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Land im Zwiespalt

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In 'Promised Land' packen Matt Damon und Gus Van Sant ein heißes Thema an - Fracking wirft in Amerika existenzielle Fragen auf. So einfach wie im Kino ist die Lösung aber nicht.


Es gibt kaum einen Regisseur, der das Thema Identität mit einer solchen Souveränität beherrscht wie Gus Van Sant. Vor allem, weil er es immer wieder schafft, Schauspieler wie River Phoenix, Matt Damon oder Sean Penn auf Selbstfindungstrips ins Ungewisse zu schicken. Eine Hollywood-Katharsis zum Schluss, die alles wieder sauber aufräumen könnte, hat er seinen Protagonisten meist verweigert.

"Promised Land", Van Sants neuer Film, funktioniert etwas anders. Zum einen gibt es da ein klares Ende. Das soll nicht verraten werden. Der Film hat zwar schon viele Verrisse bekommen, aber so schlecht ist er nicht, und die Drehs und Wendungen gegen Ende des zweiten Akts sind der Clou. Was aber natürlich auch ein Zeichen dafür ist, dass sich Van Sant diesmal auf Konventionen eingelassen hat.



Matt Damon zu sehen im neuen Gus Van Sant.

Zum anderen geht es in "Promised Land" nicht um Identität, sondern um große Politik. Genauer gesagt um Fracking, eine Technik, bei der Wasser und Chemikalien mit Hochdruck in tiefgelegene Gesteinsschichten gepresst werden, um Öl und Gas daraus zu gewinnen.

Weltweit ist Fracking in den letzten Jahren zu einer neuen Chiffre des immerwährenden Kampf des Volkes gegen den Kapitalismus geworden. Nicht zuletzt, weil in Pennsylvania Wasser aus ganz normalen Leitungen Feuer fing, nachdem bei Fracking-Bohrungen Gas ins Grundwasser gelangt war. Und seit der Cuyahoga River in Ohio 1969 Feuer fing, weil er so verschmutzt war, ist brennendes Wasser für die amerikanische Umweltbewegung so etwas wie der brennende Dornbusch für die Israeliten - das Signal zum Aufbruch.

Die Geschichte, die Gus Van Sant nun erzählt, um die Problematik des Frackings auf den Punkt zu bringen, dreht sich um Steve Butler (Matt Damon). Der zieht für den fiktiven Energiekonzern Global Crosspower Solutions durch Amerika und schwatzt verarmten Farmern Schürfrechte ab, damit die Firma unter ihrem Land fracken darf. Das kann er gut, da ist er einer der Besten - weil er selbst aus so einem Nest stammt, dem die Industrialisierung der Landwirtschaft die wirtschaftliche Grundlage geraubt hat.

Gemeinsam mit seiner Kollegin Sue Thomason (Frances McDormand) kommt Butler in einem Farmstädtchen in Pennsylvania an. Nachdem er schon einige Farmer unter Vertrag hat, beschließt die Bevölkerung, in einem kritischen Bürgerentscheid über das Angebot des Konzerns abzustimmen. Außerdem taucht der Umweltaktivist Dustin Noble (John Krasinski) auf, dessen Landburschen-Charme noch überzeugender ist, und macht Stimmung gegen den Energieriesen.

Die erzählerische Routine, die sich durch den Film zieht, wurzelt in der langen Arbeitsfreundschaft zwischen Gus Van Sant und Matt Damon. Damon hat gemeinsam mit John Krasinski das Drehbuch zu "Promised Land" geschrieben. Eine vertraute Konstellation. Vor gut fünfzehn Jahren begann Damons Aufstieg in Hollywood damit, dass er gemeinsam mit Ben Affleck das Oscar-prämierte Drehbuch zu "Good Will Hunting" schrieb. Van Sant übernahm die Regie, Damon und Affleck spielten die Hauptrollen.

Die Routine ist hier das Problem. Für "Promised Land" werden Damon und Krasinski keine Oscars bekommen. Krasinski, der in den USA aus der (grandiosen) Fernsehserie "The Office" bekannt ist, wird auch nicht in die nächste Hollywood-Liga aufrücken. Dabei haben sie gemeinsam durchaus eine Spur zur Zwiespältigkeit der Fracking-Debatte gelegt.

Die Drehs und Wendungen stellen immer wieder die Loyalitäten des Publikums in Frage. Ist der Schutz des Landes nun wichtiger - oder das Überleben der Farmer? Der Film entscheidet sich zum Schluss, mit einem schlichten Ende und einer gehörigen Portion Pathos. Die politischen Erwartungen von Van Sants Stammpublikum erfüllt er durchaus - doch es bleibt ein Gefühl der Leere. Weil einem die künstlerischen Erwartungen bei einem Van Sant-Film eben wichtiger sind als umweltpolitische Impulse.

Dabei hätte kein Regisseur die Zwiespältigkeit der Fracking-Debatte besser aus seinem Werk heraus entwickeln können. Für die USA hat das Thema ja nicht nur umweltpolitische, sondern historische Dimensionen. Mit Hilfe des Frackings könnten die USA den Zustand der geopolitischen Glückseligkeit erreichen - die Unabhängigkeit von ausländischen Energiequellen. Die Gedankenkette, die daraus folgt, macht es schwer, sich in der Debatte ideologisch zu entscheiden.

Würden die USA die energiepolitische Unabhängigkeit erlangen, wäre ihre Interesse an den Ölquellen im arabischen und vorderasiatischen Raum Makulatur. Damit könnten sich weltpolitische Konflikte entschärfen - wenn auch durch wirtschaftliche Entmachtung für die meisten Ölstaaten, deren innenpolitische Destabilisierung dann schwer abzusehen wäre. Gleichzeitig könnten die USA ihre militärischen Ausgaben senken und mit diesen Geldern - und der Brückentechnologie des Fracking - die Führung in der globalen Energiewende übernehmen. Wenn sich die Nation auch von der Ideologie der fossilen Energiegewinnung lösen könnte.

Erzählerisch hätte der identitätspolitisch versierte Gus Van Sant so viel Zwiespältigkeit durchaus meistern können. Ein Jammer, dass er sich ausgerechnet jetzt auf die Sicherheit der Routine besann.

Promised Land, USA 2012. Regie: Gus Van Sant. Buch: Matt Damon, John Krasinski. Kamera: Linus Sandgren. Mit Matt Damon, John Krasinski, Frances McDormand. Verleih: Universal, 106 Min.

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