Der Streit um private Schiedsgerichte bei den Freihandelsabkommen Ceta und TTIP bringt Bundesregierung und EU-Kommission immer mehr in Bedrängnis. Erhebliche Einwände meldet nun auch der Verfassungsrechtler Professor Siegfried Broß an. Die Sonderrechte für Investoren, die in den Verträgen mit Kanada und den USA eine wichtige Rolle spielen, verstoßen nach seiner Auffassung gegen nationales und internationales Recht. „Deutschland und die EU dürfen diese Abkommen mit den jetzt bekannt gewordenen Klauseln über Investorschutz und private Schiedsgerichte nicht abschließen“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. „Diese Klauseln verstoßen gegen deutsches Verfassungsrecht, Recht der EU und bedeuten einen Systembruch des Völkerrechts“, meint Broß, der bis 2010 Richter des Bundesverfassungsgerichts war.
Gegen die Freihandelsabkommen Ceta und TTIP werden immer mehr Einwände laut. Der Staatsrechtler Siegfried Broß hält die in den Verträgen vorgesehenen Sonderrechte für Investoren für unzulässig.
Der Jurist moniert, dass der Staat mit solchen Klauseln ohne Not einen Teil seiner Souveränität an private Schiedsgerichte abtrete. Wenn ausländische Firmen gegen eine Regierung dort klagen dürften, bedeute dies, „dass der jeweils betroffene Vertragsstaat insoweit seine Souveränität und Gestaltungsmacht im Völkerrechtsverkehr aufgibt“, ergänzt er. „Dafür gibt es keine Legitimation nach deutschem Verfassungsrecht“. Der Verfassungsrechtler hat im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung eine Studie erstellt, die Anfang dieser Woche veröffentlicht wird.
Schlichtungsstellen im Rahmen eines Freihandelsabkommens müssen nach seiner Ansicht einer staatlichen Kontrolle unterworfen sein. Eine Lösung sieht er in staatlichen Schiedsgerichten, die es so bisher nicht gibt. „Eine Schiedsgerichtsbarkeit innerhalb eines Freihandelsabkommen darf allenfalls als Staatsschiedsgericht organisiert werden“, stellt er fest.
Broß bestätigt die Bedenken vieler TTIP- und Ceta-Gegnern, die schon länger vor den Risiken der Investitionsschutzregeln (ISDS) warnen. Deren eigentliches Ziel soll es sein, ausländische Investoren vor Verstaatlichungen und anderer unfairer Behandlung zu schützen. Seit einigen Jahren werden die Sonderrechte jedoch von einigen Konzernen missbraucht, um strengere Gesetze zum Schutz von Mensch und Umwelt zu verhindern und hohen Schadensersatz zu verlangen.
Broß macht aber auch deutlich, dass ein Veto der Gerichte gegen die umstrittenen Regeln Ceta und TTIP keinesfalls grundsätzlich ins Wanken bringen kann. „Es geht nicht um alles oder nichts. Die Abkommen würden nicht insgesamt scheitern, sondern nur mit den genannten Klauseln.“ Die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns dieser Regeln vor den Gerichten schätzt Broß allerdings als „sehr hoch“ ein. Die EU-Kommission müsse dann in diesem Punkt nachverhandeln, und die Bundesregierung dürfte vorerst kein Zustimmungsverfahren in Bundestag und Bundesrat einleiten.
Brisant wäre ein Veto der Gerichte zudem, weil es Folgen für bereits laufende Abkommen hätte. „Hinsichtlich der alten Verträge müsste dann nachverhandelt werden“, sagt Broß. Da könnte viel Arbeit auf die Regierungen in der EU zukommen. Allein Deutschland, das als „Erfinder“ von Investorenschutzregeln gilt, hat 130 laufende Freihandelsabkommen im Bestand. Dass die wissenschaftliche Debatte über die umstrittenen Klauseln erst jetzt richtig in Gang kommt, ist für Broß ein großes Versäumnis. Nach seinen Worten gibt es einen Mangel an neutraler Forschung auf dem Gebiet. „Möglicherweise war dies mit einem Tabu belegt“, vermutet er. „Über Jahrzehnte hat sich ein interessiertes Umfeld zugunsten der privaten Schiedsgerichte entwickelt.“ Wissenschaftliche Bewertung stammten meist von Juristen, die selbst in diese Verfahren involviert seien.
Ein Beispiel für solche Interessenverflechtungen liefert das Gutachten, das Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Herbst zum kanadischen Abkommen vorlegte. Es stammt von Stephan Schill vom Max-Planck-Institut in Heidelberg, der selbst auf der Schlichterliste der internationalen Schiedsstelle der Weltbank in Washington geführt wird. Bedenken gegen Investorenschutzregeln in Ceta seien in Hinblick auf Haftungsrisiken für Deutschland oder einer Einschränkung des gesetzgeberischen Handlungsspielraums zu vernachlässigen, heißt es in seinem Gutachten. Gabriel selbst hält die Klauseln nach wie vor für unverzichtbar. Doch der Wirtschaftsminister steckt in der Zwickmühle. Selbst in der SPD ist seine Haltung umstritten. Er will nun bei einem Parteitag darüber abstimmen lassen.
Die Auseinandersetzung über die Schiedsgerichte hat schon jetzt spürbare Folgen. Sie verzögert nicht nur Ceta, sondern auch das TTIP-Abkommen. Die EU-Kommission kündigte Anfang Januar an, dass sie die Regeln überdenken will. Derzeit liegen die Verhandlungen mit den USA über diesen Punkt auf Eis. Wann sie wieder aufgenommen werden, ist unklar.
Gegen die Freihandelsabkommen Ceta und TTIP werden immer mehr Einwände laut. Der Staatsrechtler Siegfried Broß hält die in den Verträgen vorgesehenen Sonderrechte für Investoren für unzulässig.
Der Jurist moniert, dass der Staat mit solchen Klauseln ohne Not einen Teil seiner Souveränität an private Schiedsgerichte abtrete. Wenn ausländische Firmen gegen eine Regierung dort klagen dürften, bedeute dies, „dass der jeweils betroffene Vertragsstaat insoweit seine Souveränität und Gestaltungsmacht im Völkerrechtsverkehr aufgibt“, ergänzt er. „Dafür gibt es keine Legitimation nach deutschem Verfassungsrecht“. Der Verfassungsrechtler hat im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung eine Studie erstellt, die Anfang dieser Woche veröffentlicht wird.
Schlichtungsstellen im Rahmen eines Freihandelsabkommens müssen nach seiner Ansicht einer staatlichen Kontrolle unterworfen sein. Eine Lösung sieht er in staatlichen Schiedsgerichten, die es so bisher nicht gibt. „Eine Schiedsgerichtsbarkeit innerhalb eines Freihandelsabkommen darf allenfalls als Staatsschiedsgericht organisiert werden“, stellt er fest.
Broß bestätigt die Bedenken vieler TTIP- und Ceta-Gegnern, die schon länger vor den Risiken der Investitionsschutzregeln (ISDS) warnen. Deren eigentliches Ziel soll es sein, ausländische Investoren vor Verstaatlichungen und anderer unfairer Behandlung zu schützen. Seit einigen Jahren werden die Sonderrechte jedoch von einigen Konzernen missbraucht, um strengere Gesetze zum Schutz von Mensch und Umwelt zu verhindern und hohen Schadensersatz zu verlangen.
Broß macht aber auch deutlich, dass ein Veto der Gerichte gegen die umstrittenen Regeln Ceta und TTIP keinesfalls grundsätzlich ins Wanken bringen kann. „Es geht nicht um alles oder nichts. Die Abkommen würden nicht insgesamt scheitern, sondern nur mit den genannten Klauseln.“ Die Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns dieser Regeln vor den Gerichten schätzt Broß allerdings als „sehr hoch“ ein. Die EU-Kommission müsse dann in diesem Punkt nachverhandeln, und die Bundesregierung dürfte vorerst kein Zustimmungsverfahren in Bundestag und Bundesrat einleiten.
Brisant wäre ein Veto der Gerichte zudem, weil es Folgen für bereits laufende Abkommen hätte. „Hinsichtlich der alten Verträge müsste dann nachverhandelt werden“, sagt Broß. Da könnte viel Arbeit auf die Regierungen in der EU zukommen. Allein Deutschland, das als „Erfinder“ von Investorenschutzregeln gilt, hat 130 laufende Freihandelsabkommen im Bestand. Dass die wissenschaftliche Debatte über die umstrittenen Klauseln erst jetzt richtig in Gang kommt, ist für Broß ein großes Versäumnis. Nach seinen Worten gibt es einen Mangel an neutraler Forschung auf dem Gebiet. „Möglicherweise war dies mit einem Tabu belegt“, vermutet er. „Über Jahrzehnte hat sich ein interessiertes Umfeld zugunsten der privaten Schiedsgerichte entwickelt.“ Wissenschaftliche Bewertung stammten meist von Juristen, die selbst in diese Verfahren involviert seien.
Ein Beispiel für solche Interessenverflechtungen liefert das Gutachten, das Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Herbst zum kanadischen Abkommen vorlegte. Es stammt von Stephan Schill vom Max-Planck-Institut in Heidelberg, der selbst auf der Schlichterliste der internationalen Schiedsstelle der Weltbank in Washington geführt wird. Bedenken gegen Investorenschutzregeln in Ceta seien in Hinblick auf Haftungsrisiken für Deutschland oder einer Einschränkung des gesetzgeberischen Handlungsspielraums zu vernachlässigen, heißt es in seinem Gutachten. Gabriel selbst hält die Klauseln nach wie vor für unverzichtbar. Doch der Wirtschaftsminister steckt in der Zwickmühle. Selbst in der SPD ist seine Haltung umstritten. Er will nun bei einem Parteitag darüber abstimmen lassen.
Die Auseinandersetzung über die Schiedsgerichte hat schon jetzt spürbare Folgen. Sie verzögert nicht nur Ceta, sondern auch das TTIP-Abkommen. Die EU-Kommission kündigte Anfang Januar an, dass sie die Regeln überdenken will. Derzeit liegen die Verhandlungen mit den USA über diesen Punkt auf Eis. Wann sie wieder aufgenommen werden, ist unklar.