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„Ich bin immer so cool wie der Film, den ich mache“

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In einem opulenten Raum mit einer langen Tafel steht Tom Schilling. Ein kleiner Mann, der in seinem Maßanzug noch kleiner wird. Der 32-Jährige ist kein junger Adliger, sondern einer der gefragtesten Schauspieler des Landes. Hinter ihm hängt das Plakat des Filmes „Who am I“, der am 25. September anläuft. Es geht um Hacker – ein Thema, für das sich Schilling nur langsam begeistern konnte. „Ich hatte lange nicht mal einen Laptop.“ Auch vom Soho House Berlin, in dem das Gespräch stattfindet, distanziert er sich. Er sei „anders als alle anderen“ nicht Mitglied. In einem liegt Schilling im Trend: Vor Kurzem ist er zum zweiten Mal Vater geworden – und nimmt jetzt erst mal Elternzeit.

SZ: Herr Schilling, reden wir über Geld. Sie spielen Außenseiter, Ausgestoßene, die am Leben verzweifeln. In der Realität tragen Sie Anzug. Wie geht das zusammen?
Tom Schilling: Ich glaube, so ein Außenseiter-Ding kann man in jede Rolle hineininterpretieren. Ich würde sagen, dass ich häufig Figuren mit einem großen Sendungsbewusstsein spiele. Zum Beispiel in „Crazy“ oder in „Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe“. Und in „Oh Boy“ eigentlich auch.

Was macht eine Figur eigentlich attraktiv? Wenn sie Probleme hat oder wenn sie selbstsicher ist?
Für mich ist das attraktiv, was problematisch, abgründig ist. Pete Doherty zum Beispiel hat einen Sexappeal, obwohl er sein Leben, glaube ich, nicht so richtig unter Kontrolle hat. Als ich mir im Kino „Oh Boy“ angeschaut habe, saß hinter mir eine Frau, die meinte: „Gott, so könnte ich nicht leben. Diese fettigen Haare, unausgepackte Sachen in der Wohnung, ne.“ Andererseits habe ich viele getroffen, gerade Frauen, die das total ansprechend finden. Weil er jemand ist, der einen ganz anderen und genaueren Blick auf die Dinge hat. Es schwingt ja auch ein Fatalismus mit in dieser Figur. Manche finden das toll, manche finden das miesepeterig.



Tom Schilling (l.) macht jetzt auch Musik.


Jetzt kommt der Film in Amerika raus. Wie reagieren die Leute da?
Da gibt es sicher viele, die denken: Mein Gott, krieg doch mal den Arsch hoch! Ein großer Teil von „Oh Boy“ ist für mich eine Auseinandersetzung mit der Leistungsgesellschaft, die natürlich in Amerika noch mal um einiges stärker ist. Und da kann das eine irrsinnige Provokation sein.

Ist das ein Thema, das Sie privat beschäftigt? Die Auseinandersetzung mit der Leistungsgesellschaft?
Ja. Ein System, das auf Wachstum basiert und nur dann funktioniert, ist natürlich schon fragwürdig. Warum denn eigentlich wachsen? Genügt es nicht auch so?

Man will aber doch vorwärts kommen als Mensch, oder? Man sagt ja nicht: So wie es ist, ist es gut, das lassen wir jetzt so.
Aber von den Sachen, die erfunden werden und neu gemacht werden, überdauern vielleicht drei, vier Prozent. Das ist wie mit guter Literatur und guten Filmen. Der Großteil ist Schrott und wird vergessen.

Sie sind allerdings jemand, der vor der Leistungsgesellschaft bestehen kann. Seit Sie volljährig sind, sind Sie ein erfolgreicher Schauspieler, verdienen Ihr eigenes Geld.
Was ja auch fragwürdig ist. Warum ich dadurch irgendwie besser oder interessanter sein soll.

Das Immer-erfolgreich-sein und der Sexappeal, den man hat, wenn man ein bisschen am Rande steht – sind das Pole, zwischen denen Sie sich bewegen?
Ich glaube, ich versuche einfach, meinen Beruf zu machen. Was mich am meisten beschäftigt, ist Integrität. Ich will vor mir, aber vielleicht auch vor anderen, die ich schätze, integer sein. Mir ging es nie darum, reich zu werden. Ich will – so banal das klingt – ich will irgendwie cool sein.

Stört es das Cool-Sein, wenn man reich und berühmt ist?
Für mich bin ich immer so cool wie der Film, den ich mache. Ich versuche, gute Filme zu erwischen, gute Regisseure.

Dann zählen nur die Leistung und die Arbeit?
Absolut. Ich definiere mich total über meinen Beruf. Natürlich macht es mir Spaß, der Hauptdarsteller eines Films zu sein. Und das Gefühl zu bekommen, dass die Leute sagen: Der macht das gut. Dem gucken wir gern zu.

Sie haben immer wieder von Angst gesprochen, von Existenzangst sogar.
Hab ich das wirklich? Ich hab einmal für Die Zeit einen Angsttraum aufgeschrieben, seither wollen alle mit mir über Angst reden. Ich bin das Sprachrohr der Angst!

Sie haben also gar nicht so viel Angst?
Nicht so, dass ich ständig einen Psychiater an meiner Seite bräuchte.

Sie erfüllen einige Snob-Klischees. Sie sitzen hier im Anzug. Perfekt abgestimmte Schuhe. Sie spielen Tennis.
Für mich sind Ästhetik und Stilbewusstsein nicht elitär. Das ist eine Geisteshaltung. Und Tennis ist ein schöner Sport. Es wäre etwas anderes, wenn ich in dem Tennisklub wäre, weil der ein schönes Klubhaus hat und mit mir in diesem Tennisverein Ärzte und Vorstandsvorsitzende wären. Aber unser Sporthaus ist eine Baracke!

Hätten Sie mal Lust, jemand Reiches zu spielen?
Eine Figur wie der Große Gatsby oder Wolf of Wall Street? Klar. Da geht’s ja nicht um Geld. Da geht es um Gier und Macht, die dazu führen, dass Menschen Geld anhäufen. Das sind Charaktereigenschaften. Und die interessieren einen eher als Schauspieler.

Einer der ersten Sätze, die Ihre Figur Benjamin in Ihrem neuen Film „Who am I“ sagt, ist: Ich bin kein Niemand mehr. Wann ist ein Mensch kein Niemand mehr?
In dem Film? Wenn er wahrgenommen wird und aus seinem geschützten Raum heraustritt.

Haben Sie das selber mal von sich gedacht: Dass Sie ein Niemand sind?
Ich hatte, glaube ich, schon immer das Gefühl, dass ich sehr stark wahrgenommen werde. Schon in der Schule. Ich war immer der Kleinste. Ich habe mich beobachtet gefühlt. Vielleicht bin ich Schauspieler geworden, weil ich auf eine Art und Weise wahrgenommen werden möchte, die ich beeinflussen kann. Wo ich eine Maske trage, unnahbarer werde.

Wieso wird man besonders wahrgenommen, wenn man klein ist?
Ich war nicht nur klein, ich war wirklich der Kleinste. So richtig einen ganzen Kopf kleiner. Da gab es schon Sprüche. Aber dann habe ich auch früh angefangen Anzüge zu tragen und mich exponiert. Das klingt wahnsinnig vermessen, aber auch als ich in meinen frühen Zwanzigern in Clubs unterwegs war, haben mich die Leute angeschaut. Als würden die denken: „Was will der hier?“

Auch wenn es in „Who am I“ um ein aktuelles Thema wie Hacker geht, ist der Plot klassisch: Alles kommt in Bewegung, weil der Hauptdarsteller ein Mädchen erobern will. Ging es Ihnen früher auch darum, eine Grundschulliebe zu beeindrucken?
Nee. Aber ich habe natürlich früh gemerkt, dass es Frauen interessiert, wenn man Schauspieler ist. Ich habe mit zwölf Jahren angefangen, Theater zu spielen und habe da auch Frauen kennengelernt.

Mit zwölf?
Ja klar, bei so einem Stück arbeiten ja viele Leute.

Wie lernt man denn mit zwölf Frauen kennen? Was passiert da?
Man arbeitet halt zusammen und findet Gefallen aneinander. Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass jemand, der etwas vorführt, für andere interessant ist. Das merkt man schon, wenn man zu Weihnachten ein Lied vorsingt. Da gehört Mut dazu! Und mit je mehr Überzeugung man das macht, desto besser transportiert sich das.

Wollten Sie berühmt werden?
Ich wollte anerkannt werden. Wahrgenommen. Ich wollte, dass die Leute sagen: „Der kann das. Der kann das gut.“ Wenn ich angesprochen werde, dann viel angenehmer als andere Figuren des öffentlichen Lebens. Wenn ich mit Elyas M’Barek am Potsdamer Platz drehe, fangen die Mädels an zu kreischen. Bei mir sind sie höflicher – und sehr auf den Film bezogen.

Sie sagten mal, Sie seien Nick-Cave-Fan. Kennen Sie das Lied „Easy Money“ von ihm?
(nickt)

Cave singt „Money is a bitch“. Alles könnte so einfach sein, wenn nicht das Geld fehlen würde.
Ging’s nicht um Prostitution?

Damit auch um Geld. Oder?
Ja, absolut.

Mögen Sie diese Cowboy-Romantik? Dieses Einsamer-Wolf-Ding?
Nick Cave ist einfach ein großes Idol. Der hat ja immer eine Haltung. Ich bewundere ihn vor allem für die Arbeitswut, den kreativen Output. Eine Stilikone! Und ein Mensch, der sich komplett der Kunst verschrieben hat.

Haben Sie das auch?
Ja, ich versuch’ gerade Musik zu schreiben.

Was für Musik?
Keine Ahnung, das ist schwer. Alternative ist so unkonkret. Und wenn ich jetzt sage: countryeske Stücke, dann denken alle an TheBossHoss oder so was.

Spielen Sie alleine oder in einer Band?
Schreiben tu ich alleine. Und ich spiele mit den Jazz-Jungs aus dem Oh-Boy-Soundtrack.

Und? Schon aufgetreten?
Ja. Umsonst und draußen, diesen Sommer.

Und war’s gut?
Nein.

Vor wie vielen Leuten?
Zwölf mittelinteressierten. Aber wir machen weiter, wir spielen noch, dieses Jahr.

Steht da groß Tom Schilling mit drauf, bei der Band?
Das ist ja irgendwie immer so, egal was ich mache.

Welches Instrument spielen Sie?
Ich bin Sänger und Gitarrist.

Sagen Sie mal eine Textzeile.
Äh. (Stille) „Ein Jahr ist zu kurz und Wladiwostok ist zu nah / Kein Gedanke wird gefasst, kein Blick wird hier klar / Ruf mich noch mal an und sag, dass du mich liebst / Ganz egal, ob es nur zum Spaß ist.“

Wo es schon um Liebe geht: Sie werden vom Feuilleton regelrecht verehrt. Wir haben keine negative Kritik gefunden. Wie fühlt sich das an?
Da macht einem der erste Verriss, der kommen könnte, natürlich Angst. Vielleicht ist der neue Film ja die erste Gelegenheit, ordentlich verrissen zu werden?

Ist das nicht unheimlich, so toll gefunden zu werden?
Nee, überhaupt nicht. Aber es ist mir sehr wichtig, ernst genommen zu werden. Vielleicht ist das der Kern: Ich will ernst genommen werden. Und ich habe Angst, dass man das nicht tut. Schon als Kinderschauspieler habe ich mich irrsinnig aufgeregt, wenn mich jemand nur als Kind gesehen, mich wie eine Schachfigur bewegt hat: Da bin ich schon früh mit Leuten aneinandergeraten. Nur weil ich klein oder jung bin: Du kannst mir auf Augenhöhe begegnen!

„Bam bam“

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Für die Liebe fehlen dem Menschen meist die richtigen Worte, selbst wenn er persönlich gar nicht betroffen ist. „Bam bam“, jubelte ein Nutzer namens Mario am Donnerstag auf der Facebookseite von Bastian Schweinsteiger. „Du alter Hund!“, kommentierte Alec. Nur Janine war leicht geknickt: „Ich wollte doch deine Neue sein.“ Schweinsteiger selbst hatte (und hat) sich zwar noch nicht zur Sache geäußert, um die es geht, aber egal. In der Liebe geht neben dem Sprach- oft auch das Zeitgefühl flöten. Und wenn Liebe und Prominenz zusammenkommen, gelten eh andere, also keine Regeln mehr.



Fußball spielen tut er gerade zwar nicht, im Mittelpunkt steht Schweinsteiger trotzdem.

„Schweini zeigt sich mit neuer Frau!“, stand am Donnerstag auf Seite eins der Bild-Zeitung, womit das Blatt eine der bestverkauften Ausgaben des Jahres produziert haben dürfte. Drunter sah man den 30-jährigen Nationalspieler mit einer jungen dunkelhaarigen Frau durch New York bummeln – „Hand in Hand“. Damit Letzteres wirklich niemand übersehen konnte, hatte der Layouter noch einen dicken, roten Kreis um die verschlungenen Finger der beiden gezogen.

Das Foto stammte von einem „Leser-Reporter“. So nennt die Bild ihre anonyme Privat-Paparazzi-Armee. Wer Schweinsteigers Begleiterin war, wusste das Blatt zunächst nicht. Von einer „schönen, unbekannten Frau“ war die Rede. Bald aber folgte doch ein Name: Ana Ivanović, 26, serbischer Tennisprofi, sei die Frau auf dem Foto. Kennengelernt hätten sie und der Fußballer sich über eine gemeinsame Freundin, Andrea Petkovic, ebenfalls Tennisspielerin. Mit ihr sei „Schweinsteigers schöne Tennis-Lady“ kürzlich auch in München zu Gast gewesen. Und für die „Ice-Bucket-Challenge“ hat sie ihn nominiert. Tss.

Wie immer, wenn es um eine mutmaßliche Romanze unter Prominenten geht, hatten sehr viele Leute sehr schnell eine Meinung, vor allem zum Zustand der Beziehung zwischen Bastian Schweinsteiger und seiner Freundin Sarah Brandner. Plötzlich wollte jeder, auch der letzte Münchner Frühstücksradiomoderator, gewusst haben, dass es schon seit Monaten kriselt zwischen dem FC-Bayern-Star und dem Model. Sie habe doch mal mit dem Soundso, und er erst, ein echter Schlawiner...

Und die schönen Bilder nach dem WM-Finalsieg am 13. Juli im Maracanã-Stadion, als Brandner ihm vor den Kameras der Welt um den Hals fiel? Pah, so der neue Tenor: alles Show. Als hätte die Öffentlichkeit so etwas wie ein Recht auf eine wahrheitsgetreue Beziehungsberichterstattung von Leuten, die sie aus dem Fernsehen kennt.

Fest steht: Weder Schweinsteiger noch Brandner noch Ivanović haben sich bisher zu den Fotos vom Spaziergang in New York geäußert. Auch Steffen Hamann, bis vor Kurzem als Basketballer beim FC Bayern unter Vertrag, schweigt. Der 33-jährige Kumpel von Schweinsteiger ist ebenfalls auf einem der Bilder zu sehen; allerdings hält er nur sein Handy und nicht die Hand der Nummer zehn der Tennis-Weltrangliste fest.

Ana Ivanović – „die Frau, die Schweinis Hand halten darf“ (Bild) – meldete sich am Donnerstag zwar gut gelaunt via Facebook zu Wort, aber nicht zur Sache. Sie sei gerade in Japan und esse bereits ihren zweiten Reiskuchen. Dazu stellte sie ein Foto der Bucht von Tokio. Letzteres interessierte die Nutzer allerdings so sehr wie den Bild-Leserreporter ihre Privatsphäre. „Wo is Schweini?“, forderte ein Herr namens Rene die Tennisspielerin auf, umgehend mitzuteilen. Darauf folgten Kommentare, in denen es um Nazis und Penisgrößen ging.

So ist die Liebe. Sie bringt auch jene um den Verstand, die allein vor dem Rechner sitzen, nie Weltmeister werden und nie mit einer Tennisspielerin durch New York spazieren dürfen.

"Die Unabhängigkeit ist wie Schwangersein"

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"Lieber Knallköpfe aus Edinburgh als Knallköpfe aus London"






Andy Williamson, 24, Sohn eines Maschinenbauingenieurs und einer Bauerstochter, lebt im 9000-Seelen-Nest Thurso, am nördlichsten Zipfel des Vereinten Königreichs.

"Zwölf Stunden braucht man mit dem Auto von London bis hierher. Kein Wunder also, dass wir uns von den Leuten in London nicht verstanden fühlen. Hier, am Ende Schottlands, hast du zwei Möglichkeiten Geld zu verdienen, die eine ist grün, die andere gelb. Entweder als Bauer mit Kühen, Schafen und EU-Subventionen – oder der du lebst von den staatlichen Geldern der Nuclear Decommissioning Authority. Als Angestellter dieser Behörde zerlegst du dann das stillgelegte Atomkraftwerk Dounreay.

'Nie im Leben wirst du mit deiner Musik Geld machen' – haben mir meine Lehrer und auch meine Eltern vor mehr als zehn Jahren prophezeit. Die letzten vier Jahre auf der Highschool waren deswegen ein ständiger Kampf. Weil es hier in Thurso keine gute Musikschule gibt, bin ich dann im Alter von 17 nach Glasgow gezogen, um dort aufs College zu gehen.

Viele der Leute hier sind verängstigt und fühlen sich gefangen. Sie wachen irgendwann auf, haben ein Haus und trauen sich nicht mehr ihren Träumen zu folgen, nur weil sie fürchten das Wenige, was sie haben, zu verlieren. Andere wiederum glauben an den schnellen Erfolg. An den 'quick-fix', den großen Lotto-Gewinn. Von Thurso in den Reichtum – aber auch das passiert nicht.

In den letzten drei Jahren habe ich es geschafft hier, mitten im Nirgendwo, von meiner Musik zu leben und verdiene mittlerweile 2900 Pfund im Monat. Einen Teil verdiene ich mit meinem Tonstudio, einen anderen als Musiklehrer, und den letzten mit meinen Bühnenauftritten. Sogar ein Haus habe ich vor kurzem gekauft - die Bank hat mir ohne Probleme einen Kredit dafür gewährt.

Auch wenn es für Schottland gefährlich werden könnte, so hoffe ich dass die Mehrheit trotzdem für die Unabhängigkeit abstimmen wird. Ich lasse mich lieber von Knallköpfen aus Edinburgh regieren, als von Knallköpfen aus London. Selbst wenn sich alle Schotten im Westminster-Parlament einig wären, und alle für das gleiche abstimmen würden, so würde es keinen Unterschied im Vereinten Königreich machen. Sie sind einfach zu wenige, und haben daher keinen Einfluss.

Ich erwarte von einem unabhängigen Schottland dass es mehr für seine eigenen Talente einsetzt und Geld für seine eigenen Leute in die Hand nimmt. Die Typen, die jetzt mit unserem Geld Entscheidungen treffen, haben keinen Schimmer von unserem Leben. Das alleine genügt mir, um mich für ein unabhängiges Schottland auszusprechen."

"Fortschritt braucht Risiko"






Letty Bishop kam mit 17 in die Ölstadt Aberdeen an der Ostküste Schottlands, um Modedesign zu studieren. Damals wollte sie nur noch weg von den Shetlandinseln, auf denen sie aufgewachsen ist.


"Ich liebe Mode, vor allem das Entwerfen und Skizzieren, aber die Modeindustrie kann ich nicht ausstehen. Der Konkurrenzkampf ist enorm, alles ist komplett übertrieben und überhaupt nicht nachhaltig. Obwohl ich seit den Scottish Fashion Awards von einer Modeagentur vertreten werde, bin ich mir noch nicht sicher, was ich mit meinem Leben anfangen will.

Trotz meines ausgezeichneten Abschlusses jobbe im Moment als Stripperin und Barkeeperin. Wenn ich in einer freien Minute auf meiner Fensterbank im zweiten Stock sitze, um eine Zigarette zu rauchen, schaue ich oft auf die Granitfassaden meiner Strasse entlang. Nachtclub, 24-Stunden-Laden, Stripclub, Bushaltestelle und ein Kiltverleih. So trist wie hier ist es überall in der Stadt.

Die Leute hier machen sich total verrückt mit der Abstimmung. Da ich von den Shetlands bin, fühle ich mich nicht wirklich schottisch. So kurz vor dem Referendum sind alle sehr aggressiv. Jeder versucht dem anderen seine Meinung aufzuzwingen. Dabei sollte jeder die Entscheidung für sich selbst treffen.

Viele meiner Freunde sind Kunststudenten und wissen nicht, was sie aus ihrem Leben machen, geschweige denn, wie sie einen Job finden sollen. Sie sind alle sehr leidenschaftlich für die Unabhängigkeit, weil sie hoffen, dass sich die Arbeitslage für junge Leute in einem autonomen Schottland verbessern wird. Die Arbeitslosenrate von Menschen unter 24 ist in Schottland seit 2008 um sieben Prozent gestiegen und damit höher als in England. Viele Studenten finden nach ihrem Abschluss keine Stelle, selbst wenn sie etwas Seriöses wie Ingenieurwissenschaften studiert haben.

Alle hoffen, dass sich nach dem Referendum etwas ändert. Keiner weiss, was passieren wird, aber wenn man sich Fortschritt wünscht, dann muss man manchmal ein Risiko eingehen. Ich werde für die Unabhängigkeit stimmen. Auch wegen der Party, die es dann geben wird."

[seitenumbruch]

"Es ist wie Schwangerwerden: Klappt schon!"






Susan Armstrong, 34, lebt in Edinburgh und arbeitet beim British Council, einer Organisation für Internationale Beziehungen zwischen Großbritannien und anderen Ländern.

"Obwohl ich für eine international agierende Einrichtung arbeite, werde ich für die Unabhängigkeit Schottlands stimmen. Dabei haben mich vor allem konkrete Argumente überzeugt. Ich folge aber auch meinem Instinkt. Und der sagt mir, dass Schottland als Staat, der nicht von Westminster aus regiert wird, eine viel bessere Zukunft hätte.  

Denn die Menschen in Schottland ticken ein bisschen anders. Sie fühlen sich nicht von den Entscheidungen in London angesprochen. Sie haben das Gefühl, aus dem politischen Entscheidungsprozess ausgeschlossen zu sein. Ich denke, dass wir besser dran wären, wenn wir unsere eigenen Entscheidungen treffen könnten. Wenn ich an die Zukunft meiner einjährigen Tochter denke, möchte ich, dass sie die Möglichkeit hat, mehr Einfluss auf die Politik in ihrem Land zu nehmen.  

Unter meinen Freunden und Arbeitskollegen sind viele meiner Meinung. Es gibt aber auch viele, die die Abspaltung ablehnen. Auch in meiner Familie sind die Meinungen geteilt - obwohl die aus Aberdeen kommt. Früher war Aberdeen ein kleines Fischerdorf. Doch dann kam der Ölboom und mit ihm das Geld. Viele in Aberdeen arbeiten in der Ölindustrie und verdienen dabei sehr gut. Gerade die wollen natürlich, dass alles so bleibt, wie es ist. Die fühlen sich dem Rest von Schottland gar nicht zugehörig. Deshalb herrscht dort noch mal eine andere Mentalität als in anderen Teilen des Landes.  

Die Menschen, die dort mit nein stimmen, wollen kein Risiko eingehen. Das gilt auch für meinen Bruder und meine Schwester.  Sie wollen ihren Wohlstand nicht aufs Spiel setzen. Ein Freund hat einmal zu mir gesagt, dass deren Angst vergleichbar ist mit der Angst mancher Frauen, schwanger zu werden. Solche Frauen fragen sich, wie sie das alles schaffen sollen. Wenn es dann aber tatsächlich so weit kommt, finden sie einen Weg, um mit den neuen Herausforderungen klar zu kommen. So ähnlich würde es auch den Gegnern der Abspaltung gehen. Sie würden sich mit der neuen Situation arrangieren. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass ein unabhängiges Schottland seinen Platz in der Welt finden und ein respektiertes Land werden würde."

"Es geht nicht um Abneigung gegen England"






Michael Birnie, 34, kommt aus Aberdeen. Heute lebt er in London und arbeitet als Ingenieur in der Energiebranche. 

"Weil ich vor sieben Jahren nach England gezogen bin, kann ich bei der Abstimmung leider keine Stimme abgeben. Wahlberechtigt sind nämlich nur Leute, die in Schottland leben. Obwohl ich mich auch als Brite sehe, stelle ich mich Fremden immer als Schotte vor. Ich war lange Zeit unentschlossen, wenn es um die Frage nach der Unabhängigkeit ging. Ehrlich gesagt habe ich das Thema lange nicht ernst genommen. Ich dachte, dass sowieso gegen die Abspaltung gestimmt wird. Als ich aber anfing, mich näher mit den Argumenten beider Seiten zu beschäftigen, kam ich immer mehr zu der Überzeugung, dass es starke Gründe für eine Abspaltung gibt.

Die 'No'-Kampagne wirkt negativ und herablassend. Auch das war ein Grund für meinen Sinneswandel. Denn die Gegner der Unabhängigkeit haben alles versucht, um die Gegenseite schlecht darzustellen. Diese Taktik haben nicht nur britische Politiker, sondern auch die meisten Medien angewandt. Es wurde alles dafür getan, der 'Yes'-Kampagne zu schaden. Argumente pro Unabhängigkeit wurden absichtlich fehlinterpretiert. Es gab viele Lügen und Halblügen, die die Presse verbreitet hat. Dabei sollte der Eindruck entstehen, dass in der schottischen Unabhängigkeitsbewegung nationalistische und anti-englische Töne dominieren. Die Abneigung der Schotten gegen Engländer wurde als Hauptgrund für den Erfolg der Kampagne dargestellt.

Ich denke nicht, dass das richtig ist. Wie die meisten Schotten würde ich nicht aus nationalistischen Gründen für die Abspaltung stimmen, sondern aufgrund der politischen Realität. Ich bin gegen den Weg der Tory-Regierung. Normalerweise hat mir die Politik der Labour-Partei immer besser gefallen. Heute sehe ich nicht mehr viele Unterschiede zwischen den Parteien. Und ich habe nicht das Gefühl, dass die Schotten eine eigene Stimme haben oder großen Einfluss auf die nationale Politik Großbritanniens. Ich befürchte zwar, dass es nach einer Unabhängigkeit viele wirtschaftliche Umstellungen im Land geben wird. Deshalb könnten die ersten Jahre schwierig werden. Aber das wird sich bessern. Denn wir sind fähig, unsere Probleme selbst zu regeln."

"Das Erzählmuster ähnelt der Ilias"

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Ben Schmidt ist Professer für Geschichte an der Northeastern University in Boston. Für ein Forschungsprojekt hat er sämtliche Simpsons-Folgen durchleuchtet. Ein Interview über Statistik, Erzählstrukturen und die Frau von Ned Flanders.

jetzt.de: Ben, du hast die Dialoge aller 552 Simpsons-Folgen in eine Datenbank eingepflegt. Woher hast du das ganze Zeug?
 
Ben Schmidt: Aus den Untertiteln. Der Kabelsender FXX sendet zur Zeit hier in den USA alle jemals erschienenen Folgen, so kam ich drauf – und die Untertitel kann man sich leicht im Netz besorgen.  

Du hast jetzt eine Datenbank mit einer Million Worten, die Simpsons-Charaktere in 25 Jahren von sich gegeben haben.
 
Richtig. Wobei: Ein paar Folgen fehlen, weil die Untertitel in den ersten Jahren etwas schlampig und unregelmäßig produziert wurden.  

Ich habe testweise nach dem Wort "nukular" gesucht, das Homer in einer Folge verwendet – dachte ich zumindest! Deine Datenbank verrät mir: Homer verwendet das Wort sogar in zwei Episoden!
Interessant, oder? Wenn du draufklickst, bekommst du den ganzen Satz, in dem das Wort auftaucht. Man merkt wieder, wie großartig diese Witze sind!  



"Hmmmmm, Statistik!"


Wie lange hast du gebraucht, um das zu programmieren?

Zwei Stunden.
Hossa! Ich hätte eher auf zwei Jahre getippt.
Das Gerüst für die Datenbank war ja schon fertig. Ich forsche hier an der Uni im Bereich der „digitalen Geisteswissenschaften“. Das heißt, ich erfasse Texte von historischen Büchern, Zeitungen, Filmen und erforsche deren Inhalt statistisch. Das Programm heißt „Bookworm“. Und damit kann ich jede erdenkliche Textquelle statistisch durchsuchen. Einfach reinkopieren!  

Warum ausgerechnet die Simpsons-Dialoge?

Ich dachte: Wäre doch mal interessant, jetzt, wo die 25 Jahre alt werden.  

Dich treibt der wisschenschaftliche Ehrgeiz?

In dem Fall eher der Spaß. Normalerweise untersuche ich mit dem Programm, wie sich die Sprache in Zeitungen und Filmen über die Jahrzehnte verändert hat.  

Wie denn?

Indem ich zum Beispiel Zeitungsartikel oder die Untertitel von alten Filmen in "Bookworm" einpflege.  

Und wie verändert sich die Sprache?

Zum Beispiel sagt seit ein paar Jahren jeder "I need to buy cigarettes". Früher sagte man "I ought to".  

Interessant. Was hast du bei den Simpsons herausgefunden?

Zum Beispiel, dass die Worte "Schule" oder "Atomkraftwerk" fast immer in den ersten Minuten einer Folge fallen.  



Die durchschnittliche Häufigkeit des Begriffs "School" im Verlauf einer Folge.


Welche Schlüsse ziehst du daraus?

Dass die Autoren einem klassichen Erzählmuster folgen, das es im Grunde schon seit der Ilias gibt: Der Held startet in einer Alltagssituation, bei Homer und Bart ist das die Schule oder die Arbeit im Atomkraftwerk. Von dort wird der Held deplatziert, das Abenteuer entwickelt sich, der Held muss sich auf die Reise machen.  

Sind die Simpsons ein besserer Forschungsgegenstand als andere TV-Serien?
Oh ja. Allein, dass es sie seit 25 Jahren gibt, ist ein unschlagbarer Vorteil. Außerdem berührt die Serie durch die Satire viel mehr reale Themen als jede andere Sitcom. Jeder einzelne US-Präsident wird in der Sendung parodiert. Darin sind die Simpsons wirklich einzigartig.  

Wenn man die Suchmaschine öffnet, sieht man die Häufigkeit des Begriffs „Maude“ im Laufe der Zeit. Das ist die Frau von Ned Flanders. Warum ist das die Standardeinstellung?

Weil man an ihr gut erkennt, wie die Suchmaschine funktioniert. Die meisten wissen, dass Maude irgendwann ums Leben kommt. An dem Graphen erkennt man auf einen Blick, dass sie lange kaum erwähnt wird, dann in der elften Staffel plötzlich sehr oft – und danach fast gar nicht mehr. Die Spitze des Graphen markiert ihren Tod in der Serie. Aber ehrlich gesagt habe ich selbst höchstens eine halbe Stunde damit verbracht, nach Worten zu suchen und Schlüsse daraus zu ziehen.  



Maude, die Frau von Ned Flanders, wird kaum erwähnt bis zu der Folge, in der sie stirbt.


Warum?

So viel Zeit habe ich auch nicht. Ich habe die Datenbank für die Leute da draußen gemacht, die sollen sie verwenden und damit Spaß haben.  

Haben die Leute da draußen schon interessante Dinge entdeckt?
Und wie! Zum Beispiel taucht der Begriff "Klimawandel" in den Jahren 2006 bis 2008 ständig auf – und danach kaum noch. Der Boom dieses Themas endete mit der Finanzkrise. Dieses Verschwinden von Begriffen beobachte ich übrigens auch in anderen Medien. Als normaler Zuschauer oder Leser merkt man ja kaum, wenn ein Thema pötzlich nicht mehr erwähnt wird. Mein Programm macht das sichtbar.                    




Ben Schmidt hat die Simpsons gründlich durchleuchtet. 

Mädchen, wie sollen wir Schal tragen?

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Die Blätter fallen, die Bahn verspätet sich wegen Bäumen in der Oberleitung: Es ist Herbst! Unsere Garderobe muss also plötzlich einen Gang hochschalten, was Wärme und Wasserdichte angeht. Plötzlich tragen wir wieder Klamotten, die unsere Mütter „Übergangsjacken“ nennen würden. Und damit aus denen nicht oben die ganze Wärme kaminartig entpufft, brauchen wir: einen Schal. Nun hat diese ereignisreiche Woche neben vielen anderen auch eine besonders leidenschaftliche Diskussion über die Beschaffenheit eines solchen Männerschals hervorgebracht. Auf der Apple-Präsentation in Kalifornien trug ein vormals unbekannter Spieleentwickler einen auffallend voluminös-violetten Schal um die hageren Programmiererschultern. Während er ein Spiel präsentierte, wirkte es, als läge sein Kopf in einem ultragemütlich ausgekleideten Vogelnest. Das gesammelte Internet überhäufte ihn augenblicklich mit Komplimenten, Liebeserklärungen und diesem halbernsten Spott, den das Internet für seltsame, aber irgendwie coole Typen immer vorrätig hat. Und wenn man die Blogs in den letzten Tagen verfolgte, wirkte es fast, als hätte Apple gar keine Uhr, sondern einen Schal vorgestellt. Der „Scarf Guy“ ist ein Star. Und wir nehmen das und den draußen grassierenden Herbstbeginn zum Anlass, mal kurz Stopp! zu sagen und nachzufragen bei euch, die uns in solcherlei Dingen ja immer gute Leitplanken sind: Was müssen wir beachten bei der Qual der Wahl des Schals? Ist so ein Rund-Dings (Fachbegriff, haben wir gelernt: „Infinity Scarf“) grundsätzlich auch bei uns Jungs cool? (Wir hielten das ja bislang eher für so ein halblächerliches Accessoire von alerten Agenturchefs, die auch schwarze Rollkragenpullis tragen.) Materialmäßig: Ist Merinowolle am kratzigen Männerhals hot or not? Mustermäßig: Darf es ein Burberry-Karo sein? Und rein technisch: Welche Knotung empfiehlt ihr?

[seitenumbruch]



Mir stellt sich während des Grübelns nach einer einigermaßen pauschal tauglichen Antwort zuerst noch eine andere Frage: Warum muss ich bei dem Wort „Scarf Guy“ eigentlich als erstes an Pharrell Williams und seinen Petterson-und-Findus-Hut auf den Grammy-Awards denken?

Vielleicht liegt ja hier schon ein Teil der Antwort begraben: Weil extravagante Accessoires und Männer trotz aller Gender-Fortschrittlichkeit noch nicht so richtig zusammen gehen. Frauen können sich jeden Scheiß an den Körper heften – sie gelten allenfalls als verspielt, mutig, etwas speziell. Männer hingegen gelten sofort als übers Ziel hinaus schießende Gecken. Also wenn sie nicht grad Thomas Gottschalk sind und die eigene Geckenhaftigkeit als total souveräne Haltung etabliert haben.

Jede Modespielerei, die über die Armbanduhr oder den klassischen Herrenhut (und auch der ist schon ein spezieller Grenzfall) hinaus geht, sieht bei einem Mann verkleidet aus. Der Scarf-Guy sah verkleidet aus, Pharrell Williams sah mit seinem Beulen-Hut verkleidet aus und oh, jetzt fällt mir noch eine ganz besonders verkleidet aussehende Spezies von Männern ein: Typen, die so überlange, ganz dünne Strickschals tragen, die ausschließlich eine Dekofunktion erfüllen, da sie ja nicht mehr vor der Kälte schützen als umgehängte Schnürsenkel es täten.  

Und wenn jemand außerhalb des Faschings verkleidet aussieht, dann ist das eben leider gleichbedeutend mit Unsouveränität. Mangelnder Selbsteinschätzung. Und die ist unsexy. Uncool. Man ahnt: Der wäre gern jemand, der er nicht ist, und merkts nicht mal. Der kennt sich nicht, der überschätzt sich, der irrlichtert rum auf der Suche nach Anerkennung und wirkt dabei sehr unbeholfen. Man findet ihn dann leider, auch wenn es fies ist, etwas würstchenhaft.

Ich weiß, das war jetzt eher der Versuch einer Erklärung des Problems als eine Anleitung zum richtigen Schaltragen. Aber wenn ihr genau hinhorcht, werdet ihr feststellen, dass die Anleitung schon auch mit drin steckt. Sie ist ganz einfach. Sie lautet: Zieht an, was sich am Hals gut anfühlt, was unauffällig gut zum Rest eurer Winteruniform passt und was euch alles zwischen den Kältegraden -5 bis +10 Grad vom Leib hält. Alles drunter oder drüber sieht im Zweifel über- oder untertrieben aus. Burberry-Karo geht klar, muss jetzt aber zum Beispiel nicht unbedingt sein, wenn ihr dazu auch noch bunte Socken, Segelschuhe und Van-Laack-Hemd anzieht, weil dann seht ihr halt aus wie der Vorzeige-Popper aus Salem und das ist ja auch eine Form der verkleideten Würstchenhaftigkeit, wenn ihr mich fragt. Vielleicht ist und bleibt die beste Form des Schals für den Mann einfach der Bilderbuchschal. Dunkelrot, dunkelblau, schwarz, grau oder kamelfarben, möglichst weich und glatt, Kaschmir, Merino, Seide und Baumwolle kombiniert geht auch. Etwas mehr als eine Männerhand breit, etwas länger als beide ausgestreckten Arme zusammen und umwickeln, fertig. Das nimmt euch jeder ab. Man könnte auch sagen: Im Zweifel klassisch. Das geht immer.

martina-holzapfl 

Wir haben verstanden: KW 37

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Wenn man so müde ist, dass man aus Wut weinen muss, dann sollte man dringend ins Bett oder an die frische Luft gehen.

Manche Menschen sollten sich diesen Satz auf den Unterarm tätowieren lassen: “Verkauf dich nicht unter Wert, verkauf dich nicht unter Wert, verkauf dich nicht unter Wert!”

Wenn man jemanden vermisst, dann sollte man es ihm sagen.

Wer unter einer chronischen Krankheit leidet, sollte so wenig Zeit wie möglich in Internet-Foren verbringen, in denen sich Betroffene gegenseitig verrückt machen. Sonst wird man selbst zu so einem Nervtypen, der sich nur noch über die Krankheit definiert.

Es lohnt sich immer, die Beipackzettel von Medikamenten zu lesen und die Anweisungen möglichst zu befolgen.

Auch wenn es anstrengend ist: Man sollte unbedingt versuchen, den inneren Hausmeister zum Schweigen zu bringen, wenn man mal wieder Leute auf der Straße beim Unsinn machen beobachtet. 



 

Es gibt ja nichts Besseres im Straßenverkehr einer Stadt als ein gutes, altes Mokick! 

Jeder schämt sich mal und das ist eigentlich gar nicht so schlimm, erst Recht nicht, wenn man endlich mal erkärt, kriegt, wo Scham eigentlich herkommt.

Eine Uhr kann ziemlich viel über ihren Träger sagen– aber nicht unbedingt das, was er mit der Uhr eigentlich sagen will.  

Früher haben Bands Alben “rausgebracht”. Heute präsentieren sie sie zusammen mit dem neuen iPhone.  

Früher haben sich die Bundestagsabgeordneten über die Kleidung der Grünen aufgeregt. Heute regen sich die Grünen auf, wenn eine CSU-Abgeordnete im Parlament ein Dirndl trägt.

Beim zweiten Royal Baby dürfte die Aufregung auch nicht wesentlich kleiner ausfallen als beim ersten.

Abends noch Überstunden machen ist weniger schlimm, wenn man sie bei Kerzenschein und Rotwein auf dem Balkon machen kann.

Nur ein Boot, auf dem eine Bierbank Platz hat, ist ein gutes Boot.

An Trampern vorbeifahren ist ein Fehler.

Knödel müssen nicht rund sein.  

Auch Vegetarier können einem saftigen Schweinsbraten nicht widerstehen.  

Nationalismus und viel Bier sind keine gute Mischung.

Wenn man später aus dem Haus geht, kann man trotzdem früher auf der Arbeit ankommen.

Man muss das Internet lieben für Sätze wie: "Where r strangers i want 2 meet them."

Voll crazy: Computer, die einem sagen, in welchen Fahrstuhl der sechs verfügbaren Fahrstühle man steigen soll, um am schnellsten ans Ziel zu gelangen.

Der Sonntag mit...Olson

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Name: Olson
Alter: Seit ein paar Jahren 21
Geburtsort: Neuss
Wohnort: Berlin
So erkläre ich meinen Job meiner Oma: Kein Erklärungsbedarf. Oma weiß Bescheid.
Mein liebster Wochentag: Freitag
Aktuelles Projekt: Mein Debütalbum „Ballonherz“






10:00 Uhr: Abfahrt Berlin. Reisegruppe Olson trägt ausschließlich schwarz. Kumpel Stickle (rechts im Bild) hat die E-Mail mit dem Dresscode nicht bekommen.





14:00 Uhr: Ankunft Hamburg. Eine Stunde vor dem Auftritt singen wir uns normalerweise warm und gehen noch einmal ein paar Texte durch. Heute haben wir aber irgendwie keine Lust und machen Keineahnungwas. Der Auftritt wird sich dennoch als erfolgreich herausstellen. Vielleicht machen wir jetzt immer vorher Keineahnungwas.




14:55 Uhr: Ich verkabele mich selbst. Hangaround Amadeus hält eine Rolle Gaffatape und schaut nach links. Vermutlich ahnt er, fotografiert zu werden und möchte seine Schokoladenseite in Szene setzen oder durch desinteressiertes Wegschauen seine Coolness untermauern. Hat beides geklappt, Kumpel.



 
15:07 Uhr: Oh, wir sind schon auf der Bühne und machen Morgengymnastik mit noch merklich verkaterten Dockvillis.



 

15:23 Uhr: Lichttechniker Bryan schießt ein schönes Foto aus seiner Perspektive.





15:35 Uhr: Im Publikum konnten wir einen weiteren freiwilligen Fotografen finden. Für die Credits fragten wir nach seinem Namen, den hatte er jedoch am Vorabend auf dem Zeltplatz vergessen.





17:00 Uhr: Uppala, hier sitz’ ich schon mit dem guten Niko vom „Backspin“-Magazin beim Interview außerhalb des Festivalgeländes. Der Auftritt hat übrigens Spaß gemacht. War geil. Danach war ich noch duschen, hatte zwei weitere Interviews, zwei Gin Tonic und keine Zeit zu essen. Bisschen Angst vor der Ausstrahlung jetzt.





21:05 Uhr: Rückweg. Gerade halten wir auf einem Rastplatz 169 km vor Berlin, um unsere Mädchenblasen zu leeren. Vor- und nachher machen wir entweder dumme Witze und brüllen rum oder schlafen kollektiv. So ist das immer. Unser Tourmanager spricht von einem Phänomen. Es gäbe Band-unabhängig nur diese beiden Optionen.





23:16 Uhr: Bett, Pizza und „Promi Big Brother“. Bisschen Sonntag muss dann schon sein.

Wochenvorschau: So wird die KW 38

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Wichtigster Tag der Woche: Diesmal sind es gleich zwei Tage. Zum einen der Mittwoch. Da geht nämlich die Champions League Saison für die Bayern los. Und zwar gegen Manchester City. Ein Kracher vor dem ich ehrlich gesagt ein bisschen Angst habe. Denn die ersten Spiele haben gezeigt, dass es diese Saison etwas länger dauern könnte, bis mein Verein wieder in Champions League-Form kommt. Hoffen wir mal, dass es trotzdem klappt mit dem Auftaktsieg. Am Samstag gibt’s das nächste Highlight: Da fängt nämlich die Wiesn an. Auch davor habe ich ein bisschen Bammel. Ich werde nämlich wieder Rikscha fahren. Besoffene durch die Gegend kutschieren kann zwar Spaß machen, oft ist es aber nur nervenaufreibend.  

Kulturelles Highlight: Der Sommer ist ja bekanntlich vorbei. Zum Glück gilt das noch nicht für die Theatersaison im Englischen Garten. Am Donnerstag, Freitag und Samstag wird nämlich wieder „Sommertheater“ im Amphitheater gespielt. Und zwar der „Sturm“ von William Shakespeare. Los geht’s um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei, also rechtzeitig kommen! Falls das Wetter mal wieder nicht mit machen sollte, gibt es für Theaterfans ab dem Wochenende wieder eine sicherere Alternative: Die Spielzeit im Residenztheater und in der Staatsoper geht nämlich wieder los.  

Politisch interessiert mich
: Ob sich Schottland von Großbritannien abspalten wird. Am Donnerstag wird darüber abgestimmt. Die Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Wie man so hört, herrscht eine aufgeregte bis nervöse Stimmung in London. Doch nicht nur dort schaut man gespannt auf die Wahlen. Falls Schottland wirklich unabhängig werden sollte, könnte das eine separatistische Welle in Europa auslösen. Die Topkandidaten für eine Abspaltung: Katalonien, Flandern und Nordirland.  

Wochenlektüre: Vor zwei Wochen habe ich mit Lion Feuchtwangers „Erfolg“ angefangen. Obwohl ich das Buch wirklich spannend finde, komme ich nicht richtig zum Lesen. Das könnte daran liegen, dass ich jetzt nicht mehr studiere, sondern ein Praktikum mache – also wieder mehr zu tun habe. Wahrscheinlich ist aber eher mein vermehrter Serienkonsum Schuld an meiner Lesefaulheit. Mein Ziel für diese Woche ist also, wieder mehr lesen und es bei einer Folge „Sopranos“ am Tag zu belassen.  

Kinogang
: Je schlechter das Wetter, desto besser die Filme. Diese Faustregel hat sich bis jetzt immer als richtig erwiesen. Jetzt haben wir aber schon seit Wochen Regen, richtig interessante Filme laufen trotzdem nicht im Kino. Der einzige Neustart von dem ich mir etwas verspreche ist „A Most Wanted Man“, der letzte Film mit Philip Seymour Hoffman. Die Chance diesen grandiosen Schauspieler ein letztes Mal im Kino zu sehen, sollte man sich eigentlich nicht entgehen lassen. 

https://www.youtube.com/watch?v=OUyYBrlF_W8

Geht gut
: Auftaktsieg gegen Manchester City.  

Geht gar nicht
: Verregnetes Wiesn-Wochenende.

Wann schaltet dein Gehirn auf Autopilot?

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Mein Leben ist viel besser, seit ich eine elektrische Zahnbürste habe. Zähneputzen, vor allem das am Abend, war schon immer der Moment des Tages, an dem ich das aktive Denken aus- und den Autopilot im Gehirn angeschaltet habe. Aber wenn einem dann im Autopilot auf einmal einfällt, dass die Wäsche seit drei Stunden fertig gewaschen in der  Maschine rummüffelt, kann man leider immer noch das Putzen unterbrechen und mit der im Mund eingeklemmten Bürste den Wäschekorb durch die Wohnung tragen. Mit der elektrischen Zahnbürste geht das nicht. Sie ist zu schwer, um sie im Mund herumzutragen, man muss sie festhalten. Und sie hat einen Timer. Nach zweieinhalb Minuten ruckelt sie und ich weiß: Genug geputzt, alles sauber jetzt!  



Und sie so: "Denkdenk..."

Diese zweieinhalb Minuten sind meine Autopilotdenkminuten. Ich setze mich auf den Rand der Badewanne, lasse die Bürste schrubben und die Gedanken mit dem Bürstenkopf kreisen. Wenn mir dann die Wäsche einfällt, sagt das Gehirn „Erst mal zu Ende putzen“ und denkt weiter, ganz ohne mein Zutun. Das ist sehr entspannend. Ich kenne das auch vom Radfahren, morgens, in die Redaktion. Das pfeift mir den Kopf gut durch und er denkt über aktuelle Sorgen und Aufgaben nach, ganz automatisch, ohne schlimmes, zermürbendes Grübelgefühl. Wenn es in Strömen regnet und ich die S-Bahn nehmen muss, fehlt mir das und ich komme viel unausgeglichener in der Redaktion an.  

Jeder hat diese Autopilotmomente. Bei manchen kommen sie unter der Dusche. Bei manchen beim Kochen. Bei anderen, wenn sie mit dem Hund spazieren gehen. Wann kannst du dein Gehirn am besten treiben lassen?

Tagesblog - 15. September 2014

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18:19 Uhr: Ich verabschiede mich mit Worten von User louis14. Es war mir mal wieder eine große Freude. 

Er sitzt dort

Er sitzt dort. Sie isst hier. Man braucht kein Eimer voller Eis um ein guter Mensch zu sein, aber es ist eine Geste. Menschen lieben Gesten. Nette, wie ein Lächeln.


Ich lächle nicht mehr. Alles versucht, aber nichts gefunden was mich wachrüttelt.

Doch du rüttelst an mir. Ich bin da. Oder schon wieder weg?

Alle wissen alles. Doch ist das nicht falsch? Zu wissen, das man alles weiß?

„Ach komm schreib kein Scheiß!", geht mir durch den Kopf.

Doch ich schreib einfach drauf los.

Los!


Doch vor lauter Bilder posten, fragt er mich: „Isst die Kunst noch?" 


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17:12 Uhr:
Irgendwann lasse ich mich mal nachts ins die SZ einsperren, sammele den ganzen Schrott, der hier im Büro rumliegt und spiele damit Domino-Day über das komplette Stockwerk. 

http://www.youtube.com/watch?v=JbXUV-ga9a0

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16:52 Uhr:
Weil es die Menschen auf unserer Facebook-Seite gar so sehr erfreut, auch für euch nochmal: Der Geniestreich eines Radloutfit-Designers.

[plugin imagelink link="http://image1-cdn.n24.de/image/5405200/1/large16x9/qca/frauen_620x349.jpg" imagesrc="http://image1-cdn.n24.de/image/5405200/1/large16x9/qca/frauen_620x349.jpg"]
via n24.de

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16:03 Uhr:
Geht ihr auf Halloween-Partys, wenn ja, habt ihr schon ein Kostüm? Buzzfeed hätte da so ein paar Ideen. 

[plugin imagelink link="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2014-09/12/13/enhanced/webdr08/edit-16774-1410543509-8.jpg" imagesrc="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2014-09/12/13/enhanced/webdr08/edit-16774-1410543509-8.jpg"]

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15:32 Uhr:
Einen Kosmoshörer zu bauen, kann eine ärgerliche Arbeit sein. So viele Bilder und so viele Links, die nicht funktionieren können...

Aber bei diesem Kosmoshörer von jetzt-Grafikerin Sandra lohnt sich jeder einzelne davon und für euch ist jeder einen Klick wert!





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14:36 Uhr:
Manchmal frage ich mich schon, woher wir wissen, wie das mit dem Sex so funktioniert. Aus Filmen schon mal nicht. Oder hattet ihr schon einmal Sex, den man in einem Hollywood-Streifen hätte zeigen können?

Why is sex so unrealistic in TV and movies?

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14:18 Uhr:
Viele Männer kümmern sich nur darum, dass die Haare auf ihrem Kopf gut aussehen, dabei kann man ein Stück weiter untern auch noch so viele schöne Dinge tun. #chesthairbikini 

[plugin imagelink link="http://www.odditycentral.com/wp-content/uploads/2014/09/manscaping-550x325.jpg" imagesrc="http://www.odditycentral.com/wp-content/uploads/2014/09/manscaping-550x325.jpg"]
via odditycentral.com

Wenn hier irgendjemand mit Brustbehaarung ist: Bitte, bitte ausprobieren und uns ein Foto posten!

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14:07 Uhr:
Jeder kennt das Bild eines Mädchens, das an der Straße selbstgemachte Limonade verkauft - auch wenn ich mir fast sicher bin, dass noch nie jemand so ein Mädchen in der Realität gesehen hat. Oder ihr etwa?

Jetzt stellt euch mal vor, das Geld, dass ihr dem Mädchen für seine Limonade gebt, landet nicht in der Sparbüchse des Kindes, sondern damit werden Aktionen von Salafisten in Syrien finanziert. Völlig absurd!

Ganz so ist es natürlich nicht, aber ich finde, wirklich weit weg sind die Salafisten in Niedersachsen nicht, die mit einem Kuchenverkauf spenden für Syrien sammeln - vorausgesetzt das Geld geht wirklich nicht an die Zivilbevölkerung, sondern an Extremisten. Happy "Cake Day" allerseits. 

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13:56 Uhr:
Ich weiß nicht, wozu sie gut ist, aber an der Harvard University hat man anscheinend eine bahnbrechende Erfindung gemacht: Ein Roboter, der noch funktioniert, nachdem er von einem Auto überfahren wurde. 

http://www.youtube.com/watch?v=uvCDYvHVK4Y#t=69

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13:52 Uhr: 
[plugin imagelink link="https://scontent-b-ams.xx.fbcdn.net/hphotos-xap1/v/t1.0-9/s720x720/1526206_1050126931683426_3333968576552989391_n.jpg?oh=f3e1360862fd98345e44331e3f00956e&oe=548B0430" imagesrc="https://scontent-b-ams.xx.fbcdn.net/hphotos-xap1/v/t1.0-9/s720x720/1526206_1050126931683426_3333968576552989391_n.jpg?oh=f3e1360862fd98345e44331e3f00956e&oe=548B0430"]
via George Takei

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12:33 Uhr:
Vor dem Mittagessen noch ein großer Spaß: Ich habe gestern eine Bildstrecke gefunden von Anelia Loubser. Sie hat den Titel "Alienation". Und als ich diese Bilder gesehen habe, wusste ich: Das will ich auch!!! Also habe ich für euch vier Gesichter in unserer Redaktion gesucht und alieniert. Wenn ihr lange genug draufschaut erkennt ihr die außerirdischen Knautschgesichter mit Schnurrbärten!














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12:16 Uhr:
Heute haben wir auf unserer Printseite einen ganz tollen Text von caroline-voneichhorn. Und zwar darüber, dass von den Occupy-Bewegung nur noch die Kunst übrig ist. Caroline setzt sich damit auseinander, ob das gut oder schlecht ist und stellt sieben der Kunstprojekte vor.

 



11:10 Uhr:
Und falls euch aus gegebenen Anlässen eure eigenen Probleme (oder euer eigenes Glück) heute wichtiger sind als die der Welt, vielleicht hilft euch das hier zu verstehen und wieder etwas runter oder rauf zu kommen - so gemütstechnisch. 

http://www.youtube.com/watch?v=V1cvf8f8sjQ
http://www.youtube.com/watch?v=ylH_IDjQ6fI

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10:37 Uhr:
Was heute die Nachrichten bestimmt:
  • Die Landtagswahlen in Tühringen und Brandenburg und die Frage, was von der AfD zu halten und was mit ihr zu tun ist.

  • Das dritte Enthauptungsvideo der IS und die Frage, wie man sie aufhalten kann. 

  • Die Schweren Überflutungen in Indien und Pakistan und die Frage, wie man die Menschen dort retten kann.

  • Und der HSV, der wohl anscheinend ein einziges Fragezeichen ist. 

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09:27 Uhr:
Für mich wird es spätestens jetzt mal Zeit den Autopiloten aus und den Active-Mode im Hirn anzustellen. Bei mir kann dieser Wechsel morgens schon mal ein paar Stunden dauern. Wie ist das bei euch, beginnt der Tag auch mit Autopilot und kommt der eher abends beim Zähneputzen wie bei Nadja zum Einsatz?





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08:23 Uhr:
Guten Morgen lieber Lieblingskosmos! Heute zuerst ein Rätsel: Finde den Fehler.

[plugin imagelink link="http://www.likecool.com/Gear/Pic/Gif%20Evolution%20of%20Desk/Gif-Evolution-of-Desk.gif" imagesrc="http://www.likecool.com/Gear/Pic/Gif%20Evolution%20of%20Desk/Gif-Evolution-of-Desk.gif"] 

Und hier mein Schreibtisch:


Strategie des Totschweigens ist gescheitert

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Michael Grosse-Brömer ist kein Mensch von Traurigkeit, den Mann kann noch nicht einmal das Dauer-Trauerspiel seines Hamburger Sportvereins erschüttern. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion ist am Wahlabend der Erste, der für die CDU vor die Kameras tritt. Der HSV spielt da noch – und liegt mal wieder zurück. 0:2 gegen Hannover. Grosse-Brömer ficht das aber nicht besonders an. Schließlich hat dafür gerade seine CDU bei den Landtagswahlen 2:0 gewonnen, glaubt zumindest der Fraktionsgeschäftsführer.



AfD-Chef Lucke freut sich über das Wahlergebnis seiner Partei.

In Thüringen habe die bisherige Ministerpräsidentin einen ganz klaren Wählerauftrag erhalten, so Grosse-Brömer. Die CDU habe zugelegt, die SPD sei „massiv abgestraft“ worden. Deutlicher könne „der Wähler nicht sprechen“. In Brandenburg wiederum habe die Linke verloren und die CDU – im Gegensatz zur SPD – klar dazugewonnen. Die Christdemokraten könnten mit den beiden Ergebnissen also sehr zufrieden sein.

Aber ist dem wirklich so? Ist da nicht doch noch etwas geschehen, was die Selbstzufriedenheit nachhaltig stören könnte und was mit den drei Buchstaben zu tun hat, die Grosse-Brömer nur so ungern in den Mund nehmen mag: AfD?

Auf den ersten Blick kann sich die Bundes-CDU tatsächlich über den Wahlausgang freuen. Die Christdemokraten haben in beiden Ländern zugelegt. Dass dies trotz der neuen Konkurrenz von der AfD gelungen ist, ist zunächst einmal ein Erfolg. Am Ende kommt es aber nicht auf die reinen Prozentergebnisse an, sondern auf die Machtoptionen. In Brandenburg hat sich für die CDU durch den Zuwachs vom Sonntag nichts verändert. Sie ist weiterhin davon abhängig, dass Dietmar Woidke das Brautwerben der Christdemokraten erhört. Die CDU wird weitgehend ohnmächtig darauf warten müssen, ob sich der SPD-Ministerpräsident für die Linke oder die Christdemokraten als Koalitionspartner entscheidet. Es gibt angenehmere Situationen im politischen Leben. Außerdem hat die Bundestagswahl gezeigt, dass die CDU in Brandenburg eigentlich noch viel bessere Ergebnisse einfahren müsste. Vor einem Jahr holten die Christdemokraten noch neun der zehn Direktmandate und deklassierten die SPD.

Auch in Thüringen hängt das Schicksal der CDU am Sonntagabend zunächst von anderen ab. Die ersten Hochrechnungen sagen eine rot-rot-grüne Mehrheit voraus. Die CDU wäre damit auch in Erfurt darauf angewiesen, dass die SPD mit ihr koalieren will. SPD-Chef Sigmar Gabriel hätte dann in beiden Ländern sein Ziel erreicht: Die SPD wäre so stark, dass an ihr vorbei nicht regiert werden kann. Dabei sind die Resultate der Sozialdemokraten alles andere als glänzend. Das Ergebnis in Thüringen ist sogar ein Desaster. Ob es sich die SPD erlauben kann, damit das Risiko eines Linksbündnisses einzugehen, ist fraglich. Das Ergebnis sei „sehr traurig“, sagt SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi. Die SPD habe sich im Spannungsfeld zwischen CDU und Linkspartei nicht erfreulich platzieren“ können. Daraus müsse man „Konsequenzen“ ziehen. Nach einem Machtwechsel in Thüringen klingt das nicht.

Für Grosse-Brömer und seine CDU sind das gute Nachrichten. Aber langfristig ist das Ergebnis vom Sonntag für die CDU ein Fanal. Rechts von ihr hat sich endgültig eine Konkurrenz etabliert. Die AfD sitzt jetzt in drei Landtagen und im Europaparlament. Den Einzug in den Bundestag hat sie nur um Haaresbreite verpasst. Und bisher deutet nichts darauf hin, dass sich an diesem Siegeszug etwas ändern könnte. Die zweistelligen Ergebnisse der selbsternannten Alternative müssten auch den letzten in der CDU überzeugen, dass die Strategie des Totschweigens gescheitert ist. Volker Kauder hatte erklärt, mit denen von der AfD werde er sich noch nicht einmal in eine Talkshow setzen. Der Unionsfraktionschef verwies dabei gerne auf seine Erfahrungen mit den Republikanern in Baden-Württemberg, die seien am Ende auch wieder verschwunden. Kauder ignoriert dabei aber, dass die Republikaner auch deshalb wieder verschwunden sind, weil ihnen durch die Petersberger Asyl-Beschlüsse und den „Asyl-Kompromiss“ ein zentrales Thema aus der Hand geschlagen wurde. Leidtragende waren die Flüchtlinge.

Damit dürften der Union parteiinterne Auseinandersetzungen bevorstehen, die die SPD schon seit dem Erstarken der Grünen und der Linken kennt. Erika Steinbach, Wolfgang Bosbach, Steffen Flath, Mike Mohring und andere Christdemokraten haben sich bereits für einen entspannteren Umgang mit der AfD ausgesprochen. Mit der apodiktischen Absage an Koalitionen durch den CDU-Bundesvorstand passt das nicht zusammen. Vermutlich dürfte bald auch die CDU Probleme haben, sich in „einem Spannungsfeld erfreulich zu platzieren“. Der CDU ist mit der FDP der natürliche Koalitionspartner in der Mitte abhandengekommen. Dafür ist ihr jetzt eine Zehn-Prozent-Konkurrenz am rechten Rand erwachsen. Die Annäherung an die Grünen verspricht zumindest keinen schnellen Ausweg aus diesem Dilemma.

Aber was brachte der AfD jetzt den großen Erfolg? Dass sie den Christdemokraten und der FDP viele Stimmen abnahm, wundert wenig. Erstaunlicher scheint auf den ersten Blick zu sein, dass sogar die Linke Stimmen an die AfD verloren hat. Tatsächlich haben die Linken indes schon immer Menschen angesprochen, die biederkonservativ sind, aber in ihrer ostdeutschen Biografie fest verwurzelt waren. Bei der Europa- und der Bundestagswahl waren die Linke und die AfD gegen den Euro, auch wenn sich die Begründungen unterschieden.

Die Erklärung sieht der Parteienforscher Oskar Niedermayer von der Freien Universität Berlin aber auch in der Wandlung der AfD von der Anti-Europa-Partei hin zu einer, die viele Themen bedient. Und die einfache Antworten liefert. Vor allem auf ein existenzielles Gefühl: Angst.

Die AfD komme bei den Menschen besonders an, die sich mit ihren Sorgen von den anderen Parteien alleingelassen fühlen, sagt Niedermayer. Die sich als Verlierer der globalisierten Welt empfinden und sich zurücksehnen in die gute alte Zeit. Entsprechend zieht der konservative Ansatz der Partei bei Themen wie Asyl, Migration, Familie und innerer Sicherheit. Entscheidender für den langfristigen Erfolg sei aber eine Abgrenzung vom rechten Rand: Bürgerliche Wähler würden schnell zurückschrecken, „wenn eine Partei ein Gschmäckle hat“.

Plötzlich Pädagoge

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An quadratischen Tischen, wie Inseln im Klassenzimmer verteilt, sitzen je sechs Schüler: schmächtige Jungen in Kapuzenpullis und Mädchen mit geschminkten Augen. Einige fummeln an ihren Smartphones rum, andere reden miteinander oder spielen mit bunten Gummibändern. Lehrerin Ute Rühling bittet um Ruhe, sie schreibt eine Gleichung mit zwei Unbekannten an die Tafel. Neben die Gleichung schreibt sie „g=2“, und die Neuntklässler sollen die zweite Unbekannte errechnen. „Wo kommt denn die Zwei her?“, fragt ein Junge. „Die habe ich mir ausgedacht“, sagt Rühling, sie spricht leise, fast zurückhaltend. Eine Schülerin meldet sich mit der Lösung. „Warum steht da eine Zwei?“, fragt plötzlich eine andere, die soeben noch munter mit dem Nachbarn getratscht hat. Lehrer sein ist oft mühsam. Rühling, 34, ist Diplom-Physikerin, forschte in den vergangenen Jahren zu Astronomie. Jetzt unterrichtet sie an einer Gemeinschaftsschule in Berlin, Mathe und Physik.



In Berlin werden immer mehr Quereinsteiger Lehrer.

Dass sie nun vor einer Klasse steht, hat mit dem Lehrermangel zu tun, der seit Jahren in Berlin und in den ostdeutschen Bundesländern herrscht. Betroffen sind am stärksten Mathe und Naturwissenschaften, teils aber auch andere Fächer, vor allem in Berufsschulen, Grundschulen und bei Sonderpädagogen. In Berlin ist die Lage brenzlig: Zu Beginn des Jahres teilte der Senat mit, dass zum aktuellen Schuljahr mehr als 2000 Stellen neu besetzt werden müssten. Um den Bedarf decken zu können, warb der Senat nicht nur mit Kampagnen in anderen Ländern um Lehrer (sodass inzwischen an immer mehr Schulen ein bayerischer Ton hörbar ist), sondern rief Quereinsteiger dazu auf, sich für alle Fächer zu bewerben. 3000 Leute meldeten sich, zum Beispiel Philosophen, Journalisten, Pharmazeuten, Sprachwissenschaftler oder gescheiterte Unternehmer. 300 von ihnen bekamen eine Stelle und dürfen wie Lehramtsstudenten ein Referendariat machen – allerdings berufsbegleitend. Denn die Quereinsteiger sind als Lehrkräfte angestellt, das heißt, dass sie von Anfang an unterrichten: 19 Stunden pro Woche bei voller Bezahlung – manche von ihnen ohne pädagogisches Wissen.

Ute Rühling ist eine dieser Quereinsteigerinnen. Doch sie steht nicht zum ersten Mal vor einer Klasse. Was andere momentan durchmachen, hat sie bereits hinter sich. Sie bewarb sich vor einem Jahr als Vertretungslehrerin. Sie wollte keine Sterne mehr beobachten, sagt sie, sondern mit Menschen arbeiten. Sie hatte Glück. Ihre Kollegen nahmen sich Zeit und bereiteten sie Schritt für Schritt auf den Unterricht vor. Das ist nicht selbstverständlich. Viele Quereinsteiger müssen allein zurechtkommen. Rühling lief anfangs bei Kollegen mit, war dann Unterstützungslehrerin und vertrat später erste Stunden. Im zweiten Halbjahr bekam sie dann eigene Kurse.

Wenn die Physikerin an den Anfang zurückdenkt, lächelt sie verlegen und erzählt von Papierkügelchen, die in ihrer ersten Stunde durchs Klassenzimmer flogen. „Ich wusste ja nicht, wie man eine Klasse anspricht, wie man den Unterricht aufbaut und alle beschäftigt: die Top-Schüler und auch die mit Schwierigkeiten“, sagt sie. Seitdem habe sie viel gelernt: von ihren Kollegen. Und schlicht durch Ausprobieren. Dass sie nun auch die richtigen Methoden lernt, darüber ist sie froh. Sie will schnell besser werden, genauso gut unterrichten, wie es in den Seminaren gelehrt wird. Drei davon muss sie für das Referendariat besuchen: zwei fachspezifische und eines für die pädagogischen Grundlagen.

Unterrichten, Stunden vorbereiten, Seminare: Manche Quereinsteiger dürften da auf eine 80-Stunden-Woche kommen. Rühling hat sich entschieden, auf etwas Geld zu verzichten und dafür keine volle Stelle mit 26 Unterrichtsstunden, sondern eine mit 20 zu nehmen. Sieben bekommt sie für das Referendariat erlassen. Somit unterrichtet sie das Minimum von 13 Stunden. „Ich habe ja auch zwei Kinder“, sagt sie. Für die bliebe trotzdem zu wenig Zeit. Gewerkschaften und Lehrerverbände kritisieren den Umgang mit den Quereinsteigern. „Wir wissen, dass der Unterrichtsbedarf zurzeit nicht mit ausgebildeten Lehrern zu decken ist“, sagt Matthias Jähne von der Bildungsgewerkschaft GEW in Berlin. „Aber, wenn man auf Quereinsteiger zurückgreift, dann muss die Qualität gesichert sein. Man kann nicht von Menschen, die nie unterrichtet haben, verlangen, dass sie von Anfang an 13 bis 19 Unterrichtsstunden allein vor der Klasse stehen.“ Die GEW fordert Vorbereitungswochen für Quereinsteiger, zudem für Schulen mehr Kapazitäten, um die Referendare besser anzuleiten. Jähne sagt: „Alle Referendare sind abhängig vom Wohlwollen der Schule.“

Die Hauptgründe für den Lehrermangel sieht der Gewerkschafter im durchschnittlich hohen Alter der Berliner Lehrer und in der Ruhestandswelle. Gleichzeitig sind die Schülerzahlen gestiegen. Um den Lehrermangel langfristig zu beheben, müsse der Senat mehr tun, um junge Menschen für ein Studium zu gewinnen – und sie später für das Referendariat in der Stadt zu halten. „Referendare müssten deutlich mehr verdienen“, sagt Jähne. „Bundesweit sind wir das Schlusslicht.“ Außerdem müsse das vergleichsweise niedrige Gehalt der Grundschullehrer angehoben werden, denn am meisten fehlten Grundschullehrer. Senatorin Sandra Scheeres (SPD) verteidigte die neuen Nicht-Pädagogen an Schulen. „Für uns bedeutet die wachsende Stadt einen Kraftakt bei der Lehrersuche.“

Im zweiten Teil von Ute Rühlings Stunde sind die Schüler ruhiger, rechnen mit Arbeitsblättern. „Alle haben die Aufgaben gut gelöst“, sagt sie später, sichtlich stolz. Das mit der Ruhe sei aber ein Problem. „Ich glaube fest, dass das alles Handwerk ist“, sagt sie. „Aber ich habe ja gerade mal drei Wochen der Ausbildung hinter mir.“

Visum in Sicht

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Zu alt, zu schlechte Noten, das falsche Fach oder angeblich mangelnde Studienmotivation – das sind gängige Gründe, warum ein Visum für ausländische Studenten abgelehnt werde, sagt Johannes Glembek vom Bundesverband ausländischer Studierender (BAS). Und sie seien nicht immer nachvollziehbar. Als Beispiel sieht er den Fall des Tunesiers Mohamed Ali Ben Alaya. Nach dem Abitur in seiner Heimat schrieb er sich in Tunis ein, um Informatik zu studieren. Zugleich bemühte er sich aber um einen Studienplatz in Deutschland. Von der Universität Dortmund wurde er mehrmals für das Mathematikstudium zugelassen, aber die deutschen Behörden verweigerten ihm das nötige Studentenvisum, weil sie Zweifel an seiner Motivation hegten. Dabei verwiesen sie auf Ben Alayas ungenügende Noten und seine zu geringen Deutschkenntnisse.

Ben Alaya klagte zunächst vor dem Verwaltungsgericht Berlin, das den Fall an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) überwies. Nun hat er recht bekommen. Das EuGH sieht in dem verweigerten Visum einen Verstoß gegen EU-Recht. Denn Ben Alaya habe alle Zulassungsbedingungen erfüllt, heißt es in der Begründung.



Ist Deutschland zu streng bei ausländischen Studierenden?

Um sich für ein Studentenvisum zu bewerben, müssen Ausländer aus Drittstaaten von einer deutschen Hochschule zugelassen sein, einen gültigen Personalausweis und eine Krankenversicherung besitzen. Zudem müssen sie nachweisen, dass das erste Studienjahr finanziert ist. Hier gilt der monatliche Bafög-Höchstsatz, derzeit 670 Euro, als Richtwert. Laut Gericht hätten die Behörden ihren Prüfungsspielraum überschritten. Nur wenn sie geltend gemacht hätten, dass Ben Alaya eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit, Ordnung und Gesundheit darstellt, wäre eine Ablehnung gerechtfertigt gewesen.

Im Jahr 2011, das sind die aktuellsten verfügbaren Zahlen, gab es etwa 112000 Studenten, die mit einem Studentenvisum in Deutschland lernten. Genaue Zahlen für 2014 gibt es nicht. „Sie dürften jedoch ähnlich hoch sein wie die Jahre zuvor“, sagt BAS-Vertreter Glembek. Und immer wieder gebe es Probleme: Im vergangenen Jahr hätten sich deswegen zwei Dutzend Personen allein direkt an ihn gewandt. „Viele melden sich aber gar nicht bei den Hochschulen und bewerben sich dann erneut – die Dunkelziffer ist sicher höher.“ Glembek begrüßt das Urteil, weil damit der Spielraum für die Behörden eingeschränkt werde. „Mit dem Urteil gibt es klare Bedingungen und Regeln, die dann abgeprüft werden können.“ Aus der Sicht der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) stärkt das Urteil die Hochschulen beim Zulassungsverfahren. „Die fachliche Bewertung von Zugangszeugnissen für Studieninteressenten liegt bei den Hochschulen, und zusätzliche, fachliche Kriterien wie Studienmotivation können von den Botschaften bei der Visum-Vergabe nicht herangezogen werden. Es ist zu erwarten, dass das Urteil Klarheit schafft“, sagt Thomas Böhm, Leiter des zuständigen Referats bei der HRK.

Welche Auswirkungen das Urteil tatsächlich haben wird, ist noch unklar. Die Bundesregierung werde das Urteil mit Blick auf einen möglichen Anpassungsbedarf im deutschen Recht prüfen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums auf SZ-Anfrage. Bei einer Neufassung dieser Studentenrichtlinie werde sich Deutschland aber dafür einsetzen, dass diese künftig auch klare Bestimmungen zur Verhinderung eines Missbrauchs enthält. Denn in diesem Punkt sei der Gesetzgeber in seiner Entscheidungsfreiheit durch das Urteil eingeschränkt.

Cameron: Eine durch und durch böse Tat

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Der britische Premierminister David Cameron hat am Sonntag das Sicherheitskabinett zusammengerufen, um nach der Enthauptung des britischen Entwicklungshelfers David Haines im Irak das weitere Vorgehen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) abzustimmen. IS hatte am Samstagabend ein Video veröffentlicht, das den Mord an dem 44 Jahre alten Haines zeigt. Er war 2013 kurz nach seiner Ankunft in Syrien verschleppt worden. Premier Cameron bezeichnete die Tat als „abscheulich und entsetzlich“ und nannte sie „durch und durch böse“.



Cameron bei einer Pressekonferenz zur Enthauptung von David Haines.

Das britische Außenministerium gab am Sonntag bekannt, dass die Aufnahme wohl authentisch sei. Der IS hatte in den vergangenen Wochen zwei ähnliche Videos veröffentlicht, in denen die Enthauptung zweier amerikanischer Journalisten gezeigt wird. Im zweiten, vor knapp zwei Wochen veröffentlichten Video war der Mord an Haines angekündigt worden. Im Video vom Samstag kündigten die Killer nun an, in Kürze eine weitere britische Geisel töten zu wollen. Es handelt sich ebenfalls um einen Entwicklungshelfer, der wie Haines in die Region gereist war, um humanitäre Hilfe zu leisten.

In den politischen Kreisen Londons wird seit dem Auftauchen des ersten IS-Videos darüber diskutiert, ob Großbritannien an der Seite der USA militärisch eingreifen sollte. Vor gut einem Jahr hatte das britische Parlament einen Militäreinsatz in Syrien abgelehnt. Es gilt unter den politischen Beobachtern in Westminster als wahrscheinlich, dass das Parlament nun einer Beteiligung an Luftschlägen gegen den IS zustimmen werde. Cameron lasse bereits seit einigen Tagen die Stimmungslage sondieren.

Der Mörder der drei Geiseln ist offenbar ein britischer Staatsbürger, der sich den Terroristen angeschlossen hat. Der britische Geheimdienst geht davon aus, dass derzeit insgesamt 500 Briten auf der Seite der Miliz kämpfen.

David Cameron sagte am Sonntag: „Meine Gedanken sind bei der Familie von David Haines, die in dieser schwierigen Zeit so viel Tapferkeit und Stärke gezeigt hat. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um diese Mörder zu stellen und sie der Gerechtigkeit zuzuführen, ganz gleich, wie lange es dauert.“ Führende Politiker aller Parteien drückten ebenfalls ihr Entsetzen und ihr Mitgefühl aus.

Das Video der jüngsten Gräueltat trägt den Titel: „Botschaft an die Verbündeten Amerikas“. Der Mörder erklärt mit Londoner Akzent, dass Haines getötet werde, weil die Briten Waffen an kurdische Peschmerga im Norden des Irak geliefert haben. Die Briten haben nach Angaben des Außenministeriums Maschinengewehre und Munition an den Irak geliefert, um das Land im Kampf gegen den IS zu unterstützen. Haines trug einen orangefarbenen Overall und musste auf Knien ein Statement verlesen. Darin heißt es: „Ich möchte erklären, dass ich Sie, David Cameron, für meine Hinrichtung verantwortlich mache. Leider muss die britische Öffentlichkeit den Preis für die selbstsüchtigen Entscheidungen des britischen Parlaments zahlen.“

David Haines diente zehn Jahre in der Royal Air Force, bevor er sich dazu entschloss, in der Entwicklungshilfe zu arbeiten. Einsätze hatten ihn unter anderem nach Libyen und in den Südsudan geführt. In Syrien koordinierte er die Auslieferung von Hilfsgütern, als er im März 2013 in der Nähe des Dorfes Atmeh von den Terroristen verschleppt wurde. Sein Bruder Mike Haines sagte: „David ging in seiner Arbeit als Entwicklungshelfer vollkommen auf. Er wurde und wird von seiner ganzen Familie geliebt. Wir werden ihn schrecklich vermissen.“

Die Schatzkarte der NSA

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Eine Schatzkarte ist für die meisten Menschen eine Erinnerung an Abenteuerliteratur. Für die Mitarbeiter britischer, amerikanischer und wohl auch australischer, neuseeländischer und kanadischer Geheimdienste verbirgt sich hinter diesem Begriff etwas anderes: „Treasure Map“ ist ein weiteres Programm, mit dem die detaillierte, zielgerichtete Überwachung einzelner Menschen durch das Internet möglich ist; sogar Überwachung und Zugriff auf Geräte einzelner Nutzer wie Handys, Tablets und Computer soll möglich sein. Dies berichtet das Magazin Spiegel, das sich auf neue Dokumente des Whistleblowers Edward Snowden bezieht.

Als Teil des Programms sollen die Dienste tief in die kritische Infrastruktur der deutschen Unternehmen Telekom, Netcologne und Stellar eingedrungen sein, vermutlich sind noch weitere Firmen betroffen. Netcologne ist ein lokaler Internetprovider für mehr als 400000 Nutzer in Köln, bei Stellar handelt es sich um ein spezialisiertes Unternehmen, das Internetverbindungen via Satellit anbietet, vor allem in Regionen, in denen bislang keine Kabel liegen, etwa in afrikanischen Wüsten. Das Programm „Treasure Map“ ist bereits seit einem Bericht der New York Times im November bekannt. Wie umfassend die Überwachung ist und wie sehr deutsche Firmen von dem Programm betroffen sind, wird allerdings erst jetzt deutlich.



Neue Snowden-Enthüllungen zeigen: auch die Telekom ist betroffen.

Die Dokumente, die zum „Treasure Map“-Programm gehören, zeigen, dass die Agenten mit der Technik verschiedene Ziele verfolgen. Einerseits soll „Treasure Map“ die Infrastruktur des Internets abbilden, also aufzeigen, welchen physikalischen Weg über welche Leitungen und Verbindungen Daten nehmen. In entsprechenden Folien werden die Deutsche Telekom und Netcologne namentlich erwähnt und sind farblich hervorgehoben. Außerdem enthalten Dokumente des britischen Geheimdienstes GCHQ, in denen es um Stellar geht, eine Liste von zehn Mitarbeitern des Unternehmens, darunter der Geschäftsführer, die offenbar wegen ihrer besonderen Kenntnisse der Firmentechnik überwacht wurden oder werden. Sollte die Überwachung wie von Snowden dargestellt stattgefunden haben, wäre sie nach deutschem Recht illegal und ein Fall für die Staatsanwaltschaft; zudem legt die Tatsache, dass Netcologne nur in Deutschland agiert, die Vermutung nahe, dass es zu einem Einbruch auf deutschem Boden gekommen sein muss.

Noch bedeutender für die Nutzer ist, dass „Treasure Map“ den Spionen Zugriff auf die Netztechnik gewähren soll, darunter Router, also Rechner, die Datenverkehr regeln, und Kabel. Über diese können die Überwacher jedes einzelne Gerät, das irgendwie mit dem Internet verbunden ist, sichtbar machen. Das Überwachungssystem soll „nahezu in Echtzeit“ funktionieren, es soll zur Lagebeobachtung und zur „Planung von Computerattacken und Spionageaktionen“ eingesetzt werden. Die betroffenen Unternehmen wurden von Journalisten bereits vor Wochen in Kenntnis gesetzt. Die Telekom sagte der Nachrichtenagentur Reuters, sie habe keine Anzeichen dafür gefunden, dass GCHQ oder NSA Zugriff auf ihr Netzwerk gehabt hätten, man untersuche den Vorfall. Außerdem habe man die deutschen Sicherheitsbehörden informiert. Falls die Geheimdienste sich Zugriffe verschafft hätten, „wäre das absolut inakzeptabel“.

Die Telekom gehört zu einer kleinen Gruppe von Firmen, die weltweite Netze anbieten, sie hält auch Anteile an für die Netzinfrastruktur wichtigen Seekabeln, darunter das Kabel TAT-14, das oft im Zusammenhang mit Überwachung erwähnt wird. Es führt von Deutschland über Großbritannien in die USA. Entsprechend schwer ist es festzustellen, wo sich die Dienste eingeklinkt haben könnten. Wer den Zugang zu so großen Netzen knackt, kann viele Daten auf einmal abgreifen. Auch Netcologne hat bislang keinen Zugriff der Spione feststellen können.

Die Stellar-Mitarbeiter zeigen sich in einem Spiegel-Video entsetzt über die Zugriffe. Die Firma ist nur eines von mehreren Unternehmen, die von den Geheimdiensten gehackt sein sollen. Den Reaktionen nach sind die Recherchen korrekt und legen nahe, dass die Überwachung so erfolgt ist, wie es die Snowden-Dokumente zeigen. In den Papieren haben die Spione Geschäftsgeheimnisse der Kölner Firma aufgelistet – zum Beispiel, welche Kunden der Firma mit welcher Technik versorgt werden. Sie enthalten Passwörter von Stellar-Kunden in Klartext. Nach Angaben des Firmenchefs Ali Fares könnten die Geheimdienste mit den Informationen sogar Internetverbindungen einfach abschalten, zum Beispiel in Afrika. Seiner Darstellung zufolge können die Dokumente nur auf illegalem Weg beschafft worden sein.

„Das ist ein Tsunami“

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In Indien und Pakistan sind Hunderttausende Menschen wegen der schweren Überflutungen von der Außenwelt abgeschnitten. In Indien saßen am Wochenende noch 150 000 Menschen fest. In Pakistan warteten Bewohner in mehr als 100 überschwemmten Orten auf Hilfe. In Zentralpakistan wurden Tausende Bewohner in Sicherheit gebracht und mit Hilfsgütern versorgt, sagte der Zivilverwalter Zahid Saleem am Samstag. Laut dem staatlichen Fernsehen waren Tausende Polizisten, Soldaten und andere Helfer mit Helikoptern und Booten im Einsatz. Mehr als 500 Menschen sind durch die Fluten bereits zu Tode gekommen, Millionen sind auf der Flucht vor dem Wasser.



Von der Außenwelt abgeschnitten. Hier dient ein Kessel als Fortbewegungsmittel.

Die Überflutungen begannen am 3. September nach tagelangem Starkregen im Himalaja. Nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde besonders betroffen sind die ostpakistanische Provinz Punjab und der pakistanische Teil Kaschmirs; allein dort kamen 280 Menschen ums Leben. Auch die Region Gilgit-Baltistan im Norden des Landes ist betroffen. Mehr als zwei Millionen Menschen im Punjab und Sindh seien geflohen, hieß es. Die Fluten würden frühestens in einer Woche zurückgehen.

Im Nachbarland Indien gingen die Rettungsaktionen im Bundesstaat Jammu und Kaschmir am Wochenende weiter. Sie wurden allerdings durch neue Regenfälle behindert, die Luftwaffe musste ihre Bergungsflüge am Sonntagmorgen unterbrechen. Knapp 150 000 Menschen seien bereits an sichere Orte gebracht worden, doch noch einmal so viele säßen noch in der Region fest, berichtete der indische Sender NDTV. 80 Flugzeuge und Hubschrauber seien für die Evakuierungen im Einsatz. Wettervorhersagen zufolge sollte es noch bis Montag weiterregnen, was die Situation für die größtenteils im Freien ausharrenden Menschen verschlimmerte.

Insgesamt kamen bei den stärksten Fluten seit Jahrzehnten in dem indischen Bundesstaat schon mehr als 200 Menschen ums Leben. In einem Krankenhaus in der Millionenstadt Srinagar starben der Agentur IANS zufolge 14 Kinder, weil der Strom und dadurch medizinische Geräte ausfielen. Wichtige Straßen waren nicht befahrbar. Hunderte Menschen drängten sich in Krankenlagern. Viele von ihnen litten an Durchfall, Infektionen oder Ausschlägen, berichtete die Hindustan Times. Jetzt, da das Wasser allmählich zurückgehe, befürchten die Ärzte den Ausbruch von Seuchen. Sauberes Trinkwasser sei knapp.

Mit sinkendem Pegel zeigt sich vielerorts auch das wahre Ausmaß der Zerstörung. Die Provinzhauptstadt „Srinagar ist völlig ertrunken, sie ist nicht wiederzuerkennen. Fast alles liegt in Trümmern“, sagte ein Mitarbeiter des Katastrophenschutzes. „Das ist keine Überschwemmung, das ist ein Tsunami.“

Das bleibt von Occupy!

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Die Gegenzeitung 



Die Occupied Times entstand während der Proteste vor der Londoner Börse. Sie druckt Aktivisten-Interviews und Ideen für alternative Systeme. Bis heute sind 24 Ausgaben mit einer Auflage von je 2000 Stück erschienen. Die Zeitung wurde nicht nur für einen renommierten britischen Designpreis nominiert, sondern auch ins Archiv des Designmuseums in London aufgenommen. Mitverantwortlich für die Gestaltung ist der Grieche Tzortzis Rallis, 29. Er kam 2010 nach London, weil er in seiner Heimat keinen Job fand. „Als Occupy begann, wollte ich mir erst nur die Versammlung anhören“, sagt er. Doch dann landete er in der Arbeitsgruppe für Medien. Nach ideologischen Streitereien hat sie sich vom offiziellen Occupy abgespalten. Aber die Macher sehen die aufwendige Publikation trotzdem im Geiste von Occupy. Tzortzis Rallis arbeitet derweil an einer Doktorarbeit über „politische Grafik als Antwort auf Krisen“. 

Die Jasager



Die zwei Aktionskünstler „Yes Men“ gehörten zu den prominentesten Unterstützern von Occupy. Sie hielten während der Proteste Aktivismus-Workshops und bastelten mit Greenpeace eine gefälschte Webseite für den Ölkonzern Shell. Diesen Monat erscheint der dritte satirische Dokumentarfilm des Duos, „Yes Men are revolting – Join the revolution“. Darin spielen sie wieder Großkonzernen Streiche, dieses Mal geht es um die globale Erwärmung. „Der Film entsprang Occupy“, sagt Andy Bichlbaum. „Wir waren wie weggeblasen von der Bewegung und davon, was sie in kurzer Zeit erreicht hat – sowohl politisch, indem sie den Diskurs veränderte, als auch persönlich, indem sie uns inspirierte.“

Die bekehrte Malerin



Die Bilder von Molly Crabapple enthalten so viel Sozialkritik, dass der Spiegel die 29-jährige Amerikanerin vor Kurzem „politische Journalistenkünstlerin“ nannte. Sie hat sich von Occupy inspirieren lassen und neun gigantische Gemälde über die Finanzkrise gemalt: bunt, betörend, satirisch. Als die „Occupy Wall Street“-Proteste vor ihrer Haustür losgingen, arbeitete sie als Nackttänzerin in Burleske-Bars. Sie war skeptisch gegenüber den „Hippies“, die da protestierten. Als sie sah, wie brutal die Polizei eingriff, ließ Crabapple Demonstranten in ihre Wohnung und begann, für die Bewegung zu zeichnen. Am ersten Jahrestag wurde sie festgenommen. Sie malte Bilder über die Krise in Griechenland und den arabischen Frühling. Heute twittert sie an 53 000 Follower über Proteste in aller Welt, berichtet für die New York Times und schreibt eine Kolumne im Vice Magazine. Das Museum of Modern Art nahm ihre Bilder aus der Serie „Shell Game“ in seine Sammlung auf.

Die Blase



Die „Generalversammlung“ war das demokratische Zentralorgan der Occupy-Bewegung, in der täglich Meinungen aufeinanderprallten. Vier junge Architekten namens 123Occupy haben eine aufblasbare Variante der Versammlung kreiert, um ihr einen neuen Rahmen zu geben. „Wer in die Blase geht, betritt ein neues Gebiet“, sagt Adam Koogler. Auch der niederländische Künstler Artúr van Balen forscht seit der Occupy-Bewegung leidenschaftlich an aufblasbaren Werkzeugen für den kreativen Widerstand: Er entwarf einen Riesenhammer, der für Schlagkraft stehen soll. Die aufblasbaren Objekte sehen gewaltig aus, sind aber friedliches Spielzeug. Für Klima-Proteste im September in New York organisiert van Balen Workshops, in denen man den Bau eines „Inflatables“ lernen kann. Bis Februar 2015 sind aufblasbare Objekte von 123Occupy in der Ausstellung „Disobedient Objects“ im Victoria & Albert Museum in London zu sehen.


Festival der politischen Kunst



Das Kunstfestival „To The Square“ will die Protestbewegungen von 2011 noch einmal zusammenbringen und resümieren: Wo ist die revolutionäre Energie hin? Im August fand es zum zweiten Mal in Helsinki statt. Wie bringt man die Leute zurück auf öffentliche Plätze? Wie setzt man Kunst in politischen Bewegungen ein? „Das ist heute so dringend wie damals“, sagt Koordinatorin Saara Karhunen. Hinter dem Festival steckt das Kollektiv „Checkpoint Helsinki“. Es gründete sich 2012, als Leute rund um Occupy nicht nur die Finanz-, sondern auch die Kunstmärkte für ihre Geldgetriebenheit kritisierten. Im November organisiert die Gruppe einen Gipfel namens „Make Arts Policy“.

Gegen die Bankenrettung



Núria Güell hat in einem Museum einen Informationsschalter aufgestellt, an dem man lernt, wie man die Bankenrettung rückgängig macht. Bei einem anderen Projekt hat Güell zusammen mit einem Kollegen die Firma „Güell & Orta Contemporary Art“ im Steuerparadies Panama gegründet. Núria Güell, 32, ist Occupy-Aktivistin und eine der wichtigsten Nachwuchskünstlerinnen Spaniens. Sie tingelt von Biennale zu Biennale und stellt weltweit in Museen und Galerien aus. In ihren Arbeiten kritisiert sie das Bankensystem, Steueroasen und Zwangsräumungen von Familien, die ihren Kredit nicht abbezahlen können. „Europa ist gekidnappt, exklusiv und autoritär“, schreibt sie in einem Aufsatz. „Die Occupy-Bewegung war der Moment, in dem viele Menschen erkannten, dass sie einen gemeinsamen Wunsch nach Veränderung haben“, sagt sie. Das gab ihr einen Schub. „Plötzlich verstanden viel mehr Leute meine Arbeit.“

Rebellion in Öl



Der Moment der Empörung im Spätsommer 2011 – Erik Schmidt hat ihn auf drei Meter große Leinwände gepinselt. Die Bilder zeigen junge Menschen mit Laptops und Schlafsäcken, die Polizei. Zu der Zeit wohnt der Berliner an der Wallstreet. Er beobachtet zwei Monate lang das Geschehen im Zuccotti Park: „Ein Theater mit unglaublicher Ästhetik“, sagt Schmidt. Er fotografierte und malte die Bilder später ab. Wenn Leute vor seinen Bildern fragend stehen bleiben, verteidigt Schmidt die Bewegung. „Man muss darüber reden“, findet er. „Deswegen bin ich nicht gleich Hippie oder Antikapitalist.“ Bis 21. September zeigt Schmidt seine Serie „Downtown“ im Schloss Roskow bei Berlin.

Was bleibt von Occupy?

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Auf Zehenspitzen tanzt eine Ballerina im Nacken eines wild gewordenen Stiers. „Bringt Zelte mit“, steht unter dem Bild. Es ist das erste Plakat der Occupy-Bewegung. Vor fast genau drei Jahren verbreitete es sich im Netz. Es rief zum Protest auf: am 17. September 2011 im New Yorker Zuccotti Park, in Fußentfernung zur Wall Street.




 
Anfangs kamen nur ein paar Hundert. Doch in den nächsten Wochen demonstrierten Menschen in fast tausend Städten in über 80 Ländern gegen soziale Ungerechtigkeit und die Wirtschaftsmacht der Banken. Sie trugen Guy-Fawkes-Masken und Plakate mit der Aufschrift „We are the 99 %“.
 
Die meisten waren junge, gut ausgebildete Berufstätige und Studenten. Aber auch Arbeitslose, Rentner oder Hausfrauen marschierten mit. Nicht zufällig platzierten die Initiatoren ihren Protest direkt vor dem mächtigsten Finanzzentrum der Welt. Sie wollten einen eigenen „Tahrir Moment“, beflügelt durch die Aufbruchstimmung des Arabischen Frühlings und der „Indignados“ in Spanien. Sie wählten dafür den Verfassungstag der USA.
 
Plötzlich war da, womit keiner mehr gerechnet hatte: ein globaler Ausdruck der Wut über den wild gewordenen Finanzsektor. Eine demokratische Bewegung stellte eine neue Systemfrage: Wie mächtig darf Kapitalismus sein? Für viele war Occupy ein kleines politisches Wunder. Junge Menschen arbeiteten über einen neuen Zugang an einem politischen Projekt, abseits der etablierten Organisationen und Parteien. Und überhaupt: endlich eine Jugendbewegung! Es keimte die Hoffnung, dass die jungen Leute des neuen Jahrhunderts doch nicht als politikverdrossene Ego-Generation in die Geschichtsbücher eingehen würden.
 
Auch in Deutschland demonstrierten im Oktober mehr als 40 000 Menschen, die meisten in der Finanzhauptstadt Frankfurt. Sie campten länger als ein Jahr. In Spanien waren es an einem Tag rund eine Million, allein in Rom etwa 300 000. Angela Merkel bezeichnete Occupy als „eine gerechtfertigte Meinungsäußerung“, US-Präsident Obama sagte, er stehe auf der Seite der Demonstranten.
 
Nach dem harten Winter 2011/12 war dann aber doch alles ziemlich schnell vorbei. „Was ist Eure Forderung?“ wurde zur wiederkehrenden Frage an dieProtestierenden in den Camps. In der globalen Vielschichtigkeit fand die Bewegung keinen roten Faden. Viele zogen sich ernüchtert in ihren Alltag zurück. In den Zeltstädten harrten immer weniger Hartnäckige aus, schließlich beendete die Polizei das Spektakel Stadt für Stadt. Für viele blieb der Nachgeschmack: Occupy war gescheitert.
 
Während sich Politiker wieder abwandten, hielt das Interesse von einer anderen Seite bis heute an: Die Ideen von Occupy beeinflussen die Kunstwelt, und zwar stärker denn je. Aus dem Geist von Occupy hat sich eine neue Welle politischer Kunst entwickelt. Die Karte unten versammelt Beispiele aus der ganzen Welt.
 
Die Berliner Biennale lud im April 2012 Occupy-Aktivisten ein. Auf der Documenta 2012 zelteten Aktivisten ungefragt auf dem zentralen Platz – die Direktorin empfing sie herzlich. Ein Regisseur am Schauspiel Stuttgart führte ein Occupy-Theater auf. Seit Donnerstag läuft der Dokumentarfilm „Everyday Rebellion“ über kreative Protestformen aus der ganzen Welt in den Kinos.
 
Doch wie kann es passieren, dass eine politische Bewegung in die Kunst abwandert? Und: Ist das jetzt gut? Oder verlieren sich konstruktive Gesellschaftsideen in unerreichbaren Fantasiegebilden? Keineswegs, sagen Politikwissenschaftler, Soziologen und Kunstexperten. Occupy in der Kunst ist kein Irr- sondern nur ein konstruktiver Umweg.
 
Auch wenn Kulturproduktion auf den ersten Blick keine Verbindung zum politischen System hat, wirke sie sich doch irgendwann darauf aus, sagt etwa der Soziologe Oliver Marchart. Beispiel Hippiebewegung: Die 68er waren politisch zunächst erfolglos, betäubten ihren Frust über das Establishment mit LSD. Mittelfristig läuteten sie aber eine Kulturrevolution ein, langfristig standen sie sogar politisch an der Spitze: Joschka Fischer, Claudia Roth oder Otto Schily.
 
Occupy war von Anfang an auf ästhetische Wirkung ausgelegt. Sie ist eine der ersten sozialen Bewegung des Internetzeitalters: visuell, massentauglich choreografiert, dezentral. Aber auch widersprüchlich, ambivalent und abgehoben. Das macht den Protest an sich zu einer künstlerischen Performance, zur „performativen Demokratie“, wie der österreichische Medienkunstexperte Peter Weibel sagt: „In den sozialen Medien ist der Bürger zum ständigen Sender und Empfänger geworden, der nicht mehr nur alle paar Jahre per Wahlzettel an der Macht teilhaben will, sondern jederzeit.“
 
Die Occupy-Bewegung greife die Aktionskunst der Sechziger und Siebzigerjahre auf. Joseph Beuys oder Yoko Ono forderten damals Interaktion mit dem Publikum – eine Idee, die sich unter dem Begriff der „Bürgerbeteiligung“ bis in die heutige Politik fortgesetzt hat. Kunst habe also politische Gesten vorausgesagt, sagt Oliver Marchart. „Ebenso kann die aus einem Protest entstandene Kunst für nächste Bewegungen Impulse geben.“ Medienexperte Peter Weibel ist sicher: „Der Name kann verschwinden, aber die Bewegung ist irreversibel.“

Klick und krass

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Angestrichen:
„In any case, the conventions of jihadists’ hardcore film productions unmistakably resemble those of porn. And just as porn has evolved over time, so too has the jihadist propaganda video.“  

Wo steht das?

Auf der Website des „Atlantic“. Dort schreibt der Autor Simon Cottee über die ähnliche Machart von Pornos und den Gräuelvideos des Islamischen Staat.   

Was genau steht da?
Cottee bezieht sich zunächst auf ein Buch aus dem Jahre 2008: „Blood and Rage: A Cultural History of Terrorism“ von Michael Burleigh. Burleigh behauptet darin, Terror-Videos und Pornofilme hätten eine ähnliche Struktur – in beiden gehe es vor allem um den sogenannten „Money Shot“, also die provokanteste, einprägsamste oder öffentlichkeitswirksamste Sequenz. Das ist im Falle des Pornos der „Cum Shot“ (der Moment, in dem der Mann ejakuliert), im Falle des Terror-Videos zum Beispiel der Moment, in dem der Attentäter sich in die Luft sprengt. Aus aktuellem Anlass nimmt sich Cottee dieser These noch einmal an und analysiert die kursierenden Videos des IS.  





Die Enthauptungsvideos des IS, so Cottee, hätten durchaus „pornografische Qualität“: direkt, obszön, willkürlich und nach nur einem Mausklick sofort verfügbar. Aber vor allem glaubt er, dass sich die Terrorvideos in die gleichen Kategorien einteilen lassen wie Mainstream-Pornoproduktionen: „Features“ und „Gonzo“. Features sind Sexfilme, die sich an einer gewöhnlichen filmischen Erzählung orientieren. Wir sehen darin nicht nur Menschen, die Sex haben, sondern der Film erklärt uns auch, warum sie Sex haben. In einer Gonzo-Produktion fällt diese Erklärung weg. Wir sehen Sex. Direkt, ohne Umschweife. Und, ähnlich wie im Genre des Gonzo-Journalismus, kann es vorkommen, dass der Kameramann aus der objektiven Beobachterrolle fällt und das Geschehen kommentiert, mit den Darstellern spricht oder ihnen Anweisungen gibt.  

Das Feature-Äquivalent im Terror-Bereich sind Cottees Meinung nach die Märtyrer-Videos, die in den Neunzigern in Palästina aufkamen. In teilweise mehr als einstündigen Filmen wird darin zum Beispiel die Geschichte eines Märtyrers erzählt, dessen Familie von Israelis getötet wurde und der diesen Tod rächen will, indem er sich in Israel in die Luft sprengt. Das Gonzo-Äquivalent ist dann logischerweise ein kurzes Video, in dem man einen Gewaltakt sehen kann, direkt, ohne Umschweife und ohne genauere Erklärung. Die ersten Filme dieser Art tauchten in den Nuller Jahren auf, sie stammten meist aus dem Irak als Reaktion auf die amerikanische Militäroperation und zeigten zum Beispiel Anschläge auf Soldaten. Der Money Shot, also die Sequenz, die den Anschlag zeigt, wurde dafür oft mehrfach hintereinander geschnitten, ein Verfahren, das auch in Gonzo-Pornos verwendet wird. Und oft kann man den Kameramann hören, wie er das Geschehen begeistert kommentiert.  

Der IS, so Cottee, nutzt sowohl Feature- als auch Gonzo-Elemente in ihren Videos. Doch die bekanntesten, wie jene, die die Enthauptungen der Journalisten Sotloff und Foley und des Briten David Haines zeigen, sind reine Gonzo-Produktionen: Sie haben eine Amateurfilm-Ästhetik, sind extrem kurz und zeigen nur diese eine Sequenz.  

Und was lernen wir daraus?

Sowohl Pornofilme als auch Terrorvideos haben sich in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker an die Internet-Ästhetik angepasst. Sie richten sich an Zuschauer, die nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne haben oder aufbringen wollen. Die Botschaft soll nicht komplex und in einen größeren Zusammenhang gebettet sein, sondern einfach und radikal. Ähnlich wie im Porno-Bereich wird auch im Falle der Terrorvideos die Zahl der Amateur-Videos immer größer: Jeder kann mit seinem Handy ein Paar beim Sex filmen, jeder kann mit seinem Handy eine Exekution filmen. Simon Cottee nennt diese neue Form der Terror-Videos sogar „a purer kind of gonzo“. Immerhin ist hier nichts mehr inszeniert, der Money Shot wird direkt aus der Realität gegriffen, unmittelbarer geht es nicht.  

Einige Fragen bleiben nach der Lektüre von Cottees Text allerdings. Zum Beispiel, ob die Analogie von Porno- und Terror-Videos nicht doch etwas zu eng gefasst ist. Es mag ja sein, dass die Produktions-Formen „Feature“ und „Gonzo“ in der Porno-Industrie ihren Ursprung haben – aber sie lassen sich von dort sicher nicht nur auf Al-Qaida- und IS-Propaganda übertragen, sondern generell auf das Phänomen des Internet-Videos. Viele virale YouTube-Hits sind mittlerweile Amateur-Gonzo-Produktionen. Ob ein Promi, der sich einen Eimer Eiswasser über den Kopf schüttet, oder ein kleiner dicker Junge, der ein Lichtschwert schwingt – meist handelt es sich um selbstgedrehte, kurze Filmchen, die uns nur eine einzige Sache zeigen; da gibt es nicht viel Erzählung (oder man muss sie sich, wie im Falle der Ice Bucket Challenge, selbst anlesen).

Auch über Konsequenzen der verschiedenen Videoformen denkt Cottee nicht nach. In beiden Fällen, Porno und Terrorvideo, geht es um eine direkte Reaktion. Nicht um den reinen Konsum einer Geschichte oder von Bildern, maximal gepaart mit etwas emotionaler Anteilnahme, sondern darum, einen Akt herauszufordern – im einen Fall einen sexuellen, im anderen Fall einen Gewaltakt, denn die Terror-Videos sollen ja auch neue Kämpfer rekrutieren. Aber wie fordert man einen Akt am besten heraus? Mit der komplexeren Geschichte eines „Features“, sodass sich der Zuschauer mit dem Protagonisten identifizieren kann? Oder mit einer Gonzo-Sequenz ohne einen solchen erzählerischen Überbau, mit der wackligen Handkamera gefilmt, die einen unmittelbaren Zugang bietet, das Gefühl, dabei zu sein oder zumindest dabei sein zu können? Am Ende entscheidet das vermutlich der Charakter des Zuschauers.  

Und es bleibt der eine große Unterschied: Ein Porno will nur das, diesen Akt herausfordern, eine Lust erzeugen und befriedigen, es richtet sich allein an die, die Interesse daran haben. Ein Terrorvideo will zum einen Anhänger rekrutieren. Aber es richtet sich auch an alle anderen: Es will drohen und Angst machen. Und das schaffen die Gonzo-Produktionen vermutlich besser als jedes noch so gut ausgearbeitete Feature.

Gekommen, um zu bleiben?

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Von Null auf fast elf Prozent in Thüringen und über 12 Prozent in Brandenburg: Die Alternative für Deutschland (AfD) kann als Gewinner des Wahlabends am Sonntag bezeichnet werden. Zuletzt hatte sie schon bei der Landtagswahl in Sachsen und bei der Europawahl im Mai um die zehn Prozent der Stimmen geholt. Viele Kommentatoren sind sich einig: Fürs Erste hat sich die Anfang 2013 gegründete AfD in der Politik etabliert. Erstmalig großes Aufsehen erregt hatte sie bei der Bundestagswahl im vergangenen Herbst, als sie mit 4,9% beinahe den Einzug ins Parlament schaffte.





Ob der aktuelle Erfolg anhält, darüber gehen die Stimmen in den Medien auseinander. Die einen sehen Parallelen zu den Piraten und sagen einen Untergang der AfD vorher, mit der sowieso niemand koalieren wolle. Andere sagen, die Partei sei momentan deshalb so erfolgreich, weil sie ein entscheidendes Gefühl beim Wähler anspreche: Angst. Einfache Antworten bei Themen wie Zuwanderung und Kriminalität (zum Beispiel in den grenznahen Regionen zu Polen) hätten ihr eine Vielzahl von Stimmen beschert.

Der Parteiforscher Oscar Niedermayer von der Freien Universität Berlin macht neben der Angst noch einen Grund für das gute Abschneiden der AfD aus: Sie punkte vor allem bei den Menschen, „die sich mit ihren Sorgen von den anderen Parteien alleingelassen fühlen.“ Außerdem sei die AfD nicht mehr nur die Anti-Europa-Partei, sondern behandle inzwischen auch Themen wie Asylrecht und Familienpolitik. Andere Beobachter betonen ebenfalls, dass die etablierten Parteien sich mehr mit strittigen Themen wie Zuwanderung auseinandersetzen müssten, bei denen die Angst der Wähler der AfD in die Hände spiele.

Was hältst du vom Erfolg der AfD? Denkst du, er wird von Dauer sein? Oder wird die AfD wie die Piraten enden, von denen inzwischen fast niemand mehr spricht? Und hat der Erfolg der AfD mit Versäumnissen der anderen Parteien zu tun?
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