In San Francisco ist ein Wettlauf unter Programmierern entbrannt: Wer reserviert am schnellsten im Restaurant? Per Telefon geht das längst nicht mehr
Das "State Bird Provisions" in San Francisco gilt als eines der angesagtesten Restaurants der Welt. Seit seiner Eröffnung im Januar vergangenen Jahres hat es einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet, Internet-Millionäre kommen hierher, der Schauspieler Jim Parsons gilt als Stammgast, auch Sharon Stone war schon da. Wer kein Millionär oder Schauspieler ist, muss versuchen, auf der Website einen Tisch zu reservieren - und bekommt als Antwort meist zu lesen: nichts zu machen, wir sind auf Monate ausgebucht.
Wer dann, so wie oft bei Internet-Reservierungen, das Gefühl bekommt, hier gehe es nicht mit rechten Dingen zu, der hat womöglich recht - wie Diogo Mónica herausgefunden hat. Der 26-Jährige ist Doktorand am Instituto Superior Técnico in Lissabon und arbeitet derzeit in Silicon Valley. "In San Francisco gibt es ein regelrechtes Rennen unter den Hipstern um Plätze in den angesagten Restaurants", sagt er. Das State Bird Provisions interessierte ihn besonders, doch trotz aller Bemühungen erhielt er stets die Mitteilung, dass Tische bis zu 60 Tage im Voraus reservierbar seien und er eine Nachricht per E-Mail erhalte, falls kurzfristig ein Tisch frei werde.
Einen Tisch reservieren? In einigen hippen Restaurants in San Franciso brauch man dazu fast Programmierer-Kenntnisse
"Mir wurde schnell klar, dass da offensichtlich Bots am Werk sind", sagt Mónica. Bots sind Computerprogramme, die selbständig im Internet agieren, ohne dass der Nutzer eingreift. Sie haben derzeit nicht den allerbesten Ruf, weil sie oft verwendet werden, um E-Mail-Adressen für Werbezwecke zu sammeln, fremde Computer auszuspionieren oder in Online-Casinos mathematisch perfekt zu pokern. Es gibt allerdings auch gutartige Bots, die sich an die sogenannten Robot Exclusion Standards halten, im Internet anerkannte Höflichkeitsregeln für solche Programme.
Mónica schrieb ein kleines Programm, das die Homepage des Restaurants automatisch jede Minute neu lud und eine Reservierungsanfrage losschickte. Dadurch fand er heraus, dass das State Bird Provisions seine Reservierungs-Homepage um exakt vier Uhr morgens erneuert und freie Tische anzeigt. Das Problem war: Nicht einmal eine Minute später waren sämtliche Plätze wieder vergeben.
Entweder, so Mónicas These, sitzen da um vier Uhr morgens zahlreiche Nerds aus dem Silicon Valley vor dem Computer und tippen minutengenau hektisch Reservierungswünsche ein - oder, was viel wahrscheinlicher ist, da lässt jemand ein Computerprogramm die Arbeit erledigen. Die erste Möglichkeit schloss er dadurch aus, dass er selbst einige Tage lang wach blieb und um vier Uhr Nachts versuchte, einen Tisch zu reservieren. "Bis sich die Homepage erneuert hatte, waren schon alle Tische weg", sagt er. So schnell könne kein Mensch reagieren.
Mónicas Verdacht: Da werden automatisch Reservierungen vorgenommen und womöglich an Menschen verkauft, die bereit sind, ein paar Dollar für einen freien Tisch zu bezahlen. "Ich kenne keine Schwarzmarkt-Homepages - aber ich glaube, dass so etwas der nächste Schritt sein könnte", sagt er. Was es in den Vereinigten Staaten bereits gibt: Unternehmen, die einen Reservierungs-Service anbieten. Open Table etwa hat mehr als 20000 Restaurants in seinem Portfolio, vor wenigen Tagen kaufte die Firma den Konkurrenten Rezbook. Weitere Dienstleister heißen Livebookings, UReserve und Yelp. Keines dieser Unternehmen wollte sich auf Anfrage der SZ zum Einsatz von Reservierungs-Robotern äußern.
Mónica erstellte sein eigenes Computerprogramm mit dem Programm Mechanize. Es braucht dafür Computerkenntnisse, ist aber auch kein Hexenwerk. Vereinfacht ausgedrückt: Seine Kreation prüft, ob es einen freien Tisch für die gewünschte Zeit gibt und füllt automatisch das Formular aus und schickt den Reservierungswunsch blitzschnell an das Restaurant. "Plötzlich konnte ich Tische reservieren", sagt Mónica. Den Code stellte er anderen Nutzern auf seinem Weblog zur Verfügung, damit jeder die gleiche Chance auf einen Tisch habe.
Der Besitzer des State Bird Provisions sei übrigens begeistert gewesen, berichtet Mónica. "Er hat sich total gefreut, dass die Menschen sein Restaurant derart mögen, dass sie solch extreme Maßnahmen ergreifen, um einen Tisch zu bekommen." Sein Programm funktioniert auch bei anderen Restaurants, der Gast muss lediglich die Parameter ändern - die Homepage der Lokalität und die notwendigen Informationen zum Ausfüllen des Formulars. Es ermöglicht potenziellen Gästen, automatisch Reservierungen bei all den Restaurants vorzunehmen, die bei dem Unternehmen Urbanspoon gelistet sind, einer populären Gastronomie-Website. Die Besucher seiner Homepage sind begeistert und kündigen an, das Programm weiterentwickeln und für weitere Gaststätten zur Verfügung stellen zu wollen.
"Damit hat der Krieg der Roboter allerdings erst begonnen", fürchtet Mónica. Es sei nämlich kaum zu erwarten, dass sich die Profi-Reservierer von Mónicas Programm ohne Gegenwehr geschlagen geben. Es gehe nun darum, einen noch schnelleren Bot zu kreieren - also einen, der schneller reagiert als alle anderen und sogleich einen Tisch reserviert. "Derzeit prüft das Programm ein Mal pro Minute, ich habe schon Verbesserungen vorgenommen wie etwa, dass das Formular in einem Schritt statt in drei Schritten ausgefüllt wird. Ich arbeite aber an einem neuen Bot, der alle fünf Sekunden nachfragt", sagt Mónica. Hilfreich wäre auch, die schnellste Verbindung zum Server der Restaurants herauszufinden und somit einen weiteren Zeitvorteil zu erlangen. "Außerdem baue ich eine kleine Website, sodass auch Menschen ohne Computerkenntnisse den Bot nutzen können", sagt Mónica.
Es kämpfen also Roboter gegen Roboter, damit Menschen zu Abend essen können. Der Anruf beim Restaurant, eine arrogante Absage - das klingt angesichts dieser Entwicklung wie eine nette Anekdote aus vergangener Zeit. Allerdings, und das zeigen die teils recht teuren Reservierungs-Agenturen: Wer reich genug ist, der bekommt meist doch einen Tisch. Manche Dinge ändern sich eben auch mit dem Internet nicht.
Das "State Bird Provisions" in San Francisco gilt als eines der angesagtesten Restaurants der Welt. Seit seiner Eröffnung im Januar vergangenen Jahres hat es einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet, Internet-Millionäre kommen hierher, der Schauspieler Jim Parsons gilt als Stammgast, auch Sharon Stone war schon da. Wer kein Millionär oder Schauspieler ist, muss versuchen, auf der Website einen Tisch zu reservieren - und bekommt als Antwort meist zu lesen: nichts zu machen, wir sind auf Monate ausgebucht.
Wer dann, so wie oft bei Internet-Reservierungen, das Gefühl bekommt, hier gehe es nicht mit rechten Dingen zu, der hat womöglich recht - wie Diogo Mónica herausgefunden hat. Der 26-Jährige ist Doktorand am Instituto Superior Técnico in Lissabon und arbeitet derzeit in Silicon Valley. "In San Francisco gibt es ein regelrechtes Rennen unter den Hipstern um Plätze in den angesagten Restaurants", sagt er. Das State Bird Provisions interessierte ihn besonders, doch trotz aller Bemühungen erhielt er stets die Mitteilung, dass Tische bis zu 60 Tage im Voraus reservierbar seien und er eine Nachricht per E-Mail erhalte, falls kurzfristig ein Tisch frei werde.
Einen Tisch reservieren? In einigen hippen Restaurants in San Franciso brauch man dazu fast Programmierer-Kenntnisse
"Mir wurde schnell klar, dass da offensichtlich Bots am Werk sind", sagt Mónica. Bots sind Computerprogramme, die selbständig im Internet agieren, ohne dass der Nutzer eingreift. Sie haben derzeit nicht den allerbesten Ruf, weil sie oft verwendet werden, um E-Mail-Adressen für Werbezwecke zu sammeln, fremde Computer auszuspionieren oder in Online-Casinos mathematisch perfekt zu pokern. Es gibt allerdings auch gutartige Bots, die sich an die sogenannten Robot Exclusion Standards halten, im Internet anerkannte Höflichkeitsregeln für solche Programme.
Mónica schrieb ein kleines Programm, das die Homepage des Restaurants automatisch jede Minute neu lud und eine Reservierungsanfrage losschickte. Dadurch fand er heraus, dass das State Bird Provisions seine Reservierungs-Homepage um exakt vier Uhr morgens erneuert und freie Tische anzeigt. Das Problem war: Nicht einmal eine Minute später waren sämtliche Plätze wieder vergeben.
Entweder, so Mónicas These, sitzen da um vier Uhr morgens zahlreiche Nerds aus dem Silicon Valley vor dem Computer und tippen minutengenau hektisch Reservierungswünsche ein - oder, was viel wahrscheinlicher ist, da lässt jemand ein Computerprogramm die Arbeit erledigen. Die erste Möglichkeit schloss er dadurch aus, dass er selbst einige Tage lang wach blieb und um vier Uhr Nachts versuchte, einen Tisch zu reservieren. "Bis sich die Homepage erneuert hatte, waren schon alle Tische weg", sagt er. So schnell könne kein Mensch reagieren.
Mónicas Verdacht: Da werden automatisch Reservierungen vorgenommen und womöglich an Menschen verkauft, die bereit sind, ein paar Dollar für einen freien Tisch zu bezahlen. "Ich kenne keine Schwarzmarkt-Homepages - aber ich glaube, dass so etwas der nächste Schritt sein könnte", sagt er. Was es in den Vereinigten Staaten bereits gibt: Unternehmen, die einen Reservierungs-Service anbieten. Open Table etwa hat mehr als 20000 Restaurants in seinem Portfolio, vor wenigen Tagen kaufte die Firma den Konkurrenten Rezbook. Weitere Dienstleister heißen Livebookings, UReserve und Yelp. Keines dieser Unternehmen wollte sich auf Anfrage der SZ zum Einsatz von Reservierungs-Robotern äußern.
Mónica erstellte sein eigenes Computerprogramm mit dem Programm Mechanize. Es braucht dafür Computerkenntnisse, ist aber auch kein Hexenwerk. Vereinfacht ausgedrückt: Seine Kreation prüft, ob es einen freien Tisch für die gewünschte Zeit gibt und füllt automatisch das Formular aus und schickt den Reservierungswunsch blitzschnell an das Restaurant. "Plötzlich konnte ich Tische reservieren", sagt Mónica. Den Code stellte er anderen Nutzern auf seinem Weblog zur Verfügung, damit jeder die gleiche Chance auf einen Tisch habe.
Der Besitzer des State Bird Provisions sei übrigens begeistert gewesen, berichtet Mónica. "Er hat sich total gefreut, dass die Menschen sein Restaurant derart mögen, dass sie solch extreme Maßnahmen ergreifen, um einen Tisch zu bekommen." Sein Programm funktioniert auch bei anderen Restaurants, der Gast muss lediglich die Parameter ändern - die Homepage der Lokalität und die notwendigen Informationen zum Ausfüllen des Formulars. Es ermöglicht potenziellen Gästen, automatisch Reservierungen bei all den Restaurants vorzunehmen, die bei dem Unternehmen Urbanspoon gelistet sind, einer populären Gastronomie-Website. Die Besucher seiner Homepage sind begeistert und kündigen an, das Programm weiterentwickeln und für weitere Gaststätten zur Verfügung stellen zu wollen.
"Damit hat der Krieg der Roboter allerdings erst begonnen", fürchtet Mónica. Es sei nämlich kaum zu erwarten, dass sich die Profi-Reservierer von Mónicas Programm ohne Gegenwehr geschlagen geben. Es gehe nun darum, einen noch schnelleren Bot zu kreieren - also einen, der schneller reagiert als alle anderen und sogleich einen Tisch reserviert. "Derzeit prüft das Programm ein Mal pro Minute, ich habe schon Verbesserungen vorgenommen wie etwa, dass das Formular in einem Schritt statt in drei Schritten ausgefüllt wird. Ich arbeite aber an einem neuen Bot, der alle fünf Sekunden nachfragt", sagt Mónica. Hilfreich wäre auch, die schnellste Verbindung zum Server der Restaurants herauszufinden und somit einen weiteren Zeitvorteil zu erlangen. "Außerdem baue ich eine kleine Website, sodass auch Menschen ohne Computerkenntnisse den Bot nutzen können", sagt Mónica.
Es kämpfen also Roboter gegen Roboter, damit Menschen zu Abend essen können. Der Anruf beim Restaurant, eine arrogante Absage - das klingt angesichts dieser Entwicklung wie eine nette Anekdote aus vergangener Zeit. Allerdings, und das zeigen die teils recht teuren Reservierungs-Agenturen: Wer reich genug ist, der bekommt meist doch einen Tisch. Manche Dinge ändern sich eben auch mit dem Internet nicht.