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Küchen-Zauber

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Manche Promiköche erwecken den Anschein, sich der gesunden Ernährung verschrieben zu haben. Doch häufig halten ihre Verheißungen einem kritischen Blick kaum stand


In Sachen Gesundheit scheinen prominente Köche rastlos unterwegs zu sein. Sie sorgen sich um die Bekömmlichkeit des Schulessens, bekochen Kranke, schneiden zwischendurch im Fernsehen in atemraubendem Tempo Gurken in Scheiben und fügen den mehreren Tausend Kochbüchern, die das Wort "gesund" im Titel tragen, immer noch weitere hinzu. Ihr Publikum glaubt ihnen bereitwillig, wie Erhebungen aus Großbritannien nahelegen: Mehr als drei Viertel der Befragten waren der Ansicht, dass die Rezepte der Promiköche per se gesund seien.

Aus Großbritannien kommen allerdings auch Berichte, die Zweifel wecken, ob dieses Vertrauen gerechtfertigt ist. Ausgerechnet in einer Zeitschrift namens Healthy and Organic Living schlug der britische Fernsehkoch Antony Worrall Thompson vor einiger Zeit als delikate Salatzutat das Schwarze Bilsenkraut vor. Dabei ist die auch als Hexenkraut bekannte Pflanze hochgiftig. Der extreme Irrtum ist ein Einzelfall. Doch zerstörten kürzlich britische Wissenschaftler den heilen Kosmos der Kochbuchsammler, als sie auf die Idee kamen, die bestverkauften Rezeptsammlungen einmal genauer zu analysieren - und mit Fertigmahlzeiten aus dem Supermarkt zu vergleichen.



Auch nicht gesünder als Essen aus der Dose? Starkoch Jamie Oliver.


Das Ergebnis der im British Medical Journal veröffentlichten Studie war ernüchternd. Die Rezepte von Stars wie Jamie Oliver waren nicht gesünder als die Mahlzeiten aus Dosen und Pappkartons. Im Durchschnitt wiesen sie sogar mehr Kalorien, Fette und gesättigte Fettsäuren auf. Eine Schweinshaxe mit allerlei Beilagen von Nigella Lawson, deren Kochbücher auch in Deutschland erscheinen, brachte es auf mehr als 1300 Kilokalorien pro Portion. Das gehaltvollste Supermarktgericht hatte nur 870 Kilokalorien.

Kurze Zeit später prüften Ernährungswissenschaftler der Insel insgesamt 900 Rezepte von 26 Promiköchen. Nur 13 Prozent aller Kochanleitungen entsprachen mit ihrem Gehalt an Kalorien, Fetten, Zucker oder Salz den offiziellen Empfehlungen. Die Bestseller der Branche könnten "ein bislang unterschätzter Faktor bei der Entstehung des Übergewichts sein", urteilten die Autoren im Fachjournal Food and Public Health. Allerdings ist nicht bekannt, wie oft die Rezepte tatsächlich nachgekocht werden.

Wenn es schon den Großen der Branche offenbar an Gesundheitsbewusstsein mangelt, wie sieht es dann mit dem Koch im Lokal an der Ecke aus? Erhebungen aus verschiedenen Ländern offenbaren zum Teil große Wissenslücken, was gesundheitsrelevante Aspekte zu einer Mahlzeit angeht. In einer Befragung britischer Köche gaben 81 Prozent an, ein sicheres Mahl für einen Allergiker zubereiten zu können. Doch in einem Wissenstest offenbarten viele der Köche eklatante Fehlannahmen. So glaubten fast 40 Prozent fälschlicherweise, dass Kunden, die versehentlich ein Allergen zu sich nahmen, durch Wassertrinken eine schwere Reaktion verhindern könnten. Über die Zöliakie, die Glutenunverträglichkeit, wussten Köche in Großbritannien sogar noch weniger als eine zufällig ausgewählte Gruppe von Laien. In Irland ergab eine Befragung von Küchenchefs und Catering-Managern, dass fast 80 Prozent die grundlegenden Hygienevorschriften nicht kannten. Drei Viertel von 300 US-Küchenchefs waren der Überzeugung, normalgroße Portionen zu servieren. Doch was sie auf die Teller luden, überschritt die von den Fachgesellschaften vorgeschlagenen Größen um das Zwei- bis Vierfache. In einer weiteren amerikanischen Studie zeigten sich mehr als die Hälfte der befragten Köche gar nicht oder nur "etwas" vertraut mit dem Kaloriengehalt ihrer Speisen. Das Wissen und die Rezepte von deutschen Köchen wurden in diesen Studien nicht untersucht.

Was den Kalorien- und Fettgehalt der Speisen angeht, bezweifelt Gerhard Jahreis, Ernährungswissenschaftler der Universität Jena, dass deutsche Köche viel gesundheitsbewusster zu Werke gehen als ihre Kollegen im Ausland. "Gesundheitliche Aspekte sind zwar ein Teil der Ausbildung", sagt Jahreis. "Doch die sehr jungen Lehrlinge verinnerlichen dieses Wissen wohl nicht." In der Praxis komme es in erster Linie auf den Geschmack an. "Und den bekommt man nun mal durch die Zugabe von Fett am einfachsten hin." Demgegenüber schätzt Danielle Prechtl vom Arbeitsmedizinischen Präventionszentrum in Erfurt die gesundheitlichen Kenntnisse hiesiger Köche immerhin als "solide" ein.

Wie sich dieses Wissen auf die Speisen auswirkt, die Köche ihren Kunden servieren, ist unklar. Wie aber essen die Profis selbst? Beherzigen sie dabei, was sie über Gesundheit und Ernährung wissen? Offenbar nicht, haben Prechtl und Jahreis vor drei Jahren festgestellt. Auch wenn sich Köche in der Öffentlichkeit gerne zeigen, wie sie entspannt ein Huhn streicheln und im Kreise von Freunden und Kollegen ihre nahrhaften, frisch zubereiteten Mahlzeiten zelebrieren - die Zunft lebt ungesund, zum Teil sogar bestürzend schlecht. Im Vergleich zu einer Gruppe Büroangestellter aßen die Küchenarbeiter weniger Gemüse und mehr Fleisch, hat Prechtls Studie ergeben. Zudem rauchten die Köche doppelt so häufig, und die Analyse ihrer Blutparameter sowie psychologische Einschätzungen ergaben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Köche fühlten sich in ihrer Arbeit viel gestresster als die Büroangestellten. Warum, das zeigen die Interviews von Psychologen, die zwölf Küchenchefs kleinerer Restaurants in New Jersey interviewt haben. Die Befragten schilderten ihre Küchen als eng, laut und grell beleuchtet; die Angestellten sind in dieser dampfenden Enge stets mit mehreren Arbeiten gleichzeitig beschäftigt - bis weit nach Mitternacht. Während die Gäste schlemmten, stillten die Köche ihren Hunger durch Verkostungen, Süßigkeiten und Softdrinks. Das, was einer Mahlzeit am nächsten kam, war für 83 Prozent der Profis der Gang ins nächste Fast-Food-Lokal.

Zeit, um sich mit aktuellen Erkenntnissen der Ernährungswissenschaft zu befassen, bleibt bei diesem Arbeitsalltag kaum. So klingt nach verzweifelten Ausflüchten, was sich einige der Köche an Ideen zu gesunder Ernährung zurechtgelegt hatten: Obst könne den Stress auch nicht wettmachen, Alkohol sei gut fürs Herz.

Solche Innenansichten kontrastieren hart mit der Welt der Fernsehköche, in der höchstes Wohlbehagen und Gastlichkeit in der Küche suggeriert werden. Diese Illusion dürfte wohlkalkuliert sein. Schließlich verkaufen zahlreiche bekannte Köche, auch in Deutschland, eine Vielzahl von Küchenzutaten und treten zugleich in den Reklamepausen auf. Dabei scheint manches von dem, was die TV-Experten bewerben, nur schwer mit dem üblichen Verständnis von gesunder Ernährung vereinbar zu sein. Alfons Schuhbeck warb wiederholt für eine Fast-Food-Kette, Alexander Herrmann machte Reklame für Fertig-Brühwürfel. Cornelia Poletto und Ralf Zacherl priesen schon Wurst der Großindustrie an.

Wer sich gesund ernähren möchte, dem rät der Jenaer Forscher Jahreis, sich eher am eigenen, "gesunden Menschenverstand" zu orientieren. Die allerneueste Verheißung aus der Scheinwelt der Kochshows braucht es dazu nicht.

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