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Der geköpfte Brokkoli

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Wie Monsanto mit Patenten den Gemüsemarkt kontrollieren will.


München - Manche mögen es für einen Scherz halten, dem ist aber nicht so: Das Europäische Patentamt (EPA) hat der Monsanto-Tochter Seminis ein Patent auf "geköpften Brokkoli" erteilt. Dabei geht es nicht, wie sonst häufig bei dem US-Agrarkonzern, um eine genmanipulierte Pflanze, sondern eine gewöhnliche Züchtung. Einzigartiger Vorzug dieser Pflanze: Sie soll leichter zu ernten sein. Weil der Kopf des Brokkoli weit über die Blätter hinausragt, kann ihn eine Erntemaschine leichter köpfen. So zumindest steht es, vereinfacht ausgedrückt, in der Patent-Anmeldung.



Ärger über den patentierten Brokkolii.

Schon im Vorfeld sorgte das Gemüse für Ärger. Denn das Patent erstreckt sich vom Saatgut über die Pflanze bis zum "abgetrennten Brokkolikopf". Für das anmeldende Unternehmen kann sich ein solches Patent als Goldgrube erweisen. Nach Einschätzung von Experten ist es bestens geeignet, andere Brokkolizüchter vom Markt zu drängen und Verbraucher stärker zur Kasse zu bitten.

Bei Verbraucherschützern stößt diese Form von Patenten auf heftige Kritik. Sie stellen die züchterische Leistung des Antragstellers grundsätzlich in Frage. Tatsache ist, dass sich Konzerne wie Monsanto ein Prinzip zu eigen machen, das in der Landwirtschaft seit Tausenden von Jahren praktiziert wird: Um einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen, werden nur die stärksten Pflanzen ausgesät. Viele Nahrungsmittelpflanzen, die heute angebaut werden, sind Ergebnis dieses Ausleseprozesses. "Wenn Konzerne wie Monsanto Züchter und Patente kontrollieren, wird es in Zukunft möglicherweise kaum noch Gemüse geben, das nicht patentiert ist", warnt Christoph Then von der Kampagne "Keine Patente auf Saatgut". Das Nachsehen haben die Verbraucher. Then verweist auf das erste Brokkoli-Patent, das 2002 erteilt wurde. "Als der Brokkoli unter der Marke Beneforte in britischen Supermärkten eingeführt wurde, kostete er 50 Prozent mehr als normaler", so Then.

Er und andere Kritiker befürchten, dass die Grundlagen der Ernährung über kurz oder lang von einigen wenigen internationalen Konzernen kontrolliert werden könnten. Mehr als zwei Millionen EU-Bürger fordern in einer Unterschriftenaktion ein Verbot der Patentierung von Pflanzen aus herkömmlichen Züchtungen. Greenpeace hält das Brokkoli-Patent zudem für einen Verstoß gegen das EU-Patentübereinkommen, das Patente auf konventionelle Züchtungen verbietet. Doch die Realität sind anders aus. Bis zum Jahr 2020 soll der weltweite Umsatz mit patentierten Pflanzen aus konventioneller Zucht von derzeit 700 Millionen Dollar auf drei Milliarden Dollar steigen. Das geht aus einem Papier der Welternährungsorganisation FAO hervor. Die zuständige EU-Behörde, das Europäische Patentamt, hat bislang vor allem Patente auf Gentech-Pflanzen erteilt: von 2000 beziehen sich laut Then nur knapp 100 auf herkömmliche Züchtungen. Für den Anbau zugelassen seien in der EU aber nur zwei Gentech-Sorten: Mon810-Mais von Monsanto und die Industriestärke-Kartoffel Amflora von BASF. Darüber hinaus dürfen 47 Futter- und Lebensmittelpflanzen in die EU importiert werden.

Obwohl der Widerstand gegen Gentechnik im Essen in der EU groß ist, betreibt Monsanto die Zulassung einer weiteren Gentech-Maissorte. Die gemeinsam mit der US-Firma Dow Agroscience entwickelte Pflanze SmartStax soll gegen zwei Unkrautvernichtungsmittel resistent sein und zugleich Gifte gegen sechs Schädlinge produzieren. Selbst in der Gentechnik gilt das als Novum. Umweltschützer halten die Pflanze wegen der massiven Eingriffe in das Genom der Pflanze für gefährlich. Sie befürchten unter anderem Risiken für die Gesundheit von Menschen. Monsanto hat jedoch gute Chancen auf eine SmartStax-Zulassung. Eine Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten ging am Montag unentschieden aus. Eine weiter soll bald folgen. Einigen sich die Länder auch dann nicht, hat die EU-Kommission das Sagen - und die hat die Zulassung ursprünglich vorgeschlagen. Es ist also schwer vorstellbar, dass sie nun dagegen stimmt.


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