Mit den Medien kennt sich Huang Jiefu aus. Seit Jahren ist der frühere Vizegesundheitsminister nun schon Vorsitzender der Organspendekommission in China. Und er weiß die Presse für seine Zwecke einzusetzen, auch die ausländische. „China stoppt Organentnahme von Exekutierten“, hieß es Anfang Dezember in zahlreichen internationalen Medien. Zum 1. Januar schon wolle China damit aufhören, Hingerichtete als Organspender zu nutzen. Das klang großartig. Kenner der Szene rieben sich allerdings die Augen.
Schätzungsweise 10000 Organe werden im Jahr in der Volksrepublik China transplantiert. „Aber nur 1500 von diesen Organen kommen von freien Bürgern“, weiß Professor Li von der Uni Mainz.
„Wie sollte das gehen? Schließlich gibt es in China außerhalb von Gefängnissen kaum Organspenden“, sagt Huige Li, ein Professor der Uni Mainz, der sich bei der Organisation DAFOH (Ärzte gegen erzwungene Organspende) engagiert. Schätzungsweise 10000 Organe werden im Jahr in der Volksrepublik China transplantiert. „Aber nur 1500 von diesen Organen kommen von freien Bürgern“, so Li. Umso größer sei das Interesse an den Organen Inhaftierter, die bisher meist nach persönlichen Abkommen zwischen Polizei, Richtern und Ärzten einflussreichen oder zahlungskräftigen Kranken zugeschanzt würden. Einer der vielen Belege dafür: Im Jahr 2006 hat der damalige Polizeichef von Jinhou, Wang Lijun, einen mit umgerechnet 200000 Euro dotierten Preis erhalten – weil er an Tausenden Transplantationen mitgewirkt habe. „Wohlgemerkt: der Polizeichef“, so Li.
Wer genau hinsieht, kann erkennen: Kommissionschef Huang Jiefu hat überhaupt nicht vor, die Organspenden von Exekutierten in China zu beenden. „Er nennt die Gefangenen nur nicht mehr Gefangene“, sagt Arne Schwarz, ein Menschenrechtsexperte, der sich seit Jahren gegen die Verwendung von Organen Hingerichteter engagiert. Neu ist, dass Huang die Organe künftig offenbar ohne die bisherige Korruption über das staatliche Organspendesystem vergeben will. „Freiwillige Spenden sollen künftig die einzige Quelle für Organe sein“, heißt es in der staatlichen Tageszeitung China Daily, in der nichts erscheint, was nicht von der politischen Führung gebilligt wird. Gefangene blieben aber „qualifizierte Kandidaten“, deren Organe „im Computersystem registriert anstatt für privates Handeln genutzt“ würden. Das sei der Unterschied. Schließlich könne man Organe von Gefangenen nicht ablehnen, wenn die nach ihrem Ableben damit noch etwas Gutes tun wollten. Bedingung sei, dass sie „freiwillig spenden und ihre Familien die Entscheidung begrüßen“. Soweit die Staatszeitung.
„Aber was ist schon freiwillig, wenn man mit dem Tod bedroht wird?“, fragt Professor Li. Aus gutem Grund werde die Verwendung von Gefangenen als Organspender von Ärztegesellschaften und Menschenrechtsorganisationen weltweit verurteilt. Vor einem Jahr ist dies auch in einer Resolution des EU-Parlaments geschehen.
Li sorgt sich, dass sich das Unrecht mit der neuen Regelung verschleiern lasse: „Wenn Huangs Pläne wahr werden, sind alle Bemühungen der internationalen Gesellschaft umsonst gewesen“, sagt er. „Dann können Organe von Hingerichteten immer über das staatliche Organspendesystem weißgewaschen werden.“
Und der Westen? Ist nicht unbeteiligt am Organraub in China. Viele Ärzte und Wissenschaftler suchen den Austausch mit dem zweitgrößten Transplantationssystem der Welt, das ihnen Publikationen einbringen und mitunter auch finanzielle Interessen befriedigen kann. Auch Pharmafirmen nutzen die große Zahl von Transplantationen in China. Sie lassen dort Medikamente testen, die etwa die Abstoßung von Organen unterdrücken sollen. In den entsprechenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird dann nur kurz erwähnt, von was für Spendern die Organe stammen: „Todesursache: Hirnverletzung“, steht dort. „Übersetzt heißt das: Kopfschuss“, sagt Arne Schwarz.
Das Interesse der Patienten ist dennoch ungebrochen. Im Internet finden sie große Versprechen: Ganz offen wird auf den Websites von Krankenhäusern um zahlungskräftige Organempfänger aus dem Ausland geworben. Oft beträgt die Wartezeit für eine Spenderleber nur wenige Wochen. Beim Shanghai Changzheng Hospital ist es sogar nur eine Woche.
Der Andrang ist so groß, dass sich die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) fragt, wie mit solchen Patienten zu verfahren ist. Was passiert, wenn jemand mit Komplikationen in eine deutsche Klinik kommt? Hat er ein Anrecht auf eine hiesige Spenderleber, wenn seine chinesische Leber versagt? „Es gibt auch unter Ärzten große Irritationen, was das betrifft“, sagt Gertrud Greif-Higer, Vizevorsitzende der Ethikkommission der DTG. Die Gesellschaft wolle nun einen Kodex entwickeln, wie mit solchen Patienten zu verfahren ist.
Einige Organempfänger aus dem Westen argumentieren, dass die Gefangenen in China doch sowieso exekutiert würden. Aber so einfach ist die Sache nicht: Die Patienten bestimmen, welcher Gefangene wann den Tod findet. Schließlich müssen die Organe in ihrer Größe und auch von der Blutgruppe her zum Empfänger passen.
Dass die Exekutionen nach Bedarf vorgenommen werden, zeigt auch ein Erlebnis, das der Herzchirurg Franz Immer von der Schweizer Organspendestiftung schildert. Im Jahr 2007 wollten ihm Ärzte in einem Pekinger Krankenhaus eine Herztransplantation zeigen. Wann er denn Zeit habe, wurde der Gast aus dem Westen gefragt. Morgen? Ja, gut. Wann denn: lieber vormittags oder nachmittags? In diesem Moment, so Immer, sei ihm klar geworden, dass zu eben dieser Zeit wohl ein Gefangener exekutiert würde. Die Transplantation sollte schlicht in den Terminkalender des Besuchers passen. „Da“, sagt er, „habe ich mich geweigert, daran teilzunehmen.“
Schätzungsweise 10000 Organe werden im Jahr in der Volksrepublik China transplantiert. „Aber nur 1500 von diesen Organen kommen von freien Bürgern“, weiß Professor Li von der Uni Mainz.
„Wie sollte das gehen? Schließlich gibt es in China außerhalb von Gefängnissen kaum Organspenden“, sagt Huige Li, ein Professor der Uni Mainz, der sich bei der Organisation DAFOH (Ärzte gegen erzwungene Organspende) engagiert. Schätzungsweise 10000 Organe werden im Jahr in der Volksrepublik China transplantiert. „Aber nur 1500 von diesen Organen kommen von freien Bürgern“, so Li. Umso größer sei das Interesse an den Organen Inhaftierter, die bisher meist nach persönlichen Abkommen zwischen Polizei, Richtern und Ärzten einflussreichen oder zahlungskräftigen Kranken zugeschanzt würden. Einer der vielen Belege dafür: Im Jahr 2006 hat der damalige Polizeichef von Jinhou, Wang Lijun, einen mit umgerechnet 200000 Euro dotierten Preis erhalten – weil er an Tausenden Transplantationen mitgewirkt habe. „Wohlgemerkt: der Polizeichef“, so Li.
Wer genau hinsieht, kann erkennen: Kommissionschef Huang Jiefu hat überhaupt nicht vor, die Organspenden von Exekutierten in China zu beenden. „Er nennt die Gefangenen nur nicht mehr Gefangene“, sagt Arne Schwarz, ein Menschenrechtsexperte, der sich seit Jahren gegen die Verwendung von Organen Hingerichteter engagiert. Neu ist, dass Huang die Organe künftig offenbar ohne die bisherige Korruption über das staatliche Organspendesystem vergeben will. „Freiwillige Spenden sollen künftig die einzige Quelle für Organe sein“, heißt es in der staatlichen Tageszeitung China Daily, in der nichts erscheint, was nicht von der politischen Führung gebilligt wird. Gefangene blieben aber „qualifizierte Kandidaten“, deren Organe „im Computersystem registriert anstatt für privates Handeln genutzt“ würden. Das sei der Unterschied. Schließlich könne man Organe von Gefangenen nicht ablehnen, wenn die nach ihrem Ableben damit noch etwas Gutes tun wollten. Bedingung sei, dass sie „freiwillig spenden und ihre Familien die Entscheidung begrüßen“. Soweit die Staatszeitung.
„Aber was ist schon freiwillig, wenn man mit dem Tod bedroht wird?“, fragt Professor Li. Aus gutem Grund werde die Verwendung von Gefangenen als Organspender von Ärztegesellschaften und Menschenrechtsorganisationen weltweit verurteilt. Vor einem Jahr ist dies auch in einer Resolution des EU-Parlaments geschehen.
Li sorgt sich, dass sich das Unrecht mit der neuen Regelung verschleiern lasse: „Wenn Huangs Pläne wahr werden, sind alle Bemühungen der internationalen Gesellschaft umsonst gewesen“, sagt er. „Dann können Organe von Hingerichteten immer über das staatliche Organspendesystem weißgewaschen werden.“
Und der Westen? Ist nicht unbeteiligt am Organraub in China. Viele Ärzte und Wissenschaftler suchen den Austausch mit dem zweitgrößten Transplantationssystem der Welt, das ihnen Publikationen einbringen und mitunter auch finanzielle Interessen befriedigen kann. Auch Pharmafirmen nutzen die große Zahl von Transplantationen in China. Sie lassen dort Medikamente testen, die etwa die Abstoßung von Organen unterdrücken sollen. In den entsprechenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird dann nur kurz erwähnt, von was für Spendern die Organe stammen: „Todesursache: Hirnverletzung“, steht dort. „Übersetzt heißt das: Kopfschuss“, sagt Arne Schwarz.
Das Interesse der Patienten ist dennoch ungebrochen. Im Internet finden sie große Versprechen: Ganz offen wird auf den Websites von Krankenhäusern um zahlungskräftige Organempfänger aus dem Ausland geworben. Oft beträgt die Wartezeit für eine Spenderleber nur wenige Wochen. Beim Shanghai Changzheng Hospital ist es sogar nur eine Woche.
Der Andrang ist so groß, dass sich die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG) fragt, wie mit solchen Patienten zu verfahren ist. Was passiert, wenn jemand mit Komplikationen in eine deutsche Klinik kommt? Hat er ein Anrecht auf eine hiesige Spenderleber, wenn seine chinesische Leber versagt? „Es gibt auch unter Ärzten große Irritationen, was das betrifft“, sagt Gertrud Greif-Higer, Vizevorsitzende der Ethikkommission der DTG. Die Gesellschaft wolle nun einen Kodex entwickeln, wie mit solchen Patienten zu verfahren ist.
Einige Organempfänger aus dem Westen argumentieren, dass die Gefangenen in China doch sowieso exekutiert würden. Aber so einfach ist die Sache nicht: Die Patienten bestimmen, welcher Gefangene wann den Tod findet. Schließlich müssen die Organe in ihrer Größe und auch von der Blutgruppe her zum Empfänger passen.
Dass die Exekutionen nach Bedarf vorgenommen werden, zeigt auch ein Erlebnis, das der Herzchirurg Franz Immer von der Schweizer Organspendestiftung schildert. Im Jahr 2007 wollten ihm Ärzte in einem Pekinger Krankenhaus eine Herztransplantation zeigen. Wann er denn Zeit habe, wurde der Gast aus dem Westen gefragt. Morgen? Ja, gut. Wann denn: lieber vormittags oder nachmittags? In diesem Moment, so Immer, sei ihm klar geworden, dass zu eben dieser Zeit wohl ein Gefangener exekutiert würde. Die Transplantation sollte schlicht in den Terminkalender des Besuchers passen. „Da“, sagt er, „habe ich mich geweigert, daran teilzunehmen.“