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Die Facebook-Illusion

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Franziska hat Geburtstag. Glückwunsch. Joachim hat sein Titelbild aktualisiert. Schön. Volker spielt ein Spiel. Großartig. Dazwischen stehen die Meldungen der Newsfeeds, die bei Facebook abonniert sind. Wird später gelesen. Also nie. Oh, Facebook, unbarmherziger Zeitfresser, was stellst du mit den Menschen an? Diese Frage stellten sich auch die Psychologen Christina Sagioglou und Tobias Greitemeyer von der Universität Innsbruck (Computers in Human Behaviour, Bd.35, S.359, 2014). Ihre kurze Antwort lautet: Facebook macht die Menschen unglücklich. Die Nutzer aber kehren trotzdem zurück, denn sie erwarten das Gegenteil – dass sie zufriedener sind, wenn sie etwas Zeit mit ihren Online-Freunden verbracht haben.



Unglücklich? Das Einloggen bei Facebook wird dir ziemlich sicher nicht helfen.

Mehr als eine Milliarde Menschen haben sich bei Facebook registriert. Und mehr als 650 Millionen von ihnen loggen sich mindestens einmal täglich ein, um die Meldungen ihrer Freunde und die Nachrichten auf abonnierten Seiten zu lesen. Welche Emotionen weckt das in diesen Menschen? Diese naheliegende Frage habe bisher niemand beantwortet, schreibt Sagioglou, Hauptautorin der aktuellen Studie. Die Psychologin befragte nun 123 Probanden, direkt nachdem diese Zeit bei Facebook verbracht hatten. Je länger sich die Teilnehmer Urlaubsbilder oder andere Inhalte in dem sozialen Netzwerk angesehen hatten, desto mieser war anschließend ihre Laune. In einem weiteren Versuch zeigte die Psychologin, dass dies offenbar ein für Facebook spezifischer Effekt war. Denn Vergleichsgruppen, die Zeit im übrigen Internet verplemperten, gaben anschließend weniger düstere Einschätzungen zu ihrem emotionalen Zustand zu Protokoll. Der unmittelbare Auslöser scheint jener zu sein, den man als gemeiner Nutzer vermutet: Bei Facebook verbrachte Zeit empfinden die meisten als sinnlos.

So weit, so naheliegend. Die spannende Frage lautet deshalb: Warum loggen sich dann so viele Nutzer täglich ein? Die Psychologen erklären dies mit dem so genannten affektiven Vorhersagefehler. Dahinter verbirgt sich der Umstand, dass wir oft nicht sehr gut wissen, was uns glücklich macht. Zum Beispiel dürsten Menschen nach Rache und fühlen sich noch mieser, wenn sie diese endlich hatten, haben Studien gezeigt. Oder sie pochen darauf, Entscheidungen stets rückgängig machen zu können, vergrößern so aber ihre Unzufriedenheit mit dieser Entscheidung. Bei Facebook scheint es ähnlich, hat Sagioglou in einer dritten Studie gezeigt. Ihre Probanden glaubten, dass sie eher zufriedener sein würden, nachdem sie sich dort eingeloggt hatten.

Kriegs-Viren

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Wenn in Kriegsgebieten die öffentliche Ordnung und die Infrastruktur zusammenbrechen, beschränkt sich die Gesundheitsversorgung meist auf die Verletzten, Verbrannten und Verschütteten – sofern dies überhaupt möglich ist. Vorsorge oder gar Impfkampagnen finden dann allenfalls notdürftig in den Behelfslagern von Hilfsorganisationen statt. Vor diesem Hintergrund ist der aktuelle Warnruf der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein politisches Warnsignal. Gleich in mehreren Ländern ruft die UN-Behörde den gesundheitlichen Notstand aus, weil sich von dort aus die Kinderlähmung wieder erschreckend stark verbreitet (Public Health Emergency of International Concern). Als „außerordentlich ernst“ und „Bedrohung für andere Staaten“ werten die Gesundheitsexperten die Vermehrung des Polio-Erregers.



Insbesondere Kinder müssen gegen den Polio-Erreger geimpft werden, wie es hier in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa geschieht. Doch auch Reisende können die Erreger über Grenzen tragen und stellen so eine große Bedrohung dar.

Ende April hatten sich Ärzte und Epidemiologen der WHO mit Kollegen aus Afrika und Asien beraten. Die Verbreitung von Polio hat dort offenbar so zugenommen, dass die WHO jetzt die Alarmglocke läutet. „Alle Experten waren sich einig, dass der Notruf gerechtfertigt ist“, sagt Marsha Vanderford von der amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC. Besonders in Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan und Nigeria hat sich das Virus zuletzt stark vermehrt und ist in andere Länder übertragen worden. Für Seuchenexperten ist dies ein Rückfall, denn bis 2012 verlief die Eindämmung der Kinderlähmung erfolgreich, sodass es als realistisches Ziel erschien, neben den Pocken eine weitere Infektionskrankheit weltweit auszurotten.

Die Seuchenmediziner sind besonders enttäuscht über den Rückschlag, weil sich die sogenannten wilden Polio-Stämme zuletzt wieder stark vermehrt hatten. Als wilde Stämme werden solche Viren bezeichnet, die sich über Jahrtausende im Verlauf der Evolution entwickelt haben, aber nicht plötzlich neue Wirte befallen oder durch unerwartete Mutationen deutlich gefährlicher geworden sind, wie es beispielsweise bei den Erregern der Vogel- oder der Schweinegrippe der Fall war. Die wilden Virenstämme sind gleichsam alte Bekannte und mithilfe der seit Jahrzehnten bewährten Impfstrategien gegen Polio gut zu bekämpfen.

In krisengebeutelten Regionen wie Syrien sind Impfkampagnen jedoch derzeit illusorisch. Bevor die Konflikte dort 2011 begannen, waren etwa 90 Prozent der Bevölkerung geimpft, jetzt leben dort viele nicht geimpfte Kinder, die für medizinische Helfer nicht erreichbar sind. Im Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan, wo Taliban die Berglandschaft kontrollieren, lassen sich Impfungen ebenfalls nicht umsetzen. Und in Nigeria hat die islamistische Terrorgruppe Boko Haram im Jahr 2013 neun Mitglieder eines Polio-Impfteams erschossen. Einige Politiker des Landes stellen die Impfkampagnen zudem als „gezielte Vergiftungspläne“ der USA dar und untergraben damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Vakzination.

„Die Dinge entwickeln sich leider in die falsche Richtung“, sagt Gregory Härtl von der WHO. „Wir müssen schnell wieder auf die richtige Spur kommen, sonst drohen schreckliche Dinge.“ In den nächsten Monaten ist allerdings tendenziell keine Besserung zu erwarten. Die Monate von Januar bis April gelten als Zeiten geringer Viren-Übertragung. Doch hatten sich bereits in diesem Frühjahr die Viren über mehrere Landesgrenzen ausgebreitet, hauptsächlich übertragen durch Reisende. So gelang wilden Polio-Erregern der Transfer von Pakistan nach Afghanistan, von Syrien in den Irak und von Kamerun (wohin es aus Nigeria gekommen war) nach Äquatorialguinea. Wenn im Mai, Juni und Juli die Saison einsetzt, in der sich die Viren üblicherweise weitaus besser verbreiten, drohen weitere Infektionen.

Da häufig die Grenzregionen betroffen sind, reicht es nicht, wenn nur ein Land Impfkampagnen startet und die Präventionsbemühungen intensiviert. Von den besonders befallenen Ländern fordert die WHO daher massive Schritte und die Bereitschaft, die Bekämpfung der Kinderlähmung tatsächlich als vorrangige Aufgabe anzusehen. „Wir haben unsere Marschroute deutlich geändert“, sagt Bruce Aylward, der Leiter des Polio-Bekämpfungsprogramms der WHO. Statt mit dezenten Empfehlungen reagiert die Weltgesundheitsorganisation jetzt mit massiven Aufrufen, die Bedrohung endlich ernst zu nehmen und zu handeln. So sollen Reisende in und aus den betroffenen Ländern einen Impfnachweis vorlegen. Weiterhin sollten sich die Bewohner von Kamerun, Syrien und Pakistan, aus denen die Viren in andere Länder verbreitet wurden, impfen lassen, bevor sie ausreisen, und ein entsprechendes Zertifikat mit sich führen. Wer sich als Tourist länger als vier Wochen im Land aufhält, sollte zwingend geimpft werden.

In Afghanistan, Äquatorialguinea, Äthiopien, Irak, Israel, Somalia und besonders Nigeria wurden aktuell wilde Polio-Stämme nachgewiesen, auch wenn diese Länder die Erreger noch nicht „exportieren“. Ihnen empfiehlt die WHO verstärkte Impfkampagnen auch für Reisende, die länger im Land sind. Wichtig ist den Seuchenexperten zufolge auch, die verstärkten Impfbemühungen mindestens sechs Monate beizubehalten, nachdem der letzte Fall dokumentiert worden ist.

„Man kann sich die möglichen Folgen für den Rest der Welt ja gar nicht ausmalen“, heißt es in dem WHO-Statement. Führen Reisende Viren in fragile Länder ein, kann sich die Kinderlähmung dort schnell ausbreiten, und Gegenmaßnahmen sind dann schwer zu treffen.

Operation am falschen Knie

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Der Patient war Mitte zwanzig, als sein Arzt ihm in einem Krankenhaus irgendwo in Niedersachsen das falsche Knie aufschnitt. Vom Eingriff hatte er sich Linderung versprochen – Linderung der Meniskus-Schmerzen am anderen Knie. Noch im Operationssaal bemerkte das Team den Irrtum. Der Mediziner nähte das falsche Knie wieder zu und machte sich an das richtige. Sport machen kann der Mann immer noch nicht. Denn weiterhin habe er starke Schmerzen, klagt er. Nicht im Meniskus-Knie, sondern im fälschlich operierten.



Das falsche Knie operiert? Kommt schon mal vor. 14585 Patienten fühlten sich 2013 falsch von ihrem Arzt behandelt und beschwerten sich beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen.

14585 Menschen fühlten sich im vergangenen Jahr von ihren Ärzten, Zahnärzten oder Pflegern falsch behandelt und beschwerten sich beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), etwa 17 Prozent mehr als noch 2012. In etwa einem Viertel der Fälle (3687) stimmten ihnen die Gutachter zu und sahen wie im Fall der verwechselten Knie einen Behandlungsfehler. Die Bundesärztekammer beurteilte im gleichen Zeitraum etwa 8000 Beschwerden und kam bei etwa einem Drittel der Fälle zum Urteil, dass eine Fehlleistung des medizinischen Personals zugrunde lag.

Tatsächlich dürfte die Zahl der Behandlungsfehler deutlich höher liegen. Nach Worten der leitenden Ärztin beim MDK Bayern, Astrid Zobel, bleiben jedoch mehr Fehler unerkannt. „Wir gehen von einer hohen Dunkelziffer aus“, sagte sie. Viele Patienten trauten sich nicht, gegen ihren Arzt vorzugehen, oder sie scheuten den Aufwand einer Beschwerde.

Oft sind die Behandlungsfehler auch nicht so leicht zu erkennen wie bei dem verwechselten Knie. So untersuchte der MDK in Bayern den Fall einer Patientin Anfang70. Sie litt unter einem schweren Herzklappenfehler und wurde vorsorglich mit Medikamenten gegen Depression behandelt. Nach der Operation war sie hochgradig verwirrt, und ihr Zustand verschlechterte sich, bis sie ins Koma fiel. Erst dann untersuchten die behandelnden Ärzte ihre Schilddrüsenwerte und stellten fest, dass das Organ nicht richtig arbeitete. Das hätte man früher wissen müssen. Nach internationalen Standards wäre der Schilddrüsen-Check schon sofort nach der Operation notwendig gewesen, sagte Zobel. Jetzt leide die Frau unter schweren Hirnschäden.

Aber auch Fehler von niedergelassenen Ärzten werden von den Patienten oft nur schlecht erkannt. Ob der niedergelassene Mediziner die Blutzuckerwerte über Jahre schlecht eingestellt oder die falschen Medikamente gegen Bluthochdruck verschrieben hat, können medizinische Laien nur schwer beurteilen.
Laut MDK beschwerten sich auch aus diesen Gründen die meisten Patienten nach einem Aufenthalt im Krankenhaus. Nur etwa 30 Prozent hatten an der Behandlung durch ihren niedergelassenen Arzt etwas auszusetzen. Doch lag in beiden Bereichen der Anteil der laut MDK berechtigten Klagen ähnlich hoch (Klinik: 24,8 Prozent; Praxis: 26,4 Prozent).

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, verwies auf die jährlich fast 700 Millionen Behandlungsfälle im ambulanten Bereich und die mehr als 18 Millionen Fälle in den Kliniken. Angesichts dieser Größenordnungen bewege sich die Zahl der festgestellten ärztlichen Behandlungsfehler im Promillebereich. Dass sich immer mehr Patienten über die Behandlung beschwerten, führte der stellvertretende Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes, Stefan Gronemeyer, auch auf das von der schwarz-gelben Koalition beschlossene Patientenrechtegesetz zurück. Dies habe die Menschen für das Thema sensibilisiert, sagte er.

Deutlich skeptischer zeigte er sich angesichts der aktuellen Pläne der Koalition aus Union und SPD, ein Qualitätsinstitut aufzubauen, das Daten aus dem Krankenhaus und dem niedergelassenen Bereich auswerten soll. Mit diesen Informationen soll dann die Qualität der Behandlungen gesteigert und damit auch die Zahl der Behandlungsfehler gesenkt werden. „Ich glaube nicht, dass es insgesamt zu einer Verbesserung der Patientensicherheit führt, wenn wir die Aufgabe an ein Institut delegieren.“ Notwendig sei ein breiter Wandel in der Fehlerkultur. Ähnlich äußerte sich der Geschäftsführer des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, Hardy Müller.

Die Koalition will dennoch am Aufbau des Instituts festhalten. Jens Spahn (CDU), der gesundheitspolitische Sprecher der Union, sagte, die Qualität der Behandlung müsse messbar sein. Auch solle künftig besser bezahlt werden, wer gute Qualität liefere. „Bei den Krankenhäusern werden wir den Behandlungserfolg dann auch bei der Vergütung berücksichtigen.“

Alleingelassen in der Hölle

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Junge nigerianische Schulmädchen entführt und in der Hand von islamistischen Terroristen – es graust einen bei dieser Vorstellung. Aber es gibt noch Steigerungsmöglichkeiten in der Skala des Grausigen, und der vorläufige Höhepunkt war erreicht, als sich am Sonntag der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan im Fernsehen zeigte und diesen einen Satz sagte. Er sollte die Menschen beruhigen, er sollte den Eltern der entführten Mädchen Mut machen. Erreicht hat Präsident Jonathan mit diesem einen Satz jedoch vermutlich das genaue Gegenteil. Er sagte: „Unsere Sicherheitskräfte sind mehr als fähig, mit dieser Sache fertig zu werden.“



Die Mutter eines der entführten Mädchen weint um ihre Tochter.

Wären Nigerias Armee und Polizei fähig, es wäre möglicherweise gar nicht zu dieser Situation gekommen. Wären sie fähig, hätte die Terrorsekte Boko Haram vielleicht gar nicht diesen Zulauf gehabt und auch nicht diesen Nährboden bekommen, auf dem sie blühen und gedeihen und ihr blutiges Handwerk verrichten kann. Was da im verarmten Norden Nigerias entstanden ist, diese schier endlose Serie von Anschlägen, Morden und Entführungen, hat sich zu dieser entsetzlichen Plage ja erst auswachsen können durch die Art und Weise, wie die Staatsmacht in Nigeria auf sie reagiert hat. Eine kluge Staatsmacht hätte den Terror der Boko Haram als Alarmsignal verstanden und als einen Weckruf. Eine kluge Staatsmacht hätte nach den Ursachen geforscht und wäre dann schnell zu dem Schluss gekommen, dass es Gründe gibt für diese Aufwallung von Terror und Gewalt. Sie hätte sich dann allerdings selbst infrage stellen und ihr eigenes Verhalten einer selbstkritischen Prüfung unterziehen müssen. Mächtige mögen das nicht. Sie lassen stattdessen lieber die Männer mit den Gewehren von der Leine, lassen gründlich aufräumen, wie es dann heißt – und wundern sich, dass hinterher alles noch viel schlimmer und eine große Schar junger Mädchen plötzlich in der Gewalt von Verbrechern ist.

Als Nigeria von den Briten in die Unabhängigkeit entlassen wurde, da galt es als der Hoffnungsträger Afrikas. Das Land hatte eine gut ausgebildete Elite, es hatte so viel fruchtbares Land, dass man damit ganz Westafrika hätte ernähren können. Dann wurde Öl gefunden, Nigeria stieg auf zum achtgrößten Erdölproduzenten der Welt. Es war auf der Abschussrampe heraus aus der Dritten Welt, doch stattdessen wurde der Staat zum Symbol für all das, was Afrika nicht vorankommen lässt: Korruption und Misswirtschaft, Gewalt, Putsche, Unfähigkeit. Während sich die oben schamlos bereichern, versinken die unten immer mehr in Armut, Elend und Hoffnungslosigkeit.

Das Gegengift ist die Empörung. Sie findet Ausdruck im Aufstand von Jugendbanden im Nigerdelta, wo das Öl seither nur noch unter großen Schwierigkeiten gefördert werden kann, oder eben im Terror der Boko Haram im Norden des Landes. Für Hassprediger ist dort der Boden ganz besonders fruchtbar. Obwohl es jahrzehntelang fast ausschließlich Generäle aus dem Norden waren, die an der Spitze des Staates standen, haben die Menschen im Norden davon nicht profitiert. Nirgendwo im Land ist die Unterentwicklung größer.

Da der Norden überdies, anders als der Süden, überwiegend muslimisch geprägt ist, ergaben sich die Bausteine für ein terroristisches Netzwerk gleichsam von selbst: Armut und religiöser Fanatismus. Als dann die Armee auf den Plan trat, so brutal und so grobschlächtig wie immer, da mussten sie sich in der Sekte um Zulauf und Unterstützung nicht mehr sorgen. „Westliche Bildung ist Sünde“ heißt ihr Name und ihr Programm, und es war nur logisch, dass man früher oder später genau da ansetzen würde, wo eben diese westlichen Werte vermittelt werden.

Nichts ist Eltern in Afrika so wichtig wie die Schulbildung ihrer Kinder. Dafür legen sie sich krumm, dafür bringen sie nahezu jedes Opfer, denn in der Bildung sehen sie den einzigen Erfolg versprechenden Weg aus der Armut. Im Norden Nigerias ist das nicht anders als anderswo, doch Boko Haram hat den Preis dafür unmenschlich hoch getrieben. Er bemisst sich inzwischen nach Toten. Angriff auf eine Schule in dem Ort Mamudo – 22 tote Schüler. Angriff auf eine Schule in Buni Yadi – 59 tote Jungen. Und schließlich Mädchen. Natürlich Mädchen.

Mädchen, da ist sich Boko Haram mit den Taliban völlig einig, haben in der Schule nichts verloren. Frauen sind im Norden Nigerias ohnehin längst Geschöpfe zweiter Klasse. Als vor 14 Jahren in den zwölf nördlichen der 36 nigerianischen Bundesstaaten die islamische Rechtsprechung der Scharia eingeführt wurde mit grausamen Strafen wie Steinigung, Amputationen und Auspeitschungen, da ging das hauptsächlich zulasten der Frauen. Ein Fall war exemplarisch. Da zeigte ein minderjähriges Mädchen drei Männer wegen Vergewaltigung an, aber am Ende war es das Mädchen, das hundert Peitschenhiebe erleiden musste, wegen Unzucht. Die Männer bestritten die Tat und kamen frei.

Das ist Justizalltag im Norden Nigerias, und vor dem Hintergrund ist es fast schon der logische nächste Schritt, wenn jetzt zu hören ist, dass Boko Haram die entführten 276 Schulmädchen verkaufen, versklaven und zwangsverheiraten will. Das Entsetzen darüber ist groß, es zieht weltweite Kreise, so wie es manchmal ist, wenn plötzlich ein Schlaglicht fällt auf etwas, das den Normen von Menschlichkeit und Zivilisation derart zuwiderläuft. Nur: Nichts davon ist in diesem Teil der Welt außergewöhnlich oder unerhört. Es ist leider sehr weitverbreitete Praxis.

Wahr ist aber auch, dass Frauen sich wehren. In Nigeria sind sie auf die Straße gegangen mit Transparenten, auf denen stand: „Rettet unsere Chibok Mädchen“. Chibok ist der Ort, in dem sie zur Schule gingen. Auf Rettung hoffen viele, aber man muss auch hoffen, dass es nicht nigerianische Sicherheitskräfte sind, die diesen Versuch unternehmen, denn dann könnte ein Blutbad programmiert sein. Eine der Frauen, die jetzt demonstriert haben, schrieb im Guardian, man solle statt auf die Armee lieber auf die Cleverness der Mädchen setzen, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Es heißt, 53 von ihnen sei bereits die Flucht geglückt.

Eine Wurst mit Bart

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  1. Conchita Wurst ist Travestiekünstler(in) und heißt eigentlich Thomas „Tom“ Neuwirth. Conchita wurde „geboren“, weil der heute 25-jährige Österreicher Tom in seiner Jugend in der Steiermark ständig mit Diskriminierung zu kämpfen hatte. Also schuf er Conchita, eine Frau mit Bart, eine Frau, die auffällt, eine Frau, die ein Statement ist.

  2. Ein Statement ist auch der Name der Kunstfigur Conchita Wurst. Wurst heißt sie nicht wegen einer Vorliebe für Fleisch in Schweinedärmen, sondern, so heißt es auf der Webseite, weil „Aussehen, Geschlecht und Herkunft völlig WURST“ seien, „wenn es um die Würde und Freiheit des Einzelnen geht“. Und der Name Conchita? Stammt angeblich aus dem kolumbianischen Hochland – wo Conchita laut Biografie auf ihrer Webseite herkommt. Dort ist er auch ein verniedlichender Ausdruck für Vagina.

  3. Conchita Wurst spricht mit deutschem – und nicht steirischem – Akzent, weil Conchita nicht aus der Steiermark kommt. Tom allerdings schon.

  4. Conchita ist das, was man einen C-Promi nennt: zwei Casting-Shows, eine Band, ein ESC-Vorentscheid und zwei Reality-Formate (unter anderem "Wild Girls – Auf High Heels durch Afrika") stehen im Neuwirth-/Wurst-Portfolio. Mit der ESC-Teilnahme ist die Kunstfigur wohl auf dem Weg zum B-Promi.

  5. Tom Neuwirth sieht (oder sah) übrigens so aus: [plugin imagelink link="http://www.homepagesearcher.com/starmania/style_tom.jpg" imagesrc="http://www.homepagesearcher.com/starmania/style_tom.jpg"]

  6. Dieser akkurate Bart ist nicht komplett echt – er wird mit Lidschatten und Pinsel nachgemalt. Eine Vollrasur gab’s zuletzt zu Halloween 2013.

  7. Anders als sonst hat Österreich den ESC-Teilnehmer dieses Mal ohne Vorentscheid bestimmt: Wurst wurde einfach so vom ORF ausgesucht.

  8. Es sieht aus, als könnte sich diese Entscheidung für Österreich lohnen. Conchita wird von den Experten vorab schon in den Top Ten gesehen. Für Österreich wäre das ein Erfolg: Der letzte ESC-Sieg wurde dort 1966 gefeiert, eine Platzierung unter den ersten Zehn ist auch schon mehr als zehn Jahre her.

  9. Mit einer bärtigen Frau kommen wohl leider nicht alle klar: In Österreich bekam eine Facebook-Protestgruppe gegen Conchitas Teilnahme in wenigen Wochen mehr als 40.000 Fans. In Weißrussland wurde eine Petition gegen Wursts ESC-Teilnahme eingereicht. "Dank der europäischen Liberalen hat sich der populärste internationale Wettbewerb, der von unseren Kindern gesehen wird, zu einer Brutstätte der Sodomie entwickelt", heißt es darin. Die Initiative fordert nun, Wursts Auftritt in Weißrussland nicht zu übertragen. Laut Regelwerk darf der Song Contest allerdings nur ganz oder gar nicht gezeigt werden. Ein russischer Politiker, der ebenfalls zunächst zu einem Boykott aufrief, kramte noch üblere Beleidigungen hervor und bezeichnete Wurst als „Missgeburt aus Österreich“. Conchita reagierte gelassen und schrieb auf Facebook nur: „Geschmäcker sind nun mal verschieden.“

  10. Musik macht Wurst übrigens auch. Ihr ESC-Lied heißt „Rise like a Phoenix“ und klingt so:

http://www.youtube.com/watch?v=ToqNa0rqUtY

Zwei Bücher (7): Finanzverwalter Walter und Geschwisterliebe

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Fabian Hischmann, geboren 1983 in Donaueschingen, lebt in Berlin. Er studierte Kulturwissenschaften und Literatur in Hildesheim und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. 2011 erhielt er das Bremer Autorenstipendium und 2012 war er auf der Shortlist zu "Wortlaut", dem Kurzgeschichtenwettbewerb des österreichischen Radiosenders FM4, 2013 dann Teilnehmer der Jürgen-Ponto-Werkstatt. Er veröffentlichte Kurzgeschichten in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien. Im Februar 2014 erschien sein Debütroman "Am Ende schmeißen wir mit Gold" im Berlin Verlag, der für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war.

Teil 1: Die Neuerscheinung


Lorenz Langenegger: Bei 30 Grad im Schatten




jetzt.de Warum hast du grade dieses Buch ausgewählt?
Fabian Hischmann: Das Buch hat mich interessiert, weil ich auch ein Buch geschrieben habe, in dem Griechenland vorkommt. Es geht um Jacob Walter, der nach zehn Ehejahren von seiner Frau Edith verlassen wird. Er nimmt diese Trennung irgendwie hin und reist nach Zürich und von dort aus eben weiter nach Griechenland. Diese Bewegung macht seine Situation zwar nicht besser, aber erträglicher.

Auf dem Umschlag steht "Roman". Ist es nicht eher eine Erzählung oder ein Novelle?

Naja, die "unerhörte Begebenheit", wie man in der Germanistik die Novelle so schön definiert, fehlt hier. Dafür ist auch schon der erste Satz "Um halb zwei Uhr morgens ist es Gewissheit" und die Trennung auf die er hinausläuft viel zu klassisch. Das finde ich aber schön an diesem Buch, da wird nicht versucht, ein komplett neues Thema aufzumachen, sondern erzählt, was jeden interessiert: deine Beziehung ist im Arsch, wie gehst du damit um? Und, ja, vielleicht ist es eine lange Erzählung, aber man kann auf so gut wie alles Roman schreiben und ich finde es auch ziemlich in Ordnung, dass das so ist.

Jacob Walter arbeitet in der Finanzverwaltung in Bern und ist auch sonst ziemlich langweilig, oder?
Ja, er ist der Typ, der Mitte 30 ist, dessen Beziehung kaputt ist, dem es aber eigentlich gut geht. Und gerade dass es ihm gut geht, langweilt ihn. Er findet ohnehin alles langweilig, deshalb freut es mich als Leser, wenn er ausbricht und zumindest Griechenland ganz schön findet. Allerdings trifft er dort auf eine Frau, die ihm gefällt und er macht nichts, er macht nie irgendwas und das ist das Nervige an ihm.

Ich fand total gut, dass mit dieser Frau nichts passiert.

Aber man regt sich trotzdem mit ihm darüber auf. Mich schüttelt es auch, wenn ich lese, wie er an seine Frau zurückdenkt und sich nicht überwinden kann, ihr eine SMS oder einen Brief zu schreiben und alles nach hinten schiebt. Die einzig gute Begegnung, die er hat, ist die mit einem zugelaufenen Straßenhund, mit dem geht er nämlich richtig um. Bei allem Zwischenmenschlichen dachte ich mir: Wenn du wirklich so bist, hätte ich mit dir auch Schwierigkeiten.

Das stimmt, ich wollte ihm die ganze Zeit in den Arsch treten. Bis man ihn hinnimmt, wie er ist und er auch beginnt, das zu tun. Das ist am Ende angenehm unaufgeregt. Mein Problem ist, dass die Sprache von Langenegger genauso dröge ist wie Walter. Ich wollte der Prosa auch die ganze Zeit in den Arsch treten. Ich frage mich, ob das Absicht ist.

Ich habe das ähnlich empfunden, Langenegger schreibt eine Sprache, die ich mir sonst auch nicht ausgesucht hätte. Ich glaube, ohne ihn zu kennen, er mag eine etwas gehobene und ältere Sprache und liest nicht viel Zeitgenössisches oder kann damit nicht viel anfangen. Wir müssten ihn einfach mal fragen, warum er das so gemacht hat. Ich glaube allerdings, dass er bewusst diese, wie du sagst, dröge Sprache für den drögen Finanzbeamten Walter gewählt hat. Ich vermute, was einen daran stört, ist, dass man es zu sehr merkt.  

Lorenz Langenegger: Bei 30 Grad im Schatten,
Jung und Jung, Salzburg und Wien 2014,141 Seiten, 17,90 Euro.

Auf der nächsten Seite: Fabian über sein Lieblingsbuch "Franny und Zooey" von J.D. Salinger.
[seitenumbruch]

Teil 2: Das Lieblingsbuch


J.D. Salinger: Franny und Zooey




jetzt.de: Wer sind Franny und Zooey eigentlich?
Fabian Hischmann: Franny und Zooey sind Geschwister und kommen aus einer wohlhabenden New Yorker Familie. Im ersten, kürzeren Teil des Buchs lernen wir Franny kennen, die ihren Freund Lane datet und einen Nervenzusammenbruch erleidet, weil ihr all das scheinheilige College-Tamtam aufs Gemüt schlägt. Im zweiten Teil, der zwei Tage nach Frannys Kollaps spielt, sind wir dann im Upper-Eastside-Apartment der Familie Glass, bei Zooey, Mitte zwanzig, Schauspieler, sehr gutaussehend, smart und rhetorisch spitze, immer rauchend – auch im Badezimmer. Er wird von seiner Mutter darum gebeten, sich um Franny zu kümmern, mit ihr zu sprechen, sie aus dem Loch zu ziehen, was ihm schließlich auch gelingt.

Salinger sagt selbst über dieses Buch, es sei "Heimkinoliteratur".

Ja, es geht wirklich nur um die Figuren, da zoomt Salinger drauf. Die Geschichte ergibt sich aus den Monologen und Dialogen. Das ist eine gute Art von Realismus, von der ich mir wünsche, dass sie einfach so passiert ist, eben weil sie so gut ist. Für mich fühlt sich das wie ein sehr emphatisches, impulsives Buch an, das superclever ist und in dem man dazu angehalten wird, sich selber ein paar Sachen klar zu machen. Das mag ich.

Es ist lehrerhaft ohne lehrerhaft zu sein.
Genau, das liegt daran, dass Zooey, der sich als Lehrer von Franny aufspielt, überhaupt nicht als Lehrerfigur taugt. Man merkt zu deutlich, dass bei ihm auch überhaupt nichts stimmt. Eine Figur, die belehren will, darf nie makellos sein, sonst würde es nerven. Zooey ist ein Schwätzer, aber ein smarter Schwätzer. Ich finde smarte Schwätzer ganz gut.

Sie hassen sich beide auch selbst so sehr.
Wobei Franny so fertig ist, dass sie noch nicht mal das hinbekommt. Sie will Lane lieben, sie will Zooey lieben, sie will ihre anderen Brüder lieben, sie will alle lieben und kriegt dadurch sich selbst nicht hin. Es gibt ja diese Menschen, die so wahnsinnig nett sind, immer, zu allen. Franny ist auch so ein Mensch, die an den Erwartungen an sich selbst scheitert, weil sie sie nicht erfüllen kann und eigentlich auch nicht erfüllen will. Sie weiß, es ist gut aufs College zu gehen, aber eigentlich auch banal. 

Sie ist zu klug dafür, all diese Erwartungen wirklich erfüllen zu wollen.
Ja, das ist das Problem von allen Figuren in diesem Buch, bis auf die Mutter: Ihre eigene Smartness steht ihnen selbst im Weg. Schön ist aber, dass sie trotzdem versuchen, ihre Probleme miteinander zu lösen.

Am Ende läuft es auf eine klare Pointe, auf eine Moral hinaus, fast wie bei manchen Jugendbüchern. Würdest du sagen, "Franny und Zooey" ist ein Jugendbuch?
Es geht hier zwar um junge Leute mit Zurechtfindungsproblemen, aber auch "alte" Leute waren ja mal jung und daher würde ich sagen, dass es kein reines Jugendbuch ist. Eigentlich würde ich das wohl fast immer sagen. Und die Moral am Ende ist ein plastisches, cleveres Um-die-Ecke-gedacht-Bild, das jedem Spaß macht und auch das christlich Religiöse, das vorher immer wieder anklingt, sehr gut unterläuft. Ich finde dieses Buch deshalb so gut, weil es nicht viel will, aber trotzdem viel schafft – tiptop!  

J. D. Salinger: Franny und Zooey, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2008, 240 Seiten, 8,95 Euro.

Wovon wir sprechen, wenn wir von L. reden

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Wovon wir sprechen, wenn wir von L. reden

Schier getroffen
in diesem wunden Punkt
mir aller Wucht
vor der jenen dieser schmale Knochen des Brustbeins
und seiner Adjutanten
uns doch hatte verwehren sollen
um nicht noch einmal die Bilder heraufzubeschwören
für die wir es sorgfältig vermieden haben
Fotografien abzunehmen
von denjenigen die uns verließen oder die
wir später verlassen haben
damit wir nicht zu späterer Zeit
das an sich Unvergleichliche
nebeneinander zu stellen wagen
auch wenn dies uns
in diesem Gefühl
zurück katapultiert
an Jahren und des Gesehenen
aber zugleich auch zu
und um einer bis dahin
noch ungeschriebenen Zukunft willen
und auch wenn diese
uns nur trifft und wie alles andere
als feststeht
wir uns da aber begreifen
als deren absurder Akteur
inmitten dieses großen Zufalls
inmitten eines im im All dahinrasenden winzigen Planeten
dessen Sterben doch längst feststeht
und auf dem unser Tod nur die Vorwegnahme
dessen Verpuffens sein wird
bevor alle Sterne sich aufblähen
und verloschen sein werden
in diesem unaufhalsam sich ausdehnendem Universum
bis kein Licht mehr herrschen wird
kein Licht
kein Licht
                  .

http://www.youtube.com/watch?v=vjYwTQRPBa4

Fünf Songs für die Wochenmitte

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Fenster - Cat Emperor

http://www.youtube.com/watch?v=S3gjxW7lyjQ

Fenster, ein Name wie eine Aufforderung. Einfach mal reinschauen,  umgucken, kurz schnuppern. Und dann entscheiden: Ist das gut? Fenster sind eine deutsch-amerikanische Band aus Berlin und machen feinen Dreampop. „Cat Emperor“ mit selbstgemachtem Video schreitet atmosphärisch dahin,  lässt in seinem Minimalismus Raum zum Träumen und bietet dazu noch diesen Hauch Psychedelic. Der Blick ins Fenster, er lohnt sich.

The Head & The Heart – Summertime

http://www.youtube.com/watch?v=epHNCodFxL8

Während an die Fenster der jetzt.de-Redaktion der Regen prasselt, versetzen wir uns mal in die Welt des Videos: Bunte Blüten, Vögel und Schmetterlinge überall. Hat man dazu diesen tänzelnden Folk-Pop im Ohr, kann der Sommer nicht mehr weit sein. „Summertime, I’ll make you mine!“

Hercules & Love Affair feat. John Grant – I Try to Talk to You

http://www.youtube.com/watch?v=BTFf8jqPNu0

Noch vor dem Sommer bringt der allseits gefeierte New Yorker DJ Andrew Butler alias Hercules & Love Affair übrigens ein neues Album heraus (23. Mai). Schon jetzt gibt es „I Try to Talk to You“ mit John Grant – früher Leadsänger der weniger bekannten Czars, heute solo unterwegs – am Mikrofon zu hören. Das Lied macht Lust auf die Tanzfläche. Weniger euphorisch ist allerdings der Text: Grant singt davon, wie er HIV-positiv wurde. Ein Thema, von dem auch sein Lied „Ernest Borgnine“ handelt.

Elbow – My Sad Captains

http://www.youtube.com/watch?v=9lAVeeuwRiI

Elbow machen Musik, fast solange ich lebe. Und zwar fantastische Musik. Im März haben sie ein neues Album vorgelegt, jetzt gibt’s ganz frisch ein Video zum besten Song von „The Take Off and Landing of Everything“. Wie diese tanzenden Mädchen zu „My Sad Captains“ passen, erschließt sich mir zwar nicht, der schwelgerische Pop mit wohldosiertem Pathos ist aber trotzdem berührend.

The Black Keys – Fever

http://www.youtube.com/watch?v=trk7P-9QDyc

Damit das hier nicht zu emotional wird, zum Schluss noch das neue Video der Black Keys. Die haben ihren Bluesrock zwar auch schon mal rumpeliger gespielt, schlecht ist „Fever“ deshalb aber noch lange nicht. Es beweist: Dan Auerbach und Patrick Carney haben ein untrügliches Gespür für massenkompatible Melodien. Im Video spielen sie zwei schmierige Fernsehprediger, die ihren Zuschauern das Geld aus der Tasche ziehen. Ihr Album „Turn Blue“ erscheint am Freitag.

Nachtgesicht

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Die Straßen voll von


Einsamkeit


 


Kein Gesicht


 


wiederholt sich aber alle sind


Gleich. weit. weg.


 


Verschmiertes Gesicht, Schminke verwischt


Deine Tränentraurigkeit und


Jägermeister als Kummer-


 


Linderung statt Kümmerling


Kümmer dich. dein eigenes Glück?


 


Dein Gesicht.


 


Nicht wegsehen - niemals hin


Kapuze bis zum


 


Unterkiefer. Im nächtlichen Schatten blickst


du schüchtern flehentlich und


du errötest im Neonlicht


 


vor dem fremden Mann:


„Kannst du mich in den Arm nehmen?“

Was mir das Herz bricht: Dünne Männer mit Bauch

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Und dann traf ich den dünnen T. am Flughafen wieder. Er war auf dem Weg in den Urlaub und sah fast aus wie früher: Er trug ein T-Shirt, das etwas zu weit war, die Uhr an seinem Handgelenk wirkte wie ein Armreif an einem Inka-Skelett. Der dünne T. und ich waren mal Klassenkameraden, wir waren beide sehr dünn. Und wie alle dünnen Jungs waren T. und ich von unseren Körpern verwöhnt, ohne es zu wissen.  

Als dünner Junge kann man sonntags drei Stück Apfelstrudel mit Vanillesoße schaufeln und wird dafür von der Oma gelobt. Der Metabolismus hält einen zuverlässig in sehniger Schlankheit, ohne dass man sich je Gedanken über Kohlenhydrate oder Laufschuhe machen müsste. Die zwei dicken Jungs in unserer Klasse meldeten sich krank, wenn Hochsprung im Stundenplan stand. T. und ich bekamen immer eine zwei.



Knack!


Am Flughafen sah ich: T. hatte immer noch Schultern, die so schmal sind, dass man keinen allzu schwer beladenen Rucksack dranhängen möchte. Aber etwas war neu: diese leicht konvexe Rundung über seinem Gürtel. In diesem Moment spürte ich ein leichtes Ziehen in der Brust.

T. beginnt, einen Bauch anzusetzen. T. ist nicht dick, er ist immer noch dünn, aber er ist kein dünner Junge mehr. Er ist jetzt ein dünner Mann, der sich noch nie Gedanken über Laufschuhe gemacht hat. Weil er es nie musste. Nur ist sein Körper nicht mehr 14. Sein Metabolismus hält T. zwar noch insgesamt schlank, aber die Schlankheit ist nicht mehr sehniger Natur. Sie wird jetzt teigig-klapprig.  

Wenn stämmige Männer älter werden, bekommen sie Bäuche. Sie füllen ihre T-Shirts in XL nicht mehr nur an den Schultern und Oberarmen, sie drücken nun auch mit dem Bauchnabel dagegen. Stämmige Männer bleiben massig und männlich. Sie bekommen nur als Add-On eine füllige Gemütlichkeit dazu. Es ist ein würdevoller Übergang vom jungen kraftstrotzenden Körper hin zum rüstigen Silberrücken.

Dünne Männer, denen einen Bauch wächst, verströmen hingegen nur wenig Rüstiges und schon gar nichts füllig-Gemütliches. Der Bauch dünner Männer wirkt schlaff und schwach und schnarchig, zumal er häufig mit eingesunkenen Schulterblättern, knorrigen Ellbogen und einem blassen Teint einhergeht, die allesamt schreien: Hier ist jemand, der zeitlebens immer drei Stück Apfelstrudel essen konnte und trotzdem im Hochsprung eine Zwei bekommen hat! Nur hat er den Moment verpasst, in dem er dieses Privileg verloren hat.

Jedesmal, wenn ich einen dünnen Mann sehe, dem das Hemd über dem Gürtel spannt, zieht es seither in meiner Brust. Weil der Bauch eines dünnen Mannes mich daran erinnert, dass es nicht mehr bergauf geht, wenn man das Leben mal körperlich betrachtet. Es ist ein ähnlich ungutes Gefühl, wie wenn ich Gleichaltrige mit beginnender Halbglatze sehe oder Exfreundinnen mit Kinderwagen. Es brennt mir dabei die Einsicht ins Bewusstsein: Verdammt nochmal, ich werde alt. Und verdammt nochmal, egal wie voll mein Haar ist, ich werde bald auch einen schlaff-schnarchigen Dünnmännerbauch vor mir hertragen. Es sei denn, ich denke endlich mal über Laufschuhe nach.

Zivilisation

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http://www.youtube.com/watch?v=XvsqIWyYPz0

Zivilisation
Sog ma Du
Was heißt das schon

Essen aus dem Plastiksack
CO2-neutral verpack
BIO sich jetzt alles schimpft
Künstlich vitamin-geimpft.

Gemüs' & Obst fliegt um die Welt
Kostet ja kein bischen Geld
Weil keiner mehr verzichten will
Gibts von allem viel zu viel

Koa Viech sigt mehr no grüne Wiesn
Stirbt in am Raum mit weiße Fließen
Vergammelt auf dem Gitterrost
Und hängt danach im Kühlhausfrost

Im gleichmäßigen Stundentakt
Werden ganze Wälder abgehackt
Nur damit im trauten Heim
Der Boden glänzt im Tropenschein

Flüsse werden aufgestaut
Du deinen Augen kaum mehr traust
Versinken Täler hinter Mauern
Die die Ewigkeit scheints bedauern

Berge werden abgetragen
Das Meer vorkommt zum Müll abladen
Veränderungen müsst man wagen
Der Staat doch duldet keine Fragen

Bei jedem Schritt er dir misstraut
Der Staat dir auf die Finger schaut
Kassiert die Hälfte von dei'm Lohn
Bespitzelt Dich am Telefon.

Dringt er in dein Leben ein
geschieht dies alles "streng geheim"
Nimmt sich einfach jedes Recht
begründet es noch mehr als schlecht.

Rechtfertigt es mit Angst & Schrecken,
will damit "Terrorzellen" wecken,
sammelt Daten ohne Grund
Will verbieten Dir den Mund.

Hinterfrag den Sinn und Zweck
Bleib nicht steh'n auf einem Fleck
Und wenn Dir irgendwas nicht passt
Kämpfe weiter ohne Rast.

Lass Dir nicht den Mund verbieten
Von unseren Politiker-Nieten
Die nur in der Theorie
Ahnung haben von dem Wie.

Ergib Dich nicht dem Machtgefüge
Nerve wie die Pferdefliege
Der stete Tropfen hölt den Stein
Zur Not auch einsam - ganz allein...

Zivilisation
Sog ma Du
He gibts des schon

Theresienoldtimer

Leben heisst rückwärts Nebel.

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Ich irre im Nebel umher.


Deine Silhouette ist längst verschwunden,


am Ende des Nebels,


wo jetzt dein Leben ist.


 


Zuerst ist man sich selbst Jahre voraus,


und dann rennt man den Jahren hinterher -


im Nebel - 


der den Blick verklärt,


und man nicht weiss ob vorne nicht hinten ist.


Und Links könnte auch Rechts sein. 


Nur über das Oben und Unten ist man sich


noch sicher. 


 


Zwischendurch wieder eine Silhouette, 


schemenhaft zu sehen, eine Stimme, deine Silhouette


Tage vergehen, und wieder, deine Stimme, eine Silhouette


und wieder…deine Stimme, deine Silhouette….und…


 


Punkt.


 


Es war unser Leben, 


das verschwand im Nebel. 


Ich habe versucht dir zu folgen,


aber entweder hast du,


die Richtung gewechselt,


bist gerannt,


oder du bist tot.


 


Ich höre und sehe nichts mehr.


Und laufe weiter, 


im Nebel.


im Leben. 

Ihre Hölle.

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Was ist Liebe?“, fragte er, als hätte er zum ersten Mal das Wort gehört. Sie sah ihn an, voller Unverständnis. Ich möchte, dass du es mir erklärst." - Da gibt es nicht viel zu erklären. Wenn sie da ist, weißt du es“, sagte sie, aber er zuckte nur mit den Schultern. „Wie ist es für dich?“ Sie schluckte schwer.


Es ist, als würde dich etwas voll uns ganz in seinen Bann ziehen, dich nicht mehr loslassen. Jede Sekunde des Tages bist du gefesselt an den Gedanken an diese Person, ganz egal, wer es ist, wie er aussieht oder was er getan hat. In nur einem Herzschlag kannst du über all das hinweg sehen. Es frisst dich auf, ganz langsam. Zuerst geht es dir einfach nur schlecht, weil du weißt, dass es hoffnungslos ist. Doch da ist immer eine kleine Stimme, die dir zu ruft: 'Gib noch nicht auf. Kämpfe'. Und du kämpfst und kämpfst, um jede Sekunde seiner Aufmerksamkeit, um jedes Lächeln, jeden Blick. Aber irgendwann ist es dir nicht mehr genug, du bist wie ein Junkie, auf der Suche nach dem nächsten Kick. Aber es gibt keine andere Droge mehr, außer diese eine Person. Nichts stellt dich mehr zufrieden. Dann beginnt es dich zu zerreißen. Es fühlt sich an, als würde eine tonnenschwere Last auf deinen ganzen Körper drücken, du hälst es kaum noch aus, und dennoch, willst du nichts mehr als diese Person. Diese Person ist alles was du brauchst – und ja, du brauchst sie. Ohne sie fühlt es sich an, als würde die Welt in sich zusammen fallen, als würde die Zeit still stehen, und du bist ganz alleine, zurück gelassen in endlosen Schmerzen. Aber das ist noch nicht das Schlimmste, denn nach jedem neuen Kick, mag es nur ein flüchtiger Blick gewesen sein, dreht sich die Welt weiter, doch die Schmerzen verschwinden nicht. Du merkst, wie jeder, wirklich jeder, voran kommt, wie jeder irgendwann glücklich wird, nur du wurdest vergessen. Und die Schmerzen werden körperliche Schmerzen, du kannst nicht mehr schlafen, nicht mehr essen, dich kaum noch bewegen. Du bist wie gelähmt, sitzt in einem dunklen Zimmer deiner Seele und wartest auf Erlösung, doch sie kommt nicht. Und du willst nicht die Person sein, die so fühlt. Du willst nur normal sein, kein bemitleidenswertes Wrack. Aber du kannst nicht, du kannst aus dieser Hölle nicht entkommen.“


Sie schloss die Augen. „Aber das Allerschlimmste“, sie stockte. Sie holte tief Luft und sah ihm in die Augen. „Das Allerschlimmste ist, wenn diese eine Person es nicht einmal bemerkt.“

Die Stadt ihrer Albträume

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Die Nacht legte sich über sie, sie spürte wie ihre Augen schwerer wurden, sie kämpfte mit aller Kraft dagegen an, doch irgendwann siegte die grenzenlose Müdigkeit und sie schlief ein.

Sie wusste sofort, dass es ein Traum war. Nicht, weil sie weder wusste, wie sie hergekommen war, noch wo genau sie war, sondern einfach weil sie immer hier war, wenn sie träumte. Es war eine schmutzige Stadt, die sie sich in ihren Träumen erbaut hatte, doch es waren nicht die Art Träume, die sie gerne hatte. Eigentlich, hatte sie schon lange keinen Traum mehr gehabt, den sie genießen konnte. Sie stand auf nassem Asphalt, Neonlicht flackerte über ihn und ließ ihn glitzern. Es war kalt, es regnete und ein erbarmungsloser Wind fegte durch die Straße. Sie trug ein weißes Top und eine Jeans, sie war schmutzig, genau wie die Stadt selbst. Sie war ganz alleine, da war kein Geräusch - nirgends. Sie spürte die Panik in ihr auflodern, sie hatte plötzlich einen unbändigen Drang zu rennen, und ihre Beine begannen zu laufen, ohne, dass sie es wollte. Immer schneller klatschten ihre Turnschuhe auf den Asphalt, sie hatte das Gefühl, jemand oder etwas würde sie jagen. Sie rannte, schneller und schneller, sie bekam keine Luft mehr, ihre Lungen rasselten, ihr Herz pochte in ihrer Brust. Sie suchte nach Hilfe, ihr Blick musterte die Häuser, doch keines von ihnen hatte eine Tür, keines hatte Fenster. Am Ende der Straße war ein Restaurant, sie erkannte es an dem gelben Neonschild. Als sie näher kam, erkannte sie eine graue Metalltür. Panisch versuchte sie sie zu öffnen, sie rüttelte und klopfte. Doch die Tür öffnete sich nicht. Ihre Fingernägel krallten sich in das Metall, ihre Panik wurde zu blinder Hysterie. Sie spürte etwas hinter ihr, etwas böses, etwas bedrohliches. Sie traute sich nicht, sich umzudrehen, hämmerte wie wild auf die Metalltür ein, doch sie gab nicht nach. Ein lauter Knall peitschte durch die Straßen. Sie schrie aus voller Kehle und etwas packte sie von hinten, sie taumelte und knallte auf den Asphalt. In dem Moment, in dem ihr Hinterkopf den harten Straßenbeleg traf, wachte sie schreiend auf.

Sie saß in ihrem Bett, die Arme schützend um ihre angewinkelten Beine geschlungen, sie fühlte sich erschlagen, müder als zuvor. Wie oft sollte sie diesen Traum noch haben? Würde sie je wieder normal schlafen können? Tränen rannen ihr über die Wangen, Verzweiflung machte sich breit. Ihre Augen wurden wieder schwerer, die Müdigkeit schien sie zu überwältigen und sie kämpfte mit all ihrer Kraft dagegen an. Sie wollte nicht mehr schlafen, aber ehe sie sich versah, stand sie wieder auf dem nassen Asphalt.

Wenn nicht

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Wenn nicht Er
Der an meiner Seite wacht
Auch schlafend
Dann bleibt nur die Fremde

Die Nacht als kalte Zeit
Lebt sich dunkel durch die Gassen
Ich folge in langen Schritten ihr
Greifen will ich sie, sie fassen

Sei doch mein Bettgenosse
Lohend sind meine Wangen und Hände
Zart mein Atem und Haar
Weich meine Schenkel und das Rot

Leg dich zu mir
Mach dich bekannt mit mir
Komm und fülle aus die Ferne
Liebkose mich mit deinen dunklen Gliedern

Denn ich bin wie du
Schwarz und kalt
Allein durchstreife ich die Welt
Suche Wärme in der Ewigkeit

Nur dich habe ich
Denn der Wachende schützt nur sich selbst
Auch schlafend
Und bekannt ist mir die Fremde

Überraschung im Briefkasten?

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Stell dir vor, es klingelt an deiner Tür. Du öffnest die Tür, und da steht ein UPS-Mann, der dir ein sehr großes Paket überreicht, das du nicht bestellt hast. Du willst ihn darüber aufklären, dass es nicht dir gehört, aber er besteht darauf, dass du der Adressat bist. Also gut, denkst du, nehme ich es halt mal an und schaue, was drin ist. Wird schon keine Briefbombe sein.  

Nein, keine Briefbombe. Aber eine Drohne des US-Militärs.  

So geschehen ist das dem Reddit-User Seventy_Seven. Er bekam ein sehr großes Paket, auf dem Adress-Label darauf stand auch wirklich sein Name. Weil er vor Kurzem eine Bank zum Gewichtheben bestellt (und geliefert bekommen) hatte, dachte er, der Versand hätte vielleicht noch irgendwelche Teile hinterhergeschickt. Er nahm das Paket an.  

Als er es öffnete, sah er: Flügel. Eine Art Fernsteuerung. Und eine Karte, aus deren Aufdruck klar hervorging, dass es sich hier um Eigentum des US-Militärs handelte.  

[plugin imagelink link="http://i.imgur.com/Mh8t9Ur.jpg" imagesrc="http://i.imgur.com/Mh8t9Ur.jpg"](Quelle: imgur.com)

Anlässlich dieser schönen Geschichte konnten wir natürlich nicht anders, als hier im Ticker mal nachzuforschen, ob falsch verschickte militärische Flugobjekte auch in anderen Briefkästen Stammgäste sind. Und was sonst noch so an unbestellten Überraschungen eintrudelt.  





Also: Hast du schon mal etwas falsch zugestellt bekommen? Mal in einem Hostel in Panama Wäsche zum Waschen abgegeben und dann rosa BHs in Übergröße statt Boxershorts zurückbekommen? Ist auf deinem Konto mal Geld gelandet, das offensichtlich auf ein anderes Konto gehen sollte? Hast du mal eine Weinlieferung bekommen, die du nie bestellt hast? Was ist deine Briefkastendrohne?

Tagesblog - 08. Mai 2014

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17:12 Uhr: Super intimes Schlusswort von meiner Seite: Habe mir gerade zum ersten Mal auf dem SZ-Klo die Zäne geputzt. Und muss jetzt schnell los zum Zahnarzt. Der dann sicher sagt "Klasse Zähne haben Sie, Frau Schlüter, alles super, weiter so!" Hoffe ich zumindest.
Einen schönen Abend euch! Morgen früh nimmt dann der Jakob Biazza Spiegelchen und Bohrer in die Hand und schaut euch in den Rachen. Tschüß!

++++

16:58 Uhr:
Nie wieder stundenlanges Tomatenschneiden, nie wieder aufgeschlitzte Fingerkuppen, alles wird ab sofort einfacher! Warum? Verrät der neue Lifehack für Tomaten-Fans. Cocktailtomaten-Fans, um genauer zu sein.




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16:41 Uhr:
Alle gucken grade dieses Video:
http://www.youtube.com/watch?v=gJWoL0KMzC4#t=11
Darin kommen vor: eine Kuh und die CDU (und ja, ich hatte um 08:56 Uhr versprochen, nicht mehr zu reimen). Ob das echt ist? Und wie sehr darf man darüber lachen (weil es ja eigentlich mal wieder zu einfach ist, das zu tun)? Und welchen Symbolwert hat eine Kuh eigentlich? Sturheit? Gelassenheit? Nützlichkeit? Habe grade vorsichtshalber Mal "Kuh Symbol" gegoogelt und viel über Traumdeutung gefunden und eine Seite namens "Schamanische Krafttiere". Gefundene Stichworte sind unter anderem: häuslich, passiv, gefügig. Bleibt eine letzte Frage: Wieso eigentlich keine Schwarzbunte?

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15:55 Uhr:
Ich ahne schon: Diese Kettengeschichte, die wir seit Kurzem hier schreiben, wird ziemlich viele scharfe Wendungen nehmen. Letzte Woche wurde aus Protagonistin Anna auf einmal Kunigunde, diese Woche findet sie das schon nicht mehr gut. Und es gibt plötzlich einen Dieseltraktor. Wieso, warum, weshalb, was sonst noch passiert und wer das Ganze diesmal eigentlich geschrieben hat? Hier entlang bitte zu Teil 3 von "Nachtschicht", ist frisch online gegangen und riecht noch nach grade aufgebackenen Tankstellenbrötchen.




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15:32 Uhr:
Menschen, die freiberuflich arbeiten, also immer wieder Rechnungen stellen oder projekteweise bezahlt werden, müssen oft sehr, sehr lange auf ihr Geld warten. Aber auch sie müssen jeden Monat pünktlich Miete, Strom und Versicherungen bezahlen. Kennen ein paar von euch sicher auch, das Problem. Für all die Wartenden gibt es jetzt eine neue Seite: "Wo bleibt mein Honorar?" Da kann man sich eintragen, wenn man nicht bezahlt wurde. Derzeit schulden "die deutsche Wirtschaft und die öffentliche Hand" Kultur- und Kreativmenschen 76.585 Euro. 76.585 Euro, die dort eingetragen wurden, wohlgemerkt. Den Großteil davon übrigens einem Programmierer namens Marco - dem fehlen 18.000 Euro.

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15:14 Uhr:
Oh, hier, total wichtige Fernseh-News: Heute Abend ist "Germany's Next Topmodel"-Finale! Ein dünnes Mädchen wird Erste und nichts gewinnen, aber sicher jubeln und weinen und die anderen dünnen Mädchen umarmen sie und weinen auch, weil sie sauer sind, und dürfen dann alle nochmal über den Laufsteg strocheln. Für alles, was davor passiert, gibt es ja zum Glück unser jetzt.de-Topmodel-Bingo. Gehörte eigentlich zu einer anderen Model-Sendung, aber am Ende ist das eh alles eine Sauce. Und Nummer 45 zum Beispiel wird heute Abend AUF JEDEN FALL angekreuzt: "Ein Model sagt: 'Selbst wenn ich nicht gewinne, war das einfach eine superwichtige Erfahrung für mich.'" Bingo!

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14:03 Uhr:
Wir wissen ja gar nicht, wer hier so alles mitliest. Angela Merkel? Frank Schirrmacher? Der Papst? Who knows! Was wir aber seit heute wissen: Harald Martenstein tut's. Das Beweisfoto (aus der aktuellen Kolumne im Zeit-Magazin):




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13:46 Uhr:
Grade ist ein neuer Text von der jetzt-München-Seite online gegangen und er heißt ganz provokant "Frauen aufreißen? Wie Wurst kaufen!" Lisa hat mit zwei Jungs gesprochen, die sich zu Pick-up-Artists haben weiterbilden lassen und daraufhin ein Theaterstück zum Thema geschrieben haben. Super auch: Kathis Illustration dazu. Mit Busenwurst. Die wurde inspiriert von einem rosafarbenen silokonimplatatförmigen Gebäck mit Himbeere oben drauf, das es gestern in der SZ-Cafeteria gab.




++++

12:24 Uhr:
Charlotte ist zurück von der re:publica und hat erzählt, dass sie und Teresa dort the-wrong-girl getroffen haben. Waren wir natürlich alle gleich so "Kraaass, wie war das, was hat sie gesagt, wie sieht sie aus?" Daraufhin haben wir dann darüber nachgedacht, wie ihr alle ausseht. Denn im Gegensatz zu uns, die wir alle unsere grinsenden Mäuler in Juris Kamera gehalten haben, damit ihr wisst, wie wir aussehen, seid ihr ja nur höchst selten zu erkennen. Jan sagte, er stellt sich trotzdem alle immer so vor, wie auf den Bildern. wollmops zum Beispiel ein bisschen wie Asterix, wegen des Flügelhelms. Keine Ahnung wie er sich das zum Beispiel bei...äh...Brathering vorstellt. Was wir von Charlotte aber erfahren haben: the-wrong-girl sieht NICHT aus wie das Meerschweinchen auf ihrem Profilbild.

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12:05 Uhr:
Ich bin gerade auf Annalisa Hartlaub gestoßen und habe sie für sehr süß und cool befunden. Sie hat für ein Fotoprojekt mit dem Titel "Counter // Culture" Fotos von sich gemacht, wie sie in den letzten hundert Jahren ausgesehen hätte. Dafür hat sie sich für jedes Jahrzehnt ein Mal gemäß dem Mainstream  gestylt und ein Mal gemäß der damaligen Subkultur. Beispiel 1920er:
[plugin imagelink link="http://idowanttoliveonthisplanet.com/file/2014/05/130.jpg" imagesrc="http://idowanttoliveonthisplanet.com/file/2014/05/130.jpg"]
Kann es eigentlich sein, dass die nuller Jahre extrem...aussagelos waren? Oder hat Annalisa das nur falsch wiedergegeben?

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10:54 Uhr:
Hier kommen gerade die Regenwolken zurück, darum schnell ein sehr sommerliches Bild:



Okay, ist gar nicht so sommerlich, weil man Christina (das ist das Mädchen auf dem Bild) ja ansieht, dass es etwa 11 Grad hat. Julia ist Münchens erste Freibadbesucherin des Jahres. Darum beneide ich sie ein bisschen. Als Erster ins Wasser springen zu können ist ja noch viiieeel besser als in frischen Schnee zu springen, weil das Wasser davon ja nicht kaputt geht. Jan hat sich von Christina erzählen lassen, was sie am besten daran findet, die Erste zu sein.

++++

10:38 Uhr:
Konferenz vorbei. Ich verrate jetzt natürlich nicht, welche phänomenalen Themen wir da besprochen haben, aber ich kann verraten, dass Jan sich einen 3D-Drucker gewünscht hat, mit dem man Mercedes's Gedanken ausdrucken kann. Wer den bauen kann, melde sich bitte.

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09:42 Uhr:
Achja, und ich freue mich über alle guten Sitcom-Tipps. Ich hab immer gerne eine Serie auf Halde, deren Folgen nur 20 Minuten dauern und in der es Lachkonserven gibt.

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09:37 Uhr:
Ich hab ja gestern (mit einiger Verspätung) endlich mal "How I Met Your Mother" zuende geschaut. Und hatte Schlimmeres erwartet, nach den aufgebrachten Reaktionen, die es dazu gab. Habe aber gleich danach noch ein paar Reviews gelesen und der hier gefällt mir am besten. Da geht es um die Frage, die alle Sitcoms stellen (Was ist Familie?), und um das Familienbild in HIMYM und um die "Gang" als Familienersatz und darum, was das alles mit der Wirklichkeit zu tun hat.

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09:20 Uhr:
Was mir ja ständig passiert: Ich mach die Post auf, drin ist eine Drohne. Und bei euch so? Chris fragt heute im Ticker, was ihr mal bekommen habt, was nicht für euch bestimmt war. Als Einstimmung und Mitmachanreiz, hier ein Kommentar von alcofribas:
"Ich bekomme regelmäßig wg. Namensgleichheit falschgeleitete E-Mails. Das ist lustig. Ich habe in den letzten Jahren mehrere Fahrgemeinschaften organisiert, war Prüfungsaufsicht beim zweiten juristischen Staatsexamen, habe ein Haus gekauft und Anja ist sicher immer noch sauer, weil ich zu Steffis und Jörgs Babyparty nicht gekommen bin."




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09:13 Uhr:
Aus der süddeutsche.de-Konferenz gibt es heute irgendwie nichts zu berichten. Sie hat ungefähr fünf Minuten gedauert und es wurde kurz darüber gesprochen, dass morgen Tag des Sieges ist und am Wochenende ADAC-Mitgliederversammlung. Zwei Termine, die nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun haben.

Zwei Dinge, die ich mir heute Morgen noch aus der aktuellen Nachrichtenlagen gepickt habe:
- Amnesty-Bericht zum Südsudan
- ein WG-Zimmer in München, das kein WG-Zimmer war (und weitere Mietbetrügereien)

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08:56 Uhr:
Guten Morgen, liebes jetzt.de! Alles gut? Hier ja schon. Nachdem ich gestern fast den ganzen Tag über miese Laune hatte, was sicher auch am Grau in Grau draußen lag, und eben dann auch noch ausgesperrt war (Schlüsselkarte im Büro, ich draußen) ist jetzt alles wieder gut. Wege Nicola (die mir aufgeschlossen hat) und wegen Sonne (die scheint). Darum gibt es jetzt auch ein Gegenbild zum gestrigen Regenbild (keine Angst, ich werde heute nicht die ganze Zeit über in Reimen schreiben):

Ein Phantom als Mitbewohner

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Wer aus München kommt, wäre vielleicht stutzig geworden. Das acht Quadratmeter große WG-Zimmer kostet 300 Euro Miete und 500 Euro Kaution. Am zentralen Karlsplatz 15. Also dort, wo sich Kaufhäuser aneinander reihen, aber es kaum Wohngelegenheiten gibt. Einheimische hätten die Adresse wahrscheinlich gesucht und festgestellt: Sie existiert nicht einmal. Doch für jemanden wie die 23-jährige Studentin Lily, die eigentlich im Ruhrgebiet lebt, dringend in München ein Zimmer zur Zwischenmiete sucht und online auf dem Portal WG-gesucht ein günstiges Angebot findet, für die ist Sarah Krasnow die Rettung.



"WG-Zimmer gesucht" – so geht es etlichen Studenten. Einige von ihnen werden auf ihrer Suche um viel Geld betrogen.

Sarah gibt sich als 32-jährige Yale-Absolventin, Amerikanerin und künftige Mitbewohnerin in der WG mit freiem Zimmer aus, schreibt in fließendem Englisch, interessiert sich für ihr Gegenüber. Alles ist unkompliziert, kein persönliches Kennenlernen nötig. Die Wohnung sieht auf den Fotos, die Sarah bereitwillig schickt, völlig normal aus: kleine Räume, bescheidende Einrichtung, kein Hochglanz. Dann bekommt Lily einen Mietvertrag per Mail zugeschickt, sie und Sarah tauschen Kopien ihrer Reisepässe. Sarah hat Lilys Vertrauen – und wenig später 800 Euro auf ihrem britischen Konto. Als Lily in München ankommt, sucht sie verzweifelt nach der Adresse, fragt Anwohner, Taxifahrer, Geschäftsleute. Ohne Erfolg. Sarah meldet sich nie wieder. Online kann man ihr soziales Leben nachvollziehen: Auf Facebook hat Sarah 670 Freunde; Fotos verraten, dass sie sich im Januar ihre braunen Haare blond gefärbt hat. Ihre Internet-Identität scheint vertrauenserweckend, sie sieht aus wie eine flippige Großstädterin, aber bestimmt nicht wie ein Phantom.

In der Regel läuft Mietbetrug plumper ab. Die Angebote sind utopisch, die Wohnung auf den Bildern wie aus dem Katalog. Oft gibt der Vermieter in Angeboten an, sich im Ausland aufzuhalten. Und doch sei auch der Fall von Lily in einigen Punkten typisch, sagt Marielle Eifler vom Mieterverein in Hamburg, die Betroffene kennt: „Der Betrüger gibt sich unkompliziert und kumpelhaft, schickt sogar Dokumente, die einen vertrauensvollen Eindruck suggerieren. Und meldet sich nicht mehr, sobald die Vorauszahlung geleistet wurde.“

Typisch ist auch, dass Zahlungen über Finanzdienstleister wie Western Union abgewickelt werden, häufig befindet sich das Konto des Vermieters im Ausland. Betrüger nutzen die Anonymität des Internets: Die E-Mail-Adresse haben sie meist unter Angabe einer nicht existierenden Anschrift angelegt, hinter der Handynummer steckt ebenfalls ein Phantom. Und „solange es keinen Täter gibt, kann man keinen Schadensersatz fordern“, sagt Wolfgang Schönwald von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin.
Dem aktuellen Bericht zur polizeilichen Kriminalstatistik zufolge ist der Anteil von Straftaten, die mit dem „Tatmittel Internet“ verübt wurden, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. 70 Prozent der vermerkten Fälle sind als Betrugsdelikte gelistet. Die Statistik erfasst dabei allerdings nicht einzeln, bei welchen dieser Fälle es sich um Mietbetrug beziehungsweise um diese besondere Form des Anzahlungsbetrugs handelt. Doch weiß Kriminalhauptkommissar Joseph Hintermayr aus München: „Bei uns gehen etwa zwei bis acht Fälle wöchentlich ein. Sie häufen sich vor allem zu Semesterstart, wenn auf einmal alle eine Wohnung brauchen.“

An einen gelösten Fall kann sich Hintermayr während seiner achtjährigen Arbeit mit Mietbetrug nicht erinnern. „Oft liegen die Konten in Großbritannien, dort könnte man sich einfach auf die Lauer legen, bis einer der Betrüger das Geld abholt. Doch die britische Polizei arbeitet in diesen Fällen nicht mit uns zusammen, für sie ist der Aufwand beim vergleichsweise geringen Schaden der Opfer zu groß.“

Außerdem werde die Aufklärung auch dadurch erschwert, dass hinter einem Vermieter oft eine ganze Bande stecke: „Einer stellt das Angebot online, ein anderer übernimmt den Mail-Verkehr. Ein Dritter wiederum holt das Geld von der Bank ab und gibt es vermutlich weiter.“ Die ermittelten IP-Adressen stammten aus unterschiedlichen Ländern, häufig aus Nigeria, Rumänien oder Russland. Aber auch wenn die Suche nach dem Betrüger oft ohne Erfolg bleibt, sei „es notwendig, zur Polizei zu gehen“, sagt GdP-Sprecher Schönwald. Besonders die Masse der Anzeigen werde irgendwann entscheidend sein. „Wenn wir vermehrt Hinweise auf Betrugsfälle in einer Region oder mit ähnlichem Ablauf erhalten, steigen die Chancen, dass wir Täter erwischen können.“ Besonders wenn der Betrogene persönliche Dokumente wie die Kopie eines Reisepasses verschickt hat, sollte er die Polizei kontaktieren. Banden betreiben häufig Identitätsklau und könnten mit der Kopie des Personalausweises weitere Delikte verüben, sagt Schönwald.

Besonders Menschen in persönlichen Notsituationen werden oft hereingelegt. „Ein Mann schläft trotz Trennung noch auf dem Sofa seiner Frau oder eine Studentin braucht unbedingt ein Zimmer, weil das Semester startet. In solchen Momenten werden auch Menschen, die es sonst nicht sind, unbedarft und zu potenziellen Opfern“, sagt Marielle Eifler vom Mieterverein. Dass der Wohnungsmarkt in München – wie in vielen deutschen Großstädten – hart umkämpft ist, kommt erschwerend hinzu. Grundsätzlich gilt für Mieter: Niemals zahlen, bevor man selbst in der Wohnung stand und im Idealfall bereits Schlüssel in der Hand hält. „Das Geld ist sonst nämlich weg“, sagt Eifler. Dann hilft auch kein unterschriebener Mietvertrag wie in Lilys Fall. „Solange nicht der berechtigte Eigentümer hinter dem Vertrag steckt, existiert keinerlei rechtliche Bindung, der Vertrag ist nichts wert.“ Hinweise in Dokumenten, die ein Laie selbst entdecken könnte, gibt es häufig nicht.

Wer eine Wohnung sucht, kann sich im Voraus informieren: Der Blog wohnungsbetrug.blogspot.com etwa listet mittlerweile 12000 E-Mail-Adressen von Betrügern und zahlreiche aktuelle verdächtige Anzeigen auf – darunter einige von der Seite Immobilien-Scout-24.

Das Portal nimmt eigenen Angaben zufolge pro Monat 500 Angebote wegen eines Betrugsverdachts von der Seite, inklusive der Anzeigen, die Nutzer gemeldet haben. Bei 150000 neuen Objekten, die monatlich online gehen, ist ein Überblick freilich schwierig. Wer auf Immobilien-Scout 24 sucht, findet immer wieder utopische Anzeigen. Immerhin bietet das Portal an, Angebote mit durchschnittlichen Mietpreisen der Umgebung zu vergleichen – betrügerische Anzeigen fallen auf diese Weise schneller auf.

Das Portal WG-gesucht prüft eigenen Angaben zufolge alle Angebote im Voraus; einzelne Kriterien, etwa das Verhältnis von Preis und Quadratmeter würden gescannt. Täglich meldeten Nutzer zusätzlich acht bis 20 verdächtige Anzeigen, die der technische Filter nicht erkennen konnte. Diese würden umgehend geprüft und gegebenenfalls gelöscht. Anschließend sendet WG-gesucht eine Informationsmail an alle Nutzer, die die verdächtige Anzeige bereits kontaktiert haben.

Noch bevor Betroffene auf Immobilienseiten ihren Fall melden, sollten sie die Polizei verständigen, rät Schönwald. „Dann können wir womöglich noch etwas machen. Solange die Betrüger keinen Verdacht schöpfen, bleiben sie online und hinterlassen zwangsläufig Spuren im Internet.“ Nicht aber, wenn sie bereits gemeldet und vom Anbieter gelöscht wurden. Dann seien mit ihnen auch alle Hinweise verschwunden.
Wenn das Geld erst überwiesen, der Betrug entdeckt und die vermeintliche Anzeige gelöscht ist, dann, sagt Schönwald, „bleibt in der Regel nur noch die Hoffnung“.

Härtere Regeln für Asylbewerber

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Angesichts steigender Asylbewerber-Zahlen plant das Bundesinnenministerium eine deutlich schärfere Gangart gegenüber Flüchtlingen. Nach einem Gesetzentwurf des Ministeriums sollen die Behörden Asylbewerber leichter in Haft nehmen können. Dies wäre künftig möglich, wenn jemand „unter Umgehung einer Grenzkontrolle eingereist ist“, Identitätspapiere wie Ausweise vernichtet oder „eindeutig unstimmige oder falsche Angaben gemacht hat“, wie es im Gesetzentwurf heißt. All dies seien Anhaltspunkte für „Fluchtgefahr“. Die Kriterien würden auf einen bedeutenden Teil der Asylbewerber zutreffen.



Wer einen unzulässigen Asylantrag stellt, soll schneller ins Abschiebegefängnis kommen. Zum Beispiel in das rheinland-pfälzische Ingelheim.

Zudem sollen Asylbewerber, die nach Deutschland einreisen, um Sozialleistungen zu beziehen, mit einem Einreise- und Aufenthaltsverbot belegt werden können. Dieses Motiv soll regelmäßig dann angenommen werden, wenn ein Asylantrag als „unzulässig, unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wird, heißt es weiter.

Hintergrund ist, dass immer mehr Menschen aus Serbien, Mazedonien und anderen Balkan-Staaten in Deutschland aussichtslose Asylanträge stellen. Meist handelt es sich um Roma. Diese sollen offenbar durch die strengen Regeln abgeschreckt werden. Eine Einreisesperre dürfte mangels Kontrollen an den EU-Grenzen aber praktische Probleme aufwerfen. Aus Kreisen der Koalition hieß es, dass Teile des Entwurfes zwischen Union und SPD umstritten sind. Wiedereinreisesperren waren bereits im Zusammenhang mit Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien diskutiert worden, die allerdings als EU-Bürger keine Asylanträge stellen.

Der Gesetzentwurf enthält zudem eine Reihe weiterer Änderungen im Ausländerrecht. So soll das Ausweisungsrecht praktikabler werden. Bisher zählte bei einer Ausweisung Krimineller vor allem, wie schwer die Straftat war, doch das Gesetz kann schon seit Jahren so nicht mehr angewandt werden, weil Richter mehr und mehr Einzelfallprüfungen gefordert haben. Damit muss auch berücksichtigt werden, ob ein Ausländer Frau und Kinder in Deutschland hat und wie er sich nach dem Urteil entwickelt hat. Dies soll nun im Gesetz so festgehalten werden. Parallel dazu sollen auch ausländische Extremisten leichter ausgewiesen werden können. Praktikern zufolge lässt sich in vielen Fällen eine Ausweisung kaum noch juristisch wasserdicht durchsetzen, obwohl die Voraussetzungen, etwa bei einem nicht in Deutschland verwurzelten Schwerverbrecher, vorliegen würden.

Zudem will die Koalition einem Teil der fast 100000 geduldeten Ausländern die Chance auf einen langfristigen Aufenthalt geben. Die Geduldeten sind in der Regel abgelehnte Asylbewerber, die oft jahrelang nicht abgeschoben werden können und in Deutschland Wurzeln schlagen. Bislang hatten die Innenminister immer wieder zu bestimmten Stichtagen ein Bleiberecht gewährt, zudem können gut integrierte Jugendliche und junge Erwachsene ein Aufenthaltsrecht erhalten. Wer nicht in dieses Muster fällt, muss oft jahrelang mit der Angst vor einer Abschiebung leben. Nun sollen grundsätzlich alle Geduldeten die Chance zum Bleiben erhalten, wenn sie durch Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen können, gut genug Deutsch sprechen und keine Straftaten begangen haben.

Die SPD betonte die Verbesserungen im Gesetzentwurf, das Bleiberecht sei „unser wichtigstes Anliegen“, sagt der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann: „Wenn Menschen lange hier leben und gar nicht in ihre Heimat zurück können, sollen sie bleiben dürfen.“ Die Änderungen im Ausweisungsrecht und beim Bleiberecht waren im Koalitionsvertrag vereinbart worden.
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