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Meine Straße: Guldeinstraße

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Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir regelmäßig junge Münchner, uns ihre Straße zu zeigen. Heute:
 



Jens, 25, Onlineredakteur


Die Guldeinstraße geht von der Trappentreustraße an der Donnersbergerbrücke ab, gleich hinter dem Trachten Angermair. Die wenigsten Leute haben diese Gegend auf dem Schirm. Denn wer ans Westend denkt, hat ja meist das Westend oberhalb der Wiesn vor Augen, dabei ist das eher die Schwanthalerhöhe. Ich wohne seit 2009 hier und liebe diese Gegend, man ist mit der Tram oder der S-Bahn schnell in der Stadt, aber mit dem Auto noch schneller auf dem Mittleren Ring und aus der Stadt draußen.
 
Meine Straße ist sehr leise und hübsch. Sie ist eher eine Wohngegend, aber gerade deshalb mag ich sie auch so, weil sie nämlich einen ganz besonderen Schlag Mensch beherbergt. Es sind die typischen Westend-Leute: sehr entspannte Menschen, leicht hippiesk, aber selten hip oder trendy. Es gibt viele Familien und auch viele Künstler oder Kunsthandwerker. Sie sind weder besonders ehrgeizig noch arrogant, sie dümpeln so vor sich hin und machen ihre Kunst, die meist nicht besonders erfolgreich ist, aber das scheint sie gar nicht weiter zu stören. Sie setzen gar nicht so sehr auf Konsum, eher auf Gemeinschaft. Sie gehen gar nicht so besonders viel weg, hinter fast jedem Haus gibt es einen großzügigen Hinterhof, und dort treffen sie sich zum Essen und Sitzen und Reden oder zum Musikmachen. Das kann man sehr gut bei den alljährlich stattfindenden Hofflohmärkten oder den „Open Westend“-Tagen beobachten. Es gibt hier auch noch viele kleine Musikstudios.

Viele wohnen hier schon ihr Leben lang. Neulich brachte mich ein Taxifahrer nach Hause, der in der Guldeinstraße in die Grundschule gegangen ist, zu der Zeit, als über die Donnerbergerbrücke noch die Tram fuhr. Und vor einiger Zeit wurde eine Hausfassade neu gestrichen, aber schon einige Stunden später hatte jemand wieder ein Anarchie-Zeichen drauf gesprüht, und da steht es bis heute.

Es gibt zwei großartige asiatische Restaurants hier um die Ecke, das Mimi in der Westendstraße 148 und das Thai Basilikum in der Westendstraße 134, letzteres kennen viele bestimmt als Lieferservice. In der Guldeinstraße selbst gibt es noch das Grill & Grace, das ist, wie der Name ahnen lässt, ein bisschen yuppiehaft, aber nicht ekelhaft yuppiehaft, sondern nett yuppiehaft. Man grillt das Fleisch und das Gemüse, das man bestellt, an einem Grill in der Mitte des Restaurants selbst und kann sich dabei beraten lassen. Die meisten Restaurants hier in der Ecke sind abends viel leerer als mittags, weil es so viele Büros in der Nähe gibt und die Menschen immer von dort zum Mittagessen strömen. Abends sind sie alle weg. Und es gibt einen tollen Weinhandel, Vini Nobili, dessen Besitzer allerdings nur zu sehr ungewöhnlichen Zeiten vor Ort ist oder nach Vereinbarung. Man kann sich da super beraten lassen, wenn man mal Freunde oder die Eltern zum Essen da hat und ihnen guten Wein auftischen möchte. Außerdem gibt es in der Trappentreustraße 8 noch einen Antiquitätenladen, Westend antik, der hat wirklich alles, viele Klassiker, hübschen Kleinkram. Wir haben da schon sehr viele schöne Möbel für unsere WG gekauft. Mein Gemüse kaufe ich im italienischen Gemüseladen Paradiso in der Westendstraße, Ecke Astallerstraße. Dort ist alles so frisch und die Stimmung ist immer saulustig, man fühlt sich wie im Urlaub.

Uhrenvergleich!

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Tagesblog am 11. September 2014

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14:45 Uhr: Ich war gerade mit einem Schoko-Cookie am Panorama-Newsdesk von sz.de. In Sachen Schweini. Habe leider trotz meiner Bestechungsversuche nicht viel Neues herausgefunden, das man auch schreiben darf ohne eine Klage am Hals zu haben. Nur so viel: Die mutmaßliche Schweini-Händchenhalterin Ana Ivanovic ist einen Zentimeter größer als Schweinsteiger. Und die Bunte hat wohl beim Management von Schweinsteiger-Ex Brandner angefragt, was dran ist an den Gerüchten. Die will sich aber nicht äußern. So. Ende der Klatsch-Stunde für heute.


Bestechungscookie vor Schweinsteiger-News.


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13:58 Uhr:
Sorry, ich muss jetzt mal ein bisschen den Fuß vom Lustige-Netzfundstücke-Gaspedal nehmen und auf eine Meldung von Zeit Online verlinken. Es geht um Islamisten, die aus Deutschland nach Syrien ausgereist sind. Es gibt über diese Gruppe jetzt erstmals statistische Daten vom Verfassungsschutz: Er hat ihr Alter, ihre Herkunft und ihren Bildungsgrad untersucht. Nur 26 Prozent hatten einen Schulabschluss. Der jüngste war 15, jeder Dritte ist zwischen 21 und 25 Jahre alt. Die Daten bestätigen, was Experten vermutet haben: Eine gescheiterte Bildungskarriere kann ein auslösender Faktor für Radikalisierung sein.

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13:25 Uhr:
Alte Fotos aus den Achtzigern sind oft lustig. Fotos von Fußballern auch. Was sind ergo alte Fotos von Fußballern aus den Achtzigern? Der H a m m e r ! ! Ganz viele davon hat der Guardian gesammelt, zum Beispiel, Eric Cantona als, ähm, Maler.
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12:13 Uhr:
Weil in den Kommentaren unten gerade über diese Subway-Anzeige diskutiert wird:
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Die stammt nicht von Subway selbst, sondern ist eine Fake-Meldung der Satireseite "The Onion" gewesen.

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12:03 Uhr:
Ich gehe jetzt runter, kaufe am Automaten oder an der Kaffee-Theke Dinge mit Schokolade und besteche damit das Panorama-Ressort, um Schweinsteiger-Infos abzugreifen. Bis gleich!

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11:55 Uhr:
Hätte ich nicht den letzten Eintrag hier schon mit "Sacklzement" begonnen, würde ich es jetzt tun. Diesmal wäre es auch passender. Und zu diesem Rucksack kann man sonst eigentlich sowieso gar nichts mehr sagen:
[plugin imagelink link="https://pbs.twimg.com/media/BxLSZKaCQAAmXZi.jpg" imagesrc="https://pbs.twimg.com/media/BxLSZKaCQAAmXZi.jpg"]

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11:38 Uhr:
Ja Sacklzement, is das schon spät. Ewig konferiert haben wir, und dann dauerklingelndes Telefon. Wie soll man denn da bloggen?

Dafür habe ich jetzt etwas sehr Schönes: Fotos von Schlafenden aus aller Welt, die sich niedergelegt haben, wo immer sie gerade Zeit und Platz fanden: zwischen Zwiebelsäcken, auf dem Gepäckträger eines Fahrrads, auf einer Baustelle. An den Bildern sieht man, was einem eigentlich jeden Morgen klar wird: Schlafen ist einfach das Beste!

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[plugin imagelink link="http://inapcache.boston.com/universal/site_graphics/blogs/bigpicture/sleepersPartII/bp8.jpg" imagesrc="http://inapcache.boston.com/universal/site_graphics/blogs/bigpicture/sleepersPartII/bp8.jpg"]

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9:56 Uhr:
Unsere neue Superillustrationscheckerin Dani ist heute nicht da. Sonst müsste ich sie sofort knuddeln und abknutschen für die schöne Infografik, die sie uns heute auf unsere Zeitungsseite gezaubert hat:



Wer die Zeitung nicht hat, kann den Burger-Burrito-Bubble-Tea-Zeitstrahl auch hier sehen:

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9:46 Uhr:
Was natürlich nicht unerwähnt bleiben darf: Richard Kiel ist gestorben, das wohl berühmteste Gebiss der Filmgeschichte.
[plugin imagelink link="http://media.giphy.com/media/nG8y9uYD69jLq/giphy.gif" imagesrc="http://media.giphy.com/media/nG8y9uYD69jLq/giphy.gif"](via giphy.com)

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9:07 Uhr:
Zurück aus der sz.de-Konferenz. Themen heute unter anderem:

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8:35 Uhr:
Bevor ich in die erste Konferenz sprinte, will ich dem geneigten Leser noch den heutigen Ticker ans Herz legen. Es geht um die Frage, warum man manche Dinge immer wieder konsumiert: Lieblingslieder auf Repeat. Lieblingsbücher, die man vier mal liest. Lieblingsfilme, die man immer wieder ansehen will. Man tut das aus Gewohnheit, aus Sucht, aber auch aus therapeutischen Gründen, so die Theorie. Interessant! Also bitte lesen. Von mir aus auch mehrmals.


(Foto: andybahn / photocase.de)

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8:24 Uhr
Guten Morgen! Grade ein bisschen schlucken müssen, als ich in die Überschrift des heutigen Tagesblogs "11. September" geschrieben habe. Löst dann doch jedes Jahr wieder ein ungutes Gefühl aus, dieses Datum.

Die zwei Gedenk-Lichtsäulen in New York (Foto: Reuters)


Was schaust du auch noch ein zehntes Mal?

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Ich liebe Geschichten. In jeder Form. Ich liebe es, neue Geschichten erzählt zu bekommen. Aber es gibt auch alte Geschichten, die mir immer wieder Spaß machen. Neulich zum Beispiel habe ich "König der Löwen" geguckt, weil das als Kind mein Lieblingsfilm war. Wenn einer der "Harry Potter"-Filme im Fernsehen läuft, freue ich mich und schaue ihn an, dabei kenne ich ja schon alle. Ich habe die kompletten "Sopranos" ein zweites Mal angesehen. Und ich höre jeden Abend eine Folge "Drei Fragezeichen" zum Einschlafen - meist eine, die ich schon sehr gut kenne, dann muss ich nicht befürchten, im ersten leichten Schlummer von einer verzerrten Gruselstimme geweckt zu werden.



...uuund noch mal!

Auch die anderen Wiederholungen haben damit zu tun, dass ich mich wohl und geborgen fühle, wenn ich etwas sehe oder höre, das ich kenne. Wenn ich mit der Geschichte vertraut bin wie mit einem lieben Menschen. Wenn ich dadurch die Möglichkeit habe, mich auf Details zu konzentrieren, die mir bisher entfallen waren. Und wenn ich meinen Ist-Zustand daran prüfen kann, wie ich auf den Film oder das Hörspiel reagiere: Wieso bin ich gerade so erschrocken, die Stelle kannte ich doch schon? Wieso muss ich bei dieser Szene weinen, das war doch letztes Mal auch nicht so?

Auf der Seite des "Atlantic" gibt es gerade einen Text zum Thema "On Repeat". Der Autor spürt dem Re-Watching von Filmen und Serien nach. Er findet verschiedene Gründe. Gewohnheit natürlich, Sucht, Rituale. Oder auch die "Status-Quo Bias", der Hang des Menschen dazu, bei einer Entscheidung zu bleiben, weil eine neue und eine Veränderung mental anstrengend sind. Das gilt für den blöden Job nicht kündigen, weil man keine Lust hat, einen neuen zu suchen. Und das gilt vielleicht auch für zum zehnten Mal "Die fabelhafte Welt der Amélie schauen", wenn es sich gerade ergibt, auch, wenn man längst nicht mehr der Amélie-Typ ist. Der "Atlantic-Autor" erwähnt auch einen möglichen "therapeutischen Grund": Man versetzt sich in die Zeit, als man den Film oder die Serie zum ersten Mal gesehen hat, und setzt sich dadurch mit sich selbst und der eigenen Entwicklung auseinander.

Könnte aber auch sein, dass alles viel einfacher ist und der Grund für das Nochmalanschauen bloß: Man mag den Film oder die Serie. Oder das Buch. Mit Büchern geht das nämlich auch. Eine Freundin von mir hat zwischen ihrem sechszehnten und ihrem zwanzigsten Lebensjahr vermutlich etwa zehn Mal "Die Mitte der Welt" von Andreas Steinhöfel gelesen, weil sie es so mochte.

Bist du ein Wiederholungs-Gucker oder -Leser? Welchen Film, welche Serie hast du mehrmals gesehen, welches Buch mehrfach gelesen? Und wie oft? Oder kannst du das alles überhaupt nicht verstehen und sagst "Denn keeenn ich doch schooon!", wenn jemand einen Film anschauen willst, den du schon gesehen hast?

Schlag gegen Websites

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Recep Tayyip Erdoğan hat in den letzten Monaten seiner Amtszeit als Premierminister keinen Zweifel daran gelassen, was er von den sozialen Netzwerken hält: Der Kurznachrichtendienst Twitter sei eine „große Gefahr“, müsse an „der Wurzel“ ausgerissen werden und diene als „Mittel für systematischen Rufmord“. Die Freiräume im Internet sind der türkischen Regierung schon lange nicht genehm, im Februar hatte sie ein Gesetz zur schärferen Internetkontrolle durchgesetzt. Nun ist Erdoğan Präsident, sein Nachfolger im Amt des Regierungschefs ist Ahmet Davutoğlu, aber am Misstrauen der Regierung gegen das Internet hat sich nichts geändert. Die AKP hat ihre Parlamentsmehrheit genutzt, um die Kontrolle im Netz weiter auszubauen.



Hegt großes Misstrauen gegen das Internet: Präsident Erdoğan.

In der Nacht zum Mittwoch verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das über die bestehende, ohnehin schon restriktive Regelung von Februar in zwei Punkten noch hinausgeht. Künftig darf die staatliche Telekommunikationsbehörde TIB Websites ohne Gerichtsbeschluss sperren, zum Schutz der nationalen Sicherheit, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen oder um Verbrechen zu verhindern – Formulierungen, die viel Spielraum bei der Auslegung lassen. Erst nach der Sperrung muss sich die Behörde innerhalb von 24 Stunden an ein Gericht wenden, das die Blockade – wiederum innerhalb einer 48-Stunden-Frist – genehmigen muss.

Bisher war das Sperren von Internetseiten ohne vorherigen Gerichtsbeschluss nur zulässig, wenn eine eindeutige Verletzung von Persönlichkeitsrechten vorlag. Das neue Gesetz sieht außerdem vor, dass TIB Nutzerdaten bis zu zwei Jahre auf Vorrat speichern darf. Bisher galt eine zweijährige Speicherpflicht für Dienstanbieter; die staatliche TIB durfte diese Daten abfragen, wenn im Rahmen von Ermittlungen ein richterlicher Beschluss vorlag. Mit der neuen Regelung darf die Behörde Nutzerdaten anfordern oder erheben, speichern und entsprechend schnell darauf zugreifen; sie darf diese Daten zudem an die Sicherheitsdienste weitergeben – benötigt dafür allerdings einen Gerichtsbeschluss.

Kritiker fürchten, das Gesetz werde Bürgerrechte weiter einschränken. Erdal Aksünger, Abgeordneter der größten Oppositionspartei CHP, sagte der Zeitung Today’s Zaman, die Türkei sei nun ein Ort geworden, „in dem Gesetzesänderungen über Nacht vorgenommen werden, um das Land nach Gestapo-Manier zu regieren“. Die neue Macht der TIB-Behörde schaffe die Gewaltenteilung ab. Der Internet-Experte Kerem Altıparmak warnte, mit dem Gesetz könne der Vorsitzende der Internetbehörde willkürlich gegen Websites vorgehen, die ihm nicht gefielen. Und die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte das Gesetz als „Eingriff in die Privatsphäre aller Internetnutzer“.

Erdoğan muss dem vom Parlament verabschiedeten Gesetz noch zustimmen. Dass er das tun wird, bezweifelt aber niemand. Schließlich war er es, der im Frühjahr eine Sperre von Youtube und Twitter angeordnet hatte. Dort hatten Telefonmitschnitte und Korruptionsvorwürfe gegen ihn die Runde gemacht, etwa eine Aufnahme, in der er angeblich seinen Sohn anweist, Schmiergelder zu verstecken. Das Verfassungsgericht hob die Sperre der Seiten später wieder auf.

Die Rechnung, bitte!

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Die Idee zu LaterPay (deutsch: später zahlen) kam Cosmin-Gabriel Ene im Sushi-Restaurant. Er saß mit Freunden unter japanischen Lampen und bemerkte, dass das Bezahlen in der Gastronomie einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem im Internet hat: Geld kommt erst nach dem Essen ins Spiel. „Niemand verlangt, dass ich mich am Eingang registriere oder einen bestimmten Betrag vorab zahle“, erinnert sich Ene. Das muss doch auch online für Texte möglich sein, dachte er sich und entwickelte 2010 mit seinem Partner Jonas Maurus die Idee LaterPay – ein Bezahlsystem im Internet, das wie die Rechnung im Restaurant funktioniert: Der Kunde zahlt erst nach der Lektüre.



Bei LaterPay hält man nichts vom Modell der New York Times.

Ene nennt das Angebot einen „micropayment enabler“ – soll heißen: LaterPay will das Bezahlen auch von Kleinstbeträgen in den digitalen Journalismus bringen. Möglich wird dies durch ein System, das die Besucher einer Website bei neuerlichem Besuch wiedererkennt und bestellte Artikel wie im Restaurant addiert: Der Kunde klickt auf eine Reportage (50 Cent), ein Interview (ein Euro) oder einen Kommentar (30 Cent). Das LaterPay-System addiert die Beträge, ab einer Summe von fünf Euro ist man dazu verpflichtet, sich zu registrieren und zu bezahlen.

Mit dieser Idee und der nötigen Technik reiste Ene, Mitgründer und früherer Geschäftsführer des Musiksenderbetreibers Deluxe Television, in den vergangenen Jahren zu denen, die einen solchen Möglichmacher brauchen könnten: Verleger. Über wenig anderes wird in der Medienbranche seit Jahren so nachhaltig wie ratlos diskutiert wie über die Frage, wie man Bezahlmodelle im Netz etablieren kann. Ene war also hochwillkommen in den Chefetagen deutscher Verlage, er berichtet von sehr guten Gesprächen dort. Drei unterschriebene Verträge brachte er von diesen Treffen mit, umgesetzt wurde trotzdem keiner. Immer kam irgendwas dazwischen. Die Gründe waren so vielfältig, dass Möglichmacher Ene kein schlechtes Wort über einen der Vertragspartner verliert. Er spricht eher allgemein über die Innovationskultur in der Medienbranche, wenn er sagt: „Wenn wir als Kleine um die Branchengrößen werben, sind wir die, die man nett findet und die man versucht, zurecht zu formen – in die Richtung, die man selber will.“ Wirkliche Neuerungen, ein echter Wandel im Denken, sei so kaum umsetzbar: „Innovation ist das, was die Großen dafür halten.“

Was Ene dagegen für Innovation hält funktioniert so: Im Gegensatz zu den Verlagen, die auch im Netz auf klassische Abomodelle bauen, will der Dienst nicht die ganze Kuh verkaufen, sondern dem Kunden glasweise das Produkt Milch schmackhaft machen – und streicht für jedes Glas eine Provision ein. Das Kuh-Milch-Motiv ist sogar auf Enes Visitenkarte zu sehen. Er will zu einem neuen Denken anregen und setzt dies auch selber um. Nach den Erfahrungen mit den Verlagen suchte er sich neue Ansprechpartner: Blogger und freie Journalisten, die im Netz publizieren und ebenfalls nach Bezahlmodellen suchen.

Ene zog mit seinem „Lego-Baukasten fürs Bezahlen“, wie er LaterPay auch nennt, zu dem bekannten Blogger Richard Gutjahr. Der baute das Werkzeug auf seiner Website ein und lenkte Aufmerksamkeit auf das Thema. Auf der Internetkonferenz re:publica zeigte er im Frühjahr erste Ergebnisse, die auf kleinem Niveau bewiesen: Menschen sind im vermeintlichen Kostenlos-Medium Internet durchaus bereit, für Inhalte Geld zu bezahlen. Pro tausend Leser nahm Gutjahr 17 Euro ein. Das sind keine Summen aus dem Bereich der Nobelrestaurants, der Praxistest zeigt aber: Enes Idee könnte funktionieren.

Immer mehr Blogger nutzen das Angebot, das als Zusatzprogramm in der Blog-Software Wordpress installiert werden kann. Das bekamen auch Verlage mit – und luden den Münchner erneut ein. Mit der Hamburger Morgenpost hat er jetzt einen Vertrag abgeschlossen, die Boulevardzeitung wird Enes Werkzeug ab Herbst einsetzen. „Wir wissen nicht, was bei den jeweiligen Kunden gut ankommt“, sagt Ene. „Aber wir geben den Anbietern die Möglichkeit, das herauszufinden.“

Das gelingt, weil LaterPay keine Wand ist, die rund um Inhalte aufgebaut wird. Statt des Begriffs der Paywall, der dafür gern verwendet wird, spricht Ene von einem Tor, durch das man gehen kann und erst danach bezahlt. Er rät allen, die mit Inhalten im Netz Geld verdienen wollen: „Gib deinen Kunden erstmal die Möglichkeit, das Produkt kennen zu lernen. Wenn sie merken, dass es zu teuer ist, einzeln zu zahlen, steigen sie gerne auf ein Abomodell um“, nach einer kurzen Gedankenpause ergänzt er: „Aber nicht weil der Anbieter es sagt, sondern weil sie es selber wollen.“

Cosmin Ene ist überzeugt, dass mit diesem Ansatz nicht nur journalistische Inhalte im digitalen Raum verkauft werden können. Auch in anderen Branchen wie bei Computerspielen sieht er Potenzial für das Prinzip von LaterPay. Wichtig sei es, sich auf die Gegebenheiten des Digitalen einzulassen. Dazu zählt für ihn auch: Stammkunden Rabatte zu bieten. Eine Idee, die ebenfalls aus der Gastronomie kommt. „Wir brauchen Mechanismen, die dir als Leser sagen: Hey, ich bin etwas Besonderes“, deutet Ene Zukunftspläne für LaterPay an. Deshalb hält er nichts von den durchaus erfolgreichen Modellen etwa der New York Times, die dem Leser freien Zugang zu einer bestimmten Anzahl an Artikeln gewähren und danach eine Bezahlung fordern. Wer viel liest, müsse belohnt werden, findet er. Wie im Restaurant, wo man am Ende – mit der Rechnung – manchmal ein Getränk aufs Haus bekommt.

Pfundskerle in Edinburgh

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Er ist so etwas wie der Mr. Pfund der schottischen Nationalisten. Stewart Hosie sitzt für die Separatisten-Partei SNP im britischen Parlament in Westminster und ist deren finanzpolitischer Sprecher. Damit ist er für eines der wichtigsten Themen in der Debatte vor dem Referendum zuständig: Welche Währung würde ein unabhängiges Schottland verwenden? Und welche Folgen hätte dies für das britische Pfund? „Wir werden nach der Unabhängigkeit weiter das Pfund nutzen“, sagt der Abgeordnete aus Dundee. Diese Aussage ist ein wenig trotzig, denn alle drei großen Parteien im britischen Parlament lehnen eine Währungsunion mit einem unabhängigen Nachbarn im Norden ab. Sie wollen das Pfund Sterling nicht teilen.



Immer mehr Schotten sind für die Abspaltung - am britischen Pfund wollen sie aber festhalten.

Sicher ist daher nur die Unsicherheit. Und weil Investoren Unsicherheit fürchten, verliert das britische Pfund seit Anfang der Woche an Wert. Die Finanzmarkt-Profis verkaufen ihre Bestände an Pfund, nachdem eine Meinungsumfrage erstmals eine hauchdünne Mehrheit für die Unabhängigkeit vorhergesagt hat.

SNP-Politiker Hosie verbringt gerade so viel Zeit wie möglich in seinem Wahlkreis im schottischen Dundee, um dort für die Unabhängigkeit zu werben. An einem Stand in der Fußgängerzone, zwischen Tesco und Deichmann, versucht er, Zweifel daran zu zerstreuen, dass die Schotten nach einer Scheidung weiter mit den gewohnten Scheinen und Münzen einkaufen können. Die Behauptung der britischen Parteien, dass es keine Währungsunion geben könnte, sei ein „grotesker Bluff“, sagt der Abgeordnete.

Wenn sich nach einem Sieg der Separatisten im Referendum der Staub gelegt hat, würde sich die britische Regierung schon auf Verhandlungen über eine Währungsunion einlassen, prophezeit er: „Das ist auch im Interesse des verbleibenden Königreichs.“ Schließlich machten viele englische Firmen Geschäfte in Schottland – die Regierung in London werde denen nicht das Leben schwer machen wollen.

Außerdem würde Schottland bei einer Trennung wohl der überwiegende Teil der Ölreserven in der Nordsee zugesprochen, sagt Hosie – und damit die Exporte und Deviseneinnahmen für den Rohstoff. Dies sei ein weiterer Anreiz für London, die Währung mit den Schotten zu teilen, denn andernfalls würde das Pfund nicht mehr von den Öleinnahmen profitieren und an Wert verlieren.

Zwei Länder zahlen mit derselben Währung – eine solche Währungsunion wäre so etwas wie die Euro-Zone, nur in klein. Die Bank of England, die britische Notenbank, würde dann wie die Europäische Zentralbank Inflation und Höhe der Zinsen in mehr als einem Staat kontrollieren, und in ihrem Führungsgremium müssten Vertreter beider Nationen sitzen, vom verbleibenden Königreich und von Schottland.

Großer Vorteil einer Währungsunion: Die wichtige schottische Finanzbranche, etwa Konzerne wie die Royal Bank of Scotland, könnte weiter darauf setzen, dass die altvertraute Bank of England als Währungshüter sie bei einer neuen Finanzkrise mit Geld versorgt – so wie die Europäische Zentralbank die Banken der Euro-Zone bei Turbulenzen flüssig hält. Würde Schottland das Pfund verlieren, droht hingegen eine Abwanderung von Finanzkonzernen gen Süden, nach London.

Allerdings hätte eine Währungsunion auch Nachteile für Schottland: Wie in der Euro-Zone müssten sich die Mitglieder wohl Regeln für solide Haushaltsführung unterwerfen, sie dürften nicht unbegrenzt Defizite anhäufen, weil sonst am Ende der solide Partner unter den Schuldenexzessen des anderen leidet – der Fall Griechenland lässt grüßen. Schottland müsste also, kaum unabhängig, neue Regeln akzeptieren. Einigt sich die Regierung eines unabhängigen Schottlands aber nicht mit London, könnten die Separatisten das britische Pfund ohne Währungsunion weiternutzen. Dafür gibt es Vorbilder: Bosniens Währung war über Jahre de facto die Deutsche Mark, ohne dass die Regierung in Sarajevo mit der Bundesbank ein Abkommen geschlossen hätte. Ecuador und Panama verwenden den US-Dollar. Nach einem solchen Schritt hätte Schottland allerdings keinerlei Einfluss auf die Geldpolitik der Bank of England, wäre jedoch von jeder ihrer Zins-Entscheidungen betroffen. Finanzkonzerne würden vermutlich von Edinburgh nach London umziehen. Schottland bräuchte enorme Währungsreserven, wenn es auch gegen den Widerstand Großbritanniens am Pfund als Zahlungsmittel festhalten wolle, sagte der Chef der britischen Notenbank, Mark Carney, am Mittwoch vor dem Parlament in London.

Ein unabhängiges Schottland will Mitglied der EU werden, daher könnte Edinburgh früher oder später auch den Euro als Währung übernehmen. Nach all den Querelen in der Euro-Zone gilt dies den Schotten allerdings nicht als attraktive Option. Oder die Schotten könnten ihre eigene Währung einführen. Dies würde jedoch – wie ein schottischer Euro – den enorm wichtigen Handel zwischen Schottland und dem Rest des Königreichs erschweren. Schottische Hauskäufer, die bei englischen Banken Hypotheken in Pfund aufgenommen haben, müssten auf einmal ihre Kredite in einer fremden Währung zurückzahlen. Würde eine neue schottische Währung gegenüber dem Pfund an Wert verlieren, würden diese Pfund-Hypotheken zu einer immer größeren Last für die Bürger.

Raus damit

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Okay, so läuft das jetzt. Keine Ankündigungen, keine wochenlangen Werbekampagnen, kein Häppchen-Teasing, kein klassisches Labeltrommeln, sondern: raus damit. Die neue U2, „Songs Of Innocence“. Ab sofort, für alle. Als Geschenk von Apple an die Nutzer von iTunes, mehr als 500 Millionen Menschen. Direkt nach der Präsentation des neuen iPhones am Dienstag in Cupertino kam der Auftritt der Band. Konsequenter, auch gigantomanischer hatte es die Musikindustrie noch nicht. Der größte Album-Release der Musikgeschichte.

Bislang hieß der Marketing-Schrittmacher der Branche eigentlich Jay-Z. Seine gemeinsame Platte mit Kanye West, „Watch The Throne“, stellte er im August 2011 mehr oder weniger plötzlich bei iTunes zum Verkauf ein. Zwei Vorab-Singles waren lanciert worden. Aber eben nicht mehr, es gab keine illegalen Leaks. Und Jay-Z blieb – so lange wie es im Zeitalter des File-Sharing bestenfalls noch möglich ist –, Herr der Lage. Noch cleverer war er im vergangenen Jahr. Sein letztes Solo-Album „Magna Carta... Holy Grail“ verkaufte er per Handy-App vorab fünf Millionen Mal an einen Mobiltelefon-Konzern. Der hatte damit ein schönes Geschenk für seine Kunden und prächtige Werbung – und Jay-Z schon eine Menge Geld auf dem Konto und den ersten Platz in den Charts sicher, bevor irgendjemand die Platte regulär kaufen konnte.



Ohne jede Vorankündigung haben U2 ihr neues Album vorgestellt.

Nun also U2 und „Songs Of Innocence“, das erste Studioalbum der Band seit fünf Jahren. Die größte Stadion-Rockband der Gegenwart, im Verein mit dem derzeit einflussreichsten und wertvollsten Unternehmen. Eine Liebesnacht der PR-Elefanten, Jay-Z werden womöglich ein bisschen die Ohren schlackern. Weil es ja immer höher, schneller, weiter gehen muss, weil alles raus muss und zwar schnell, seien es Smartphones oder 13. Studioalben.

Und weil wir hier auch nicht ewig Zeit haben, soll das die Vorrede gewesen sein. Denn was bleibt denn nun, wenn man den Marketing-Wahnsinn aus dem Kopf hat? Was taugt die Musik?

Den zügigen Eröffnungssong „The Miracle (Of Joey Ramone)“ spielte die Band bei der Apple-Konferenz – um den frenetischen Tech-Jüngern eine finale Dosis Euphorie zu verpassen. Weil man ja den ganzen Tag sagen kann, dass man die Welt verändern will, es sich aber doch erst wirklich anfühlt, wenn man dazu auch tanzen kann. Los geht er wie eine große Indiepop-Hymne von Arcade Fire, mit mächtigen Chor-Ohs und Drum-Stick-Klackern, sehr gut. Bonos brachiales Pathos-Organ holt einen dann umgehend zurück, tja, aber so beschleunigt überwiegt die zweifellos besondere Präsenz dieser Stimme. Die breitwandige, aber sehr warm verzerrte Gitarre von The Edge und die angenehm unzackig-rumpeligen Drums lassen das Ganze zudem zeitgemäß minimalistisch klingen. Unüberhörbar, dass hier der Chef-Produzent des Albums, Brian Burton alias Danger Mouse, seine Finger im Spiel hatte. Mit Beck und den Black Keys gelang Burton in den vergangenen Jahren ja so etwas wie die Erneuerung des Bluesrocks und Indiepops aus dem Geist des rollenden Rumpelbeats.

„Every Breaking Wave“ ist danach eine womöglich etwas zu glasig-gesichtslos geratene Synthiepop-Hymne. Das klingt im Grunde wie Coldplay, was etwas irritierend ist, weil Coldplay wiederum ja seit Jahren daran arbeiten, endlich wie U2 zu klingen. Es folgt „California (There Is No End To Love)“ ein zügiges Stück Radio-Rock, dem man auch die eine oder andere Unwucht mehr gewünscht hätte. Am Ende bleibt der Song eher eine Landebahn für eine großzügige Extraportion Bono-Jaulen. Mit „Song For Someone“ ist man danach wieder zurück bei Arcade Fire. Und Bonos Phrasierung zwischendurch fast kontrolliert-zart. Ausgiebig Oooooooh-oooh-oh-oooooohen darf er aber natürlich auch, keine Sorge. Die bonohafte Bonohaftigkeit dieses Bono ist schon verblüffend. Noch mehr Beweise? „Iris (Hold Me Cose)“. Oooooooh-oooh-oh-ooooooh-ooh! Uh.

Bei „Vulcano“ konnte sich Danger Mouse dann wieder hörbar besser durchsetzen. Es beginnt fast zackig-drahtig wie ein Franz-Ferdinand-Song. Handclaps, mal nicht nur flächige, sondern auch perkussive Gitarren-Riffs, Disco-Rock. Und Bono dazu mal nicht theatral-pathetisch, sondern fast theatral-blasiert. Fabelhaft. „Raised By Wolves“ hängt als Neo-Hard-Rock/NuMetal/Stoner-Rock-Power-Ballade danach jedoch ganz seltsam in der Luft. Bonos Stimme ist kaum wiederzuerkennen. Ist er das wirklich? Was ist das hier überhaupt für eine seltsame Pastiche-Testfahrt? Seht her, U2 kann auch eine Hard-Rock/NuMetal/Stoner-Rock-Power-Ballade? Der 8. Song „Cedarwood Road“ ist nach der Straße benannt, in der Bono aufgewachsen ist. Ansonsten bleibt es vorerst bei poliertem Hard-Rock, mäandernde schwere Gitarren, Bono leidend.

„Sleep Like A Baby Tonight“ beginnt danach mit wabernden Synthies und zittrigem Geigenleim als lupenreiner Achtziger-Electro-Pop, worüber sich eine schwer und dumpf immer wieder eine verzerrte Gitarre schiebt. Bono säuselt: „Sleep Like A Baby Tonight“. Unterwältigend.

Mit „This Is Where You Can Reach Me Now“ ist man dann glücklicherweise zurück beim schlanken Post-Punk-Disco-Indie Franz Ferdinands oder der Foals. Es wirkt nicht besonders inspiriert, aber immerhin ungeduldig-federnd. Und damit wie eine gute Vorlage für den Schluss mit „The Troubles“ und der schwedischen Popsängerin Lykke Li, einer ziemlich klassischen dezent-poltrig-elegischen Danger-Mouse-Ballade. Gelungen, aber auch eher unauffällig.

Was also bleibt? Vielleicht vorerst der Eindruck, dass die Band offenbar bereit war, ein bisschen herumzuruckeln an ihrem Sound, am Ende aber wohl doch nicht mutig genug, sich mit Danger Mouse auf ein echtes, organisches Re-modeling einzulassen (wie es ihm etwa auf „Modern Guilt“ mit Beck gelang). Weshalb es dort, wo Ungewohntes probiert wird, eher skizzenhaft bleibt und dort, wo Gewohntes passiert, doch etwas zu gewöhnlich.

Nun ja, aber es scheint am Ende ja ohnehin um noch viel mehr als Pop-Musik zu gehen bei dieser Sache. Im Gespräch mit dem Apple-Chef Tim Cook in Cupertino sagte Bono schließlich diesen Satz: „The question is now, how do we get it to as many people as possible, because that’s what our band is all about. – Alles, worum es in unserer Band geht, ist, dass unsere Musik so viele Menschen wie nur möglich mitbekommen.“ Das dürfte klappen.

Nahrungskette

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Wenn vor zehn Jahren in München jemand fragte „Sollen wir Burger essen gehen?“, folgte darauf entweder ein überraschter Blick oder ein Besuch bei McDonald’s oder Burger King. Heute schließt sich an die Frage eine Diskussion an, in welchem der vielen Burgerlokale man denn nun speisen soll: in der Schnellen Liebe? Im neuen Holy Burger neben dem Café Kosmos? Oder doch in einer der Hans-im-Glück-Filialen, deren Birkenwäldchenambiente an jeder Ecke sprießt?

Der Burger-Trend kam nach München wie ein Raubtier, das sich langsam anschleicht und dann plötzlich überfallartig auf seine Beute wirft. 2006 eröffneten MC Müller und der Cosmogrill, 2007 die Schnelle Liebe. Es dauerte drei Jahre, bis weitere Burgerbratereien hinzukamen. Und dann, 2012 und vor allem 2013: Burgerexplosion! Die SZ schrieb: „München wird zur Burgerhauptstadt.“

Die vergangenen Jahre sahen einige solcher Essenstrends in die Münchner Innenstadt kommen, zuletzt den Burrito. Meistens erreichten sie zuerst Gegenden wie die Ausgeh-Ecken rund um Sendlinger Tor und Gärtnerplatz. Und die Innenstadt, wo viel Laufkundschaft schnelle Erfrischung und Stärkung sucht. Da sieht man dann zuerst ein solches Trendgeschäft, und irgendwann kann man keine fünf Minuten mehr radeln, ohne einer Kopie oder einer weiteren Filiale zu begegnen. 

Die Trends gleichen Wellen. Manche rollen langsam heran und wachsen gemächlich, andere türmen sich abrupt auf, brechen wie ein Tsunami über die Stadt herein und verlieren ebenso schnell ihre Kraft. Man sieht das auch gut, wenn man die jeweiligen Google-Suchanfragen vergleicht. Bis 2011 tippte zum Beispiel kaum jemand die Begriffe „Bubble Tea“ und „München“ in seine Suchmaske und auch nach dem Sommer 2012 interessierte sich kaum jemand mehr dafür. Die Kombination „Burrito München“ wurde erst häufig gegoogelt, nachdem die ersten Läden eröffnet hatten, und auch die Suchanfragen nach Currywurst in München erreichten ihr Maximum kurz nach der Eröffnungswelle von Wurstlokalen 2009. Ebenfalls deutlich erkennbar: die Sommer-Spitzen in der Frozen-Yogurt-Kurve.

Es scheint, als kämen die Trends immer schneller und in immer kürzerer Abfolge. Am Anfang war die Currywurst. Sie breitete sich noch gemächlich in München aus – ohne Eile, wie eine alte Dame, die durch einen Park streift, sich besonnen umsieht und dann auf einer Parkbank niederlässt. 2003 eröffnete der Bergwolf an der Fraunhoferstraße, dann dauerte es, bis weitere Läden hinzukamen: das Curry 73 in der Balanstraße, die Gute Nacht Wurst, nur wenige Häuser vom Bergwolf entfernt, und das Curry in der Fraunhoferstraße, das mittlerweile schon wieder dicht gemacht hat.

Beim Frozen Yogurt dagegen ging es wesentlich schneller: Ihm gehörten die Sommer 2010 bis 2013, vor allem die „I love Leo“-Filialen vermehrten sich in diesem Zeitraum rapide.

Und dann war da noch der Bubble Tea. Seine Geschichte ist fast ein bisschen traurig, selbst wenn man ihn überhaupt nicht mag. Denn bis zum August 2012 sah es so aus, als ließe sich aus den bunten Kügelchen Gold machen. Es eröffnete Laden um Laden, die Zeitungen schrieben, dass der Trend die Innenstädte „überschwemme“. Dann aber veröffentlichten Wissenschaftler aus Aachen eine Studie: Man habe in den Kügelchen Giftstoffe gefunden. Die Medien berichteten, die Bubble-Tea-Bars blieben leer. Auch wenn die Ergebnisse der Studie im Nachhinein relativiert wurden, der Schaden war angerichtet: Neueröffnungen gab es in München seit 2012 keine mehr, im Gegenteil, viele Läden mussten schließen. Ihre alten Webseiten existieren nicht mehr, ihre Facebook-Seiten sind verwaist und wenn man eine alte Nummer anruft, die man im Netz noch gefunden hat, sagt am anderen Ende der Leitung ein kurz angebundener Asiate: „Nix mehr Bubble Tea. Alles kaputt wegen Fernsehen.“

Am Rindermarkt gab es eine Weile einen Bubble-Tea-Laden, er hieß Meito und war einer der ersten in München. Auch er musste schließen. Jetzt findet man dort: Ruff’s Burger.

Schreib meinen Namen

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Die junge Frau, die da durch die Nacht fährt, auf dem Weg nach Hollywood, kehrt zurück. Vor vielen Jahren musste sie von hier weg, nach einem schweren Unfall, noch als Kind, verstoßen von ihrer Familie. Die vergangenen Jahre hat sie in einer Psychiatrie verbracht, aber davon sehen wir nichts. Alles beginn mit ihrer Wiederkehr. Als sei sie nie irgendwo anders als in diesem Fernbus gesessen, als wäre sie schon ewig durch die Nacht gefahren, als hätte sie sich längst in ein Gespenst verwandelt.

Diese bleiche junge Frau, gespielt von der sehr bleichen und sehr ätherischen Mia Wasikowska, trägt nicht zufällig den Namen Agatha Weiss. Woher sie denn komme, wird sie einmal gefragt, und sie antwortet: vom Jupiter. In „Maps to the Stars“ wird sie nun ihre Familie heimsuchen, die ihrerseits viel mit Gespenstern zu tun hat. Agathas Bruder zum Beispiel, ein schwer verstörter 13-jähriger Kinderstar, der gerade seinen ersten Drogenentzug hinter sich hat, wird vom Geist eines verstorbenen Mädchens verfolgt, das er bei einer Charity-Aktion noch im Krankenhaus besucht hatte.



Der Filmregisseur David Cronenberg erforscht die Abgründe Hollywoods.

Der Vater (John Cusack) wiederum ist ein Psycho-Guru, der Geld dafür kassiert, den Hollywood-Stars in dramatischen Séancen die Dämonen auszutreiben. Seine beste Kundin ist die alternde Schauspielerin Havana Segrand (Julianne Moore), der regelmäßig ihre tote Mutter erscheint, seitdem sie in einem Remake die Rolle spielen soll, die diese einst berühmt gemacht hat. Damit will sie gewissermaßen selbst zum Gespenst werden.

David Cronenberg geht es hier nicht einfach um die Wiederkehr des Verdrängten in der Stadt der Träume. Er weiß, dass Filme immer Gespenster erzeugen, die man nie mehr loswird – auch seine eigenen: eine ewige, kosmische Wiederkehr. Während Robert Pattinson in Cronenbergs letztem Film durch „Cosmopolis“ kutschiert wurde, fährt er diesmal selbst als Chauffeur durch Los Angeles. Und Havanas sehr physische Psycho-Séancen, in denen sie von ihren Erinnerungen und Ängsten körperlich gebeutelt und geschüttelt wird, erinnern an die Therapiesitzung am Anfang von „A Dangerous Method“, Cronenbergs vorletztem Film.

Cronenbergs Auseinandersetzung mit den gewaltsamen Prägungen und Transformationen der Körper hat nun ihre subtilste Stufe erreicht – die Gespensterebene. Schon mit „History of Violence“ hatte er die fleischlichen Mutationen und Wucherungen seiner früheren Filme, also die Re-Kombinationen des Menschen mit Tieren, Videorekordern oder Autos, verlassen. Seither interessiert er sich mehr für die Oberfläche, für die Haut seiner Figuren – und für die Frage, welche Zeichen ihres Innenlebens, ihrer Identität darauf erscheinen.

Da schlummerten etwa unter der Haut des braven Familienvaters in „A History of Violence“ die jederzeit reaktivierbaren Instinkte eines professionellen Killers, markierten die Tattoos auf dem Körper des russischen Mafioso in „Eastern Promises“ gleichzeitig den Undercover-Agenten bei Scotland Yard.

Mit „A Dangerous Method“, seinem Film über Sigmund Freud und C.G. Jung, war die zerrissene Innerlichkeit seiner Figuren dann nicht mehr auf den Körpern sichtbar: Diese wurden nur noch in heftigen Konvulsionen von der psychoanalytischen „Sprechkur“ geschüttelt, während das ultrascharfe, glatte, digitale Bild alle Narben und Risse längst vernäht hatte.

Und in „Cosmopolis“ schienen die vielen Gespräche über einen zunehmend dematerialisierten Kapitalismus, die Robert Pattinson in seiner Limousine führte, den fetischisierten Körper des „Twilight“- Stars längst in eine blutleere Plastikikone verwandelt zu haben, während vor den Fenstern ein immer außen gehaltenes, virtuelles New York vorbeizog, ein neoliberaler Kosmos, reduziert auf die Virtualität eines Bildschirms.

Sowohl „Dangerous Method“ als auch „Cosmopolis“ haben Cronenbergs Kritiker vorgeworfen, zu pädagogisch, zu demonstrativ vorzugehen, nur Phrasen über Psychoanalyse und Kapitalismus zu wiederholen. Als könnte ein Film über Freud und Jung ernsthaft die Lektüre ihrer Texte ersetzen, als bräuchte es heute noch eine Verfilmung von „Cosmopolis“, um die Natur des Neoliberalismus zu erklären. In beiden Filmen ging es viel eher darum, wie ein Diskurs zu einem Körper wird, von ihm Besitz ergreift, ihn formt.

Bei „Maps“ scheint ein ähnliches Missverständnis nahezuliegen. Brauchen wir diesen Film, um uns zu vergewissern, wie schrecklich und abgründig es in Hollywood zugehen kann? Nein. Immer wieder wird, wie ein Text, der von einer Figur zur anderen wechselt, ein Gedicht von Paul Éluard zitiert, „Liberté“. Refrainartig kehrt die Passage „schreibe ich deinen Namen...“ wieder, etwa „...auf die Abwesenheit ohne Begehr / auf die nackte Einsamkeit / auf die Stufen des Todes“. Cronenberg weiß, dass im Kino die Form, also die Freiheit eines Schreibens mit Bildern, vor jedem Inhalt und jeder Ideologie kommen, ja von dieser freigestellt sein muss.

Nach zwei sprechlastigeren Filmen ist es also nun diese von allen beschworene, elegante und diskrete Schrift, die sich wie ein Geist hinter allen Geistern in die Körper eindrückt, sie formt wie schon in seiner William-S.-Burroughs-Verfilmung „Naked Lunch“. Nur diesmal nicht als pralle Drogenphantasmagorie. Die Geister der Toten bemächtigen sich der Welt frontal, hell und direkt. Sie liegen in der Badewanne, sprechen mit den Lebenden oder durch sie hindurch. Das Bild ist so klar und glatt wie ein Sternenhimmel. Was bleibt: eine blasse Gespensternarbe auf Agathas Gesicht, und Schläge, von denen ihr Bruder einmal sagt, sie würden keine Spuren hinterlassen.

Maps to the Stars, CA/D 2013 – Regie: David Cronenberg, Buch: Cronenberg, Bruce Wagner. Kamera: P. Suschitzky. Mit Julianne Moore, Robert Pattinson, Mia Wasikowska, John Cusack. MFA, 107 Min.

Vorsicht, Freund hört mit!

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Was wären Personaler ohne Internet! Vor der Einstellung liefern Online-Recherchen wichtige Argumente für oder gegen das Engagement eines Bewerbers; nach der Einstellung kann man sie hervorragend nutzen, um in Ungnade gefallene Mitarbeiter wieder loszuwerden. Große Mühen sind dafür meist nicht erforderlich. Vielfach liefern die Betreffenden das belastende Material sogar selbst – per Post auf Facebook oder Twitter.

Laut jüngsten Zahlen des Hightech-Verbands Bitkom sind inzwischen vier von fünf Internetnutzern in Deutschland in einem sozialen Netzwerk angemeldet, zwei Drittel nutzen es aktiv – oft auch während der Arbeitszeit. Das kostet die Wirtschaft nicht nur horrende Summen: Es beschert Juristen auch viel Extra-Arbeit. „Die Gerichte müssen sich immer öfter mit Kündigungen wegen der Social-Media-Aktivitäten eines Arbeitnehmers beschäftigen“, sagt Markus Kappenhagen, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Jones Day in Düsseldorf.

Verboten ist, was nicht erlaubt ist



Kritische Äußerungen über den Arbeitgeber bei Facebook sind gefährlich.

Im Wesentlichen geht es um zwei große Problembereiche. Erstens: Wer im Job regelmäßig seine Timeline checkt, twittert und auf Facebook surft, versüßt sich so zwar die Stunden im Büro. „Aus juristischer Sicht begeht er aber einen Arbeitszeitbetrug – und zwar selbst dann, wenn die private Internetnutzung im Betrieb erlaubt ist“, warnt Christian Ley, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Keller Menz Rechtsanwälte in München. Hat der Chef privates Surfen untersagt, verstoßen Arbeitnehmer durch den Besuch von sozialen Netzwerken sogar noch gegen weitere arbeitsvertragliche Pflichten.

Die Rechtslage ist in beiden Fällen relativ klar: „Der Arbeitgeber kann solches Fehlverhalten mit einer Abmahnung oder, sollten sich die Verstöße häufen, mit einer Kündigung ahnden“, so Ley.

Die Grenzen der Meinungsfreiheit

Schwieriger zu lösen sind Probleme im Themenkomplex zwei. Hier geht es um Inhalte. Vor allem eine Frage beschäftigt die Rechtsprechung immer wieder: Wie viel Kritik müssen sich Arbeitgeber im Netz gefallen lassen? Eine einheitliche Linie der Gerichte sucht man hier vergebens. „Entscheidend ist zum einen, wie unflätig oder sachlich die kritischen Anmerkungen vorgebracht werden“, so Anwalt Ley. „Andererseits prüfen die Gerichte auch, inwieweit die Äußerung vertraulichen oder öffentlichen Charakter hat.“ Das erste höchstrichterliche Urteil zu diesem Thema belegt, wie schwierig diese Abwägung im Einzelfall sein kann.

Ein Arbeitnehmer war entlassen worden, weil er sich während eines Gewerkschaftstreffens in einem später auf Youtube veröffentlichten Video folgendermaßen geäußert hatte: „Wir haben Probleme mit den Arbeitszeiten, mit Urlaubszeiten, mit Pausenzeiten. (…) Viele Sicherheitsvorkehrungen fehlen an einzelnen Maschinen. (…) Das Problem ist, dass keine Fachkräfte vorhanden sind (…).“

Den Tatsachen entsprachen diese Aussagen nicht. Doch während die Vorinstanzen die Kündigung des Mannes wegen wahrheitswidriger geschäftsschädigender Äußerungen bestätigten, kassiert das Bundesarbeitsgericht den Rauswurf (Az.: 2 AZR 505/13). Argument: Die Erklärungen hätten nur verdeutlichen sollen, weshalb der Mann sich für die Bildung eines Betriebsrats stark machte. Er habe aber nicht behaupten wollen, das Unternehmen beschäftige überwiegend ungelernte Kräfte. Noch liegt die schriftliche Urteilsbegründung nicht vor. Die Fachwelt staunt aber schon jetzt. Anwalt Kappenhagen: „Die Entscheidung überrascht, da die von dem Arbeitnehmer verbreiteten Informationen offenbar falsch waren und er das auch wissen musste.“

Zwei Juristen – drei Meinungen

Andernorts greifen Richter härter durch. Zum Beispiel im Fall eines 26-jährigen Auszubildenden. Der hatte seinen Chef im Netz einen „Menschenschinder & Ausbeuter“ genannt und die eigene Tätigkeit mit den Worten „dämliche Scheiße“ für „Mindestlohn minus 20 Prozent “ beschrieben. Das Landesarbeitsgericht Hamm billigte seine außerordentliche Kündigung – auch, weil der Arbeitgeber aufgrund des Eintrags eindeutig identifizierbar war (Az: 3 Sa 644/12).

Gnädiger wiederum: das Arbeitsgericht Duisburg im Fall eines Arbeitnehmers, der seine Kollegen im Netz als „Klugscheißer“ bezeichnete und deren angebliches Fehlverhalten auf „schlechten Sex“ zurückführte (Az. 5 Ca 949/12). Die Aussagen seien zwar „despektierlich“, rechtfertigten aber keinen fristlosen Rauswurf, so das Gericht. Es betonte jedoch: Weil der Beitrag bei Facebook nicht nur Freunden, sondern der gesamten Öffentlichkeit zugänglich war, stellte er „eine Verkörperung der beleidigenden Äußerung dar“, die für andere immer wieder nachzulesen ist und somit nachhaltig in Rechte der Betroffenen eingreift.

Das Netz vergisst nichts

„Diese Verstetigungsfunktion führt dazu, dass überspitzte Kritik im Netz oft weit reichendere arbeitsrechtliche Maßnahmen rechtfertigt als vergleichbare mündliche Äußerungen“, erläutert Anwalt Kappenhagen. Auch die Tatsache, dass sich Informationen im Netz oft unkontrolliert verbreiten, werde häufig zulasten der Arbeitnehmer ausgelegt. Selbst wer nur im Kreis seiner Facebook-Freunde Dampf ablässt, ist nicht immer auf der sicheren Seite. „Zwar dürfen Arbeitnehmer – ähnlich wie bei privaten Gesprächen – auch im Netz darauf vertrauen, dass Aussagen im kleinen Kreis nicht gegen sie verwendet werden“, so der Jurist. Das gelte etwa, wenn die kritischen Äußerungen in einer kleinen, geschlossenen Gruppe gepostet oder nur engen Freunden zugänglich gemacht würden. „In einem größeren Verteiler oder öffentlich geäußerte Schmähkritik kann hingegen online wie im realen Leben eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen“, warnt Kappenhagen.

Entsprechend billigte das Arbeitsgericht Hagen die Kündigung eines Kaltwalzers, der seinen Chef auf seiner Pinnwand nicht nur als „Doofmann“ bezeichnet, sondern auch hatte verlauten lassen, dass das „faule Schwein noch nie gearbeitet hat in seinem Scheißleben". Der Post war für alle Freunde des Mannes – darunter 36 Kollegen – und deren Freunde einzusehen. Das Gericht sah die Äußerung deshalb als eine „quasi betriebsöffentliche“ Kritik an, die den Arbeitgeber „grob beleidigte“. Zumindest eine ordentliche Kündigung sei folglich gerechtfertigt (Az. 3 Ca 2597/11 ).

Wenn Gefallen Missfallen erregt

In Gefahr begibt sich überdies, wer zwar selbst nichts postet, aber per „Like“ oder „Favorisierung“ Zustimmung zu einem despektierlichen Beitrag signalisiert. Diese Erfahrung machte auch eine Mitarbeiterin der Sparkasse Wittenberg. Deren Mann hatte auf seiner Pinnwand kundgetan: „Habe mein Sparkassenschwein Thomas und Ralf getauft. Eines Tages stehen alle Schweine vor dem Metzger.“ Dazu lud der Gatte ein selbst kreiertes, zu einem Fisch umgearbeitetes Sparkassen-Logo hoch und kommentierte: „Der Fisch fängt immer am Kopf zu stinken an“.

Die Facebook-Seite Mannes war für 155 Freunde sichtbar, viele davon Mitarbeiter und Kunden der Bank. Als die Vorstände (mit Vornamen Thomas und Ralf) den Beitrag lasen, stellten sie fest, dass offenbar auch die besagte Mitarbeiterin den Beitrag mit einem „Gefällt mir“ geadelt hatte. Sie kündigten fristlos.

Das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau kassierte den Rauswurf zwar (Az.: 1 Ca 148/11). Ihren Posten ist die Dame dennoch los. In der zweiten Instanz einigten sich die Parteien auf einen Aufhebungsvertrag.

"Selfies wirken so, als hätte man keine Freunde"

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Mehr als 600 Millionen Menschen weltweit nutzen Tinder, viele davon mehrmals täglich. Auch im deutschen App Store ist es unter den beliebtesten Lifestyle-Apps (aktuell auf Platz 3). Das Profilbild ist das entscheidende Kriterium: Nichts anderes bestimmt darüber, ob einen jemand sympathisch findet oder nicht. Der New Yorker Fotograf Max Schwartz, 25, hat das auch gemerkt und verspricht mit seinen "Tinder Headshots" für 75 Dollar pro Foto einen erfolgreicheren Auftritt bei Tinder. 

jetzt.de: Max, wie läuft das Geschäft?
Max Schwartz: Dafür, dass alles ursprünglich nur ein Scherz war, läuft es echt gut.  

Wie jetzt? Es war ein Scherz?

Ja, die Idee kam ursprünglich von einem Freund und Arbeitskollegen, der Grafikdesigner ist. Ich habe in unserem Studio irgendwann ein Foto von ihm gemacht, als Schnappschuss. Er hat es dann als Profilbild für Tinder verwendet und mir dann erzählt, dass er viel öfter „Matches“ hat. Wir haben gescherzt, dass ich die Tinder-Fotos anderer Leute machen könnte und eine Website als Attrappe erstellt. Als wir mehr ernst gemeinte Anfragen bekamen als erwartet, haben wir ein echtes Projekt daraus gemacht.  

Was ist dein Geheimrezept für das perfekte Tinder-Profilbild?
Das perfekte Tinder-Bild zeigt die eigenen Stärken. Man sollte immer lächeln und selbstbewusst schauen, aber nicht großspurig wirken.

Nach dem, was man so hört, scheinen viele Jungs bei Tinder das anders zu sehen.
Es ist wichtig, nahbar herüberzukommen und nicht als jemand, der man nicht ist. Genausowenig sollte man versuchen, auf harte Schale zu tun. Das kommt nicht gut an. Am lächerlichsten sind die Typen, die vor ihren aufgemotzen Pick-ups die Muskeln spielen lassen.  

Angenommen, ich schaffe es nicht bis zu dir nach New York. Was muss ich beachten, wenn ich selbst Bilder für mein Tinder-Profil mache?
Zeig, wer du bist. Verstell dich nicht und verdecke nichts. Also trag keinen Hut oder so.

Wieso? Wirkt das zu mysteriös?
Ja, das sieht aus, als ob du was zu verheimlichen hättest.

Was ist mit Selfies?
Keine Selfies! Das kommt so rüber, als hättest du keine Freunde. Es ist gut, das Ganze einfach zu halten. Ohne sich den Kopf darüber zu zerbrechen oder es zu übertreiben.

Welche Tinder-Fotos gehen gar nicht?
Am schlimmsten finde ich die, auf denen Leute mit ihren Freunden und einem Getränk in der Hand irgendwo an der Bar stehen. Und das gleich auf mehreren Bildern! Da kann ja niemand erkennen, wer jetzt die richtige Person ist.

Was ist mit der Kurzbeschreibung unter den Fotos?
Auch da würde ich es einfach halten, damit man nicht zu notgeil wirkt. Manche Leute haben lange Beschreibungen oder erzählen lange Geschichten und verraten so schon alles von sich. Man sollte anderen die Möglichkeit lassen, Fragen zu stellen und ein Gespräch einzugehen. Ein wenig geheimnisvoll zu wirken, kann einen schon weit bringen. Man sollte es aber nicht übertreiben, sodass es creepy wird.

Bist du eigentlich selbst bei Tinder?

Nein, ich habe schon eine tolle Freundin.

Die jetzt-Kettengeschichte, Teil 21

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Was bisher geschah: Anna jobbt an der Tankstelle und haut mitten in der Nachtschicht ab - zum Mensch-ärgere-dich-nicht-Turnier, bei dem ihr Schwarm Gerwin Gewinner antritt. Doch dort sperren Gerwin und die alte Liesel Maier Anna auf einem Dachboden voller berühmter Kunstwerke ein. Annas Chef Paul, der die Entführer schon aus seiner Zeit als illegaler Kunsthändler kennt, taucht auf, um sie zu retten...und wir finden uns auf einmal in einer Parallelwelt wieder, in der Anna den Roman "Nachtschicht" gelesen hat und in die Geschichte hineingesogen wurde. Gemeinsam mit ihrer Freundin Rana stürzt Anna durch ein schwarzes Loch zurück in die Romanwelt. Gerwin und Liesel setzen sie unter Drogen, Paul taucht auf und rettet Anna, während Rana verwirrt in einem Kerker zurückbleibt. Durch eine Tür gelangen Anna und Paul zurück in die Parallel-Realität, wo sie Ranas Partnerin Bernhard ermordert vorfinden...

Alle vorigen Teile der Kettengeschichte kannst du hier nachlesen. Und hier kommt Teil 21 von jetzt-Userin wollmops.



Paul stöhnt. "Wir müssen uns jetzt als erstes überlegen, was wir den Bullen erzählen."
Anna wird langsam wütend. "Vielleicht kannst du dir mal überlegen, was du mir erzählst", faucht sie. "Ich bin entführt worden und unter Drogen gesetzt, hab von deiner Vergangenheit als Kunstdieb erfahren, meine beste Freundin verloren – und deren Freundin ist ERMORDET worden. Wenn du mir nicht sofort erzählst, was da abgeht, gehe ICH zu den Bullen und erzählen denen mal von deinen Beziehungen zu Gerwin und Liesel!"
"Schon gut, schon gut", unterbricht Paul Annas Gekeife. "Gehen wir mal in die Tanke zurück, da haben wir erstmal Ruhe, und dann erzähl ich Dir alles." Anna beruhigt sich nur mit Mühe. Sie ist selbst verwundert, wie sehr es sie schmerzt, dass Paul ihr soviel verheimlicht hat. Als sie die Tankstelle betreten, kämpft sie mit den Tränen.  

"Setz dich", sagt Paul und nimmt zwei Bierdosen aus dem Kühlschrank. "Also hör mal zu." Anna schnieft. Und dann kommt die unglaublichste Geschichte, die sie je gehört hat.  

"Dass ich mit Liesel und Gerwin geklaute Kunst vertickt hab, weißt du ja schon", beginnt Paul. "Das lief eine Zeit lang super, wir haben viel in Italien, Spanien, Griechenland zusammengeklaut, wo sie kaum Geld für Museumswärter haben. Zum Beispiel im Vatikan. Alles rennt in die Sixtinische Kapelle und wir haben in aller Ruhe die etruskischen Vasen abgeräumt. Dabei ist dann auch zum ersten Mal was passiert." Paul nimmt einen Schluck Bier und räuspert sich. "Da war so ein oller Topf mit irgendeinem geometrischen Viech drauf. Ein Idol oder so, keine Ahnung. Auf jeden Fall … also, kaum hatten wir das Ding über die Schwelle des Museums getragen, fängt eine irre Alarmsirene an zu kreischen. Wir natürlich Schweißausbruch, kannste dir vorstellen. Bis wir checken, dass das nur in unseren Köpfen war. Keine Sau hat was gemerkt, wir beinahe krepiert. Liesel hat dann kapiert, wie man es abstellt; sie hat es einfach zurückgetragen ins Museum. Kaum war das Teil wieder an seinem Ort, hat es Ruhe gegeben."
"Hä?" fragt Anna.
"Ganz recht", sagt Paul und schüttet mehr Bier in sich hinein. "Wir haben damals festgestellt, dass manche Artefakte offenbar…wie soll ich das sagen… naja, gewisse Kräfte haben. Also nicht in dem Sinne, dass man sich jetzt gut fühlt, wenn man einen Picasso anguckt, sondern…naja, du hast es ja selbst gesehen, als Liesel dir den Schild vor die Nase gehalten hat." Anna zuckt zusammen, als sie an die schräge Fahrt durch das Innere der Schlange denkt. "Mit manchen konnten wir umgehen, mit anderen nicht", fährt Paul fort. "Die etruskische Vase haben wir nie 'bedienen' gelernt. Aber den Schild schon und da gab es noch anderes. Einen Van Gogh, der Horrortrips auslöst, sobald man ihn berührt, und komisch: das Gegenmittel ist eine Mont Sainte-Victoire von Cézanne. Zum Glück waren die im gleichen Museum, Gerwin ist uns beinahe draufgegangen. Wir haben auch" – er kichert – „ein total banales Landschaftsbild von Courbet, das bei bloßer Betrachtung heftige Orgasmen auslöst."
"Nich wahr, oder?" Anna wird rot und ärgert sich über ihre Verklemmtheit.
"Doch. Naja, eine Zeitlang war das ziemlich witzig. Bloß…" Pauls Miene verdüstert sich. "Liesel und Gerwin waren total besessen von dem Zeug. Am Anfang war das nur nervig, weil sie fette Gewinnchancen links liegen ließen, wenn nichts Magisches dabei war. Einmal hätte ich einen Caravaggio klauen können, stell dir das vor, und keiner wollte Schmiere stehen, weil das Bild eben nichts konnte. Aber dann…dann haben sie übles Zeug entdeckt. Und…also, ich musste da raus.  Die haben null Hemmungen mehr. Ich bin mir ganz sicher, dass Bernhards Ermordung auf ihr Konto geht; irgendwie war die denen im Weg. Und naja, ich hab das Gefühl, die planen irgendwas extrem Krasses. Weltherrschaftsmäßig. Auf diesem Dachboden hab ich ein Teil gesehen, dass mir ziemliche Angst macht."
"Was?" fragt Anna. "Was meinst du? Was kann das?"
"Ein ägyptisches Amulett des Totengottes. Ich fürchte eben…aber nee, das kann eigentlich echt nicht sein." Gerade will Anna nachfragen, als sie plötzlich eine Veränderung in Pauls Miene wahrnimmt. "Hörst du das?" fragt er und lauscht angespannt in die Nacht. Anna nimmt ein Schlurfen wahr und ein Stöhnen wie aus vielen Kehlen. Paul stürzt zur Tür und schließt sie ab, dann löscht er das Licht in der Tankstelle, so dass sie nach draußen blicken können.  

Dutzende, vielleicht Hunderte von Gestalten bewegen sich langsam und schweigend auf die Tankstelle zu. Sie schlurfen, sie hinken, sie stöhnen und röcheln. Einige Gesichter sind im Licht der Straßenlaternen zu erkennen; die Augen sind bestenfalls verdreht; bei einigen sind nur leere Höhlen zu sehen. Die Kleidung der Gestalten hängt in Fetzen herab, einigen fehlen Gliedmassen. Und alle bewegen sich auf die Tankstelle zu, auf die kleine Oase von Paul und Anna.  

"Scheiße", sagt Paul. "Genau, was ich befürchtet hab. Eine Zombie-Invasion."

Du willst wissen, wie es weitergeht? Teil 22 der Kettengeschichte erscheint am 18. September.

Über Nacht... in der Alten-WG

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Renate beißt in ihr Brot, während sie uns mustert: „Ihr seid noch ziemlich jung,“ meint sie dann. Sie ist 79 und lebt in einer Senioren-WG. Ihre Zähne funktionieren gut, ihr Gedächtnis nicht. Renate ist dement. Wir sitzen an einem Esstisch in Hecklingen-Schneidlingen, Sachsen-Anhalt. Auf dem Weg hierher sind wir an verfallenen Häusern  vorbeigefahren. Renate soll unsere neue Mitbewohnerin werden. Wir wollen für eine Nacht in die betreute WG einziehen, in der sie wohnt. „Könnt ihr gern machen,“ sagt sie. „Ich komme mit allen Leuten klar. Sogar mit Alten.“  

Leserin Regina hat uns damit beauftragt, hierherzukommen. Sie findet, dass zu wenig darüber geschrieben wird, wie es Omas und Opas in Deutschland eigentlich geht. Obwohl uns das ja sehr wohl was angeht. Denn es gibt immer mehr alte Menschen. Und immer weniger junge, die sich um sie kümmern. Wie geht es den Senioren? Ist so eine WG eine Alternative zu Pflegeheimen? Und was erzählen die Betreuer uns in der Nacht, wenn die Bewohner im Bett sind?  

Renate nimmt uns mit zu ihrem Mitbewohner Fritz, 85. Beide sind verwitwet. Fritz ist nicht so mobil wie Renate, dafür aber auch nicht ganz so vergesslich. Er hat einen Rollator und fährt mit dem Lift zum Mittagessen nach oben. Jetzt sitzt er gerade vor dem Fernseher und guckt eine Telenovela. Neben Kaninchen züchten seine Lieblingsbeschäftigung. Renate gibt Fritz die Hand. „Hey, Opa“, sagt er zu ihr. Er nennt sie öfter Opa. An guten Tagen erinnern sich die beiden daran, dass sie Mitbewohner sind. An anderen müssen sie sich einander erst noch mal vorstellen. Die dritte Mitbewohnerin ist gerade im Krankenhaus. Und dann gibt es da noch die sogenannte Urlaubs-Oma, die ab und an hier zur Zwischenmiete wohnt. Fritz muss erst mal sein Hörgerät anziehen, damit wir mit ihm reden können.  

Die WG-Bewohner sind hier nicht sich selbst überlassen. Aber sie leben selbstständig. Das heißt: Sie können alles machen, was sie wollen. Aber bei allem, wofür sie Hilfe brauchen, kriegen sie Hilfe. „Nö, wir putzen nicht selbst. Keine Lust, da lassen wir jemanden kommen“, sagt Fritz. Wir sind etwas neidisch. Ähnlich wie in einer normalen WG hat hier aber jeder einen eigenen Haustürschlüssel und bringt seine Möbel und Haustiere mit. Samstags treffen sie sich zum Grillen. WG-Party. „Ich mags hier“, sagt Fritz.  

Ausgedacht hat sich das Corinna Hoppe, 42. Sie leitete früher eine Demenzstation in einem Pflegeheim. Die Arbeitsbedingungen in normalen Pflegeheimen mag sie nicht. Zu wenig Zeit, zu wenige Mitarbeiter. „Pflegeriesen“ nennt Corinna die Riesenheime, in denen sieben Angestellte zwei Stunden Zeit dafür haben, 53 Bewohner zu waschen. Deshalb gründete sie die WG, erklärt sie uns in der Wohnküche. „Das hier ist nicht mein Beruf, sondern mein Hobby, meine Leidenschaft, mein Leben.“ Ein Wagnis. Anders als zum Beispiel in Berlin können hier in Hecklingen viele Leute mit Senioren-WGs erst mal gar nichts anfangen. Mehrere WG-Zimmer stehen leer. Noch. Seit April existiert die WG, Corinna hat dafür das ganze Haus umgebaut, das früher ähnlich aussah, wie die Ruinen, die wir auf der Hinfahrt gesehen haben. Viele Leute ziehen von hier weg. Weil es woanders mehr Arbeitsplätze gibt. In Sachsen-Anhalt stehen zehn Prozent aller Wohnungen leer. Hier aber ist jetzt neues, altes Leben drin. Das Haus ist nun gelb gestrichen, Geranien stehen auf dem Fensterbrett, draußen laufen Enten herum und es gibt einen Platz mit Sand, auf dem im Sommer ein Pool aufgebaut wird. Hat sich Fritz gewünscht. Er ist der Vorsitzende im sogenannten Mieterbeirat. Hier herrscht Demokratie, erklärt Corinna. „Wenn die sagen, schaff nen Esel an, dann schaff ich nen Esel an.“ 



Corinna Hoppe

Gegen 21 Uhr geht erst Fritz ins Bett, dann Renate. Betreuerin Judith hilft ihr in den Schlafanzug. Wir setzen uns mit ihr und Corinna in die Küche. Tagsüber ist Corinna eine Power-Person mit scheinbar endloser Energie, die sich durch die behäbige deutsche Pflegebranche boxt. Abends, wenn die Bewohner im Bett sind, wird sie nachdenklich. „Deutschland hat die Dementen vergessen“ sagt sie uns. Wenn ein alter Mensch vergesslich wird, finden die Angehörigen ihn oft störend. Die vielen Fragen nerven. Bei Geburtstagsfeiern lässt man Opa lieber daheim. „Genau das Falsche“, findet Corinna. „Man muss sich mit den Leuten beschäftigen.“ In der Alten-WG gibt es vor allem Zeit. Zeit, um Fritz zuzuhören, der Geschichten vom Krieg erzählt. Zeit, um darauf zu warten, dass Renate Äpfel fertig geschält hat. Oder darauf, dass sie einschläft. Denn Renate ist ähnlich wie ein kleiner Hausgeist die halbe Nacht unterwegs. Um 23 Uhr steckt sie den Kopf in die Tür zum Gemeinschaftsraum: „Na, wolltet ihr noch was von mir?“ „Nein nein, geh ruhig schlafen Oma,“ sagt Judith, „alles gut.“   

Wir sitzen die halbe Nacht mit Corinna und Judith in der Küche und versuchen immer wieder, schlafen zu gehen. Aber die beiden haben soviel zu erzählen, dass wir erst lange nach Mitternacht ins Bett gehen. Leute, die sich den ganzen Tag die Geschichten alter Menschen anhören, freuen sich darüber, wenn sie auch mal jemanden zum reden haben. Nach dem dritten nächtlichen Kaffee kapitulieren wir und tragen unsere Rucksäcke hoch ins Dachgeschoss. Dort werden wir übernachten.

Jeder Bewohner hat einen Piepser, falls es nachts Probleme gibt. „Ihr könnt auch einen haben“, bietet uns Corinna an. Wir verzichten, wird schon alles gut gehen. Wir sehen uns um. Hier oben schlafen normalerweise keine Bewohner, nur die Betreuer, die sich schichtweise abwechseln, ruhen sich hier manchmal aus. Deshalb steht in unserem Zimmer auch nur ein Bett, auf Haustiere und Möbel verzichten wir. Das Zimmer hell und groß. Die Miete hier kostet etwa 900 Euro im Monat, je nach Pflegestufe viel weniger als in einem großen Altersheim.

Als wir im Bett liegen, zugedeckt mit unseren mitgebrachten Schlafsäcken, reden wir noch lange darüber, dass wir später auch in eine Alten-WG ziehen wollen. Dann auch am besten mit Putz-Personal und WG-Partys mit den Enkeln. In jedem Fall besser als alleine in einem riesigen Haus abzuhängen und auf die nächste Krankheit zu warten. Wir hören Renate noch mal durch den Flur tapsen, dann schlafen wir so gegen 2 Uhr ein.

Um 7 Uhr gibt es Frühstück. Am Tisch sitzt nur Renate. Fritz führt ein morgendliches Eigenbrötler-Leben. Er frühstückt lieber in seinem Zimmer vor dem Fernseher. Und zwar eine Stunde später. Auch das ist ok. Renate betrachtet die Marmeladenbrote auf ihrem Teller. „Ich weiß wirklich nicht, ob ich das alles essen soll. Ich bin viel zu dick geworden," behauptet sie. 

Wiesn-Wunschkonzert!

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Nächste Woche ist es soweit: Zum 181. Mal startet mit der Wiesn das größte Volksfest der Welt. Für Ärger wird vermutlich der erneut gestiegene Preis für das beliebteste Wiesngut sorgen: Die Maß Bier kostet zum ersten Mal zum Teil mehr als 10 Euro. Vielen Gäste würden das vermutlich gerne ändern.

Dass das nicht der einzige Wunsch wäre, zeigt eine neue Umfrage: 1000 Deutsche ab 16 Jahren wurden gefragt, was sie beim Oktoberfest anders machen würden. Der größte Wunsch: natürlich der niedrigere Bierpreis, mit über 60 Prozent Zustimmung. Auch sonst spielte das Bier keine unwichtige Rolle. Mehr als ein Drittel der Befragten sprach sich dafür aus, neben den großen Münchener Brauereien auch internationale Biere auf der Wiesn zuzulassen.



Wie wäre es mit Schlammcatchen im Bierzelt?


Beim Thema Essen gibt es scheinbar ebenfalls Verbesserungsbedarf: So wünschen sich fast 40 Prozent der Befragten eine größere Auswahl an vegetarischem Essen, nachdem es 2013 mit veganem Bio-Frikassee, Sojamedaillons in Rahmsoße und veganen Käsespätzle erstmals fleischlose Gerichte auf dem Oktoberfest gab. Da passt es gut, dass es dieses Jahr vegane Würstchen geben wird. Interessant ist auch, dass sich über die Hälfte der Teilnehmer für einen Wiesn-Kindergarten ausspricht. Warum? Damit die Eltern schön feiern gehen können, ohne permanent ein Auge auf den Nachwuchs werfen zu müssen.  

Was hältst du von den Ideen aus der Umfrage? Würdest du gerne ein Corona zum Hendl trinken oder einen Wettbewerb im Zelt-Schlammcatchen veranstalten? Oder vielleicht doch lieber das Bier komplett verbieten und nur noch Bionade verkaufen?


Tagesblog am 12. September 2014

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16:15 Uhr: Warum muss ich bei diesem gif sofort an Schottland denken?
[plugin imagelink link="http://31.media.tumblr.com/6ff9ef1e816fed43fcf7e2f2498e1349/tumblr_nb3alwx0E11qdlh1io1_400.gif" imagesrc="http://31.media.tumblr.com/6ff9ef1e816fed43fcf7e2f2498e1349/tumblr_nb3alwx0E11qdlh1io1_400.gif"]

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15:45 Uhr:
Manchmal fühle ich mich in meinem Leben ungefähr so kompetent, wie dieser Bär auf dem Golfplatz (geht das nur mir so?): [plugin imagelink link="http://33.media.tumblr.com/285e855cd30054870876c8658504afe8/tumblr_nbr7add3np1ry46hlo1_500.gif" imagesrc="http://33.media.tumblr.com/285e855cd30054870876c8658504afe8/tumblr_nbr7add3np1ry46hlo1_500.gif"]

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15:19 Uhr:
Pünktlich zur Kaffeepause eine Statistik, welche Berufssparte am meisten Kafee trinkt. Es überrascht mich kein bisschen, wer dieses fragwürdige Rennen gewonnen hat...

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15:13 Uhr:
Die Luft heute riecht im Münchner Osten eindeutig nach Winter. Das hat viele schlechte Seiten, aber auch ein paar gute. Ich sag mal: Schlittenfahren, Fernsehen mit gutem Gewissen, mehr Klamotten und natürlich auch: [plugin imagelink link="http://38.media.tumblr.com/3bcfa97b316eab5fdf7a1b036c01b1e0/tumblr_nbap4g0sPF1s6800ho1_500.jpg" imagesrc="http://38.media.tumblr.com/3bcfa97b316eab5fdf7a1b036c01b1e0/tumblr_nbap4g0sPF1s6800ho1_500.jpg"]


15:01 Uhr:
Kinder, wie die Zeit vergeht. Gerade war es noch 13 Uhr, schon ist es 15 Uhr. Demnächst könnte es noch später werden. Jaha. Wie ihr merkt, habe ich gerade nicht soooooo viel zu erzählen.
Beziehungsweise: Hab ich schon, aber ich habe ein wenig Scheu, es zu sagen. Es geht um Gossip, den vermutlich niemanden interessiert, aber mich schon. Deswegen sag ich's einfach: Wusstet ihr, dass Neil Young sich nach 36 Ehejahren von seiner Gattin scheiden lässt? Und wusstet ihr, wer seine Neue ist? Daryl Hannah! Hey hey, my, my!

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13:48 Uhr:
Seitdem ich Jans Interview mit einem Geschichtsprofessor über sein Simpsons-Big-Data-Projekt gelesen habe, kann ich nichts anderes mehr denken und sagen, als: "Mmmmmmmmh, Statistik." Meine Büro-Mitbewohner sind schon ganz entnervt.....
[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ja/jan-stremmel/text/regular/1025618.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ja/jan-stremmel/text/regular/1025618.jpg"]

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13:13 Uhr:
Entschuldigt bitte den Freß-Content, aber - heiliger Bimbam - schaut euch diesen Kuchen an! (via)
[plugin imagelink link="http://i832.photobucket.com/albums/zz242/poiresauchocolat/Picture1-17.png" imagesrc="http://i832.photobucket.com/albums/zz242/poiresauchocolat/Picture1-17.png"]

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12:55 Uhr:
Zurück vom Mittagessen und Leute, ich sage es euch, heute haben sich irre Dinge in der Kantine zugetragen. Nach neun Monaten vegetarischer Diät hat sich Mercedes heute spontan dafür entschieden, diesen Irrweg zu verlassen. Und dann so: BÄM!!! Schweinsbraten.




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11:32 Uhr:
Und jetzt ein ganz anderes Thema: Kennen hier alle Dan Savage? Ich mag seine Ratgeber-Kolumne sehr, sehr gerne und lese sie wöchentlich. Hier ist sein Blick auf Langzeitbeziehungen:
"Any long-term relationship that’s successful is really a myth that two people create together … and myths are built of lies, and there’s usually some kernel of truth… When you think about it, you meet somebody for the first time, and they’re not presenting their warts-and-all self to you — they’re presenting their idealized self to you, they’re leading with their best. And then, eventually, you’re farting in front of each other. Eventually, you get to see the person who is behind that facade of their best, and they get to see the person your facade, your lie-self — this lie that you presented to them about who you really are. And what’s beautiful about a long-term relationship, and what can be transformative about it, is that I pretend every day that my boyfriend is the lie that I met when I first met him. And he does that same favor to me — he pretends that I’m that better person than I actually am. Even though he knows I’m not. Even though I know he’s not. And we then are obligated to live up to the lies we told each other about who we are — we are then forced to be better people than we actually are, because it’s expected of us by each other. And you can, in a long-term relationship, really make your lie-self come true — if you’re smart, and you demand it of them, and you’re willing to give it to them… That’s the only way you become “the one” — it’s because somebody is willing to pretend you are."


http://youtu.be/r1tCAXVsClw

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11:14 Uhr:
@nany behauptet, das hier wäre das tollste gif aller Zeiten. Toll ist es schon, aber es hat halt keine Explosionen:
[plugin imagelink link="http://31.media.tumblr.com/72e409d3281baf7d07836d85693cc186/tumblr_n5dhloS8eC1rqfo3go3_400.gif" imagesrc="http://31.media.tumblr.com/72e409d3281baf7d07836d85693cc186/tumblr_n5dhloS8eC1rqfo3go3_400.gif"]

11:06 Uhr:
Für die Ratschkathln unter uns (mich eingeschlossen) gibt es hier die aktuellsten Entwicklungen im Fall Schweiniovic.

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10:26 Uhr:
Juhuuu! Wir haben ein neues Thema auf der Seite: Was sagen junge Schotten zum Unabhängigkeits-Referendum? Wir haben mal bei jungen Menschen nachgefragt.



10:11:
Manche von uns sind vielleicht nicht ganz so zufrieden mit ihrem Job und würden gerne einmal etwas ganz anderes machen. Deshalb weise ich in meiner Funktion als Service-Mitarbeiterin von jetzt.de auf dieses Job-Angebot der Bundesregierung hin. Gesucht wird: Sach­be­ar­bei­ter/in „Bi­ber­ma­na­ge­ment“
[plugin imagelink link="http://38.media.tumblr.com/tumblr_m1ruyk2PvU1qmvmf3o1_500.gif" imagesrc="http://38.media.tumblr.com/tumblr_m1ruyk2PvU1qmvmf3o1_500.gif"]

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10:05 Uhr:
Weil sich die Konferenz verschiebt und weil sich @Serfafahm so sehr ein Katzen-gif wünscht: [plugin imagelink link="http://www.pleated-jeans.com/wp-content/uploads/2014/09/4SUrRgI.gif" imagesrc="http://www.pleated-jeans.com/wp-content/uploads/2014/09/4SUrRgI.gif"]

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9:57 Uhr:
Kurz vor der nächsten Konferenz noch ein bewegtes gif für alle Müden und Beladenen. Der Titel könnte lauten: Freut euch! Bald ist wieder Winter und wir können das hier machen:
[plugin imagelink link="http://www.pleated-jeans.com/wp-content/uploads/2014/09/funny-gif-man-cracking-ice-lake.gif" imagesrc="http://www.pleated-jeans.com/wp-content/uploads/2014/09/funny-gif-man-cracking-ice-lake.gif"]


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[plugin imagelink link="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ok/okan-bellikli/text/regular/1025552.jpg" imagesrc="http://jetzt.sueddeutsche.de/upl/images/user/ok/okan-bellikli/text/regular/1025552.jpg"]
9:28 Uhr:
Wie ihr bestimmt alle noch nicht wisst, ist in einer Woche Wiesn-Anstich. Das ist für uns Münchner die Zeit, in der wir uns gleichzeitig sehr wichtig (die ganze Welt schaut auf uns!!), sehr unverstanden (nicht alle Münchner sind Bier saufende, schweinenackige Franz-Josef Strauß verehrende und gleichzeitig Königstreue CSU-Wähler, die sich pro Tag fünf Maß in den Leib schütten) und sehr glücklich (Weeeeeeeeh! Riesenrad! Weeeeeeehhhh! Achterbahn! Weeeeehhhh! gebrannte Mandeln) fühlen. Im aktuellen Ticker wird die Frage diskutiert: Was wünschst du dir für die Wiesn?
Dazu passend das peinlichste Video, das mir in den vergangenen drei Wochen untergekommen ist:
http://www.youtube.com/watch?v=S46edDiJHC0#t=31
Und die peinlichste Twitter-Diskussion zwischen Politikern seit sehr, sehr langer Zeit (Achtung: Bild-Link). Es geht um folgendes: Dorothea Bär, Jung-Star der CSU war am Mittwoch im Dirndl im Bundestag, was eine Grünen-Abgeordnete irgendwie blöd fand. Und dann wurde so ein bisschen hin und her gestichelt...

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9:14 Uhr:
So, das hier sind die News des Tages. Und eines davon wurde heute 15 Minuten lang sehr intensiv diskutiert. Aber welches? Wer richtig rät, bekommt eine prominente Erwähnung im Tagesblog, 250 000 Euro in bar und ein kleines, wendiges Auto der Marke brdlbrmmmmft.
+ Heute wird das Urteil im Prozess gegen den Südafrikanischen Sprint-Star Oscar Pistorius verkündet. Was das bedeutet, erfährt man hier.
+ Eine Geschichte über das neue Modell des "Thermomix" läuft seit Tagen wie verrückt auf der Seite. Warum? Ideen: es ist ein Phänomen auf dem Land, das wir nur nicht kennen. Der Vertriebsweg über Vertreter könnte ein Erfolgsmodell sein, ...
+ Ein Internet-Mensch (bestimmt unterbeschäftigter Journalist) hat einen Monat lang auf jede PR-Mail geantwortet, die er bekommen hat. Warum???
+ Es gibt neuerdings Start-Ups, die neue Leute nur noch für einen Monat einstellen. Das verkaufen die als super Sache. Für mich klingt das ein bisschen nach Charles Dickens.


Ah, einen Moment, der Chef ruft an.....
...hier bin ich wieder. Also der Chef sagt: Geld und Auto sind leider nicht drin bei unserem Budget, deshalb soll ich mir etwas anderes ausdenken. Also: wer als erster das richtige Thema errät, bekommt alle PR-Mails, die ich heute ungebeten bekommen habe. Na? NA? NAAAAA? 

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9:08 Uhr:
Guten Morgen, lieber, bester aller Kosmosse! Entschuldigt bitte allerseits die Verspätung, die Süddeutsche.de-Konferenz hat heute länger gedauert - ein Thema wurde lange und kontrovers diskutiert. Gleich gibt es dazu ein kleines Ratespiel. Welches Thema war es?


Verlockende Truppe

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Ursula von der Leyen war erst wenige Wochen Verteidigungsministerin, als sie es zum Ziel erklärte, „die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland“ zu machen. Ende Mai folgte der nächste Schritt: Von der Leyen legte dar, wie sie die Qualität der Führung verbessern, die Häufigkeit der Versetzungen verringern und insgesamt sicherstellen will, dass Familie und Dienst künftig besser vereinbar sind. Auch die Stuben sollten wohnlicher werden. Schon damals kündigte die Christdemokratin an, dass sie im Herbst ein Artikelgesetz vorlegen werde, um Dinge wie Altersversorgung, Besoldung und Zuverdienstgrenzen zu regeln. Die Eckpunkte zu diesem Artikelgesetz liegen nun der Süddeutschen Zeitung vor.

Es ist, verglichen mit den im Mai so oft zitierten Flachbildfernsehern für die Stuben der Soldaten, auf den ersten Blick trockener Stoff. Es geht etwa um den Wegfall von „Planstellenobergrenzen“ – doch für die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber sind die zahlreichen Einzelmaßnahmen mindestens ebenso bedeutsam wie die Frage, ob Vorgesetzte sich an die Regeln des zivilisierten Umgangs halten. Denn es geht an vielen Stellen um Geld.



Verteidigungsministerin von der Leyen will die Bundeswehr attraktiver machen.

Unter drei Überschriften sind die Vorhaben in dem Eckpunkte-Papier zusammengefasst, es geht um „Attraktive Arbeitsbedingungen / Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, zweitens um „Besoldung / Wehrsold“ und drittens um „Versorgung“. Was die attraktiven Arbeitsbedingungen angeht, dürfte gleich der erste Punkt auf breite Zustimmung in der Truppe stoßen: Von 2016 an soll für alle Soldaten „im Grundbetrieb“ eine „regelmäßige Arbeitszeit“ von 41 Stunden in der Woche gelten. Bislang ist es so, dass Vorgesetzte, die den Dienstplan festlegen, dabei bis zu 46 Stunden einplanen dürfen. Erst wenn diese Grenze überschritten ist, entsteht der Anspruch auf Dienstzeitausgleich – der künftig entsprechend früher griffe. Vor allem aber entstünde durch diese Regelung eine Verbindlichkeit, die es so bislang nicht gibt. Die Leiter von Dienststellen könnten dann weniger nach Gutdünken handeln. Ausnahmen „zum Erhalt der Einsatzbereitschaft“ sollen allerdings „für Bereitschaftsdienst, Auslandseinsätze und einsatzgleiche Verwendungen“ gelten, heißt es in den Eckpunkten von Anfang September.

Dem Papier zufolge sollen Soldaten und Beamte „durch individuelle Erhöhung der Wochenarbeitszeit“ zudem Zeitguthaben ansparen können. Soldaten mit Familie sollen „wegen besonderer Auslandseinsätze oder vergleichbarer Einsätze“ außerdem eine „Familienhilfe“ in Anspruch nehmen können, wenn zu Hause „alle Stricke reißen“, wie es heißt. Die entsprechende Summe soll auf 50 Euro pro Tag begrenzt sein.

Die Ministerin will noch mehr Geld ausgeben, um den Dienst für Soldaten, aber auch Beamte attraktiver zu machen. So sollen die sogenannten Erschwerniszulagen um 20 bis 40 Prozent erhöht werden. Hinzu kommen Spezialregelungen, etwa für Kampfmittelentschärfer. Hier soll die Zulagen-Höchstgrenze wegfallen. Auch Stellenzulagen sollen angehoben werden, um 25 bis 40 Prozent. Profitieren würden unter anderem Kompaniefeldwebel oder „Ausbilder im Außendienst“. Insgesamt betroffen wären dem Papier zufolge 16000 Zeit- und Berufssoldaten sowie Beamte. Auch die Tagessätze für freiwillig Wehrdienstleistende sollen steigen: um je zwei Euro pro Tag.

Besonders attraktiv für Zeitsoldaten dürfte sein, dass ihre Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung für den Zeitraum ihrer Verpflichtung um 15 Prozent steigen sollen. Das Vorhaben geht auf eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag zurück. Dort heißt es, Zeitsoldaten sollten nach ihrer Dienstzeit „hinsichtlich ihrer sozialen Absicherung keine Nachteile erfahren“. Zudem ist im Koalitionsvertrag festgelegt, dass man „die geltenden Regeln des Hinzuverdienstes für ausgeschiedene Soldaten bei späteren Verwendungen in der Wirtschaft aufheben“ wolle. Auch dies soll im Artikelgesetz umgesetzt werden.

Allerdings gibt es bei diesem Punkt noch Abstimmungsbedarf mit dem Innenministerium – schließlich gibt es solche Zuverdienstgrenzen auch für Beamte. Dadurch könnten sich Regelungen, die in den Eckpunkten vorgesehen sind, noch einmal verändern. Informell ist das Vorhaben jedoch bereits mit dem Haus von Thomas de Maizière abgestimmt, dem Parteifreund und Vorgänger der Verteidigungsministerin. In die offizielle Ressortabstimmung muss der Gesetzentwurf erst noch gehen. Auch hier können sich noch Änderungen im Vergleich zu den Eckpunkten von Anfang September ergeben. Das Ministerium wollte auf Anfrage keine Stellung nehmen und verwies auf den laufenden Prozess.

Nach dem jüngsten Stand aber soll es auch für Soldaten, die vor der Mission in Afghanistan im Ausland eingesetzt waren und aus dem Einsatz eine Beschädigung mitgenommen haben, eine „verbesserte Einsatzversorgung“ geben. Bislang galt hier der 1. Dezember 2002 als Stichtag, er soll nun auf den 1. Juli 1992 rückdatiert werden. Davon würden Soldaten profitieren, die in den Neunzigerjahren zum Beispiel auf dem Balkan eingesetzt waren. Von der Leyen hatte eine solche Regelung bereits vor einiger Zeit angekündigt, nun soll sie im Gesetz verankert werden.

Fahrlässig, nicht vorsätzlich

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Oscar Pistorius war einer der größten Helden des jungen, des besseren Südafrikas. So seltsam das inzwischen klingt, man muss es sich einmal vergegenwärtigen, weil es anders noch viel irrer erscheint, dass an diesem heißen Donnerstag vor dem Gerichtsgebäude in Pretoria wieder die Demonstrantinnen standen. Mit Schildern, auf denen stand: „Ozzy, wir lieben dich“, oder einfach nur: „Unschuldig“. In Südafrikas Medien ging zuletzt eine Rechnung herum, wonach über den Mordprozess gegen den Sportler Pistorius, 27, bereits mehr berichtet worden ist als über die gesamte Fußball-Weltmeisterschaft 2010, die in Südafrika stattfand. Die WM hatte 25 Spieltage. Der Pistorius-Prozess 37 Verhandlungstage.

Nun ist das Finale gekommen. Drinnen im Gerichtsgebäude empfängt Pistorius an diesem Tag sein Urteil, und zwar gewissermaßen in kleinen Scheibchen, auf quälend langsame Weise – die Richterin Thokozile Masipa, 66, leitet ihre sämtlichen Überlegungen erst ausführlich her, bevor sie dem Angeklagten am Ende ihr Fazit verraten wird. Sie verurteilt ihn zwar nicht wegen vorsätzlichen Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Aber wohl doch wegen fahrlässiger Tötung – so viel wird am Donnerstag bereits klar, auch wenn die Richterin die Details erst am Freitag zu Ende erläutern will, in der zweiten Hälfte ihrer Urteilsverkündung.



Oscar Pistorius wurde vom Vorwurf des Mordes freigesprochen.

Über die äußere Handlung in der Tatnacht hat es so gut wie keinen Streit gegeben in diesem Prozess. Pistorius war sogar bereit gewesen, noch einmal nachzustellen, wie er am Abend des 14. Februar 2013 in seiner Wohnung aus dem Bett sprang, eine Waffe ergriff und brüllend durch die verschlossene Badezimmertür schoss. Viermal. Zu klären war nur, was währenddessen in seinem Kopf vorging – ob er irrig annahm, dass es ein Einbrecher irgendwie in sein Badezimmer geschafft hatte, oder ob er bewusst, einem Plan folgend, seine wehrlose Freundin erschießen wollte, die sich im Bad befand. „Es gibt einfach nicht genug Tatsachen, um eine solche These zu stützen“, sagt Richterin Masipa am Donnerstag. „Der Staat hat nicht zweifelsfrei beweisen können, dass der Angeklagte einen Mord plante.“

Und doch handelte Oscar Pistorius fahrlässig, sagt Masipa, denn er habe in der Tatnacht genug Zeit gehabt, um eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Er mag gedacht haben, dass ihm das Recht auf Notwehr zustehe. Aber das war ein Fehler, und der war leicht vermeidbar. Das genügt für eine Gefängnisstrafe, wobei die Richterin das genaue Strafmaß erst zu einem wiederum späteren Zeitpunkt verkünden will.

„Nicht einmal der Teufel kann die Gedanken eines Mannes lesen“, hat ein britischer Lordrichter einmal gesagt. Wo die Juristen sich fragen müssen, was im Inneren eines Angeklagten vorgegangen ist, da regiert der Zweifel, und der wirkt sich immer zugunsten des Angeklagten aus. Richterin Masipa konnte sich nur vortasten ins Dunkle, sich allmählich eine Meinung bilden, die aber nie eine Gewissheit ist. Sie hat sich dafür entschieden, vorsichtig zu bleiben.

Ein entschiedenes Urteil bietet sie hinsichtlich des Charakters des Angeklagten.Hat der Sportheld Pistorius hinter seiner perfekten Fassade einen jähzornigen Frauenmörder versteckt, wie es die Anklage behauptete? Oder ist er „nur“ ein angstgestörter Waffennarr, wie es die Verteidigung nahelegte? Was ist da bitte noch der große Unterschied, antworteten viele in Südafrika schon vor dem ersten Gerichtstag, so oder so war der Absturz des Prominenten total. Doch die vielen Zuhörer, die nun Richterin Masipas langsamen, in einfachen Sätzen vorgetragenen Erläuterungen über mehrere Stunden folgen, erleben noch die restlose Dekonstruktion einer einst strahlenden Figur.

Der Angeklagte habe sich als „ausweichender Zeuge“ erwiesen, rügt Masipa. Selbst wenn man ihm im Prozess einfache, „straight-forward“-Fragen gestellt habe, habe er oft das Thema gewechselt und andere Zeugen angegriffen, anstatt sich selbst zu erklären. Oft verwickelte er sich in Widersprüche. „Er gab an, dass er, wenn er einen Menschen hätte töten wollen, auf Brusthöhe gezielt hätte“, sagt die Richterin. „Ich halte inne, um festzustellen, dass diese Behauptung nicht mit der Vorstellung zu vereinbaren ist, dass hier jemand geschossen hat ohne nachzudenken.“

Daraus zieht die Richterin zwar keine unvorsichtigen Schlüsse: „Die Feststellung, dass ein Angeklagter unaufrichtig ist, bedeutet nicht, dass der Angeklagte schuldig ist.“ Dennoch, es ist eine Bewertung, der sie viel Zeit widmet.

Südafrika ist ein junges Land, aber schon alt genug, um seine Politiker sattzuhaben. An positiven Identifikationsfiguren gibt es natürlich Nelson Mandela, danach aber nur noch Sportler. Und unter ihnen war keiner so faszinierend, für viele auch so inspirierend gewesen wie eben Oscar Pistorius, dem das Leben eine so große Hürde in den Weg gelegt hatte. Als Kleinkind mussten ihm beide Unterschenkel abgenommen werden, er ließ sich trotzdem nicht bremsen. Bei den Paralympics 2008 in Peking holte er alle Goldmedaillen, die ein Sprinter holen kann; vier Jahre später in London schrieb er Sportgeschichte, als er nicht nur bei den Paralympics, sondern auch bei den regulären Olympischen Spielen antrat. Als einziger Behinderter.

Oscar Pistorius, das war der Athlet, der sich in Interviews so nett und bescheiden zeigte wie der Junge von nebenan. Der sogar seinen eigenen Perfektionismus scherzhaft auf die Schippe nehmen konnte: „Wenn ich eine Scheibe Brot toaste, muss sie perfekt getoastet sein.“ Und der nach seinen sportlichen Triumphen stets seiner Mutter im Himmel dankte, jener alleinerziehenden Frau, deren Todestag er als Tattoo auf dem Arm trägt.

Sein Gesicht war eines, mit dem man in Südafrika fast alles verkaufen konnte. Er war ein Vorbild, vielleicht etwas mehr für die Weißen im Land, aber auch für viele Millionen Schwarze. Und dazu, schließlich, diese Freundin: Reeva Steenkamp war nicht nur ein Bikini-Model, das weltweit auf der Titelseite der Männerzeitschrift FHM vorgezeigt wurde, ein südafrikanischer Star, der sein Land in der Welt vertrat, ebenfalls eines der häufigsten Werbegesichter. Sie hatte auch einen Jura-Abschluss, nutzte ihren Twitter-Account für Aufrufe gegen sexuelle Gewalt, und sie war in Interviews nett. Ozzy und Reeva, für Südafrika war das wie David Beckham und Posh Spice mit einem Schuss Samuel Koch. Aus dieser moralischen Himmelshöhe ist Pistorius gestürzt.

Die Faszination des südafrikanischen Publikums, das seine Augen wochenlang nicht abwenden konnte von dem im Gerichtssaal elend verweint auftretenden Büßer Pistorius – in schwarzem Anzug mit beerdigungsschwarzer Krawatte –, war denn auch nicht angetrieben von der gespannten Frage, die sonst oft über einem Prozess schwebt: ob der Angeklagte sich aus der Grube herausziehen können wird. Das schied ja aus. Ein Freispruch stand nie zur Debatte. Sondern offen war nur die allerdings quälende Frage, wie es sein konnte, dass man sich derart getäuscht hatte in ihm, über all die Jahre.

Jene, die es nicht wahrhaben wollen, stehen vor dem Gerichtsgebäude mit den „Ozzy, wir lieben dich“-Schildern.

Den ersten Teil des Urteilsspruchs nimmt Oscar Pistorius am Donnerstagmittag unter Tränen auf. Die Eltern der getöteten Reeva Steenkamp sitzen nur wenige Meter von ihm entfernt im Publikum. Er hat sie im Vorbeigehen mit einem leisen „Good morning“ begrüßt.

2012, am Ende von Pistorius’ Medaillen-Gala bei den Olympischen Spielen in London, gab es einen Moment, der zumindest zweifeln lassen konnte an der Fassade: Pistorius musste sich auf der 200-Meter-Strecke der Paralympics geschlagen geben, er wurde nur Zweiter hinter dem beinamputierten Brasilianer Alan Oliveira. 21,45 Sekunden brachten Oliveira die Goldmedaille. Pistorius’ 21,52 Sekunden reichten für Silber, danach suchte er das erste Mikrofon, das er finden konnte, ätzte über die „unglaublich langen“ Lauf-Prothesen seines Konkurrenten; sie seien sicher länger als erlaubt. Ozzy, der schlechte Verlierer.

Die südafrikanischen Medien fanden das nicht witzig, auch nicht, als er sich später entschuldigte. Die Kommentatoren stutzten einen Moment lang, verwirrt. Dann gingen die Festspiele weiter, aber es war ein Moment, in dem kurz aufflackerte, dass Pistorius womöglich eine Emotionalität in sich trägt, die er bisher verbarg.

An diesem Freitag soll die Urteilsverkündung in Pretoria fortgesetzt werden.

Wer Krieg sät, wird Vernichtung ernten

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Zerstören ist ein starkes Wort, nicht nur aus dem Mund eines Friedensnobelpreisträgers. Barack Obama begann seine Rede an die Nation damit: Seine Regierung werde die Militäreinsätze im Irak intensivieren und auf Syrien ausweiten, um die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) „zu zersetzen und schließlich zu zerstören“. Keine Eindämmung, keine Verhandlungen – Vernichtung. Die mittelalterliche Grausamkeit der Terroristen erfährt eine rabiate Antwort.

Kritik an dieser Wortwahl des US-Präsidenten dürfte diesmal ausbleiben: Die IS-Miliz begeht widerliche Verbrechen, und ihre stolz zur Schau getragene Menschenverachtung schockiert die ganze Welt. Auch deshalb weigert sich Obama, die Gruppe bei ihrem selbstgewählten Namen Islamischer Staat zu nennen: Der Verein sei kein Staat, da er weder von Regierungen noch von den Menschen anerkannt werde, die er unterjoche. Und er sei auch nicht islamisch: „Keine Religion billigt das Töten Unschuldiger.“ Die Mehrheit der IS-Opfer seien Muslime.



US-Präsident Obama will die Terrormiliz Islamischer Staat zerstören.

Das ist ein zentraler Punkt. Amerika zieht gegen Terroristen los, nicht gegen den Islam. Niemand soll nun wieder mit dem Kampf der Kulturen kommen. Tatsächlich hoffen die USA, die wichtigsten Akteure der arabischen Welt für den Kampf gegen den IS gewinnen zu können– was denen schwerfällt (siehe nebenstehenden Bericht). Obama kündigte dennoch „eine breite Koalition“ an. Das Weiße Haus verschickte bereits eine Liste von 37 Nationen, von Albanien bis zum Vereinigten Königreich, die sich in verschiedener Form beteiligen werden. Nicht alle 37 werden in einer neuen Koalition der Willigen auch in den Krieg ziehen: Selbst die neutrale Schweiz ist aufgeführt, weil sie ihre humanitäre Hilfe an den Irak aufgestockt hat.

Trotzdem, die Botschaft zählt: Amerika steht nicht allein, wird nicht erneut einsam Verantwortung auf sich laden wie im Irak. So soll der US-Einsatz begrenzt bleiben: Am Boden kämpfen sollen andere, an erster Stelle irakische Soldaten und die kurdischen Peschmerga. Die USA bleiben bei Lufteinsätzen. Auch wenn weitere 475 US-Soldaten als Ausbilder und Berater in den Irak entsandt werden: Einen neuen Bodenkrieg will Obama nicht beginnen, nicht so wie einst sein Vorgänger George W. Bush.

Barack Obama sprach kurz und schnell. Es war ein spröder Auftritt, der Entschlossenheit demonstrieren sollte. Mit gutem Grund: An Obamas Führungsstärke zweifeln nicht länger nur die ewig kriegslustigen Falken. Dass der Präsident Golf spielen ging direkt nach einem Statement, in dem er den brutalen Mord an dem US-Journalisten James Foley geißelte, stieß vielen merkwürdig auf. Und als ihm vor Kurzem herausgerutscht war, er habe „noch keine Strategie“ gegen den IS, waren selbst politische Freunde beunruhigt. Denn die Exekutionsvideos der IS haben zu einem Umdenken im eigentlich kriegsmüden Land geführt: Laut Umfragen sind 76 Prozent der Amerikaner für zusätzliche Luftschläge gegen den IS, 71 Prozent halten ihn für eine Bedrohung Amerikas. Die Furcht vor Anschlägen ist wieder gestiegen.

Darauf hat Obama nun reagiert: Auch wenn die Geheimdienste keine Anschlagspläne der Terrormiliz gegen Amerika ausgemacht hätten, so stelle die Organisation doch eine Bedrohung der nationalen Sicherheit dar. Deshalb werde er handeln, eine Ermächtigung des Parlaments brauche er dafür nicht. Auch das soll Führungsstärke zeigen; vor einem Jahr hatte er Angriffe auf das Assad-Regime in Syrien kurzfristig abgesagt, weil sich im Kongress Ablehnung abgezeichnet hatte.

Gegner merken süffisant an, der Präsident lasse sich von der öffentlichen Meinung zum Kampf treiben. In Wahrheit wolle er lieber daheim bleiben. Derlei Kritik hat Obama offenkundig erwartet. Deshalb war er bemüht, seine Entscheidung nicht als Kehrtwende, sondern als Fortführung der bisherigen Politik darzustellen: Die Jagd nach den Feinden Amerikas sei „das Grundprinzip“ seiner Präsidentschaft. Er erinnerte an die Tötung Osama bin Ladens durch Spezialeinheiten sowie an Einsätze in Jemen und in Somalia.

Tatsächlich war Obama nie kategorisch gegen Militäreinsätze. Das gab er schon zu verstehen, als er 2009 den Friedensnobelpreis entgegennahm: „Ich muss die Welt gewärtigen, wie sie ist. Ich kann nicht untätig bleiben angesichts von Bedrohungen für das amerikanische Volk.“ Dennoch markiert die Rede vom Mittwoch zweifellos eine Neuerung: Obama sprach am Vorabend des 11. September und machte so klar, dass auch 13 Jahre nach den Anschlägen von 9/11 der Krieg gegen den Terror weitergeht. Ein Krieg, von dem der Präsident noch voriges Jahr gesagt hatte, er müsse enden, so wie alle Kriege enden müssten. Auch wenn er damit eher eine Geisteshaltung gemeint hatte, jene Grundangst, die Überreaktionen wie CIA-Folter und Guantanamo hervorgebracht hatte: Von einem Ende ist nun keine Rede mehr.

Die EU will Putin entgegenkommen

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Ungeachtet erneut verschärfter Sanktionen will die Europäische Union Russland in einem zentralen Streitpunkt entgegenkommen. Dabei geht es um einen wichtigen Bestandteil des von Russland erbittert bekämpften Assoziierungsabkommens der Ukraine mit der EU. Auf Betreiben mehrerer EU-Staaten sollen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung zahlreiche Bestimmungen des im Juni unterzeichneten vertieften Freihandelsabkommens mit der Ukraine zunächst nicht angewandt werden. Russland hat eine Liste mit mehr als 2300 Änderungswünschen übermittelt.

„Der Katalog ist so umfassend, dass er das Abkommen leer macht“, hieß es aus Verhandlungskreisen. So sollen ukrainische Zollschranken zunächst erhalten bleiben und das Land soll zahlreiche EU-Normen zunächst nicht anwenden müssen. An diesem Freitag treffen sich Vertreter der EU, der Ukraine und Russlands in Brüssel, um den Kompromiss perfekt zu machen. Sie stehen unter Zeitdruck, weil sowohl das EU-Parlament als auch das ukrainische Parlament das Abkommen kommende Woche ratifizieren wollen.



Die EU will dem russischen Präsidenten Wladimir Putin entgegenkommen.

Für die Einigung hatte sich insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel eingesetzt, die zugleich aber zu Härte bei den Sanktionen mahnte. Die Doppelstrategie soll den russischen Präsidenten Wladimir Putin bewegen, sich an Vereinbarungen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zu halten, die zur Waffenruhe in der Ostukraine geführt hatten. Merkel und andere Staats- und Regierungschefs hatten den Nato-Gipfel in Newport genutzt, um sowohl Poroschenko als auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zu Kompromissbereitschaft beim Freihandelsabkommen zu ermahnen.

In der ukrainischen Regierung zeigte man sich zuversichtlich, dass eine Regelung gefunden werde, die nur „schmale Kompromisse“ erfordere. Außenminister Pawlo Klimkin bestätigte, dass es Verhandlungen mit Brüssel gebe, die auf eine verzögerte Liberalisierung einiger Teilbereiche hinauslaufe. Die Annahme, dass der Zweck des Abkommens geändert werde, sei aber ein „Missverständnis“. Die für den 16. September im Parlament geplante Ratifizierung werde wie vorgesehen vonstatten gehen. Anfang September hatte die Regierung in Kiew bekannt gegeben, dass man die Verwaltung des Landes schon in den nächsten Wochen auf die Umsetzung des Abkommens vorbereiten wolle.

An diesem Freitag sollen neue Wirtschaftssanktionen der EU und der USA gegen Russland in Kraft treten, die etwa den Zugang des Landes zum europäischen und amerikanischen Kapitalmarkt einschränken. Das werde „Russlands politische Isolation sowie die wirtschaftlichen Kosten für Russland erhöhen“, erklärte US-Präsident Barack Obama am Donnerstag. Innerhalb der EU waren der Entscheidung erhebliche Kontroversen vorausgegangen. Mehrere EU-Länder äußerten Sorge, dass die Waffenruhe belastet werden könnte. Die EU machte aus daher klar, dass die Sanktionen jederzeit wieder zurückgenommen werden können. Russland kündigte neue Gegenmaßnahmen an.
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