Es wird Zeit, dass diese WM endlich endet. Sie hat schon viele mitteleuropäische Familien an den Rand des Wahnsinns gebracht. Eltern wollen, dass ihre Kinder schlafen gehen, aber die wollen noch die Verlängerung sehen. Pädagogen poltern, sie müssten wegen der permanenten Übermüdung ihrer Schüler Proben verschieben, obwohl das vom Bildungsministerium gar nicht vorgesehen sei. Alle leiden unter Schlafmangel. Wann ist endlich Schluss?
Gut gemeinte Ratschläge vor der WM können nicht immer umgesetzt werden.
Was gab es nicht alles für gut gemeinte Ratschläge – vor der WM. „Sinnvoll ist es, längere Fernsehabende mit den Lehrern des Kindes und Eltern von Klassenkameraden abzustimmen“, riet die Initiative Schau hin! – „Eine Alternative kann es sein, später eine Aufzeichnung gemeinsam anzusehen.“
Eine Aufzeichnung. In einer Zeit, in der jede Schulklasse schon während des Spiels jedes Foul whatsappen muss.
Weiter riet die unter anderem vom Familienministerium ins Leben gerufene Initiative: In einer Pause zwischen Abpfiff und dem Zu-Bett-Gehen habe das Kind „idealerweise noch einmal Gelegenheit, sich körperlich zu betätigen und Emotionen abzubauen.“ Um Mitternacht? Wenn schon um sechs Uhr der Wecker wieder klingelt?
Natürlich wusste auch Medien-Psychologe Michael Thiel in Bild Rat: „Gemeinsames Fußballgucken tut der Familie gut, auch mal zu dieser Zeit.“ Aber weiß dieser Mann wirklich, wie es in einer Familie zugeht, in der die Älteren vielleicht noch gucken dürfen, die Jüngeren aber nicht?
Irgendwie wäre man ja gerne so locker wie Isolde Huchtmann-Schmedes vom evangelischen Kindergarten Talita Kumi in Barrien bei Bremen. Laut der Syker Kreiszeitung nutzte Frau Huchtmann-Schmedes die WM, um die ihr anvertrauten Fahnen aller teilnehmenden Staaten malen zu lassen. Denn: „Es steckt so viel kreative Energie in den Kindern.“ In einer Grundschule in Georgsmarienhütte lernten die Schüler sogar einen brasilianischen Tanz – aus aktuellem Anlass. Zumindest damals, als die Kinder noch ausgeschlafen waren.
Mittlerweile schaut der Nachwuchs müde und verheult aus der Wäsche wie der Sohn von Arjen Robben nach den verunglückten Elfmetern der Niederländer gegen Argentinien. Das war etwa um 0.44Uhr MEZ. Als verschlafene Brüder auch noch in Deutschland vor den Kisten saßen.
„Lass uns ä Hund kaufe!“, ließ Moritz Rinke in einem fiktiven Brief den kinderlosen Jogi Löw an dessen Frau schreiben (in der FAZ): „Ich will ä Hund mit dir habe (...) Dann jogge ich als Weltmeischte durch de Schwarzwald, die Leut winke mir zu, und hinter mir her läuft Belo Horizonte!“ Vielleicht hätte man das damals auch sagen sollen, kurz nach der Hochzeit. Ich will ä Hund mit dir habe. Ach was. Ist nur ein Witz.
Für deutsche Eltern jedenfalls ist derzeit das hier Realität: Väter und Mütter können sich nicht aufs Spiel konzentrieren, weil ihr Nachwuchs auch nach Zwölf noch chipsbröselnd neben ihnen auf dem Sofa sitzt und sich zum hundertsten Mal die Abseitsregelung erklären lässt, während sich Spieler in die Schulter beißen, Wirbel brechen oder – wie Manuel Neuer – offenkundig sauer sind, weil es am Ende dann doch kein 7:0, sondern nur ein schlappes 7:1 gegen Brasilien geworden ist. Der arme Neuer. Die armen Brasilianer.
„Die armen Brasilianer, die armen Brasilianer. Wieso redet ihr eigentlich immer nur von den armen Brasilianern?“, kritisiert nun – absolut zu Recht – der Nachwuchs. „Könntet ihr euch auch mal mit den Deutschen freuen?“ Indes: Hätte man den vom Fernsehen gezeigten heulenden, bebrillten brasilianischen Jungen gerade wirklich völlig unkommentiert lassen sollen? Und wo sind eigentlich gerade Medien-Psychologe Thiel und Kindergärtnerin Huchtmann-Schmedes, die einem jetzt helfen könnten? Wahrscheinlich kurz mal mit dem Hund raus.
Auf keinen Fall dürfe man die Gefühle der Kinder herunterspielen, rät man bei der medienpädagogischen Initiative Schau hin! Eltern müssten die jungen Fans während der intensiven Fußballzeit im Blick behalten. Es gelte zu prüfen, ob ein Kind die Situation verkrafte oder ob es beispielsweise sein Verhalten stark ändere. Habe man den Eindruck, der ganze WM-Trubel werde für das Kind zu viel, so solle man klare Grenzen setzen.
„Du gehst jetzt ins Bett.“
„Jetzt schon? Es ist doch erst Halbzeit!“
„Ja, aber es steht 5:0. Da ändert sich nix mehr. Der Sieger steht schon fest.“
„Ich will aber noch mit meiner Fußballtröte raus. Die hab ich mir extra gekauft.“
„Es ist gleich Mitternacht. Und morgen schreibst du Mathe. Vielleicht zumindest.“
„Aber wann darf ich denn mit meiner Tröte raus?“
Während der WM in Südafrika 2010 gab es Eltern, die sich über Vuvuzelas im Biergarten beklagten. Oder über zu strenge Schiedsrichter. Was waren das für Zeiten!
Wahrscheinlich macht man als Erziehungsberechtigter diesmal wirklich alles falsch. Andererseits: War doch ’ne tolle Idee, sich sofort nach dem Sieg gegen Frankreich (Spielende: kurz vor 20 Uhr! Sommerwetter! Wochenende!) mit der Familie sofort auf die Fanmeile zu stürzen. Um ihm mal ganz nah zu sein, diesem nationalen Rausch. Nur hätte man dort wahrscheinlich nicht ständig von Love-Parade-Katastrophen reden sollen, von der Unbeherrschtheit der Masse (gerade infolge von Alkohol) sowie möglichen Fluchtwegen durch die Seitenstraßen. Der Nachwuchs jedenfalls wollte bald wieder nach Hause.
Nach drei Wochen WM fühlt sich der deutsche Erziehungsberechtigte nun wie der Schweriner Weinverkäufer, der fünf Prozent Rabatt pro deutsches Tor versprochen hatte. Nach dem 7:1 war auch er am Ende. Da hängte er ein Schild in die Tür. „Wegen Krankheit geschlossen.“
Gut gemeinte Ratschläge vor der WM können nicht immer umgesetzt werden.
Was gab es nicht alles für gut gemeinte Ratschläge – vor der WM. „Sinnvoll ist es, längere Fernsehabende mit den Lehrern des Kindes und Eltern von Klassenkameraden abzustimmen“, riet die Initiative Schau hin! – „Eine Alternative kann es sein, später eine Aufzeichnung gemeinsam anzusehen.“
Eine Aufzeichnung. In einer Zeit, in der jede Schulklasse schon während des Spiels jedes Foul whatsappen muss.
Weiter riet die unter anderem vom Familienministerium ins Leben gerufene Initiative: In einer Pause zwischen Abpfiff und dem Zu-Bett-Gehen habe das Kind „idealerweise noch einmal Gelegenheit, sich körperlich zu betätigen und Emotionen abzubauen.“ Um Mitternacht? Wenn schon um sechs Uhr der Wecker wieder klingelt?
Natürlich wusste auch Medien-Psychologe Michael Thiel in Bild Rat: „Gemeinsames Fußballgucken tut der Familie gut, auch mal zu dieser Zeit.“ Aber weiß dieser Mann wirklich, wie es in einer Familie zugeht, in der die Älteren vielleicht noch gucken dürfen, die Jüngeren aber nicht?
Irgendwie wäre man ja gerne so locker wie Isolde Huchtmann-Schmedes vom evangelischen Kindergarten Talita Kumi in Barrien bei Bremen. Laut der Syker Kreiszeitung nutzte Frau Huchtmann-Schmedes die WM, um die ihr anvertrauten Fahnen aller teilnehmenden Staaten malen zu lassen. Denn: „Es steckt so viel kreative Energie in den Kindern.“ In einer Grundschule in Georgsmarienhütte lernten die Schüler sogar einen brasilianischen Tanz – aus aktuellem Anlass. Zumindest damals, als die Kinder noch ausgeschlafen waren.
Mittlerweile schaut der Nachwuchs müde und verheult aus der Wäsche wie der Sohn von Arjen Robben nach den verunglückten Elfmetern der Niederländer gegen Argentinien. Das war etwa um 0.44Uhr MEZ. Als verschlafene Brüder auch noch in Deutschland vor den Kisten saßen.
„Lass uns ä Hund kaufe!“, ließ Moritz Rinke in einem fiktiven Brief den kinderlosen Jogi Löw an dessen Frau schreiben (in der FAZ): „Ich will ä Hund mit dir habe (...) Dann jogge ich als Weltmeischte durch de Schwarzwald, die Leut winke mir zu, und hinter mir her läuft Belo Horizonte!“ Vielleicht hätte man das damals auch sagen sollen, kurz nach der Hochzeit. Ich will ä Hund mit dir habe. Ach was. Ist nur ein Witz.
Für deutsche Eltern jedenfalls ist derzeit das hier Realität: Väter und Mütter können sich nicht aufs Spiel konzentrieren, weil ihr Nachwuchs auch nach Zwölf noch chipsbröselnd neben ihnen auf dem Sofa sitzt und sich zum hundertsten Mal die Abseitsregelung erklären lässt, während sich Spieler in die Schulter beißen, Wirbel brechen oder – wie Manuel Neuer – offenkundig sauer sind, weil es am Ende dann doch kein 7:0, sondern nur ein schlappes 7:1 gegen Brasilien geworden ist. Der arme Neuer. Die armen Brasilianer.
„Die armen Brasilianer, die armen Brasilianer. Wieso redet ihr eigentlich immer nur von den armen Brasilianern?“, kritisiert nun – absolut zu Recht – der Nachwuchs. „Könntet ihr euch auch mal mit den Deutschen freuen?“ Indes: Hätte man den vom Fernsehen gezeigten heulenden, bebrillten brasilianischen Jungen gerade wirklich völlig unkommentiert lassen sollen? Und wo sind eigentlich gerade Medien-Psychologe Thiel und Kindergärtnerin Huchtmann-Schmedes, die einem jetzt helfen könnten? Wahrscheinlich kurz mal mit dem Hund raus.
Auf keinen Fall dürfe man die Gefühle der Kinder herunterspielen, rät man bei der medienpädagogischen Initiative Schau hin! Eltern müssten die jungen Fans während der intensiven Fußballzeit im Blick behalten. Es gelte zu prüfen, ob ein Kind die Situation verkrafte oder ob es beispielsweise sein Verhalten stark ändere. Habe man den Eindruck, der ganze WM-Trubel werde für das Kind zu viel, so solle man klare Grenzen setzen.
„Du gehst jetzt ins Bett.“
„Jetzt schon? Es ist doch erst Halbzeit!“
„Ja, aber es steht 5:0. Da ändert sich nix mehr. Der Sieger steht schon fest.“
„Ich will aber noch mit meiner Fußballtröte raus. Die hab ich mir extra gekauft.“
„Es ist gleich Mitternacht. Und morgen schreibst du Mathe. Vielleicht zumindest.“
„Aber wann darf ich denn mit meiner Tröte raus?“
Während der WM in Südafrika 2010 gab es Eltern, die sich über Vuvuzelas im Biergarten beklagten. Oder über zu strenge Schiedsrichter. Was waren das für Zeiten!
Wahrscheinlich macht man als Erziehungsberechtigter diesmal wirklich alles falsch. Andererseits: War doch ’ne tolle Idee, sich sofort nach dem Sieg gegen Frankreich (Spielende: kurz vor 20 Uhr! Sommerwetter! Wochenende!) mit der Familie sofort auf die Fanmeile zu stürzen. Um ihm mal ganz nah zu sein, diesem nationalen Rausch. Nur hätte man dort wahrscheinlich nicht ständig von Love-Parade-Katastrophen reden sollen, von der Unbeherrschtheit der Masse (gerade infolge von Alkohol) sowie möglichen Fluchtwegen durch die Seitenstraßen. Der Nachwuchs jedenfalls wollte bald wieder nach Hause.
Nach drei Wochen WM fühlt sich der deutsche Erziehungsberechtigte nun wie der Schweriner Weinverkäufer, der fünf Prozent Rabatt pro deutsches Tor versprochen hatte. Nach dem 7:1 war auch er am Ende. Da hängte er ein Schild in die Tür. „Wegen Krankheit geschlossen.“