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Die Welt will betrogen bleiben

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Fälschungs-Skandal: Die Polizei fahndet nach Kunden.

Eigentlich sieht so ein glückliches Ende aus: "Bundeskriminalamt zerschlägt international agierenden Ring von Kunstfälschern" begann eine stolze Pressemitteilung, die vergangene Woche vielleicht einen der weltweit größten Kunstfälscher-Skandale erstmals öffentlich machte. Mehr als tausend Werke wurden sichergestellt, zwei von sechs Verdächtigen sitzen in Untersuchungshaft und die Namen der gefälschten Künstler lesen sich wie eine Auflistung der teuersten Maler der russischen Kunstgeschichte: Kandinsky, Malewitsch, Gontscharowa, Larionow, Jawlensky. Der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, sprach von einem "wichtigen Schlag". Bevor 100 Beamte zu so einer Razzia aufbrechen, müssen sie monatelang die Bande observiert, ihren E-Mail-Verkehr überwacht und Telefone abgehört haben. Doch ist das schon das Ende der Story?



Mehr als tausend gefälschte Bilder wurden sicher gestellt.

Auch wenn die mutmaßlichen Fälscher hinter Gittern sitzen und ihre Lager sichergestellt sind, laufen die Ermittlungen weiter. Zwar klingt es nach veritablem Betrug, wenn die Ermittler den Tätern vorwerfen, in den Jahren 2011 bis 2013 "mutmaßlich gefälschte Gemälde für insgesamt über zwei Millionen Euro an Kunden in Deutschland und Spanien verkauft zu haben". Doch wer sich mit den Preisen für diese Kunst auskennt, kann sich ausrechnen, dass es sich um nicht mehr als eine Handvoll von Fällen handelt. Denn es waren vor allem Gemälde, die von der Polizei aus dem Bretterverschlag einer Lagerhalle und einem Wiesbadener Galerie-Gebäude, abtransportiert wurden. Und die erzielen, wo sie mit guter Herkunft und gesicherter kunsthistorischer Expertise von internationalen Auktionshäusern aufgerufen werden, durchaus Zuschläge im zweistelligen Millionenbereich. Wären die insgesamt knapp 1500 Werke vermarktet worden, hätte sich schnell ein Gesamtwert von einer Dreiviertel Milliarde Euro ergeben.

Doch ist davon auszugehen, dass von den mutmaßlichen Verdächtigen, es handelt sich offensichtlich um den ehemaligen Inhaber der SNZ Galeries, den 67-jährigen Israeli Itzhak Z. und seinen 41-jährigen Geschäftsführer Moezi Ben H., nicht viel zu erfahren ist. Die Ermittler müssen jetzt also eifrig die sichergestellten Akten und Geschäftsbücher durchforsten und mutmaßliche Kunden vorladen, mitsamt den zweifelhaften Werken. Denn ohne den Nachweis, dass gefälschte Bilder den Besitzer wechselten, wird aus den Ermittlungen kein Gerichtsverfahren und keine Verurteilung werden. Der Besitz auch von ein paar hundert oder Tausenden nachweislich falschen Gemälden ist nicht strafbar, so lange man sie nicht verkauft oder öffentlich einem bestimmten Künstler zuschreibt. Man wird die Expertisen, die von Gutachtern wie dem Bornheimer Institut Jägers oder russischen Kunsthistorikern wie Maria Valyaeva erstellt wurden, genau lesen, die sicher gestellten Werke auf ihre Echtheit überprüfen. Doch die Ermittler müssen belegen, dass vermeintliche Meisterwerke zum Verkauf bestimmt waren, dass sie unter den Namen bedeutender Künstler angeboten und gehandelt wurden.

Dieser Umstand erklärt, warum die israelische Polizei, die wohl 19 Verdächtige verfolgte, Deutschland um Amtshilfe bitten musste. Denn so paradox das klingt: Ateliers samt angeschlossener Bibliotheken und Archive, in denen Maler sorgfältig angeleitet werden, wie eine jeder Analyse standhaltende Komposition auszusehen hat und welche verschollenen Gemälde sich vielleicht als Vorlage gut eignen, hoch professionell arbeitende Fälscher-Werkstätten also, sind nicht verboten.

Sollten Banden russische Kunstfälscher nach Israel ausgeflogen haben, wie Experten seit Jahren vermuten, damit diese, unbehelligt vom Zoll direkt den westlichen Markt beliefern, hat die Polizei kaum Handhabe, so lange in Israel nur gemalt wird. Die Zusammenarbeit mit Behörden in der Schweiz, wo man wohl auf Konten der Bande gestoßen ist, und Deutschland, wo die mutmaßlichen Verdächtigen nach der Schließung der Galerie SNZ noch einmal ein Geschäft eröffneten, das erst in den vergangenen Monaten die Arbeit einstellte, war von zentraler Bedeutung.

Nun sollte man annehmen, dass die Geprellten in Wiesbaden vorstellig werden. Immerhin geht man davon aus, dass seit 2005 gut 400 Werke verkauft wurden. Doch dass sich Betrogene an der Aufklärung beteiligen, ist die Ausnahme. Warum? Zum einen werden sie sich blamiert fühlen, wenn die kostbare Avantgardistin, die sie sich über den Esstisch gehängt haben, sich als Fälschung entpuppt. Und so lange man diese nicht als falsch abschreiben muss, kann man sich noch in der Illusion wiegen, man habe ein echtes Werk erworben.

Das ist die wohlmeinende Auslegung der Zurückhaltung potenzieller Opfer gegenüber den Behörden. Denn einige aus dem Kundenstamm der nicht eben florierenden Galerie werden derzeit sicher kühl Chancen und Risiken abwägen. Es sind ja nicht nur Kunstliebhaber, die raffgierig auf die Echtheit günstiger Kunstwerke spekulieren. Wer sich im grauen Kunstmarkt auskennt weiß, dass hier häufig Schwarzgeld geparkt wird. Zudem könnten sich Käufer, die wissentlich zu günstig zugegriffen haben, vielleicht sogar der Hehlerei schuldig gemacht haben.

Es sind wohl sieben Werke, aus deren Verkauf sich die Summe von zwei Millionen Euro Umsatz ergibt - wer aber für ein Gemälde von Malewitsch, für eine Popova oder Gontscharowa nicht mehr als ein paar Hunderttausend Euro zahlt, sollte ahnen, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, auch wenn die Galeristen anrührend von russischen Vorfahren oder armen Künstlerwitwen fabulieren. Wobei der Ton rauer gewesen sein muss, in dem hier Kunstgeschichte verhandelt wurde. Mitarbeiter von Auktionshäusern, die Einlieferungen der Galerie SNZ ablehnten, erinnern sich an Beschimpfungen. Ein Kunsthistoriker, der Werke in einer Ausstellung kritisiert hatte, fand anonyme Drohungen auf seinem Anrufbeantworter. Die Nummer führte nach Deutschland.



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