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Mit Klobürste und Bohrmaschine

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Schon seit einiger Zeit wird für den Tiefbahnhof Stuttgart21 an vielen Orten der Stadt gebuddelt, „Zwischenangriff“ nennen die Fachleute diese kleinen Baustellen. Man könnte also sagen: Am Donnerstag begann im Gewerbegebiet Fasanenhof so etwas wie der Großangriff.



Der frisch getaufte Fliedertunnel soll der drittlängste in ganz Deutschland werden.

Man versammelte sich dort feierlich zur Taufe des Fildertunnels, des mit 9,5 Kilometern längsten Tunnels des Projekts und eines Tages wohl drittlängsten in ganz Deutschland. Er heißt nach den Fildern, der Ebene vor den Toren Stuttgarts, und soll den neuen Bahnhof mit dem Flughafen verbinden. Tülay Schmid, die Gattin des Vizeministerpräsidenten Nils Schmid von der SPD, hat die Patenschaft für die Röhren übernommen; eine Ehre, um die sich Gerlinde Kretschmann, die Ehefrau des grünen Regierungschefs Winfried Kretschmann, leidlich elegant gedrückt hatte. Per Knopfdruck sollte Tülay Schmid die 120 Meter lange, 2000 Tonnen schwere Herrenknecht-Bohrmaschine in Betrieb nehmen. Es klappte, wie so manches bei Stuttgart 21, erst im zweiten Anlauf.

Und doch scheint es jetzt allen Ernstes voranzugehen bei einem der berüchtigtsten Großprojekte der Republik. Bisher hatten es Grünen-Politiker unter fast unmenschlichen Anstrengungen vermieden, sich auf S-21-Baustellen zu zeigen. Man fürchtete fast, dem grünen Oberbürgermeister Fritz Kuhn würden die Bezirksvorsteher ausgehen, die er als Vertretung schicken konnte. Am Donnerstagmorgen aber war Kuhn da. Bahn-Chef Rüdiger Grube lobte die Stadt für die verbesserte Zusammenarbeit, im Gegenzug erklärte Kuhn das bekanntlich in einem Talkessel gelegene Stuttgart zur „Tunnelhauptstadt Deutschlands“.
Nicht ganz so gute Laune hatten die Parkschützer dabei, die immer noch jeden Montag demonstrieren und rund um die Uhr Mahnwache am Bahnhof halten. „Eure Taufe stinkt zum Himmel“ lautete diesmal ihr Motto – die Teilnehmer waren aufgefordert, „Klobürsten fürs Weihwasser“ mitzubringen. Matthias von Herrmann, der ewige Sprecher der Parkschützer, sagte: „Das Einzige, was die Bahn kann, sind Abriss, Zerstörung und große Tamtam-Showveranstaltungen.“ Der Stuttgarter Tiefbahnhof, davon sind die Projektgegner überzeugt, kann immer noch scheitern.

In der Tat bleiben Unwägbarkeiten. Das Brandschutz-Konzept ist noch nicht genehmigt, der ICE-Halt am Flughafen noch nicht planfestgestellt, das Abpumpen größerer Mengen Grundwasser noch nicht erlaubt. Neben dem Juchtenkäfer haben Mauereidechsen auf dem Baugrund Stellung bezogen. Die einen halten all das für völlig normal; die anderen für skandalös. „Wir werden diesen Bahnhof bauen“, hat Bahn-Vorstand Volker Kefer dieser Tage noch einmal mitgeteilt, nur zur Sicherheit.

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