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Am Anfang ist das Wort

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Ein Erdbeben, wie es nun heißt, ist es nicht, was gerade im Vatikan geschieht. Die katholische Kirche wird weiter sagen, schwule und lesbische Partnerschaften dürften nicht gleichberechtigt mit der heterosexuellen Ehe sein. Sie wird nicht an dem Verbot künstlicher Verhütungsmittel rütteln, das Papst Paul VI., der an diesem Wochenende selig gesprochen wird, 1968 in der Enzyklika „Humanae Vitae“ verkündet hat. Man kann schnell vieles finden, was sich nicht bewegt und nicht bewegen wird in der größten Glaubensgemeinschaft der Welt. Und doch ist der Zwischenbericht der Familiensynode in Rom bemerkenswert, in dem die Synodenleitung die Debatte der ersten Woche zusammenfasst. Er hat das Potenzial, ein Erdbeben auszulösen – zumindest in der katholischen Kirche. Er hat das Potenzial, mehr als 40 Jahre Starre zu beenden.



Papst Franziskus wagt Reformen in der katholischen Kirche.

Es hat sich in dem Dokument nicht nur die Sprache geändert, mit der die Bischöfe von jenen Formen des Zusammenlebens reden, die sie noch im Vorbereitungsdokument der Synode als defizitär beschrieben. Homosexuelle könnten „die christliche Gemeinschaft bereichern“ – das hat man so noch nicht in einem Diskussionspapier aus dem Vatikan gelesen. Im Grunde ist das zwar ein selbstverständlicher Satz, aber in einer Kirche, die Schwulen bislang mit Ausgrenzung und Angst begegnet, ändert diese Sprache auch die Wirklichkeit.

Das Synodenpapier geht aber noch weiter: Es versucht, eine theologische Grundlage dafür zu finden, wie die katholische Kirche künftig Lebensformen außerhalb der traditionellen Ehe definiert. Sie nimmt sich dafür ein 50 Jahre altes Vorbild: Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil galt die Regel, dass es außerhalb der katholischen Kirche kein Heil gebe. Das Konzil dagegen erklärte, dass zwar nur in der katholischen Kirche die Heilszusage Gottes vollständig verwirklicht sei, das Heil aber auch in anderen Glaubensformen zu finden sei. Kurz: Auch Evangelische, Muslime und Juden können in den Himmel kommen.

Diese Gradualität schlägt nun das Redaktionsteam um den ungarischen Kardinal Peter Erdö für die Bewertung verschiedener Lebensformen vor: Vollständig ist das Heil nur in der katholischen Ehe und Familie zu Hause. Doch auch in den anderen Formen kann es Wirklichkeit sein, bei unverheirateten Eltern, Geschiedenen, die wieder heiraten, einem schwulen oder lesbischen Paar, das füreinander sorgt und Kinder erzieht. Ob sich solche Paare nun als Abglanz-Form der katholischen Ehe definiert sehen wollen, bleibt dahingestellt. Doch für die Kirche wäre das ein Schritt, nicht weniger bedeutend als der vor mehr als 50 Jahren: Das Heil wohnt auch außerhalb der sakramentalen Ehe. Für viele Katholiken, die sich bisher als irregulär lebend definiert sahen, könnte dies die Versöhnung mit ihrer Kirche bedeuten.

Allerdings ist die Formulierung in der Synode umkämpft, wo die Bischöfe nun in Kleingruppen beraten. Es gibt nicht wenige, die das für den Ausverkauf der Wahrheit halten. Es gibt, vor allem in Afrika und Osteuropa, Bischöfe, die erschrocken sind über die freundlichen Worte gegenüber Homosexuellen. Sie fürchten den Zorn vieler Gläubiger und Schwierigkeiten mit Regierungen, von denen viele eine brutale Anti-Schwulen-Politik betreiben.

Es kann also noch bis zum Beratungsende am Wochenende das Dokument verharmlost werden. Doch ganz ist es von den Gegnern jeder Änderung nicht mehr vom Tisch zu bekommen. Das ist eine Überraschung. Die Kirche bewegt sich doch. Sie hat die Chance, sich mit den Menschen auf den Weg zu machen, hinauszugehen ins Offene, das ihr so lange Angst machte. Sie sollte sich trauen, dies zu tun. Dann dürfte sie merken, wie viele Familien, Paare, Lebensgemeinschaften es gar nicht so schlecht finden, dass da jemand mit ihnen geht.

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