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Politik mit dem Schlauchboot

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Der Umweltschutz als zentrales gesellschaftliches Problem hat in den letzten Jahrzehnten eine Reihe mal großer, mal kleinerer Umweltverbände hervorgebracht. Deren weltweit bekanntester Vertreter ist Greenpeace. Der amerikanische Umwelthistoriker Frank Zelko hat nun eine Art Biografie dieser schillernden Organisation verfasst. Im Wesentlichen behandelt er den Ursprung von Greenpeace in Kanada und den USA seit der Zeit um 1970. Greenpeace ist ein Kind der nordamerikanischen 1968er-Kultur sowie der Proteste gegen Atomwaffentests, Walfang und Robbenfang. Mit der anderen Wurzel der Umweltverbände, dem nationalkon-servativen Heimatschutz der Zeit um 1900, hat Greenpeace dagegen wenig am Hut.



Mal mit dem Schlauchboot, mal mit dem Kutter: Greenpeace kämpft - auch gegen manche Widrigkeit in den eigenen Reihen

Zelko konzentriert sich voll auf die Greenpeace-Gründungsphase und porträtiert die einzelnen Charaktere – fast ausschließlich Männer – ausgiebig, ebenso wie ihre für Außenstehende nur schwer verständlichen Animositäten. Zuweilen ist er dabei repetitiv. Auch beschränkt er sich weitestgehend auf die Zeit bis 1980 und auf Nordamerika. Damit erzählt er weniger die Geschichte von Greenpeace als vielmehr die seiner Entstehung. Auch ist die Faktenbasis nicht immer klar. Der Autor gibt zwar an, mit diversen Greenpeace-Aktivisten gesprochen zu haben, woher er allerdings seine diversen Einblicke in das psychische Innenleben der Beteiligten hat, wird oft nicht deutlich.

Interessant wäre es gewesen, wenn Zelko auch die reale Wirkung von Umweltverbänden und ihren Themen zu ermitteln versucht hätte. Waren und sind Walfang, die Schlachtung junger Robben und Atomwaffentests im Pazifik, so verwerflich sie sein mögen, zentrale ökologische Herausforderungen? Die seinerzeitigen Greenpeace-Thesen darüber, dass Wale wegen ihres größeren Gehirns dem Menschen sicher intellektuell überlegen seien und deshalb geschützt werden müssen, wirken jedenfalls eher quasi-religiös als naturwissenschaftlich fundiert.

Gleichwohl ist kaum zu bestreiten, dass die Greenpeace-typischen Schlauchbootauftritte mit ihrem unbedingten, zudem medientauglich inszenierten Eintreten für Natur und Tiere die moderne Umweltdebatte mit angestoßen haben. Das gilt, auch wenn vielleicht mit Walen und Robben nicht die zentralen Einzelthemen aufgegriffen wurden.

Hätte das Buch auch die Greenpeace-Geschichte nach 1980 porträtiert, wäre auch zur Sprache gekommen, dass Greenpeace mittlerweile ein viel weiteres und ökologisch viel sinnvolleres Spektrum bedient. So hat Greenpeace in der Zwischenzeit gelegentlich ressourcenschonende Produkte wie energieeffiziente Kühlschränke entwickelt. Und Greenpeace unterstützt heute auch lokale Initiativen in ihrem Kampf gegen neue Braunkohletagebaue. Konsequent abgelehnt werden bei alledem jegliche finanzielle Unterstützungen aus der Wirtschaft, auch freiwillige und nicht an Bedingungen geknüpfte Spenden. So konsequent wie Greenpeace macht das kein anderer Umweltverband. Distanz hält Greenpeace auch zum in seiner Herkunft ur-sprünglich nationalkonservativen Heimatschutz, wie er für die Ortsverbände vieler klassischer Naturschutzverbände bis heute typisch ist und wo dann Biotopschutz zuweilen die großen Themen Klima oder Ressourcenschonungen völlig in den Hintergrund drängt.

Bisher hat, auch das hätte Zelko deutlicher sagen können, die auch von Greenpeace angestoßene Umweltdebatte nur teilweise zu einem guten Umweltschutz geführt. In den Industriestaaten sind Ressourcenverbrauch, Klimagasemissionen und teilweise auch Schadstoffemissionen pro Kopf seit Anfang der 1970er-Jahre nicht gesunken, sondern gestiegen. Es gibt viele Ideen, neue Techniken, Erfahrungen mit innovativen Politikinstrumenten wie Umweltabgaben und Emissionshandelssysteme, doch der ökologische Fußabdruck bleibt bei Weitem zu groß. Nur im Untertitel „Ökokonzern“, aber kaum im Text spricht Zelko an, dass Greenpeace trotz seiner Herkunft bis heute nicht so basisdemokratisch ist wie etwa Friends of the Earth, deren deutscher Zweig der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist.

Greenpeace agierte von Anbeginn vor allem mittels spektakulärer Einzelaktionen. Stellungnahmen in Gesetzgebungsverfahren oder Verwaltungsverfahren oder politische Konzepte sind nicht die klassische Greenpeace-Handlungsform. Zelko schildert die Einzelaktionen, ohne jedoch die Frage aufzuwerfen, wie sich die Wirkung von Greenpeace beispielsweise von der des BUND unterscheidet. Der BUND setzt mehr auf konkrete politische Konzepte sowie konkreten Einzelwiderstand gegen unökologische Projekte statt auf Telegenität. Nötig dürfte letztlich beides sein. Glücklicherweise beschränkt sich auch Greenpeace schon länger nicht mehr allein aufs Schlauchboot. Unbestreitbar ist: Greenpeace dürfte der bekannteste Umweltverband weltweit sein. Wohl nicht zuletzt dank seines eingängigen Namens.
Was man von den Namen BUND oder NABU (Naturschutzbund), die gern verwechselt werden, nicht unbedingt sagen kann.

Zelkos Werk ist nicht unbedingt ein Sachbuch für die allgemeine Öffentlichkeit, dazu ist das Buch teilweise zu behäbig geschrieben und lässt zu viele wichtige Fragen aus. Ein echtes Fachbuch für Experten ist es irgendwie aber auch nicht. Lohnend bleibt das Werk für diejenigen, die mit etwas Leseausdauer mehr erfahren möchten über einige Ursprünge von Greenpeace in Nordamerika in den Zeiten von Hippies und Friedensbewegung – und die sich an der einen oder anderen skurrilen Anekdote der 1968er-Zeit erfreuen.


Frank Zelk: Greenpeace: Von der Hippiebewegung zum Ökokonzern. Aus dem Englischen von Birgit Brandau. Vandenhoeck & Ruprecht, 2014. 358 Seiten, 34, 99 Euro.

Felix Ekardt leitet die Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und lehrt an der Universität Rostock.

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