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Zocken mit Grenzen

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Wenn Oma und Opa dem 13-jährigen Enkel ein Rubbellos unter den Weihnachtsbaum legen, mag das harmlos erscheinen. Doch gerade für Minderjährige kann so ein Geschenk verhängnisvolle Wirkung haben, denn der Reiz am Zocken ist hoch. Doch für unter 18-Jährige ist das kommerzielle Glücksspiel in Deutschland verboten. In Belgien, Estland und Griechenland liegt die Grenze bei 21 Jahren; andere Länder wie Rumänien oder Slowenien haben keine Altersgrenze. Im Internet ist das Alter der Spieler ohnehin schwer zu überprüfen. Auf mehr als 3000 Webseiten können Spieler jeden Alters ihr Glück auf die Probe stellen. Und durch glücksspielähnliche Apps, wie sie etwa auf Facebook verbreitet sind, werden Jugendliche an den Markt herangeführt.



Zocken bis der Arzt kommt: Die EU-Kommision will junge Menschen besser schützen

Die EU-Kommission in Brüssel hat ihren Mitgliedsstaaten nun strengere Regeln für Online-Glücksspiele empfohlen. Vor allem Minderjährige sollen besser vor Spielsucht geschützt werden. Die Kommission schlägt unter anderem vor, Werbung und Sponsoring zu begrenzen, über Risiken wie Spielsucht besser zu informieren und Nutzer vor hohen Verlusten zu schützen, etwa indem Spieler vorher eine Grenze für ihre Verluste und Zeitlimits für ihr Spiel festlegen können. Online-Kredite sollen verboten werden, die Spieler sollen die Möglichkeit haben, sich selbst zu sperren.

Tobias Hayer ist Diplom-Psychologe an der Universität Bremen und Mitglied im Fachverband Glücksspielsucht. Der Jugendschutz ist einer seiner Schwerpunkte. „Die Jugendlichen denken, sie wären omnipotent und könnten das Glücksspiel maßgeblich beeinflussen“, sagt Hayer. Gerade bei Pokerspielen und Sportwetten wird der Eindruck vermittelt, es ließe sich mit Wissen und Können schnelles Geld verdienen. Die Verlockung ist groß, das Taschengeld auf diesem Wege zu erhöhen. Doch Glücksspiel bleibt Glückssache. Da die Spiele am Rechner und auf Smartphones immer und überall verfügbar sind, sind Regelungen schwierig. Die Hemmschwelle sinkt, auch weil es online keine soziale Kontrolle gibt. „Stellen Sie sich ein 19-jähriges Mädchen vor“, erklärt Tobias Hayer, „und die würde sich nicht hübsch anziehen und allein ins 30 Kilometer entfernte Casino fahren.“

Kann man Oma und Opa, die ein Rubbellos verschenken, wirklich einen Vorwurf machen? „Würden Sie dem 13-Jährigen auch eine Flasche Bier unter den Baum legen?“, erwidert Tobias Hayer bei seinen Vorträgen. Er erntet damit nicht immer Verständnis. Das sei doch etwas ganz anderes, heißt es dann.

In Deutschland regelt seit 2012 der Glücksspieländerungsstaatsvertrag die Rechtslage. Online-Glücksspiele sind im Prinzip verboten, aber es gibt Ausnahmen, die eine Lizenzvergabe zulassen. Die ist wiederum Ländersache. Prohibition ist so kaum durchzusetzen. Die Rechtslage ist kompliziert und für Verbraucher undurchsichtig. Und es ist ein Markt, mit dem der Staat viel Geld verdienen kann. Die Einnahmen aus der Rennwett- und Lotteriesteuer betrugen 2013 allein in Deutschland rund 1,6 Milliarden Euro. Der Anreiz, Glücksspiel zu kontrollieren, mag in manchen Staaten nicht sonderlich hoch sein.

Damit Oma, Opa und die Jugendlichen die Gefahren von Rubbellos und Online-Poker besser einschätzen können, ist der Aufruf zu Aufklärung nach Auffassung von Tobias Hayer richtig. Eine einheitliche Regelung, die zumindest die persönliche Identifizierung der Spieler festlegt, wäre in Sachen Jugendschutz ein guter Schritt. Doch die EU-Kommission kann den Staaten nur Tipps geben. Eine eigene Gesetzgebung ist nicht geplant.

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