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Unendliche Geschichten

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Am Schluss stehen sie einträchtig zusammen vor der „Wurstbraterei“ am Rheinufer. Das Ende der meisten Köln-Tatorte bedeutet: Alles ist wieder einmal gut gegangen, und beim nächsten Mal ist dann wieder alles beim Alten. Ballauf und Schenk, mehr oder weniger gut aufeinander zu sprechen – Mord, Ermittlung, Aufklärung, Currywurst. Trotzdem ist, anders als übellaunige Kommentatoren in sozialen Netzwerken beanstanden mögen, die Geschichte eine andere. Als „Dialektik der Wiederholung und Varianz“ bezeichnet Serienforscher Daniel Stein dieses Grundkonzept serieller Erzählung.



Wotan Wilke Moehring und Petra Schmidt-Schaller aus "Kaltstart": Ein neuer Tatort mit altbekanntem Erzählmuster.

Auf Einladung der Deutschen Forschungsgemeinschaft sprach Stein in der vergangenen Woche über „Tatort, Simpsons & Co. – Serielles Erzählen in der Populärkultur“. In die Bayerische Staatsbibliothek in München kamen vor allem Studenten und Senioren – Fans der Simpsons und des Tatorts also gleichermaßen.
Daniel Stein, der an der Freien Universität Berlin zu „Ästhetik und Praxis populärer Serialität“ forscht, kommt direkt zur Sache, „schließlich stehen mir nicht mehrere Folgen Vortrag zur Verfügung“, sagt er, „sondern nur diese eine“.

In seiner Forschung konzentriert sich der Amerikanist auf Serien als popkulturelles Phänomen. Deren Geschichte reicht, ruft er in Erinnerung, sehr viel weiter zurück als die der TV-Serie. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als Zeitungen erstmals massenproduziert werden, entstehen mit französischen Feuilleton-Romanen wie Eugène Sues „Les Mystères de Paris“ erste breitenwirksame Romanserien. Zum ersten Mal können Leser gemeinsam über den Fortgang einer Geschichte spekulieren – wie später auch bei Nat Pinkerton, Perry Rhodan, Superman und in der Lindenstraße. Die Serie ist anpassungsfähig: Läuft sie gut, kann sie unendlich fortgesponnen werden. Floppt sie, wird sie eilig zu Ende erzählt.

Grundsätzlich differenziert Stein zwischen „Serials“ und „Series“. Erstere, wie GZSZ oder Game of Thrones, erzählen episodenübergreifend; Letztere, wie Scrubs oder Desperate Housewives, in weitgehend geschlossenen Episoden. Der Tatort ist für Stein ein Sonderfall: streng genommen eine „Reihe“, deren Episoden nur in sehr geringem Maße aufeinander aufbauen. Aufgrund seiner gleichbleibenden Erzählstruktur trage er aber die Züge einer Serie. Den Versuch eines Bruchs mit dem altbewährten Schema beobachtet Stein in Dortmund: Die Flashbacks des depressiven Kommissars Faber enthüllen erst Episode für Episode die Umstände des Unfalltods seiner Frau.

Für Stein schafft der Tatort, wie schon früher das Lesen der Feuilleton-Romane, ein Gefühl von Gemeinschaftlichkeit. Das Wissen, dass viele andere auch den Mörder jagen, auch über den neuesten Fall von Lindholm, Murot oder Tschiller richten, mache ihn zu einem Erlebnis „kollektiver Gleichzeitigkeit“.

Erst am Ende kommt Stein auf Die Simpsons zu sprechen: Wie kaum eine andere Serie verstehe diese es, Erzählkonventionen zu unterwandern. So parodiere etwa die einzige zweiteilige Folge „Wer erschoss Mr. Burns?“ den Serial-typischen Cliffhanger: Nachdem Burns einem heimtückischen Attentat zum Opfer fällt, enthüllt erst Episode zwei den Täter. Hierzulande seien Selbstreflexion und erzählerische Innovation dagegen noch selten. Das gelte besonders für den typisch deutschen Tatort. Immerhin: Auch er leistete sich in „Am Ende des Flurs “ den ersten Cliffhanger seiner Geschichte – und ruderte nach Beschwerden eilig zurück. Beschwichtigend verkündete der BR: Der verletzte Münchner Ermittler Leitmayr wird leben. Noch ist man zu ängstlich, um Pionier zu sein. To be continued.

Wie finde ich einen lukrativen Nebenjob?

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Ich brauchte Geld. Möglichst viel, und möglichst schnell. Im Studium waren meine Kassen und Konten so leer wie nie zuvor und die Herausforderung, zwischen Seminaren und Hausarbeiten Zeit für einen Nebenjob zu finden, groß. Es galt, eine lukrative Arbeit zu finden, die es mir trotzdem noch erlaubte mein erträumtes Studentenleben zu leben.

Ich wollte also: Einen fairen Deal, was Leistung und Entlohnung angeht und wenigstens ein kleines bisschen Spaß. Gar nicht so einfach. An die guten Jobs, denkt man immer, kommt ja eh nur durch Kontakte. Sucht man selbst, endet das häufig beim Klassiker aller Nebenjobs: der Bedienung im Café, in der Bar oder im Restaurant. Klar, auch das kann ein Superjob sein – so lange man nicht nur die Mittagsschichten bekommt, der Stundenlohn nicht unter 8 Euro beträgt und das Trinkgeld nicht von den einzelnen Mitarbeitern behalten, sondern im Team aufgeteilt wird. Leider ist das nur selten der Fall.

Doch das Gute ist: Gastro ist ja nicht die einzige Branche im Nebenjobgeschäft. Es gibt reichlich andere, auch unkonventionellere Verdienstchancen. Aber auf die muss man erst mal kommen. Einige von ihnen stellen wir hier vor:

Entertainer
Vor allem Vergnügungsparks suchen ständig Aushilfen in allen denkbaren Parkbereichen, zum Beispiel an den Kassen und in den Shops. Die meisten Parks vergeben zudem einen ganz besondern Job, etwa der niedersächsische „Heide Park Soltau“. „Beliebt bei Schülern und Studenten ist der Job als Maskottchen“, sagt Ramona Voet, PR-Mitarbeiterin des Parks. „Unser ‚Wumbo’ begrüßt unsere Gäste am Eingang und ist vor allem bei Kindern extrem beliebt. Auch in unserem Piratenhotel ist ‚Wumbo’ unterwegs - dann im Seeräuber-Outfit.“

Fahrradfahrer
Kennen wir alle: Fahrradtaxi. Kennen wir noch nicht: Fahrradtaxifahren. Und das geht so: Wir können uns online bei einem Fahrradtaxianbieter (z.B. fahrradtaxi-hannover.de) bewerben. Klappt alles, muss man ca. fünf Euro Tagesmiete für das Fahrradtaxi bezahlen, und los geht’s. Für den ersten gefahrenen Kilometer jeder Fahrt gibt’s 5 Euro, für die nächsten jeweils drei. Laut Anbietern liegen die Verdienste von Fahrradtaxifahrern zwischen 25 und 250 Euro am Tag.

Mitanpacker
Ist man weniger auf Geld aus als auf einen Gratis-Sommertrip, kann man bei vielen bekannten Musikfestivals in ganz Deutschland als Lotse anfangen. In der Regel ist das ganz attraktiv: Man hilft beim Auf- und Abbau, bei der Dekoration, der Verkehrsregelung, beim Recycling. Jeden Tag ein paar Stunden. Dafür kann man das Festivalgelände die gesamte Zeit nutzen. Bewerbungsformulare gibt’s auf den Festival-Homepages.

Lehrer
Nachhilfe ist nach wie vor sehr gefragt. Schon längst machen deshalb Nachhilfeorganisationen mit Schülern wie Lehrern prima Geschäfte: Schüler suchen Hilfe und werde an studentische Nachhilfelehrer vermittelt. Die verdienen zwischen 10 und 25 Euro pro Stunde, müssen allerdings eine einmalige Pauschale pro Schüler für die Vermittlung an die Organisationen zahlen (beträgt meist rund 20 Euro). Unabhängiger geht’s natürlich per Selbstaushang am Uni-Brett, durch Anrufe bei den lokalen Schulen, einen Blick in die Zeitungen und Stadtmagazine. Ist billiger. Und unabhängiger.

Spender
Blut spenden geht immer, bringt aber nicht viel ein. Po Spende zwischen 20 und 30 Euro. Schon mehr gibt’s für umfangreichere medizinische Dienste, etwa die Teilnahem an Studien. Diese sollten jedoch von seriösen Instituten durchgeführt und die Teilnehmer über sämtliche Risiken aufgeklärt werden. Ein Beispiel: Asthmatiker werden regelmäßig für die Forschung gesucht, bekommen für Testbeteiligungen teils dreistellige Aufwandsentschädigungen und einen Gratis-Gesundheitscheck obendrauf. Die Jungs, die ganz schnell an ganz viel Geld kommen wollen, können Samen spenden. Sechs volle Becher, abgegeben in einer Woche, bringen bis zu 400 Euro, womöglich aber auch das ein oder andere Kind auf die Welt.

Natürlich gibt es auch Skurrilitäten unter den Nebenjobs. Wühlt man sich online lange genug durch Anzeigen, stößt man auf Tätigkeiten à la Golfballtaucher, Geisterbahnerschrecker, Vogelvertreiber auf Flughafenrollfeldern und Schlussmacher. 

Erik Brandt-Höge, 32, war im Laufe seiner Studienzeit Kellner, Koch, Umzugshelfer, Nachhilfelehrer, Telefonist, Pflegekraft und Animateur. Seinen Traum-Nebenjob bekam er leider nie: Er wollte Werdi, die Möwe, werden, das Maskottchen seines Heimat- und Lieblingsfußballvereins Werder Bremen. Jeden Samstag wollte er vom Tribünendach ins Stadion fliegen, die Spiele hautnah erleben und seine Helden abklatschen, wenn sie Tore schossen. Hat sich leider nie ergeben. 

Fünf Tipps für gute Nebenjobs:

1. Seriosität. Stellenausschreibungen verraten viel über Arbeitgeber und Arbeitsklima. Besonders hohe Verdienstmöglichkeiten sind oft nur ein mieser Köder für einen noch mieseren Nebenjobdeal.

2. Angemessenes Verhältnis zwischen Arbeit und Bezahlung. Auf keinen Fall sollten wir uns als Kellner für weniger als 8 Euro die Stunde die Hacken wund laufen.

3. Spaß. Wer in der vorlesungsfreien Zeit vor allem die klammen Kassen aufgefüllt hat, startet eh schon erschöpft ins nächste Semester. Wenn die Nebenjobs dann auch noch alles, aber keinen Spaß gemacht haben, wird der Uni-Start umso schwerer.

4. Eigeninitiative. Wir müssen was tun, bevor wir was tun. Gute Nebenjobs fliegen uns nicht zu. Wir müssen nach ihnen suchen, fragen, recherchieren. Freunde, Bekannte, Geschwister können helfen. Wir können auch alleine los und durch die Straßen ziehen, Unis und Schulen und Läden abklappern. Lohnt sich so oder so.

5. Nach der Arbeit wird gerechnet. Bei einem Monatslohn unter 325 Euro können wir uns vom Finanzamt eine Freistellungsbescheinigung ausstellen lassen, bekommen unseren Lohn also steuerfrei. Bei einem Lohn über 325 Euro monatlich brauchen wir bei Jobantritt eine Lohnsteuerkarte, müssen allerdings bis zu einem Monatsbruttolohn von 863 Euro auch keine Lohnsteuer zahlen.

Nackt beim ersten Date

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Was passiert, wenn zwei Nackte sich daten?
Die Bildzeitung hat in den letzten Wochen ziemliche viele Sommerlöcher mit der niederländischen Datingshow "Adam zkt Eva" ("Adam sucht Eva") gefüllt: In der Reality-Sendung treffen jede Folge nackte Singles auf einer einsamen Insel aufeinander, natürlich begleitet von der Kamera. In den USA läuft das Format ebenfalls ("Dating naked"), allerdings will das Sendekonzept dort nicht so richtig funktionieren: Wegen des strengen Jugendschutzes sind die Kandidaten bei der Ausstrahlung an den entscheidenden Stellen verpixelt. Das nimmt dann den ganzen Gag, wie man in folgendem Video sehen kann (so ähnlich, wie wenn man das Lied "Fuck you" von Lily Allen in der "Clean Version" hört).
http://www.youtube.com/watch?v=eVKZyt8B0I0

Die NY-Mag hat aus diesen abstrusen Begegnungen übrigens sehr schöne GIFs gemacht
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[plugin imagelink link="http://pixel.nymag.com/imgs/fashion/daily/2014/07/18/dating-naked-gifs/Hammock.o.jpg/a_3x-horizontal.jpg" imagesrc="http://pixel.nymag.com/imgs/fashion/daily/2014/07/18/dating-naked-gifs/Hammock.o.jpg/a_3x-horizontal.jpg"]
[plugin imagelink link="http://pixel.nymag.com/imgs/fashion/daily/2014/07/18/dating-naked-gifs/ball1.o.jpg/a_3x-horizontal.jpg" imagesrc="http://pixel.nymag.com/imgs/fashion/daily/2014/07/18/dating-naked-gifs/ball1.o.jpg/a_3x-horizontal.jpg"]

Neues Genre: Mexikanischer Abtreibungs-Rap
Vergesst Lady Bitch Ray: Die mexikanische Rapperin Luisa Velázquez, aka "Menstruadora" betextet in ihrem neuen Song, wie man selber ein Kind abtreibt. Hintergrund: In Mexiko sind Abtreibungen illegal, das Medikament Misoprostol, mit denen man bis zu einem bestimmten Monat noch einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen kann, allerdings nicht. Deshalb singt Menstruadora Zeilen wie "This is a rap for abortions / it'll work for 8 out of 10 / you can try it / it's effective / are we all ready? / We will abort!" (Den ganzen Text hat Jezebel übersetzt). Ist natürlich kalkuliert-zynisch, Menstruadora will damit Entscheidungsfreiheit für die Frauen in ihrem Land erwirken. Ihre zweite Mission ist übrigens die stärkere Verbreitung von lesbischem Sex...

Statistische Auswertung aller Ausreden
Man kann es auch übertreiben mit dem "alles Wichtige schriftlich festhalten". Eine entsetzte Ehefrau hat jetzt eine Mail ihres Mannes auf reddit gestellt, in der er alle ihre Ausreden, warum sie keinen Sex haben können, festgehalten hatte. Fazit: Dreimal im besagten Monat waren ihre Ausreden wohl nicht gut genug...
[plugin imagelink link="http://images.dailystar-uk.co.uk/dynamic/1/photos/968000/127968.jpg" imagesrc="http://images.dailystar-uk.co.uk/dynamic/1/photos/968000/127968.jpg"]

Deutschland ist nicht nur Weltmeister...
... sondern auch Rekordhalter im FKK! Einer Expedia-Studie zufolge haben sich 28 Prozent der Deutschen schonmal nackt gesonnt, an zweiter Stelle folgen, natürlich, die Nachbarn aus Österreich. Wenig überraschend: Auf dem letzten Platz sind die Japaner.

Paaren sich zwei Mitglieder von One Direction im Wolfsrudel und gebären einen Vampir...
Der Sex-Trend "Knotting" hat überraschenderweise nichts mit Bondage zu tun, sondern mit Fan-Fiction und (Achtung!) Wölfen! Die haben an ihrem Penis nämlich einen Bulbus Glandis, eine Art Knoten, mit dem sie sich beim Geschlechtsverkehr im Weibchen einhaken können, bis die Besamungsnummer durch ist. Beim "Knotting" stellen sich die schreibfreudigen Fans dann vor, ihre Idole würden in einer Wolfshierarchie leben (also zum Beispiel Sherlock Holmes, Mitglieder der Boyband "One Direction" oder die Twilight-Menschen) und sich so dann auch paaren und fortpflanzen. Dass es diese... ähm... interessanten (?) Fanatasien überhaupt gibt, kam jetzt bei der tumblr-Konferenz "Dash Con" zu Tage. Dort wurde ein Minderjähriger versehentlich in so einem "Knotting"-Forum zugelassen und war recht irritiert, was er dort vorfand...

Zum Schluss noch die Blau- und Rotlichtmeldungen

  • In South Carolia wurde eine Frau dabei erwischt, wie sie versuchte, einen Vibrator bei der Kette Spencer's zu klauen. Dabei hatte sie für das Spielzeug ein wirkliches gutes Versteck gefunden: Es lag hinter ihrem Baby im Kinderwagen.

  • Eine Frau aus Michigan hat ihren Mann nach 15 Jahren Beziehung erschossen, weil er ihrem Empfinden nach beim Sex nicht genug ejakulierte. Das sah die Frau wiederum als Beweis dafür an, dass er eine Affäre habe und schoss ihm in den Bauch.

  • Sexspielzeug-Piraterie wird ein immer größeres Problem: Immer mehr chinesische Anbieter verkaufen online Billigplagiate von Markenspielzeug. Anders als bei, sagen wir jetzt mal, raubkopierten Pornos ist hier allerdings nicht das Urheberrecht das Problem: Stattdessen werden die Spielzeuge oft als etwas anderes angepriesen, als sie eigentlich sind (so genau wollen wir uns das nicht vorstellen) und enthalten oftmals giftige Stoffe. Pfui.

Was mir das Herz bricht: einsame Demonstranten

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Knack!

Sie haben sich das bestmögliche Publikum gesucht, die zwei Jungs: vor der Filmhochschule in München, wo an diesem Abend ein Vortrag mit Diskussion über Edward Snowden und die diversen Geheimdienste geplant ist. Wer an diesem 25 Grad warmen Sommerabend statt im Biergarten in einem Vortragssaal sitzen will, muss interessiert sein am Sujet! Sie haben sich gut vorbereitet: Sie haben zwei dicken Packen Flyer dabei, auf denen weitere Demos und Aktionstage angekündigt werden, und sich Schilder so groß wie Umzugskartons und mit der Aufschrift „#StopWatchingUs“ um die Hälse gehängt. Aber niemand achtet auf die zwei – in Ziffern: 2 – einsamen Demonstranten vor der Filmhochschule. Dabei meinen sie es doch so gut.  

Die Last der Schilder zieht an ihren Hälsen und auch an ihren Mundwinkeln, ich glaube nur deswegen, weil sie allein sind. Die zwei einsamen Demonstranten haben an alles gedacht, alles richtig gemacht, und trotzdem achtet keiner auf sie. Keiner nimmt sie ernst. Denn Demonstrationen funktionieren über die Masse. Ohne sie funktioniert kein Protest. Dieser Anblick bricht mir das Herz.

Demonstrationen sollen auf Missstände aufmerksam machen, sie sollen zeigen: Da ist ein Teil der Gesellschaft für oder gegen etwas. Und wenn dieser Teil nicht auf die Straße geht – oder eine Online-Petition unterzeichnet – wird niemals irgendjemand davon mitbekommen, besonders nicht die, die etwas daran ändern könnten. Deshalb stehen die beiden heute hier, mit ernster Miene. Es ist auch ein ernstes Thema. Zeitgleich heben sie die Hand mit den Flyern, um sie den ersten, die auf die mächtigen HFF-Türen zugehen, zu überreichen. Sie drücken sie ihnen nicht einfach beiläufig in die Hand, wie Studenten das mit Fitness-Studio-Flyern an der U-Bahn-Treppe tun. Sie gehen behutsam vor, damit die anderen stehenbleiben. Keiner bleibt keiner.  

Ich nehme einen Zettel, nein zwei, von jedem einen, nur damit sie nicht mehr so traurig schauen und damit das Knacken in meinem Herzen ein bisschen leiser wird. Nichts ist so schlimm wie etwas gut Gemeintes, das niemand haben will, und wenn man mit seiner Meinung ganz allein ist auf der Welt. Oder wenn es sich zumindest so anfühlt.  

Es gibt natürlich auch einsame Demonstranten, die mir nicht das Herz brechen. Die erstaunlich jungen Menschen, die in der Innenstadt meist zu dritt mit gratis Mitgliederzeitschriften und Bibelauszügen für ihre jeweilige Sekte werben zum Beispiel. Die Zeugen Jehovas sind meistens dabei. Ein Sekten-Magazin habe ich noch nie mitgenommen, nicht mal aus Mitleid. Oder die einsamen Gewerkschaftler, die manchmal in der Fußgängerzone stehen und für die sich niemand interessiert, weil alle um sie herum mit Besorgen, Essen oder Trinken beschäftigt sind und sich, bevor sie dem Gewerkschaftler zuhören würden, eher noch dem seltsamen Typen zuschauen, der mit einem super Gurkenhobler Gurken hobelt und das laut kommentiert. Die Sektenmitglieder, die Gewerkschaftler, auch der Gurkenhobler, der meistens auch einsam ist, sie werden fürs Einsamsein wenigstens bezahlt. Da ist es fast egal, ob sie hinter dem stehen, für das sie hier stehen.  

Die Tragik der einsamen Demonstranten liegt in ihrer Überzeugung. Oder darin, dass sie vergessen haben, die Demo anzumelden und deswegen allein herumstehen. Aber ihre Überzeugung allein hat sie hierher gebracht. Die braucht es, um für etwas auf die Straße zu gehen. Und um auf dieser alleine stehenzubleiben, braucht es noch etwas mehr davon.  

Als ich nach der Veranstaltung wieder rausgehe, stehen die zwei immer noch da. Die Packen Flyer sind in der Zwischenzeit nur unwesentlich dünner geworden. Ich stopfe schnell die Zettel in meine eigentlich viel zu kleine Tasche und nehme noch einen dritten Flyer. Und einen vierten auch.

Tagesblog am 23. Juli 2014

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18:13 Uhr: Bäm, jetzt machen wir hier noch mal vorfeierabendliches Textfeuerwerk. Nach dem starken Österreich-Tobak hier zum Hinübergleiten in die schöne Feierabendstimmung noch Julia und ihre Straße. Am liebsten würd ich jetzt auch in das israelische Restaurant gehen, von dem sie erzählt. Neulich dagewesen, Humus mit Hackfleisch gegessen. Bester Munchie-Töter ever! Und damit sag ich Wiedersehen und verabschiede mich für drei Tage in die Berge.




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17:58 Uhr:
Ihr werdet es mitbekommen haben: Gestern ist ein deutscher Student in Wien verurteilt worden, weil er „Landfriedensbruch“ begangen haben soll. Das Urteil ist sehr umstritten. Was das alles für die Zukunft heißt, hat Kathrin mit Prozessbeobachtern und einer Verfassungsrechtlerin besprochen. Lesenswert!


(Foto: dpa)

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16:53 Uhr:
Ich teile niemals Katzenbilder. Heute mache ich eine Ausnahme. Weil ein US-Professor namens Owen Mundy ein schlaues Projekt ins Leben gerufen hat: „I know where your cat lives“.



Die Webseite zeigt: Katzenbilder mögen zwar harmlos bis lustig aussehen, sie verraten aber viel mehr über ihre Besitzer, als diese wahrscheinlich vermuten. Iknowwhereyourcatlives.com sammelt mit dem Wort „Cat“ getaggte Bilder von Seiten wie Flickr und Instagram, zieht automatisch Daten, die verraten, wo diese Bilder aufgenommen wurden, und baut daraus eine Weltkarte der Katzenbilder. Viele moderne Kameras, vor allem die in Smartphones, speichern Positionen in den Metadaten der Bilder, und zack, kann jeder, der mit ausreichenden technischen Skills ausgestattet ist, sehen, wo die Katze wohnt. Mundy schreibt:
„This project explores two uses of the internet: the sociable and humorous appreciation of domesticated felines, and the status quo of personal data usage by startups and international megacorps who are riding the wave of decreased privacy for all.“

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16:35 Uhr:
Nase! Mehr sog i ned.

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15:44 Uhr:
Weil das mit den hübschen Stadionbildern nicht geklappt hat, musste ich vorhin - fixlujanoamoi! - sehr wütend sein. Die liebe Nadja hat mich besänftigt und mir kopftätschelnd zwei Bilder rübergemailt. Von damals, als wir Zeuge werden durften, wie das SZ-Bandplakat, über das ich weiter unten schon gebloggt habe, aufgenommen wurde.



Foto-Shooting, von oben.


Erstaunte jetzt-Redaktion, von seitlich unten.

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15:24 Uhr:
In Berlin, aber auch in anderen deutschen Städten gehen Menschen auf die Straße, um gegen die Angriffe Israels auf Gaza zu demonstrieren. Dabei wurden auch immer wieder antisemitische Parolen gerufen. Die Berliner Polizei war kritisiert worden, weil sie antisemitische Parolen zwar auf einer Demonstration am vergangenen Donnerstag gehört hatte, aber nicht eingeschritten war.  

Aus diesem Anlass hat Charlotte bei Armin Langer angerufen. Er wohnt in Neukölln und ist Gründer der Initiative „Salaam Schalom“, die sich dafür einsetzt, dass Juden und Moslems in seinem multikulturellen gut miteinander auskommen – auch in turbulenten Zeiten wie diesen. Hier lang zum Interview!



Armin Langer (zweiter v. r.) ist Gründer der Initiative "Salaam Schalom" (Foto: Gregor Zielke)

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13:44 Uhr:
Notizen vom gerade abgehaltenen Mittagessen der jetzt-Redaktion:
  • Diskussion: Wie lautet die Tätigkeit, wenn man per Hand oder per Zahn die letzten Reste eines Hendls vom Knochen löst? Fieseln? Stremmel und die Bitzlkathi sagen: ja, fieseln, das stimme. Ich behaupte, das Fieseln ist eine rein manuelle Angelegenheit. Wer dem Hühnerrest mit den Zähnen zu Leibe rückt, der nagt. Das Frollein Schlüter warf dann noch das "Piddeln" in den Raum. Das werde ebenfalls händisch durchgeführt, sagt sie und schickt zwecks Beweis noch diesen Link hinterher. (Vorsicht, nur lesen, wenn man schon gegessen hat).

  • Lacher: Nadja versteht des Haunhorsts Zeichensprache nicht, im Gegensatz zu allen anderen am Tisch. Daraufhin großes Schlütersches Unwohlsein.

  • Fehler: Zu viel Chilipulver auf den Flammkuchen streuen.


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12:24 Uhr:
Die Fußball-WM ist jetzt seit mehr als einer Woche vorbei. In Brasilien bleibt davon eine Menge Trauer und Enttäuschung über das Abschneiden der eigenen Mannschaft – und nagelneue Stadien, die viel Geld gekostet haben, aber jetzt zum Teil nicht mehr gebraucht werden, weil sie mitten im Dschungel stehen, wo nur ein unterklassiger Verein kickt.  

Zwei Architekten von 1 Week 1 Project haben einen Vorschlag, wie man die Stadien jetzt zweckentfremden könnte. Nur in Bildern, und bestimmt noch nicht bis ins letzte Detail durchgeplant, aber die Richtung, in die da gedacht wird, finde ich beeindruckend.

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11:59 Uhr:
Nadja hat euch ja gestern schon mit in den Aufzug genommen. Das schmucke Sommerfestplakat, ihr erinnert euch. Ich führe das jetzt weiter, mit einem Bild aus Aufzug A, und selbstverständlich auch ohne jeglichen Kommentar: Die SZ-Band rockt für die Leser.



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11:18 Uhr:
Man fragt sich ja manchmal schon, wie NSA- und CIA-Agenten aussehen. Wie Snowden mit schlecht geschnittenem Hemd? Oder doch eher so Hollywood-mäßig? Oliver Bienkowski sagt, er hat am Wochenende welche gesehen. Da hat er nämlich ein sehr großes Bild von Obama an die Wand der Berliner US-Botschaft projiziert, und der Spruch daneben hat den Leuten da drinnen verständlicherweise nicht gefallen. Also haben sie ein paar Agenten in einen Passat gesetzt und losgeschickt. Hier geht's zum Interview mit Lichtkünstler Oliver Bienkowski.




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10:52 Uhr:
Frohe Kunde aus der Welt der Musik: Chilly Gonzales und Boys Noize haben sich zusammengetan. Octave Minds  heißt das Projekt, und dabei soll ein ganzes Album herauskommen. Und: Es gibt auch schon Hinweise darauf, wie sich das in etwa anhören könnte – in Form eines ersten Tracks.

https://soundcloud.com/octave-minds/octave-minds-in-silence/s-du80G

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9:50 Uhr:
Normalerweise sieht man Graffiti auf Zügen. Und nicht drunter. Obwohl auch das sehr schön sein kann, wie diese Aktion des portugiesischen Streetart-Künstlers "Bordalo II" beweist. (Randbemerkung: In Portugal posen sogar die Graffiti-Menschen in Ronaldo-Freistoß-Stellung)

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(via woostercollective.com)
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9:29 Uhr:
Kurz vor halb Zehn, die Croissant-Krümel sind vom Schreibtisch gefegt, Zeit für ein bisschen Nachrichten und Lesetipps aus der heutigen SZ.

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8:30 Uhr:
Guten Morgen aus dem heute mal nicht regenbetrommelten SZ-Hochhaus! Ein Sound war das die vergangenen Tage, da können die Bongospieler im Park einpacken! Während ich mich also innerlich noch weiter abtrockne und mir die Haare föne, könnt ihr schon mal den heutigen Ticker lesen. Thema: Angebereifotos von guten Taten, anlässlich des Tumblr "Humanitarians of Tinder".



Vier gewinnt

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1. Die strenge Kultur

Karl Albrecht galt als strenggläubiger Katholik, der seine Überzeugungen zum Teil auch in das Unternehmen trug. In der Branche ist Aldi dafür bekannt, seinen Managern viele Freiheiten zu lassen, aber sehr großen Wert auf Verlässlichkeit zu legen – bis hinein ins Private. So soll es nicht gern gesehen sein, wenn Top-Führungskräfte nicht in einer intakten Beziehung leben und dies nach außen hin deutlich wird.
Der typische Karriereweg bei Aldi fängt ganz unten an, Externe haben kaum eine Chance, bis in die oberste Führungsebene aufzusteigen.



Hüllt sich in Schweigen: Der Aldi-Konzern, hier das Schild einer Kölner Filiale

Wer in dem Unternehmen etwas werden will, darf sich nicht zu schade sein, anfangs auch mal an der Kasse zu sitzen oder Regale einzuräumen. Dafür bekommen Nachwuchskräfte jedoch sehr schnell große Verantwortung übertragen: Hochschulabsolventen sind bereits nach einem Jahr Traineeprogramm für rund sechs Aldi-Filialen verantwortlich. Auch die Bezahlung ist für die Branche überdurchschnittlich, Zeitarbeiter gibt es kaum. Allerdings gibt es auch keine Betriebsräte. Die Führungsstruktur ist klar hierarchisch: Ein Regionalleiter kommuniziert mit seinem nächsten Untergebenen. Dass er bei einem Filialbesuch mit einer Kassiererin spricht, gilt als undenkbar. Berüchtigt ist Aldi für seine Geheimniskrämerei in jeder Hinsicht: Gesicherte Unternehmenszahlen gibt es kaum, selbst der Tod des Firmengründers wurde erst nach fünf Tagen bekannt.


2. Die klare Strategie

Nach Branchenschätzungen kommt Aldi Süd weltweit auf mehr als 30 Milliarden Euro Umsatz und einen Nettogewinn von zuletzt 1,5 Milliarden Euro. In Deutschland gibt es laut Handelsforschungsinstitut EHI 1830 Aldi-Filialen südlich der Ruhr, wo die Grenze zwischen Aldi Nord und Aldi Süd liegt. Groß geworden sind die Gebrüder Albrecht mit der konsequenten Umsetzung ihrer Discount-Idee, also der Beschränkung aufs Wesentliche: wenig Auswahl, wenig Service, wenig Ausstattung. Daher liegen die Kosten um etwa ein Drittel unter denen eines herkömmlichen Supermarktes. Während dort um die 20000 Artikel zu finden sind, kommen die Discounter mit rund 2000 Produkten pro Markt aus. Da sie diese dann wiederum in höheren Mengen abnehmen können, verfügen Aldi & Co. gegenüber ihren Lieferanten über eine sehr starke Verhandlungsposition. Die niedrigeren Einkaufspreise können die Discounter damit an ihre Kunden weitergeben und viele Produkte billiger anbieten als die Konkurrenz. Mit dieser Strategie wurde Aldi zur Preis-Instanz für den gesamten deutschen Lebensmittelhandel. In den letzten Jahren erweiterte das Unternehmen allerdings seine Sortimente, baute Kühltheken und Obstauslagen in die Läden ein, jüngst sogar Backautomaten.

Der Aufbau der Läden ist fast überall gleich. Auch das senkt die Kosten und vermittelt dem Kunden das Gefühl, sich überall sofort auszukennen. Lange Zeit hatte sich Aldi zudem darauf verlassen, dass die Kunden sich am Billig-Ambiente der Märkte nicht stören. Doch inzwischen kauft auch der Aldi-Kunde nicht mehr aus dem Pappkarton – wie in jedem Supermarkt liegen die Waren meist im Regal.
Um sich neue Kundenschichten zu erschließen, kamen zuletzt auch immer mehr Markenprodukte in die Regale, selbst klassische Luxusartikel wie Champagner oder Lachs sind mittlerweile fester Bestandteil des Sortiments. Damit dringt Aldi seit einigen Jahren in die Kernsortimente der Supermärkte vor. Zuletzt eröffnete Aldi sogar einen Markt auf einer der teuersten Einkaufsstraßen Deutschlands, der Düsseldorfer Königsallee. Bestückt ist der Markt wie jeder andere.

Erfolgreich ist Aldi auch außerhalb Deutschlands. Mehr als die Hälfte des Umsatzes stammt inzwischen aus dem Ausland. Allein in den USA macht Aldi Süd rund sechs Milliarden Euro Umsatz.


3. Die Marktmacht

Aldi Süd und Aldi Nord sind in Deutschland laut Forschungsinstitut EHI mit insgesamt knapp 24 Milliarden Euro Umsatz klarer Marktführer. Mit einigem Abstand folgt die Lidl-Gruppe, die auf 16,5 Milliarden Euro Umsatz kommt. Recht weit abgeschlagen sind die übrigen Discounter Netto (Edeka-Gruppe), Penny (Rewe) und andere. Fast jeder zweite Euro im Lebensmittelhandel fließt in die Kassen der Discounter. Aldi Süd allein kommt auf einen Marktanteil von 8,5 Prozent – obwohl die Kette im Norden Deutschlands gar nicht vertreten ist.

Die Marktmacht der Discounter bei Standardartikeln wie Butter oder Milch ist in Deutschland so groß, dass Konkurrenten es selten einmal wagen, die Preise der Billiganbieter doch zu unterbieten. Den letzten Versuch startete Real vor wenigen Monaten: Die Metro-Tochter hat eine Eigenmarke etabliert, die Pasta billiger anbietet als Aldi.


4. Die Familie im Hintergrund

Karl Albrecht hinterlässt einen Sohn, Karl junior, und eine Tochter, Beate. Der Erstgeborene hat seinen Verzicht auf ein herausgehobenes Amt bei Aldi Süd vor vier Jahren bereits öffentlich verkündet: „Innerhalb von 30 Jahren bin ich dreimal schwer an Krebs erkrankt. Nach der dritten Erkrankung im Jahr 2004 habe ich mich aus dem aktiven Berufsleben zurückgezogen.“ Tochter Beate, ihr Ehemann Peter Heister und Sohn Peter Max Heister hingegen sitzen im Beirat, dem höchsten Kontrollgremium von Aldi Süd. Der Enkel dürfte in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen, erwarten Insider.

Die Albrecht-Nachfahren lassen sich im Beirat zudem von drei familienfremden Managern beraten: Ex-BASF-Chef Jürgen Hambrecht, Allensbach-Chefin Renate Köcher und Wirtschaftsprüfer Jost Wiechmann.Wichtigste Aufgabe des Beirats ist die Überwachung des Vorstands, Koordinierungsrat genannt. Sprecher ist Norbert Podschlapp, der als Zögling des verstorbenen Karl Albrecht gilt und zugleich auch für das Amerika-Geschäft zuständig ist.

Auf ähnlich lange Aldi-Karrieren können seine Kollegen im Top-Management, Michael Klöters und Robert Ochsenschläger, zurückblicken. Ein vierter Koordinierungsrat, Frank Lutz, war von außen gekommen und hatte sein Amt nach kurzer Zeit wieder niedergelegt.

Im Land der begrenzten Möglichkeiten

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Vor ein paar Wochen ist Joris Evers ein bisschen durch Deutschland gereist, um die Erwartungen zu senken. Evers, ein sehr aufgekratzter Niederländer, trägt den schönen Titel „Director Corporate Communications“ und ist bei einem Unternehmen angestellt, dessen Name alleine schon für viele Menschen einer Art Heilsversprechen gleichzukommen scheint. Joris Evers arbeitet bei Netflix, dem Streaminganbieter aus Kalifornien, der nun endgültig seine Reise um die Welt antritt.



Das Streaming-Unternehmen Netflix will nun auch den deutschen Markt erobern

Am Montag hatte das Unternehmen nicht nur seine Quartalszahlen verkündet, sondern auch seinen Starttermin für unter anderem Deutschland, Österreich und Frankreich konkretisiert. Von diesem Herbst war bislang die Rede gewesen, jetzt hat Netflix den Monat September genannt. Dass allein dieses kleine Detail das Netz zum Hyperventilieren brachte, zeigt, wie übergroß die Erwartungen an Netflix und sein Angebot sind.

Joris Evers gab in Deutschland keine Interviews, das Treffen mit ihm in einem Münchner Hotel sollte vielmehr eine erste Begegnung sein zwischen deutschen Medien und der kalifornischen Verheißung vom besseren Fernsehen. Doch obwohl Evers viel sprach und eigentlich nichts sagen wollte, konnte man eines doch sehr deutlich heraushören: Genau diese großen Erwartungen, der Hype um die Macher von House of Cards, scheint ein paar Manager am Firmensitz in Los Gatos doch auch ein bisschen nervös zu machen.
Wenn Netflix auf den deutschen Markt kommt, hat das Programmangebot grundsätzlich erst einmal nichts mit dem amerikanischen Angebot zu tun. Ausstrahlungsrechte müssen für jedes Land einzeln eingekauft werden – sehr plastisch lässt sich die Problematik für Netflix daran erkennen, dass man ausgerechnet die neuen Folgen der Politserie House of Cards nicht wird zeigen können. Die Rechte dafür hat Netflix an den deutschen Bezahlsender Sky verkauft – in einer Zeit natürlich, als die eigenen Pläne für den deutschen Markt noch sehr viel unkonkreter waren.

Jetzt will man hier mit viel Tamtam an den Start gehen und Frank Underwood, der berühmteste Serienheld von Netflix, intrigiert anderswo. Ideal ist anders. Bei neuen eigenen Serien, dem Comic BoJack Horseman etwa, der Science-Fiction-Serie Sense8 mit dem deutschen Schauspieler Max Riemelt oder dem neuen Projekt des Damages-Autorentrios, wird Netflix mit seinen Rechten vermutlich etwas geiziger sein.
Seit Monaten schon ist Netflix in ganz Deutschland unterwegs und spricht mit Rechtehändlern – es geht jetzt darum, ein möglichst attraktives Paket für den deutschen Dienst zusammenzustellen. Nur ein Bruchteil des Netflix-Angebots, auch in den USA, besteht aus eigenen, extra für das Portal produzierten Serien oder Dokumentationen, etwa zehn Prozent seines Budgets gibt man in Los Gatos derzeit dafür aus – Tendenz aber steigend. Der große Rest im Angebot setzt sich aus Sendungen anderer zusammen, für die man Lizenzgebühren bezahlt. Zum Teil sind das Filme oder Serien, die zuerst bei Netflix zu sehen sind – zum größten Teil aber sind die Programme älter oder sehr alt und in allen möglichen digitalen und tatsächlichen Videotheken verfügbar.

Auch für Deutschland muss jetzt ein Mix gefunden und eingekauft werden, in großen Marktanalysen wird deshalb geprüft, was die Deutschen gern im Kino, im Fernsehen oder auf illegalen Streamingportalen ansehen. Noch ist also völlig unklar, womit genau Netflix in September an den Start geht – und ganz bestimmt wird das Angebot erst im Laufe der ersten Monate nach und nach wachsen. Von Tag eins an wird Netflix ganz bestimmt nicht die Fernsehträume all derer erfüllen können, die in dem amerikanischen Streamingdienst eine Art gerechte Strafe Gottes für das deutsche Gebührenfernsehen und seine verschnarchte Programmpolitik sehen.

Klar ist wohl auch den Netflix-Chefs aus Kalifornien, dass Deutschland kein einfacher Markt ist. Zum einen gibt es hier (trotz aller Kritik) ein vergleichsweise sehr großes und gutes Fernsehangebot von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern mit vielen deutschen Eigenproduktionen und zahlreichen US-Serien. Pay-TV ist hierzulande traditionell ein eher kleiner Markt, auch wenn er wächst. 2013 stieg der Pay-TV-Umsatz in Deutschland erstmals über zwei Milliarden Euro. Sky ist mit HBO-Serien, Hollywoodfilmen und der Bundesliga gerade dabei, den Deutschen das Bezahlfernsehen beizubringen. Netflix kostet in den USA 7,99 Dollar im Monat und wird auch hier viel billiger sein als Sky (je nach Paket bis zu 46,90 Euro) – wird aber auch mit deren Angebot konkurrieren müssen.

Auch Streamingdienste, kostenlose und kostenpflichtige, gibt es schon viele in Deutschland. Kundenzahlen verraten sie alle nicht, doch Maxdome aus der Pro-Sieben-Gruppe ist nach eigenen Angaben Marktführer. Sie alle – Snap von Sky, Watchever, Videoload oder Amazon Prime Instant Video – kosten weniger als zehn Euro im Monat und haben Tausende Filme und Serienepisoden in der digitalen Videothek. Einen Hype hat es bisher um keines dieser Angebote gegeben.

Regieraum des Lebens

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Wenn Florian Schumacher aufwacht, weiß er mehr über die zurückliegende Nacht als die meisten anderen. Ein Blick auf sein Smartphone oder seinen Tablet-Computer verrät ihm, wie lange er netto geschlafen hat, wie oft er aufgewacht ist, wie viele Tiefschlafphasen er hatte. Und wenn er abends zu Bett geht, weiß er mehr über seinen Tag als der Normalbürger, wie viele Schritte er gegangen ist, wie effektiv sein Training war, wie produktiv er gearbeitet hat, und er kann exakt nachlesen, wie viele Kalorien er zu sich genommen hat.



Dienen der Kontrolle: Die technischen Möglichkeiten der Smartphones wachsen rapide

Schumacher ist ein sogenannter Self-Tracker, ein Selbstvermesser, er sammelt Daten über sich und seinen Körper und nutzt sie, um seinen Alltag besser zu strukturieren und gesünder zu leben. Seine digitalen Werkzeuge trägt er ständig bei sich: Armbänder, die seine Bewegungen aufzeichnen, eine Uhr, auf deren Unterseite zahlreiche Sensoren permanent seine Körperfunktionen messen, Blutdruck, Puls, Stresslevel. Seit vier Jahren nutzt er entsprechende Apps, seit drei Jahren trägt er regelmäßig ein Fitness-Armband am Handgelenk. Er fühle sich jetzt besser als vor dieser Zeit, sagt er heute, und kann sich ein Leben ohne Technologien zur Selbstoptimierung nicht mehr vorstellen. „Unsere Fähigkeit, uns selbst wahrzunehmen, ist in vielen Bereichen begrenzt“, sagt er, „Self-Tracking hilft uns, Zusammenhänge zu entdecken, die uns sonst verborgen bleiben.“ In dieser Wahrnehmung vervollständigt die Technik den menschlichen Körper. Jahrelang hatte das einen experimentellen und spielerischen Charakter. Wer Menschen wie Schumacher zuhört, gewinnt den Eindruck, dass es inzwischen um mehr geht. Um kollektive Optimierung menschlichen Verhaltens. Der technische Fortschritt macht es möglich: Es gibt kaum etwas, das man nicht messen und in Relation zu anderen Daten setzen könnte.

Die Szene, der Schumacher angehört, nennt sich „Quantified Self“ (QS), das in Zahlen gefasste Ich. Dahinter steckt ein weltumspannendes Netzwerk aus Anwendern, App-Entwicklern und Hardware-Anbietern, aus Großkonzernen wie Nike und Apple und Hobbyprogrammierern. Inzwischen tauschen sich die Anhänger der Bewegung in 160 Ortsgruppen in mehr als 120 Städten rund um den Globus aus, bei regelmäßigen Treffen teilen sie ihre Daten und Erfahrungen, ihre Ideen und Projekte. Schumacher war einer der Vorreiter der Bewegung in Deutschland. Der 34-Jährige gründete die erste QS-Gruppe in München, er betreibt die deutsche QS-Internetseite, einen Blog zum Thema, schreibt für Fachmagazine und berät Unternehmen dazu, wie sie Tracking-Lösungen für sich nutzen können.

Wenige Jahre nachdem die ersten Facebook-Freunde mit Smartphone-Anwendungen wie Runtastic auf dem sozialen Netzwerk mitteilten, wie weit, wie schnell und wo entlang sie gejoggt sind, wird der Trend zum Massenphänomen. Jetzt springen die großen Technikfirmen auf den Zug auf: Mit dem neuen mobilen Apple-Betriebssystem, iOS 8, wird die Anwendung HealthKit auf jedem iPhone fest vorinstalliert sein. Sie zeichnet auf Wunsch Daten zu Bewegung, Ernährung und Schlaf auf. Das Programm wird zu einer Entwickler-Schnittstelle, die auf die Daten anderer Gesundheitsapps zugreift. Mit dabei ist die Nutzer-Anwendung Health, die diese Daten bündelt, für den Smartphone-Besitzer aufbereitetund anzeigt. Auf einer digitalen Gesundheitskarte können die Nutzer alle gesundheitsbezogenen Daten auf dem Handy bei sich tragen, etwa ihre Blutgruppe, Allergien, chronische Krankheiten. Ein Notarzt kann sie auch dann einsehen, wenn das Telefon gesperrt ist. Auf der Entwickler-Konferenz WWDC Anfang Juni erklärte Apple, worum es dem Konzern geht: „Diese Plattform ist der Ort, an dem Anwendungen dazu beitragen können, ein zusammenhängendes Profil Ihrer Aktivitäten und Ihrer Gesundheit zu erstellen“, sagte Apple-Manager Craig Federighi auf der Konferenz. Google hat mit seiner Lösung Google Fit Ähnliches vorgestellt, Samsungs Angebot heißt Sami.

Das zentrale Stichwort in Federighis Sätzen lautet „Plattform“. Die gab es nämlich bislang nicht. Es habe ein Ort gefehlt, der die Daten der verschiedenen Armbänder und Apps verknüpft, und das habe die Nutzer eingeschränkt, sagt Schumacher. „Wir erleben jetzt den Aufbruch in ein neues Zeitalter“, ist er überzeugt. So weiß die Kalorien-zähl-App künftig automatisch, wenn der Nutzer mehr Sport gemacht hat, und erlaubt ihm ein zweites Stück Kuchen. Oder das Handy bringt erhöhten Blutdruck mit dem Kaffeekonsum in Verbindung und empfiehlt ein paar Tassen weniger, ohne dass der Nutzer selbst nachschauen muss.
Das sind nur Beispiele für Tausende Möglichkeiten, von denen sich Konzerne wie Apple und Google viel erhoffen. Deren Plattformen sollen zum Regieraum des Lebens werden. Wohl auch deshalb sagen Fachleute dem Self-Tracking-Markt rasantes Wachstum voraus. Die Webseite quantifiedself.com listet bis dato 505 Applikationen und Geräte auf, zwischen denen Self-Tracker wählen können. Die US-Marktforscher von IHS beziffern das weltweite Marktvolumen der sogenannten Wearable Technologies, also am Körper getragenen, vernetzten Geräten, auf bis zu 60 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018. Die 20 populärsten Fitness- und Gesundheitsapps in den USA und Großbritannien seien bislang mehr als 230 Millionen Mal installiert worden. Unlängst schätzten die Technik-Analysten von Gartner, bis in drei Jahren würden diese Geräte für bis zu 50 Prozent der gesamten App-Interaktion von Smartphones sorgen. Schon im kommenden Jahr würden die meisten Anwendungen ohnehin Daten zu Nutzern und deren sozialen Gewohnheiten sammeln, synchronisieren und analysieren.

Dieser Massenmarkt macht auch vor der Arbeitswelt nicht halt. Längst gibt es Beispiele von Unternehmen, die ihre Beschäftigten mit Tracking-Geräten ausstatten, um das Verhalten zu optimieren. Der Ölkonzern BP etwa verschenkte im vergangenen Jahr Fitnessarmbänder an 14000 Mitarbeiter. Wer damit seine Bewegungen aufzeichnen ließ und im Jahresverlauf mehr als eine Million Schritte ging, konnte seinen Versicherungsbeitrag senken. Noch weiter geht das Angebot von Sociometric Solutions, einem Bostoner Start-up: Beschäftigte sollen mit Sensoren und zwei Mikrofonen versehene Zugangskarten tragen, die ihr Kommunikationsverhalten aufzeichnen. Mit den so erhobenen Daten habe Sociometric Solutions schon in mehreren Unternehmen die Leute produktiver gemacht und Umsätze gesteigert, sagte der Gründer vor Kurzem der New York Times.

Aus Quantified Self wird Quantified Employee, der quantifizierte Arbeitnehmer. Die Grenze zwischen Fremd- und Selbstkontrolle verschwimmt zusehends, im Privatleben wie am Arbeitsplatz.

In Deutschland nutzt einer Umfrage des IT-Verbands Bitkom zufolge etwa jeder achte über 14 Jahren ein Tracking-Gerät. Und nicht nur in den USA deutet sich an, was mit der massenhaften Verbreitung der kleinen Geräte möglich wird. Zum Beispiel bei der Gesundheitsvorsorge: Die per App gesammelten Daten sind nämlich auch für Versicherungen und Krankenkassen interessant. So bietet die AOK Nordost ihren Versicherten die Fitness-App Dacadoo für eine Zeit kostenlos an und errechnet aus den aufgezeichneten Werten deren allgemeinen Gesundheitszustand. Ähnliche Angebote gibt es bereits bei der DAK, der Barmer und der Betriebskrankenkasse des Autoherstellers Daimler. Die AOK Nordost betont in diesem Zusammenhang, man erhebe nur anonyme Daten und keine Detailinformationen über einzelne Versicherte – Dacadoo aber erhält diese Daten. Es ist längst nicht mehr undenkbar, die Höhe von Versicherungsbeiträgen an das per App aufgezeichnete Verhalten zu knüpfen.

Die Schriftstellerin Juli Zeh hat sich mehrmals öffentlich gegen die private Datensammelwut gestellt, sie hat vor wenigen Jahren in ihrem Buch „Corpus Delicti“ einen dystopischen Zukunftsstaat geschaffen, in dem Menschen hart bestraft werden, wenn sie nicht den gesetzlichen Gesundheits- und Hygienestandards genügen und ihr Verhalten akribisch dokumentieren. „Quantified Self verabschiedet sich von einer Vernunft, die zum Bestimmen des richtigen Lebens keinen Taschenrechner braucht“, schrieb Zeh in einem Gastbeitrag für den Schweizer Tagesanzeiger. „Selbstvermessung ist das Gegenteil von Selbstvertrauen.“ Wenn es einen optimalen Lebensstil gebe, dann gebe es auch Abweichungen von der Norm, an die sich Belohnung und Strafe knüpfen ließen.

Florian Schumacher teilt diese Bedenken nicht, er weist auf die vielen anderen Lebensbereiche hin, die Menschen bereits heute nicht mehr allein unter Kontrolle hätten. „Heute schon werden wir mit Werbung manipuliert, da könnten zukünftig andere Einflüsse hinzukommen. Hoffentlich“, so sagt er, „mit edleren Motiven.“

Schwerkranke dürfen Cannabis anbauen

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München – Schwer kranke Patienten dürfen die illegale Droge Cannabis im Einzelfall privat anbauen. Das entschied das Kölner Verwaltungsgericht am Dienstag. Allerdings müssen dazu mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: Den Kranken darf keine andere Medizin helfen, Cannabis aus der Apotheke muss für sie unerschwinglich sein, und ihre Wohnverhältnisse müssen den Zugriff von Dritten auf die Droge weitestgehend ausschließen. Der Cannabis-Eigenanbau bleibe im Grundsatz verboten, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Fleischfresser, er könne aber als „Notlösung“ erlaubt werden. Damit gab das Gericht den Klagen von drei Schwerkranken im Alter zwischen 34 und 61 Jahren gegen ein von der Bundesopiumstelle verhängtes Anbauverbot statt. Zwei weitere Klagen wies das Gericht ab. In einem Fall sei die Droge nicht ausreichend gegen Dritte geschützt; im anderen Fall habe der Patient nicht alle medizinischen Alternativen ausgereizt.g



Schwerkranke dürfen Cannabis nur als "Notlösung" anbauen.

Alle Kläger leiden unter schweren chronischen Schmerzen, die sie durch das Rauchen oder Essen von Cannabis erträglich machen. Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge in Deutschland. Weil das Rauschmittel krampflösend, schmerzlindernd und appetitsteigernd wirkt, nutzen es auch rund 4000 Patienten mit Multipler Sklerose, Krebs, Aids oder spastischen Schmerzen. Manche Patienten verwenden Arzneimittel, die nur einzelne Inhaltsstoffe der Hanfpflanze enthalten. Andere geben an, nur von der gesamten Pflanze zu profitieren. Gegen eine Ausnahmegenehmigung können sie diese in der Apotheke kaufen – für 300 bis 600 Euro pro Monat. „Das ist für Schwerkranke oft unerschwinglich“, sagt der Arzt Franjo Grotenhermen von der Arbeitsgemeinschaft „Cannabis als Medizin“. Deshalb möchten sie Hanf selbst anbauen.

Erstmals hat ein Gericht nun die Bundesopiumstelle verpflichtet, dies einzelnen Patienten zu erlauben. Das Urteil gilt als Präzedenzfall. In der Sache bestätigt es frühere Urteile, etwa eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom Juni 2014, wonach der Anbau im Einzellfall möglich sein muss. Das Urteil ließ der Bundesopiumstelle allerdings einigen Ermessensspielraum. Dieser ist mit dem neuen Urteil kleiner geworden. So kann die Behörde Auflagen für den Anbau fordern – etwa Fenster besser abzusichern. Wenn diese Auflagen erfüllt seien, müsse eine Anbaugenehmigung aber erteilt werden, betonte eine Gerichtssprecherin.

Allerdings ist in allen drei Fällen noch Berufung möglich. Das Bundesgesundheitsministerium als Oberaufsicht über die Bundesopiumstelle teilte mit, dass darüber erst auf Basis der schriftlichen Urteilsbegründung befunden werde. Letztlich sei mit einer Klärung beim Bundesverwaltungsgericht zu rechnen, sagte der Anwalt Oliver Tolmein, der einen der Kläger vertritt. Er lobte das Urteil als „liberal und patientenfreundlich“. „Diesen Patienten hilft nichts anderes als Cannabis“, so Tolmein. „Ihnen muss die Möglichkeit gegeben werden, sich dieses anderswo als auf dem Schwarzmarkt zu besorgen.“

Loch im Herzen

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Brüssel/Kiew – Die Europäische Union droht Russland im Ukraine-Konflikt mit einer deutlichen Verschärfung der Sanktionen. Unter dem Eindruck des Abschusses eines Passagierflugzeugs über der Ostukraine beauftragten die Außenminister die EU-Kommission am Dienstag, bis zu diesem Donnerstag „signifikante restriktive Maßnahmen“ in vier Bereichen vorzubereiten. Dabei geht es um Einschränkungen für die Lieferung von Rüstungsgütern und Waren, die neben zivilen auch militärischen Zwecken dienen können. Zudem erwägt die Europäische Union, Finanzsanktionen zu erlassen und die Lieferung von Hochtechnologie auch für die Energiebranche zu beschränken.



Eine Touristin geht in Kuala Lumpur an dem Gedenkplakat für die Opfer des Flugzeugabsturzes vorbei.

Beschleunigt werden soll die von den Staats- und Regierungschefs beschlossene Verlängerung der Liste von Personen, staatlichen Stellen und Firmen, die für die Destabilisierung der Ukraine verantwortlich gemacht und mit Kontensperrungen belegt werden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, Restriktionen im Rüstungsbereich würden wohl nur künftige Verträge betreffen. Frankreich kann demnach einen fast fertigen Hubschrauberträger nach Russland liefern. „In dieser Situation Waffen an die Russen zu liefern ist ein bisschen schwer zu verteidigen“, sagte Schwedens Außenminister Carl Bildt.

Mehrere Minister machten Russland indirekt für den Abschuss des Linienfluges MH17 mit 298 Toten verantwortlich. „Zu diesem schrecklichen Ereignis konnte es überhaupt nur kommen wegen der russischen Unterstützung für die Separatisten im Osten der Ukraine und wegen des Zustroms von schweren Waffen aus Russland in die Ostukraine“, sagte der britische Außenminister Philip Hammond. Russland habe seine Zusagen „nicht in dem erforderlichen Maße“ eingehalten, sagte Steinmeier. So habe es über „viele Tage keine Distanz zu dem Verhalten der Separatisten gezeigt“ und die Grenze zur Ukraine nicht gesichert. Seit dem EU-Gipfel vergangene Woche habe Russland seine Lieferungen schwerer Waffen sogar erhöht, sagte Bildt.

In der ostukrainischen Stadt Charkow traf der Zug mit den bisher geborgenen sterblichen Überresten der Absturzopfer ein. Sie würden dort in aus den Niederlanden herbeigeschaffte Behälter umgelagert, berichteten ukrainische Medien. Es wurde vermutet, dass etwa 200 Tote in den Kühlwaggons aus der Absturzregion weggebracht wurden. An diesem Mittwoch sollen die ersten Opfer nach Amsterdam geflogen werden. Auf Bitten von Kiew haben die Niederlande die Führung der internationalen Untersuchungen übernommen. Die Flugschreiber der Absturzmaschine hatten die prorussischen Separatisten malaysischen Sicherheitsexperten übergeben.

Präsident Wladimir Putin erklärte in Moskau, Russland versuche, auf die Separatisten einzuwirken, um eine „tief greifende und transparente Aufklärung“ zu ermöglichen. In Kiew stimmte das Parlament für eine Teilmobilmachung. Damit könnten Zehntausende in die Armee eingezogen werden. Der Schritt gilt als Zeichen von Präsident Petro Poroschenko, dass die Ukraine die Kontrolle über Gebiete im Osten zurückgewinnen will.

Ein Jahr Haft für Josef S.

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Wien – Eigentlich war Josef S. nur nach Wien gekommen, um übers Wochenende Freunde zu besuchen. Doch weil viele junge Leute dort gerade gegen den rechten Akademikerball demonstrierten, schloss der 23-jährige Student aus Jena sich ihnen an. Nach Hause sollte Josef S. nicht mehr so schnell zurückkehren: Seit dem Ball Ende Januar saß der junge Mann in Wien in Haft – wegen angeblicher Randale. Der Prozess gegen ihn endete nun am Dienstag nun mit einem Schuldspruch: Das Landgericht in Wien hat den Studenten, der bis dahin polizeilich nie aufgefallen war und an seiner Universität als besonders ruhig und ausgeglichen galt, wegen aggressiven Verhaltens bei der Demonstration gegen den Akademikerball zu einem Jahr Haft verurteilt. Die Strafe wurde teilweise zur Bewährung ausgesetzt. Landfriedensbruch lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, versuchte schwere Körperverletzung und schwere Sachbeschädigung.



Die Verteidiger von Josef S. während einer Pressekonferenz zum Gerichtsprozess.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 23-Jährige zu den Rädelsführern der teils gewalttätigen Demonstration gehörte, bei der rund 6000 Menschen protestierten. Der Ball in der Wiener Hofburg wird von der rechten FPÖ veranstaltet und von zahlreichen Burschenschaftlern besucht. Bei den Ausschreitungen waren 20 Menschen verletzt worden und ein Sachschaden von rund 500 000 Euro entstanden.

An der Darstellung von Polizei und Staatsanwaltschaft gibt es jedoch erhebliche Zweifel. Josef S. selbst hatte die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Als einziger von etwa 6000 Demonstranten musste er sich vor Gericht verantworten. Zwar hatte er zugegeben, an der Demonstration teilgenommen und einen umgefallenen Mülleimer aufgestellt zu haben; diesen habe er aber nicht, wie von der Staatsanwaltschaft impliziert, geworfen. Bereits im Vorfeld hatte sein Anwalt kritisiert, S. sei nur zufällig in den Fokus der Beamten geraten, aber auf keinem Foto oder Video als Gewalttäter zu erkennen. Vielmehr belege ein Ausschnitt aus einem ORF-Bericht sogar, dass S. besagten Mülleimer tatsächlich wieder hingestellt habe.

Während des Prozesses haben mehrere Polizisten von Angriffen vermummter Demonstranten berichtet. Sie gaben an, bei den Ausschreitungen mit Gegenständen und bengalischen Feuern beworfen worden zu sein. Einzelne Werfer hätten sie jedoch nicht erkannt. Auch den Pressefotografen, die als Zeugen auftraten, war der Angeklagte nicht aufgefallen. Beschuldigt wurde S. vornehmlich von einem Zivilpolizisten, der ihn während der Ausschreitungen als Täter ausgemacht haben will. Der Staatsanwaltschaft zufolge hat dieser strafrechtlich relevante Handlungen beobachtet und gehört, wie S. andere angestachelt habe. Trotz des Schuldspruchs kam JosefS. nach der Verhandlung auf freien Fuß: Er hat die Strafe mit seiner langen U-Haft bereits abgesessen.

Obama an die Wand geworfen

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„NSA in da house“, neben dem Schriftzug grinst ein Obama mit Baseballcap ein leicht teuflisches Grinsen, dazu eine Hand, die ein Victory-Zeichen formt – dieses Bild leuchtete am Wochenende für kurze Zeit drei Stockwerke hoch an der Wand der US-Botschaft in Berlin. Der Lichtkünstler Oliver Bienkowski wollte damit gegen die NSA protestieren. Mittlerweile ist er für ein anderes Projekt in Marokko, von wo aus er uns einige Fragen per Mail und Facebook-Chat beantwortete.



Oliver Bienkowski (links) vor der US-Botschaft in Berlin.

jetzt.de:Am Wochenende hast du ein Bild von Obama  an die US-Botschaft in Berlin projiziert. Was sollte die Aktion bezwecken?
Oliver Bienkowski: Wir wollen damit auf den Überwachungsskandal hinweisen. Seit einem Jahr schwebt er wie ein Damoklesschwert über Deutschland. Dieser Skandal erschüttert die deutsche Demokratie und das Grundgesetz in extremem Maß. Er höhlt die Freiheit aller Bürger aus, macht Deutschland damit zum Vasallenstaat der USA. Das Briefgeheimnis gilt nicht mehr. Ob Nordkorea am Pariser Platz sitzt oder die amerikanische Botschaft macht keinen Unterschied, beides sind aus meiner Sicht Schurkenstaaten, da hier massiv im Inland und Ausland gegen bestehende Verträge verstoßen wurde. Da die Amerikaner den Internationalen Gerichtshof für Menschrechte in DenHaag nicht anerkennen und weiterhin mit Geheimgerichten Menschen weltweit mit Drohnen bedrohen und töten, hängt bei mir zu Hause in der Küche als schlechtes Beispiel ein Bild von Kim Jong Un aus Nordkorea neben dem von Obama.  

Jetzt hast du Obama mit einem Baseballcap und HipHop-Slang dargestellt – warum hast du dieses Bild gewählt?

Wir denken, dass sich ein Mem oder eine Aussage nur verbreitet, wenn es treffend und humorvoll ist. Wir haben einfach auf Basis der bekannten Obama-Musikvideos ein Motiv gewählt. Die Musikvideos haben über 10 Millionen aufrufe bei Youtube. Vielleicht greift ein Musiker unseren Spruch auf und macht dazu ein “NSA in da House“-Musikvideo.

https://www.youtube.com/watch?v=K866FXjjvdo

In dem Video von deiner Aktion tauchen relativ schnell Polizisten auf. Wie lange hat es gedauert, bis die da waren?

Ich glaube, die Polizei war nach drei Minuten da. Eine halbe Minute später haben wir die Lichtprojektion ausgemacht.

Im Umgang mit den Polizisten wirkst du sehr gelassen. Du bist solche Situationen schon gewohnt, oder?
Es war unsere siebte Projektion auf die US-Botschaft in Berlin, da ist es sicher Routine. Aber ich möchte betonen, dass es eine Lichtkunstkarikatur ist. Jeden Tag werden in allen deutschen Zeitungen Karikaturen abgedruckt - auch zum NSA Skandal. Unsere Lichtkunst-Karikatur ist somit einer Zeitungskarikatur gleichzusetzen. Eine künstlerische Aussage.

Ist das, was du machst, also Kunst oder politischer Aktivismus?
Ich bin Lichtkünstler, kein Politiker. Gemeinsam mit der Crowd, den zweitausend Facebook-Freunden, definieren wir eine künstlerische Aussage. Politik interessiert mich gar nicht. Der Überwachungsskandal ist einfach ein Zeichen, dass irgendwas hier falsch läuft. Die politischen Aktivitäten überlasse ich lieber professionellen Politikern.

Vor einem Jahr hast du den Schriftzug „United States of Stasi“ an die US-Botschaft geworfen. Hatte das rechtliche Konsequenzen?
Nein, die Strafanzeige ist von der Staatsanwaltschaft wegen der in Deutschland geltenden Kunstfreiheit fallen gelassen worden.      

Warum nutzt du Lichtprojektionen als Ausdrucksmittel?

Weil sie irgendwie immer um die Welt gehen und wir dadurch Themen wie den Überwachungsskandal ab und an wieder in die Presse heben. Bilder sprechen eine internationale Sprache.  

Graffiti sind auch Bilder. Was sind deiner Meinung nach die Vor- beziehungsweise die Nachteile von Lichtprojektionen?
Als Lichtkunstkarikatur ist es eine Kunstaktion. Der Vorteil ist: Licht macht nichts kaputt, Licht muss nur drei Sekunden leuchten, bis ein DPA-Fotograf ein Foto gemacht hat. Mit einem zügigen Aktionsabbau halten wir den Stressfaktor vor Ort so gering wie möglich. Wir wollen ja niemandem schaden.  

In deinem Video sieht man nach etwa drei Minuten einen Kombi auf der anderen Straßenseite vorfahren. Es steigen Leute aus und nähern sich der Polizei. Ihr legt im Video nahe, dass das CIA- oder NSA-Leute waren. Das ist nicht ernst gemeint, oder?
Wir haben zwei Kollegen vor der Botschaft und hinter der Botschaft positioniert. Wir konnten klar erkennen, dass der Kombi direkt von dort zu unserem Standort gekommen ist. Wir haben mit mehreren Kameras gefilmt und ein Richtmikrofon im Holocaust-Mahnmal positioniert, es hat die amerikanische Sprache am Auto aufgenommen.  

Du bist kurz nach der Aktion nach Marokko geflogen. Haben dich denn da auch Agenten begleitet?

Nein, ich denke schon, dass die was Besseres zu tun haben. Und wir sind nun so beschäftigt in Marokko, dass sich die Amerikaner beruhigt entspannen können.

Du bist mit dem Verein Pixelhelper e. V. in Marrakesch. Was hat es damit auf sich?
Pixelhelper ist die weltweit erste humanitäre Echtzeit-Hilfsplattform. Die Idee eines Social Network of Humanity - also einem Sozialen Netzwerk der humanitären Hilfe – geht von Folgendem aus: Ein Online-Helfer in einem reichen Industrieland zahlt bei uns für die Verteilung der gewählten Produkte. Wir haben in Zukunft mehrere Kategorien: Nahrung, Kleidung, Medizin, Luxusgüter , Bildung , Technologie. Wir nutzen die aktuellen technischen Möglichkeiten bis zur Grenze aus. Wenn ein Online-Helfer zum Beispiel zehn Fußbälle kauft bei uns, bekommt er von zehn beschenkten Personen ein Selfie mit seinem Namen auf einer Kreidetafel. Im Moment der Übergabe bekommt der Online-Helfer die Möglichkeit, in Zukunft über unser Social Network of Humanity direkt mit der beschenkten Person in Kontakt zu treten. Diese Woche beginnt unser Livestream aus Marrakesch. Wir broadcasten direkt aus der Einsatzzentrale, dem Warenlager und aus den Verteilorten mit mobilen Video-Übertragungsrucksäcken. Ihr könnt uns damit den ganzen Tag live mit Verteilaufträgen auslasten, jeden Tag ab 18 Uhr fahren wir raus und verteilen die Hilfsgüter. Das Ganze ist ein humanitäres Echtzeit-Browserspiel.  

Ist das wirklich ernst gemeint oder ist das eine Satire-Aktion? Du hast ja schon mal Interviews als Chef einer gefaketen Shitstorm-Agentur gegeben, die angeblich Obdachlose falsche Likes generieren lässt – was sich ähnlich abgedreht anhört wie die Idee, per Computerspiel in armen Ländern und Krisenregionen Helfer steuern zu lassen…
Wir sind hier in Marrakesch mit neun Leuten vor Ort. Wir alle sind hier für die nächsten Jahre beschäftigt. Wir haben uns in den vergangenen Jahren Gedanken gemacht und überlegt, wie man Armut besiegen kann. Wir sehen uns nicht als “Rotes Kreuz” oder “Ärzte ohne Grenzen”. Wir haben die Idee der humanitären Hilfe auf den Kopf gedreht. Der Kapitalismus ist der Grund für die Armut auf dieser Welt. Nur indem seine eigenen Prinzipien zu deren Bekämpfung gegen ihn eingesetzt werden, kann eine nachhaltige Lösung dieses Problems erst möglich gemacht werden.  

Wie funktioniert das Pixelhelper-System denn genau?
Wir gründen in absehbarer Zeit in Marokko eine kommerzielle Aktiengesellschaft, die von unseren Online-Helfern finanziert wird. Diese AG expandiert von Marokko aus in alle Krisengebiete und wird jedes Krisengebiet für unsere Online-Helfer als Level in das Browsergame schalten. Wir denken, dass eine humanitäre Aktiengesellschaft mit kommerzieller Ausrichtung die perfekte Ergänzung zum klassischen gemeinnützigen Hilfssystem werden kann. Durch unsere Expansion holen wir den Umsatz nach Marokko und fördern hier die lokale Wirtschaft.  

Du bist jetzt ein Jahr in Marokko. Wird es so lange also keine Lichtprojektionen an der US-Botschaft geben?

Nein, ich plane keine weiteren Lichtprojektionen an die US Botschaft.

No-Go-Area Neukölln?

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Du bist Mitbegründer der Salaam-Schalom-Initiative, die sich seit Dezember 2013 für ein friedliches Miteinander von Juden und Muslimen in Berlin einsetzt. Wie kam es dazu?
Im Sommer 2012 wurde der Rabbi Daniel Alter in Berlin Friedenau angegriffen und geschlagen. Er hat dann mehrmals öffentlich gesagt, dass Berlin-Wedding und Neukölln wegen ihrer hohen Anzahl an Muslimen „No-go-areas“ für Juden wären. Ich wohnte zu diesem Zeitpunkt bereits in Neukölln und war von der Aussage ziemlich überrascht. Ich liebe das Stadtviertel und treffe dort jeden Tag Muslime auf der Straße, mein Friseur ist Muslim, mein Mitbewohner ist Muslim und die Menschen im Supermarkt sind es auch. Ich habe hier nie schlechte Erfahrungen gemacht. Deshalb habe ich mich mit anderen Juden und Muslimen aus dem Viertel zusammengeschlossen und wir haben Videos gedreht, warum wir gerne in Neukölln leben. Die Juden haben gesagt, dass die Aussage des Rabbis provokant und gefährlich wäre, die Muslime haben sich beleidigt gefühlt. Ich weiß, dass der Rabbi nicht islamophob ist, aber solche Aussagen bieten natürlich Nährboden für Vorurteile und das wollen wir nicht. Wir wollen zusammen leben! 

Wie waren die Reaktionen auf diese Videos?
Ich habe von jüdischer und muslimischer Seite nur positive Rückmeldungen bekommen. Wir wurden sogar in die Sehitlik-Moschee, die größte Moschee Berlins, eingeladen, um uns der Gemeinde vorzustellen. Dort haben wir dann auch noch mal Videos gemacht. Natürlich gab es auch skeptische Kommentare, aber keine offene Kritik.  

Nun steht Berlin momentan im Zentrum einer Antisemitismus-Debatte. Bei einer Pro-Gaza-Demonstration am vergangenen Samstag haben arabische Demonstranten „Jude, Jude, feiges Schwein“ gerufen, die Polizei hat nicht eingegriffen. Wie erlebst du diese Diskussion?
Bei dieser Demonstration waren auch israelische Freunde von mir dabei, die sich gegen die Besatzung von Gaza engagieren. Das Bild, das momentan von dieser Demonstration gezeichnet wird, ist sehr verzerrt. Dort waren nicht nur Leute, die „Judenschweine“ brüllten, sondern auch Menschen, die ihr Mitgefühl mit Gaza ausdrücken wollten. In den Medienberichten geht es allerdings nur um die sehr laute Minderheit, die antisemitische Parolen gerufen hat. Die Freunde, die von mir dabei waren, sind aber mit Sicherheit keine Antisemiten und auch die Veranstalter hatten das nicht beabsichtigt. Auf Englisch nennt man das „hiljacking“ (Anm. d. Red.: „Gewaltsame Übernahme“), was die Antisemiten dort gemacht haben – sie haben mit ihrer Minderheiten-Meinung die ganze Demonstration gestört.  

Wie sehen das deine Freunde, die bei der Demonstration zum Teil ja dabei waren?
Eine Freundin von mir hat kurz überlegt, ob sie nach diesen Parolen die Demonstration verlassen soll. Aber dann war es ihr doch wichtiger, sich gegen den Konflikt in Gaza zu engagieren, als sich von antisemitischen Parolen einschüchtern zu lassen. Sie ist dann dageblieben. Natürlich ist das keine einfache Entscheidung, das kann ich nachvollziehen. Aber es gibt fünf Millionen Muslime in Deutschland und wenn 50 von denen antisemitische Parolen verwenden, ist das einfach nicht repräsentativ. Vermutlich würde man auch 50 Juden finden, die schlecht über Muslime reden. Deshalb sollte man der ganzen Debatte nicht so viel Gewicht geben.  



Armin (vordere Reihe links) und seine Freunde von der Salaam-Schalom-Initiative. Der 23-jährige angehende Rabbiner wuchs in Ungarn auf und lebt seit mehreren Jahren in Berlin-Neukölln.

Trotzdem bleibt die Kritik, dass man ausgerechnet in Deutschland nicht gegen Antisemitismus vorgegangen ist, ja bestehen. Wie fühlst du dich damit?

Ich komme aus Ungarn, dort habe ich schon sehr viele schlimmere Sachen gehört. Das, was in Berlin passiert, ist nicht angenehm. Aber mich persönlich beunruhigt es nicht, wenn 50 Leute solche Parolen rufen. Die Situation für Juden ist in Deutschland mehr als gut. Die deutsche Öffentlichkeit ist bei dem Thema sehr sensibel, was nicht schlecht ist. Aber ich würde mich noch mehr freuen, wenn sie nicht nur gegenüber Juden, sondern gegenüber allen Minderheiten so sensibel wäre. Natürlich ist die besondere Situation der Juden in Deutschland historisch begründet und das verstehe ich. Aber manchmal würde ich mir wünschen, nicht immer wie eine heilige Kuh behandelt zu werden.  

Hast du du hier denn schon einmal Erfahrungen mit Antisemitismus gemacht?

Nein, noch nicht. Natürlich gibt es auch hier Antisemiten, die gibt es überall. Ich lese auch in Foren und kenne die antisemitischen Kommentare dort. In Ungarn nennen wir diese Leute "Sesselnazis" - von denen geht nicht wirklich eine Gefahr aus. Aber mir oder meinem direktem Umfeld ist so etwas noch nicht passiert.   


 "Eine Kommilitonin von mir würde nie nach Neukölln fahren



Wie ich eure Initiative verstehe, wollt ihr doch hauptsächlich, dass Muslime und Juden nicht nur übereinander, sondern auch miteinander reden, oder?
Nicht nur reden – auch tanzen! Wir haben vor einem Monat eine interreligiöse Party organisiert. Dort gab es israelische, kurdische, palästinensische, türkische und persische Bands und DJs. Es kamen über 300 Leute, von dem Geld wollen wir nun eine Plakatkampagne gegen Islamfeindlichkeit finanzieren. Außerdem arbeiten wir an einem Handbuch für Neueinwanderer in verschiedenen Sprachen, das einem bei der deutschen Bürokratie helfen soll.  

Verändert der eskalierende Nahostkonflikt die Zusammenarbeit in eurer Gruppe?

Als Gruppe geben wir zu dem Thema kein Statement ab, unser Hauptaufgabenfeld ist ja auch Berlin. Privat diskutieren wir natürlich schon viel darüber und haben auch kleine Meinungsverschiedenheiten.  

Aber wenn manche von euch bei einer „Solidarität für Gaza“-Demonstration waren – sorgt das nicht für Diskussionen?

Natürlich, aber bei dem ganzen Nahostthema ist ja nie jemand einer Meinung. Wir haben auch Israelis, die untereinander darüber streiten, was der richtige Weg wäre. Allerdings organisieren jetzt zwei Leute aus unserer Gruppe – eine Israelin und ein Palästinenser – zusammen eine Demonstration gegen den Konflikt. Das ganze Thema kann man einfach nicht schwarz-weiß betrachten.

Du bist seit einem Jahr in der Rabbi-Ausbildung– ist dort Antisemitismus ein Thema?
Ja, schon. Dort kommen wir oft zu dem Schluss, dass das Thema ein wenig überrepräsentiert ist. Ich denke, die Mehrheit dort fühlt sich so wie ich sehr sicher. Allerdings habe ich auch eine Kommilitonin, die nie nach Neukölln fahren würde, weil sie Angst vor Arabern hat. Die hätte dir vermutlich jetzt ganz andere Antworten gegeben, als ich.

„Repressionen gegen staatskritische Gruppen haben in Österreich Tradition“

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Der Jenaer Student Josef S., 23, saß seit Ende Januar in Untersuchungshaft in Wien. Er wurde wegen angeblicher Randale festgenommen, weil er sich den Demonstrationen gegen den rechten Akademikerball anschloss. Am Dienstag wurde er zu einem Jahr Haft wegen Landfriedensbruchs, versuchter schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung verurteilt. Die Strafe wurde teilweise zur Bewährung ausgesetzt, die Haftstrafe hat er durch die monatelange Untersuchungshaft schon abgesessen. Die Festnahme sowie das Urteil sind wegen der schwachen Beweislage umstritten.    



Josef S. wird in den Gerichtssaal gebracht.


Was bedeutet das Urteil für das Demonstrationsrecht in Österreich?  


Olja Alvir, 23, ist freie Journalistin in Wien. Zusammen mit Maria Zimmermann und Katarzyna Winiecka hat sie gerade das Watchblog Prozessreport gegründet. Die drei besuchen ausgewählte Prozesse und berichten an jedem Prozesstag auf ihrer Webseite sowie auf Twitter darüber. „Wir haben in Österreich eine durchgehende und unabhängige Prozessbeobachtung vermisst“, sagt sie. „Auch bei diesem Prozess habe ich den Eindruck, dass es nicht gern gesehen wird, dass über den Prozess berichtet wird. Es gibt nur 50 Plätze. Das grenzt an Verhöhnung!“  

An den drei Tagen, an denen Josef S. vor Gericht stand, war Olja im Saal. „Die meisten Mainstream-Medien sprechen von Unrecht und einem skandalösen Prozess, gleichzeitig schreiben sie aber immer nur von Gewaltexzessen und kriegsähnlichen Zuständen während der Demonstrationen und nie über die Gründe, wie zum Beispiel bei den Demos gegen den Akademikerball“, sagt sie.  

In Österreich, besonders in Wien, werde schon länger über sogenannte „Berufsdemonstranten“ und „Krawalltouristen“ diskutiert, erzählt Olja: „Es heißt dann gerne, die jungen Leute machen nichts anderes als zu demonstrieren und zu randalieren. Es wird auch über angebliche Demosöldner geschimpft, und dass viele Deutsche nach Wien kommen, um die Stadt zu zerstören. Ich empfinde das überhaupt nicht so. Sein Demonstrationsrecht wahrzunehmen ist völlig legitim“, sagt Olja. „Was in Deutschland eine ganz normale Demo ist, wo auch ein bisschen was kaputt geht, das wird in Österreich gleich als Bürgerkrieg empfunden. Mich beeindruckt es sehr, dass in Deutschland Stadtregierungen, wie zum Beispiel in Dresden, dazu aufrufen, dass Menschen gegen rechts auf die Straße gehen. Das wäre in Österreich undenkbar.“  

Politisch engagierte Österreicher fürchten, dass das Urteil gegen Josef S. ein Exempel statuieren soll, um in Zukunft ausländische Demonstranten von der Einreise nach Österreich abzuhalten. Speziell bei den Protesten gegen den Akademikerball haben sich immer viele Deutsche engagiert. „Ich glaube auch, dass Repression funktioniert“, sagt Olka. „Milde Formen der Repression - Festnahmen, ein paar Stunden in der Zelle sitzen lassen - werden in Wien sehr systematisch eingesetzt. Es gab Hunderte Anzeigen nach der letzten Anti-Rechts-Demo.“    

Welche Rechte hat man bei Demos im Ausland?  


Brigitte Hornyik ist Juristin und Verfassungsrechtlerin. Sie war ebenfalls im Gerichtssaal, als gegen Josef S. verhandelt wurde. Sie sagt: „An sich ist das Versammlungsrecht sowohl in der europäischen Menschenrechtskonvention als auch in der europäischen Grundrechtecharta ein Recht, das jedem Menschen zukommt. Allerdings können die nationalen Gesetze Einschränkungen normieren.“ In Österreich dürfen Ausländer nicht als Veranstalter oder Ordner einer Versammlung auftreten, die Teilnahme an einer Versammlung sei aber nicht auf Inländer beschränkt. Im deutschen Grundrecht ist das Versammlungsrecht dagegen auf Deutsche beschränkt.    

Was bedeutet das Urteil für die Demokratie?  


Nichts Gutes, sagr die Verfassungsrechtlerin Brigitte Hornyik, die selbst mit gegen den Akademikerball demonstrierte. „Ich frage mich als politisch engagierter Mensch, was das für unsere Ausübung der Versammlungsfreiheit bedeutet“, sagt sie. „Sollen wir ab jetzt zu Hause bleiben? Es könnte ja irgendwo eine Demo eskalieren und wir könnten allein deshalb Gefahr laufen, uns strafbar zu machen.“  

Maria Zimmermann betreibt zusammen mit Olja Prozessreport. Sie sagt: „Repressionen gegen staatskritische Gruppen haben in Österreich Tradition. Sie erinnert an den Tierschützerprozess von 2010 bis 2011 vor dem Landesgericht Wiener Neustadt. Damals wurde Tierschützern vorgeworfen, sie hätten nach damals geltendem österreichischen Strafrecht eine kriminelle Organisation gebildet und seien für mehr als 200 Straftaten verantwortlich. Die Angeklagten wurden zum Teil monatelang in Untersuchungshaft festgehalten. Später wurden sie in allen Anklagepunkten freigesprochen. Danach wurde der Paragraf über die Bildung einer kriminellen Organisation reformiert.  

Josef S. ist außerdem kein Einzelfall. Mitte August wird in Wien eine weitere Person wegen Beteiligung an den Demonstrationen gegen den Akademikerball und gegen die rechte Bewegung der „Identitären“ im Mai angeklagt. Erneut lautet der Vorwurf Landfriedensbruch. „Wir erwarten, dass es in Zukunft viele ähnliche Prozesse geben wird“, sagt Olja.    

Was soll das eigentlich mit dem Landfriedensbruch?  


„Landfriedensbruch ist gerade modern geworden in der österreichischen Justiz“, sagt Maria. Die Juristin Brigitte Hornyik erklärt: „Bis jetzt wurde die Bestimmung des Landfriedensbruchs nur ganz selten angewendet, in den vergangenen vier Jahrzehnten gab es nur wenige Entscheidungen dazu. Normalerweise kommt es im Strafrecht darauf an, dass eine Tat, die mir vorgeworfen wird, wirklich mir zugerechnet werden kann: dass ich jemanden umgebracht habe, dass ich etwas kaputt gemacht habe. Die Bestimmung über den Landfriedensbruch ist weitgehend totes Recht. Der Paragraf stellt es unter Strafe, wenn man ‚an der Zusammenrottung einer Menschenmenge’ teilnimmt. Das kann man wirklich sehr weit auslegen und damit politisches Engagement kriminalisieren.“ 

Was bedeutet das Urteil für die Antifa-Bewegung in Österreich?  


„Die Antifa-Szene in Wien war bisher sehr zerstückelt“, sagt Maria. „Es gibt viele verschiedene Gruppen, die für verschiedene Anlässe mobilisieren. Man merkt tragischerweise, dass erst durch die Repression die Szene mehr zusamenwächst.“  

Grundsätzlich falle immer mehr auf, dass Polizei und Justiz auf dem rechten Auge blind sind: „Ich müsste gut überlegen, wann sich in Österreich das letzte Mal jemand wegen rechter Gewalt vor Gericht verantworten musste“, sagt Olja. „Im Gegenteil: 2013 stürmten Mitglieder der rechtsextremen Fangruppe „Unsterblich Wien“ ein Vereinslokal, in dem sich Mitglieder einer kommunistischen Gewerkschaft und eines türkisch-kurdischen Kulturvereins aufhielten. Ein Mann wurde dabei verletzt. Aber die Täter kamen nicht in U-Haft.“

Und wie geht es weiter?  


Im Netz dauert der Protest gegen das Urteil an, vor allem auf Twitter unter dem Hashtag #FreeJosef und der Facebookseite „Free Josef #soli2401“. Unter dem Hashtag werden Szenen aus dem Gericht geschildert, vor allem die polemischen Argumente des Staatsanwalts, Vergleiche mit der Hauptfigur Josef K. aus Franz Kafkas Roman „Der Prozess“ werden aufgeführt sowie Spendenaufrufe für Josef S:’ Anwaltkosten und neue Demo-Termine verbreitet.  







Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat schon verkündet, nicht dagegen vorzugehen, Josef S. und seine Anwälte haben noch bis Freitag Zeit zu entscheiden, ob sie das tun. Die Grünen, sozialdemokratische Politiker und Amnesty International haben das Urteil inzwischen kritisiert. Brigitte Hornyik glaubt nicht, dass es in zweiter Instanz zu einem Freispruch kommen könnte. „Ich vermute, dass sich die Republik Österreich auch die Entschädigung für sechs Monate ungerechtfertigte Untersuchungshaft sparen will“, sagt sie. „Meiner Wahrnehmung nach hat man in Österreich vielleicht ein bisschen zu viel Respekt vor der Justiz. Viele glauben ein bisschen zu naiv an die Unabhängigkeit der Gerichte. Die Politik hat Einfluss auf die Gerichte. Und in Österreich sind die Rechtspopulisten nun einmal sehr stark.“  

Meine Straße: Heßstraße

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Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir regelmäßig junge Münchner, uns ihre Straße zu zeigen – die schönsten Ecken, die besten Läden, die schrulligsten Typen, die nettesten Anekdoten. Heute: Julia, 24, Kommunikationsdesignerin

Von der Heßstraße aus ist man vor allem schnell woanders: In der Schelling- und Barerstraße, bei den Pinakotheken, in den Universitäten, aber auch im Olympiapark oder auf dem Pathosgelände. Man verweilt in dieser Straße eigentlich nicht und sie hat nicht besonders viel zu bieten, aber was es gibt, ist dafür richtig gut. 

Direkt hinter unserem Studentenwohnheim ist der Maßmannpark, da ist immer unglaublich viel los und es sind die unterschiedlichsten Nationalitäten vertreten. Außerdem wird – glaube ich – jeder Sport gespielt, den es gibt, von Basketball über Tischtennis bis zu Slacklinen und schwedischem Schach. Und der Skatepark ist unter Skatern offenbar sehr beliebt, manchmal finden da nämlich Skate-Events statt. Oft stehen auch Kinder am Zaun zu unserem Wohnheimgarten und beobachten unsere freilaufenden Hühner. Einmal im Jahr, im Mai oder Juni, treffen sich lauter blonde Mädchen mit Blumenkränzen im Haar im Park und stellen einen kleinen Maibaum auf. Ich glaube, das sind tatsächlich Schwedinnen, die dann hier ihr Mittsommerfest feiern.

In dem israelischen Restaurant Eclipse will ich schon lange endlich den Vorspeisenteller essen gehen, der soll gut sein. An der Kreuzung zur Schleißheimer ist das Takumi, ein sehr gutes japanisches Restaurant, das vor allem auf Ramen-Suppen spezialisiert ist. Und direkt gegenüber ist das großartige Tätowierstudio Farbenpracht. Da arbeiten Miri und Andrik, die sind beide noch ziemlich jung. Andrik macht hauptsächlich alte Seemanns-Motive und Miri vor allem Sachen mit Witz. Ich habe viele Freunde, die sich bei den beiden nach und nach den ganzen Körper volltätowieren lassen. Ein Freund von mir hat sich dort gerade unter anderem ein Erdferkel in einer Walnussschale und Hahn und Schwein auf die Füße stechen lassen, ein alter Seemannsglücksbringer.

An der Ecke zur Augustenstraße gibt es den Fahrradladen Cycle-Klinik, die Jungs dort sind super nett und helfen immer schnell aus. Außerdem hat der Chaos Computer Club hier gleich um die Ecke seine Zentrale. Bei den wöchentlichen Wohnheim-Bar-Abenden sind sie gerngesehene Gäste.

Ganz hinten Richtung Pathos wird die Heßstraße zu einem Nicht-Ort. Noch bevor man das richtige Pathosgelände mit seinen Ateliers erreicht, kommt man über einen verwucherten Schleichweg an Brachflächen, leerstehenden Hallen und alten Mauerresten vorbei. Und einmal habe ich da auch provisorisch aufgebaute Zelte und brennende Mülltonnen gesehen. Ein ziemlich interessantes Gelände.

mercedes-lauenstein Kochwoche

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Diese Kochwoche ist eine Kochwoche extendend, beziehungsweise: eine Kochwoche mit Lücken, denn zwischendurch war ich krank und ungehalten. Das war kulinarisch wenig spannend. Überhaupt ist meine Kochwoche nicht ganz repräsentativ, weil ich zum Beispiel an keinem der neun Tage richtig bei meinem Freund gegessen habe. Das tue ich sonst an sechs von sieben Tagen. Und der kocht so gut, dass ich gern damit angegeben hätte. Aber was soll das Gelaber, los geht es.

Montag
Seit es an der Münchner Freiheit den mexikanischen Imbiss Condesa gibt, vergeht keine Woche meines Lebens ohne mindestens einen Zwischenstopp an diesem herrlichen Ort. Ich wähle immer eine der beiden vegetarischen Füllungsvarianten „Flaco“ oder „Chihuahua“ und dazu variiere ich je nach Tagesbedarf den Schärfegrad und die Extrazutaten. Was Condesa von allen anderen sich ja gerade burgerladenähnlich in den Straßen verbreitenden mexikanischen Straßenimbissen unterscheidet, ist, dass ihnen zum Glück Besseres einfällt, als die etwas einfallslosen Zutaten Paprika (bäh!) und Feta (böh!) in ihren vegetarischen Füllungen zu verwenden. Natürlich war ich vor lauter Burrito-Geilheit aber völlig unaufmerksam und habe ihn schneller gegessen, als ich fotografieren konnte. Ich wollte ihn dann zeichnen, aber dann wurde mir klar: Ich kann keinen Burrito zeichnen.





Dienstag
Am Dienstag sitze ich fast den ganzen Tag am Schreibtisch, abends bin ich mit einer Freundin zum Weintrinken verabredet. Vor dem Weintrinken muss ich aber noch kurz zu einem Termin und vor diesem habe ich plötzlich großen Hunger. Mein Bargeld reicht noch für eine Pizza Funghi (diese Bezeichnung kann ich nie ganz ernst aussprechen, sie klingt in meinen Ohren immer so albern wie "Toast Hawaii", keine Ahnung warum) von gegenüber. Bei meiner Freundin zu Hause gibt es später zum Wein noch Käse und Baguette.








Mittwoch
Leider muss ich dieses Essen wieder zeichnen beziehungsweise krakeln, denn wie zeichnet man bitte Nudeln? Da belege ich bald mal einen Kurs bei Kathi Bitzl. Jedenfalls, zurück zu Mittwoch: Mein Freund und ich sitzen am Tisch der L’Osteria am Gasteig und ich sage drei Mal sehr ausdrücklich: Ich DARF NICHT VERGESSEN ZU FOTOGRAFIEREN!, dann kommt zehn Sekunden später unser Essen und alles um uns herum versinkt in herrlichster, tomatiger Knoblauchlust, krachendem Pizzaboden und meinem eiskalten Lugana, den ich nach einem sehr heißen Tag gierig runtertrinke. Die L'Osteria-Läden übrigens kann ich für ein spontanes, ganz solides Mahl nur empfehlen, obwohl sie natürlich einer Kette angehören und größen- und lärmpegelmäßig etwas abschreckend wirken. Ich kenne noch den kleinen, wirklich winzigen Ursprungsladen in Nürnberg, dessen Koch mir einst das Geheimnis für eine gute Arrabbiata verraten hat und allein deshalb kann ich nicht anders, als dieses Restaurant zu mögen. Ich bestelle übrigens immer Arrabbiata, auch wenn sie gar nicht auf der Karte steht. Mein Freund bestellt Pizza und dann essen wir quer. 





Donnerstag
Donnerstag bahnt sich meine Juligrippe an. Am Nachmittag komme ich sehr schlapp und schummrig aus der Redaktion und falle bei meinem Freund aufs Sofa. Er macht uns Avocadobrote, die eigentlich nur eine Zwischenmahlzeit vor einem Interviewtermin sein sollen. Sie bleiben mein Abendessen, denn nach dem Interview, bei dem ich innerlich halb wegdämmere, esse ich nichts mehr, sondern falle ins Bett.






Freitag & Wochenende…
…fallen dem Kranksein zum Opfer. Gehe Freitags zwar noch in die Redaktion, merke aber bald, dass das eigentlich eine schlechte Idee war und falle zuhause nach dem Verzehr einer Nektarine ins Bett. Samstag wieder alles desolat. Während die ganze Stadt bei 35 Grad und wolkenlosem Himmel ihr Leben genießt, kann ich vor Halsschmerzen kaum schlucken und koche mir abends langweilige Penne mit Pfeffer, Salz und Olivenöl.

Sonntag geht es noch nicht unbedingt besser, aber da sich mein psychisches Befinden aufgrund der ausbleibenden kulinarischen Freuden radikal verschlechtert, scheiße ich auf den wehen Hals und den rumorenden Bauch, schleppe ich mich gegenüber in die Pizzeria und bestelle eine Pizza Bufala zum Mitnehmen. Bei Büffelmozzarella gilt übrigens gleiche Gesetz wie beim Burrito: Ich brauche ihn wöchentlich. Wichtig ist mir bei Pizza Bufala, dass der Büffelmozzarella erst am Schluss drauf kommt. So dass er nur ganz leicht anschmilzt und keinesfalls seine nass-saure Zartheit verliert. Die Pizza Bufala von dem Pizzabäcker gegenüber ist reichhaltiger belegt, als anderswo, es sind noch Rucola und getrocknete Tomaten drauf. Eigentlich mag ich es lieber schlicht, aber der Mozzarella ist gerade perfekt und die deftige Fülle der anderen Zutaten ist mir nach dem erzwungenen Verzicht der letzten Tage (gefühlt Monate) heute mehr als recht. Meinem Magen natürlich gar nicht, aber das ist mir egal, ich brauche Essensfreuden, wenn ich schon sonst keine habe.






Montag No. 2
Kein Gesundheitshoch in Sicht, dafür draussen strömender Regen, was mir endlich echte innere Ruhe beschert. Gegen Nachmittag starker Heißhunger auf etwas Warmes, Würziges. Auberginen! Tomaten! Büffelmozzarella! Ich kaufe Zutaten ein für eine sizilianische Caponata. Und dann fange ich an zu kochen. Mir wird dabei zwar zwischendurch etwas schummrig und mein Kreislauf ist kein guter Freund, aber das in der Küche werkeln macht mich immerhin mehr als glücklich. Es wird köstlich. Die Caponata (darin, um nur einige Zutaten zu nennen: ewig präparierte, perfekt gare, in Tomaten und Knoblauch gekochte Auberginen mit fein geraspelter Orangenschale, in Traubensaft gekochten Rosinen, Kapern, frischem Basilikum und sogar etwas Koriander) esse ich mit Farro, einem italienischem Getreide. Darauf, natürlich, zerfließt mein heißgeliebter Büffelmozzarella.






Dienstag No. 2
Eine Freundin kommt für zwei Tage zu Besuch, sie muss sich wohl oder übel mit meinen Bazillen anfreunden. Ich begleite sie tagsüber noch tapfer in ein Museum, knicke aber schnell ab wegen Schwäche und verschwinde wieder unter der Bettdecke. Weil mit mir auch abends nicht viel anzufangen ist, trifft meine Freundin später noch eine andere Freundin. Ich bleibe zuhause und mache mir Glasnudeln mit scharfem Tomaten-Pilz-Zwiebel-Süßkartoffel-Gemüse, das ich vorher in einer Szechuan-Chili-Garlic-Würzpaste aus dem Asialaden mariniert habe. Obendrauf Koriander und zwar viel. Ich stehe sehr auf Koriander. Das Essen war trotzdem nur halbgeil. Irgendwas an dieser Würzpaste hat mir nicht so gut geschmeckt, irgendetwas daran war ein bisschen muffig, vielleicht hätte ich die wenigen darin enthaltenen Zutaten (Tomatenpaste - die war das muffig-süße glaub ich, Chili, Knoblauch, und noch zwei drei Kleinigkeiten) lieber schnell selbst anbraten sollen. Danach bin ich traurig, weil mich vergeudete Chancen auf gutes Essen immer traurig machen. Zum Trost gibt es ein Nutella-Brot mit Salzbutter drunter. Gibt dem Nutella etwas karamelliges. Weiß mein Magen natürlich wieder alles nicht zu schätzen. Sonst geht’s aber schon viel besser. Wurde auch Zeit. Fuck you, Grippe!





[seitenumbruch]
Welches ist dein Lieblingskücheninstrument und warum?
Ein solides, scharfes Messer natürlich und dazu ein ordentliches Schneidebrett, das keine Gerüche oder Essensreste einsaugt. Und Mixer, mit denen man tolle Pasten, Hummus oder eine Guacamole machen kann. Da hasse ich nur das kleinteilige Saubermachen hinterher.

Welches war dein allerschlimmstes Küchenmissgeschick? 
Vor Jahren habe ich mal in ein Curry zuviel Limettenschale hineingerieben, weil ich dachte: Je mehr, desto limettiger, das kann ja wohl nicht schlecht sein! War es aber, denn natürlich macht Schale ganz schnell bitter. Und da saßen dann meine zum Essen eingeladenen Freunde über meinem total, was sagt man da: "verbittertem" Curry und versuchten es höflich aufzuessen. 

Dein Lieblingsgewürz?
Darauf kann ich nicht antworten. Das ist ja, als fragte man Eltern, welches Kind sie am liebsten mögen. Okay, schiefes Bild, aber... nein, das würde den vielen verschiedenen, so unterschiedlichen Kräutern, die alle auf ihre eigene Weise himmlisch sind und sich in Kombination mit anderen Gewürzen immer wieder ganz neu entfalten, nicht gerecht werden. 

Was machst du am liebsten während dem Essen?
Das ist immer anders und kommt darauf an, wo ich gerade bin. Allein im Restaurant gucke ich mich gern um oder lese, allein zu Hause gucke ich gern eine Folge einer Serie, in Gesellschaft unterhalte ich mich natürlich mit meinen Tischgenossen. Aber mit zu vielen Menschen essen, die ich nicht so gut kenne, finde ich etwas anstrengend. Da muss man sich so auf das Gespräch und die ganzen Zwischenmenschlichkeiten konzentrieren, dass man sich nicht dem Essen hingeben kann.

Was klebt an deinem Kühlschrank?
Nichts außer ein paar von diesen Magnetworten (ich glaube die heißen "Kühlschrankpoetry" oder so), denn die hat mir die holländische Freundin meines Bruders mal zu Weihnachten geschenkt. Die Worte sind deshalb auch auf Holländisch und ich muss mich irgendwann einmal für diese Auswahl entschieden haben: rammen, mist, auto, nee, tulp, symfonie, mijn, lucht, regen, achter, maar, storm, alles, diamant, pracht.

Woher nimmst du dir deine Rezeptideen? (Lieblingsblog/Lieblingskochbuch?)
Eigentlich nur aus Erinnerungen an etwas, was mir mal woanders gekocht wurde, spontanen Gelüsten oder gut klingenden Zutatenkombinationen auf Speisekarten in Restaurants. Aber manchmal entdecke ich auch in der Essenssparte auf theguardian.com gute Sachen oder bei Christian Seiler von dasmagazin.ch. Und von dort gerate ich über Links woanders hin. 

Zeig uns mal ein Foto von deiner Küche und/oder von deinem Lieblingsessensplatzerl.
Da ich meistens bei meinem Freund koche und esse (bei dem ich beim Verfassen dieses Textes nicht bin) und in meiner Wohnung weder Esstisch noch herzeigbare Küche habe, wäre das bei mir Zuhause nur mein Bett, auf dem ich mir zum Essen immer einen Picknickplatz mache - aber mein Bett will ich nicht fotografieren. Mein Bett ist heilig! Nicht dass ihm beim Fotografieren die Seele geklaut wird.

Wer ist der König im Obstsalat?
Boah. Ich esse nie Obstsalat. Aber rein theoretisch sind es die im Obstsalat immer eher rar vertretenen Früchte natürlich, also: Himbeere, Kirsche, Mango und so. Die alten Tragesäulen Banane, Apfel oder Orange sind ja immer da. 

Verrat uns doch deinen besten Küchentipp!
Da gibt es nicht den einen, das ist wie bei den Gewürzen.

Und: Nominiere jemanden für zukünftige Kochwochen! 
Ich würd gern wissen, was der Jakob Biazza so kocht, weil wenn der wirklich so exquisit ist, wie er immer tut, dann isst er sicher wahnsinnig geiles Zeug.

Das Chaos im ewigen Eis

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Vier Jahre, drei Mädchen, eine Wohnung: Natürlich sammelt sich da allerhand an, was man beim Auszug wieder loswerden muss. Damit meine ich nicht die Küchenposter der alten Indie-Bands oder unzählige Kerzenständer, sondern Dreck in allen Formen und Farben. Der großen Putzherausforderung habe ich mich vergangene Woche gestellt – bewaffnet mit Wischmopp, Kratzer und ätzenden Chemikalien. Was mich dabei eiskalt (!) erwischt hat, war das Chaos im Gefrierfach. Nie hätte ich gedacht, dass da so viel Kratzen, Wischen und Ekel auf mich wartete.  



In Klarsichtfolie verpackt, ins Gefrierfach gestopft – und dann nie wieder aufgetaut.

Es sah aus wie eine Mischung aus Landschafts- und Wimmelbild: Von allen Seiten ragten Kristallhügel empor, bewachsen mit kleinen Petersilienbäumchen. In der Mitte ein riesiger Fisch in Klarsichtfolie. (Was der in unserem Vegetarier-Haushalt zu suchen hatte, bleibt ein Mysterium.) In der linken Ecke lagen einzelne Erbsen herum, unter dem Himbeerkarton ein zerplatztes Bier der Marke Karlskrone, das wohl niemand trinken wollte. Und so weiter...  

Ich gebe zu: Meine Mitbewohnerinnen und ich stopften einfach alles ins Gefrierfach und vergaßen es dann. Weil wir aus dem Ekel-Moment, jedes Mal wenn man einen bepelzten Tupperdosen-Inhalt wiederentdeckt, gelernt haben: Das Eisfach ist die einzige Rettung vor schimmelnden Nahrungsmitteln. Leider geriet der gut verstaute und gestapelte Inhalt bei uns in Vergessenheit – und blieb ewig im Eis. Oder zumindest bis zu unserem Auszug. 

Nun aber zu dir und deiner Gefriertruhe: Was rettest du darin vorm Schimmeln? Benutzt du dein Eisfach auch als Zufluchtsort für alle möglichen Lebensmittel? Ist es ein Ort des Vergessens? Ist bei dir schon mal Chaos und Gefrierbrand ausgebrochen? Oder ein Bier geplatzt? Verrate uns deine eiskalten Gefrierfach-Erlebnisse! 

Unter Beschuss

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Der Nacken, der sich da ins Bild dreht, ist breit und kraftraumerfahren. Man könnte ihm das halbe Grundgesetz eintätowieren, doch steht dort in großen Buchstaben: COP KILLER. Wenn der Kerl, dem dieser Nacken gehört, sich zur Menge dreht und das Megafon hebt, springt der Schriftzug den Polizisten unmittelbar hinter ihm ins Gesicht. „Jude, Jude, feiges Schwein!“ bellt es aus dem Verstärker. Die vor ihm brüllen es nach.



Sehen sich vermehrten Angriffen ausgesetzt: Juden in Deutschland, hier ein Foto, von einem Juden, bei dem die Kippa mit Davidstern-Klammer befestigt wurde

Levi Salomons Blick saugt sich fest an den Bildern, die er auf seinem Computer gespeichert hat. Er hat sie wer weiß wie oft gesehen, in dieser Mischung aus Abscheu und Faszination, die einen auch an Gewaltfilmen fesselt. Und er ist stolz auf sich, auf sein Team. Sie haben die Bilder vom vergangenen Donnerstag aufgenommen und ins Netz gestellt, die nun die Welt erschrecken lassen: Mitten auf dem Berliner Kurfürstendamm regiert der antisemitische Hass. „Ich wusste, dass das kommen würde“, sagt er. Er kennt die Foren und Facebook-Präsenzen, wo man so etwas erfährt.

Auf seinem Server sind in einer Art Deutschlandreise die Pro-Palästina-Anti-Israel-Demos der jüngsten Zeit zu sehen. Kassel, Göttingen – oder, hier bitte, Nürnberg: Testosterontrunkene junge Männer stürmen McDonald’s und Burger King, weil das für sie Judenrestaurants sind. Sie schwenken die palästinensische Fahne und skandieren „Kindermörder Israel“. Während die Filmschnipsel laufen, gibt es eine kleine Flaggenkunde von Levi Salomon: hier die Hamas, da die Kalifats-Jünger, dort die Hisb ut-Tahrir, alle sind sie da.

Zwanzig Jahre schon sammelt der kleine, drahtige Mann, was sich in Berlin und Deutschland an Antisemitismus auftreiben lässt, von alten und neuen Nazis, Weltverschwörungstheoretikern oder eben von extremistischen Palästinensern, Arabern, Türken. Sein wilder Haarkranz ist darüber grau geworden, die Stimme melancholisch; früher ist er noch selber zu den Demos zum Filmen gegangen, heute ist er zu bekannt und würde Prügel riskieren. Sein knappes Geld verdient der 55-Jährige als Filmemacher. Die Arbeit beim Jüdischen Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus ist ehrenamtlich, der Zentralrat der Juden in Deutschland stellt ihnen in der Zentrale ein karges Büro im Erdgeschoss zur Verfügung. Salomon schlägt oft Alarm, so oft, dass auch in der jüdischen Community zu normalen Zeiten mancher die Augen rollt. Jetzt aber sind die Zeiten nicht normal. Jetzt sind sie froh, dass sie ihn haben. Einen, auf dessen Festplatte die Belege für den Satz gespeichert sind: „So schlimm war es noch nie.“
So schlimm war es noch nie in diesen

20 Jahren, sagt Salomon. Noch in den Neunzigern war der Antisemitismus mancher Israelkritiker eine theoretische Angelegenheit. Dann kam das Satelliten-Fernsehen und mit ihm die Propaganda, dann wuchs in Neukölln und Kreuzberg und in vielen anderen Vierteln in Deutschland eine Generation von Zuwanderkindern heran, die ihre Identität über die Distanz zur Mehrheit definierte – einige über den radikalen Islam und den Kampf für ein freies Palästina, gegen den Feind Israel. Die Judenfeindschaft ist ziemlich handfest geworden. So handfest, dass die Straßen nicht mehr sicher sind für Juden, dass sie krankenhausreif geschlagen werden oder mit knapper Not dem Mob entkommen wie jenes Touristenpaar aus Israel an diesem Wochenende. „Jetzt endlich merkt das die Öffentlichkeit in Deutschland“, sagt Levi Salomon und schiebt die Frage nach: „Warum wolltet ihr das so lange nicht wahrhaben?“ Warum seid ihr so unempfindlich geworden, warum nicht mehr auf unserer Seite?

So schlimm war es lange nicht mehr, das legt auch Dieter Graumann nahe, der Präsident des Zentralrats der Juden, der von einer „Explosion des Antisemitismus“ spricht und sagt, er hätte es „niemals im Leben für möglich gehalten“, dass noch einmal solche Parolen durch Deutschlands Straßen hallen würden. Ob und wie stark der Antisemitismus tatsächlich wächst, darüber lässt sich streiten. Wolfgang Benz, der wahrhaft renommierte Antisemitismusforscher, sieht „keineswegs eine Lawine, die größer und größer wird“, wohl aber eine scharfe und zunehmende Kritik an der Politik Israels und am Gaza-Krieg, deren antisemitische Auswüchse nun zur neuen Welle hochstilisiert würden.

Benz mag nicht ganz unrecht haben – die Emotionen, die viele Juden in Deutschland umtreiben, trifft er nicht. Für sie gehört das zusammen: die Wut auf Israel, die Vorbehalte gegen Juden. Es ist das Gefühl, dass die Mehrheit im Land die Seiten gewechselt hat und in diesem Gaza-Krieg für die Palästinenser ist und nicht mehr für Israel – oder dass sie, moralisch hilflos, in Äquidistanz zu beiden Seiten verharrt, weil sie nicht mehr weiß, ob sie das Menschenverachtende der Hamas oder das Getriebene der israelischen Regierung für schlimmer halten soll.

Für viele Juden ist das ein Schock. Sie haben Verwandte in Israel und kennen deren Angst vor den Hamas-Raketen, die ihnen kein Abwehrsystem nehmen kann. Für sie ist Israel der sichere Hafen, wenn es, irgendwann, irgendwo, wieder gegen die Juden gehen sollte. Es ist der Ort, an dem es selbstverständlich ist, Jude zu sein. „Alija“, Hinaufgehen, heißt seit dem Babylonischen Exil die Heimkehr ins Gelobte Land; für die Juden in Deutschland ganz besonders, die immer erklären müssen, warum sie ausgerechnet im Land der Mörder leben wollen. Und je unterschiedlicher die Bekenntnisse und Biografien in der jüdischen Gemeinschaft werden, desto mehr stiftet Israel Identität.

Sophienstraße 22, Berlin-Mitte; ein neonheller Raum, 18 junge Frauen und Männer am Tischkarree, Juden und Nichtjuden, aus Israel und den USA, Kanada, Frankreich, Italien, drei Wochen sind sie schon in Berlin, als Teilnehmer der Leo Baeck Summer University. Und vor ihnen sitzt Sergey Lagodinsky und erzählt vom jüdischen Leben in Deutschland. Lagodinsky arbeitet bei der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, im Parlament der israelitischen Kultusgemeinde gehört er zur Opposition, er hat sich schon einige Kritik anhören müssen, weil die Grünen dafür sind, Waren aus den besetzten Gebieten besonders zu kennzeichnen.

Es dauert zwanzig Minuten, da geht es nicht mehr um die Sozialstruktur der jüdischen Gemeinden, sondern um Panzer und Raketen, um Israel und Antisemitismus. Es geht hoch her. Und Sergey Lagodinsky, der kritische Geist, sitzt da und verteidigt Israel gegen die Kritik, die da kommt – mehr als die Israelis oder die Juden aus den USA in der Runde. Nicht alles finde er gut, was dort Regierungschef Benjamin Netanjahu macht, betont er. Aber als ein Student aus Frankreich sagt, es würden sich halt auf beiden Seiten die Extremisten hochschaukeln, da stellt er klar, wo für ihn der Unterschied zwischen einer Terrororganisation wie der Hamas liegt und einem Rechtsstaat wie Israel.

Und er sagt, dass, egal wo auf der Welt, egal, was in Israel passiere, Antisemitismus bekämpft gehöre. „Es kann nicht sein, dass unsere Eltern ihre Kinder von den staatlichen Schulen abmelden, weil sie ihnen ersparen wollen, angepöbelt zu werden“, sagt Lagodinsky. „Israel ist Teil meiner Identität“, erklärt er gegen Ende. Und bedankt sich „für das offene Gespräch“. Die Stimmung kippt, sagt er noch im Hinausgehen. Hier die israelkritische Mehrheit, dort die Juden. Und die Differenzierungen drohen zu verschwinden.
Café Elfenbein, Kastanienallee. Doron Rubin hat sich eine Stunde Auszeit von der Jura-Doktorarbeit genommen und eine Cola bestellt, jetzt, wo er die Mütze absetzt, wird die Kippa sichtbar. Rubin, 32, ist orthodoxer Jude, Vorstandsmitglied im Jüdischen Lehrhaus an der Rykestraße in Prenzlauer Berg. Das mit der Mütze macht er schon länger , sagt er, „ich will nicht ständig diskutieren und erklären“. Mit Angst habe das nichts zu tun, mit Vorsicht vielleicht. Aber es sei ja nur eine Minderheit der Muslime judenfeindlich, „und dass es 600 Leute in Berlin gibt, die die Hamas gut finden, überrascht mich nicht“, sagt er. Überrascht hätten ihn die Politiker und die Medien: „Schon vor zehn Tagen wurden in Frankfurt antisemitische Parolen gerufen – warum hat da keiner gesagt: Stopp?“

Weil die Wahrnehmung anders war: für die Juden ein Schreck, für die Journalisten eine Kurzmeldung, lautet seine Antwort. Und weil die Maßstäbe doch verschieden sind. Nein, Angst habe er nicht, auch wenn die Polizei die Gemeinde gewarnt habe. Er versuche, die verunsicherten Mitglieder zu beruhigen: Seht doch, wie jetzt die Reaktionen der Politiker sind. Ja, Deutschland sei und bleibe sein Land. Zwei Jahre haben er und seine Frau in Israel gelebt. Und als die Beschneidungsdebatte in Deutschland tobte, hätten sie diskutiert: Sollen wir zurück? Doch die Antwort war schnell klar – wir gehören hierhin. „Es tut mir leid, dass Ihre Heimat unter dem Beschuss leidet“, hat ein Bekannter gesagt. Er hat zurückgefragt: „Fliegen jetzt auch Raketen auf Berlin?“

„Wie es den Juden geht, ist ein Seismograf dafür, wie es dem ganzen Land geht“, sagt Levi Salomon. Die Tür des Büros fliegt auf, ein Informant stürzt herein, neues Material. Kinder in rotbeschmierten T-Shirts halten blutende Puppen. „Furchtbar“, sagt Salomon. „Was sollen diese Kinder später denken?“ Am Freitag ist Al-Quds-Tag, an dem die Palästinenser traditionell für die Rückeroberung Jerusalems demonstrieren. Es wird die nächsten Bilder fürs Archiv geben. Es geht um die gesamte Gesellschaft, sagt Levi Salomon, nicht um uns Juden. „Wir können gehen, nach Israel. Ihr müsst bleiben.“

Der Riese wankt

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Zwei Szenen prägen die Nachrichten in Nigeria in dieser Woche, es sind Szenen, die den Nigerianern symbolhaft vor Augen führen, welches Unheil in den vergangenen Wochen auf sie zugerollt ist. Die erste Szene ist ein Fototermin des Präsidenten Goodluck Jonathan: In der Hauptstadt Abuja hat er sich am Dienstagabend mit Eltern der mehr als 200 entführten Mädchen aus der Stadt Chibok getroffen. Die Mädchen sind noch immer in der Hand von Islamisten, am Mittwoch waren es genau 100 Tage. Es wurden Hände geschüttelt, bei manchen Eltern flossen Tränen.



Setzen sich für die Freilassung der entführten Mädchen ein: Hier die Aktivistin Yemisi Ransome-Kuti

Die zweite Szene ist eine militärische Niederlage der Regierung, möglicherweise auch so etwas wie ein Wendepunkt. Erstmals haben die Islamisten der Gruppe Boko Haram („Westliche Bildung ist Sünde“) im Norden des Landes eine Großstadt eingenommen. Ihre schwarze Flagge weht seit Sonntag über Damboa, wie zum Anfang der Woche bekannt wurde. Die Handelsmetropole mit ihren mehr als 200000 Einwohnern war lange umtost gewesen von kleineren Scharmützeln. Jetzt ist sie gefallen, 40 Menschen wurden dabei von den Angreifern getötet, sagt die Regierung. Die Armee, die bislang stets nach kurzer Zeit zurückschlagen und Orte zurückerobern konnte, ist nirgends in der Nähe.

Stattdessen zündeten die Islamisten am Mittwoch in der nahe gelegenen Stadt Kaduna eine Autobombe, die mindestens 25 Menschen in den Tod riss. Das richtete sich offenbar gegen einen moderaten islamischen Kleriker, der als ihr Kritiker galt.

Die Eroberer in Damboa sind dieselben, die in der Gegend auch Schulen überfallen und Mädchen entführen: In den vergangenen 100 Tagen, in denen der Präsident ihnen – unter dem Druck einer aufgebrachten Öffentlichkeit – den Krieg erklärt hat, an der Seite von Benin, Kamerun, Niger und Tschad und mit der Unterstützung Frankreichs, sind sie nicht schwächer geworden, sondern stärker.

Boko Haram, die 2009 gegründete Gruppe, die für einen Gottesstaat im Norden kämpft, ist inzwischen in der Lage, Gebiete ganz zu übernehmen und zu halten. Und die Regierung zeigt einmal mehr, wie sie zaudert, taktiert und stolpert: Tatsächlich war der 100-Tage-Handshake-Termin das erste Mal, dass sich Präsident Jonathan überhaupt mit Eltern getroffen hat, trotz wochenlanger Proteste und Märsche auf seinen Präsidentenpalast. In der vergangenen Woche hatte bereits Kenneth Minimah, einer der führenden Armeegeneräle, vor Journalisten betont, dass man Geduld haben müsse; es gebe „keinen konkreten Zeitplan“ zur Befreiung. So sehr es dafür unter den zur Hilfe gekommenen Militärberatern aus den USA, Großbritannien und Israel Verständnis gibt, so sehr ist damit auch offen sichtbar, wie die kleine Gruppe Boko Haram das riesige Land im Schwitzkasten hält.

Der Kampf von Boko Haram, der lange nur an der Peripherie des Landes tobte, im bettelarmen Norden, wo die Landbevölkerung abgehängt ist von der Ölwirtschaft und wo sich Wut, Frustration und Analphabetentum unheilvoll vermengen – dieser Kampf ist in diesen Monaten auch im Zentrum des Landes angekommen. Ende Juni verübten Mitglieder von Boko Haram zwei Anschläge in der Hauptstadt Abuja sowie in der Wirtschaftsmetropole Lagos. Allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres sind mindestens 2053 Menschen durch Anschläge und Überfälle von Terroristen ums Leben gekommen, schätzt die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

Wie viele Zivilisten umgekehrt auch die nigerianische Armee seither getötet hat, ist da noch nicht einmal eingerechnet: Immer wieder werden dem Militär Exzesse vorgeworfen. Im Kampf gegen Boko Haram ist es sogar offizielle Politik der Regierung, auch Familienangehörige von mutmaßlichen Terroristen zu inhaftieren. Wenn nun der Anführer von Boko Haram, Abubakar Shekau, in seiner jüngsten Videobotschaft von vergangener Woche der Regierung erneut einen Handel anbietet – 50 entführte Mädchen gegen die Freilassung von 100 Boko-Haram-Leuten –, dann geht es dabei auch um Boko Harams Frauen und Kinder, deren Sippenhaft ohnehin viel Unverständnis auslöst, auch international.

Die Nigerianer sind das größte Volk ihres Kontinents, ihr Öl macht sie zur beherrschenden Wirtschaftsmacht Westafrikas, ihre Filmindustrie („Nollywood“ produziert mehr Filme als Hollywood und Bollywood zusammen) auch zu einem kulturellen Zentrum. Ihr Land trägt den Beinamen „der Riese Afrikas“. Doch die neuen Erfolge von Boko Haram bereiten gerade vielen kleineren Nachbarländern Sorge, die ihrerseits Probleme mit Islamisten haben. Nicht einmal Nigeria weiß sich zu helfen. Der Riese wankt.

Trinken für eine bessere Welt

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Nach dem Konzert des Rappers Materia in der Münchner Tonhalle ist der Boden übersät von leeren Plastikbechern. Ein Haufen Geld: Zwei Euro Pfand gibt das pro Becher, wenn man die zugehörige Marke hat. Doch noch während des Konzerts laufen eine Handvoll „Viva-con-Agua“-Mitarbeiter durch das Publikum und rasseln mit Sparbüchsen. Statt Spenden in Münzform bitten sie um die Pfandmarken der Besucher. Eine ganze Menge Geld kommt da zusammen, die „Viva-con-Agua“ in Brunnen- und Trinkwasserprojekte in Entwicklungsländern steckt, während das Publikum sein gutes Gewissen behält, weil die eigene Faulheit, sich nicht nach dem Konzert auch noch an der Bar anzustellen zu müssen, um die Pfandbecher loszuwerden, in einen guten Zweck verwandelt wird. Auch auf Tollwood ist „Viva con Agua“ aktiv. Bei den Max-Herre-Konzerten wurden die Becher eingesammelt, und bei dem am heutigen Donnerstag stattfindenden Reggae-Abend mit dem Kölner Gentleman wird das wieder der Fall sein.



Auch Hopfen für den guten Zweck: Auf einigen Pop-Events werden nun Spenden gesammelt

Der deutschlandweit agierende Verein hat das Potenzial erkannt, aus dem Hedonismus der Feier- und Konzertkultur Spenden zu ziehen. 2006 in Hamburg gegründet, wird dort, ähnlich der in den Achtzigerjahren groß gewordenen „Live-8-Konzerte“, die Masse des Pop-Publikums genutzt. Doch statt der obligaten Benefizkonzerte sind die kleinen Pfandaktionen unkompliziert und schneller umsetzbar als groß angelegte Gutmenschen-Events. Auch in München erscheinen derzeit immer mehr Gruppen, die aus dem schlichten Konzert- und Partyleben der Stadt ein Weltverbesserer-Potenzial schöpfen wollen.

Die Initiative „Club-Mob München“ verkündet etwa auf ihrer Webseite: „Das Substanz kennt ein Morgen“. Feiern und Ausgehen am Wochenende dient eigentlich dazu, sich über den nächsten Morgen keine allzu ausgiebigen Gedanken zu machen. Ziel der wochenendlichen Party ist es doch, für einen Abend weniger Verantwortung zu übernehmen und sich in der – hoffentlich recht lange andauernden Nacht – treiben zu lassen. Doch hier liegt die Crux: Selbst für die größten Hedonisten unter den Partygängern ist es vielleicht am schönsten, wenn die eigene Verantwortungsaufgabe ohne viel Anstrengung von anderen in eine Verantwortungsübernahme umgewandelt wird.

Noch einfacher als bei den Pfandsammelaktionen von „Viva con Agua“ muss der Partybesucher bei den „Club-Mob“-Veranstaltungen rein gar nichts an seinem normalen Ausgehverhalten ändern. Möglichst viel trinken soll er und möglichst lange bleiben. Denn: „Der ,Club-Mob’ München empfiehlt den Genuss von 260 Bier für eine Dämmung im Kühlhaus“, verkünden Plakate, die die Veranstalter bei ihrer ersten Party in der Münchner Traditionskneipe Substanz aufgehängt hatten. Energieeffizienz ist das Anliegen der Münchner Gruppe, die nach einem Berliner Vorbild von dem Verein Rehab Republic und der Jugendgruppe des Bund Naturschutzes Bayern 2012 ins Leben gerufen wurde. „Es ist oft gar nicht so einfach, die richtigen Ansprechpartner der Clubs und Kneipen zu finden“, sagt Initiator Markus Mitterer von Rehab Republic.

Sie würden auf die Clubs zugehen und ihr Konzept vorschlagen, doch oft brauche es lange, bis die Entscheidung falle, ob man sich auf das Konzept einlasse. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: „Club Mob“ kümmert sich um einen Energieberater, mit dem wird dann die Lokalität besichtigt und besprochen, was und zu welchen Kosten energieeffizient umgebaut werden könne. Anschließend wird eine Party organisiert, bei der die Gruppe um „Club Mob“ ordentlich die Werbetrommel rührt. So sollen die Besucherzahlen die im normalen Betrieb zu erwartenden massiv übersteigen. Das erwirtschaftete Plus wird anschließend in den Umbau, etwa in eine CO₂-sparende Lichttechnik oder Kühlung gesteckt.

„Im Substanz hat das erstaunlich gut funktioniert“, sagt Mitterer, es könnte sogar sein, dass sie finanzielle Mittel für mehr Umbauten hätten, als ursprünglich geplant war. An einem Donnerstag im vergangenen Sommer haben dort um die 200 Leute ausgiebig gefeiert. „Und das war ein richtig warmer Sommertag“, fügt Mitterer stolz an. Eine Voraussetzung, bei der sonst mit einer wesentlich geringeren Besucherzahl gerechnet werden würde. „Wir brauchen noch ein wenig mehr positive Beispiele, damit auch andere Clubs mitziehen“, sagt Markus Mitterer, „das ist ja letztlich auch für die Clubs ein finanzieller Vorteil, wenn sie auf Dauer geringere Stromkosten haben“.

Mehr an den sozialen Aspekten des Kulturlebens ist hingegen der „Kulturraum München“ interessiert: Kulturveranstaltungen sind teuer, und daher nicht für jeden zugänglich. Ähnlich dem Prinzip der Münchner Tafel stellt der gemeinnützige Verein, der 2011 gegründet wurde, kostenlose Eintrittskarten zu diversen Kulturveranstaltungen zur Verfügung. „Unsere Gäste müssen die gleichen Nachweise erbringen wie für den München-Pass“, sagt die Mitarbeiterin Anne-Isabelle Zils, also ein geringes Einkommen haben oder einen Sozialhilfebescheid vorlegen. Der Verein tritt dann an die Konzert- und Kulturveranstalter heran und bittet sie um Freikarten. Bei Veranstaltungen, die nicht ausverkauft sind, sei das meist überhaupt kein Problem, doch mittlerweile würden auch einige Partner gratis Plätze zu den gefragteren Veranstaltungen abgeben, um das Projekt zu unterstützen. Um die 5000 Münchner seien bei ihnen angemeldet, die Veranstaltungen von den 160 sogenannten „Kulturpartnern“ besuchen können. Spartenübergreifend reichen die von der Bayerischen Staatsoper über die Pop-Konzertveranstalter „Club Zwei“ bis zum Haus der Kunst.

Ob nun die sozialen Barrieren und Zugänge zu kulturellen Veranstaltungen aufgebrochen werden, die Feierlust der westlichen Welt den weltweiten Zugang zu Trinkwasser schaffen soll, oder schlicht das Ausgehen wenigstens einen Blick auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit werfen soll, zeugt davon, dass Verantwortung und Bewusstsein schick geworden sind: Weltverbesserung ohne am normalen Habitus etwas verändern zu müssen, das funktioniert in dieser Gesellschaft wohl am besten. Etwas, dass sich diese Gruppen nun geschickt zu Nutze machen.
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