Nun also ist die deutsche Kultusministerkonferenz der Aufforderung der Unesco nachgekommen, eine Liste immaterieller Kulturgüter vorzulegen, die in besonderem Maß als schutzwürdig erscheinen. 27 Stück sind es geworden, im März 2015 werden sie offiziell eingereicht: ein Zeugnis dafür, wie es in der amtlichen Verlautbarung heißt, „mit welch großartigem Engagement die Zivilgesellschaft kulturelle Bräuche und Traditionen bis heute pflegt, modern interpretiert und an die nachfolgenden Generationen weitergibt“.
Das Krawattenabschneiden an Weiberfastnacht ist Tradition und läutet im Rheinland den Straßenkarneval ein.
Es sind Einrichtungen darunter wie die Limmersdorfer Lindenkirchweih, wo „Kerwaburschen“ und „Kerwasmadla“ in der Lindenkrone tanzen, oder das Malchower Volksfest, weil es dazu dient, „sich gut gelaunt dem Alltag zu entziehen und zusammen lachen zu können“. Dabei sind altehrwürdige Künste wie die Flößerei in Bremen oder die Köhlerei und Teerschwelerei in Sachsen; die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht wird ebenso unter Schutz gestellt wie der Rheinische Karneval. Das Singen von Liedern der deutschen Arbeiterbewegung hat es auf die Liste geschafft (besonders hervorzuheben: die Internationale und „Bella Ciao“), die deutsche Brotkultur und die Falknerei. Berücksichtigt sind neben der Chormusik der 60000 deutschen Amateurchöre und der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft als solcher auch die „Genossenschaftsidee“ und die „Auseinandersetzung mit dem Rattenfänger von Hameln“.
Wie, um Himmels willen, schützt man eine Auseinandersetzung? Das Konzept des Unesco-Weltkulturerbes ging aus von einzelnen, eben materiellen Orten, die jeder sehen und anfassen kann und für die sich leicht etwas Materielles tun ließ, indem man zum Beispiel einem alten Schlossgemäuer neue Standfestigkeit gab. Dieses leicht begreifliche, obwohl nicht immer überzeugende Konzept hatte in den letzten Jahrzehnten erheblichen Erfolg (vor allem touristischen). Der Status des Weltkulturerbes kam einer Heiligsprechung gleich und erwies sich als Zauberstab der Finanzierung. Er musste zu heftiger Lobbyarbeit verlocken.
Diese immaterielle Parallel-Liste kann gar nicht anders, als alle lebendige Praxis nach dem Muster des im Raum stillgestellten Objekts zu behandeln. Nicht nur ist es aussichtslos, gleich die gesamte deutsche Theater- oder Laienchor-Landschaft auf diese Weise retten zu wollen, denn da verteilen sich Aufmerksamkeit und Gelder notwendig nach einem Gießkannenprinzip, von dem keiner was hat.
Vor allem hat es keinen Sinn, das, was die Leute so von sich aus tun und jemals getan haben, einer amtlichen Fürsorge und damit Aufsicht zu unterstellen, die gerade der gerühmten „Zivilgesellschaft“ fernsteht. Der Rheinische Karneval (funktioniert er noch so, wie man ihn geschützt sehen will?) lebt von der Verspottung genau solcher Denkungsart. Warum um alles in der Welt soll man Flößerei und Teerschwelerei fortsetzen, wenn es für diese altertümlichen Mühseligkeiten längst viel besseren Ersatz gibt? Und die angeblich altehrwürdige Brotkultur ist eine Errungenschaft aus jüngster Zeit, möglich geworden durch einen Wohlstand und eine Wahlfreiheit, die früher einfach nicht existierten.
Nein, wenn man wirklich so etwas wie Tradition bewahren oder auch neu anknüpfen will, muss man schon ein bisschen mehr machen, als ein Etikett draufkleben. Die Genossenschaftsidee wird nicht blühen, weil jemand eine Glasglocke drüberstülpt, sondern nur, wenn die Menschen sich tatsächlich als Genossen fühlen. Das ganze Unesco-Projekt sollte von Rechts wegen den Namen „Dornröschen“ führen: Denn sein Trachten geht darauf, alles Lebendige, das es berührt, bis hin zur erhobenen Hand des Kochs, der den Küchenjungen ohrfeigen will, in einen todesähnlichen Schlaf zu versetzen.
Das Krawattenabschneiden an Weiberfastnacht ist Tradition und läutet im Rheinland den Straßenkarneval ein.
Es sind Einrichtungen darunter wie die Limmersdorfer Lindenkirchweih, wo „Kerwaburschen“ und „Kerwasmadla“ in der Lindenkrone tanzen, oder das Malchower Volksfest, weil es dazu dient, „sich gut gelaunt dem Alltag zu entziehen und zusammen lachen zu können“. Dabei sind altehrwürdige Künste wie die Flößerei in Bremen oder die Köhlerei und Teerschwelerei in Sachsen; die Schwäbisch-Alemannische Fastnacht wird ebenso unter Schutz gestellt wie der Rheinische Karneval. Das Singen von Liedern der deutschen Arbeiterbewegung hat es auf die Liste geschafft (besonders hervorzuheben: die Internationale und „Bella Ciao“), die deutsche Brotkultur und die Falknerei. Berücksichtigt sind neben der Chormusik der 60000 deutschen Amateurchöre und der deutschen Theater- und Orchesterlandschaft als solcher auch die „Genossenschaftsidee“ und die „Auseinandersetzung mit dem Rattenfänger von Hameln“.
Wie, um Himmels willen, schützt man eine Auseinandersetzung? Das Konzept des Unesco-Weltkulturerbes ging aus von einzelnen, eben materiellen Orten, die jeder sehen und anfassen kann und für die sich leicht etwas Materielles tun ließ, indem man zum Beispiel einem alten Schlossgemäuer neue Standfestigkeit gab. Dieses leicht begreifliche, obwohl nicht immer überzeugende Konzept hatte in den letzten Jahrzehnten erheblichen Erfolg (vor allem touristischen). Der Status des Weltkulturerbes kam einer Heiligsprechung gleich und erwies sich als Zauberstab der Finanzierung. Er musste zu heftiger Lobbyarbeit verlocken.
Diese immaterielle Parallel-Liste kann gar nicht anders, als alle lebendige Praxis nach dem Muster des im Raum stillgestellten Objekts zu behandeln. Nicht nur ist es aussichtslos, gleich die gesamte deutsche Theater- oder Laienchor-Landschaft auf diese Weise retten zu wollen, denn da verteilen sich Aufmerksamkeit und Gelder notwendig nach einem Gießkannenprinzip, von dem keiner was hat.
Vor allem hat es keinen Sinn, das, was die Leute so von sich aus tun und jemals getan haben, einer amtlichen Fürsorge und damit Aufsicht zu unterstellen, die gerade der gerühmten „Zivilgesellschaft“ fernsteht. Der Rheinische Karneval (funktioniert er noch so, wie man ihn geschützt sehen will?) lebt von der Verspottung genau solcher Denkungsart. Warum um alles in der Welt soll man Flößerei und Teerschwelerei fortsetzen, wenn es für diese altertümlichen Mühseligkeiten längst viel besseren Ersatz gibt? Und die angeblich altehrwürdige Brotkultur ist eine Errungenschaft aus jüngster Zeit, möglich geworden durch einen Wohlstand und eine Wahlfreiheit, die früher einfach nicht existierten.
Nein, wenn man wirklich so etwas wie Tradition bewahren oder auch neu anknüpfen will, muss man schon ein bisschen mehr machen, als ein Etikett draufkleben. Die Genossenschaftsidee wird nicht blühen, weil jemand eine Glasglocke drüberstülpt, sondern nur, wenn die Menschen sich tatsächlich als Genossen fühlen. Das ganze Unesco-Projekt sollte von Rechts wegen den Namen „Dornröschen“ führen: Denn sein Trachten geht darauf, alles Lebendige, das es berührt, bis hin zur erhobenen Hand des Kochs, der den Küchenjungen ohrfeigen will, in einen todesähnlichen Schlaf zu versetzen.