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Spiel mir das Lied vom Tod

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Irgendwo in Gaza schweißen, basteln und bauen Hamas-Kämpfer an ihren Raketen, laufen aus einem Tunnel, um ihre Geschosse von Jeeps und Abschussrampen in den Himmel Richtung Israel zu feuern. Es gibt Einschläge und Explosionen. Während die Gaza-Kämpfer mit ihren Stirnbändern mutig durch Felder laufen und durch das Mittelmeer nach Israel tauchen, werden Israelis als Opfer inszeniert: Weicheier, die davonrennen und nichts anderes tun, als auf dem Boden zu liegen und mit ihren Händen ihre Köpfe zu schützen.    

Das sind typische Bilder, die die Hamas in ihren Propaganda-Videos benutzt, und die auch im Video zu "Tkof, Ta’aseh Piguim" auftauchen. "Tkof, Ta’aseh Piguim", ein Lied der Hamas auf Hebräisch, heißt frei übersetzt so viel wie "Los, verübt Terroranschläge". Ganz Israel soll in Flammen aufgehen und sich nicht mehr sicher fühlen. Das sind noch die harmloseren Zeilen. Die härteren Töne gehen so: "Vertreibt die Zionisten, verbrennt die Soldaten, vernichtet die Kakerlaken." Das erinnert an einen Aufruf zum Völkermord – doch die Musik dazu lädt eher zum Mitsummen und Mitwipppen ein. Die orientalische Pop-Melodie kommt sehr freundlich daher und geht sofort ins Ohr. Die Folge: Statt sich zu fürchten, macht ganz Israel sich lustig darüber, hört und singt "Tkof, Ta’aseh Piguim" und tanzt dazu.  

http://www.youtube.com/watch?v=1-Ouqp-YI-A Die hebräische Originalversion des Hamas-Songs

"Tkof, Ta’aseh Piguim" wurde ursprünglich von den Qassam-Brigaden, dem militärischen Arm der Hamas während des Gaza-Kriegs 2012 auf Arabisch aufgenommen, das Video dazu hat auf YouTube mehr als 1,5 Millionen Klicks. Am 10. Juli wurde das Lied auf Hebräisch auf Al Aqsa, einem Fernsehsender der Hamas, veröffentlicht, einen Tag später auf YouTube. Die reine Provokation. Denn Hamas ist ja nicht nur eine Terrororganisation, sie ist auch die politische Führung des Gazastreifens. Es ist also ein wenig so, als würde der israelische Ministerpräsident Netanjahu dulden, dass die israelische Armee offiziell "Tod den Arabern" singt. Und es besteht das Risiko, dass die extremistische Hetze des Textes mit der Meinung der palästinensischen Bevölkerung verwechselt wird.  

Die Taktik der Hamas, das Internet zum Kriegsschauplatz zu machen und Israelis per YouTube, Facebook oder SMS Angst einjagen zu wollen, ist nicht neu. Im Juli wurden im Namen der Qassam-Brigaden SMS an israelische Zivilsten verschickt, sowohl von israelischen als auch von palästinensischen NUmmern. "Al-Qassam hat dich dazu ausgewählt der nächste Shalite zu sein…sei bereit", stand zum Beispiel auf Englisch in einer davon. Gilad Shalit war der Soldat, der mehr als fünf Jahre lang in Gaza von der Hamas gefangen gehalten wurde. Kaum ein Empfänger nahm das ernst. Auch der Terror-Propaganda-Song wird nicht ernst genommen, unter anderem, weil er so schlecht übersetzt ist, dass Israelis darüber lachen müssen. Über soziale Netzwerke hat er sich rasend schnell bis in die bekannte Talkshow "Kitzis" ausgebreitet. "Kitzis" läuft zur Prime-Time und fasst sarkastisch die wichtigsten Ereignisse der Woche zusammen. In einer der letzten Sendungen haben zwei Komiker die Melodie benutzt, um die neuesten Promi-Geschichten zu erzählen. Dazu tanzten sie im Palästinensertuch durchs Bild.  

Das Lied läuft im Fernsehen, auf Partys, als Klingelton, in All-you-can-drink-Bars, angeblich wird sogar auf Hochzeiten dazu getanzt. Mittlerweile finden sich jede Menge Parodien auf YouTube: Eine Gruppe von Reservisten, die in einem Kreis sitzt, klatscht und trommelt und den Text um eine "Frieden-für-die-Welt-Passage" ergänzt. Eine Gruppe Jungs, die verkleidet und mit Wasserpistolen durch den Garten rennt. Ein junger Mann, der eine harmonische Einlage am Piano spielt. Eine König-der-Löwen-Version, in der Erdmännchen durch ihre Tunnel laufen. Eine Schlümpfe-Version, eine Instrumental-Version für Ultraorthodoxe und ein A-cappella-Cover.  

http://www.youtube.com/watch?v=DDDUeEmgnm4 Die von "König der Löwen" inspirierte Parodie ist eine der bekanntesten.

Wird Humor hier zur Waffe? Ja, sagt Nathaniel, kurz Nate, der mit seinem Mitbewohner David eine Akustik-Version aufgenommen hat. Auch er hatte bis vor kurzem "Tkof, Ta’aseh Piguim" als Klingelton auf seinem Handy. "Humor ist ein Instrument, um Dinge auszuhalten, um den Druck wegzunehmen, wenn man bedroht wird", so Nate. Seine Familie kommt ursprünglich aus Afghanistan, er ist mit orientalischer Musik groß geworden. Er habe das Potenzial gleich gesehen, sagt er, das Lied sei einfach ein Ohrwurm. Er hat sich seinen Mitbewohner mit dessen Gitarre geschnappt, sie haben zwei schwarze Sonnenbrillen aufgesetzt und losgelegt; David hat etwas Bob Marley einfließen lassen. Er wolle einfach, dass sich die Idee verbreitet, sagt Nate. Die Idee, dass Ernst und Humor sehr nah beieinander liegen.

http://www.youtube.com/watch?v=ErBlYK2EpaY Nates und Davids Version von "Tkof, Ta’aseh Piguim"

Was sagt es über eine Gesellschaft aus, die eben noch 20-jährige Soldaten beerdigt hat, wenn sie zu einem Song tanzt, der den eigenen Tod besingt? Man kann diese Reaktion leicht als zynisch abstempeln. Aber die Israelis wollen sich ihren Spaß nicht nehmen lassen. So war es auch, als im Februar 2012 eine Petition auf Facebook Netanjahu darum bat, einen Krieg gegen den Iran erst nach Madonnas Konzert zu beginnen. Die wollte schließlich ihre Welttournee in Tel Aviv eröffnen. Junge Israelis haben eine eigene Art, mit dem Alltag in einem Land umzugehen, das sich immer am Rande des Kriegszustands befindet – und immer wieder tatsächlich im Krieg. Statt machtlos zu sein, holen sie mit Spott zum Gegenschlag aus. Vielleicht können sie das, weil sich diese Generation nicht mehr an die Zeit erinnert, als Terroranschläge zum Alltag in Israel gehörten; als Cafés, Diskotheken und Busse in die Luft gesprengt wurden. Vielleicht will sie sich auch nicht mehr daran erinnern.  

Oder es ist wie mit den Witzen über den Holocaust, bei denen man beschämt zu Boden schaut, während israelische Freunde in Gelächter ausbrechen. Vielleicht können und dürfen nur Juden über dieses Lied lachen, weil es nur sie bedroht. 

In jedem Fall wollen sich die jungen Israelis nicht unterkriegen lassen. Sie sagen: Wir sind hier und wir bleiben hier. Tel Aviver fügen hinzu: Wir feiern weiter. Einfach weitermachen und so tun, als sei alles in Ordnung. Bloß keine Schwäche zeigen. Bloß keine Angst haben. Bloß nicht preisgeben, dass man doch nervös ist. Dass der Puls schneller schlägt und das Herz zu rasen anfängt, wenn die Sirenen heulen.  

Sicher ist: Im Gegensatz zu den Raketen aus dem Gazastreifen stellt das Lied der Hamas keinerlei Bedrohung für die Israelis dar. Nicht einmal nervös macht es sie. Zu oft haben sie diese Parolen schon gehört. Sicher ist auch: Sie werden weiterhin versuchen, keine Angst zuzulassen. Deshalb werden sie weiter tanzen, singen und lachen. 
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Auflegen auf dem Spielplatz

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Von weitem sieht er aus wie ein Grill mit Dach. Oder ein futuristischer überdachter Camping-Herd mit zwei Kochplatten. An dem Betontisch sind keine Kabel, keine Stecker, keine Lüftungsschlitze zu sehen – doch das Ding ist voll mit Technik. Auf der Platte sind weiße Plastikknöpfe angebracht. Und wer einen davon berührt, erweckt den Tisch und seine Lämpchen zum Leben.  





Auf niederländischen Spielplätzen stehen jetzt DJ-Tische. Kinder und Jugendliche haben heute ein Smartphone. Sie hören Musik, wenn sie sich im Park treffen. Daraus entstand die Idee, ein Outdoor-DJ-Pult zu bauen. In Goor, einer Kleinstadt im Osten der Niederlande, steht ein solcher Tisch. Die Firma, die die Spielgeräte entwickelt, hat dort ihren Sitz und erprobt die Erfindungen. Mehrmals am Tag kommen Kinder und Jugendliche aus der Nachbarschaft und spielen eine Weile.  

Gestartet wird der DJ-Desk durch Berührung. Man spielt auf dem Smartphone Musik ab und legt den Handylautsprecher auf die entsprechende Fläche. Weil der Klang über Schwingungen übertragen wird, funktioniert der DJ-Tisch mit allen Handys und mp3-Playern, die einen Lautsprecher haben. Das System überträgt den Ton auf die Boxen. Sie sind so angebracht, dass sich der Sound vor allem unter dem Dach entfaltet – um Anwohner nicht zu belästigen. Die maximale Lautstärke kann von der Stadtverwaltung eingestellt werden, genauso wie die Uhrzeit, wann sich das DJ-Pult an- und abschaltet. Es gibt Knöpfe für die Lautstärke und für sechs Effekte. Man kann unter anderem die Tonhöhe verändern und den Klang, man kann scratchen und von einer Tisch-Hälfte zur anderen faden wie ein DJ mit professionellem Equipment im Club. Allerdings bereinigt hier der Computer Anfänger-Fehler und glättet Übergänge – der Klang soll auch bei Amateuren am Pult erträglich bleiben.  

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Rob Tuitert, 32, hat den DJ-Tisch entworfen und entwickelt. In seinem Büro in Goor liegen große Blätter mit Entwürfen und Filzstifte in allen Farben. Tuitert hat Produkt-Design studiert. Schon seine Diplomarbeit war ein interaktives Spielgerät für draußen, ein Klang-Bogen: vier Meter hoch, eine umgedrehte Parabel, mit einem Spielfeld verschiedener Farben, Formen und Zahlen darunter. Eine Kamera registriert die Bewegungen, ein Computer spielt Musik und gibt Anweisungen, auf welches Feld die Spieler springen sollen. Mit dieser Erfindung kam Tuitert zu seinem Job als Produkt-Designer bei der niederländischen Firma „Yalp“ - rückwärts gelesen „play“. Seither denkt er über die Zukunft der Spielplätze nach.  

Während sich die Welt verändert und digitalisiert, sind Spielplätze seit Jahrzehnten gleich. Dabei könnten neben Rutschen, Schaukeln und Klettergerüsten auch andere Spielgeräte stehen. Geräte, die die weitgehend digitalisierte Lebenswelt der Jugendlichen nicht ausklammern, sondern einbeziehen. Die Designer in den Niederlanden wollen zeigen, welche Möglichkeiten Computer auch auf Spielplätzen eröffnen. Und sie wollen beweisen, dass Technik im Freien funktioniert – und Altersgruppen in Bewegung bringt, die einen Spielplatz sonst nur als Graffiti-Leinwand oder als Ort zum heimlichen Rauchen benutzen. Das Outdoor-DJ-Pult soll eine Lücke schließen; wer zum Schaukeln zu alt ist, für den bieten die meisten Spielplätze nichts mehr. „Interaktive Spielgeräte, speziell die DJ-Tische, erreichen ältere Kinder und Jugendliche“, sagt Yalp-Chef Ben Admiraal.  

Der DJ-Tisch ist aus Beton und wiegt 1500 Kilo, so viel wie ein Auto. Unter der Platte liegt ein Computer-Prozessor, unzugänglich und damit geschützt. Die Schwierigkeit sei gewesen, die Technik vor Wetter und Vandalismus zu schützen, sagt Produkt-Entwickler Rob Tuitert. Tuitert und seine Kollegen haben Red Bull und Sand über die Anlage gekippt, Feuerwerk und Zigarettenkippen hineingesteckt, sie mit Schnee zugeschüttet und bei minus 20 Grad in Nord-Finnland getestet.  

Jetzt funktioniert alles. Im vergangenen Jahr wurde das erste Pult aufgestellt. Im Frühjahr hat „Yalp“ den Red-Dot-Designaward für die Erfindung bekommen. Zehn DJ-Tische stehen in den Niederlanden bereits, darunter in Den Haag, Amsterdam, und in Breda, dem Geburtsort des niederländischen Promi-DJs Tiesto. In Amsterdam wollte die Stadtverwaltung einen berüchtigten Treffpunkt von Jugendlichen im Zuiderpark entschärfen und Jugendlichen eine Beschäftigung geben.  

Andere Gemeinden, auch in Deutschland, würden demnächst nachziehen, meint „Yalp“-Geschäftsführer Ben Admiraal. Ein DJ-Tisch kostet 18.500 Euro; oder 20.500 Euro mit Panelen auf dem Dach für die Stromversorgung. Das entspricht etwa dem Preis eines großen Klettergerüsts und einer Schaukel. „Yalp“ spezialisiert sich auf die Entwicklung von interaktiven Spielgeräten. Neben dem DJ-Pult vertreibt die Firma auch Rob Tuiterts Diplomarbeit, den Klang-Bogen. Dessen Prozessor hat verschiedene Spiel-Möglichkeiten und Anweisungen gespeichert. Die neusten Modelle haben eine Internet-Verbindung. Rob Tuitert kann sich neue Spiel-Versionen ausdenken und vom Schreibtisch aus übertragen. Tuitert sieht vom Schreibtisch aus, wie viele Minuten gespielt wurde und welches Spiel am längsten und häufigsten genutzt wurde. Auch die Gemeindeverwaltungen oder der Spielplatz-Besitzer können sich über die Website von „Yalp“ einloggen und haben direkt Zugriff auf die Statistiken und das Spielgerät. Auf einer Liste werden Häkchen gesetzt, welche Spiele und sogar in welcher Sprache der Computer des Spielgeräts Anweisungen geben soll.180 interaktive Spielgeräte hat „Yalp“ bereits aufgestellt, in den Niederlanden, aber auch in Spanien, Skandinavien, Australien und anderswo. Nicht alle Spiele seien überall gleich beliebt, sagt Tuitert und schaut auf die Spielminuten. Es gebe Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern.  

Tuitert und Yalo arbeiten quasi an der Überführung des Prinzips Spielplatz ins digitale Zeitalter. Wenn eine Rutsche nicht steil genug ist und deshalb langweilig, steht sie ungenutzt herum und rostet. Wenn eines von Tuiters Spielen nicht angenommen wird, sieht er das. Er kann eine neue, bessere Version des Spiels entwickeln und ein Update ausspielen. Der Spielplatz wird aktualisierbar wie Software.
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Über Nacht...unter Seemännern

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Der Klub ist im Keller und der Keller ist voll. Voll mit jungen schmächtigen Männern, die Baseballcaps tragen, an ihren Smartphones kleben und skypen. Wir sind in der Seemannsmission Hamburg Altona. Hier ist das WLAN billig und es gibt Chips aus Schweinekrusten und Kondome zu kaufen. Sina steht hinter der Bar. Er ist seit 27 Jahren im Seemanns-Unterstützungsbusiness unterwegs und aus Malaysia nach Deutschland eingewandert. Jetzt dreht er die Stereoanlage auf: „Hört gut zu, ich singe jetzt einen philippinischen Schlager.“ Es ist elf Uhr morgens.  



 


Mit viel zu vielen schlechten Seemannsklischees sind wir am Vorabend angekommen. Bärtige Matrosen mit weißem Haar, rauer Stimme und kräftigem Körperbau inklusive Anker-Tattoos schunkeln sich durch unsere Gehirne, als wir die Treppen an der Großen Elbstraße hochsteigen, direkt am Wasser. Die AIDA tutet, während wir einchecken, die Touristen stehen an Deck und senden Winkgrüße aus ihrem Kreuzfahrtleben. Wir aber wollen die Menschen kennenlernen, die nicht zum Spaß an Bord gehen, sondern zum Arbeiten.

Clas hat uns vorgeschlagen, dass wir eine Nacht unter Seemännern schlafen. Hier geht das. Am Elbufer verbringen Besatzungsmitglieder die Nacht, bevor ihre Schiffe wieder rausfahren aufs Meer und die nächste Station anpeilen. Touristen dürfen auch hier übernachten, aber nicht zu viele, und sie zahlen mehr. Die Mission wurde schließlich gegründet, um Seeleuten eine günstige Übernachtung zu ermöglichen.  



 

Einer der Seeleute, die das heute nutzen, ist Alamgir aus Indien. Seit 35 Jahren arbeitet er auf Containerschiffen im Maschinenraum. Moskau, Manila, Tuvalu, New York, Hamburg. Wir treffen ihn in der Lobby, wo er herumsitzt und seine Familie vermisst. Vier Kinder, die er im Jahr drei Monate lang sehen kann. In den anderen neun Monaten arbeitet er sich unter Deck durch die Welt. „Das Leben auf dem Schiff ist hart“, sagt er. Mittlerweile ist er 60 und hustet. Schmerzen im Brustbereich. Noch etwa vier Jahre, dann darf er in Rente. Wenn es vorbei ist, ist er froh: „Happy happy.“  

Gegen zehn, halb elf erkunden wir den Keller. Mal schauen, was da geht, wo Billardtisch und Kicker stehen. Nichts. Nur Bente (FSJ-lerin) und Roman (studentische Aushilfe) verbringen hier ihre Nachtschicht. Nee, die Seemänner, die schlafen doch schon, erklären sie uns. Mit denen könnt ihr morgen früh reden. Und wie sind die so? „Jedenfalls nicht so, wie sie von europäischen Touristen wahrgenommen werden“, sagt Bente. Wir Landratten hätten ja keine Ahnung. An Bord herrsche eine Mehrklassengesellschaft. Unten schuften Philippinos, Inder, Südamerikaner oder Ukrainer, das Steuer haben reiche Europäer in der Hand. Wir sollen morgen Sina treffen, der kennt das Seemannsleben und weiß auch, was sich in den vergangenen Jahren verändert hat.  

Wir gehen schlafen, in unserem Mini-Zimmer mit Blick auf die Docks, auf denen tagsüber Kräne Container durch die Luft schieben. Einmal kurz wachen wir auf, als englischsprachige Touristen auf dem Flur mit dem Fön rumspielen. Die Seemannsnacht ist verdammt kurz, Frühstück gibt’s schon um sieben Uhr. Gähnend sitzen wir im Speisesaal. Am Fenster laufen Pflanzen und Obstkörbe vorbei, die vom Fischmarkt kommen.   Nach dem Essen schauen wir wieder in die Kellerbar. Stimmt, jetzt ist es voll. Und der Mann da hinter der Holztheke muss Sina sein. Er trägt einen Anzug und spricht acht Sprachen. Und er kennt die Jungs, die auf eine Runde WLAN in der Mission vorbeischauen. „Hey“, Sina winkt einen der Smartphone-Seemänner zu sich. Ankit, 24. Wie Alamgir vom Vortag kommt auch Ankit aus Indien. „Erzähl den beiden mal von deinem Leben auf dem Schiff!“ Ankit arbeitet auf der AIDA und ist dafür zuständig, dass in seinem Bereich des Bord-Restaurants 120 Kreuzfahrtgäste gleichzeitig ihr Essen serviert bekommen. Er macht das für ein paar Jahre, weil er damit gut Geld verdient. Aber auf dem Schiff arbeiten und eine Familie haben - das funktioniert nicht, glaubt er: „Sobald ich eine Frau habe, höre ich auf.“ 

Klar, das Internet macht die Kommunikation leichter. An Bord zahlen die Seeleute viel mehr Geld dafür als hier. Das ist auch der Grund, warum tagsüber so viele hier abhängen und es gestern Abend so leer war. „Mittlerweile verlassen viele Seemänner ihr Schiff nur noch für ein paar Stunden und übernachten gar nicht mehr hier“, erklärt uns Sina. Alles an Bord laufe schneller. Viele Schiffe bleiben nicht mehr tagelang im Hafen liegen. Auch Ankit bleibt nur für drei Stunden in der Seemannsmission, dann muss er den Fünf-Uhr-Tee für die Gäste vorbereiten. Ein nettes Gespräch mit Sina, eine Runde Skypen und schon muss er zurück. Keine wilde Kneipennacht auf St. Pauli oder nächtelanges Geschunkel in der Bar. Den anderen im Klub geht’s ähnlich. Die meisten Seemänner hier arbeiten mittlerweile auf Kreuzfahrtschiffen, das Business wächst. Tanker und Containerschiffe brauchen immer weniger Mannes- und dafür mehr Maschinenstärke. Und das, was früher die Nacht war für die Seefahrer, das sind heute die freien Mittagsstunden.  

Aber es haben sich auch Dinge verbessert, die Gewerkschaft der Seeleute hat eine neue Grundrechte-Charta durchgesetzt, die seit vergangenem Jahr gilt: Die Löhne wurden international angeglichen, die tägliche Arbeitszeit ist gesunken. „Früher haben wir 17 Stunden gearbeitet, heute sind es 11“, erzählt uns ein Seemann. Er sei glücklicher als früher.  



 

Als Sina die ersten Zeilen des Schlagers vom philippinischen Sänger Fredie Aguilar singt, fangen die Philippinos an zu lachen, zu klatschen und drehen ihre Skype-Frauen auf den Tablets herum, so dass die den singenden Sina auch sehen können. Wenn Sina singt, fühlt sich das nach Familie an.



Wo und was sollen die Crowdspondent-Reporterinnen in den nächsten Wochen recherchieren? An welchen ungewöhnlichen Orten könnten und sollten sie dabei übernachten? Schickt sie schlafen! Hier in den Kommentaren oder per jetzt-Botschaft, oder per
Facebook, Twitter oder crowdspondent.de.

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Welche Schrulligkeiten wirst du im Alter entwickeln?

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Fangen wir mit der „Opa-Bande“ an. Etwa zehn Jahre ist es her, dass drei, nun, nennen wir sie Gang-Mitglieder, alle zwischen 65 und 74 Jahre alt, 14 Banken überfallen haben. Vielleicht waren es auch mehr Banken. Zugegeben haben sie jedenfalls 14.  Beute: etwa eine Million Euro. Beachtlich, aus der Historie der einzelnen Akteure heraus betrachtet aber durchaus stimmig. Alle waren nämlich massiv vorbestraft und hatten schon Jahrzehnte in Haft gesessen. Und das trägt uns nun weiter zur Theorie:  
Die besagt nämlich, dass sich im Alter die seit jeher vorhandenen Wesensüge verstärken. Und da wird es nun interessant. Soeben ist nämlich eine Studie des „Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg“ erschienen. Thema: alte Menschen und Kriminalität. Fazit: „Zur Dramatisierung der Alterskriminalität besteht angesichts der offiziellen Statistiken kein Anlass.“ Aber: Die Damen und Herren aus der silbernen Generation hinterziehen ganz ordentlich Steuern. Und noch lieber fahren sie besoffen Auto.  




Und bei dir so?

Achtung: Das sind freilich alles keinerlei Kavaliersdelikte! Allerdings werten die Wissenschaftler selbst die Taten der Senioren (Gewaltanwendung ist bei ihnen immerhin sehr selten) eher als „Abweichung der Angepassten“. Als Normverstöße der sozial integrierten und ökonomisch gesicherten sozialen Mittelschicht. Was nun wieder zu den sich verstärkenden Wesenszügen führt. Und wahrscheinlich noch etwas mehr zur Altersrenitenz.  

Wenn ich jetzt bei mir überlege, könnte die noch in so ziemlich allem münden: stetes Grantln vom Fensterbrett aus. Altherrenwitze verbunden mit halb charmanter, halb säftelnder Altersgeilheit. Vielleicht aber auch Altersweisheit, die mit großer innerer Ruhe einhergeht. Und bei dir? Was meinst du: Welche Schrulligkeit könntest du im Alter entwickeln? Ausgehend von dem, was dich heute ausmacht: Wird das alles gesittet ablaufen? Oder siehst du Anlagen zu Banküberfällen, Steuerhinterziehung und Drunk-Driving?
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Panzer-Abwehr

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Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat eine Europäisierung der Rüstungsindustrie gefordert. Es sei widersinnig, dass es in der Europäischen Union für identische Waffensysteme „unterschiedlichste Produzenten“ gebe, sagte Gabriel nach einem Treffen mit etwa 20 Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern aus der Rüstungsindustrie. Eine engere Abstimmung sei dringend erforderlich, weil 28 Partnerstaaten mit 28 eigenen Armeen und ihrer jeweiligen Ausstattung „nicht die klügste Art ist, das Geld auszugeben, das man hat“.



Waffen - wie von Heckler und Koch - sollen nur begrenzt aus der EU und Nato exportiert werden

Gabriel nannte es zudem eine Aufgabe der Bundesregierung, zur Konsolidierung der Rüstungsindustrie Klarheit über den künftigen Bedarf der Bundeswehr zu schaffen. Zu diesem Zweck kündigte er Gespräche mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) an.
Der Minister trat dem Eindruck entgegen, dass eine restriktivere Genehmigungspolitik den Bestand der Industrie und damit Arbeitsplätze gefährde.

„Die Gesamtperspektive der Rüstungsindustrie hängt nicht, wie viele glauben, alleine vom Export ab – schon gar nicht vom Export auf die arabische Halbinsel“, sagte Gabriel mit Blick auf besonders umstrittene Waffenexporte nach Saudi-Arabien oder Katar. Die aktuelle Krise im Irak zeige zudem, dass dort „von Ost und West die Büchse der Pandora“ durch frühere Waffenlieferungen gefüllt worden sei. „Diese Büchse ist randvoll mit Waffen“, sagte Gabriel.

Der Minister und SPD-Vorsitzende verwies mit Blick auf Kritik vor allem aus der Union an seiner restriktiveren Genehmigungspolitik auf den Koalitionsvertrag. CDU, CSU und SPD hätten sich verständigt, die Rüstungsexportrichtlinien einzuhalten, die im Jahr 2000 von der damaligen rot-grünen Koalition beschlossen worden waren. Darin heißt es, dass der Export von Waffen in Drittstaaten außerhalb von Nato und EU verboten ist, es sei denn, ein sicherheitspolitisches Interesse Deutschlands spricht für eine Genehmigung. Beschäftigungspolitische Gründe dürfen den Richtlinien zufolge „keine ausschlaggebende Rolle spielen“. Die Exportrichtlinien seien mithin „absolut klar“. Allerdings sei in den vergangenen Jahren aus der Ausnahmefallregelung eher eine Regel geworden, monierte Gabriel mit Blick auf die Genehmigungspolitik der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Jede Form einer Neuverhandlung der Richtlinien lehnte er ab.

Die Vertreter der Arbeitnehmer in den Rüstungsbetrieben äußerten sich dennoch zufrieden über das Gespräch im Wirtschaftsministerium. Er habe „ganz stark den Eindruck gewonnen“, dass der Minister wisse, was auf dem Spiel stehe, sagte Jürgen Bühl aus dem Vorstand der Gewerkschaft IG Metall. Schon seit Längerem fordere man einen industriepolitischen Dialog aller Beteiligten zur Stabilisierung der Rüstungsindustrie. Er glaube, „dass dies nun bei Herrn Gabriel auf fruchtbaren Boden fällt“. Bühl betonte, dass auch die Arbeitnehmervertreter die Einhaltung der Exportrichtlinien befürworteten.

Ernst August Kiel, Betriebsrat der Thyssen Marine Systems, sprach von einiger Übereinstimmung mit dem Wirtschaftsminister. Es gebe aber auch weitere Punkte, an denen die Arbeitnehmervertreter unterschiedliche Auffassungen verträten. Details nannte er nicht. Es sei aber grundsätzlich „wichtig, dass uns Dialogbereitschaft signalisiert worden ist“. Gabriel hat inzwischen auch zwei Dutzend Chefs von Rüstungsunternehmen sowie Verbandsvertreter für den 5. September zu einem Meinungsaustausch ins Ministerium eingeladen. Am Dienstag plädierte er für eine Debatte über die wehrtechnische Industrie, „die mehr ist als eine Rüstungsexportdebatte“.

Man müsse klären, welche Rüstungsindustrie man haben wolle, um über eigene Fähigkeiten zu verfügen, und welche Rolle die Bundeswehr dabei spiele. Spätestens Ende dieses Jahrzehnts liefen alle laufenden Rüstungsprojekte aus, sagte Gabriel. Deshalb gehe es um die Frage, welche Anschlussvorhaben geplant würden. Die Betriebsräte wie auch der Minister sprachen sich zudem dafür aus, den Technologietransfer aus dem wehrtechnischen in den zivilen Bereich zu fördern.
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Kampf um den intimsten Ort

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Wer verstehen will, was digitale Medien von analogen unterscheidet, sollte mal zwei baugleiche Mobiltelefone von Bekannten vertauschen. Selbst bei identischen technischen Daten und Programmen werden die Besitzer mit dem fremden Telefon nicht glücklich. Schuld daran ist – neben eigenen Kontaktdaten und SMS – das Prinzip der Timeline. Der personalisierte Strom von Nachrichten in Twitter, Facebook und ähnlichen Diensten symbolisiert beispielhaft das Grundmuster der nutzerabhängigen Nachrichtenauswahl als Alleinstellung der digitalen Mediennutzung.



Wie intim sind die Posts? Twitter schraubt an den Einstellungen

Wer ein Konto bei Facebook eröffnet oder ein Profil bei Twitter anlegt, wird sehr nachhaltig dazu aufgefordert, sich zu vernetzen: Das Anfreunden oder Folgen ist Basis der Netzwerke und Voraussetzung, um die Timeline, den chronologischen Nachrichtenstrom, gemäß den eigenen Interessen zu bestücken. Twitter steht derzeit in der Kritik, weil der Kurznachrichtendienst genau an diesem Prinzip des personalisierten Blicks auf die Welt herumbastelt.

Entsprechend ihrer Bedeutsamkeit für das digitale Leben wird hart um die optimale Gestaltung der Timeline gekämpft. Die Hoheit über sie verspricht die Hoheit über das wertvollste Gut im Netz: Aufmerksamkeit. Reichweite, Kontakte und Klicks werden über die Timeline hergestellt. Und je präziser die Aufmerksamkeitsfenster auf Basis der Interessen der Nutzer geöffnet werden können, umso wertvoller ist die Timeline als Geschäftsmodell: Für den Nutzer, der zu sehen bekommt, was ihn interessiert und für Werbekunden, die so sehr genau abmessen können, wem sie ihre Reklame schicken wollen und wem nicht.
Um die Timeline zu optimieren, brauchen die Anbieter vor allem Metadaten.

Je mehr, umso besser. Es reicht ihnen nicht, zu wissen, wer mit wem vernetzt ist und interagiert – sie werten auch aus, welche Inhalte geteilt werden. Dabei interessiert sie nicht, wie ein Text geschrieben oder ein Video geschnitten ist, sondern welche Reaktionen sie hervorrufen. Um das auswerten zu können, hat Twitter nun in einem Experiment damit begonnen, eine bislang eher ungenutzte Kategorie auszuwerten: den Favoriten. Twitters Entsprechung zum „Gefällt mir“-Button bei Facebook wird von den Nutzern derzeit aber sehr viel differenzierter eingesetzt: als Sicherung für besondere Tweets oder als Ausdruck der Zustimmung.

Zahlreiche US-Medien wie Readwrite, Mashable und The Atlantic berichten von einem Test, bei dem Twitter die Favoriten nun für eigene Zwecke einsetzt: Nutzern werden auch Beiträge angezeigt, die andere Nutzer mit einem Favoriten versahen. Das führt dazu, dass im intimsten aller Orte im Netz plötzlich Inhalte zu sehen sind, die man selber dort gar nicht bestellt hat. Das kann Belebung für neue Nutzer mit sich bringen, Stammnutzer empfinden das aber eher als störend, ja als Bedrohung für das Grundprinzip von Twitter.
Denn bei aller optischen Angleichung von Twitter, Facebook und Google Plus unterscheiden sich die Dienste bisher in der Ausgestaltung der Timeline:

Bei Twitter wird tatsächlich ungefiltert angezeigt, was von Nutzern veröffentlicht wird, denen man folgt – in Echtzeit. Facebook gewichtet dies in der Standardeinstellung „Hauptmeldung“ mit dem Ziel, Nutzer schneller zu den für sie vermeintlich relevanten Inhalten zu bringen – auch unabhängig vom aktuellen Geschehen. Das bringt Facebook zwar viel Kritik ein, aber auch mehr Möglichkeiten in der Gestaltung der Timeline – und damit Optionen für Geschäftsmodelle. Um abzusehen, dass Twitter sich auch in diese Richtung bewegt, braucht man nicht auf die ausstehende Stellungnahme zu warten, man muss nur die Gestaltung der Dienste vergleichen.

Aber vielleicht ist das gar nicht so bedrohlich, wie jetzt vielerorts behauptet wird, vielleicht bringt es in der Tat eine Verbesserung des Grundprinzips der personalisierten Timeline. Mehr Daten könnten auch mehr Nutzen für den Anwender mit sich bringen. Doch um das bewerten zu können, müssen die Personalisierungsspezialisten besser als bisher zeigen, was sie leisten: Sie müssen den Nutzer in die Lage versetzen, einen ungefilterten Blick auf seine Timeline zu werfen. In Anlehnung an den Publizisten Michael Seemann könnte man mehr Filtersouveränität fordern. Facebook deutet das mit der Funktion „Neueste Meldungen“ bisher nur sehr schlecht an. Besser wäre es, dem Nutzer weitere Gestaltungsmöglichkeiten zu geben, um seine Timeline anzuschauen, etwa mit Wertung von Kommentaren und Retweets oder ohne Favoriten und Likes.

Damit würde man die Personalisierung nicht nur auf die Inhalte, sondern auch auf das Prinzip der Timeline anwenden – und die Nutzer könnten sich selber zusammenstellen, was viele jetzt gefährdet sehen: Twitter, wie es sein sollte.
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Das Ende eines Rächers

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Sein Auto hatte Jürgen Hermann noch abgeschlossen, ein paar seiner Habseligkeiten fand ein Suchhund unweit davon im Gras am Ufer des Rheins: Schlüssel, Jacke, Führerschein, den Reisepass und einen Abschiedsbrief. „Lebt wohl meine Liebsten“, stand darin, „es war eine schöne Zeit mit Euch.“ Sein Geständnis hatte er in englischer Sprache in den Pass gekritzelt: „Ich habe ihn erschossen, so wie er es verdient hat. So ist das Leben.“ Jürgen Hermann selbst allerdings blieb verschwunden nach seinen tödlichen Schüssen auf den Liechtensteiner Bankier Jürgen Frick. Seither ging im Fürstentum die Angst vor seiner Rache um: Hatte Hermann seinen Selbstmord nur vorgetäuscht?



Leiche gefunden, Angst gestillt - hier ein Symbolbild

Gut vier Monate später hat man die Leiche des 59-Jährigen gefunden. Sie wurde vom Rhein in den Bodensee geschwemmt. Ein Fischer entdeckte den leblosen Körper am vorigen Donnerstag auf dem deutschen Teil des Binnensees. Die Leiche trug Kleidung, eine Halskette und einen Ring, die Hermann gehörten. Eine Obduktion und ein Zahnabgleich erbrachten die Gewissheit: Der Tote ist Jürgen Hermann, ehemaliger Fondsmanager und nach Überzeugung der Liechtensteiner Justiz Mörder des 48-jährigen Jürgen Frick.

Bilder einer Überwachungskamera zeigen Hermann, wie er den verheirateten Vater von drei Kindern und Bruder des ehemaligen Liechtensteiner Regierungschefs Mario Frick in der Tiefgarage der Frick-Bank erschossen hat. Mit drei Schüssen aus einer Pistole, deren Herkunft noch unklar ist. Ermittler prüfen noch, ob es dieselbe Waffe ist, mit der Hermann seinem Leben durch einen Kopfschuss ein Ende gesetzt hat.
„Mit dem Auffinden des toten Täters geht die viermonatige Zeit der relativen Ungewissheit zu Ende“, ließen die Bank und die Familie des Opfers Frick verlauten.

Bislang habe „gewisses Unbehagen“ darüber geherrscht, dass zwar von Anfang an vieles für einen Suizid sprach, aber eben keine Gewissheit herrschte. Die Stellungnahme drückt vorsichtig aus, was ein am Finanzplatz in der Hauptstadt Vaduz tätiger Anwalt noch drastischer formuliert: „Hier hatten sehr viele Leute ungeheuer Angst davor, dass Hermann noch lebt und zurückkommt.“ Viele Liechtensteiner fürchteten die Rache des gegen Ende seines Lebens immer zornigeren Mannes, der sich selbst den „Robin Hood im Kampf gegen die Finanzmafia in Liechtenstein“ nannte und im Ausland, vor allem in Deutschland, Unterstützer für seine „200-Millionen-Franken-Klage“ suchte.

Jürgen Hermann hat nach eigenen Angaben in 18 Jahren in den USA ein Vermögen verdient, unter anderem durch die Erfindung eines Tauchcomputers. Zurück in Liechtenstein, legte er zwei Fonds auf, die 2004 zusammenkrachten und liquidiert wurden. Er selbst verlor nach eigenen Angaben 30 Millionen Euro. Nach Hermanns Wahrnehmung war der Crash des Fonds Folge eines Komplotts von Neidern und Konkurrenten. Hauptsächlich die Bank Frick und die Finanzaufsicht des Fürstentums machte er dafür verantwortlich.

Über Jahre hinweg kämpfte Hermann um Reputation und Geld. Doch je häufiger er vor Gerichten scheiterte, die er abfällig „Monkey Courts“ nannte, desto aggressiver wurde sein Ton. Schließlich steigerte er sich hinein in einen Hass, der in der Tötung von Jürgen Frick am Morgen des 7. April gipfelte. Dass Hermann danach verschwand, beunruhigte die Liechtensteiner, Abschiedsbrief hin oder her. Die Polizei ging angesichts der Fundstücke am Rheinufer zwar von einem Freitod aus, doch sicher war auch sie sich nicht. „Solange der Leichnam nicht gefunden ist, besteht ein Restrisiko“, räumte Polizeichef Jules Hoch damals ein.

Im Fürstentum traute man Hermann allerhand zu. Er war nicht nur gegen Ende seines Lebens sprunghaft und aufbrausend, sondern galt auch als hochintelligent. Viele Menschen in dem 36 000-Einwohner-Land glaubten, dass die Hinweise auf eine Selbsttötung am Rheinufer nur inszeniert waren. Der auch in schwierigen Gewässern erfahrene Taucher habe sich abgesetzt, wurde gemutmaßt. Er wolle irgendwann zurückkehren und das tun, was er in E-Mails drei Tage vor dem Mord und seinem Verschwinden formuliert hatte: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“

Nach der Tat und Hermanns Verschwinden gingen etwa 60 Hinweise auf seinen Verbleib bei der Liechtensteiner Polizei ein. Diese mahnte etwa ein Dutzend Menschen, die als Hauptfeinde Hermanns identifiziert wurden, zu erhöhter Vorsicht. Die Sicherheitsvorkehrungen an öffentlichen Gebäuden wurden verstärkt, die Regierung ließ sich regelmäßig über den Stand der Ermittlungen unterrichten.

„Es gibt hier Menschen, die haben nach seinem Verschwinden ihre Häuser stärker sichern lassen“, sagt der Anwalt aus Vaduz, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Was damit zu tun hat, dass die Angst vor Hermanns Rückkehr und einem etwaigen Rachefeldzug nichts war, worüber man öffentlich gerne redete.
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Endlich am Zug

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Wann er das erste Mal in einem Zug der Deutschen Bahn saß, weiß Teodor Kostovski, 18, nicht mehr ganz genau. „Das ist vielleicht drei oder auch vier Jahre her“, sagt der junge Mann aus Mazedonien in etwas holprigem Deutsch. Er war damals zu Besuch bei seinem Onkel, der in der Nähe von München wohnt. Ob es ein ICE oder ein IC war, weiß Kostovski auch nicht mehr. Woran er sich dagegen noch genau erinnert, ist das Gefühl, das er dabei hatte: „Es war ein toller Zug“, schwärmt er. „Komfortabel“, und, ja, auch „pünktlich“ sei er gewesen. „Bei uns in Mazedonien dagegen ist es normal, dass man eine Stunde auf die Bahn wartet“, erzählt er. Was ihn am meisten beeindruckt hat, war jedoch die Geschwindigkeit. „Der Zug war so schnell, das kannte ich bis dahin einfach nicht.“



Damit wird Teodor Kostovski vielleicht nun häufiger unterwegs sein - ein ICE der Deutschen Bahn.

Auch wenn es sich für deutsche Ohren ungewohnt anhören mag: Kostovski scheint damals so etwas wie ein Fan der Deutschen Bahn geworden zu sein. Mit Spätfolgen. In wenigen Tagen, am 1. September, beginnt er seine Ausbildung bei dem Staatskonzern: als Elektroniker für Betriebstechnik – ein Lehrberuf, auf den er sich sehr freut. „Ich wollte schon immer etwas mit Mathematik und Physik machen“, sagt der junge Mann, der im Frühjahr in Mazedonien Abitur gemacht hat.

Damit ist Kostovski einer von insgesamt 3700 Schulabgängern, die in diesem Jahr eine Ausbildung oder ein duales Studium bei der Deutschen Bahn beginnen. Allerdings dürfte kaum ein anderer derartige Strapazen auf sich genommen haben, um den Ausbildungsplatz zu ergattern. Für das eineinhalbstündige Vorstellungsgespräch, das im März in München stattfand, war Kostovski eigens aus Mazedonien angereist. „Die Busfahrt dauerte etwa 30 Stunden, vielleicht waren es auch nur 28“, erzählt er. Und auf dem Rückweg kamen noch mal so viele Stunden dazu. „Es war für mich überhaupt keine Frage, dass ich das auf mich nehmen würde“, sagt Kostovski. „Ich wollte diesen Ausbildungsplatz unbedingt.“ Und die Bahn wollte Kostovski. Sie braucht ihn auch.

Denn der demografische Wandel macht auch vor dem Staatskonzern mit seinen gut 300000 Angestellten nicht halt. Das Durchschnittsalter der Mitarbeiter liegt bei 46 Jahren. Jährlich verabschieden sich mehrere Tausend in den Ruhestand. Sie alle wollen ersetzt werden, und zudem ist die Bahn seit einigen Jahren bemüht, ihren Personalbestand weiter aufzustocken. So hat sie in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 40000 Mitarbeiter sowie 18000 Auszubildende und Studierende neu eingestellt. Weil gute Leute jedoch rar sind, muss die Bahn sich anstrengen, um für sich zu werben.

Ziel ist, bis 2020 zu einem der zehn beliebtesten deutschen Arbeitgeber zu werden. Derzeit schafft das Unternehmen das nur bei den Rankings für angehende Ingenieure. Doch auch bei Schülern wird die Bahn als Ausbildungsbetrieb immer beliebter. Was womöglich auch daran liegt, dass sie allein 50 verschiedene Ausbildungsberufe anbietet. Sie reichen vom Lokführer über den Industriekaufmann bis zum Gebäudereiniger.

Kostovski will zunächst bei seinem Onkel wohnen. Später hofft er auf einen Wohnheimplatz in München. Worauf er sich am meisten freut: „viele neue Menschen kennenzulernen, Freundschaften zu schließen und besser Deutsch zu lernen“. Letzteres ist ihm schon deshalb wichtig, weil er davon träumt, nach der Lehre Mathematik oder Physik zu studieren

Auf die Frage, ob ihm denn bewusst sei, dass sein künftiger Arbeitgeber in Deutschland oft kritisiert und sogar beschimpft wird, reagiert Kostovski verblüfft. „Das wusste ich nicht“, sagt er nach kurzem Zögern. Dann lacht er. „Es ist mir aber auch egal. Ich habe mir mein eigenes Bild gemacht.“
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Abschied vom Chlorhühnchen

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Wo nur wenige Fakten zu finden sind, wird in der politischen Debatte gern mit Gefühlen argumentiert. Das ist menschlich. Und so hat es in der Debatte um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP bisher stark gemenschelt. Nun aber liegt ein Text vor, der endlich Sachlichkeit in die Debatte bringen könnte: Der Vertragsentwurf des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada ist so etwas wie die Blaupause für TTIP, für das geplante Abkommen zwischen der EU und den USA; er drang aus den bisher streng geheimen Verhandlungen nach draußen.



Aufeinander angewiesen? Ein Symbolbild für das Handelsabkommen TTIP

Der Text räumt mit einigen Mythen auf, die in der aufgeregten TTIP-Debatte in den vergangenen Monaten für große Irritation gesorgt haben. Um nur einige zu nennen: Das Chlorhühnchen, das zum Symbol der Proteste geworden ist, kann getrost von den Plakaten verschwinden – denn Geflügel ist vom Vertrag ausgenommen. Die Kulturschaffenden, die um ihre europäischen Subventionen fürchteten, können aufatmen – der Kulturbereich ist ebenfalls zur Gänze ausgenommen. Auch gefälschter Parmesan wird nicht in europäischen Einkaufswagen landen, eine Vielzahl von regionalen Produkten und deren Namen sind geschützt.

Am umstrittensten im Vertrag zwischen der EU und Kanada ist – ähnlich wie bei TTIP – das Kapitel zu den Schiedsgerichten für Unternehmen. Es geht dabei darum, dass es ausländischen Investoren ermöglicht wird, bei privaten Schiedsgerichten Klagen gegen Staaten einzureichen, wenn sie sich diskriminiert fühlen. Auch hier zeigt der vorliegende Vertragstext, dass so manche Angst völlig überzogen war: Die Schiedsverfahren sind keineswegs „Geheimgerichte“, dem Text zufolge werden sie künftig sogar in mancher Hinsicht transparenter sein als jeder Wirtschaftsprozess in Deutschland. Denn nach den CETA-Regeln müssen beide Parteien alle eingereichten Dokumente veröffentlichen – in Deutschland bleiben diese stets unter Verschluss, lediglich die mündliche Verhandlung ist öffentlich.

Und dennoch sind die Investorenklauseln bei CETA in vielen Punkten kritikwürdig. Etwa beim Umweltschutz: Die Bedenken der Kritiker, dass Staaten verklagt werden können, wenn sie nachträglich ihre Umweltstandards erhöhen, wurden nicht ausgeräumt. Denn schon bisher haben Unternehmen mit Berufung auf bilaterale Investorenschutzklauseln Schadensersatz von Staaten verlangt, wenn sie aufgrund höherer Umweltstandards weniger Gewinn gemacht haben – allerdings sich nicht immer durchgesetzt.

Verpasst wurde auch die Chance, ein Schiedsgericht mit festem Sitz einzurichten, das überprüfbar und sichtbar nach außen auftritt. Stattdessen werden die Schiedsgerichte, die CETA ermöglicht, spontan zusammengerufen, was den Anwälten zwar hohe Honorare verspricht, aber der öffentlichen Vertrauensbildung nicht gerade förderlich ist.

Fragen muss man sich auch: Warum brauchen zwei Wirtschaftsräume, die funktionierende Rechtssysteme haben, überhaupt Investorenschutzklauseln? Unbestritten ist, dass die Regeln ihre Berechtigung dort haben, wo Rechtssysteme versagen. Unbestritten ist zudem, dass die Stärke der deutschen Wirtschaft auch auf jene vielen Verträge zurückzuführen ist, die die Regierung in der Vergangenheit abgeschlossen hat. Doch sowohl Kanada als auch die Länder der europäischen Union haben funktionierende Gerichte.

Die Argumentation der Befürworter: Schiedsgerichte könnten schneller handeln und seien unparteiischer. Genau dieses Argument weist auf eine bedeutende Schieflage im Abkommen hin: Wenn sich Investoren diskriminiert fühlen, können sie Klage vor Schiedsgerichten einreichen. Doch was, wenn sich die Bürger von einem ausländischen Investor schlecht behandelt fühlen? Sie können nicht klagen. Genauso wenig kann ein Staat klagen. Die Investorenklauseln gelten nur in eine Richtung. Selbst die Möglichkeit in Berufung zu gehen, ist unter ein Fragezeichen gestellt: Der Text sagt dazu nur, es solle eine „Kommission“ gebildet werden, die darüber beraten soll.

In einem fairen Freihandelsabkommen müssen Investoren, Staaten und Bürger gleiche Rechte bekommen. Es muss die Möglichkeit zur Überprüfung der Entscheidungen geben, es muss dezidiert erlaubt sein, Umweltstandards auch nachträglich zu verbessern. Und letztlich wäre es hilfreich, die Schiedsgerichte auch physisch aus der Welt des Unsichtbaren in eine echte Institution mit festen Ansprechpartnern zu verwandeln. Wenn die EU und Kanada ein Freihandelsabkommen vorlegen wollen, das die Wirtschaft nicht über die Bürger stellt, müssen sie es an entscheidenden Stellen verändern.
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Tagesblog - 20. August 2014

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10:29 Uhr: Ach verflucht, Foto vergessen! Aber Ratespielt geht.

Wer hat Folgendes gesagt:

1. "Sie müssen es als große Parabel verstehen!"

2. "Uber hat einen ehemaligen Obama-Berater engagiert. Ich weiß aber nicht, ob als Fahrer..." (Der Mensch, der das sagte, wurde daraufhin ein bisschen ausgelacht).

3. "Jetzt hast du ja erstmal einen Heartbreaker."

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09:27 Uhr:
Der jetzt.de-Nachrichtenticker:

- Auf süddeutsche.de erinnern die Kollegen daran, dass in Syrien noch immer Krieg herrscht - auch, wenn man ihn hier vor lauter IS-Meldungen beinahe vergisst. "Der vergessene Krieg" fasst die aktuelle Lage und die Entwicklungen zusammen.

- Der 2012 in Syrien verschwundene US-Journalist James Foley soll getötet worden sein - die IS-Milizen veröffentlichten ein Video, auf dem man angeblich seine Enthauptung sieht.

- In der Nähe von Ferguson wurde erneut ein Afroamerikaner von der Polizei erschossen. Diesmal soll er bewaffnet gewesen sein.

- Und nach all den Hiobsbotschaften, hier noch die leichteste Nachricht des Tages, die Jakob und Kathrin gerade trotzdem sehr schockiert hat: Die Welt sieht einer Nutella-Dürre entgegen. Die Haselnussernte fiel nämlich sehr schlecht aus.

++++

09:08 Uhr:
Guten Morgen, ihr Supatopcheckerbunnys! (Erinnert sich noch jemand an das Supatopcheckerbunny (und sein Hilfscheckerbunny)?) Muss mich kurz aufwärmen und aufwecken, dann geht es los im Tagesblog.

Ich verweise aber schon mal auf den Ticker mit der schönen Frage: Welche Schrulligkeit wirst du im Alter entwickeln? Ich ja vermutlich irgendwas mit Pralinen. Oder Katzen. Oder jede Woche Friseurbesuch.

Bis gleich!
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Was mir das Herz bricht: Hoffnungslose Geschäftsmodelle

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Ich habe in meinem Leben viele Currywürste gegessen, ohne je wieder darüber nachzudenken. In besonderer Erinnerung geblieben ist mir eine, die ich nicht aß. Diese Wurst verfolgt mich bis heute.

Vor ein paar Jahren lief ich an einem kühlen Herbsttag eine abseits gelegene Straße meines Viertels entlang. Schon von weitem fielen mir die weißen und roten Punkte auf, die vor der grauen Häuserreihe schwebten. Als ich näher kam, erkannte ich, dass es Luftballons waren. Sie schmückten die Fassade einer winzigen Imbissstube. „Neu Eröffnung. Angebot: Currywurst 1 Euro“, versprach die Filzstiftschrift auf einer Papptafel. Ich fragte mich, wer ausgerechnet in dieser gottverlassenen Ecke auf die Idee gekommen war, Würste zu verkaufen.



Knack!

Die Antwort fand ich beim Blick ins Innere. Dort stand der stolze Grillbesitzer, feierlich herausgeputzt: Er trug das strahlend weiße Outfit eines Chefkochs inklusive einer riesigen pilzförmigen Mütze. Er selbst war der einzige Gast der feierlichen Eröffnung. Weit und breit war kein hungriger Mensch in Sicht. Der Koch lächelte mir erwartungsvoll zu. Doch ich ging einfach weiter – und das tut mir noch heute leid. Denn als ich ein paar Wochen später wieder an dem kleinen Grill vorbeikam, waren die Luftballons und der Koch mit der Mütze verschwunden. In der Tür hing das Schlusswort vieler großer Pläne: „zu vermieten“.

Hoffnungslose Geschäftsmodelle brechen mir das Herz. Es sind Unternehmungen, denen auch Nicht-BWLer auf den ersten Blick ansehen, dass sie niemals eine schwarze Zahl schreiben werden; lang gehegte Träume, die sich besser nie erfüllt hätten. So wie das Fachgeschäft für Öko-Korkfußböden in der Nähe meines Elternhauses. Ein Typ mit Pferdeschwanz und Nickelbrille hatte geglaubt, den Laden ausgerechnet in dem biedersten Vorort meiner gänzlich unalternativen Heimatstadt eröffnen zu müssen. Auf dem Weg zur Schule sah ich ihn Tag für Tag am Schreibtisch zwischen seinen Korkmustern sitzen und auf Kunden warten. Ein halbes Jahr hielt er durch. Dann zog ein Automaten-Casino in die Räume.

Was treibt Menschen dazu, könnte man fragen, sich in so offenkundiges Unglück zu stürzen? Wer kann es bei klarem Verstand für gewinnträchtig halten, in der dunkelsten Ecke einer darbenden Einkaufspassage „Ritas kleine Glaswelt“ zu eröffnen? Gibt es keine Bankberater und gute Freunde, die einwenden, dass Berlin-Marzahn kein weiteres Nagelstudio braucht?

Vielleicht nützen die Warnungen nichts, wenn das zynischste aller Versprechen des Kapitalismus lockt: Dass man alles schaffen kann, solang man sich nur genügend anstrengt. Dass es auch ohne die Cleverness geht, ohne das Glück und die Abgebrühtheit. Dass man es nur wagen muss.

Das Bild des hoffnungslosen Curry-Kochs vergesse ich nicht. Auch wenn es nichts an seinem Schicksal geändert hätte, fühle mich schuldig, dass ich nicht wenigstens eine verdammte 1-Euro-Wurst probiert habe. Beim nächsten aussichtslosen Geschäftsmodell wird es anders sein. Ich werde nicht einfach vorbeigehen, sondern einen Quadratmeter Korkfußboden oder eine Glasskulptur kaufen und damit sagen: Cool, dass du träumst.
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Feuchte Täler und befriedigte Lesben

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99 Fantasien
Blöd: Wenn in einer Beziehung der eine Analsex mit Fesseln und Peitschen will, sich aber nicht sicher ist, ob sich das mit den Vorstellungen des Partners vereinbaren lässt. Noch blöder: sich deshalb eine App runterladen, anstatt drüber zu reden. Auf dem Markt ist so eine App jetzt trotzdem: Undercovers hat "99 liebevoll formulierte Fantasien" gespeichert. Wenn beide Partner in der App getrennt voneinander angeben, dass sie auf eine dieser Fantasien Lust haben, wird sie beiden angezeigt.




Frauen machen's Frauen besser
Eine Topsexliste ohne eine neue Sex-Studie ist keine Topsexliste. Also: Eine neue Studie im Journal of Sexual Medicine fragte je mehr als 1000 Männer und Frauen nach ihrer sexuellen Orientierung und der Häufigkeit ihrer Orgasmen. Zwischen schwulen und heterosexuellen Männern gab es keine signifikanten Unterschiede (Hetero-Orgasmusquote: 85,5 Prozent, schwule Orgasmusquote 84,7 Prozent). Bei Frauen sah das anders aus: Heterosexuelle Frauen hatten in 61,6 Prozent aller Sexunternehmungen einen Orgasmus, bei lesbischen Frauen dagegen deutlich mehr: 74,7 Prozent.

Charlie über Sex
Hier ein kurzer Einblick in die Redaktionsarbeit: Dieser Text ist in einem Google Doc entstanden, damit beide Autoren gleichzeitig daran arbeiten können. Der eine Autor hat den nun folgenden Punkt mit dem Stichwort "Schnuckelbrite" benannt - was die andere Autorin, die nun darüber schreibt, entzückte. Der "Schnuckelbrite" ist Charlie McDonnell, selbsternannter "professional interner human", und hat einen sehr erfolgreichen YouTube-Kanal. In diesem Video erzählt er uns etwas über Sex und Einverständnis und auch, wenn das alles nicht neu ist: Ist ja gut, wenn's immer wieder gesagt wird. Noch besser, wenn es von Schnuckelbriten hingeschnuckelt wird. Schnuck!
https://www.youtube.com/watch?v=3GVfesRwvsQ#t=19

...und der Rest war Stille.
[plugin imagelink link="http://i.kinja-img.com/gawker-media/image/upload/s--Y1B9jqO6--/c_fit,fl_progressive,q_80,w_636/tyrnkbn6hvsyiz4v3mzw.gif" imagesrc="http://i.kinja-img.com/gawker-media/image/upload/s--Y1B9jqO6--/c_fit,fl_progressive,q_80,w_636/tyrnkbn6hvsyiz4v3mzw.gif"]via Jezebel
Es wird gern drüber gestritten, ob das Flirten durch die vielen Kommunikationsmöglichkeiten, die wir haben, einfacher oder schwieriger geworden ist. Einfacher, weil man sich ja immer beieinander melden kann. Schwieriger, weil das auch Druck erzeugt. Auf beiden Seiten. Man bedenke die langen Abende, an denen man das Handy aus- und wieder eingeschaltet hat und... immer noch keine SMS da war! Eine amerikanische Autorin hat jetzt über den "Text That Murdered Your Romance" geschrieben. Und sie hat die Nachrichten aus eigentlich flirty Chats gesammelt, auf die einfach keine Antwort mehr kam. Und dann sitzt man da, zerbricht sich den Kopf (und das Herz) schaltet das Handy aus und wieder an und...

Google und die Geschlechtergerechtigkeit
Noch ein kurzes Jobangebot: Es wird ein Nachhilfelehrer gesucht. Der Schüler ist der Algorithmus der Google-Suchmaschine, der für die Korrekturvorschläge bei Suchanfragen verantwortlich ist. Der hat nämlich noch nicht verstanden, dass nicht nur Männer Major (oder Englisch-im-Haupftfach-Studenten?) werden dürfen. Auf die Suchanfrage "english major who taught herself calculus" folgt zum Beispiel die Frage: "Did you mean 'english major who taught himself calculus'?"

Feuchte Täler, ist klar...
Ach Kinners, die Welt lernt einfach nicht dazu! Diese Werbung für das "Ferienland Schwarzwald" erschien kürzlich im Ryanair-Magazin:
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Naja, okay, fanden zum Glück nicht alle gut. Die "Emma" zum Beispiel nicht, allerdings ist das ja auch ihr Job. Ein Bürgermeister aus dem Schwarzwald hat sich aber ebenfalls beklagt, der Südkurier zitiert ihn: "Es ist gewagt und nicht zutreffend, Täler haben wir hier übrigens auch keine." Erst sexistisch sein und dann auch noch lügen. Schwarzwald, was ist nur aus dir geworden?

Krasse Typen, die
Zum Schluss noch ein erbauliches Video. Es gibt ja immer wieder Beschwerden über die unrealistische Darstellung von Frauen in Comics und Computerspielen, von wegen Proportionen und so. Aber: Das Gleiche gilt ja auch für männliche Figuren. Darum singen diese eher schmalen, netten Jungs hier ein lustiges Lied darüber. Und jetzt alle: "I LOVE HOW YOUR GUNS STAND OUT!"
http://www.youtube.com/watch?v=k6HhCNzIOP4#t=204
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Ein Jahr bezahlte Freiheit

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Xeniya Veber ist gerade in Kasachstan gelandet. Sie hat gerade Abitur gemacht und nimmt sich ein Jahr Auszeit, um ein Buch zu schreiben. Dafür bekommt sie 700 Euro im Monat. Aber nicht von einem Verlag oder ihrer Familie, sondern über ein Stipendium.  

Xeniya ist 25, gebürtige Kasachin und lebt in Bamberg. Sie ist die erste „Pfad.finder“-Stipendiatin der privaten Universität Witten/Herdecke (UW/H) in Nordrhein-Westfalen. Um die 70 Bewerbungen sind im ersten Durchlauf im vergangenen Frühjahr eingegangen. Die „StudierendenGesellschaft“ der Universität will nun jedes Jahr drei dieser Stipendien vergeben.  



Xeniya Veber

Ein Stipendium, das nicht belohnt, sondern ermutigt  


Normalerweise belohnen Stipendien gute Noten oder soziales Engagement, das „Pfad.finder“-Stipendium belohnt die Idee: Jeder Stipendiat bekommt ein Jahr lang jeden Monat 700 Euro, um damit einigermaßen finanziell abgesichert ein Projekt umsetzen zu können, das er schon immer machen wollte. Voraussetzung: Es muss sich laut Ausschreibung „um ein eigenes Projekt handeln, das im Einklang mit den drei Grundwerten der UW/H ‚Zur Freiheit ermutigen’, ‚Nach Wahrheit streben’ und ‚Soziale Verantwortung fördern’ steht.“  

Finanziert wird das Ganze von „externen Förderern“. In der ersten Bewerbungsrunde wurden unter anderem ein Theaterfestival für Jugendliche, mehrere Bücher (darunter eines über einen Selbstversuch, CO2-neutral zu leben) und eine Online-Zeitung für Studenten als Ideen eingereicht. Am Ende wurde Xeniya ausgewählt: Mit neun Jahren zog sie mit ihrer Mutter aus ihrer Heimat Kasachstan zu ihrem Stiefvater nach Deutschland. Mit 15 starb ihre Mutter an Krebs. Mit 16 zog Xeniya von zu Hause aus. Das „Pfad.finder“-Stipendium will sie nutzen, um ihre Familiengeschichte aufzuschreiben und in ihre Heimat zu reisen, um dort mit Verwandten und Freunden ihrer Mutter zu sprechen. In ihrem Bewerbungstext schrieb sie: 

 „1998, als ich an der Hand meiner Mutter das Flugzeug verließ, welches uns beide von Kasachstan nach Deutschland brachte, konnte ich nicht ahnen, dass ihre Hand mich nicht mehr lange halten wird. 1998 war das Jahr, in dem ich als naives Kind mit einem Zopf rechts und einem links, meinen geliebten Großeltern, die mich in Tränen verabschiedeten, lachend sagte, es gäbe keinen Grund zum Weinen. Ich sah sie erst neun Jahre später wieder. 1998 hat sich mein Leben von Grund auf verändert. Ich tauschte einen kasachischen Bauernhof gegen einen deutschen Neubau, die russische gegen die deutsche Sprache, meine leibliche gegen meine Stieffamilie und eine glückliche Kindheit gegen das Erwachsenwerden mit eingezogenem Kopf.“ 

Die Idee für das Stipendium entstand in der „StudierendenGesellschaft“, in der sich auch die Medizin- und Wirtschaftswissenschaftsstudentin Levka Meier, 25, engagiert. Diese studentische Solidargemeinschaft verwaltet den „Umgekehrten Generationenvertrag“, ein Konzept, das in der deutschen Hochschullandschaft einzigartig ist: Die Studenten müssen für ihr Studium erst zahlen, wenn sie einen Job haben und Geld verdienen, die Beiträge sind vom jeweiligen Einkommen abhängig. So finanzieren jeweils die Absolventen das Studium der aktuell eingeschriebenen Studierenden. In den Auswahlgesprächen der potenziellen Studienbeginner sitzt immer auch ein Vertreter der „StudierendenGesellschaft“ und entscheidet mit, ob ein Bewerber angenommen wird.

In diesen Gesprächen traf Levka immer wieder junge Menschen, die sich für einen Studienplatz beworben haben und die sie im Gremium gerne genommen hätten, aber bei denen sie das Gefühl hatten, dass sie noch nicht wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. „Sie schließen so schnell wie möglich die Schule ab, machen danach ein freiwilliges soziales Jahr oder gehen ins Ausland, weil sich das gut im Lebenslauf macht, und dann wollen sie schnell den Bachelor und Master hinter sich bringen“, sagt sie. „Dieser Druck hat uns schockiert, es ist ein Hürdenlauf aus Leistung und vorgegebenen Meilensteinen.“ In den Gesprächen fand sie immer die spannender, „die eigene Wege gehen und keinen perfekten Lebenslauf hatten“. Das liege aber nicht nur an den Menschen, sondern auch an den Möglichkeiten, die jemand habe. „Unser Stipendium ist so eine Möglichkeit: Die Stipendiaten können ein Jahr lang machen, was sie für richtig halten – und es sich auch leisten, sich diese Zeit zu nehmen.“  

Kostspielige Studentenwerbung?  


Ein bisschen riecht das Ganze natürlich nach einer, wenn auch kostspieligen, Art, neue Studenten zu gewinnen. Immerhin bekommt man außer der finanziellen Unterstützung einen Alumnus, Studierenden oder Dozenten von der Hochschule als Mentor, kann alle Kurse an der UW/H belegen und sich gesammelte Punkte oder Scheine für ein Studium dort anrechnen lassen. Weil die erste Stipendiatin Xeniya Veber gerade für ihre Recherche in Kasachstan ist, kann man sie nicht erreichen. In einem Interview auf Spiegel Online sagte sie diesem Thema: „Der Studiengang ‚Kulturreflexionen’ (an der UW/H, Anm. d. Red.) klingt total spannend. Sicher bin ich mir aber noch nicht, im Moment stehen noch mehrere Städte und Studiengänge zur Auswahl.“ Pflicht sei ein Studium an der UW/H im Anschluss an das Stipendium auf keinen Fall, heißt es von Hochschulseite, wenn man dieses Thema anspricht. Eine gewisse Bringschuld kann man als Stipendiat nach einem Jahr womöglich trotzdem empfinden. Das gilt auch für die anderen Finalisten, die das Stipendium nicht bekommen haben und auf Wunsch trotzdem einen Mentor von der UW/H vermittelt bekommen, um ihr Projekt auch ohne finanzielle Unterstützung umzusetzen.  

Entscheiden werden am Ende die Abiturienten und potenziellen Studenten selbst. Diese erleben ein Bildungssystem, das durch G8, Bachelor und Master immer hektischer wird. Darum ist generell alles zu begrüßen, was dieses entschleunigt. Dafür ist man an der UW/H so etwas wie ein Vorreiter: Dort kostet ein Studium nämlich immer gleich viel, egal wie lange man dafür braucht.    


Bis 31. August kann man sich für das zweite Pfad.finder.Stipendium der UW/H bewerben. Eine studentische Jury wählt die fünf besten Bewerbungen aus, der Gewinner wird über eine Online-Abstimmung ermittelt. 
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Findest du es schlimm, alleine zu essen?

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Vorgestern erst! Italiener an der Ecke. Pizza, Nero Davola (Glas), ein Buch, ich. Sonst nichts. Ganz wunderschön war das – ein bisschen lesen, ein bisschen beobachten, ein wenig die Gedanken weit und dann noch etwas weiter schweifen lassen, bis man feststellt, dass einem der Mund vermutlich gerade eine Minute lang offen stand, ein wenig essen und dabei noch ein, zwei messerscharfe Gedanken hinterherdenken. Oder zwei richtig saublöde. Alles jedenfalls ganz für sich.  



So traurig! Oder nicht?

In jedem Fall nicht: reden, sich auf etwas und jemanden konzentrieren oder gar ein Gespräch am Laufen halten müssen. Für mich ist das eine wenigstens minimale Freiheit. Wohl dosiert, versteht sich. Ich mag Menschen ja grundsätzlich schon, auch am Tisch. Für die Kollegen scheint es aber das beinahe Schlimmste auf der ganzen Welt zu sein. Sie halten sich sogar emotional ganz angefasst die Brust, wenn ich davon in der Konferenz erzähle. Wohl, weil wir mal einen Herzensbrecher über Männer hatten, die alleine essen. Ich glaube aber auch, dass sie noch nicht gut nur für sich sein können. Die Kollegen. Im Schnitt sind sie ja noch recht jung.  

Auslöser war übrigens ein Lokal in Amsterdam, das sich rühmt, das erste „one-person restaurant“ der Welt zu sein – Tische  für nur eine Person und so. Und dann kam eben die Frage auf: Ist das jetzt das beinahe Schlimmste auf der ganzen Welt – oder nicht? Ich fand: nicht. Wobei mir nicht ganz klar wurde, warum man ein spezielles Lokal braucht, um allein am Tisch zu sitzen. Beziehungsweise kann ich den Gedanken natürlich schon nachvollziehen, dass man in normalen Lokalen meint, alle anderen würden einen bemitleiden, weil sie denken, man hätte keine Freunde. Aber ich halte den Gedanken trotzdem für Blödsinn. Man hat ja Freunde.  

Und jetzt ihr: Alleine essen = Knack? Oder: Alleine essen = ganz wunderbare Abwechslung? Wenn’s euch auch das Herz bricht: Warum? Wenn nicht: Glückwunsch, ihr seid cool!
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Auf die Nuss

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Was soll jetzt nur aus Aschenbrödel werden? Weihnachten steht quasi schon wieder vor der Tür und damit auch der Filmklassiker. Die Prinzessin in spe braucht also dringend ihre drei Haselnüsse – die sind in diesem Jahr aber extrem knapp und viel teurer als sonst. Zuletzt kostete eine Tonne der ungeschälten Früchte an der Rohstoffbörse im türkischen Giresun knapp 3900Euro. Ein Jahr zuvor waren es gerade einmal gut 2200 Euro.



In Zukunft muss das Glas wieder länger halten - die Nutella wird wohl teurer

Schuld ist das miese Wetter im Frühjahr. Nicht hier, sondern an der türkischen Schwarzmeerküste. Von dort stammt der bei Weitem größte Teil der weltweiten Haselnuss-Ernte. Und dort gingen im März, gerade als die Haselsträucher nach einer verfrühten Blüte besonders anfällig waren, Hagelstürme nieder, und es herrschte Frost. Das Ergebnis: Ein großer Teil der erwarteten Ernte war hin. Der Verband der türkischen Landwirtschaftskammern TZOB rechnet für dieses Jahr mit einem Ertrag von etwa 370000 Tonnen Haselnüssen, das wären etwa 100000 Tonnen weniger als 2013.

Ein Vertreter der Produzenten-Vereinigung Kesap sagte bereits im Mai, dass wohl zwei Drittel der erwarteten Ernte von 100000 Tonnen in der Region um die Küstenstadt Giresun, dem türkischen Haselnuss-Herzland, zerstört seien.

Solch ein Engpass bedeutet vor allem eines: dass die Preise steigen. Wird jetzt Nutella auf dem Frühstücksbrot zum Luxusgut? Schließlich besteht die Creme zu 13Prozent aus Haselnüssen, sogar der Kakaoanteil ist geringer. Zumindest hat der Nutella- und Rocher-Hersteller Ferrero schon einmal vorgesorgt: Mitte Juli übernahm der Familienkonzern aus dem italienischen Alba die türkische Oltan Group, um den Nachschub sicherzustellen. Mit einem Jahresumsatz von mehr als 500 Millionen Dollar sei die Firma aus Trabzon das „weltweit führende Unternehmen in den Bereichen Beschaffung, Verarbeitung und Vermarktung von Haselnüssen“, hieß es. Der Deal ist für die Italiener sinnvoll – gelten sie doch mit einem kolportierten Verbrauch von etwa einem Viertel der jährlichen Gesamternte selbst als größter Haselnuss-Abnehmer auf dem Weltmarkt.

Ob damit aber die Süßigkeiten-Produktion sichergestellt ist oder ob nun Preiserhöhungen drohen, dazu mochte Ferrero zunächst nichts sagen. Allerdings dürften derartige Preissteigerungen bei einem wichtigen Rohstoff durchaus auf die Kalkulation durchschlagen – zumal mit Kakao eine weitere wichtige Zutat verhältnismäßig teuer ist. Außerdem mag Ferrero groß sein, die Italiener sind aber bei Weitem nicht der einzige Haselnuss-Verarbeiter. Der Engpass bei den Früchten aus der Familie der Birkengewächse trifft auch andere Lebensmittelhersteller wie die Cadbury-Mutter Mondelēz, ehemals Kraft Foods, oder Nestlé. Sie alle müssen sich eindecken. Vor dem wichtigen Weihnachtsgeschäft könnte sich der Kampf um die auf dem Markt frei verfügbaren Nüsse also verschärfen.

Und das würde die Preise weiter nach oben treiben. Würde es nicht reichen, die Rezepturen umzustellen? Eher nicht. Erstens hätten Schokocreme, Waffeln oder Gebäck wohl einen ganz anderen Geschmack, wenn sie statt Haselnüssen etwa Mandeln enthielten. Und zweitens sind auch diese derzeit knapper und damit teurer als in den Vorjahren. Die Pflanzen im Hauptanbaugebiet für Mandeln, in Kalifornien, leiden unter der Dürre dort.

Profiteure der derzeitigen Nuss-Krise könnten die Allergiker sein: Sie dürfen angesichts der Knappheit darauf hoffen, dass die Le-bensmittelindustrie – aus Kostengründen – auf die berühmten „Spuren von Haselnüssen“ in allen möglichen Produkten verzichtet. Dann blieben vielleicht sogar noch drei für Aschenbrödel übrig.
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Zum Sterben in die Schweiz

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Es gibt viele gute Gründe, in die Schweiz zu fahren. In Großbritannien hat der Ausdruck „Going to Switzerland“ allerdings mittlerweile einen makabren Beigeschmack bekommen: Er ist ein Euphemismus dafür, in der Schweiz mittels Sterbehilfe den Tod zu suchen. Dort bieten inzwischen sechs Organisationen den „assistierten Suizid“ an. Anders als in den meisten Ländern ist die Sterbehilfe weder ausdrücklich verboten, noch ist genau festgelegt – wie etwa in den Niederlanden oder im US-Staat Oregon – unter welchen Umständen sie gesetzlich gestattet werden kann.



Im Nebel untergetaucht - Sterbewillige reisen öfter in die Schweiz

Rechtsmediziner und Juristen der Universität Zürich haben den „Suizid-Tourismus“ der vergangenen Jahre untersucht und detaillierte Zahlen erhoben. Die Motivation für ihre Arbeit kann man durchaus im Alltag der Wissenschaftler finden: 950Fälle von assistiertem Suizid sind allein für den Kanton Zürich für den Zeitraum von 2008 bis 2012 verzeichnet. Da jeder dieser Todesfälle eine juristische Abklärung inklusive rechtsmedizinischer Untersuchung nach sich zieht, sind die Ärzte „fast jeden Tag mit assistiertem Suizid konfrontiert“. Zudem kostet die Bearbeitung pro Fall ungefähr 3000 Schweizer Franken – die nicht von den Gebühren gedeckt werden, die Sterbewillige an die jeweilige Organisation entrichten müssen.
Die Analyse der Wissenschaftler um Saskia Gauthier, die an diesem Donnerstag im Journal of Medical Ethics (online) erscheint, hat in den fünf Jahren zwischen 2008 und 2012 insgesamt 611 Fälle von Suizid-Tourismus aus dem Ausland im Kanton Zürich aufgeführt, Tendenz steigend. Da fast alle Sterbewilligen sich an Dignitas wendeten, die ihren Hauptsitz in Pfäffikon im Kanton Zürich haben, dürften damit die meisten assistierten Suizide in der Gesamtschweiz erfasst sein.

Die Mehrzahl der Sterbewilligen im Untersuchungszeitraum kam aus Deutschland (268) und Großbritannien (126). Auch aus Frankreich (66), Italien (44), den USA (21), Österreich (15) und Kanada (12) sind immer wieder Menschen zum Sterben in die Schweiz gekommen. Von 2008 auf 2009 sank die Anzahl der sterbewilligen Ausländer in der Schweiz, was die Wissenschaftler vor allem auf die Berichterstattung über vier qualvolle Todesfälle zurückführen. Mit dem Kopf in Plastiksäcken, die mit Helium gefüllt waren, hätten die Sterbewilligen friedlich und schnell ersticken sollen. Als „fast nicht zumutbar“ bezeichnete der leitende Oberstaatsanwalt seinerzeit die Videobilder von Sterbenden, die sich „mehrere zehn Minuten lang“ bewegt hätten.In allen anderen Fällen wurde das rezeptpflichtige Pentobarbital als Hauptbestandteil tödlicher Medikamente verwendet.

Seit 2009 sind von Jahr zu Jahr immer mehr Menschen zum Sterben in die Schweiz gefahren. Waren es 2009 noch 86, die dort den Tod suchten, wurden im Kanton Zürich 2011 schon 140 Fälle registriert – 2012 hatte sich die Anzahl mit 172 Sterbewilligen im Vergleich zu 2009 sogar verdoppelt. 2009 suchten aus Deutschland 37Menschen Sterbehilfe in der Schweiz, 2012 waren es 77 Personen.

Bemerkenswert ist auch, dass der größte Anteil der Sterbewilligen nicht an Tumoren, sondern an schweren neurologischen Leiden wie Lähmungen, Parkinson, Multipler Sklerose oder Amyotropher Lateralsklerose erkrankt war. Diese Erkrankungen gaben 47 Prozent der Sterbewilligen an, während 37 Prozent eine unheilbare Krebserkrankung als Grund nannten, warum sie nicht mehr leben wollten. Rheumatische Erkrankungen mit starken Schmerzen waren eine weitere häufig genannte Ursache.

Die Schweizer Autoren postulieren in ihrer Auswertung, dass der zunehmende Sterbehilfe-Tourismus in den besonders betroffenen Herkunftsländern – Deutschland, Großbritannien und Frankreich – zu Regulierungsvorschlägen geführt hätte. In Deutschland, wo die Musterberufsordnung für Ärzte Beihilfe zur Selbsttötung untersagt, wurde ein Gesetzentwurf zur Regelung der Sterbehilfe aus dem Herbst 2012 allerdings fallengelassen. Umfragen hatten ergeben, dass drei Viertel der Bevölkerung nicht zugestimmt hätten.

Charles Foster von der Universität Oxford lobt zwar die Auswertung der Schweizer Autoren, ist aber bezogen auf Großbritannien nicht der Meinung, dass der Sterbehilfe-Tourismus die Gesetze geändert habe – sondern allenfalls die Einstellung. „Die öffentliche Meinung wird mit der Zeit liberaler, schon aus Gewöhnung“, sagt Foster. „Zudem wächst die Wahrnehmung dafür, dass es intellektuell und moralisch langsam unbequem wird, ein anderes Land die Drecksarbeit machen zu lassen.“

Für Alison Twycross sind in der Diskussion um Sterbehilfe nicht neue Gesetze nötig, sondern eine bessere Betreuung am Lebensende. „Gute Palliativmedizin ist nicht billig und in Zeiten immer neuer Sparzwänge im Gesundheitswesen nicht leicht zu haben“, schreibt die Herausgeberin einer Pflegezeitschrift. Die meisten Schwerkranken hätten Angst vor Schmerzen und unzureichender Versorgung und würden nur deshalb auf den Gedanken an Sterbehilfe kommen. Ließen die Gesetze assistierten Suizid zu, würden viele vernachlässigte alte und kranke Menschen unter Druck geraten, ihrem Leben auf diese Weise ein Ende zu setzen. „Autonomie ist wichtig“, schreibt sie. „Aber wenn es um Leben und Tod geht, kann man nicht die Freiheit für wenige erreichen, ohne der Mehrheit Schutz und Sicherheit zu nehmen.“
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Propaganda wie ein Schlag ins Gesicht

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Soziale Netzwerke können wie ein Schlag ins Gesicht sein - roh und schmerzhaft. Am Dienstagabend kam für viele Nutzer von Twitter, dem sozialen Netzwerk für Kurznachrichten in SMS-Länge, so ein Schlag in Form eines Videos. Aufgenommen von Terroristen, wurde es gezielt gestreut, um Angst zu verbreiten, Trauer und Wut. In dem Video soll der Fotojournalist James Foley zu sehen sein, der Mitte 2012 in Syrien verschwunden ist. Die Terroristen der Miliz Islamischer Staat (IS) bringen den Mann in dem Video um. Sie enthaupten ihn.



Für ihre Propaganda benutzen die Terroristen auch Twitter

Die vermeintlichen Gründe, alles, was die Terroristen sagen, und auch alles, was sie ihr Opfer sagen lassen, soll an dieser Stelle keine Rolle spielen. Es wäre automatisch Teil der IS-Propaganda. Das Video wurde auf Youtube hochgeladen, von dort haben es die Terroristen auf Twitter verlinkt. Die Nutzung von sozialen Netzwerken gehört zu ihrer Strategie.

Denn die Terroristen der IS wissen, dass sie ihre Botschaft online am schnellsten verbreiten können. Sie sehen, dass Netzwerke wie Twitter und Youtube eine gewisse Zeit brauchen, bis sie reagieren, um Nutzer zu sperren und Videos zu löschen. Weder Twitter noch Youtube wollten sich dazu äußern, wie lange es gedauert hat, die Accounts und Videos im Falle des grausamen Videos zu löschen. Youtube soll innerhalb von 30 Minuten reagiert haben, um ein Video zu löschen. Das ist zwar schnell - aber dennoch war das Video bis dahin längst schon mehrfach hochgeladen. Ein als IS-Anhänger bekannter Twitter-Nutzer, dessen Nachrichten knapp 10000 Menschen erreichen und der bekannt ist für seine IS-Anhängerschaft, konnte zwei Stunden lang Links verteilen.

Twitter kennt keine Art von Filter - und in Fällen wie diesen wird das zum Problem.
Facebook filtert seinen so genannten Newsfeed, also seine Hauptseite. Ein Algorithmus scannt die Beiträge, die jeder einzelne Nutzer sehen kann. Dieses Analysieren dauert – und verzögert somit das Anzeigen von Bildern und Videos. Diese Schranke gibt es bei Twitter nicht. Wer will, kann etwa unter dem entsprechenden Hashtag sofort alles sehen. Ein Hashtag ist wie ein twitter-interner Suchbefehl. Wer ihn eingibt, bekommt Ergebnisse geliefert – augenblicklich.

Das kann Vorteile haben: Die Proteste im US-Städtchen Ferguson etwa wären ohne Twitter womöglich rasch wieder versandet und hätten niemals weltweite Aufmerksamkeit und dieses Ausmaß der Berichterstattung erreicht. Twitter liefert die rohe Information, ungekürzt und live. Deswegen wird der Dienst genutzt – in manchen Fällen aber eben auch ausgenutzt.

Das ist der Nachteil – Exekutionen vor laufender Kamera, Menschen, die ihre Smartphones zücken, weil sie wissen, dass grausame Bilder als virale Propaganda taugen. Und eben auch Menschen, die derartige Videos und Fotos online verbreiten. In diesen Momenten ist das soziale Netzwerk ein schrecklicher Ort.
Es ist unklar, wie eine Lösung für ein solches Problem aussehen könnte. Youtube löscht zum Beispiel alle Accounts von Personen, die zu einer terroristischen Vereinigung gehören – aber erst, nachdem diese aufgefallen sind. Damit hinkt das Unternehmen der Propaganda hinterher. Verhindern, dass die Terroristen einfach rasch neue Profile anlegen und dort die Videos erneut hochladen, kann das Unternehmen nicht. In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung ist dies ein Problem, das soziale Netzwerke wohl in noch einige unangenehme Situationen bringen wird – und nicht zuletzt deren Nutzer.

Gegen die Propaganda hilft fürs Erste nur eines: die Bilder nicht zu verbreiten. Oder, wie es die Nutzerin @Libyaliberty formuliert: „Ab jetzt werde ich nie wieder ein Gewaltfoto oder -video von ISIS verbreiten, das bewusst aufgenommen und veröffentlicht wurde, um Propaganda zu verbreiten.“ Das Hashtag dazu lautet: #ISISMediablackout. Übersetzt heißt das in etwa: keine Online-Plattform für IS.
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Die Volks-Armee

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Ihor Saizew hat für seinen Nachbarn eine Schutzweste gekauft. Kein übliches Präsent unter Hausbewohnern, sollte man meinen, aber in der Ukraine schenken sich Menschen neuerdings nicht nur Blumen oder Pralinen, sondern gern auch mal ein Nachtsichtgerät oder eine Uniform. Denn die Armee führt Krieg, aber die Armee ist schlecht ausgerüstet und hat oft nicht einmal Geld für Nahrungsmittel oder Wasser.



Weil es den ukrainischen Soldaten an fast allem fehlt, werden viele privat ausgestattet.


Ihor ist Unternehmer in Kiew, aber er hat Geldsorgen. Er verkauft Glückwunschkarten und Geschenkpapier, doch der Umsatz ist eingebrochen. Die Käufer von der Krim fehlten ganz, sagt er, und im Donbass kaufe derzeit auch niemand Geburtstagskarten. „Die Leute haben bei ihrem Versuch, zu überleben, weiß Gott andere Sorgen.“ Aber: Sein Nachbar muss an die Front, zur „Antiterror-Operation“ in der Ostukraine. Und weil die Ukrainer wissen, dass es dort an fast allem fehlt, werden viele Soldaten privat ausgestattet, von Verwandten, Freunden. Überall im Land sammeln außerdem Freiwilligen-Organisationen für die Soldaten, Geld oder Sachspenden, alles wird genommen. Und viel wird gegeben. Der Kommersant, eine der einflussreichsten Wochenzeitungen im Land, hat gerade erst eine Titelgeschichte dazu gemacht. Darauf zu sehen ist ein umgedrehter Militärhelm, vollgestopft mit Geldscheinen. Die Schlagzeile: „Warum Freiwillige die Soldaten besser versorgen als der Staat.“


Das Problem, schreibt Kommersant, sei nur zum Teil zurückzuführen auf die großen Lücken im Staatshaushalt. Vielmehr wolle das ukrainische Verteidigungsministerium alles korrekt machen, sich keine Korruption vorwerfen lassen, und deshalb schreibe es alle größeren Aufträge aus. Das könne dauern – und so warteten die Soldaten im Feld manchmal Wochen auf lebensrettende Medikamente oder auch nur auf neue Schuhe. Zumal der gute Wille offenbar nicht ausreicht, um die nach wie vor endemische Korruption zu stoppen: Jedenfalls gewann etwa eine Ausschreibung für dringend benötigte Schutzwesten die Firma des mächtigen Oligarchen und Gouverneurs von Dnjepropetrowsk, Igor Kolomojskij, die das Stück für 18000 Griwna (etwas mehr als 1000 Euro) anbot; eine Konkurrenzfirma hätte es für 8000 Griwna pro Weste gemacht. Bei der kaufen nun die Freiwilligen ein und schaffen das Material an die Front.


Mindestens zehn Millionen Euro haben sie nach Schätzung von Experten bei ihren ukrainischen Landsleuten eingesammelt. Die sarkastische Bemerkung von Russlands Präsident Wladimir Putin zu Beginn des kriegerischen Konflikts auf der Krim, dort seien keine russischen Soldaten im Einsatz, schließlich könne man Uniformen ja auch im Supermarkt kaufen, bekommt angesichts dieser Dimensionen eine ganz neue Bedeutung. Die Unterstützer kaufen tatsächlich zum Teil in Supermärkten ein, was die Soldaten brauchen, aber auch auf dem internationalen Markt. Manche Bataillone, so sagen Fachleute, bekämen gut die Hälfte ihrer Güter – Uniformen, Schuhe, Helme, Nahrungsmittel, Westen, Tabletten zur Wasserreinigung, Medikamente – nicht von den Beschaffungsämtern der Armee, sondern von den Organisationen, die sich überall im Land gebildet haben.


„Frieden und Ordnung“ ist eine davon; Unternehmer in Charkiw haben sie im April gegründet, weil sie fanden, man könne den Staat zwar nicht ersetzen, andererseits müsse man „auch nicht beiseite stehen“, wenn es Krieg gibt im Land. Ihr Wahlspruch lautet: „Es ist unser und euer Haus.“ Patrioten, Nationalisten – das sind Zuschreibungen, welche etwa die Aktivistinnen Tatjana Landesman oder Iwanna Skiba-Jakubowa, die für den Verein sprechen, nicht von sich weisen würden. Sie sind stolz darauf. Radikale Kriegstreiber seien die Mitstreiter von „Frieden und Ordnung“ deshalb aber nicht gleich, sagt ein Sympathisant, eher sei die Aktion vom Willen der Charkiwer Wirtschaft getragen, zu einem Sieg der ukrainischen Kräfte und damit die – optimistische – Hoffnung, zu einer baldigen Beruhigung der Lage beizutragen und den Krieg fernzuhalten aus ihrem friedlichen Ort.


Der Fonds mit dem staatstragenden Namen sammelt mithin Geld und Sachmittel in der Region Charkiw. Von hier aus ist die Front in wenigen Stunden auf Schleichwegen zu erreichen; militärischen Schutz gibt es für die Busse nicht, die sich zu den Soldaten durchschlagen. Jede der vielen derartigen Organisationen hat „ihre“ Truppenteile, für die sie sich zuständig fühlt; die Gruppe aus Charkiw etwa versorgt ein ukrainisches Luftlande-Regiment und die Spezialeinheit des Innenministeriums „Jaguar“, Brigaden der Nationalgarde und der Miliz. Man kennt sich mittlerweile aus, und man kennt sich. Die Liste der Leistungen und Lieferungen, die „Frieden und Ordnung“ stolz vorweist, ist lang: 400 Schutzwesten sind darunter, aber auch komplette Ausrüstungen für die Bataillone „Sloboschanschina“ und „Kharkow“ samt „Kampfausrüstung, Kommunikationstechnik und Feinderkennungstechnik“. Aber auch Tragen und Betten für das örtliche Krankenhaus, in dem Verletzte aus dem Einsatz im Donbass liegen, gehören dazu.


In der Regierung hat das Engagement der Ersatz-Beschaffer ein doppeltes Echo ausgelöst. Einerseits hat das Verteidigungsministerium mittlerweile einen miserablen Ruf; zu viele Soldaten müssten sterben, heißt es in der Bevölkerung, weil sie so schlecht ausgerüstet seien, der Staat jage die jungen Leute sehenden Auges in ihr Unglück. Immer wieder gehe den Soldaten im Einsatz schlicht die Munition aus, sie seien den Separatisten ausgeliefert, das sei unterlassene Hilfeleistung, sagt etwa der Kiewer Unternehmer Ihor. Trauriges Beispiel dafür: Kürzlich waren knapp 400 ukrainische Soldaten in der Grenzregion von pro-russischen Kräften eingeschlossen und hatten keine Munition mehr. Sie überquerten in ihrer Not die Grenze, nachdem sie einen russischen Offizier per Telefon informiert hatten, dass dies kein Angriff auf die Russische Föderation sei – und retteten sich nach Russland. Ein Großteil kehrte später in die Ukraine zurück.


Andererseits ist der Patriotismus – vielleicht sogar angesichts der schlechten Versorgungslage der „Antiterror“-Kräfte – trotzdem ungebrochen. Die Regierung nutzte das unlängst dazu, das Budget für die Armee noch einmal mit einer neuen Steuer zu füttern. Etwa neun Milliarden Griwna, umgerechnet 550 Millionen Euro für die „Antiterror-Operation“ sollen etwa in Form einer Kriegsteuer bereitgestellt werden, die 1,5 Prozent auf das steuerpflichtige Privateinkommen beträgt. Der Kampfeinsatz im Osten kostet die Ukraine derzeit 70 Millionen Griwna (4,2 Millionen Euro) pro Tag.


Derweil bittet der Nachbar von Ihor noch immer bei Freunden um Geld für seine Ausrüstung. Man kann nie wissen, was zum Schluss fehlt, wenn er 600 Kilometer weiter östlich landet.


Schlecht gerüstet: Soldaten der ukrainischen Armee, hier bei einem Einsatz im ostukrainischen Druschkowka, sind auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen. Viele Organisationen haben bereits „ihre“ Truppenteile, für die sie sich zuständig fühlen.
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Tagesblog - 21. August

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17:08 Uhr: So, wir haben noch einen letzten Text des Tages. Es ist ein superer Text vom superen jakob-biazza. Fünf Songs, die ein ähnliches Problem haben wie unsere Freundin Shakira: sie kommen einem verdammt bekannt vor. Macht aber nix, sagt Jakob, wegen: Kunst.




15:55 Uhr:
Und weil wir schon bei privaten Storys sind: hier das Auto meiner Träume (ach, wenn ich doch nur mehr Geld verdienen könnte! Ach, wenn ich doch nur etwas Ordentliches gelernt hätte) [plugin imagelink link="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2014-04/enhanced/webdr06/2/13/enhanced-4734-1396460128-43.jpg" imagesrc="http://s3-ec.buzzfed.com/static/2014-04/enhanced/webdr06/2/13/enhanced-4734-1396460128-43.jpg"]

15:08 Uhr:
Wisst ihr, was cool ist? Seit meine Tochter (3) malt, verstehe ich moderne Kunst. Also, glaube ich jedenfalls. Hier zum Beispiel:



Sehen wir einen echten Waechter. Darauf die ganze Familie: Mama (türkis), Papa (schwarz), großes Kind (lila), kleines Kind (gelb). Dazu noch einen Drachen (schwarz unten Mitte) und eine winzige Ärztin (braun), die das kleine Kind gerade auf die Welt geholt hat und deshalb total sauer ist. Die Krixkraxi-Zeichen sind Schrift.
Endlich habe ich verstanden: Alles bedeutet etwas. Man weiß es nur halt meistens nicht, wenn man keinen Zugang zum Hirn des Schöpfers hat. Oder?

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13:57 Uhr:
Ach du Heiliger Bimbam. Gerade klingelte das Telefon und dran war eine ältere Dame, die mich ohne einmal Luft zu holen aufs Übelste beschimpft hat. Es ging um Steffen Seibert, Britta Steffen und das Lumpenpack von jetzt.de und das Eiswasser und ich bin immer noch ganz erschlagen.
Erstaunlicherweise habe ich gestern Nacht schon mal so eine Dame am Telefon gehabt, die mir vorgeworfen hat, dass die Deutschen zu große Köpfe hätten und sie deshalb in Bad Homburg nicht einkaufen könne. Ich versuche schon die ganze Zeit, das nicht ernst zu nehmen. Aber alles, was mir einfällt, ist: Heiliger Bimbam.


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13:39 Uhr:
Ich will jetzt nicht haftbar gemacht werden für die Aussage, aber ANGEBLICH soll am Wochenende noch einmal Sommer werden. Ihr erinnert euch? T-Shirt? Sandalen? Sonnenbrille? Na jedenfalls, wenn dem so sein sollte, dann zieht euch mal lieber vorher diesen sehr detaillierten Entscheidungsbaum rein, der euch sagt, an welcher Münchner Eisdiele ihr euch das nächste Eis kaufen sollt. 

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12:48 Uhr:
Leuts, die neue Kettengeschichte ist online. Es geht wüst fantasymäßig zu, aber die Kommentare sind sich einig. "wow geil", bzw. "geil!". Lest selbst, kommt aber dann gleich wieder zu mir, ich habe noch viele weitere lustige Bilder und Geschichten.

(hoffentlich klinge ich jetzt nicht zu sehr nach desperate online-journalist)

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11:26 Uhr:
louis14 hat einen Text über das Post-Abi-Gefühl geschrieben. Besonders schön diese Stelle: "Ich mochte noch nie Flaschenöffner. Sie machen einen alt oder entspannt." Mind: Blown.


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11:10 Uhr:
Wahnsinn, kaum hat man mal kurz die Augen ausgeruht, schon ist es 11:00 Uhr. Der Tag ist schon fast rum und wir haben wieder nichts geschafft. Halt! Stimmt gar nicht. Wir haben eine total supertolle Konferenz gehabt und ich werde euch jetzt ein voll sozialkritisches Dings, äh, Comic zeigen, das ich gerade gefunden habe. Es handelt von unserer Generation. [plugin imagelink link="http://www.pleated-jeans.com/wp-content/uploads/2014/08/Z1dSJna.jpg" imagesrc="http://www.pleated-jeans.com/wp-content/uploads/2014/08/Z1dSJna.jpg"]

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9:47 Uhr:
Nöööööö, nööööööööö! Ich bin kein bisschen beleidigt, dass kein Mensch in meinem hübschen Tagesblog vorbei schaut. Ist schon okay. Dann zeig ich eben mir selbst diese beiden tollen Bilder:

1. Schau mal, Christina, eine echt gute und überzeugende Werbung mit einem Promi-Testimonial, an dem sich die Wurst-Pilawas unserer Welt mal eine Wurstscheibe abschneiden könnten:



2. Das Auto meiner gegenwärtigen Träume. Hey Christina, stell dir mal vor, du bestellst ein "Uber"-Auto (oder wie die jungen Menschen von heute das so nennen) und diese Karre hält vor deiner Nase an. Na? Naaaaaa?



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9:31 Uhr:
Und hier die News aus der sueddeutsche.de-Konferenz:
  • Die Ermordung des amerikanischen Fotojournalisten James Foley durch einen IS-Terroristen beschäftigt uns weiter. Neue Aspekte: wie funktioniert der Handel mit Geiseln, warum konnten die US-Spezialkräfte Foley nicht befreien? Und: Wie ist die Situation in Großbritannien. Dort beschäftigt man sich mit der Tatsache, dass der Mörder Foleys in dem VIdeo mit britischem, genauer Londoner Akzent in die Kamera sprach.

  • Ebenfalls ein Dauerthema ist die Ebola-Epidemie. Heute geht es um die Frage, warum so viel mehr Frauen an der Krankheit sterben, als Männer. 

  • Und für alle, die es noch nicht gesehen haben: Beim Spiegel in Hamburg ist gerade ganz schön "was" los.


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9:04 Uhr:
Und weiter geht es munter mit dem Tagesticker, der sich heute einem Thema widmet, das ich selbst sehr liebe: Alleine essen gehen. Wobei: ich gehe ja noch viel lieber alleine ins Café. Dort dann zwei Stunden lang alle ausliegenden Zeitschriften lesen (meine liebste Kombination: Gala und Titanic) und am Ende mit einem rammdösigen Kopf wieder raus stolpern. Also:  lasst uns darüber reden.




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8:57 Uhr:
Uff! Guten Morgen, liebe Gemeinde. Heute bin ich sehr schwach in den Fingerspitzen, weil ich gestern bis Mitternacht arbeiten musste, dann nicht einschlafen konnte und heute morgen schon sehr, sehr früh aufgeweckt wurde. Das alles nur als Entschuldigung vorweg geschoben, falls irgendetwas nicht ganz so gut laufen sollte, wie ihr es sonst gewohnt seid....





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Kesseltreiben

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Sieben Jahre nach Erscheinen des letzten Bandes der „Harry Potter“-Reihe wächst das Universum des Zauberschülers weiter: Celestina Warbeck heißt die Figur, der Joanne K. Rowling nun Leben einhauchte. Auf ihrer Seite pottermore.com, die nur mit einer Registrierung voll zugänglich ist, veröffentlichte die Autorin die Kurzbiografie der singenden Hexe. Obwohl Warbeck lediglich im sechsten Band „Harry Potter und der Halbblutprinz“ am Rande erwähnt wurde, bedeute ihr die Figur viel, schrieb Rowling: „Celestina ist einer meiner absoluten Lieblinge im Bereich unsichtbarer Nebencharaktere.“



J.K. Rowling kann Harry Potter nicht loslassen.

Die Fans dürfen sich die Hexe als eine Art Shirley Bassey vorstellen, sagt Rowling. Wie die „Goldfinger“-Interpretin stamme sie aus Wales, sei eine glamouröse Diva und führe ein extravagantes Leben. Außerdem könne sie einen ganzen Chor von Todesfeen übertönen. Natürlich liegt ihr die Zauberwelt zu Füßen, und Konzertkarten erzielen auf dem Schwarzmarkt Höchstpreise. Die Songs tragen Namen wie „Du hast mich ganz und gar verhext“ und werden von pompösen Big-Band-Melodien getragen. Mit ihrem letzten Album „Du hast mir den Kessel gestohlen, aber mein Herz gehört mir“ landete der stimmgewaltige Star einen seiner größten Erfolge. Eine Kostprobe ist online zu hören.

Celestina Warbeck zeige auch gesellschaftliches Engagement, heißt es in dem kurzen Text. Als das Ministerium für Zauberei den jährlichen Ausnahmezustand an Halloween reglementieren wollte, mischte sie sich selbstbewusst in die Debatte ein. Rowling erklärte, dass eine ehemalige Kollegin aus dem Londoner Sekretariat von Amnesty International Namenspatin der Figur sei.

Erst im Juli hatte Rowling eine Kurzgeschichte über den nunmehr leicht ergrauten Harry Potter und seine Freunde auf ihrer Website veröffentlicht. Die Seite soll wegen des großen Interesses zeitweise nicht aufrufbar gewesen sein.

Das Online-Angebot richtet sich vor allem an die nimmersatten Anhänger des Zauberers: Interaktive Felder informieren über sämtliche Charaktere und magische Wesen der Saga, außerdem berichtet die fiktive Zeitung Der Tagesprophet über die neuesten Ergebnisse im Besensport Quidditch. Häppchen aus der Feder der Bestsellerautorin kommen da gelegen, denn auch die E-Books und digitalen Hörbücher der Reihe werden im Online-Shop angeboten. Auf der Seite wurde auch darauf hingewiesen, dass Celestina Warbeck täglich in einer eigenen Show im Potter-Themenpark der Universal Orlando Resorts auftritt.

Warum Joanne K. Rowling ihr Baby Harry Potter offenbar nicht loslassen kann, ist immer wieder ein Thema in der Literaturwelt. Während ihr von einigen gluckenhaftes Gehabe vorgeworfen wird, vermuten Experten dahinter vielmehr eine ausge-klügelte PR-Strategie. Zuletzt schrieb Rowling drei Kriminalromane: „Der Ruf des Kuckucks“ und „Der Seidenspinner“, der auf Deutsch im November herauskommt, veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Robert Galbraith.

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