-Werft hing.



Arbeiter tragen am 30. August 1980 den Streikführer Lech Wałęsa auf ihren Schultern zur Lenin-Werft in Danzig.

Gleich hinter diesem Tor steht heute ein modernes Gebäude, das an einen rostigen Schiffsrumpf erinnert. Darin wird jene Ära auf ungewöhnliche Weise wieder lebendig. Eine Stechuhr steht am Eingang einer Ausstellungshalle. An der Decke hängen gelbe Helme, und auf Bildschirmen flimmern Filme, die rasch den Eindruck vermitteln, dass es eine sehr dramatische und gefährliche Zeit gewesen sein muss.

Das Schicksal Mittel- und Osteuropas begann sich damals zu wenden. Mit ihrem Streik im Jahre 1980 erzwangen die polnischen Werftarbeiter die Zulassung der ersten freien Gewerkschaft im damals kommunistisch beherrschten Teil des Kontinents. Und wenn auch diese ruhmreiche Organisation mit dem Namen Solidarność ein Jahr später bei der Verhängung des Kriegsrechts durch General Wojciech Jaruzelski wieder verboten wurde, so stellte doch der Aufstand des Sommers 1980 eine schwere Erschütterung dar, eine Zäsur. Ihr folgte 1989 der völlige Zusammenbruch des kommunistischen Systems.

Dass die Polen für diese Zeitenwende eine Vorreiterrolle in Anspruch nehmen, ist durch den Gang der Dinge gerechtfertigt. Darum liegt es nahe, das Gehäuse, in dem die Erinnerung daran aufbewahrt und fruchtbar gemacht werden soll, in Danzig anzusiedeln, und zwar auf dem Gelände jener legendären Werft, in der am 14. August 1980 der schmächtige, aber couragierte Betriebselektriker Lech Wałęsa auf eine Mauer sprang, eine zündende Rede hielt und so zum Anführer dieses Aufstandes wurde. Nicht nur der Friedensnobelpreis, den er schon 1983 erhielt, sondern auch 32 Ehrendoktorhüte und zahllose weitere Auszeichnungen aus aller Welt belegen den hohen Rang, den die von ihm geführte Gewerkschaft „Solidarität“ in der jüngeren Geschichte Europas einnimmt.

Sie hat nun einen Erinnerungsort, dem die Danziger Architektenwerkstatt Fort als Sieger eines internationalen Wettbewerbs einen maritimen Anhauch gegeben hat. Das „Europäische Solidarność-Zentrum“ (ECS), das seit dem vergangenen Sommer jeden Monat über 40000 Besucher anlockt, besteht zum großen Teil aus schräg gestellten, mit Edelrost überzogenen Stahlwänden und gibt so dem Besucher das Gefühl, er bewege sich im Inneren eines riesigen Schiffsrumpfes. Schließlich war hier eine Werft der Schauplatz der Historie. Im musealen Teil des Hauses erinnert auch die Führerkanzel eines Laufkrans daran, ebenso der durch ein Bullauge zu sehende Film über historische Stapelläufe. Doch die Arbeitswelt lässt bald der Politik den Vortritt: den Fotos und Filmen über die Versammlungen und Verhandlungen, die Blockaden und Konfrontationen, deren eindrucksvollstes Zeugnis die künstlerische Nachbildung eines vom Panzer eingedrückten Werkstores ist.

Ausgehend von den Danziger Streiks entfaltet sich die ganze Ära der Solidar-ność bis hin zu den Verhandlungen am runden Tisch 1989 und dem friedlichen Übergang zur Demokratie. Nicht nur Schulklassen, sondern auch Rentnergruppen und Angehörige der mittleren Generation scheinen gleichermaßen davon fasziniert zu sein. Tatsächlich ist dieses Solidaritäts-Zentrum ein weiteres Exempel dafür, wie virtuos in Polen neue Museen zu Stätten des intellektuellen Zeitvertreibs entwickelt werden. Lernen, sich informieren kann mitreißend und vergnüglich sein, wenn dazu nicht nur Bildtafeln und gelehrte Texte dienen, sondern auch Touchscreens, Audio-Installationen und authentische Objekte wie jener Kastenwagen der Miliz, in dem Verhaftete ins Gefängnis transportiert wurden. Oder die hölzerne Tafel, auf der die Werftarbeiter im August 1980 ihre 21 Forderungen aufschrieben.

Man weiß und praktiziert das auch anderswo. In Polen aber hat die neue museale Erzählkunst ein paar besonders reizvolle Schöpfungen hervorgebracht, angefangen von den historischen Museen in Krakau über das neue Warschauer Museum der Geschichte der polnischen Juden bis hin zu dieser Danziger Neuheit, die nicht nur ein Museum der Solidarność und des antikommunistischen Widerstands in ganz Mittel- und Osteuropa sein will. „Es ist auch ein Bildungs-, Forschungs- und Entwicklungszentrum, ein Archiv, eine Bibliothek und eine Digitalbibliothek“, sagt Basil Kerski, der Direktor, der mehr als 140Mitarbeiter zur Seite hat. „Es ist ferner öffentlicher Raum und Treffpunkt für Bürger, die sich für die Entwicklung der Demokratie verantwortlich fühlen.“ Sogar ein Wintergarten ist vorhanden, und Kerski spricht auch von „einem Danziger Centre Pompidou“ und „einer mitteleuropäischen Agora“.

Nach seiner Vorstellung soll die Beschäftigung mit der Geschichte kein Selbst-zweck, sondern Anreiz für aktives Bürgerengagement sein. „Wir können aus der Erfahrung des August 1980 immer noch soziale Energie generieren“, sagt er. Deshalb steht im ECS eine ganze Etage Vereinigungen und Organisationen zur Verfügung, die sich mit Aufbau und Festigung der Demokratie und der Bürgergesellschaft befassen und dazu Workshops abhalten. Außerdem fanden schon in den vergangenen Jahren und finden auch in Zukunft Hunderte Konferenzen, Konzerte und Filmvorführungen statt, dazu besondere Projekte für Kinder. Stets geht es im weitesten Sinne um das, was als die bleibende Botschaft der Solidarność aufgefasst wird: dass erstens durch Solidarität das Unmögliche möglich werden kann und zweitens die Kultur des Dialogs und des Kompromisses, wie sie sich 1989 bei der unblutigen Revolution in Polen herausbildete, ein demokratisches Wesenselement ist, das die Gegensätze zwischen Menschen versöhnen kann, und zwar weltweit.

Paweł Adamowicz, der langjährige Danziger Oberbürgermeister, empfindet gerade diese ideelle Hinterlassenschaft als ein besonders kostbares Erbe, das seine Stadt zu pflegen habe. Für ihn steht die Wende von 1989 in der Tradition von 1789, also des sozialen Freiheitskampfes der französischen Revolution. Was damals der Freiheit und der Gleichheit als drittes gesellschaftliches Basiselement zugeordnet wurde, nämlich die Brüderlichkeit, „das nennen wir Solidarność“, sagt der liberal-konservative Politiker, ohne dessen Energie und Beharrlichkeit das Solidaritätszentrum wohl kaum entstanden wäre. Nach seiner Meinung hat für die heutige EU der Kampf der Völker Mittelosteuropas gegen den Totalitarismus den gleichen Rang wie etwa die deutsch-französische Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Danzig, die alte Hansestadt mit ihrer für Mittelosteuropa so typischen multikulturellen Vergangenheit, versteht sich auch heute wieder als weltzugewandte Metropole und macht sich in diesem Geiste weiter attraktiv. Unweit der Werft und des ECS entsteht derzeit auch ein Museum des Zweiten Weltkriegs – fiel doch der erste Schuss am 1. September 1939 auf der Danziger Westerplatte, schon einen Tag später wurde im nahegelegenen Stutthof ein deutsches Konzentrationslager eingerichtet, Polen aus Danzig waren die ersten Insassen. Noch ist das Ganze nur eine Baustelle, im Internet ist freilich schon zu sehen, dass hier wiederum ein kühner Entwurf zugrunde liegt, sowohl für die Baulichkeiten als auch für die geplante Ausstellung (www.muzeum1939.pl). Aufsehen erregt auch das im September eröffnete neue Shakespeare-Theater, eine Zwingburg aus schwarzem Klinkerstein, die von außen wie eine Brandwache wirkt, im Inneren aber mit hellem Holz ausgestaltet ist.

Schließlich schmückt sich Danzig auch mit seinem – neben Lech Wałęsa – zweiten lebenden Nobelpreisträger: Günter Grass. Sein weltberühmter Danzig-Roman „Die Blechtrommel“ hat längst im Stadtbild Gestalt angenommen in Form einer Oskar-Skulptur im heimatlichen Stadtteil Langfuhr (Wrzeszcz), auch andere Grass-Orte sind markiert. Nach Grass ist ferner eine Filiale der Städtischen Galerie benannt, in der auch Zeichnungen des Ehrenbürgers hängen, und vor der Tür steht neuerdings eine mächtige Skulptur aus des Meisters Hand – zwei Hände umfassen den „gefangenen Butt“. Bei einem Günter-Grass-Festival hat man ihm jüngst sogar ein Computerspiel („Grassowka“) gewidmet, das den Spuren seiner Werke folgt. Der so Geehrte hat übrigens beim jüngsten Heimat-Besuch auch das Europäische Solidarność-Zentrum besucht. Es hat ihm, wie verlautet, gut gefallen.

Gefrierschrank der Vergangenheit

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Schmelzwasser schießt donnernd zu Tal. Der vergangene Winter in Norwegen war warm und trocken. Auch der Sommer hatte früh begonnen, und das Thermometer kletterte selbst in den bis zu 2000Meter hohen Bergen von Jotunheinen bis auf 30 Grad Celsius. Aber nicht nur die ungewöhnliche Hitze des vergangenen Jahres setzt dem blaugrau schimmernden Eis zu, die globale Erwärmung nagt konstant am Gletscher und drängt dessen Zunge zurück. Wo das Eis weicht, gibt es Dinge preis, die es sich in kälteren Zeiten einverleibt hatte. Die bis zu 50 Hektar großen Toteisflächen der norwegischen Gebirgszüge der Provinz Oppland legen Zeugnisse vergangener Kulturen frei, die sie oft Jahrtausende in ihrem Inneren konserviert haben: Lederschuhe aus der Bronzezeit, 3400 Jahre alt, 6000 Jahre alte Pfeile, ein 1300 Jahre alter Ski mit intakter Bindung.



Aufgrund der Klimaerwärmung schmelzen die Gletscher - und geben Kulturgüter aus vergangenen Zeiten frei.

Norwegen ist keine Ausnahme. Überall in den eisigen Gefilden Skandinaviens, Kanadas, in den Alpen und den Anden kommen in den schmelzenden Eismassen organische Materialien zum Vorschein, Kleidung, Leder, Holz, Tierschädel, Pflanzenreste, Tierdung oder in den Anden gar Eismumien. Ohne das schützende Eis wären sie längst vermodert und verrottet.

Eine neue Disziplin in der Archäologie, die Gletscher- und Eisarchäologie, versucht, diese Kulturgüter systematisch zu untersuchen. Es gibt eigene Konferenzen, auf Facebook haben sich die Forscher unter „frozen pasts“ zusammengeschlossen, ein neues Fachjournal wird veröffentlicht. „Die ganze Geschichte hat enorm an Bedeutung gewonnen“, schreibt Martin Callanan von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technik in Trondheim in Science (Bd. 346, S. 157, 2014).

Norwegen ist für die Archäologen ein Hotspot. Allein in der Provinz Oppland, zu der auch die Region um Jotunheinen gehört, wurden bislang fast 2000Artefakte entdeckt. Das ist mehr als die Hälfte aller Funde aus Eisflächen weltweit. In den Alpen sind bisher nur 900 Artefakte entdeckt worden. Jeder Fund birgt Informationen über Kultur, Tierwelt, Jagdgewohnheiten und Techniken. Es sind Fenster in die Vergangenheit – und die Hinweise sind präzise, denn die Schätze aus dem Eis sind fast nicht gealtert. Davon profitierten die Forscher schon etwa beim Sensationsfund Ötzi, den Wanderer im September 1991 in den Ötztaler Alpen fanden. Der Jäger aus der Bronzezeit ist mittlerweile die am besten untersuchte Leiche der Welt. Für ihn haben Forscher wie Albert Zink, Leiter des „Instituts für Mumien und den Eismann“ in Bozen, eigene Techniken und Untersuchungsmethoden entwickelt und verfeinert. Und so gelang es den Wissenschaftlern aus Details eine längst verschwundene Lebenswelt fassbar zu machen.

Das ist auch an den Funden des Nordens so faszinierend. Jahr für Jahr schmilzt das Eis, und gibt wie im Zeitraffer Jahrhundert für Jahrhundert frei. „In diesem Sommer war es hektisch“, erzählt Martin Callanan. Das Jufvonne-Eis zog sich um 30 Meter zurück, so viel wie in den vergangenen fünf Jahren zusammen. „Wir haben hier bereits 700 Objekte gefunden“, sagt der Archäologe Atle Nesje von der Universität Bergen. „Unsere Studien zeigen, dass das älteste Eis dort etwa 6600 Jahre alt ist.“ Dass die Schichten so weit zurückreichen, ist für die Archäologen ein Schatz. Er ermöglicht eine fast lückenlose Zeitreise von den Jägern und Sammlern bis zu den Wikingern.

Wenn die Schmelze im August ihr Maximum erreicht, campen die Forscher nahe den Eisflecken von Jotunheinen oder 100Kilometer weiter nördlich bei der Ortschaft Oppdal. Dann ziehen sie Tag für Tag los, laufen über die nassen Felsen, vermessen jeden Fund per GPS und bringen ihn so schnell wie möglich ins Tal. „Am meisten Artefakte haben wir bislang aus der Zeit zwischen 100 und 800 nach Christus entdeckt“, sagt Nesje. Damals zogen hier viele Jäger den Rentierherden hinterher, offenbar zu Pferd.

2011 tauchte im Lendbreen-Eisflecken nahe Jotunheinen beispielsweise ein gewobener Umhang eines Jägers auf. Das Kleidungsstück ist etwa 1700 Jahre alt und wurde immer wieder repariert. Marianne Vedeler, Kuratorin am Museum für Kulturgeschichte an der Universität Oslo, konnte eine spezielle Webtechnik bestimmen, den sogenannten Diamantköper. Es mag speziell klingen, doch erst solche Details gestatten den Archäologen einen tieferen Einblick in den technischen Entwicklungsgrad einer Gesellschaft und weisen auf mögliche kulturelle Einflüsse hin. So deutet die Nutzung des Diamantköpers auf einen kulturellen Austausch zwischen Nordeuropa und dem römischen Reich hin. Gleiches gilt für die Machart von Pfeilen. Den bislang mit 5900 Jahren ältesten Pfeil fand der Gletscherarchäologe Lars Pilø im Eisfeld von Langfonne. Oft spüren Archäologen bei normalen Ausgrabungen in Höhlen oder Gräbern nur Bruchstücke weitgehend verwitterter Dinge auf. In den Eisflecken können sie die kompletten Jagdwaffen mit intaktem Holzschaft und umwickelter Tiersehne studieren. Daraus lässt sich viel besser ablesen, wie sich handwerkliche Fertigkeiten entwickelten, seit wann die Jäger Birkenpech zum Kleben verwendeten, wann sie von Stein- oder Hornspitzen auf Metalle umstiegen und woher mögliche technologische Einflüsse kamen.

Manchmal lassen sich aus den Funden auch Jagdtechniken ableiten. Hier spielen die Eisflächen eine besondere Rolle. Die Rentiere zogen sich dorthin zurück, um den lästigen Mücken aus dem Weg zu gehen. Sie konnten zudem über den Eisflächen ihre Körpertemperatur besser kontrollieren. Das tun Rentiere und Karibus in Nordeuropa oder Kanada noch heute. Die Jäger von Jufvonne wussten das und entwickelten daraus Jagdkonzepte. Sie nutzten spezielle, an langen Stöcken befestigte Hölzer, die im Wind flatterten und so Tiere in ein gewünschtes Gebiet lotsten.

Die Verteilung und Häufigkeit der Hölzer in den Eisschichten zeigt, dass sich speziell zur Wikingerzeit die Jagd intensiviert hat. Die Wikinger pflegten intensive Handelskontakte bis nach England oder in die Türkei, wo sie Rentierfelle oder -geweihe etwa gegen Seidenstoffe eintauschten.

Auch anderswo in Europa suchen Archäologen systematisch nach Spuren vergangener Zeiten, in der Schweiz etwa in den zurückgehenden Gletschern oder entlang von Alpenpässen wie dem Schnidejoch in den Berner Alpen. Dort kamen knapp 5000 Jahre alte Leggins aus Hausziegenleder zum Vorschein, wie sie auch Ötzi trug, und fast die gesamte Ausrüstung eines jungsteinzeitlichen Jägers: Pfeile, Köcherteile aus Birkenrinde und ein Bogen aus Eibenholz. Der älteste Fund vom Schnidejoch ist eine 6800 Jahre alte Holzschüssel. Sie ist ein Beleg, dass schon 1500 Jahre vor Ötzi Menschen im hochalpinen Raum auf 2750 Metern Höhe unterwegs waren. Archäologen um Albert Hafner von der Universität Bern ordnen die Schale eher sesshaften Bauern aus den Tälern zu und nicht Wildbeutern. Wahrscheinlich trieben Hirten Schafe oder Ziegen über den Pass auf die sommerlichen Weiden.

Bei ihrer mühsamen Suche im alpinen Gelände wenden die Archäologen auch zunehmend theoretische Modelle aus der Glaziologie an. So nutzt etwa Stephanie Rogers von der Universität Fribourg in der Schweiz Geoinformationssysteme, um mögliche Suchflächen in den Walliser Alpen einzugrenzen. Ihr Model GlaciArch reduziert die Suchfläche von 4500 Quadratkilometern aktueller Eisfläche auf wenige Quadratkilometer.

Allerdings sind die Bedingungen in den Alpen ungleich schwieriger. Das Gelände ist oft steiler und unwegsamer als in den Bergen Norwegens. Zudem gibt es in den Alpen kaum Eisflecken. Gletscher sind ständig in Bewegung, das Eis fließt und zermahlt alles. Wie mühsam die Suche sein kann, haben Forscher in diesem Sommer in den Schweizer Alpen erfahren. Überrascht von den Wetterkapriolen des August, mussten sie die geplante Suche abbrechen. In höheren Lagen gab es einen regelrechten Wintereinbruch.

Auch in Norwegen gibt es solche Wetterschwankungen, aber die Flächen sind meist leichter zugänglich. Und über kurz oder lang verschwinden sie alle, sodass die Forscher bald zu den frühesten Überresten vorstoßen werden. Diese könnten besonders spannend sein, weil sie mehr über die Lebensweise und kulturellen Besonderheiten der frühen nordischen Bewohner verraten, einer Gruppe, die offenbar vor etwa 7000 Jahren auch zunehmend nach Mitteleuropa kam. Dies verraten jedenfalls genetische Untersuchungen von Wissenschaftlern um Johannes Krause von der Universität Tübingen. Sollten die norwegischen Forscher auf menschliche Überreste stoßen, könnten sie damit auch Erbgutuntersuchungen machen, um die Verbreitung genetischer Eigenschaften zu studieren. „Derzeit untersuchen wir die DNA aus Rentiergeweihen“, sagt Nesje. Menschliche Knochen haben die schmelzenden Eisflecken von Oppland noch nicht freigegeben.

Das wird schon? Von wegen!

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Wolfgang Goergens hat 4,5 Millionen Euro in den Sand gesetzt. Deswegen ist er da. Und deswegen bekommt er den meisten Applaus. Große Summen machen nun einmal Eindruck. Ob bei einem Pitch, wo Gründer mit ihren Ideen um die Gunst von Investoren buhlen, oder an diesem Abend, der das ganze Gegenteil sein soll: In einem Düsseldorfer Hinterhof sind Unternehmer versammelt, die mit einer grandiosen Idee gescheitert sind. „Wenn du’s richtig verkackst und keiner kriegt’s mit, dann ist es auch nur halb so lustig“, erklärt einer, warum er hier ist.



Für Misserfolge wird man nicht gefeiert. Die Fuck-up-Night ist eine Bühne für Leute, die über ihre Niederlagen sprechen wollen.

Die meisten Menschen verschweigen lieber, dass sie ein Projekt vermasselt haben – aus Angst, sich zu blamieren, aus Angst, keine zweite Chance zu bekommen. Einige wenige aber sprechen offen über ihr Versagen. Weil sie andere davor bewahren wollen, die gleichen Fehler zu machen. Weil all die Mühen nicht vergeblich gewesen sein sollen. Also sind an diesem Abend ein paar glücklose Start-up-Unternehmer in die ehemalige Waschstraße gekommen, wo heute Kreative einen Schreibtisch mieten können.

Sie nennen es die „Fuck-up-Night“. Eine Stimmung wie auf einer WG-Party: Es gibt Bier mit Rhabarbergeschmack. Am Eingang liegen Zettel aus, auf die jeder schreiben soll, wer er ist – und was ihn bewegt. Dazu wird von jedem ein Polaroid-Bild gemacht. Eine Bühne für all jene, die über ihre Misserfolge statt über ihre Erfolge reden, über die harte Realität statt über vage Träume. Vorn greifen tapfere Männer zu Mikrofon und Power-Point-Präsentation; hinten hocken sie auf Stühlen und Tischen, lehnen an der Wand.

Eine Bühne also für Wolfgang Goergens, 54, der keine bunten Turnschuhe und keinen Hipsterbart trägt, sondern einen schlichten dunklen Anzug. Goergens hatte vor vielen Jahren eine verrückte Idee. Eine Idee, für die ihn der Mann bei der Stadtsparkasse zunächst zwar seltsam ansah, an die er aber trotzdem glaubte – und die auch bei vielen anderen ankam: In Hilden, einer Stadt mit 55000 Einwohnern zwischen Düsseldorf und Wuppertal, eröffnete er 1999 das Pfötchenhotel, eine Luxuspension für Hunde. Es gab dort: zwei Körbchen und eine Minibar pro Zimmer, einen Hundefriseur, einen Tennisplatz, auf dem die Tiere gegen eine Maschine Ball spielen konnten – sogar jemanden, der den Hunden die Urlaubspostkarten von Herrchen und Frauchen vorlas.

Der erste Tag der offenen Tür, so erinnert sich Goergens, begann morgens um neun. „Um zehn musste die Polizei den Verkehr regeln, so groß war der Ansturm.“ Im ersten Sommer waren sie ausgebucht. Selbst das japanische Fernsehen kam, um zu berichten. Und weil es so gut lief, dachte sich Goergens, das läuft auch anderswo. Zwei weitere Hotels für Hunde eröffnete er. Eines an der Nordsee, das andere in der Nähe von Berlin.

Dort kaufte er mit einem anderen Gesellschafter der Telekom ein Gelände ab, 850000 Quadratmeter, „fast halb so groß wie Monaco“, wie Goergens sagt, um gleich nachzulegen: „Es gab da doch mal so jemanden bei Apple, der den Slogan Think Big! ausgegeben hat, oder?“ Es ist eine Anspielung auf Steve Jobs, jenen Mann, der als einer der ganz großen Unternehmer unserer Zeit gilt. Einer, der zwar auch mal gescheitert, aber trotzdem als einer in Erinnerung geblieben ist, dem scheinbar alles gelang, was der von ihm gegründete Technologiekonzern Apple unter seiner Führung anpackte. Und dann zählt Goergens auf, wie groß er seine Sache dachte. Das Pfötchenhotel vor den Toren von Berlin bekam: eine Waschstraße und eine Tierklinik, einen Swimmingpool und eine Sternwarte, sogar eine riesige Leinwand unter freiem Himmel wie beim Autokino. Die Liste wird immer absurder.

Das Publikum starrt Goergens an, schüttelt die Köpfe, klatscht, grölt. „Damit hat sich wohl auch die Frage erübrigt, was wir falsch gemacht haben“, sagt Goergens, als er die Aufzählung aller Attraktionen beendet hat. Er macht eine Pause, gerade lang genug, damit man die offenkundige Antwort in Gedanken ausformulieren kann: klarer Fall von Größenwahn! Und dann gibt der Unternehmer doch eine andere Antwort: „Unser Fehler war, dass wir dafür eine eigene GmbH gegründet haben. Mit unserem eigenen Geld.“ Schallendes Gelächter.

Zwölf Jahre lang haben sie das Hotel betrieben – und nicht in einem einzigen Jahr schwarze Zahlen geschrieben. „Wieder und wieder haben wir uns gesagt: Das wird schon“, erinnert sich Goergens. Aber, sagt er nun und dehnt dabei jede einzelne Silbe: „Es wurde nicht.“ Noch mal: Gelächter.

Dafür, dass es an diesem Abend ums Scheitern geht, wird erstaunlich viel gelacht. Nicht hämisch, eher amüsiert über die Absurditäten des Lebens. Darüber, dass auch kluge Menschen mitunter ziemlich dumme Dinge anstellen. Die Männer, die an diesem Abend von ihren Fehlern berichten, tun dies jedenfalls sehr ehrlich, sehr offen – und mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Die Zuhörer ziehen ihre eigenen Schlüsse. Sie stellen Fragen. Und sie erzählen von ganz ähnlichen Dummheiten.

All diese Geschichten wirken authentisch – und nicht so aufgeblasen wie die Weisheiten, die Motivationstrainer gern gegen hohe Honorare verteilen. Und sie machen Mut. Manch einer bleibt, wenn er gestolpert ist, am Boden liegen. Und manch einer steht wieder auf, klopft sich den Dreck von der Hose – und sagt: „Jetzt erst recht!“ Holger Prang zum Beispiel. Ein großer, schlanker Mann, der Unternehmen bei IT-Projekten berät. Dass auch er im Anzug gekommen ist, bittet er zu entschuldigen. Er sei, so betont er, auch wenn sein Äußeres anderes vermuten lasse, einer von den Guten. Einer, dem die Umwelt am Herzen liege: Er wollte eine Windkraftanlage bauen, besser als alle anderen.

Holger Prang, 43, habe den größten Respekt davor, wenn Leute sich in eine Sache so richtig reinhängen, alles andere dafür stehen und liegen lassen. „Aber so einer bin ich nicht. Ich brauche einfach ein Sicherheitsnetz.“ Er hat also Teilzeit gearbeitet – und drei Jahre lang an einem Prototypen gebastelt. „Alle haben gesagt: ‚Super, dass du das machst!‘ Aber da war keiner dabei, der gesagt hätte: ‚Mensch, kann ich dir helfen?‘“, resümiert Holger Prang und wirkt dabei verwundert.

Am Ende, als alles fertig war und funktionierte, wollte er ein Patent anmelden – und bekam eine E-Mail aus den USA. „Wir brauchen nichts von dem, was du da gebaut hast“, ließ ihn ein Fremder wissen, der das Patent bereits sein Eigen nannte: sein Patent. Es war ein Schlag ins Gesicht. Holger Prang hatte den perfekten Prototypen. Aber die Rechte, solch eine Anlage zu bauen oder damit Geld zu verdienen, dass irgendjemand sie baut, die hatte ein anderer. Einer, so erfuhr Holger Prang später, der keinen Prototypen, aber auch kein Interesse an einer Zusammenarbeit hatte.

Was hat er also gemacht?

Prang wirft nun eine neue Folie an die Wand. Darauf steht seine Erkenntnis: „Alleine ist doof.“ Er hat eine andere Windkraftanlage gebaut, eine Nummer kleiner. „Damit lässt sich vielleicht nicht die Welt retten, aber mal eine Kühlbox oder ein Smartphone aufladen.“ Er hat die Baupläne für diese Anlage offengelegt. Er will damit nicht reich werden. Er will, dass die Menschen die Anlage nutzen und so dazu beitragen, die Welt ein bisschen sauberer zu machen. „Wenn die Chinesen das millionenfach kopieren, dann hätte ich mein Ziel erreicht“, sagt Holger Prang. Applaus brandet auf.

Wie Menschen sich eine bestimmte Situation erklären, das wurde von Psychologen gründlich untersucht. Erfolge schreiben sie sich selbst zu. Wenn aber etwas schiefgeht, sagen sie, dass die Umstände daran schuld waren. Das ist ein gesunder Schutzmechanismus. Nur: Wer sich damit begnügt, der wird es in Zukunft nicht besser machen. Zu einer wichtigen Erfahrung wird ein Fehler erst dann, wenn man auch darüber nachdenkt, wie man ihn hätte vermeiden können. So wie Kay Spiegel, 37.

Er hat in seiner damaligen Heimatstadt Trier ein erfolgreiches Hochzeitsmagazin aufgelegt. Nach drei Ausgaben kam er auf die Idee, das Ganze ins Netz zu verlagern. Er dachte, dass all die Anzeigenkunden begeistert wären, wenn er ihnen ein digitales Rundumpaket präsentieren würde. Aber die fanden das daneben. Die wollten weiterhin ein klassisches Magazin aus Papier.

Ein halbes Jahr später nahm Kay Spiegel die Seite aus dem Netz, etwa 60000 Euro hatte er da bereits reingesteckt. Viel zu spät sei ihm klar geworden, dass man, beflügelt von den ersten Erfolgen, niemals aufhören sollte dazuzulernen. Statt Buzz-word-Bingo zu spielen, wie er sagt, solle man mit anderen reden – und vor allem zuhören. „Nicht denken, dass andere da draußen schneller sind. Das ist alles Mumpitz“, sagt Spiegel nun.

Einer aus dem Publikum will wissen, warum um alles in der Welt er denn überhaupt etwas Neues ausgeheckt hatte – wo doch sein bisheriges Geschäft gut lief. „Kopfkino gepaart mit Größenwahn“, entgegnet Spiegel. Nach drei vollen Ausgaben, nach drei gleichen Schlaufen, die er mit seinem Hochzeitsmagazin durchlaufen hatte, stellte sich eine gewisse Müdigkeit ein. Manche Gründer scheitern eben auch daran, dass sie nie zufrieden sind, dass es immer eine Nummer größer werden muss.

Und die Sache mit dem Pfötchenhotel kurz vor Berlin? Warum ist die gescheitert? Warum begeisterte das, was in Hilden, später auch noch an der Nordsee so viele begeistert, niemanden in Berlin? Goergens kann sich das selbst nicht erklären – und versucht sich an einem Scherz: „Der Berliner war ja lange eingemauert. Und jetzt, da die Mauer weg ist, macht er nun einmal einfach nicht das, was die Leute im Rest der Republik machen.“ Natürlich, sagt er später selbstkritisch, sei das alles nicht die Schuld der Berliner. „Unser Fehler war: Wir haben zu lange gehofft.“ Kürzlich hat er für das Berliner Pfötchenhotel Insolvenz angemeldet.

Für einen, der 4,5 Millionen Euro in den Sand gesetzt hat, wirkt Goergens ziemlich gelassen. Wie schwer ihm die Sache zusetzt, offenbaren eher Nebensätze. Zum Beispiel, als er erzählt, wie er mit dem Kundenservice von Amazon gestritten hat, weil er dort keine DVD mehr bestellen darf. Er hat sogar angeboten, ein neues Konto anzumelden. Hat darauf hingewiesen, dass er doch auch zwei andere, durchaus profitable Hotels führe. Nichts zu machen. „Für die bin ich auch privat tot.“

Wirklich etwas zu wagen, ist eben alles andere als ein Spaß. Und mit Misserfolgen umzugehen, wohl eine Lebensaufgabe.

Arbeit tötet

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Als Tom Hodgkinson 2013 zurück nach London zog, sagten seine Freunde: Du verrätst deine Werte. Jetzt verkaufst du dich. Hodgkinson hatte sich 2002 vom klassischen Erwerbsleben losgesagt und war mit seiner Lebensgefährtin Victoria Hull aufs Land gezogen, nach Devon. Die beiden gründeten eine Familie und lebten genügsam, weitgehend als Selbstversorger. Hodgkinson, der eine teure Privatschule besucht und in Cambridge studiert hat, hackte Holz, baute Gemüse an und las Vergil. Im Original. Als Angestellter zu arbeiten hält er für Sklaverei. Nach Geld zu streben für kleinlich und dumm. Hodgkinson glaubt, dass der Mensch zum Müßiggang geschaffen sei.



Tom Hodhkinson feierte in seinem Buch "How To Be Idle" das Nichtstun.

Mit dem Buch „How To Be Idle“ (Anleitung zum Müßiggang) hatte er 2004 einen schönen Erfolg und stieg zu einer Art Idol unter jenen auf, die Nichtstun, Faulenzen und die Beschäftigung mit vermeintlich Abseitigem als wahren Sinn des Lebens begreifen. Das Buch wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und verkaufte sich besonders in Industrienationen sehr gut.

1993 hatte Hodgkinson mit einem Freund das Magazin The Idler (Der Müßiggänger) gegründet. Darin versammelt er bis heute kluge Essays, die das Hohelied eines Tuns singen, das nicht dem Streben nach Gewinn untergeordnet ist. Nach dem Erfolg des Buches reisten im Lauf der Jahre Reporter aus aller Welt nach Devon, um mit diesem archetypischen englischen Exzentriker zu sprechen. Er servierte Tee und bisweilen selbstgemachte Pizza. Hodgkinson wurde zum Medienphänomen. Die immer wieder gestellte Frage war: Hatte hier jemand den Schlüssel zum Glück gefunden? Den heiteren Ausstieg aus der Tretmühle, die das moderne Leben als Angestellte für so viele Menschen im reichen Europa bedeutet?

Dass er 2013 zurück nach London zog, wurde so argwöhnisch beobachtet, dass Hodgkinson sich in einer Reihe von Artikeln erklärte: Es beginne nun die dritte Phase seines Lebens. Nach der hedonistischen Phase in seinen Zwanzigern sei er dann, von Epikur inspiriert, in die zweite Phase des Kinderkriegens, Gemüseanbaus und Hühnerhaltens eingetreten. Seine dritte Phase nennt er „aristotelisch“, er sei nun Kleinunternehmer.

Als Unternehmer handelt Hodgkinson weiterhin mit Müßiggang. 2011 gründete er die „Idler Academy“, einen Buchladen mit Café im hübschen Londoner Stadtteil Notting Hill. Die Academy bietet neben ausgesuchten Büchern und Kaffee auch Kurse aller Art an, Ukulelespielen, Stickarbeiten, englische Grammatik, Mosaiklegen, schöner mit der Hand schreiben. Zudem gibt es Vorträge und Gespräche. Im Februar kommt zum Beispiel der Schauspieler Dominic West, bekannt unter anderem aus der Serie „The Wire“, um mit Hodgkinson ein wenig über das Leben zu plaudern. Eintritt: 30 Pfund.

Nicht zuletzt gibt es Kurse für Existenzgründer, denn ein wichtiger Aspekt eines erfüllten Lebens ist für Hodgkinson, dass man sein Geld mit selbstbestimmter Arbeit verdient. Er predigt den Konsumverzicht und lehnt die Anhäufung von Tand ab. Dass er in seinem Laden dennoch Idler-Merchandising verkauft, Becher zum Beispiel und T-Shirts mit dem Aufdruck „Work Kills“, „Arbeit tötet“, ist nur einer der unauflöslichen Widersprüche zwischen Theorie und Praxis im Leben des ebenso geschäftstüchtigen wie offenbar glücklichen Mr. Hodgkinson.


Heikle Gästeliste

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Wären dies normale Zeiten, man könnte für den 27.Januar 2015 einen feierlichen Akt des Gedenkens mit Beteiligung der wichtigsten Staatsführer Europas erwarten. An diesem Tag vor 70 Jahren wurde das deutsche Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, das die Nazis im besetzen Polen errichtet hatten, durch die sowjetische Armee befreit. Es versteht sich von selbst, dass daran würdig zu erinnern ist. Die Frage ist nur, wo? Und wie? Und ob bei einer denkbaren Zentralveranstaltung auch Russlands Präsident Wladimir Putin zugegen sein und das Wort ergreifen solle.



Am 27. Januar ist der 70. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die sowjetische Armee. Noch steht nicht fest, ob auch Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Gedenkfeier anwesend sein wird.

Vor zehn Jahren war das kein Problem. Gemeinsam mit der polnischen Regierung veranstaltete der Europäische Jüdische Kongress in Krakau ein internationales Forum mit dem Motto „Let my people live!“ (Lass mein Volk leben), bei dem Polens damaliger Präsident Aleksander Kwaśniewski mehr als 30 Delegationen und mehr als ein Dutzend Staatsoberhäupter begrüßen konnte. Darunter waren Wladimir Putin, US-Vizepräsident Dick Cheney, Israels Präsident Mosche Katsav und Bundespräsident Horst Köhler.

Das Aufgebot schien dem Anlass angemessen zu sein. Schließlich war Auschwitz-Birkenau das größte der Vernichtungslager, die die Nazis während des Zweiten Weltkriegs nach dem deutschen Überfall auf Polen in diesem Land betrieben hatten. Etwa 1,1 Millionen Menschen wurden hier fabrikmäßig vergast, unter ihnen eine Million Juden aus ganz Europa, die Übrigen waren Roma sowie polnische oder sowjetische Gefangene. Der Name Auschwitz wurde zum Symbol des Holocaust, der fast sechs Millionen Juden das Leben kostete.

Vor diesem Hintergrund erklärte Putin vor zehn Jahren in Krakau, sowjetische Soldaten hätten bei der Befreiung am 27. Januar 1944 als erste die Stätten der Nazi-Verbrechen erblickt. „Sie löschten für immer die Verbrennungsöfen von Auschwitz und Birkenau, Majdanek und Treblinka, und sie retteten Krakau vor der Vernichtung. 600000 Sowjetsoldaten haben ihr Leben gegeben, und das war der Preis, den sie zahlten, um das jüdische Volk und viele andere Völker vor der totalen Vernichtung zu retten.“ Nachzulesen auf der Website des Kreml.

Im Januar 2005, als diese Worte gesprochen wurden, herrschte in Europa Frieden. Im Januar 2015 aber ist die Lage verdüstert durch Russlands Militäraktionen gegen die Ukraine, die Verletzungen der Grenze und die Annexion der Halbinsel Krim. Vor diesem Hintergrund schien der Führung Polens eine Wiederholung der Zeremonie von 2005 nicht angebracht zu sein. Sie wollte mitten in der Krise kein business as usual und fürchtet offenbar, Putin könnte das Ereignis instrumentalisieren.

Folglich richtet am 27. Januar nicht die Warschauer Regierung, sondern das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau eine Gedenkfeier aus, zu der Gäste aus aller Welt erwartet werden, unter ihnen 250 bis 300 einstige Insassen des Lagers. „Dies ist der letzte runde Jahrestag, den wir mit einer größeren Gruppe von Überlebenden begehen können“, wird der Museumsdirektor Piotr M. A. Cywiñski auf der eigens eingerichteten Website 70.auschwitz.org zitiert. Andere Länder wurden von der Planung über ihre Botschaften informiert. Wer genau kommt, ist nicht bekannt.

Der European Jewish Congress, dessen Präsident der auf gutem Fuß mit dem Kreml stehende russische Milliardär Wjatscheslaw Mosche Kantor ist, verfolgte andere Pläne. Schon vor Monaten verständigte er sich mit dem Europaparlament und der tschechischen Regierung darauf, wieder unter dem Motto „Let my people live!“ ein internationales Forum zu veranstalten, diesmal in Prag, mit abschließendem Gedenken im früheren Konzentrationslager Theresienstadt. In dieser barocken Festungsstadt, tschechisch Terezín genannt, hatten die Nazis 1941 ein Ghetto eingerichtet. Es wurde für mehr als 140000 Menschen aus Europa, die meisten von ihnen Juden, zur Durchgangsstation auf dem Weg in die Vernichtungslager, mehr als 33000 kamen in Theresienstadt um.

Das nun geplante Forum soll nicht nur dem Erinnern dienen, sondern auch dem Kampf gegen die wachsende Bedrohung durch Antisemitismus, Rassismus und islamistischen Radikalismus. Die Veranstalter gewannen prominente Diskutanten, so den US-Historiker Timothy Snyder und den französischen Philosophen Bernard-Henri Lévy. Und ausweislich ihrer Website worldholocaustforum.org erhofften sie sich auch einen Auftritt des russischen ebenso wie des französischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin im Spanischen Saal der Prager Burg.

Der tschechische Präsident Miloš Zeman und die Prager Regierung luden sie alle ein, im Ganzen die Vertreter jener 46 Länder, die 2009 die sogenannte Erklärung von Theresienstadt unterzeichnet hatten. Darin wurde gefordert, den Opfern des Holocaust und ihren Nachkommen solle endlich das von den Nazis geraubte Vermögen zurückerstattet werden – dies ist nämlich nur zum kleinsten Teil bisher geschehen.

Die Resonanz auf diese Einladung war anders als erwartet. Polens Ministerpräsidentin Ewa Kopacz war verstimmt und telefonierte mehrmals mit ihrem Prager Kollegen Bohuslav Sobotka. Auch andere Regierungen waren keineswegs angetan von dem Plan. US-Präsident Barack Obama sagte ab, Israels Präsident Reuven Rivlin ist am 27. Januar bei den Vereinten Nationen in New York. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung kündigten nur die Präsidenten Bulgariens und der Ukraine ihr Kommen an, aus zwei Dutzend weiteren Ländern wollen nur die Präsidenten der Parlamente oder ihre Stellvertreter kommen – wie auch Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments, und Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionschef.

Deutschland wird in Prag allenfalls durch ein paar Bundestagsabgeordnete vertreten sein. Bundestagspräsident Norbert Lammert und Kanzlerin Angela Merkel nehmen am 27. Januar in Berlin an der alljährlichen Holocaust-Gedenkfeier im Bundestag teil, und Bundespräsident Joachim Gauck reist zu der Veranstaltung in Auschwitz, wo er seinen polnischen Kollegen Bronisław Komorowski trifft.

Und Putin? „Wir haben die Einladung erhalten, sie wird mit höchster Aufmerksamkeit geprüft“, ließ er seinen Sprecher erklären. Die Prüfung könnte ergeben, dass wieder einmal die Europäer sich über den Umgang mit Russland nicht einig sind, sogar bei diesem heiklen Anlass. Und dass der russische Präsident zu einem Forum, das nur mit Parlamentspräsidenten besetzt ist, wohl besser ebenfalls einen protokollarisch rangniedrigeren Vertreter schickt.

So erhofft man es sich jedenfalls in Prag und in Warschau, in aller Diskretion. Die Föderation der jüdischen Gemeinden in Tschechien hingegen erklärte dagegen unverblümt, warum sie Putin in Prag nicht sehen möchte. Er verkörpere ein aggressives Regime, das internationale Vereinbarungen missachte und mit Gewalt das Territorium eines Nachbarlandes besetze. Putins Anwesenheit, so sagte der Verbandsvorsitzende Petr Papousek, könnte das Gedenken überschatten, Proteste hervorrufen – und andere Staatsmänner von der Teilnahme abhalten.

Mit Magiern im Klassenzimmer

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jetzt.de: Kannst du kurz erklären, was eigentlich Classcraft ist?
Shawn Young: Classcraft ist ein Fantasy-Rollenspiel, das vom Lehrer und seinen Schülern gemeinsam im Klassenzimmer gespielt wird. Der Lehrer ist der Spielleiter. Die Schüler ziehen in Teams von Kriegern, Magiern und Heilern ins Abenteuer. Jeder Charakter hat besondere Fähigkeiten und Schwächen. Die Schüler können Erfahrungen sammeln und im Level aufsteigen. Für richtige Antworten im Unterricht gibt es zum Beispiel zehn Erfahrungspunkte, für ein gutes Referat sogar 50. Vergessene Hausaufgaben kosten Lebensenergie, genau wie Zuspätkommen oder Quatschen. Gespielt wird auf einer digitalen Tafel oder per Smartphone. Inhaltlich ändert sich der Unterricht nicht. Das Rollenspiel ist eher ein Grundrauschen im Klassenzimmer.



Shawn Young arbeitete nach seinem Studium acht Jahre lang als Highschool-Lehrer für Physik und Chemie. Nebenbei jobbte der US-Amerikaner als freier Webentwickler. In der ersten Zeit war Classcraft vor allem ein Hobby-Projekt. Seit anderthalb Jahren ist das Klassenzimmer-Rollenspiel Youngs Hauptberuf. Sein Startup hat heute zehn Angestellte, auch sein Bruder und Vater arbeiten inzwischen mit. Classcraft gibt es in über 60 Ländern, weitere sollen folgen.

Ist dein Rollenspiel wirklich mehr als nur eine coolere Alternative zum Fleißsternchen?
Auf jeden Fall. (lacht) Das Spiel gibt den Schülern eine schnellere und direktere Rückmeldung über ihre Leistungen als eine Note oder ein Fleißsternchen. Macht man einen Fehler oder vergisst die Hausaufgaben, kostet das sofort Lebenspunkte und die Heldengruppe muss im Notfall aushelfen. Strengen sich die Schüler an, bekommen sie aber Bonuspunkte. Die können sie einsetzen, um in der Klasse essen zu dürfen oder einen Tag länger Zeit für ein gemeinsames Referat zu haben. Die eigene Leistung hat so auch Auswirkungen auf die anderen Spieler in der Gruppe. Diese Teamdynamik macht Classcraft besonders. Die Spieler überleben und sterben im Team und lernen viel über Zusammenarbeit. Um das Teamwork zu stärken, habe ich das Punktesystem noch um spontane Ereignisse und Aufgaben erweitert.

Wie sehen diese besonderen Ereignisse aus?
Sie können positiv oder negativ sein und den Lehrer und die Schüler gleichermaßen betreffen. Manchmal muss die ganze Klasse ein Lied singen oder wie ein Pirat sprechen. Das ist etwas verrückt, lockert aber den Unterricht auf. Andere Aufgaben sind dagegen seriöser: Die Schüler müssen beispielweise ein spontanes Referat vorbereiten oder gemeinsam einen Aufsatz schreiben. Wenn sie das gut machen, gewinnen sie Erfahrungspunkte. Wenn sie es nicht schaffen, können sie Lebenspunkte verlieren. Bei den Lehrern sind solche spontanen Aufgaben sehr beliebt. Die Schüler sind dadurch oft konzentrierter und hören genauer hin.

Warum unterteilst du die Schüler in Magier, Heiler und Krieger?
Sie stehen für drei unterschiedliche Schüler-Typen. Krieger sind eher vorlaute Schüler, immer mittendrin, wenn nötig die Beschützer der Gruppe. Genau dafür braucht der Krieger mehr Lebenspunkte als die anderen. Manchmal sind seine Antworten vorschnell, er kommt zu spät oder hat sonstigen Ärger. Magier sind eher gute und ruhige Schüler, mit coolen Spezialfähigkeiten, aber mit weniger Lebenspunkten. Der Heiler ist dagegen ein Charakter für sehr soziale Schüler, die typischen Teamplayer. Die Mischung aus den drei Charakteren ist für den Erfolg im Spiel sehr wichtig. Keiner kann ohne den anderen. Ihre Stärken und Schwächen ergänzen sich.

Wie bist du auf die Idee zu Classcraft gekommen?
Vor einigen Jahren machte einer meiner Schüler Witze darüber, ob er nicht für seine Hausaufgaben Erfahrungspunkte bekommen könnte. Die Idee hat mich nicht mehr losgelassen, auch weil ich seit meiner Kindheit selbst Rollenspieler bin. Ich programmierte also abends nach der Schule eine erste Version von Classcraft. Ich wollte damit vor allem meinen Unterricht etwas aufpeppen. Chemie und Physik sind schließlich eher unbeliebte Fächer und ich hatte damals einige Schüler, die lustlos in meinen Unterricht kamen und sich erst gar nicht anstrengten.

Wie waren deine ersten Erfahrungen?
Ich hatte am Anfang nur ein einfaches System, noch ohne grafische Oberfläche oder Zufallsereignisse. Aber die ersten Versuche liefen trotzdem erstaunlich gut. Alle wollten plötzlich Erfahrungspunkte sammeln und haben sich viel besser beteiligt. Ich probierte in den nächsten Wochen und Monate viele Neuerungen und Ideen mit meinen Schülern aus.

Wie veränderte sich der Unterricht?
Es passierte Erstaunliches. Schüler, die ich eigentlich schon abgeschrieben hatte, strengten sich plötzlich an. Außenseiter wurden wieder in die Klasse integriert, weil man ihre Fähigkeiten in der Heldengruppe brauchte. Aus den Schwierigkeiten und manchmal frustrierenden Momenten im Schulalltag wurden für die Schüler plötzlich interessante Herausforderungen, für die sie sich mehr anstrengten und einander halfen. Auch das Unterrichten fiel mir leichter, weil meine Klassen konzentrierter bei der Sache waren.

Wurden auch die Noten besser?
Längst nicht bei allen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass gerade die guten Schüler gut bleiben, mit oder ohne Classcraft. Aber das Spiel kann Schüler dazu bewegen, sich häufiger zu beteiligen und mehr zu lernen. Dadurch verbessert sich auch die Note. Aus meiner Sicht sind die positiven Auswirkungen auf das Klassenklima und die gestiegene Motivation der Schüler ohnehin wichtiger als Notensprünge.

Was ist eigentlich, wenn einzelne Schüler oder eine ganze Klasse keine Lust auf das Spiel haben?
Ich habe meine Klassen immer vorher gefragt, ob sie Classcraft spielen wollen. Das würde ich auch allen Lehrer so empfehlen. Ohne die Motivation der Schüler geht es nämlich nicht. Und selbst wenn die Klasse mehrheitlich Lust darauf hat, muss nicht jeder mitmachen. Für die unbeteiligten Schüler geht der Unterricht ganz normal weiter. Sie müssen sich keinen Aufgaben stellen, haben aber auch keine coolen Fähigkeiten. Wenn sie doch noch Gefallen an Classcraft finden, können sie jederzeit dazu stoßen.

Gab es gegenüber eurer Idee seitens der Lehrer eigentlich keine Bedenken?
Die meisten Lehrer hegen eine gewisse Skepsis gegenüber Spielen im Unterricht. Darum machen auch viele von ihnen einen Bogen um Classcraft. Die Pädagogen, die am Ende doch zu uns kommen, sind eher offen und interessiert an der Idee. Oft sind es junge Kollegen mit einer Affinität zu Rollenspielen. Sie haben eher Angst, dass Classcraft zu viel ihrer ohnehin knappen Zeit kostet oder schwer zu erlernen ist. Wir versuchen, diese Ängste zu nehmen. Es gibt zum Beispiel „Demo-Klassen“ auf unserer Website, wir haben einen regen Austausch im Forum und veranstalten Webinare zur Einführung.

Wie viel Arbeit und Zeit kostet denn Classcraft im Unterricht?
Die Lehrer und Schüler müssen zu allererst Lust auf Classcraft haben. Dann fällt die Einführung nicht schwer. Eine Stunde brauchen die Lehrer ungefähr, um mit den Schülern über das Spiel zu sprechen und ihnen die Regeln zu erklären. Danach braucht man etwa fünf Minuten pro Stunde. Ihren Unterrichtsplan und pädagogischen Stil müssen die Lehrer nicht ändern.

Eine Frage habe ich noch. Hättest du als Schüler gerne Classcraft gespielt?
Ja, ich war kein guter oder fleißiger Schüler. Rollenspiele und Computer waren wichtiger als die Schule. Classcraft hätte mich wahrscheinlich motiviert, mehr in die Bücher zu schauen. Vielleicht hätte ich auch mehr mit meinen Mitschülern gesprochen.



Mädchen, ist euch das Schminken in der Öffentlichkeit eigentlich peinlich?

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Die Jungsfrage:



Liebe Mädchen, wir möchten euch heute eine Frage zu eurem Aussehen stellen. Genauer: zum Schminken. Noch genauer: zum Schminken an Orten, an denen euch jeder dabei zusehen kann.

Meistens, so unser Eindruck, endet euer Prozess des Hübschmachens ja innerhalb der eigenen vier Wände. Ihr schminkt euch zu Hause in einen Zustand, in dem ihr der Welt da draußen begegnen wollt. Aber manchmal sieht man eine von euch mit Schminkzeug in der S-Bahn oder an der Bushaltestelle sitzen. Ihr schminkt eure Lippen oder tragt Wimperntusche auf, ihr tupft euch Rouge auf die Wangen, manchmal zuppelt ihr auch ein Stück Frisur zurecht.

Eigentlich ist das ja nur logisch. Gutes Zeitmanagement. Die Zeit in der S-Bahn ist verloren, warum also nicht den Tagesordnungspunkt Schminken in diese unnütze Viertelstunde outsourcen?

Aber so einfach kann es nicht sein, sonst würden es ja alle so machen. Die meisten aber erledigen das Schminken zu Hause. Unsere Vermutung: Ihr lasst euch nicht gerne dabei zusehen. Es ist euch peinlich, wenn jemand eure Verwandlung beobachten kann und damit sieht, was echt ist und was aufgetragen. Oder ist es das gar nicht? Ist es euch einfach nur zu nervig, euren Werkzeugkoffer voller Schmink-Utensilien mitzuschleppen?

Erklärt uns doch also mal den Kosmos Draußenschminken: Welches Schminkzeug habt ihr immer dabei und wann holt ihr es in der Öffentlichkeit raus? Ist das eine absolute Notlösung? Tut ihr das so ungern, wie wir vermuten? Und warum? Ist es euch peinlich?

Auf der nächsten Seite: Die Mädchenantwort von franziska-deller

[seitenumbruch]Die Mädchenantwort von franziska-deller 



Zuerst einmal: Ja, es ist uns peinlich. Zumindest den meisten von uns. Das hat verschiedene Gründe, die teilweise einfach praktischer Natur sind.

Erstens: Beim Schminken passieren manchmal Unfälle. Auch nach jahrelanger Übung kommt es doch immer wieder vor, dass einem die Hand ausrutscht und das Ergebnis kein dezenter Lidstrich, sondern ein tränendes, verschmiertes, schwarzes Auge ist. Natürlich peinlich, wenn es dabei Zeugen gibt. Um das wieder in Ordnung zu bringen, braucht man Abschminktücher, Make-up-Entferner, Wattestäbchen, manchmal sogar Wasser. In der Bahn hat man das nicht. Pannenbeseitigung ist deshalb schlecht zu bewerkstelligen.

Was uns auch gleich zum zweiten Punkt führt: Nicht jede Umgebung ist zum Schminken geeignet. Zuallererst braucht man einen Spiegel – am Besten einen großen, den man nicht selbst in der Hand halten muss. Dann ist einigermaßen gutes Licht hilfreich, damit man sieht, was genau man da überhaupt macht. Und dann brauchen wir Platz, um all unsere Utensilien auszubreiten und abzulegen, denn prinzipiell gilt: Je weniger man zusätzlich in der Hand halten muss, desto besser das Ergebnis. Und: Je weniger Geruckel und Gezerre um einen herum, desto geringer ist die Gefahr von Unfällen (siehe oben).

Deswegen gibt es eine stille Regelung, was das Schminken in der Öffentlichkeit betrifft: Was geht: mal eben die Lippen nachziehen. Das Höchste der Gefühle: schnell ein bisschen Puder drüber. Alles andere wird, wenn schon im öffentlichen Raum, dann in der Toilette erledigt. Aber auch das ist uns irgendwie schon unangenehm.

Womit wir von den praktischen Gründen zu den etwas komplizierteren kommen.

Schminke ist auch eine Art Schutz. Sie hilft uns, das, was wir an uns hässlich finden, zu kaschieren - nicht nur gegenüber euch Jungs, sondern eben auch gegenüber anderen Mädchen. Ungeschminkt fühlen wir uns denen manchmal unterlegen. Deswegen gibt es viele Mädchen, die ohne Make-up und Wimperntusche überhaupt nicht vor die Tür gehen – und sich deshalb auch niemals öffentlich schminken würden.

Schminken ist eine archaische Angelegenheit. Wir tun es, weil wir – Emanzipation hin oder her – einfach schön sein wollen. Auf eine natürliche, irgendwie geheimnisvolle Weise. Klar wissen alle, dass wir uns schminken. Aber vergessen soll man es. Die Leute sollen uns anschauen und finden, dass wir hübsch aussehen. Und dabei nicht daran denken, was genau da abgedeckt oder betont wurde.

Wir wollen nicht zeigen, wie viel Aufwand wir für unser Aussehen betreiben. Frauen, die sich in der Öffentlichkeit schminken, gelten als selbstverliebt, „tussig“, künstlich. Eitelkeit ist peinlich. Deswegen lassen wir die, soweit es geht, daheim in unserem Badezimmer.

„Das muss dir nicht unangenehm sein, Liebling.“

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Die Pädagogen





Das Wort deiner Eltern für Sex:
Je nach Altersstufe „Liebhaben“, „Liebe machen“ oder auch „miteinander schlafen“.

So lief das Aufklärungsgespräch:
Klassische Trauma-Strategie: Du warst zu klein um dich zu wehren als sie dir in der ersten Klasse “Peter, Ida und Mimimum“ schenkten – die anderen Kinder haben dich dann schnell gehasst, weil du ihnen die Illusion vom flauschigen Storch geraubt hast. In der Pubertät wusstest du dann: Wenn die Eltern mit Tee und Keksen das Zimmer betreten, folgt wieder das, was sie ein „Erwachsenengespräch“ nennen – lange, einfühlsame Monologe, immer wieder unterbrochen von dem Satz „Das muss dir nicht unangenehm sein, Liebling.“

So reagieren sie, wenn dein neuer Partner das erste Mal bei euch übernachtet:
Sie organisieren ein Familienfrühstück, bei dem sie fragen: „Und – hat es sich gut angefühlt?“. Danach formulieren sie eine positive Ich-Botschaft: „Ich würde mich wirklich freuen, wenn ihr zukünftig die benutzten Kondome bitte nicht im Büropapierkorb entsorgt – wir wollen doch auch an die Umwelt denken.“

Dieser Satz fällt auf jeden Fall, wenn sie über Sex sprechen:
„Was du fühlst, ist ganz natürlich.“

Das solltest du dann auf keinen Fall erwidern:
„Erzählt doch mal – wie fühlt ihr euch dabei?“

Exit-Strategie:
Sagen, dass man schon oft genug getackert hat und es richtig gut findet, wenn Männer den Frauen dabei zeigen, wo’s langgeht! Und du jetzt los musst, um noch wen zu knallen! Rättättätäng! Wenn du das Ganze noch mit angemessen obszöner Gestik unterlegst, werden sie erstmal lange in Ratgebern lesen um zu eruieren, was für eine Phase das jetzt sein könnte.

Langzeitschäden:
Bereits jetzt fürchtest du dich davor, wenn deine eigenen Kinder irgendwann fragen „Wo kommen eigentlich die Babys her?“ Sie müssen dann leider unwissend bleiben, bis sie googeln können – Aufklärungsbücher kommen dir nicht ins Haus.
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Die betont Lockeren





Das Wort deiner Eltern für Sex:
Vögeln, bumsen, nageln, rattern – halt alles, was nach Lärm und Handarbeit klingt. Oder, sollten sie esoterisch angehaucht sein: irgendwas mit „versinken“.

So lief das Aufklärungsgespräch: En passant – deine Eltern liefen mal wieder nackt durch die Wohnung oder machten schlüpfrige Andeutungen am Abendbrottisch. Irgendwann hast du ihnen dann den Gefallen getan, mal nachzufragen, was sie da eigentlich immer machen. Seitdem wirst du das Thema nicht mehr los.

So reagieren sie, wenn dein neuer Partner das erste Mal bei euch übernachtet:
Sie sagen: „Sich auszuprobieren ist superwichtig – gern auch unter unserem Dach.“

Dieser Satz fällt auf jeden Fall, wenn sie über Sex sprechen:
„Früher war alles viel wilder, da haben wir den Körper des Anderen richtig erkundet!“

Das solltest du dann auf keinen Fall erwidern:
„Habt ihr „Das fliegende Entenpaar“ aus dem Kamasutra, das momentan auf dem Klo liegt, eigentlich schon mal ausprobiert?“

Exit-Strategie:
Gelangweilt mit einer Hand die Batterien des Vibrators wechseln, den sie dir vergangenes Jahr zu Weihnachten geschenkt haben – sie denken dann, alles richtig gemacht zu haben.

Langzeitschäden:
Großzügige Vermeidung von Saunabereichen.
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Die Schamhaften





Das Wort deiner Eltern für Sex:
„Geschlechtsverkehr“, „der Akt“.

So lief das Aufklärungsgespräch: Entweder gar nicht, weil sie sich darauf verlassen, dass die Lehrer das erledigen – und die „Bravo“. Die sie dir natürlich verboten haben, aber insgeheim hoffen sie darauf, dass du sie in der Schule von einer Freundin leihst und unterm Tisch liest. Oder es kommt zum Gespräch, weil du mal eine sehr naive Frage gestellt hast („Wenn man Sex hat, kriegen dann immer beide sofort Aids?“) und Mama sich dann doch Sorgen gemacht hat, dass irgendwas schief laufen könnte. Also sagt sie nach dem Abendbrot urplötzlich: „Kind, wir wollten mit dir mal über...naja, du weißt schon...reden. Also, wie das geht...und...was man...“ Dann lacht sie sehr nervös und wirft verstohlene Seitenblicke zu deinem Vater, der diesen ausweicht und seinen rechten Zeigefinger knetet (macht er immer, wenn er nervös ist).

So reagieren sie, wenn dein neuer Partner das erste Mal bei euch übernachtet: Gezwungener Smalltalk, bis ihnen einfällt, dass sie ja noch ins Kino wollten. Auf dass sie bloß nicht gefragt werden ob es okay ist, wenn die neue Person bei euch schläft.

Dieser Satz fällt auf jeden Fall, wenn sie über Sex sprechen:
„Am wichtigsten ist, dass du immer ein...Präservativ verwendest.“

Das solltest du dann auf keinen Fall erwidern:
„Meinst du ein Gummi?“

Exit-Strategie:
„Danke für das Gespräch, aber ich würde jetzt gerne auf mein Zimmer gehen und lesen.“ Erleichterung auf beiden Seiten.

Langzeitschäden:
Es dauert bei dir länger als bei anderen Jugendlichen, bis du die Worte „Penis“ und „Scheide“ aussprechen kannst, ohne innerlich zu kichern und äußerlich rot zu werden. Und selbst wenn das irgendwann funktioniert, bleibst du jemand, der nicht gerne über Sex spricht („Das ist Privatsache!“) – und brichst beim ersten Partner, der „beim Akt“ zum Dirty Talk neigt, mittendrin in Lachen aus
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Die Moralischen





Das Wort deiner Eltern für Sex:
Sie nennen es schon beim Namen – aber immer nur in Verbindung mit dem Wort „Liebe“

So lief das Aufklärungsgespräch:
Zunächst gab es einen langen Vortrag über die Sexualisierung der Gesellschaft – überall nackte Körper, muss das denn sein? Irgendwann kamen sie dann zum Punkt: Sie hätten sich ja damals sehr genau überlegt, mit wem sie ins Bett gehen. Und dann hätte das für immer gehalten. Und war eigentlich auch erst nach der Ehe...

So reagieren sie, wenn dein neuer Partner das erste Mal bei euch übernachtet:
Sie beziehen das Gästebett.

Dieser Satz fällt auf jeden Fall, wenn sie über Sex sprechen:
„Nur weil alle es machen, muss es ja nicht richtig sein.“

Das solltest du dann auf keinen Fall erwidern:
„Aber die Aktivistinnen von Femen haben politisch doch schon echt viel bewegt!“

Exit-Strategie:
Sagen, du müsstest leider los – Pinkstinks demonstriere gerade auf dem Dorfplatz. Oder suggerieren, dass du deine Verlobung planen musst - dafür haben sie natürlich Verständnis.

Langzeitschäden:
In jeder neuen Wohnung, die du betrittst, misst du automatisch die Entfernung zum Schrank ab – es könnte ja sein, dass du dich darin verstecken musst!

Wir haben verstanden: KW 1

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  • In der Zeit zwischen den Jahren wird alles langsamer. Auch der eigene Kopf. Vielleicht sogar der eigene Puls.

  • Das Silvester-Geballer von oben anzuschauen, ist eigentlich viel besser, als selbst zu ballern.

  • Wir müssen alle ein bisschen mehr zu Hackern werden. 

  • Die Radio-Eins-Moderatorin Silke Super heißt gar nicht wirklich so. Schade.

  • Man sollte die kleinen Momente eines Jahres nicht vergessen.

  • Treppenhäuser werden vollkommen unterschätzt. 

  • Olli Dittrich ist wahrscheinlich der beste Fernsehversteher in diesem Land. 

  • Der erste Januar ist in der Rangliste der Katertage uneinholbar vorn. 

  • Über Bord gehen kann auch sehr gut aussehen. 

  • Menschen, die gemeinhin als “Originale” bezeichnet werden, sind oft vor allem eines: überschätzt.

  • Es gibt kaum etwas Beruhigenderes als nachts durch eine eingeschneite Stadt zu spazieren. Man sollte sich aber nicht zu sehr über Schnee freuen. Es wird in ein paar Tagen wieder regnen.

  • Luftschlangen!

  • Beim Mc Donald's Monopoly gewinnt man nie etwas anderes als eine Eistüte. Ohne Soße.

  • Wer sich mal wie eine Slapsticknummer fühlen möchte: Einfach am 31.12. im völlig überfüllten Supermarkt an der Kasse das komplette Kleingeld aus dem Kleingeldfach fallen lassen.

  • Wer sich mal wie ein Held fühlen möchte: Einfach am 31.12. im völlig leergekauften Supermarkt noch das Tonic-Water-Geheimdepot entdecken.

  • Es gibt sie ja wirklich noch, auf Münchens Straßen: Die alten Damen in exzentrischen Pelzmänteln und mit zerfurchten, geschminkten Gesichtern.

  • Irgendwie ja auch seltsam, dass man im Winter in der Stadt fast nie daran denkt, die Sonnenbrille mitzunehmen – obwohl man sie selten dringender braucht als an einem Tag mit viel Schnee und viel Sonne.

Die Wochenvorschau: So wird die KW 2

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Wichtigster Tag der Woche?
Meine erste Praktikumswoche bei jetzt.de beginnt ganz unerwartet nicht in der Redaktion, sondern in Freiheit: mit einem Urlaubstag am Vorfeiertag (Montag), also noch bevor auch nur einer der Heiligen drei Könige in Bayern eingetroffen ist, und einem weiteren am Feiertag selbst. Bleiben drei Arbeitstage, für jeden König einen. KW2 lässt sich noch recht entspannt an, würde ich sagen. Der Feiertag könnte wohl das Zeug zum wichtigsten Tag der Woche haben, da unplanmäßige Freiheit immer ein tolles Gefühl ist. Plötzlich kann (oder muss) man dienstags Sachen tun, die man normalerweise sonntags tut. Letztes Jahr am 6. Januar bin ich in der von Freizeitsportlern überquellenden BOB ins bayerische Oberland gefahren und dort auf einen kleinen Berg gestiegen. Es war so rappelvoll auf der Alm, dass wir das obligatorische Radler dann später im Tal trinken mussten. Genau wie sonntags!

Kulturelles Highlight?

Man sollte meinen, es sei nichts los am Anfang des Jahres, aber dem ist nicht so: In Berlin findet vom 6.-13. Januar täglich in der Nationalgalerie jeweils ein „3D-Konzert“ von Kraftwerk statt, was sich interessant anhört. Leider bin ich in München und nicht in Berlin und außerdem ist der Acht-Teiler auch seit Ewigkeiten ausverkauft. Offenbar bekommen im Schnitt nur 1,2 Prozent der Interessenten ein Ticket. Aber wer weiß! In München dagegen wird geshoppt: Schick ausstatten kann man sich auf einem von drei Nachtflohmärkten, die am Samstag Abend geboten sind, dem „Nachtflohmarkt“ in der Kongresshalle, „Nachtkonsum“ in der Tonhalle und schließlich dem „Midnightbazar“ im Postpalast.

Was mich politisch interessiert:

Wenn auch schon vielfach erwähnt, berührt mich persönlich das Flüchtlingsthema stark, da wir quasi mittendrin sind. Wir haben in der WG mit zwei Geflüchteten, die schon in diversen Auffanglagern im Münchner Raum untergebracht waren, Silvester gefeiert. Meine Mitbewohner arbeiten im Kapuzinerhölzl  „The Tent“, eine Art Zelt-Hostel, das im Oktober als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt wurde. Dort hatten sie sich mit den beiden jungen Männern aus Syrien und Palästina angefreundet und sie spontan zu Silvester eingeladen. Die CSU ließ nun verlauten, dass sie ein Schnellverfahren einführen will, wonach sie „einfache Fälle“ in Zukunft in sechs Wochen abschließen will. In vielen Fällen würde das allerdings eine schnellere und konsequentere Abschiebung bedeuten. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann zum Beispiel kündigte an, dass er die „Rückführung deutlich verstärken“ wolle. Da dies wohl in keiner Weise den Einzelschicksalen gerecht werden kann, hoffe ich sehr, dass eine humanere Lösung gefunden wird.

Soundtrack:

Da ich aktuell nicht auf dem Laufenden bin und mich die Neuerscheinungen, in die ich reingehört habe, bisher nicht vom Hocker gerissen haben, greife ich zurück zum Altbewährten, was mir zuverlässig gute Laune beschert, z.B. von Poni Hoax „Down on a Serpent Street“.


https://www.youtube.com/watch?v=cUEjcvGHRVg


oder von Osvaldo Wilson "Make it on my Own".


Osvaldo Wilson – Make It On My Own - Original Mix


Wenn ich nicht weiter weiß, schalte ich einfach mein Lieblings-Webradio ein.

Wochenlektüre:

Jetzt, wo das Jahr 2014 nun endgültig rum ist und definitiv nichts mehr passieren wird, werde ich mir die verschiedenen Chroniken und Jahresrückblicke der Süddeutschen Zeitung, Spiegel etc. vornehmen. Sehr angenehm, wenigstens ein paar der vielen Ereignisse des letzten Jahres von schlauen Menschen noch einmal übersichtlich zusammengefasst zu bekommen.



Kinogang:

Ich werde mir wahrscheinlich „Berlin East Side Gallery“, anschauen (ab 8.1. im Kino), eine Dokumentation über das längste erhaltene Stück der Berliner Mauer, die sich mit ihrer Entstehung, Geschichte und der aktuellen Gefährdung durch Bebauungspläne am Spreeufer auseinandersetzt. Die Regisseure Karin Kaper und Dirk Szuszies sprechen mit Künstlern und Akteuren von damals und heute und beleuchten gesellschaftliche und politische Aspekte.

Geht gut diese Woche:

Öfter ausschlafen als in den Wochen, die folgen. Vielleicht durch den Schnee stapfen, wenn es nochmal welchen gibt. Und optimistisch sein: Es ist noch nichts verloren, das Jahr ist ja noch sehr jung und es gibt massig Zeit für das Umsetzen irgendwelcher guten Vorsätze.

Geht gar nicht:

Auf den Weihnachtsmarkt gehen und nochmal Glühwein trinken. In manchen Städten nämlich scheint dieser Spuk auch nach Silvester noch kein Ende zu nehmen und zieht sich unter Decknamen wie „Eiszauber“ (München) oder „Winterwelt“ (Berlin) gefühlt bis in den Februar.

Hau drauf!

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Das Geschirr ist schnell erledigt. Ich schwinge den hölzernen Baseballschläger über den gedeckten Tisch. Bäng! Gläser und Teller fliegen an die Wand und zersplittern zu kleinen Scherben. Lauter Punkrock dröhnt aus den Lautsprechern an der Wand. Ich fühle mich groß und stark. 

Dann sind die Elektrogeräte dran. Auf einer Kommode warten ein Drucker und ein Scanner auf meine Wut. Ich muss nur kurz an den letzten Totalabsturz meines Computers denken, schon fühle ich alten Zorn in mir aufsteigen. Ich hebe den Schläger über meinen Kopf – nehmt das, ihr Quälgeister des Arbeitsalltags – und lasse ihn auf die Gehäuse niedersausen. Die Geräte machen einen Satz, Glas und Plastik brechen, dann quellen die aus Platinen und Chips bestehenden Innereien heraus.  Insgesamt eine halbe Stunde habe ich Zeit, um die Einrichtung des schummrig beleuchteten Zimmers in Schutt und Asche zu legen. Ich bin in Deutschlands erstem Wutraum in Halle an der Saale. 

[plugin bildergalerielight Bild3="Ein Wutraum wird mit Möbeln eingerichtet, die auf dem Müll landen sollten." Bild2="Gegen Geld dürfen Kunden sie zertrümmern, dafür haben sie verschiedene Baseballschläger und Vorschlaghämmer zur Auswahl." Bild1="Martin und seine Freundin Colette haben hier Colettes Geburtstag gefeiert - auch, wenn es nicht so aussieht."]

Marcel Braun und Ronny Rühmland haben ihn Ende August in einem leerstehenden Hinterhaus nahe des Bahnhofs eröffnet. „Schlag dich fit“ steht auf einem Schild neben der Eingangstür. Dahinter warten zwei Räume zum Austoben auf Besucher. Eingerichtet sind sie mit Möbeln vom Sperrmüll, ausrangierten Fernsehern und Computern. Weggeworfene Bilderrahmen, Blumenvasen und Geschirr runden das Schlachtfeld ab. Für 89 Euro dürfen über 18-jährige Besucher alles kurz und klein hauen. Zur Verfügung stehen ihnen dafür Baseballschläger aus Holz und Metall sowie Vorschlaghämmer in mehreren Gewichtsklassen. Das Werkzeug hängt griffbereit an der Wand. Maschinell betriebenes Gerät wie Kettensägen ist tabu, das Selbstverletzungsrisiko sei dann zu groß, erklärt Braun. 

Die halbe Stunde im Wutraum soll den Besuchern helfen, angestaute Aggressionen abzubauen. In den ersten fünf Monaten hat das Angebot vor allem Menschen angelockt, die im Berufsleben die Nerven bewahren müssen, unter ihnen ein Unternehmensberater, eine selbstständige Gastronomin und ein paar Promotions-Studenten. Eine Ärztin mit viel Stress in ihrer eigenen Praxis bekam den Besuch im Wutraum von ihrem Mann geschenkt. „Sie hat uns erzählt, dass sie schon lange nicht mehr so entspannt zur Arbeit gegangen ist, wie am Tag, nachdem sie hier war“, sagt Rühmland zufrieden. 

Heute sind außer mir noch der Kindererzieher Martin und seine Freundin Colette zu Gast. Sie haben nach etwas Besonderem gesucht, um Colettes 27. Geburtstag zu feiern. Martin freut sich schon lange auf diesen Besuch, er verbucht ihn als Wellnesstag. „Da kann ich endlich mal alles abreagieren, was sich so anstaut“, sagt er und grinst. Besonders wütend wirkt er allerdings nicht. Eher strahlt er die Freude eine Kindes aus, das den Turm aus Bauklötzen nun umschmeißen darf.  

Das Paar legt Overalls, Helme und Schutzbrillen an. Kurz darauf hört man die beiden zwischen dem Krach zersplitternder Einrichtung laut lachen. „Geil, Massivholz“, freut sich Martin, als er mit seinem Vorschlaghammer den großen Tisch bearbeitet. Das Möbelstück braucht einige beherzte Schläge, bevor es nachgibt. 

Zum Wutraumanbieter wurde Marcel Braun eher zufällig. Der 32-Jährige, hauptberuflich Manager bei DHL, surfte aus Langeweile im Internet nach Geschäftsideen. „Ich habe nach Modellen gesucht, für die man nicht viel Startkapital braucht.“ Dabei stieß er auf den Anger Room in Dallas in den USA, der vor drei Jahren eröffnet hat. Das Konzept war leicht zu realisieren. „Wir brauchten günstige Räume, in denen man laut sein kann. Die haben wir hier schnell gefunden.“ Und zweitens musste der Nachschub an alten Möbeln gesichert sein. 

Für den sorgt Ronny Rühmland. Er ist selbstständiger Handwerker und kennt einige Firmen, die Haushalte auflösen. Bisher haben sie Möbel, die keiner mehr braucht, auf die Mülldeponie gefahren. Nun bringen die Entrümpler sie stattdessen in den Wutraum. Bezahlen müssen Rühmland und Braun diesen Service nicht, nur für die anschließende Entsorgung der Trümmer aufkommen. 

In meinem Zimmer sind inzwischen nur noch große Möbelstücke intakt. Ich wechsle vom Baseballschläger zum Vorschlaghammer. Der wiegt schwer in den Händen. Um den nötigen Druck aufzubauen, denke ich an alltägliche Situationen, die mich wütend machen. Mir fallen auf Radwegen parkende Autofahrer ein. Zwei Schläge später habe ich einen Stuhl zertrümmert. 

Seit seiner Eröffnung vor fünf Monaten wird der Wutraum etwa zwei bis drei Mal pro Woche gebucht, oft von Paaren oder Gruppen, die sich gemeinsam austoben wollten. Weil im Weihnachtsgeschäft rund 30 Gutscheine verkauft wurden, könnte die Besuchermenge zu Beginn des neuen Jahres leicht zunehmen, schätzt Braun.  

Geld für Werbung mussten die beiden bislang kaum ausgeben, denn die Medien zeigen anhaltend hohes Interesse am Wutraum, weil der sich bestens als Story eignet: Echte Menschen zeigen dort ein großes Gefühl. Und alles läuft in einem kontrollierten Rahmen ab. Zorn und Zerstörung dürfen ausgelebt werden, die Leute können sich dabei beruhigen. Kann das falsch sein?  

Schon Aristoteles glaubte an das Konzept der Katharsis. Indem die Zuschauer einer antiken Tragödie Trauer und Mitleid für die Handelnden auf der Bühne empfanden, sollten ihre Seelen von negativen Gefühlen gereinigt werden. Diesen Gedanken aufgreifend argumentierte Freud, wer ab und an feindliche Gefühle heraus lasse, reduziere seine Aggressionen. 

Empirische Forschungsergebnisse ließen allerdings Zweifel an der Idee aufkommen, sagt die Sozialpsychologin Barbara Krahé von der Universität Potsdam: „Eine ganze Reihe von Experimenten zeigt: Aggressionen auf symbolische Weise auszuleben reduziert Wutgefühle nicht, sondern verstärkt sie noch.“ Als Beispiel nennt sie eine Versuchsreihe aus den USA. Dort sollten die Versuchspersonen Co-Teilnehmer aggressiv behandeln. Die Forscher zeichneten dabei die Herzfrequenz der Probanden auf. Das Ergebnis: Diejenigen, bei denen der Puls durch die aggressive Handlung am stärksten sank, bei denen sich also die größte kathartische Wirkung zeigte, waren in der zweiten Phase des Experiments wiederum die aggressivsten Akteure. 

Dafür gebe es eine einfache Erklärung, sagt Krahé. „Wenn Menschen bei aggressiven Handlungen ein gutes Gefühl bekommen, werden viele das wiederholen wollen.“ Der Wutraum wirke daher seinem erklärten Ziel genau entgegen. „Will jemand Aggressionen abbauen, ist es viel hilfreicher, sich mit Gefühlen abzulenken, die mit Ärger und Wut in Widerspruch stehen“, sagt Krahé. Sie schlägt vor, an etwas Lustiges zu denken oder ein Tierbaby zu streicheln. „Dadurch werden die Ärgergefühle abgeschwächt und aggressive Verhaltensimpulse unterdrückt.“  

Von meiner Wut ist nicht mehr viel übrig, als ich bei einem Nachtschränkchen ankomme. Ich kann den Hammer kaum noch halten, in meinen Schultern und Armen hat sich Müdigkeit breit gemacht. Das Schränkchen geht unter meinen Schlägen einfach nicht kaputt und ich beginne, die darin steckende Wertarbeit zu bewundern. Dadurch verliere ich die Lust an der Zerstörung. Ich habe genug für heute. 

Im Raum nebenan haben Colette und Martin ganze Arbeit geleistet. Die Einrichtung liegt vollständig in Trümmern. Eine Staubwolke vernebelt das Zimmer. Lachend werfen sich die beiden gegenseitig letzte einzelne Teile zu, um sie mit dem Baseballschläger an die Wand zu klatschen. Martin bilanziert: „Das war ein großer Spaß.“ 

Natürlich wollen die Unternehmer Braun und Rühmland nicht, dass ihre Besucher beginnen, auch zu Hause auf Dinge einzuschlagen. „Dafür ist ja unser Raum da“, sagt Braun. Sein Kompagnon Rühmland weiß allerdings auch, dass die Wirkung des Wutraums bestenfalls vorübergehend ist. „Wenn die Leute das Gefühl behalten wollen, mit dem sie hier herausgehen, müssen sie uns nach einigen Wochen wieder besuchen.“ Den beiden Betreibern kann das nur recht sein. 

Nachdem ich meine Zerstörungsorgie beendet habe, bekomme ich eine Flasche Wasser. Ich bin fix und fertig. Braun und Rühmland beginnen, die Trümmer in den großen Container vor der Tür zu werfen. Zehn bis zwanzig Räume passen hinein, bevor alles zur Mülldeponie gebracht wird. Im Selbstversuch hat Marcel Braun festgestellt, dass ihm das Zerstören eher schwer fällt. „Ich bin ein ziemlich ausgeglichener Typ. Wenn man mit dem Vorschlaghammer auf die Möbel losgeht, muss man sehr aus sich herausgehen. Das ist nicht leicht“, sagt er. Zum Aufräumen schaltet er die Stromgitarrenmusik aus – und legt stattdessen Liebeslieder von Max Herre auf.

Tagesblog - 5. Januar 2015

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13:37 Uhr: Ein bisschen Futter für den Weltschmerz: Mic.com hat eine Liste mit Dingen zusammengestellt, die Frauen im vergangenen Jahr abgesprochen wurden. In der Öffentlichkeit lachen zum Beispiel. Oder nach einer Gehaltserhöhung fragen.

+++

13:20 Uhr:
Ich tu' jetzt einfach mal so, als sei diese Meldung nicht beim Postillon erschienen:

+++ Nach internen Querelen: PEGIDA-Demo in Dresden abgesagt

Bitte weitersagen!

+++

12:54 Uhr:
Schade, dass Weihnachten gerade vorbei ist, ich hätte dafür sogar einen Wunschzettel angefangen:

[plugin imagelink link="http://i.kinja-img.com/gawker-media/image/upload/s--3bHQfHL_--/c_fit,fl_progressive,q_80,w_636/yepnzspabshhzfd0ccjc.jpg" imagesrc="http://i.kinja-img.com/gawker-media/image/upload/s--3bHQfHL_--/c_fit,fl_progressive,q_80,w_636/yepnzspabshhzfd0ccjc.jpg"] (Quelle)

+++

12:39 Uhr
: Ja, ja, Marketing und so. Aber weil ich am Wochenende mit meiner Schwester rätselte, wie der Typ heißt, zeig' ich euch trotzdem den neuen Edeka-Spot. Und auch, weil mir der Gedanke an einen Song mit dem Titel "How much is the Langkornreis?" durchaus gefällt.

http://www.youtube.com/watch?v=IdEH_ZBv-WQ

+++



(Foto: Clemens Haug)

12:17 Uhr:
Clemens hat für uns den ersten "Wutraum" Deutschlands besucht. Darin darf man gegen Bezahlung alles kaputt machen, was sich darin befindet. So was hätte ich manchmal gerne parat. Ich weiß aber nicht, ob das wie so eine Art "Ausflug" auch funktioniert. Was denkt ihr?

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Lody und Saly ...

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... und Nidal aus Syrien:

11:46 Uhr: Der frühere jetzt.de-Praktikant Pierre Jarawan hat etwas sehr Tolles gemacht: eine Porträtreihe mit Flüchtlingen in Rosenheim. "Paradise Lost" hat er sie genannt. Die Bilder sind wunderschön, was die Flüchtlinge erzählen, unfassbar traurig. Unbedingt anschauen, auch auf Facebook!


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11:27 Uhr:
 Damit ihr nach den vielen freien Tagen im Aufzug mitreden könnt, die Nachrichten im Schnelldurchlauf:

* In Berlin-Mitte gab es einen antisemitischen Angriff.
* Die FDP wird bald magenta, also irgendwie pink (so ein bisschen). 
* Bei den SZ.de-Kollegen diskutieren Leser über einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone.
* Auf Speisekarten müssen bald allergene Stoffe ausgewiesen werden. Ich sehe mich schon mit bibeldicken Karten im Restaurant sitzen.

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11:12 Uhr:
Kleiner Sprung zurück zu 9:34 Uhr: Eben habe ich eine Liste mit Städten gefunden, in denen heute gegen Pegida demonstriert wird: In Berlin, Hamburg, Dresden, Münster, Köln, München, Stuttgart, Rostock, Würzburg, Kassel und Marburg. Ich werd in München hingehen. Wer ist noch dabei? Auch in den anderen Städten?

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10:52 Uhr:
Zwischenfrage, weil die Neo-Magazin-Silvester-Folge auch noch in meinen abzuarbeitenden Links steht (und weil grad Weihnachten war): Ist euch auch schon mal aufgefallen, dass Jan Böhmermann fast wie Jack Gruber aussieht?

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10:37 Uhr
: Und gleich noch ein Tipp zum Angucken, ich kann heute ja ohne Kopfhörer und voll aufgedreht anhören, was ich mag. Und muss ein bisschen aufholen, was ich im Feiertagskoma verpasst habe. Zum Beispiel das Protokoll des zweiten Jahres im NSU-Prozess

http://www.youtube.com/watch?v=kvW_oZyV6Sc

Ich fand schon den ersten Teil großartig und die Arbeit der Journalisten Annette Ramelsberger und Tanjev Schultz sowieso. Unbedingt anschauen!

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In "Wir sind jung. Wir sind stark" gehört auch Stephan (2. v. l.) zu den Randalierern - kein Neonazi, sondern ein jugendlicher Mitläufer. (Foto: Zorro Film)

10:12 Uhr:
Montags erscheinen wir ja auch gedruckt, Teil eins unserer Seite in der SZ ist eben auf der Startseite erschienen: Franziska hat mit Burhan Qurbani gesprochen. Der Regisseur hat einen Spielfilm über die rassistisch motivierten Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen von 1992 gedreht. In den aktuellen Pegida-Protesten erkennt er Parallelen zu damals. Sehr spannend! Und erschreckend. 

Ich glaube, ich muss mir den auch ansehen!

http://www.youtube.com/watch?v=gVV5tujO4DA

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09:34 Uhr: Konferenz zu Ende! Und weil es hier recht leer ist, haben wir beschlossen, dass das auch die letzte für diesen Tag sein soll - ich hab ab jetzt also ganz viel Zeit für euch! Und nutze das gleich mal für einen Hinweis: Mügida hat für heute Abend einen Marsch angekündigt - da halten wir dagegen! 

Auch in Köln hat sich für diesen Montag ein weiterer Pegida-Protest angekündigt. Der Domprobst Norbert Feldhoff stellt darum die Beleuchtung des Domes ab. Find ich ziemlich genial.

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http://www.youtube.com/watch?v=pC9OWMAt0Kg

08:31 Uhr: Guten Morgen da draußen! Ist überhaupt jemand da? Auf dem Weg zur Arbeit war ich nämlich quasi ganz allein. Leere U-Bahn, leerer Bus. Leere Straße, leere Schulhöfe. Und im Hochhaus kam der Aufzug SOFORT. Aber, bevor ich es vergesse: Ein frohes Neues! Wie lange sagt man das eigentlich? Ich hab am Wochenende zufällig eine Mail vom 25. Januar 2014 gelesen, und da wurde mir das noch gewünscht. 

Licht aus

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Tag für Tag demonstrieren in Köln Leute vor dem Dom. Die Kulisse der Hohen Domkirche St. Petrus macht die meist recht kleinen Proteste größer, das ist gewollt. Und Publikum ist auch immer da, sechs Millionen Touristen besuchen die Kathedrale jedes Jahr und laufen an Bettlern, Musikern, Bodenmalern, lebenden Statuen und eben Demonstranten vorbei.

Domprobst Norbert Feldhoff hat der Auflauf nie gefallen, aber er konnte wenig tun. Der Dom in Köln gehört zwar sich selbst, der Platz davor aber der Stadt. Für diesen Montag nun hat sich der nächste Protest angekündigt: Die sich selbst so nennenden Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, kurz: Pegida, und ihr Kölner Ableger Kögida wollen am Abend vor den Dom ziehen. Feldhoff kann das nicht verbieten, aber er kann den Leuten von Pegida die Kulisse nehmen – und das hat er vor. Er will die Beleuchtung des Domes abschalten.



Am Montag schaltet der 
Domprobst Norbert Feldhoff die Beleuchtung des Kölner Domes aus.

Natürlich hat sich sofort eine Facebook-Gruppe gebildet, die dazu aufruft, in der ganzen Stadt die Lichter auszumachen. Mehr als 50 Organisationen haben zu einer Gegendemonstration aufgerufen, darunter auch das Bündnis „Arsch huh“, mit dem Kölner Musiker wie BAP und die Höhner seit Jahren gegen Rechtsextremismus protestieren. Die Zahl der Gegendemonstranten wird in Prognosen als doppelt so hoch eingeschätzt wie der von Pegida. Domprobst Feldhoff sieht sich also auf der richtigen Seite. Er habe aber auch, sagt er, sehr viele negative Reaktionen bekommen, deutlich in der Mehrzahl waren diese Reaktionen. Rassistische Schmähungen seien darunter gewesen, aber auch besorgte Christen, die gesagt hätten: Die Kirche tue nichts gegen die Tötung von Christen und Jesiden. Eine „hochkomplizierte und schwierige Mischung“, sagt Feldhoff. Er hoffe, dass man durch den dunklen Dom Einzelnen die Augen öffnen könne, die bisher einfach brav mitlaufen würden.

Einer Mail immerhin habe er vorbehaltlos zustimmen können, sagt Feldhoff. Ein Kölner wünschte sich, dass er doch bitte endlich in Rente gehen solle, er habe doch schon genug Schaden am Dom angerichtet. „Damit kann ich gut leben“, sagt der Domprobst, der 75 Jahre alt ist und im März tatsächlich aufhört. Zehn Jahre lang war er dann im Amt, in Köln mögen sie den Mann auch wegen seines Humors.

Der Dom in Köln ist eine rechtlich eigenständige Person, weil die Kirche aber keine Unterschriften leisten kann, entscheidet das Domkapitel mit Feldhoff an der Spitze, was gut für sie ist. Der Domprobst ist in Köln ein Amt, dass so viel öffentliche Aufmerksamkeit bekommt wie, sagen wir, der Trainer des 1. FC Köln. Und manchmal genauso viel Widerstand. Feldhoff hat das neue Fenster von Gerhard Richter durchgesetzt, obwohl der damalige Erzbischof Joachim Meisner das für gar keine gute Idee hielt. Jetzt hat er allein entschieden, den Dom zu verdunkeln.

Es ist wohl seine letzte große Amtshandlung.

Verdeckt Kasse machen

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Für den Bundesjustizminister ist die Sache simpel. „Wer bestellt, bezahlt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit“, so formulierte es Heiko Maas (SPD) bei der Vorstellung seines Gesetzesentwurfs im November. Doch dieses vermeintlich banale Prinzip kommt für die Gruppe, die es betrifft, einer Revolution gleich: die Immobilienmakler.

Wenn in Deutschland eine Wohnung vermittelt wird, zahlen bislang meist die Mieter die Courtage für den Makler – auch wenn der vom Wohnungseigentümer beauftragt wurde. Inklusive Mehrwertsteuer ist das üblichweise das 2,38fache der Nettokaltmiete. Ein erheblicher Kostenfaktor, der einen Umzug zusätzlich zu Kaution, Transport und Abschlag für die Einbauküche verteuert. Damit soll nun Schluss sein, so sieht es das „Gesetz zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung“ vor, das im ersten Halbjahr 2015 in Kraft treten soll. Während bei Verkäufen weiterhin der Käufer für den Makler aufkommt, soll bei Mietverhältnissen künftig der zahlen, der den Vermittler angeheuert hat. Meist also: der Vermieter.

Dagegen regt sich Widerstand, und zwar von den Maklern selbst. Sie befürchten, dass Wohnungseigentümer wegen der Mehrkosten auf professionelle Hilfe verzichten werden und sich künftig ihre Mieter selbst suchen. Drei Viertel aller Makler rechnen durch die veränderte Gesetzeslage mit Umsatzrückgängen; das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag des Immobilienportals Immoscout24 vor wenigen Monaten. Ein Viertel sieht sogar die eigene wirtschaftliche Existenz bedroht.

Vor allem kleinere Maklerbüros, deren Geschäft oft an wenigen Kunden hängt, könnten Umsatzeinbußen nur schwer verkraften, heißt es in der Branche – trotzdem gibt man sich offiziell selbstbewusst: „Selbst wenn einige Vermieter wegen der Kosten zunächst auf einen Makler verzichten wollten, würden sie sicher schnell erkennen, dass ein seriöser Makler sein Geld wert ist“, sagt Jürgen Michael Schick, Wohnungsvermittler in Berlin und Sprecher des Maklerverbands IVD. Schließlich umfasse die Dienstleistung mehr, „als nur den Interessenten die Tür aufzuschließen“. Etwa, einen Mietvertrag aufzusetzen, der allen aktuellen gesetzlichen Standards entspreche. „Eine rechtsgültige Klausel zu Schönheitsreparaturen kann man nicht einfach aus dem Internet runterladen“, sagt Schick.

Gänzlich verlassen will man sich auf die eigene Strahlkraft aber offenbar auch nicht, und so sind die Makler in diesen Wochen eifrig unterwegs, um im politischen Berlin für Änderungen am geplanten Gesetz zu werben. Der derzeitige Entwurf sei „völlig lebensfremd“, sagt Rudolf Dahn, Makler bei Gerschlauer Immobilienvermittlung in München. Was die Makler vor allem stört: Sie sollen künftig nur dann Anspruch auf eine Courtage vom Mieter haben, wenn sie „ausschließlich“ für diesen tätig geworden sind, wenn sie also eine Wohnung vermittelt haben, die sie extra für diesen einen Kunden gesucht und gefunden haben. Das Problem: Lehnt ein Mietsuchender ein Objekt, das der Makler ihm vorschlägt, ab, dürfte der Makler diese Wohnung keinem anderen Mietinteressenten mehr zeigen – weil er sie nicht exklusiv für diesen gesucht hätte, da er die Wohnung bereits kannte. Damit hätte der Makler auch keinen Anspruch auf eine Provision.

Die Streichung des Wortes „ausschließlich“ im Gesetzestext ist deshalb das Mindestziel der Immobilienlobby – wenn sie denn schon eine Regelung hinnehmen müssen, die „fragwürdig und populistisch“ ist, wie Makler Dahn findet.

„Da hat man sich irgendein Thema ausgesucht, das Wählerstimmen verspricht, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.“ Vor allem aber, glaubt Dahn, solle mit der Neuregelung nur „von den Versäumnissen der Wohnungspolitik in den vergangenen Jahren abgelenkt“ werden. „Bauen ist wegen der vielen Vorschriften, etwa zum Energiesparen, immer teurer und damit für Investoren unattraktiv geworden“, sagt Dahn. Es gebe in den Großstädten einfach zu wenige Wohnungen. „Das ist das Hauptproblem für die Mieter, nicht die Frage, wer die Courtage bezahlt.“

Zumindest in diesem Punkt sind sich Makler- und Mieterlobby einig: 250000 Wohnungen fehlen nach Schätzungen des Mieterbundes in den deutschen Ballungszentren.

Und wenn alles Argumentieren gegen das neue Gesetz nichts nützt? Nicht nur in der Maklerbranche wird bereits heftig diskutiert, ob und wie eine solche Neuregelung umgangen werden könnte. Ein Szenario: Vermieter könnten die Kosten für den Makler heimlich umlegen, etwa durch unangemessen hohe Abschläge für vorhandene Einbauten. Das wäre zumindest schwer nachzuweisen – und angesichts der Wohnungsnot in den Großstädten würden sich wohl viele Mieter darauf einlassen. Große Aufregung verursachte jüngst auch ein Makler in Hamburg, der im Internet anbot, eine „Lösung für das Bestellerprinzip“ gefunden zu haben. Nach Recherchen von Reportern des ARD-Magazins Panorama plante der Makler Folgendes: Der Vermieter sollte die Wohnung im Internet anbieten, allerdings nicht bei einem der großen Portale, sondern auf einer öffentlich kaum auffindbaren Seite. Der Makler, mit dem er eine geheime Absprache hätte, würde nun einen passenden Mieter suchen und sich von diesem offiziell einen „Suchauftrag“ erteilen lassen – damit läge die Courtagepflicht auch bei diesem Mietinteressenten. Der Makler würde nun „offiziell“ den Vermieter kontaktieren, ganz so, als wäre er zufällig im Internet auf dessen eigentlich schwer auffindbare Webseite gestoßen. Kommt eine Vermietung zustande, liegt die Zahlungsverpflichtung beim Mieter – denn offiziell hat ja der den Makler beauftragt.

Solche Überlegungen und die Berichte darüber findet Jürgen Michael Schick vom Maklerverband gar nicht lustig. „Die Lösung kann auf keinen Fall die Umgehung eines bestehenden Gesetzes sein“, sagt er. Nachsatz: „Wir wissen sehr genau, wie es um das Image unserer Berufsgruppe bestellt ist. Sehr genau.“ Einzelne Missetäter würden die ganze Branche in Verruf bringen. Nicht zuletzt deshalb fordere der Verband seit langem strengere Zulassungsbestimmungen für den Maklerberuf.

Das große Trommeln

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Sein Lebenswerk hört Jürgen Tautz meistens schon von weitem. Es brummt. Der Professor stemmt sich am Rande des Würzburger Campus gegen ein Gittertor, im Haus dahinter ist der Bienen-Live-Stream, der seine Forschung in die Welt verschickt. Tautz, Mitte 60, weißes Haar, ist wohl Deutschlands bekanntester Bienenforscher – und ein begnadeter Erklärer und Lehrer, einer, der will, dass wirklich jeder etwas über Bienen lernt. Er betreibt die Dauer-Schalte aus dem Bienenstock, er schreibt Kinderbücher und Beiträge für Schulen, in Gärten von Altenheimen stellt er Bienenstöcke auf, dreht Kurzfilme fürs Kino und pflegt eine Lernplattform zur Honigbiene. Jetzt im Winter, so erfährt man dort, halten sich die Bienen mit „Power-Kuscheln“ warm.

Und dann ist da natürlich die Fachwelt. Wer sich mit der „Apis mellifera“ beschäftigt, also der Honigbiene, der kommt an Jürgen Tautz kaum vorbei. Dass aber seine Ergebnisse nur für die Kollegen die Universität verlassen, für Tagungen oder für Fachjournale – das widerspräche dem, was ihm wichtig ist: die Kommunikation der Wissenschaft mit der Gesellschaft.





Dafür wurde Tautz schon geehrt, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der großen staatlichen Fördereinrichtung: mit dem „Communicator-Preis“. Jedes Jahr begibt sich die DFG, zusammen mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, auf die Suche nach Forschern, die „in herausragender Weise“ ihre Ergebnisse in die breite Öffentlichkeit tragen. So soll „der immer wichtigere Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit gestärkt werden“, heißt es. Tautz führt diesen Dialog mit Leidenschaft. Und das wird eben immer wichtiger: Die Wissenschaft hat das Sprechen gelernt, Hochschulen kommunizieren professioneller, rüsten ihre Abteilungen dafür auf, pflegen ihre Marke fast wie Unternehmen – so stark aber, dass Beobachter die Gegenfrage stellen: Wird nicht schon zu viel kommuniziert?

„Erklären Sie noch oder werben Sie schon?“ So fragte kürzlich das Magazin Deutsche Universitätszeitung auf dem Titel frech seine Leser. Und berichtete dann über „Schönfärberei und Alarmismus“ in Pressemittelungen oder „Banalisierung“ von Forschung. Kommuniziert wird ja mit Verve und auf allen Kanälen: Zeitschriften von Universitäten waren einst oft Hefte in der Machart von Schülerzeitungen – heute sind es Hochglanzmagazine. Waren Professoren früher als Experten selten zeitnah zu erreichen („Schicken Sie ein Fax, er meldet sich in den nächsten Wochen“), werden Ansprechpartner nun strategisch vermittelt. Die Öffentlichkeitsarbeiter sind zunehmend ausgebildete Journalisten. Viele Unis haben Expertendatenbanken nach Stichworten von A wie Aids bis Z wie Zuwanderung, es laufen Nachrichtenticker, sogar Bundestagsprotokolle werden studiert – um relevante Themen herauszufiltern, um Forscher bereit zu halten oder aktiv Expertisen anzubieten. Selbstverständlich werden Twitter und Co. bedient.

Und da sind die vielen Veranstaltungen, ganz neue Formate – von „Kinder-Universitäten“, mit denen der Nachwuchs von überübermorgen Wissenschaft erlebt, bis zum Seniorentag, von üppig inszenierten nächtlichen Vortragsreihen („Night of the Profs“) bis zur rollenden Ausstellung auf Bahngleisen, von offenen Laboren bis zum „Science Slam“. Bei diesen Turnieren treten Forscher gegeneinander an, der Applaus des Publikums kürt den besten Erklärer. Bienenforscher Tautz schildert schon mal bei einem Automobilgipfel Managern, was sich deren Branche von der Funktionsweise des Bienenstocks abschauen kann.

Das alles kann famose Möglichkeiten zum Dialog schaffen, es kann Universitäten in die Mitte der Gesellschaft bringen und Wissenschaftlern die nötige Bodenhaftung verschaffen – Elfenbeinturm ade. Oder ist das alles zu dick aufgetragen?

„Image statt Inhalt?“ – unter dem Motto haben sich vor wenigen Monaten auf Einladung der Volkswagen-Stiftung Forscher, Uni-Verwalter, Politiker und Journalisten in Hannover an einer Bestandsaufnahme versucht. Tenor: Ja, raus aus dem Elfenbeinturm. Wie es Niedersachsens Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić sagte: Forscher müssten „das Handwerk der Reduktion“ verstehen. Vor allem stach aber der Beitrag der Medienwissenschaftler Frank Marcinkowski (Uni Münster) und Matthias Kohring (Uni Mannheim) hervor. „Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass der wissenschaftliche Erkenntnisprozess dadurch befördert würde, dass möglichst viele zugucken“, lautet ihre These.

In Systemen wie Universitäten, die nun mal finanziert werden müssen, fühlten sich Forscher jedoch zu diesem Dialog gezwungen: „In der Aufmerksamkeitsindustrie gilt es jetzt schon als Makel, nicht zu kommunizieren und Öffentlichkeit nicht für ein Allheilmittel zu halten. Wer gegen Öffentlichkeit ist, macht sich verdächtig und gilt als zurückgeblieben.“ Die Gefahr dabei, so die beiden Medienforscher: Öffentliche Aufmerksamkeit werde zur „Leitwährung der Wissenschaft“ – Themen könnten mit einer Schere im Kopf ausgewählt, Hypothesen umformuliert werden.

Die beiden haben auch ermittelt, dass zwei Drittel der Pressestellen in jüngster Vergangenheit aufgestockt wurden, beim Personal wie beim Budget. Knapp 2000 Befragte, die 265 Hochschulen repräsentieren, füllten Fragebögen aus. Wie viele Menschen aber bundesweit an der öffentlichen Vermittlung von Wissenschaft arbeiten, wie hoch die Etats aller Hochschulen und Institute sind – diese Zahlen gibt es nicht.

Julia Wandt hätte diese Daten gern. Sie leitet die Abteilung Kommunikation und Marketing an der Universität Konstanz, zudem ist sie Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation, in dem die Zunft organisiert ist. „Noch nie haben Hochschulen so breit und so professionell kommuniziert wie heute. Auch bei den beteiligten Personen und Budgets kann man von diesem Trend ausgehen“, sagt Wandt. Allerdings: Keine bundesweiten Daten.

Den Trend zum Wachstum sieht sie aber: „Hochschulen benötigen nicht mehr oder weniger Marketing als Unternehmen oder andere Einrichtungen.“ Wo Wettbewerb sei, gebe es auch Marketing – „und Wettbewerb findet eindeutig statt, um die besten Wissenschaftler, um Studenten, um Kooperationspartner. Gerade die von der Politik aufgelegten Förderprogramme, vor allem die Exzellenzinitiative, sind nach dem Wettbewerbsprinzip ausgelegt.“ Hier spielten, so Wandt, nicht nur Kreativität und Relevanz von Forschungsleistungen eine Rolle, sondern eben auch die öffentliche Wahrnehmung der Leistungen. „Wenn man erfolgreich ist, als ganze Einrichtung oder in einem Bereich, muss und kann man das nutzen.“ Andererseits verpflichte das umso stärker, professionell zu kommunizieren: „Erfüllt man die Punkte, die versprochen wurden, wie setzt man die Gelder der öffentlichen Förderung genau ein?“

Die Umstände scheinen tatsächlich das Sprechen der Wissenschaftler zu fördern. Trotz der vielen Defizite im System, zum Beispiel bei den prekären Verträgen junger Forscher: Hochschulen und Forschung erhalten so viel Geld wie nie. Bund und Länder haben laut Statistischem Bundesamt zuletzt fast 80 Milliarden Euro im Jahr ausgegeben. Hinzu kommt, dass an manchen Hochschulen schon die Hälfte des Etats nicht mehr aus der regulären Finanzierung stammt – sondern aus „Drittmitteln“ vom Staat und aus der Wirtschaft, über Anträge für Projekte, über Wettbewerbe.

Dadurch entsteht ebenfalls der Zwang, möglichst attraktiv zu wirken. In Anträgen müssen Wissenschaftler meist schildern, wie sie denn Ergebnisse ihres Projekts öffentlich darzustellen gedenken. Wandt sagt: „Die große Mehrheit versteht, dass sie erklären müssen – und tun es auch gerne.“ Ihre Kollegen und sie unterstützten dabei: So wisse nicht jeder Professor, dass Journalisten nicht Monate wie bei einem wissenschaftlichen Text, sondern oft nur Stunden Zeit für eine Recherche hätten.

Einblicke hat sich Dieter Willbold verschafft, Physikalischer Biologie an der Uni Düsseldorf und am Forschungszentrum Jülich. Sein aktuelles Gebiet ist die Alzheimertherapie, Willbold ist durchaus ein gefragter Mann. Es geht weniger um Details der „mobilen Aggregate von Proteinen“ – sondern um das, was etwa bei Mäuseversuchen beobachtet wird. „Ich bin mit meinen bisherigen Auftritten und Interviews nicht total unzufrieden gewesen, habe aber gemerkt: Es gibt ein Handwerkszeug, das man lernen und trainieren kann“, sagt Willbold. Nämlich: „Verständlich erklären, an Fragen anknüpfen, sich kurz halten, nicht alles in die erste Antwort packen.“ Trainiert hat er das bei einem Kurs, gebucht über den Professorenverband. Mit Feedback des Kursleiters, einem Journalisten, und der anderen Teilnehmer. Ehrliches Feedback, wohlgemerkt. „Sonst wird man immer ja eher nur gelobt als Wissenschaftler“, sagt Willbold und lacht. Sonst spricht er angenehm sachlich, man hört ihm sehr gerne zu. Vielleicht schon ein Lerneffekt.

Und wie sieht er die Debatte über eine zu intensive Medienarbeit? Willbold argumentiert damit, dass die öffentliche Hand viel Geld für Wissenschaft ausgebe; und dass gewisse Dinge zwingend publik werden müssten. „Erklären und werben schließen sich dabei nicht aus“, sagt er. Als Wissenschaftler wolle man „immer alles so exakt formulieren, dass es eben exakt richtig ist. In der Öffentlichkeitsarbeit braucht es da auch mal Kompromisse. Wichtig ist mir aber: nichts aufbauschen.“ Das sei in seinem Metier „eine Gratwanderung, man könnte hier zum Beispiel bei Patienten schnell falsche Hoffnungen wecken“.

„Ich muss nie überlegen, was ich gleich im Radio erkläre“, erzählt Bienenforscher Tautz, er läuft vorbei an einem Kino-Plakat: „Bee Movie – Das Honigkomplott“, ein US-Animationsfilm, Hauptrolle Barry B. Benson als männliche Arbeitsbiene. „Fachlich ist das natürlich falsch“, sagt Tautz, „Arbeitsbienen sind weiblich.“ Also drehte Tautz 2008 seinen eigenen Film: drei Minuten, in denen ein paar Dinge richtiggestellt wurden. Als „Bee Movie“ 2008 in die Kinos kam, flimmerte in Tausenden Kinos zuerst der Lehrfilm über die Leinwand. Wenn es um seine Bienen geht, ist Tautz überall. Sogar zwischen Popcorn und Kinosesseln.

Das Erklären, das Rechtfertigen, es hat ihm niemand vorgeschrieben, es ist in seinem Fall weniger ein Produkt universitärer Zwänge – es ist mit seiner Biografie zu erklären. Tautz machte einst als Erster in seiner Familie Abitur. Als er sein Studium begann, Biologie in Darmstadt, begannen die Fragen daheim. „Auf keinen Fall“, erzählt Tautz, „durfte ich Fachchinesisch reden.“ Damit hätte er es getötet, das Interesse der Familie. Also begann der junge Mann mit dem Erklären: Wie machen Leuchtkäfer Licht ohne Strom? Wieso fallen Fliegen nicht von der Decke? Montag bis Samstag forschte er im Labor. Am Sonntag „übersetzte“ er das. Vier Jahrzehnte später forscht er noch immer. Und erklärt.

Natürlich könnte man sagen: Tautz hat es leicht, die Menschen mögen Bienen. Bei Nacktmullen wäre das schwieriger. Aber auch die Honigbiene ist kompliziert, Zuhörer schalten bekanntlich schnell ab. Wer will wissen, dass Bienen zweidimensionale, codierte Schwingmuster erzeugen, die sie mit einer Frequenz von 300 Hertz auf die Wabenwände übertragen? Tautz ist es einfach wichtig, dass alle ihn verstehen: Der Greis, das Kind, der Student und die Hausfrau, wie es früher seine Mutter war.

Es obliegt wohl am Ende der Wissenschaft selbst, ihren Umgang mit der Öffentlichkeit zu definieren. Zwei Initiativen haben das jüngst getan: Unter Federführung der Leopoldina, der Nationalen Akademie der Wissenschaften, gab es „Empfehlungen vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen“ (siehe Kasten). Und der „Siggener Kreis“, in dem unter anderem die Hochschulrektorenkonferenz mitwirkt, hat Leitlinien für gute Kommunikation erarbeitet.

In dem Kreis engagiert sich der Verband von Julia Wandt. „Natürlich arbeiten Hochschulsprecher für ihre Einrichtung, natürlich wollen sie die Erfolge bestmöglich dargestellt wissen; aber es muss wahrhaftig und glaubwürdig sein“, sagt sie. Übertourte Medienarbeit würden schon die Wissenschaftler auf gar keinen Fall mit sich machen lassen –„sie sind die Hauptakteure und haben das Heft in der Hand.“

Kreuz unterm Halbmond

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Athen – Christen in der Türkei sollen erstmals seit Gründung der Republik im Jahr 1923 in Istanbul wieder eine Kirche bauen können. Die Gemeinde der assyrischen Christen soll dafür im Stadtteil Yeşilköy, unweit des Atatürk-Flughafens, ein staatliches Grundstück erhalten. Das berichteten türkische Medien nach einem Treffen von Regierungschef Ahmet Davutoğlu mit Vertretern der christlichen Minderheiten und der jüdischen Gemeinde zu Jahresbeginn. Bislang wurden Kirchen in der Türkei nur renoviert, aber nicht neu errichtet, und auch bei Restaurierungswünschen legten die Behörden den Gemeinden oft jahrelang Steine in den Weg.

In der Türkei leben nur etwa 100000 Christen, die große Mehrheit der 77 Millionen Türken sind sunnitische Muslime. Aber es gibt auch noch andere Minderheiten, wie die Aleviten. Erst jüngst hatte Papst Franziskus auch ihnen aus der Seele gesprochen, als er bei seinem Ankara-Besuch volle Religionsfreiheit für alle verlangte. Das Baugesetz verhindert Kirchenbauten eigentlich schon seit einer Weile nicht mehr. 2004 war deutschsprachigen Christen in Antalya gestattet worden, auf der Basis des Vereinsrechts eine neue Gemeinde zu gründen. Auch dies war damals eine Premiere. Die Gemeinde Sankt Nikolaus in Antalya errichtete aber kein Gotteshaus, sondern baute ein früheres Internet-Café mit finanzieller Hilfe der Deutschen Bischofskonferenz in eine Kirche um.

Die etwa 20 000 Mitglieder starke Minderheit der assyrischen Christen, zu der Orthodoxe und Katholiken gehören, lebt vor allem im Südosten des Landes. Zuletzt hat sie durch Flüchtlinge aus Syrien Zuwachs bekommen. Die Türkei hat etwa 1,5 Millionen Syrer aufgenommen, darunter auch Christen. Der Kirchenbau in Istanbul soll aus den Mitteln einer Stiftung finanziert werden, hieß es in Ankara.

Weltberühmt ist vor allem das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel in der kargen Berglandschaft des Tur Abdin (Berg der Knechte), nahe der syrischen Grenze. Erst 2013 erhielt das aus dem vierten Jahrhundert stammende Kloster nach jahrelangem Rechtsstreit im Rahmen eines „Demokratisierungspakets“ Ländereien zurück. Damals war noch der heutige Präsident Recep Tayyip Erdoğan Premier.

Die Christen feierten dies als wichtigen Schritt, aber viele waren auch enttäuscht, besonders die griechisch-orthodoxe Kirche. Dieser wird weiter die Priesterausbildung verweigert. Ihre Theologische Hochschule auf einer Insel vor Istanbul wurde schon 1971 zwangsweise geschlossen. Erdoğan hat mehrmals die Wiederöffnung versprochen, dann aber immer wieder verschoben und „Gegenleistungen“ von der griechischen Regierung verlangt: den Bau einer Moschee in Athen. Das Patriarchat betont, beides habe nichts miteinander zu tun.

Unter beträchtlichem Druck der EU hat Ankara den Kirchen Teile ihrer über Jahrzehnte hinweg enteigneten Grundstücke zurückerstattet. Republikgründer Atatürk war kein Freund der Religiösen, er verbot auch muslimische Bruderschaften. Erdoğan wird oft vorgeworfen, das Land zu „islamisieren“, weil seine Partei den sunnitischen Islam in der Türkei wieder sichtbarer gemacht hat. Der Grünen-Politiker Volker Beck begrüßte den Kirchenbau. Beck, religionspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, forderte aber auch ein Ende der „Benachteiligung aller religiösen Gemeinschaften, die nicht dem sunnitischen Islam angehören“. Davutoğlu verurteilte bei dem Treffen mit den Religionsführern auch die jüngsten Anschläge auf Moscheen in Europa und rief dazu auf, gemeinsam die Stimme gegen die „Islamophobie“ zu erheben. 
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