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Ein Land in Geiselhaft

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Buenos Aires – Nun war da auch noch diese Geschichte vom Totentanz. Und dann kam das Feuer. Mexikanische Studenten zündeten am Montag (Ortszeit) mehrere Büros des Regierungspalastes von Chilpancingo an. In der Hauptstadt des umkämpften Bundesstaates Guerrero und in mehreren anderen Orten gingen die Brandstifter sowie Tausende friedliche, aber ähnlich zornige Demonstranten auf die Barrikaden. Nach dem mysteriösen Verschwinden von 43 Lehramtsbewerbern aus der Provinzstadt Iguala, das weltweit Schlagzeilen gemacht hatte, forderten die Protestler den Rücktritt des Gouverneurs. Und sie verlangten, dass dieser derzeit gruseligste Kriminalfall im Drogenkrieg von Mexiko endlich aufgeklärt wird. Und dass man die Opfer endlich findet.



Verzweiflung: Noch immer fehlt von vielen der Vermissten in Iguana jede Spur. 

Optimisten hoffen noch immer, dass wenigstens einige der Vermissten am Leben sind, doch die Wahrscheinlichkeit sinkt täglich. Am 26. September hatten Gemeindepolizisten die angehenden Pädagogen der ländlichen Schule von Ayotzinapa bei Protesten verschleppt. Die Kidnapper stehen in Verdacht, eng mit dem regionalen Rauschgiftkartell Guerreros Unidos zusammenzuarbeiten. Diese Mafia dealt, entführt, besticht, erpresst. 22 beschuldigte Polizeibeamte wurden mittlerweile verhaftet, als möglicher Rädelsführer gilt der Bürgermeister von Iguala, José Luis Abarca Velázquez. Von ihm fehlt bislang ebenfalls jede Spur, aber die eidesstattlichen Zeugenaussagen, die ihn belasten, klingen wie Szenenbeschreibungen aus Horrorfilmen.

Es heißt, der Lokalpolitiker Abarca habe im vergangenen Jahr im Beisein des Polizeichefs von Iguala einen Rivalen erschossen, den Söldner für ihn gekidnappt hatten. Der Mann habe zuvor sein eigenes Grab schaufeln müssen, der Täter habe in der einen Hand seinen Revolver gehalten und in der anderen Hand ein Bier. Das erzählte ein Überlebender dieses mutmaßlichen Verbrechens. Zwei Schwager des Bürgermeisters Albarca wiederum seien mit dem berüchtigten Drogenkartell Beltrán-Leyva verbandelt gewesen, ehe sie ermordet wurden. Aus Teilen der Bande der Beltrán-Leyva wiederum ging das nun verdächtigte Kartell der Guerreros Unidos hervor. Gemeinsam mit seiner Frau habe José Luis Abarca Velázquez auf einer Party getanzt, während die 43 Studenten in Iguala von Uniformierten gejagt, beschossen, festgenommen und am Ende wohl umgebracht wurden.

Zuletzt tauchten am Rande von Iguala mehrere Massengräber mit bisher offenbar 28 verkohlten und noch nicht identifizierten Leichen auf. Aber laut unbestätigten Gerüchten haben die entstellten Körper nichts mit den Gesuchten zu tun. Deren Angehörige und Sympathisanten sind schockiert. Wie können in dem Industriestaat Mexiko südlich der USA 43 Zivilisten im Alter von 18 bis 23 Jahren einfach so verschwinden? Insgesamt wird in Mexiko mittlerweile nach mehr als 20000 Menschen gefahndet. „Lebend wurden sie mitgenommen, lebend wollen wir sie zurück“, lautet ein Motto der Kundgebungen – ähnlich wie einst während der Zeit der Militärdiktaturen in Argentinien und Chile. Mexiko ist eine Demokratie, doch die Affäre belastet auch den Präsidenten Enrique Peña Nieto. Denn das tödliche Rätsel von Iguala zeigt, dass in Gegenden wie Guerrero Kriminelle herrschen, gemeinsam mit Vertretern des Staates.

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