Deutschland lässt ein kleines Kontingent Syrer einreisen, die dem Bürgerkrieg entkommen wollen. Das Bundesinnenministerium spricht von einem 'Zeichen der Humanität'. Flüchtlingsorganisationen jedoch fordern, deutlich mehr Menschen aufz
Als Muhamad Muhamad vor zehn Jahren nach Deutschland kam, galt seine Heimat Syrien noch als sicheres Land. Er bekam seine Aufenthaltsgenehmigung nur, weil er hier eine Frau und eine Tochter hatte. Heute arbeitet er in einem Münchner Schuhgeschäft - und kümmert sich in seiner Freizeit um Dutzende Landsleute, die in den letzten Monaten nach Deutschland geflohen sind. Seine Freunde Jawn Kafjl und Hussein Hassan etwa sind seit Oktober in Deutschland, ihre Frauen und Kinder weiterhin in Aleppo, wo jeden Tag Bomben fallen. Bisher ist es keinem der beiden gelungen, ihre Familie nachzuholen. Auch in den Flüchtlingsvertretungen von Pro Asyl rufen täglich verzweifelte Syrer an, deren Angehörige sich im Bürgerkrieg oder in einem Flüchtlingslager an der Grenze zu Syrien befinden. Flüchtlingsvertreter berichten von bürokratischen Hürden, geschlossenen Botschaften und Verzögerungen bei der Visa-Vergabe.
Für einige Familien gibt es jetzt Hoffnung: Die Bundesregierung hat entschieden, ein Sonderkontingent von 5000 syrischen Flüchtlingen aufzunehmen, sie sollen in den nächsten Tagen und Wochen ankommen. Alleinreisende Frauen und Kinder, sowie Menschen, die Angehörige in Deutschland haben, sollen davon besonders profitieren. Bislang haben sich viele illegal über das Mittelmeer durchgeschlagen, was lebensgefährlich ist. Erst am Samstag sind sechs Flüchtlinge aus Ägypten vor Sizilien ertrunken. Die 5000 Syrer sollen per Charterflug einreisen, auf Kosten des Bundesinnenministeriums.
Sicher in Deutschland: eine syrische Familie vor einem Asylwohnheim in Brandenburg.
Wer genau in diesen Flugzeugen sitzen wird, wird im Moment noch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geprüft und entschieden. Doch das Ganze soll schnell gehen: Noch im August sollen die ersten in Hannover und Kassel landen. Nach 14 Tagen Orientierungsphase in einem Gemeinschaftslager sollen die
5000 Menschen auf die Länder verteilt werden. 750 nach Bayern, 470 nach Niedersachsen, 365 nach Hessen, 50 nach Bremen - und so weiter. Die Kommunen suchen nach Unterbringungsmöglichkeiten, dringend, außerdem werden Betreuungsangebote gebraucht. Die Flüchtlinge sollen für mindestens zwei Jahre in Deutschland bleiben dürfen.
Fast zwei Millionen Syrer sind auf der Flucht, allein in Libanon gibt es jeden Tag durchschnittlich 6000 Notregistrierungen. Bringt es da überhaupt etwas, wenn die Bundesrepublik Deutschland Charterflüge für 5000 Menschen organisiert?
Es sei ein "Zeichen der Humanität" heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Ein Symbol, zusätzlich zu den Spenden Deutschlands in Höhe von 193 Millionen Euro, die in den Nachbarländern Syriens eingesetzt werden. Christian Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland, ist jüngst von einem Besuch im Irak zurückgekehrt. Gemeinsam mit Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hatte er dort das Lager Domis besichtigt, wo mehr als 45000 Menschen bei Temperaturen von mehr als 40 Grad in Massen-zelten ausharren. Geplant war das Lager für 20000 Personen. Immer mehr Syrer schlagen ihre Zelte in der Bekaa-Ebene, nicht weit vom Libanongebirge, auf. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht von 1200 Spontanansiedlungen in dieser Gegend aus. Die Versorgung mit Trinkwasser, Medikamenten oder Sanitäranlagen funktioniert dort kaum noch. Diese Bedingungen durch Spendengelder zu verbessern, sei vorrangiges Ziel, findet Unicef-Chef Schneider. Die Aufnahme von 5000 Flüchtlingen begrüßt er zwar, hält die Zahl aber auch für ausreichend: "Viele Syrer wollen in der Region bleiben, weil ihre Familien dort sind. Oft ist es so, dass der Vater in Syrien ist und auf das Haus aufpasst."
Wer nach Deutschland wolle, habe meist schon Familie hier, berichtet Norbert Trosien, der beim UNHCR Deutschland für Aufnahmeprogramme zuständig ist und der Bundesregierung Vorschläge zur Auswahl der 5000 Flüchtlinge gemacht hat. In aufwendigen Einzelgesprächen hat das Hilfswerk "besonders schutzbedürftige Personen" ermittelt, alleinerziehende Mütter, Waisenkinder oder Menschen, die spezielle medizinische Behandlung brauchen, sind darunter. Außerdem Menschen, die später einmal für den Wiederaufbau des Landes wichtig sein könnten. Nun bleibt abzuwarten wie das Bamf im Einzelfall entscheiden wird. Und obwohl es nicht für jeden, den er vorgeschlagen hat, reichen wird, ist Trosien glücklich, dass Deutschland überhaupt Flüchtlinge aufnimmt. Die Bearbeitungszeiten im Bamf nimmt er hin: "Man kann nicht auf alle rechtlichen und bürokratischen Schritte verzichten - auch wenn es um schnelle Hilfe geht." Andere europäische Staaten könnten sich ein Beispiel nehmen: "Deutschland ist hier Vorreiter", sagt Trosien.
Ganz anders sehen das die Flüchtlingsvertretungen. "Deutschland zieht sich massiv aus seiner Verantwortung heraus", sagt Valeska Siegert vom Bayerischen Flüchtlingsrat, "diese 5000 Menschen sind nicht viel mehr als ein Zeichen." Genau wie die deutschlandweite Vertretung Pro Asyl fordert sie die Bundesregierung auf, deutlich mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen. "Wer nicht zu diesen 5000 Auserwählten gehört, hat im Prinzip nur die Möglichkeit, illegal einzureisen und einfach hier aufzutauchen", sagt Siegert. Das sei erstens teuer und zweitens lebensgefährlich.
4852 Syrer haben von Januar bis Juni 2013 in Deutschland Asyl beantragt,
4517 davon waren Erstanträge. 2012 kamen 6201 Anträge aus Syrien. 2011, als der Konflikt begann, waren es 2634. Fast alle haben eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Die Zustände in Syrien sind eindeutig. Das Regime von Baschar al-Assad und verschiedene oppositionelle Gruppen führen einen Bürgerkrieg, der in den vergangenen zwei Jahren mehr als 100000 Menschen getötet hat.
Syrien ist nach der Russischen Föderation zurzeit das zweitstärkste Herkunftsland - bei stark steigenden Asylbewerberzahlen. Viele Kommunen und Länder, die jetzt nach Quartieren für die 5000 zusätzlichen syrischen Flüchtlinge suchen, fühlen sich überfordert. Aus der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in Berlin etwa heißt es, man wisse bisher nur, dass "sie im Herbst kommen, und dass sie in zwei Gruppen kommen." Nun suche man eben nach einer geeigneten Unterkunft für 250 schwer traumatisierte Menschen, die "am liebsten unter sich bleiben".
Schuhhändler Muhamad Muhamad steht auf der anderen Seite. Er findet, die 5000er-Quote sei noch viel zu gering - und zu exklusiv. Schließlich richtet sie sich vor allem an Menschen, die in den Flüchtlingslagern des UNHCR in Libanon registriert sind. Wer dagegen in Damaskus, Aleppo oder Kairo ausharrt, muss vermutlich noch länger warten. Wie über die 5000er-Quote hinaus mit syrischem Familiennachzug umgegangen werden soll, wird derzeit noch zwischen Bundesinnenministerium und den Ländern verhandelt.
Als Muhamad Muhamad vor zehn Jahren nach Deutschland kam, galt seine Heimat Syrien noch als sicheres Land. Er bekam seine Aufenthaltsgenehmigung nur, weil er hier eine Frau und eine Tochter hatte. Heute arbeitet er in einem Münchner Schuhgeschäft - und kümmert sich in seiner Freizeit um Dutzende Landsleute, die in den letzten Monaten nach Deutschland geflohen sind. Seine Freunde Jawn Kafjl und Hussein Hassan etwa sind seit Oktober in Deutschland, ihre Frauen und Kinder weiterhin in Aleppo, wo jeden Tag Bomben fallen. Bisher ist es keinem der beiden gelungen, ihre Familie nachzuholen. Auch in den Flüchtlingsvertretungen von Pro Asyl rufen täglich verzweifelte Syrer an, deren Angehörige sich im Bürgerkrieg oder in einem Flüchtlingslager an der Grenze zu Syrien befinden. Flüchtlingsvertreter berichten von bürokratischen Hürden, geschlossenen Botschaften und Verzögerungen bei der Visa-Vergabe.
Für einige Familien gibt es jetzt Hoffnung: Die Bundesregierung hat entschieden, ein Sonderkontingent von 5000 syrischen Flüchtlingen aufzunehmen, sie sollen in den nächsten Tagen und Wochen ankommen. Alleinreisende Frauen und Kinder, sowie Menschen, die Angehörige in Deutschland haben, sollen davon besonders profitieren. Bislang haben sich viele illegal über das Mittelmeer durchgeschlagen, was lebensgefährlich ist. Erst am Samstag sind sechs Flüchtlinge aus Ägypten vor Sizilien ertrunken. Die 5000 Syrer sollen per Charterflug einreisen, auf Kosten des Bundesinnenministeriums.
Sicher in Deutschland: eine syrische Familie vor einem Asylwohnheim in Brandenburg.
Wer genau in diesen Flugzeugen sitzen wird, wird im Moment noch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geprüft und entschieden. Doch das Ganze soll schnell gehen: Noch im August sollen die ersten in Hannover und Kassel landen. Nach 14 Tagen Orientierungsphase in einem Gemeinschaftslager sollen die
5000 Menschen auf die Länder verteilt werden. 750 nach Bayern, 470 nach Niedersachsen, 365 nach Hessen, 50 nach Bremen - und so weiter. Die Kommunen suchen nach Unterbringungsmöglichkeiten, dringend, außerdem werden Betreuungsangebote gebraucht. Die Flüchtlinge sollen für mindestens zwei Jahre in Deutschland bleiben dürfen.
Fast zwei Millionen Syrer sind auf der Flucht, allein in Libanon gibt es jeden Tag durchschnittlich 6000 Notregistrierungen. Bringt es da überhaupt etwas, wenn die Bundesrepublik Deutschland Charterflüge für 5000 Menschen organisiert?
Es sei ein "Zeichen der Humanität" heißt es aus dem Bundesinnenministerium. Ein Symbol, zusätzlich zu den Spenden Deutschlands in Höhe von 193 Millionen Euro, die in den Nachbarländern Syriens eingesetzt werden. Christian Schneider, Geschäftsführer von Unicef Deutschland, ist jüngst von einem Besuch im Irak zurückgekehrt. Gemeinsam mit Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hatte er dort das Lager Domis besichtigt, wo mehr als 45000 Menschen bei Temperaturen von mehr als 40 Grad in Massen-zelten ausharren. Geplant war das Lager für 20000 Personen. Immer mehr Syrer schlagen ihre Zelte in der Bekaa-Ebene, nicht weit vom Libanongebirge, auf. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht von 1200 Spontanansiedlungen in dieser Gegend aus. Die Versorgung mit Trinkwasser, Medikamenten oder Sanitäranlagen funktioniert dort kaum noch. Diese Bedingungen durch Spendengelder zu verbessern, sei vorrangiges Ziel, findet Unicef-Chef Schneider. Die Aufnahme von 5000 Flüchtlingen begrüßt er zwar, hält die Zahl aber auch für ausreichend: "Viele Syrer wollen in der Region bleiben, weil ihre Familien dort sind. Oft ist es so, dass der Vater in Syrien ist und auf das Haus aufpasst."
Wer nach Deutschland wolle, habe meist schon Familie hier, berichtet Norbert Trosien, der beim UNHCR Deutschland für Aufnahmeprogramme zuständig ist und der Bundesregierung Vorschläge zur Auswahl der 5000 Flüchtlinge gemacht hat. In aufwendigen Einzelgesprächen hat das Hilfswerk "besonders schutzbedürftige Personen" ermittelt, alleinerziehende Mütter, Waisenkinder oder Menschen, die spezielle medizinische Behandlung brauchen, sind darunter. Außerdem Menschen, die später einmal für den Wiederaufbau des Landes wichtig sein könnten. Nun bleibt abzuwarten wie das Bamf im Einzelfall entscheiden wird. Und obwohl es nicht für jeden, den er vorgeschlagen hat, reichen wird, ist Trosien glücklich, dass Deutschland überhaupt Flüchtlinge aufnimmt. Die Bearbeitungszeiten im Bamf nimmt er hin: "Man kann nicht auf alle rechtlichen und bürokratischen Schritte verzichten - auch wenn es um schnelle Hilfe geht." Andere europäische Staaten könnten sich ein Beispiel nehmen: "Deutschland ist hier Vorreiter", sagt Trosien.
Ganz anders sehen das die Flüchtlingsvertretungen. "Deutschland zieht sich massiv aus seiner Verantwortung heraus", sagt Valeska Siegert vom Bayerischen Flüchtlingsrat, "diese 5000 Menschen sind nicht viel mehr als ein Zeichen." Genau wie die deutschlandweite Vertretung Pro Asyl fordert sie die Bundesregierung auf, deutlich mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen. "Wer nicht zu diesen 5000 Auserwählten gehört, hat im Prinzip nur die Möglichkeit, illegal einzureisen und einfach hier aufzutauchen", sagt Siegert. Das sei erstens teuer und zweitens lebensgefährlich.
4852 Syrer haben von Januar bis Juni 2013 in Deutschland Asyl beantragt,
4517 davon waren Erstanträge. 2012 kamen 6201 Anträge aus Syrien. 2011, als der Konflikt begann, waren es 2634. Fast alle haben eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Die Zustände in Syrien sind eindeutig. Das Regime von Baschar al-Assad und verschiedene oppositionelle Gruppen führen einen Bürgerkrieg, der in den vergangenen zwei Jahren mehr als 100000 Menschen getötet hat.
Syrien ist nach der Russischen Föderation zurzeit das zweitstärkste Herkunftsland - bei stark steigenden Asylbewerberzahlen. Viele Kommunen und Länder, die jetzt nach Quartieren für die 5000 zusätzlichen syrischen Flüchtlinge suchen, fühlen sich überfordert. Aus der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in Berlin etwa heißt es, man wisse bisher nur, dass "sie im Herbst kommen, und dass sie in zwei Gruppen kommen." Nun suche man eben nach einer geeigneten Unterkunft für 250 schwer traumatisierte Menschen, die "am liebsten unter sich bleiben".
Schuhhändler Muhamad Muhamad steht auf der anderen Seite. Er findet, die 5000er-Quote sei noch viel zu gering - und zu exklusiv. Schließlich richtet sie sich vor allem an Menschen, die in den Flüchtlingslagern des UNHCR in Libanon registriert sind. Wer dagegen in Damaskus, Aleppo oder Kairo ausharrt, muss vermutlich noch länger warten. Wie über die 5000er-Quote hinaus mit syrischem Familiennachzug umgegangen werden soll, wird derzeit noch zwischen Bundesinnenministerium und den Ländern verhandelt.