Wer bin ich? So heißt ein Spiel. Für Nachrichtendienstler ist es mit dem Sein und mit dem Bewusstsein noch schwieriger als für die übrige Menschheit. Denn zum Wesen jedes Geheimdienstes gehören Geheimnis und Geheimhaltung. Viele Mitarbeiter haben Decknamen und leben mit doppelten Identitäten. Sie pflegen ihre Anonymität. „Ama nesciri“ sagen die Lateinkenner unter den Geheimen.
Der Verfassungsschutz lebt von Geheimniskrämerei
Angesichts der in diesen Kreisen üblichen (und meist völlig überflüssigen) Geheimniskrämerei ist es also schon ziemlich erstaunlich, dass es dem Filmemacher Egmont R. Koch und dem Terrorismus-Experten Holger Schmidt gelungen ist, Nachrichtendienstler aus fünf Bundesländern vor die Kamera zu bekommen und zu ihrem Selbstverständnis sowie zum Versagen der Behörden im Fall der Terrorgruppe NSU zu befragen. Mehr als ein Dutzend Geheimdienstler treten in dem Film auf, das hat es noch nicht gegeben.
Handwerklich gingen die beiden Journalisten, die sich im Film mit Kommentaren zurückhalten, nach der alten Sammelmethode vor: Wenn man einen hat, kommen andere nach. Den Durchbruch ermöglichte die Leiterin des baden-württembergischen Verfassungsschutzes, Beate Bube, die es den Fernsehleuten nach etlichen Vorgesprächen erlaubte, in der Behörde Quartier zu beziehen, damit sie Verfassungsschützer befragen konnten. Jeder, der sich meldete, kam vor die Kamera. Koch und Schmidt hatten eine Maskenbildnerin, Perücken, Brillen, Bärte mitgebracht, damit zumindest die operativen Mitarbeiter nicht erkannt werden können.
Nachdem Stuttgart derart mitmachte, war der Durchbruch geschafft. Auch das Landesamt in Sachsen agierte sehr offen. Den roten Faden spinnt der Diplom-Politologe Winfried Ridder. Der Pensionär war früher Referatsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz. Er ist in der Szene umstritten. Manche Journalisten und Politiker schätzen ihn, sie nutzen seinen beruflichen Hintergrund und finden es gut, dass dieser Ex-Geheime auch sehr provokant sein kann. Für manche Hierarchen in den Behörden ist er der Gegner. So machte das Bundesamt für Verfassungsschutz offenkundig seinetwegen nicht mit. Der Inlands-Nachrichtendienst sei „in einer desolaten Verfassung“, lautet Ridders erster Befund. „Wenn es nicht einen radikalen Umbau gibt, dann wird er keine Perspektive haben.“ Und er wird nicht versöhnlicher.
Im Fall NSU haben alle eingeschalteten Behörden versagt, der Verfassungsschutz im Osten besonders: „Dass man solche Stockfehler gemacht hat, das ist schon erstaunlich, wirklich erstaunlich“ sagt eine Leiterin der Beschaffung. „Das Nichtentdecken des NSU-Komplexes als solches würde ich nicht als Versagen des Verfassungsschutzes bezeichnen“ widerspricht ein Hierarch aus Stuttgart. Einer vom Geheimschutz erklärt, das Thema habe in seinem „privaten Bekanntenkreis wie auch beruflich nie eine Rolle gespielt“. Er hat offenbar ein besonderes Rollen-Problem.
Ein leitender Mitarbeiter des Brandenburger Dienstes berichtet, „im Kollegenkreis sei die Idee geboren“ worden, sich bei den Familien der Opfer für die „Nichtaufdeckung der Terrorzelle zu entschuldigen“. Diese Initiative sei dann von einem Vorgesetzten abgeblockt worden. „Die Geste“ mit der Entschuldigung, „die finde ich wundervoll“, meint eine niedersächsische Beamtin. „Nein, ich würde mich nur entschuldigen, wenn ich mir einen Fehler vorzuwerfen“ hätte, widerspricht ein Kollege Geheimdienstler.
Dann geht es in dem Film um V-Leute, an sich, um das Führen von manchmal sehr dubiosen Quellen, und Ridder deutet auf den wunden Punkt: „Wer führt hier eigentlich wen in diesen engsten, fast symbiotischen Verbindungen, die sich zwischen V-Mann einerseits und V-Mann-Führung“ bei einer langjährigen Zusammenarbeit ergeben? Er will ein neues V-Mann-System.
Nächste Frage: Ist Edward Snowden ein Verräter? Zweimal ja, zweimal nein. Dann geht es um die Feinheiten und Grobheiten des Berufs, und der Zuschauer lernt, dass auch manche Nachrichtendienstler ihre Arbeit gern tun. „Wir werden zum Teil maßlos über- und zum Teil maßlos unterschätzt“ sagt Gordian Meyer-Plath, Chef des Verfassungsschutzes Sachsen.
Die einfachste und schönste Aussage im Film stammt von einem ehemaligen Observanten, der gefragt wird, was die Arbeit für ihn attraktiv mache: „das Beamtenverhältnis“. Das sei „doch nicht von der Hand zu weisen“. Werde, der du bist – das hat schon Nietzsche gemeint.
Der Verfassungsschutz lebt von Geheimniskrämerei
Angesichts der in diesen Kreisen üblichen (und meist völlig überflüssigen) Geheimniskrämerei ist es also schon ziemlich erstaunlich, dass es dem Filmemacher Egmont R. Koch und dem Terrorismus-Experten Holger Schmidt gelungen ist, Nachrichtendienstler aus fünf Bundesländern vor die Kamera zu bekommen und zu ihrem Selbstverständnis sowie zum Versagen der Behörden im Fall der Terrorgruppe NSU zu befragen. Mehr als ein Dutzend Geheimdienstler treten in dem Film auf, das hat es noch nicht gegeben.
Handwerklich gingen die beiden Journalisten, die sich im Film mit Kommentaren zurückhalten, nach der alten Sammelmethode vor: Wenn man einen hat, kommen andere nach. Den Durchbruch ermöglichte die Leiterin des baden-württembergischen Verfassungsschutzes, Beate Bube, die es den Fernsehleuten nach etlichen Vorgesprächen erlaubte, in der Behörde Quartier zu beziehen, damit sie Verfassungsschützer befragen konnten. Jeder, der sich meldete, kam vor die Kamera. Koch und Schmidt hatten eine Maskenbildnerin, Perücken, Brillen, Bärte mitgebracht, damit zumindest die operativen Mitarbeiter nicht erkannt werden können.
Nachdem Stuttgart derart mitmachte, war der Durchbruch geschafft. Auch das Landesamt in Sachsen agierte sehr offen. Den roten Faden spinnt der Diplom-Politologe Winfried Ridder. Der Pensionär war früher Referatsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz. Er ist in der Szene umstritten. Manche Journalisten und Politiker schätzen ihn, sie nutzen seinen beruflichen Hintergrund und finden es gut, dass dieser Ex-Geheime auch sehr provokant sein kann. Für manche Hierarchen in den Behörden ist er der Gegner. So machte das Bundesamt für Verfassungsschutz offenkundig seinetwegen nicht mit. Der Inlands-Nachrichtendienst sei „in einer desolaten Verfassung“, lautet Ridders erster Befund. „Wenn es nicht einen radikalen Umbau gibt, dann wird er keine Perspektive haben.“ Und er wird nicht versöhnlicher.
Im Fall NSU haben alle eingeschalteten Behörden versagt, der Verfassungsschutz im Osten besonders: „Dass man solche Stockfehler gemacht hat, das ist schon erstaunlich, wirklich erstaunlich“ sagt eine Leiterin der Beschaffung. „Das Nichtentdecken des NSU-Komplexes als solches würde ich nicht als Versagen des Verfassungsschutzes bezeichnen“ widerspricht ein Hierarch aus Stuttgart. Einer vom Geheimschutz erklärt, das Thema habe in seinem „privaten Bekanntenkreis wie auch beruflich nie eine Rolle gespielt“. Er hat offenbar ein besonderes Rollen-Problem.
Ein leitender Mitarbeiter des Brandenburger Dienstes berichtet, „im Kollegenkreis sei die Idee geboren“ worden, sich bei den Familien der Opfer für die „Nichtaufdeckung der Terrorzelle zu entschuldigen“. Diese Initiative sei dann von einem Vorgesetzten abgeblockt worden. „Die Geste“ mit der Entschuldigung, „die finde ich wundervoll“, meint eine niedersächsische Beamtin. „Nein, ich würde mich nur entschuldigen, wenn ich mir einen Fehler vorzuwerfen“ hätte, widerspricht ein Kollege Geheimdienstler.
Dann geht es in dem Film um V-Leute, an sich, um das Führen von manchmal sehr dubiosen Quellen, und Ridder deutet auf den wunden Punkt: „Wer führt hier eigentlich wen in diesen engsten, fast symbiotischen Verbindungen, die sich zwischen V-Mann einerseits und V-Mann-Führung“ bei einer langjährigen Zusammenarbeit ergeben? Er will ein neues V-Mann-System.
Nächste Frage: Ist Edward Snowden ein Verräter? Zweimal ja, zweimal nein. Dann geht es um die Feinheiten und Grobheiten des Berufs, und der Zuschauer lernt, dass auch manche Nachrichtendienstler ihre Arbeit gern tun. „Wir werden zum Teil maßlos über- und zum Teil maßlos unterschätzt“ sagt Gordian Meyer-Plath, Chef des Verfassungsschutzes Sachsen.
Die einfachste und schönste Aussage im Film stammt von einem ehemaligen Observanten, der gefragt wird, was die Arbeit für ihn attraktiv mache: „das Beamtenverhältnis“. Das sei „doch nicht von der Hand zu weisen“. Werde, der du bist – das hat schon Nietzsche gemeint.