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Neulich in der Bar....

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Bars tragen manchmal seltsame Namen. In Berlin hieß bis vor kurzem eine "Helmut Kohl".

Am Eschenheimer Tor in Frankfurt steht die Bar ohne Namen. Das Heitere, man könnte auch sagen: Perfide daran ist, dass diese Bar, indem sie Bar ohne Namen genannt wird, prompt einen Namen besitzt, nämlich: Bar ohne Namen. Offenbar müssen Bars in Deutschland möglichst originelle Bezeichnungen tragen, um überhaupt Gäste anzulocken. Der Nominativ Bar ist im Deutschen klang- und beinahe schreibidentisch mit dem Suffix -bar, so dass sprachgewandte Lokalbesitzer vor der permanenten Herausforderung stehen, ihre Bar mit Suffixkombinationen zu veredeln: Wunderbar, Sonderbar, Vertretbar, Unüberwindbar. Auch die berühmte Berliner "Bar jeder Vernunft" ist das Ergebnis einer sprachreflektiven Anstrengung, wie sie vermutlich nur ein akademisch gebildetes Gastronomen-Team leisten kann. Glückliche Fügung und fundierte Kenntnis des politischen Personals in der BRD ermöglichte es einem Münchner Barbesitzer, seinen Laden Egon-Bar zu nennen, nach dem beliebten Annäherungspolitiker und Brandt-Vertrauten Egon Bahr.



Auf ein Bier in die "Bar-ack Obama"?

Warum aber eine Berliner Bar über einige Jahre hinweg "Helmut Kohl" hieß, muss jedem schleierhaft sein, der eine gewisse Freude an originellen Barnamen unterhält. Wenn wenigstens die Parteispenden, welche der frühere Kanzler entgegengenommen hat, in bar ausgezahlt worden wären, hätte sich ein zwar mühsamer, auch verquerer, aber möglicherweise darstellbarer Bezug ergeben. Aber so? Das Büro von Helmut Kohl muss das ähnlich gesehen haben, denn es bat Michel Braun, den Besitzer des Lokals, möglichst kurzfristig eine Namensänderung herbeizuführen. Das ist nun auch geschehen, allerdings mit einem Ergebnis, das einen fragen lässt, ob die Suche nach originellen Lokalnamen bei Herrn Braun wirklich in verständigen Händen ist. Kurzum, die Bar im Stadtteil Neukölln heißt von nun an: "Schloss Neuschweinsteiger". Leser und Bargänger mit einem Blick für sprachliche Verirrungen merken sofort, dass hier zwei Sachen durcheinander- beziehungsweise ineinandergegangen sind: der Name des Allgäuer Märchenschlosses Neuschwanstein und der des oberbayerischen Fußballspielers Bastian Schweinsteiger. Beide erfreuen sich großer Beliebtheit beim Publikum, haben aber sonst nichts miteinander zu tun.

Nun erklärt Michel Braun, anstatt eine abermalige Namensänderung vorzunehmen, die Neukombination sei ein Versehen seiner französischen Freundin gewesen, sie habe halt nur ein "-einsteiger" drangehängt. Aber an was? An eine Bar namens "Neuschw"? Solche Ungereimtheiten können passieren, wenn man in Neukölln die Schleusen für ungehemmte Barnamen derart weit öffnet. Daher nun ein Tipp für alle Berliner Barnamen-Erfindungs-Einsteiger: Derzeit besucht der US-Präsident Berlin. Das wollen wir gerne feiern. In Neukölln, in der "Bar-ack Obama".

Der Riese ist erwacht

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Noch vor fünf Tagen galt Brasiliens Entwicklung als Erfolgsgeschichte. Aber quasi aus dem Nichts hat sich in den brasilianischen Großstädten eine Welle der Empörung aufgebaut. Für die Regierenden ist das ein Schock

Die Abenddämmerung legt sich über Rio de Janeiro, als der Aufstand in Schwung gerät. Es wird Winter in Brasilien, aber die Tage sind warm, die meisten Demonstranten tragen Sommerklamotten. Und politisch, so dürften sie es sehen, herrscht Frühlingsstimmung im Land.

Sie kommen mit Bussen, Taxis, der U-Bahn, zu Fuß. Erst Hunderte, bald Tausende. Sie haben sich auf Facebook und Twitter verabredet, auch im Fernsehen und auf den Websites der Zeitungen machen Meldungen von diesen neuen Kundgebungen die Runde. Startpunkt in Rio ist der Platz vor der Kirche Candelaria, von dort geht es zwischen Hochhäusern durchs Zentrum. Bald sperrt die Polizei die Avenida Branco für den Verkehr, weil sich 100000 vornehmlich junge Menschen durch diesen alten Teil der Stadt schieben. "Entschuldigt die Störung", steht auf selbstgemalten Schildern, "wir verändern Brasilien."



100000 Menschen marschieren durch die Altstadt Rios.

Brasilien verändern? Jetzt? Ging es nicht seit Jahren aufwärts mit dem größten Land Lateinamerikas? Die halbe Welt rutschte in die Krise, aber dieser früher so verschlafene Riese war aufgewacht. Statt wie einst mit Schulden und Hyperinflation fiel das Riesenreich durch Wachstum und Devisenreserven auf. Millionen Bedürftige stiegen dank Sozialprogrammen zu Kunden auf und nährten den Konsumrausch. Man fand Öl im Meeresboden und landete neben China, Russland und Indien in der Gruppe der Bric-Staaten, der aufstrebenden Wirtschaftsmächte. Brasilien bekam die Fußball-Weltmeisterschaft 2014, Rio darf 2016 die Olympischen Spiele veranstalten, und derzeit findet in acht schicken Stadien die WM-Generalprobe statt, der Kampf um den Konföderationen-Pokal. Brasiliens Entwicklung galt bis vor fünf Tagen als Erfolgsgeschichte. Aber nun baut sich in brasilianischen Großstädten auf einmal wie aus dem Nichts eine Welle der Empörung auf.

Angefangen hatte es am 13. Juni in São Paulo, weil die Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr um 20 Centavos erhöht worden waren. Von 3 Reais auf 3,20 Reais, 1,12 Euro. Das klingt nach wenig und ist für viele Pendler trotzdem eine ganze Menge, Brasilien wird zunehmend unbezahlbar. Immer mehr Autos verstopfen die Straßen, ausgespuckt von riesigen Fabriken und gefüttert mit Benzin und Ethanol. Aber in Transportmittel für jedermann wurde nicht besonders viel investiert.

Natürlich war dies nur der Auslöser, am Montag wurde in diversen Metropolen zwischen Fortaleza und Porto Alegre protestiert. Eine solche Rebellion hat diese Nation seit den Zeiten der Diktatur zwischen 1964 und 1985 und dem Absetzungsverfahren 1992 gegen den kleptomanischen Staatschef Fernando Collor de Mello nicht mehr erlebt. "Die 20 Centavos sind nur der Tropfen, der alles zum Überlaufen bringt", sagt ein Widerständler. "Das hat sich über Jahre aufgestaut."

Er nennt sich Leandro Ramos, ist Mitte zwanzig und Fotograf. Ramos hebt ein Transparent in die Höhe, auf dem steht, dass der Staat lieber Milliarden für Gesundheitssystem und Erziehung ausgeben solle statt für Fußballstadien. Allein die WM wird mindestens elf Milliarden Euro kosten, die zwölf Arenen wurden doppelt so teuer wie geplant, ausgestattet mit allerlei Ehrenlogen. "Die WM ist für Reiche", klagt Ramos. "Ich mag Fußball, aber die Gesellschaft ist mir wichtiger." Staatliche Kliniken und Schulen dagegen würden ihrem Schicksal überlassen. Ein anderer spottet, man sei mit kranken Kindern auf einer Stadiontribüne inzwischen besser aufgehoben als in einem Krankenhaus. "Wir brauchen mehr Gerechtigkeit und mehr Justiz", sagt Ramos. "Die Demokratie verlangt mehr von uns Bürgern. Die Türkei ist für uns ein Beispiel."

Die Revolte in Istanbul war ein Anlass, so wie die 20Centavos und die sündteuren WM- Arenen ein Anlass waren. Nach Ägyptern, New Yorkern, Spaniern, Griechen oder Chilenen gehen also plötzlich auch Brasilianer in Massen auf die Straße, dabei feiern sie gewöhnlich lieber. Die Mehrheit dieser Rebellen stammt keineswegs aus den Favelas, sondern aus der Mittelschicht. Über Nacht fand sich ein Potpourri von Themen, das den Söhnen und Töchtern Brasiliens missfällt. "Brasilien ist schön, aber wir sind nicht das Wunderland, für das man uns hält", sagt eine Biologin mit brasilianischer Flagge. "Wir haben historische Probleme der Ungleichheit nie gelöst."

Manche Mitstreiter tragen Anonymus-Masken, auf Schildern sind Parolen zu lesen wie: "Die Liebe bittet um Durchlass". Oder: "Brasilien, welche Schande, die Fahrkarte ist teurer als Marihuana" - auf Portugiesisch reimt sich das. Oder nur: "Demokratie". Andere fordern mehr Rechte für die Ureinwohner und weniger Einfluss für den Fernsehgiganten TV Globo. Es ist ein diffuser Mix der Unzufriedenheit, mit Fahnen Palästinas und T-Shirts, die Che Guevara zeigen, ein paar linke Aktivisten und Gewerkschaften sind auch dabei. Aber man merkt schnell, dass immer mehr durchschnittliche Leute vor allem die enormen und undurchsichtigen Kosten für Sportfeste und Großprojekte satthaben. Es geht gegen Korruption und Straflosigkeit. Gegen Staatsgewalt und Politik. Gegen Bürgermeister, Gouverneure - und gegen die Präsidentin.

Für Dilma Rousseff ist das ein Schock. Sie übernahm 2011 den Job und die Beliebtheit ihres Vorgängers Luiz Inácio Lula da Silva, noch zuletzt mochten sie drei von vier Wählern. Doch der Wirtschaftsboom ist erlahmt, die Geldentwertung legt wieder zu, Korruptionsfälle sind ungelöst. "Ich habe Lula und Dilma gewählt", sagt ein demonstrierender Beamter, "aber an der Macht verändern sie sich alle." Zehn Jahre nach ihrem ersten Wahlsieg bekommt die linke Arbeiterpartei PT unerwartet Ärger, eineinhalb Jahre vor der nächsten Wahl. Im Stadion von Brasília wurde Dilma Rousseff ausgepfiffen, es verschlug ihr die Sprache. Nachher sagte sie: "Die friedlichen Demonstrationen sind legitim und gehören zur Demokratie."

Bei der brutalen Militärpolizei, einem Erbstück der Generäle, kommt das allerdings nicht so recht an. Die Ordnungshüter mit ihren martialischen Rüstungen knüppeln Demonstranten nieder, schießen mit Gummigeschossen und versprühen Tränengas und Pfefferspray. Auch in Rio kam es in der Nacht wieder zu Zusammenstößen, mit Verletzten und Verhafteten. Einige wenige Chaoten wollten das Gebäude des Regionalparlaments anzünden und verwüsteten Geldautomaten. In Brasília erklommen Aufständische das Abgeordnetenhaus des Architekten Oscar Niemeyer.

Aber es blieb weitgehend ruhig. Noch, muss man sagen. "Denn wenn die Polizei weiter zuschlägt", warnt einer, "dann wird dieser Protest gewaltig wachsen."


"Eifersucht ist extrem anstrengend!"

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Mara und Paul sind seit zwei Jahren ein Paar und schlafen nebenher auch mit anderen. Für uns beantworten sie die Frage, die sich die meisten bei diesem Beziehungskonzept stellen: Wie funktioniert eine offene Beziehung?

Dass sie ein Paar werden würden, war für Mara (24) und Paul (28)* nicht sofort klar. Anfangs wollten sie sich alles offen halten. Auf der Suche nach einer Beziehung waren sie eigentlich beide nicht, regelmäßig sehen wollten sie sich trotzdem. Ein paar Monate machten sie das unverbindlich und ohne Kategorisierung und knutschten nebenher auch mit anderen. Irgendwann wurde ihnen klar, dass mehr zwischen ihnen war als nur eine belanglose Geschichte und sie sich sehr wohl miteinander fühlten. Aus der Situation heraus entschieden sie sich dafür, eine offene Beziehung zu führen, in der Sex mit anderen okay ist. „Bisher hatte es ja auch funktioniert, wieso also nicht auch weiterhin“, dachten sich die beiden. Mittlerweile sind Mara und Paul seit zwei Jahren in einer offenen Beziehung. Wie sie das machen und auf was sie dabei besonders achten, das erklären sie hier.

1. Erwartungen abgleichen
 

Mara: Gesellschaftlich wird von uns erwartet, dass man in Beziehungen wegen allem Möglichem eifersüchtig sein muss. Wenn man das nicht ist, liebt man sich nicht genug, heißt es dann. Dem kann ich überhaupt nicht zustimmen. Wenn mein Partner nie auf einen Kaffe oder eine Party gehen kann, weil ich mich von seiner Zuneigung für andere bedroht fühle, kann die Beziehung auch nicht funktionieren, denn das ist eine sehr wackelige Basis. Außerdem ist das sehr besitzergreifend. Ich möchte nicht von meinem Partner verlangen, dass er mir stets zu jedem Zeitpunkt alles geben muss, was ich brauche.  

Paul:
Eifersucht ist extrem anstrengend und nicht gerade angenehm. Der Glaube, dass Eifersucht ein Teil von wahrer Liebe ist, ist total verfehlt. Es passiert in fast jeder Beziehung einmal, dass man Lust hat mit einer anderen Person zu schlafen. Das ist total normal und sagt meist auch nichts darüber aus, wie ich zum Partner stehe. In monogamen Beziehungen hat man ein schlechtes Gewissen, wenn man seinen Partner „betrügt“ und fängt deswegen zu lügen an. In meiner Beziehung will ich aber so ehrlich wie möglich zu meiner Partnerin sein. Und das geht nun mal in einer offenen Beziehung leichter als in einer monogamen. Eine offene Beziehung müssen beide wollen. Man muss sich da herantasten und Dinge gut ausmachen und daran arbeiten. Es ist wichtig, dass beide darauf Lust haben und sich mit den Rahmenbedingungen wohl fühlen. Wenn sich einer gedrängt fühlt und nur deswegen mitmacht, dann kann das sicher nicht funktionieren.  



Eine offene Beziehung erfordert viel Toleranz und Vertrauen.

2. Darüber reden 

Paul:
Ich kenne Paare, die sich gar nichts erzählen, aber ich möchte mit meiner Eifersucht umgehen lernen. Und deswegen weiß ich lieber, wenn meine Partnerin mit einer anderen Person was laufen hat, sonst mach ich mir zu viele Gedanken. Außerdem distanziert man sich sonst voneinander. Wir erzählen uns deswegen alles. Es ist nicht immer leicht und natürlich bin ich manchmal eifersüchtig. Wenn ich weiß, die haben sich gestern getroffen, dann möchte ich einfach am nächsten Tag besonders gut behandelt und gekuschelt werden. Dann will ich hören, dass ich super bin und dass ich mir keine Sorgen machen brauche. Das hilft dann schnell.  

Mara:
Mir hilft es, wenn ich mir bewusst mache, dass Paul nicht mit anderen rummacht, weil er mich verletzen möchte, sondern weil es ihm einfach Spaß macht und er es genießt. Wenn ich spüre, dass die Beziehung deswegen nicht weniger intensiv ist und wir uns deshalb nicht weniger sehen, dann verschwindet auch meine Eifersucht. Die ist meist nur anfangs da. Es ist wichtig zu merken, dass niemand einem etwas wegnimmt, das man eigentlich selbst gerne hätte. Wir gestehen uns aber schon gegenseitig ein, wenn sich einer benachteiligt fühlt. Dann unternehmen wir mehr Dinge gemeinsam und zeigen uns wie wichtig wir uns sind und dass es keine Bedrohung von Außen gibt. Generell ist darüber reden können und sich gegenseitig updaten, was beim anderen so läuft, schon verdammt wichtig, damit ein offenes Verhältnis garantiert ist.  

Paul:
Man sollte auch ganz offen über Sex reden und sich überlegen, was für einen okay ist und was nicht, ob und welche Art von Sex mit anderen Personen erlaubt ist. Wenn man Sex mit anderen hat, ist es sehr wichtig, dass man über Verhütung redet, damit man sich in der Primärbeziehung zu 100 Prozent sicher fühlen kann.       

3. An der Beziehung arbeiten
 

 Paul: Eine offene Beziehung ist schon mehr Arbeit als eine geschlossene, dazu muss man bereit sein. Man muss verantwortungsvoller miteinander umgehen und sich gegenseitig stärker vertrauen. Das muss man sich erst einmal gemeinsam erarbeiten. Für mich hat unsere Beziehung mehr Qualität – wir sind durch das viele Reden und Aushandeln stärker zusammen gewachsen – das wäre anders wohl nicht so gewesen. Ich glaube, viele wären mit einer offenen Beziehung glücklicher. 

4. Prioritäten setzen - und sich trotz allem bewusst füreinander entscheiden 

Mara: In allen Beziehung gibt es eine Bedrohung von Außen. Unsere  Beziehung basiert auf einer bewussten Entscheidung für den Anderen – darauf muss man vertrauen. Man ist ja nicht zusammen, weil es sonst keine anderen potenziellen Partner gäbe, sondern weil man die Person und die Beziehung zu ihr schätzt. Auf das kann man in Momenten der Eifersucht zurückgreifen. Wir wissen, dass wir uns im Zweifelsfall immer füreinander entscheiden würden.  

Paul:
Wir haben die Beziehung auch schon einmal für drei Monate geschlossen, weil es uns nicht so gut gegangen ist und wir Konflikte hatten. Ich denke es ist wichtig, dass man sich gegenseitig das Recht gibt auch mal: „Hey ich schaffe das gerade nicht“ zu sagen. Sei es jetzt weil man keine Lust dazu hat, oder weil es einem schlecht geht und man den anderen ganz für sich braucht. Ich könnte auch keine Beziehung führen, in der meine Partnerin mit Anderen ähnlich intensive Beziehungen hat wie mit mir. Es funktioniert, weil ich weiß, dass ich an erster Stelle stehe.  
Mara:
Es ist sicher einfacher, wenn man, so wie wir, von Anfang an eine offene Beziehung hat. Wenn man etwa nach eineinhalb Jahren, wo ja das Verliebtheitsgefühlt oft abnimmt, die Beziehung öffnet, stellt sich schon die Frage warum man das tut und ob der Beziehung nicht einfach etwas fehlt. Oft versucht man Probleme oder Langeweile mit einer offenen Beziehung zu kompensieren. Diese sollte man aber eingehen, weil man daran glaubt und sich und seinem Partner viel Lust und schöne Erfahrungen gönnt.

*Namen geändert

Merkelmarusha

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Sascha Lobo wirft DJane Marusha vor, Wahlentscheidungen mit Fantum zu verwechseln. Aber tun das nicht viele?

Angestrichen:
"Marusha ist unfähig oder unwillig, sich von ihrer Welt zu lösen, der Musikwelt, in der es Stars gibt und Fans. Und daher baut sie eine Beziehung zu Angela Merkel auf, die alle Elemente einer Fan-Beziehung aufweist. Marusha ist Merkelfan, sie schaut auf die Politikerin wie ein Teenager auf den Superstar. Alle Handlungen werden ins Positive gedreht, es gibt nichts, was der Star tun könnte, um die Liebe des Fans zu erschüttern. Jeder Hauch einer Kritik wird emotional bis irrational gekontert. Die Fan-Beziehung zu Politikern (außerhalb der Facebook-Bedeutung) aber ist das Gegenteil von einer aufgeklärten Demokratie."

Wo steht das?
Auf Sascha Lobos Blog. In dem Artikel "Marusha, Merkel und das deutsche Problem" lässt er sich über ein Interview aus, dass die in den 90er Jahren populäre DJane Marusha der Welt gegeben hat. Marusha outet sich darin als überzeugte CDU-Wählerin - allerdings nur wegen Angela Merkel.

Und wo ist das Problem?
Sascha Lobo wirft Marusha vor, bei ihrer Bewertung von Angela Merkel hoffnungslos kritikfrei zu sein. Sie wählt die CDU nicht aus einer Überzeugung heraus, sondern weil sie die Kanzlerin als Person spitze findet. Lobo verurteilt das als eine "milde Form des Irsinns."

Tatsächlich sagt Marusha in dem Interview Sätze wie "Angela Merkel leuchtet durch ihre Aura. Sie strahlt stärker als Gorleben" und gibt unumwunden zu, dass sie direkt die SPD wählen würde, wäre Merkel dort. Auch ihre Wahlempfehlung ("Schwarz-grün wäre super") macht sie daran fest, dass sie Angela Merkel mal mit Claudia Roth kichern sehen hat und sie sowieso bereits "halb vegan, halb vegetarisch" leben würde.



Marusha, DJane und Merkel-Fan

So schrecklich das jetzt klingt - vermutlich ist Marusha mit dieser Haltung nicht alleine. Einzig die Tatsache, dass sie als leicht durchgeknallt wirkende DJane in Schwurbelsprache ihre Meinung so konsequent vertritt, macht es belustigend. Aber faktisch wählen viele die CDU wegen Merkel oder nicht die SPD wegen Steinbrück. Viele Politiker haben sich das mittlerweile zunutze gemacht: Die SPD wirbt im Bayernwahlkampf hauptsächlich mit dem Konterfei von Christian Ude, bei den Guttenbergs hat man wiederum gesehen, wie mehr Person und weniger Inhalte katastrophal schiefgehen kann.

Nun könnte uns das von Sascha Lobo angesprochene Fantum um Politiker einigermaßen egal sein, hätten wir ein Personenwahlrecht wie in den USA. Dort ist es folgerichtig, dass Barack Obama wie ein Popstar auftritt und auch behandelt wird - eben weil er vom Volk gemocht werden muss, um gewählt zu werden.
Deutschland mit seiner repräsentativen Demokratie ist hingegen so angedacht, dass wir uns mit Parteiprogrammen auseinandersetzen sollen, bevor wir eine Wahlentscheidung treffen. Am Ende entscheidet dann der Bundestag über die Personen, nicht der Wähler.

Dass den Leuten irgendein festgelegtes Demokratieprinzip allerdings ziemlich schnurz ist und sie trotzdem lieber wissen wollen, ob Angela Merkel gerne Currywurst isst und auf Rockkonzerte geht, wurde dabei nicht bedacht. Die meisten geben ja auch ungerne zu, dass sie lieber die "Bunte" als ein Parteiprogramm lesen. Und so passiert es, dass viele unbemerkt die Partei mit der sympathischsten Hauptfigur wählen, anstatt sich zu informieren. Die arme Marusha, die nun ziemlich viel einstecken muss, hat das nur ausgesprochen. So giftig Sascha Lobos Analyse von Marushas Schwurbelinterview also sein mag - mit dem Satz "das ist das Gegenteil einer aufgeklärten Demokratie" hat er absolut recht.

Extraleben (4): Spaß am Untergang

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Wenn schon Zeit verplempern, dann richtig. Unser Daddel-Experte stellt deshalb jeden Monat neue Computerspiele vor. Diesmal: drei dystopische Abenteuer.




The Last of Us 

So wird’s angekündigt:
„Emotional, intensiv und brutal spannend!“ jubelt Sony über den heiß erwarteten Sommerblockbuster. Und jedes Adjektiv gehört dick und rot unterstrichen, denn jedes ist wahr.  

Die Helden
: Die 14-jährige Ellie und der wesentlich ältere Texaner Joel finden in einer zerstörten Welt zueinander. Sporen verwandeln Menschen in Zombies und Regierungen sorgen schon lange nicht mehr für Recht und Ordnung. Stattdessen metzeln sie alles dahin, was sie als Bedrohung für die letzten Überlebenden einstufen.  

Ihre Gegner:
Es sind nicht nur Untote, die Ellies und Joels Survival-Trip quer durch die USA erschweren. Vor allem sind es die Nicht-Infizierten, die lügen, töten und Ärger machen, um einen weiteren Tag am Leben zu bleiben. Und genau deshalb ist „The Last of Us“ so erschütternd: Weil das wirklich Böse nicht in den seelenlosen Untoten steckt, sondern in uns.  

http://www.youtube.com/watch?v=TnowtdPhvgo

So sieht's aus: Mit seiner „Uncharted“-Reihe hatte Entwickler Naughty Dog riesigen Erfolg und ruht sich nun ein wenig darauf aus: Auch „The Last of Us“ kommt als Action-Adventure mit von Pflanzen überwucherten Schauplätzen daher. Einfallslosigkeit kann man Naughty Dog deshalb aber nicht vorwerfen, denn bei „The Last of Us“ funktioniert der routinierte Natur-killt-Zivilisation-Look einmal mehr und sogar besser.  

So fühlt sich's an:
In dem Sci-Fi-Thriller „Children of Men“ muss Theo Faron (gespielt von Clive Owen) eine Schwangere durch Großbritannien eskortieren, um den Fortbestand der Menschheit zu retten. „The Last of Us“ entfaltet mit seiner ähnlichen Handlung eine ähnliche Beklemmung, ist dabei aber doppelt so packend.  

Besonders nervig:
Dieses Spiel ist ein exklusiver Titel, in dessen Genuss nur PlayStation-3-Besitzer kommen.  

Besonders schön:
Wer keine PS3 hat, kann sich zumindest sämtliche wunderschönen, insgesamt anderthalb Stunden langen Zwischensequenzen auf YouTube ansehen.

„The Last of Us“ ist exklusiv für PlayStation 3 erhältlich. 

Auf der nächsten Seite: Eine Spiel gewordene Neuauflage von George Orwells „1984“.





Remember Me 

So wird’s angekündigt:
Für sein Action-Adventure-Debüt hat der französische Entwickler Dontnod Entertainment einen schicken Realfilm-Trailer produziert, der auch für den nächsten Sci-Fi-Hit werben könnte.

Die Heldin:
Nilin kann die Gedanken anderer Menschen beeinflussen und hat es mit dieser Fähigkeit zur gefürchtetsten Widerstandskämpferin gegen den Großkonzern „Memorize“ gebracht. Doch im Bastille-Gefängnis wird ihre Erinnerung daran zu großen Teilen gelöscht und all ihr Können geht verloren. Zum Glück nimmt ihr vermeintlicher Ex-Kollege Edge Kontakt zu ihr auf. Er unterstützt Nilin bei der Flucht nach Neo-Paris und hilft ihr anschließend, Stück für Stück ihrer Erinnerung wiederzufinden. 

Ihr Gegner: Das Facebook der Zukunft: Die „Memorize Corporation“ gibt ihren Kunden mit der Sensen-Technologie die Möglichkeit, Erinnerungen langfristig zu speichern und mit anderen Menschen zu teilen – greift dabei aber eifrig Daten für die eigenen Zwecke ab. Ziel? Die Weltherrschaft, ist doch klar. 

http://www.youtube.com/watch?v=9tCK1TAtu0M

So sieht's aus: Als Nilin zu Beginn des Spiels im Gefängnis erwacht – athletischer Körper, heller Overall, kurzes dunkles Haar –, meint man, „Mirror's Edge“-Protagonistin Faith zu sehen. Doch wo die Heldin austauschbar ist, da punktet „Remember Me“ mit einem toll beleuchteten Neo-Paris und einer Vielzahl von selbst kombinierbaren Kampftricks.  

So fühlt sich's an: Wie eine zeitgenössische, Spiel gewordene Umsetzung von George Orwells „1984“.  

Besonders nervig:
Sämtliche Dialoge - die deutsche Synchronisation ist grausam! Zudem sind die schlauchartigen Level ziemlich leicht zu meistern.  

Besonders schön: Wer einen aufgepimpten Rechner besitzt, sollte ihn auch nutzen. „Remember Me“ sieht mit auf Maximum gepegelten Licht- und Effekteinstellungen umwerfend gut aus.  

„Remember Me“ ist für PC, Xbox 360 und PlayStation 3 erhältlich. 

Auf der nächsten Seite: Ein von Fans finanziertes Indie-RPG.



Shadowrun Returns  

So wird’s angekündigt:
Um Spielern ihr RPG „Shadowrun Returns“ schmackhaft zu machen, brauchen die Entwickler Harebrained Schemes keinen besonderen Claim – denn dass ihr Indie-Projekt seine Abnehmer finden wird, war bereits 28 Stunden nach dem Start einer Kickstarter-Kampagne klar. Statt der für die Entwicklung benötigten 400.000 US-Dollar konnten die Macher mithilfe der Crowdfunding-Plattform sogar mehr als 1,8 Millionen Dollar einsammeln. 

Die Helden
: konnten schon in dem ursprünglichen Pen-and-Paper-Rollenspiel „Shadowrun“ nach dem Baukastenprinzip zusammengezimmert werden – und so ist es auch in der neuen Game-Umsetzung. Anschließend führt uns das Spiel in ein Cyberpunk-Seattle des Jahres 2054, wo wir den Mord an unserem Kumpel Sam aufklären müssen.  

Unsere Gegner:
pixelige Damen und Herren mit dicken Waffen, Schwertern und magischen Kräften. Und: machtversessene Großkonzerne. Ohne die funktioniert ein dystopisches Setting wohl nicht.  

So sieht's aus:„Shadowrun Returns“ orientiert sich mit seiner 2D-Optik an den 90-Jahre-Games für SNES und Sega Mega Drive. Die Farbpalette ist dabei aber um einiges ergiebiger als damals.  

So fühlt sich's an: Weiß man noch nicht. Vorab war an das Indie-Spiel nicht heranzukommen.  

Besonders schön:
Es soll einen umfangreichen Charakter-, Level- und Gegenstand-Editor geben. „It's all in your hands“, preisen die Macher ihr Gadget an. Wäre auch ein guter Claim gewesen. 

 „Shadowrun Returns“ soll im Juni für PC und Mac (inklusive Editor) sowie für iOS und Android erscheinen.

Wie hältst du's mit dem Fahrradhelm?

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Es ist mehr so ein Gefühl, aber: Immer mehr Menschen tragen Fahrradhelme oder denken darüber nach, sich seinen zuzulegen. Und du?

Mein letzter Fahrradhelm war pink mit Glitzeroptik. Ich war neun Jahre alt und mochte weder Pink noch Glitzer, aber der Helm war ein Geschenk und meine Eltern waren um meinen Kopf besorgt. Nachdem ich aus dem Ungetüm rausgewachsen war, habe ich nie wieder einen Helm getragen. Ich weiß, dass das unvernünftig ist. Immerhin fahre ich jeden Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit, eine sehr große Straße entlang, meisten sogar im Winter, wenn die Ausrutsch-Gefahr groß ist. Aber bisher war ein Helm einfach nicht salonfähig und ich hab mich davon beeinflussen lassen und mir keinen gekauft.  

Im vergangenen Jahr haben zwei schwedische Designerinnen eine Art Airbag für den Kopf entworfen und ein Jubeln ging durch die Fahrradfahrer-Community: Endlich eine Idee, wie man den hässlichen, frisurzerstörenden Helm vermeiden und trotzdem vor Kopfverletzungen sicher sein kann! Leider gibt es bisher keine bezahlbare Version, 400 Euro pro Stück muss man für den "Hövding" (Schwedisch für "Chef" oder "Häuptling") bezahlen. Darum bleibt einem eben doch nur der normale Helm.



Fahrradfahrer leben gefährlich. Aber die meisten tragen trotzdem keinen Helm.

Aber: Vielleicht tut sich da gerade was. Es ist mehr so ein Gefühl, aber ich glaube, der Helm wird beliebter. Vielleicht ist es die Enttäuschung darüber, dass es immer noch keine schöne Helm-Alternativ gibt, vielleicht ist es eine um sich greifende Vernunft, die die Eitelkeit sticht – in jedem Fall habe ich nun schon öfter Diskussionen in meinem Freundeskreis mitverfolgt, in denen es um die Wahl eines Fahrradhelms ging. Und zwar von Menschen, die auf ihr Aussehen sonst großen Wert legen und auch im Winter lieber kalte Füße haben anstatt warme, aber eben auch klobige Schuhe zu tragen. Auch auf Instagram wurde ich kürzlich von einer jungen Dame angelächelt, die jeden Morgen ihr Outfit dort postet – dieses Mal kombiniert mit Fahrradhelm. „Für mehr Helme!“, kommentierte jemand begeistert. Es war einer dieser klassischen Helme, stromlinienförmig und mit Belüftungsrillen.  

Seitdem denke ich morgens auf dem Fahrrad darüber nach: Sind diese Helme jetzt im Kommen? Siegt die Vernunft über die Mode (was sie ja selten tut)? Muss ich mir jetzt auch einen Helm aufsetzen? Bin ich zu eitel? Und wenn ich nicht gerade darüber nachdenke, dann habe ich tatsächlich mehr Angst vor einem schlimmen Radunfall als früher, weil mir die Gefahr durch die neuen Verfechter und Verfechterinnen des Helmtragens zum ersten Mal seit Kindertagen so stark ins Bewusstsein gerufen wird.  

Trägst du einen Helm? Oder denkst darüber nach, dir einen zuzulegen, hast es bisher aber aus Modegründen und Eitelkeit gelassen? Hast du das Gefühl, dass sich die Helmdichte auf unseren Straßen gerade vergrößert? Ist der Helm im Kommen?

"Es geht nicht darum, im Widerstand zu sterben."

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Auch wenn der Gezipark in Istanbul mittlerweile geräumt wurde - seine Gesichter wollen wir nicht vergessen. Unser Autor hat noch einmal mit Başak und Burak gesprochen.

"Das war Horror"




Başak, 26, macht ihr Referendariat in Jura.Vor der Räumung hatte sie uns den Kosmos Gezipark folgendermaßen geschildert: "Es wird getanzt, es wird gelacht, es wird getrauert."

"Ich habe die Leute im Gezipark nie ängstlich erlebt. Aber jetzt hat sich etwas geändert. Hier geht ein Mob zusammen mit der Polizei auf uns los, Erdogan denkt über den Einsatz der Armee nach.
Ich war neulich auf einem Forum. Jeder Stadtteil in Istanbul hält solche Versammlungen ab und berät sich. Auf dem Forum meldete sich jemand und sagte: 'Ich bin hier um zu leben, nicht um zu sterben.' Ich finde, der Mann hat Recht. Es geht nicht darum, im Widerstand zu sterben. Sie leisten ja Widerstand um besser zu leben. Ohne Gängelung der Regierung.

Ich hatte geglaubt, die Proteste enden friedlich. Erdogan sprach mit Leuten aus dem Park. Es sah gut aus. Am Samstagabend haben Leute im Gezipark ein paar mal gerufen: 'Ich rieche Gas.' Da hab ich nur abgewunken, das war für mich unvorstellbar. Aber dann ging es halt los.

Eine Freundin ist total panisch geworden. Ich hab sie gepackt und gesagt: 'Wir kommen hier raus.' Sie war die ganze Zeit an meiner Hand. Wir sind in ein Hotel gerannt und konnten von dort sehen, wie die Polizei das Divan-Hotel stürmt. Das war Horror: Eine halbe Stunde fuhr jede Minute ein Krankenwagen vom Divan ab.  

Als es ruhiger wurde, sind wir gegangen. Auf dem Weg nach Hause waren überall Kämpfe.  
Ich merke in den letzten Tagen wie erschöpft ich bin. Einfach müde. Ich habe Sehnsucht nach dem Gezipark. Ich fühle mich etwas einsam jetzt. Aber ich habe alles im Kopf. Es waren Millionen auf der Straße und die Leute haben so viel Bilder geteilt. Das können die uns nicht wegnehmen."

"Gezipark war ein guter Anfang"





Burak, 24, studiert Medienwissenschaften.Seine Eltern sind für die Erdogan-Regierung. Trotzdem hat er den Protest von Anfang an unterstützt.

"Es ist ein Scheiß-Gefühl, wenn du heute durch die Istiklal-Straße zum Taksim läufst. Die ganzen Schriften an den Wänden, sie sind weg. Es ist so, als wäre nichts gewesen. Das macht mich traurig.  
Am Samstag war ich im Gezipark. Als die Gasbomben im Park einschlugen, brach unter den Menschen Panik aus. Ich bin ins Point-Hotel geflüchtet.  

Wir haben uns alle verloren. Zwei meiner Freunde waren im Divan-Hotel. Dort bin ich hingelaufen. Ärzte versorgten hier viele Verletzte. Kinder waren da, die ihre Familien im Gerenne verloren hatten. Die Polizei wollte das Hotel stürmen. Wir haben uns alle gegen die Türen gestemmt und sie nicht reingelassen. Dann haben sie mit Gasgranaten ins Hotel geschossen.  

Viele bekamen Asthma-Anfälle. Das Gas verteilte sich im Hotel und konnte nicht abziehen.  
Dann fuhr ein Wasserwerfer der Armee vor, ich hatte große Angst. Neben mir standen Nationalisten. Die haben den Soldaten zugejubelt. Sie riefen: 'Der größte Soldat ist unser Soldat.' Das ist deren Spruch. Aber dann hat die Armee mit Pfeffergas und Wasser auf sie geschossen. Alle sind weggerannt und die Kemalisten haben nur noch geflucht.  

Ich bin dann durch die Stadt nach Hause gelaufen. Unterwegs gab es überall Kämpfe – selbst vor meiner Haustür. Ich musste von hinten in meine Wohnung einsteigen. Das Treppenhaus war voller Gas. Meine Nachbarn haben ihr Sofa aus dem Fenster geschmissen und daraus Barrikaden gebaut. Die Kämpfe dauerten bis in den Morgen.  

Auch wenn wir jetzt viel verloren haben, ich glaube, Gezipark war ein guter Anfang."

Die 19-jährige Ezgi, die am Montag ebenfalls zu Wort kam, ist mittlerweile nach Hause zu ihrer Familie nach Denizli gefahren. Sie selbst hat zwar keine Angst, aber ihrer Familie war das lieber. Den 23-jährigen Studenten Özer konnte unser Autor leider nicht erreichen.

"Unglaubliches Leid"

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Angeklagter Carsten S. entschuldigt sich im NSU-Prozess.


München - Seit acht Prozesstagen gräbt der Angeklagte Carsten S. in seinen Erinnerungen. Es ist ihm anzusehen, wie sehr das an ihm zehrt und wie schwer es ihm fällt, sich hineinzuversetzen in die Zeit, in der er den NSU-Terroristen half. Damals, um die Jahrtausendwende, hielt er den Kontakt zu den Untergetauchten und besorgte ihnen eine Waffe. Dann stieg er aus der rechten Szene aus. Am Mittwoch, nach stundenlanger Befragung zu vielen Details, will Carsten S. etwas Besonderes sagen. Es ist nun sehr still im Saal, Carsten S. knetet seine Hände. Er ringt um Worte, das sagt er auch selbst, als er den Familien der Opfer sein Mitgefühl ausdrückt: "Ich kann nicht ermessen, was Ihren Angehörigen für unglaubliches Leid angetan wurde . . . Sie als Angehörige . . . mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, wie ich dafür empfinde."

Der 33-Jährige setzt neu an, stockt wieder: "Da finde ich nicht die passenden Worte, was das in mir auslöst. Ich bin mir auch absolut nicht sicher, ich denk mir, eine Entschuldigung wäre zu wenig, eine Entschuldigung klingt für mich wie ein ,Sorry", dann ist es vorbei. Aber es ist noch lange nicht vorbei. Ich wollte Ihnen mein tiefes Mitgefühl ausdrücken."



Der Angeklagte Carsten S., der sich vor der Öffentlichkeit stets verhüllt, entschuldigt sich jetzt im NSU-Prozess.

Carsten S. sitzt sichtlich erschöpft da, leicht gebeugt. Im Saal klingen die Worte des schlanken Mannes eine Weile nach, sie wirkten ehrlich und authentisch in ihrer Unbeholfenheit. Es gibt eine Pause, anschließend geht die Befragung weiter. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sitzt nun starr da, die Ellbogen auf den Tisch gestützt und die Zeigefinger über den Mund gelegt. Dann ändert sie die Haltung, verschränkt die Arme und schaut ins Leere.

Carsten S. muss sich sammeln, denn Bundesanwalt Jochen Weingarten stellt ihm noch eine ziemlich heikle Frage. Es geht um den Zeitpunkt, zu dem sich Carsten S. entschlossen hat, aus der Neonazi-Szene auszusteigen. Verschiedene Angaben von S. lassen die Möglichkeit zu, dass dies ausgerechnet dann geschah, als der NSU im September 2000 in Nürnberg seinen mutmaßlich ersten Mord begangen hatte. "Gibt es da einen inneren Zusammenhang zu Ihrem Entschluss auszusteigen?", fragt der Bundesanwalt. "Nein", antwortet Carsten S. knapp. Nach seiner Version wusste er gar nicht, wofür die Terroristen die Waffe verwendeten, die er ihnen geliefert hatte. Carsten S. ist wegen Beihilfe zu Mord in neun Fällen angeklagt.

Die Befragung von Carsten S. durch die vielen Nebenklage-Vertreter war in dieser Woche zeitweise zäh, was auch an der Qualität der Fragen lag. Richter Manfred Götzl musste mehrmals dazu mahnen, präziser zu sein und Suggestivfragen zu vermeiden. Manchmal streng, manchmal sanft erteilt Götzl Lektionen in der Kunst des Fragens. Bisweilen wirkt er amüsiert, dann aber verliert er doch die Geduld und raunzt einen Anwalt an: "Wollen Sie sich hier inszenieren?" Am Mittwoch gibt es zudem ein verbales Scharmützel zwischen Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke und dem Nebenklage-Anwalt Reinhard Schön.

Schön will S. fragen, wie in Neonazi-Kreisen über Gewalt diskutiert wurde. Klemke hält das Wort "Neonazi-Kreise" für zu unklar. Schön wehrt sich, es wird persönlich. Man kann ihn so verstehen, als beziehe er den Begriff jetzt auch auf Klemke. Der fragt empört: "Wen meinen Sie denn? Mich?" Schön antwortet: "Überprüfen Sie mal Ihre eigenen Aktivitäten und die Ihrer Kollegin!" Es ist eine Anspielung darauf, dass Klemke nicht zum ersten Mal einen Mandanten aus der rechten Szene verteidigt und seine Kollegin Nicole Schneiders früher aktiv in der NPD war. Klemke droht Schön mit einer Anzeige, der zeigt sich unbeeindruckt. Er sei gegen "Scheinheiligkeit". Richter Götzl lässt pausieren und erinnert Schön daran, dass es im Moment ja nicht um Herrn Klemke gehe, sondern um Carsten S.: "Wir wollen die Sache jetzt versachlichen." S. kann also weiter befragt werden. Ein Anwalt will wissen, ob S. eine Verantwortung dafür spüre, dass er den Behörden nicht früher etwas mitgeteilt habe, das zur Festnahme der NSU-Mitglieder hätte führen können? "Ja", sagt Carsten S., ohne Zögern.

Der kühle Zauderer: Beim US-Präsidenten regiert nur noch der blanke Realismus

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Obamas Rede in Berlin: Obama, der Rüstungskontrollfachmann, Obama, der Nüchterne.

Barack Obama ist bescheiden geworden. Nur vier Jahre ist es her, da stand er auf dem Prager Hradschin und verkündete ein ehrgeiziges Vorhaben. Er wolle, so versprach Obama, eine "Welt ohne nukleare Waffen" erreichen - ein idealistisches, fast tollkühnes Ziel, das wohl nur ein junger, gerade erst ins Amt gewählter Präsident sich setzen kann.

Am Mittwoch stand Obama wieder vor einer historischen Kulisse in Europa, dem Brandenburger Tor, und wieder sprach er über Atomwaffen und Abrüstung. Doch dieses Mal verzichtete er auf einen großen Wurf. Sofern Russland mitziehe, sei Amerika bereit, die Zahl der einsatzbereiten Atomsprengköpfe von derzeit gut 1500 auf etwa 1000 zu senken, schlug der Präsident vor - ein simpler Deal. In Prag hatte Barack Obama, der Visionär, gesprochen. In Berlin sprach Obama, der Rüstungskontrollfachmann.



US-Präsident Barack Obama zeigt sich nach seiner Rede euphorisch.

Am Inhalt des neuen Abrüstungsvorschlags gibt es nichts auszusetzen. 1000 Nuklearsprengköpfe sind immer noch genug, um die Welt zu verwüsten. Vermutlich würden ein paar Dutzend Atombomben reichen, um jeden Feind, der sich abschrecken lässt, von einem Angriff auf die USA abzuhalten. Der Rest kann getrost in die Schrottpresse. Die Sicherheit Amerikas setzt Obama also nicht aufs Spiel, auch wenn die Atomwaffenlobby im Kongress genau das behaupten wird. Genauso wenig hat Moskau einen Grund, das Angebot abzulehnen. Russland leidet noch viel mehr als die USA unter den gigantischen Summen, die das Atomarsenal kostet. Andererseits: So, wie sich Präsident Wladimir Putin derzeit benimmt, wird er bestimmt einen Weg finden, um dem US-Kollegen in die Suppe zu spucken.

Obamas Ansprache wird kaum als eine seiner großen Reden in die Geschichte eingehen. Dafür war sie zu matt. Da sprach kein Heilsbringer, sondern ein Politiker, der weiß, was er einem Berliner Publikum schuldig ist. Doch gerade diese Nüchternheit, der Verzicht auf große Visionen, ist inzwischen symptomatisch für die gesamte Außenpolitik des Präsidenten.

Vier Jahre ist Obama jetzt im Amt, und vielleicht steckte hinter dem Idealismus, den er zu Beginn versprühte, tatsächlich einmal mehr als Naivität und schöne Rhetorik. Vielleicht wollte er wirklich Amerika und die Welt versöhnen. Heute ist von diesem Anspruch wenig übrig - nicht in Obamas Reden und schon gar nicht in seiner Außenpolitik. Was immer Obama früher war - heute ist er der wohl am wenigsten sentimentale Realpolitiker, der Amerika seit langer Zeit regiert hat.

Man kann es noch schärfer formulieren: Obamas Außenpolitik fehlt eine emotionale Dimension. Der Mann betreibt puren Pragmatismus, geleitet von Interessen, begrenzt allenfalls von völkerrechtlichen Leitplanken. Das muss nicht falsch sein. Die Außenpolitik seines Vorgängers George W. Bush war pure Emotion, eine Mischung aus Großmannssucht und Selbstgerechtigkeit. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 kamen Rachdurst und die selbst auferlegte moralische Mission hinzu, der ganzen Welt Freiheit bringen zu wollen. Bush war stolz, Entscheidungen aus dem Bauch zu treffen. Als es um Krieg und Frieden ging, ging das schrecklich schief.

Obama tickt anders, auch wenn er genauso viel von Freiheit redet wie Bush. Obama dreht und wendet und begutachtet ein außenpolitisches Problem. Wenn er alle Argumente abgewogen hat, entscheidet er. Das führt zu einer sehr rationalen, manchmal zögerlichen, aber nicht zu einer empathischen Außenpolitik. Und es kann dazu verleiten, moralische Aspekte als weniger wichtig abzutun.

Obama sprach in Berlin zwar viel von Frieden und Gerechtigkeit, zum Beispiel in der arabischen Welt. Seine Politik dort aber folgt vor allem dem Interesse, die USA aus dem Chaos herauszuhalten. Dass nun ein Freihandelsabkommen den neuen Kitt bilden soll, der Amerika und Europa verbindet, passt gut zu Obama (und, nebenbei, auch zur ebenso nüchternen Kanzlerin Angela Merkel): Da geht es um Genmais und Industriestandards und neue Arbeitsplätze. Nicht um Gefühle.

Paradoxerweise haben viele Europäer, zumal die Deutschen, mit beiden Präsidenten ihr Problem. Sie verachteten Bush als tumben Cowboy. Und der kalte Analytiker Obama, der Terrorverdächtige von Drohnen töten lässt und dessen Geheimdienst das Internet überwacht, ist ihnen auch nicht mehr geheuer. Die Europäer sehnen sich danach, dass Amerika sie respektiert und ernst nimmt. Aber sie werden nervös, wenn Amerika seine Rolle als Weltmacht nicht nur darin sieht, den Klimawandel zu bekämpfen, sondern auch Islamisten in Afrika. Obama hatte für diese Kritiker eine Botschaft parat: Die Mauer ist weg, aber die Geschichte ist nicht zu Ende. Die Welt ist immer noch gefährlich.

Teure Bequemlichkeit

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Retouren von Internetbestellungen könnten künftig Geld kosten.


München - Ob die Schuhe bequem sind? Der Pullover weit genug? Das fragen sich viele, wenn sie im Internet einkaufen. Und bestellen gleich mehrere Größen, es kostet die Kunden ja meist nichts, zurückzuschicken, was nicht passt. Im kommenden Jahr könnte sich das ändern. Wenn auch erst mal nur auf dem Papier.

Der Bundestag hat vergangene Woche ein Gesetz verabschiedet, um die Verbraucherrichtlinie der Europäischen Union in deutsches Recht umzusetzen. Darin geht es auch um den Online-Handel. Bislang kann ein Internet-Händler Kunden für den Rückversand bezahlen lassen, wenn der Wert der bestellten Ware unter 40 Euro liegt. Mit dem neuen Gesetz, das am 13. Juni 2014 in Kraft tritt, fällt diese Grenze weg. Läden im Internet können also bestimmen, dass der Kunde den Rückversand immer übernehmen muss. In einer Umfrage hat das Unternehmen Trusted Shops, das Online-Händler zertifiziert, herausgefunden, dass über die Hälfte von ihnen die Kosten künftig weitergeben will.



Retoursendungen könnten in Deutschland bald immer etwas kosten.

Für viele Kunden wird die neue Regelung zunächst aber keine Auswirkungen haben. Denn nach wie vor können Unternehmen ihre Kunden besser behandeln, als es das Gesetz vorsieht - und für sie die Kosten übernehmen. Die großen Online-Händler machen das seit langem, bei den Internetläden der Elektronikmärkte Media Markt und Saturn beispielsweise müssen Kunden die Kosten nur übernehmen, wenn sie fehlerfreie Ware im Wert von unter 40 Euro zurückschicken. Auch Amazon erhebt in Deutschland eine Gebühr von 3,50 Euro nur dann, wenn Kunden ihre Bestellung zurücksenden, obwohl sie nicht beschädigt ist, weniger als 40 Euro gekostet hat und es keine Kleider und Schuhe sind. Weder Amazon, noch Media-Saturn, Otto und Zalando planen, das zu ändern. Der kostenlose Versand und Rückversand sei ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal, heißt es bei Zalando. Dieter Urbanke, Chef von Hermes Fulfilment, der Logistiktochter des Otto-Konzerns, gibt sich überzeugt, dass kein großer Händler den Kunden die Rücksendekosten in Rechnung stellen wird. "Wer Retouren erschwert, reduziert eher die Nachfrage als die Retourenquote", sagt er. Mit der Neuregelung würden die Retourenkosten ein noch größerer Wettbewerbsfaktor im Online-Handel.

Trusted Shops sprach für die Umfrage mit mehr als 250 Online-Läden. 150 davon setzen im Jahr aber nur bis zu 500000 Euro um. Es sind die kleinen Anbieter, die Rücksendekosten am deutlichsten spüren. Es wird schwer für sie sein, ihre Kunden dafür bezahlen zu lassen. Die könnten einfach auf Händler mit kostenlosem Rückversand ausweichen. Eine Umfrage von TNS Emnid kommt zu dem Ergebnis, dass mehr als die Hälfte der Interneteinkäufer nicht mal mehr in ihrem liebsten Online-Shop kauften, müssten sie Retourkosten selbst bezahlen.

Land im Zwiespalt

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In 'Promised Land' packen Matt Damon und Gus Van Sant ein heißes Thema an - Fracking wirft in Amerika existenzielle Fragen auf. So einfach wie im Kino ist die Lösung aber nicht.


Es gibt kaum einen Regisseur, der das Thema Identität mit einer solchen Souveränität beherrscht wie Gus Van Sant. Vor allem, weil er es immer wieder schafft, Schauspieler wie River Phoenix, Matt Damon oder Sean Penn auf Selbstfindungstrips ins Ungewisse zu schicken. Eine Hollywood-Katharsis zum Schluss, die alles wieder sauber aufräumen könnte, hat er seinen Protagonisten meist verweigert.

"Promised Land", Van Sants neuer Film, funktioniert etwas anders. Zum einen gibt es da ein klares Ende. Das soll nicht verraten werden. Der Film hat zwar schon viele Verrisse bekommen, aber so schlecht ist er nicht, und die Drehs und Wendungen gegen Ende des zweiten Akts sind der Clou. Was aber natürlich auch ein Zeichen dafür ist, dass sich Van Sant diesmal auf Konventionen eingelassen hat.



Matt Damon zu sehen im neuen Gus Van Sant.

Zum anderen geht es in "Promised Land" nicht um Identität, sondern um große Politik. Genauer gesagt um Fracking, eine Technik, bei der Wasser und Chemikalien mit Hochdruck in tiefgelegene Gesteinsschichten gepresst werden, um Öl und Gas daraus zu gewinnen.

Weltweit ist Fracking in den letzten Jahren zu einer neuen Chiffre des immerwährenden Kampf des Volkes gegen den Kapitalismus geworden. Nicht zuletzt, weil in Pennsylvania Wasser aus ganz normalen Leitungen Feuer fing, nachdem bei Fracking-Bohrungen Gas ins Grundwasser gelangt war. Und seit der Cuyahoga River in Ohio 1969 Feuer fing, weil er so verschmutzt war, ist brennendes Wasser für die amerikanische Umweltbewegung so etwas wie der brennende Dornbusch für die Israeliten - das Signal zum Aufbruch.

Die Geschichte, die Gus Van Sant nun erzählt, um die Problematik des Frackings auf den Punkt zu bringen, dreht sich um Steve Butler (Matt Damon). Der zieht für den fiktiven Energiekonzern Global Crosspower Solutions durch Amerika und schwatzt verarmten Farmern Schürfrechte ab, damit die Firma unter ihrem Land fracken darf. Das kann er gut, da ist er einer der Besten - weil er selbst aus so einem Nest stammt, dem die Industrialisierung der Landwirtschaft die wirtschaftliche Grundlage geraubt hat.

Gemeinsam mit seiner Kollegin Sue Thomason (Frances McDormand) kommt Butler in einem Farmstädtchen in Pennsylvania an. Nachdem er schon einige Farmer unter Vertrag hat, beschließt die Bevölkerung, in einem kritischen Bürgerentscheid über das Angebot des Konzerns abzustimmen. Außerdem taucht der Umweltaktivist Dustin Noble (John Krasinski) auf, dessen Landburschen-Charme noch überzeugender ist, und macht Stimmung gegen den Energieriesen.

Die erzählerische Routine, die sich durch den Film zieht, wurzelt in der langen Arbeitsfreundschaft zwischen Gus Van Sant und Matt Damon. Damon hat gemeinsam mit John Krasinski das Drehbuch zu "Promised Land" geschrieben. Eine vertraute Konstellation. Vor gut fünfzehn Jahren begann Damons Aufstieg in Hollywood damit, dass er gemeinsam mit Ben Affleck das Oscar-prämierte Drehbuch zu "Good Will Hunting" schrieb. Van Sant übernahm die Regie, Damon und Affleck spielten die Hauptrollen.

Die Routine ist hier das Problem. Für "Promised Land" werden Damon und Krasinski keine Oscars bekommen. Krasinski, der in den USA aus der (grandiosen) Fernsehserie "The Office" bekannt ist, wird auch nicht in die nächste Hollywood-Liga aufrücken. Dabei haben sie gemeinsam durchaus eine Spur zur Zwiespältigkeit der Fracking-Debatte gelegt.

Die Drehs und Wendungen stellen immer wieder die Loyalitäten des Publikums in Frage. Ist der Schutz des Landes nun wichtiger - oder das Überleben der Farmer? Der Film entscheidet sich zum Schluss, mit einem schlichten Ende und einer gehörigen Portion Pathos. Die politischen Erwartungen von Van Sants Stammpublikum erfüllt er durchaus - doch es bleibt ein Gefühl der Leere. Weil einem die künstlerischen Erwartungen bei einem Van Sant-Film eben wichtiger sind als umweltpolitische Impulse.

Dabei hätte kein Regisseur die Zwiespältigkeit der Fracking-Debatte besser aus seinem Werk heraus entwickeln können. Für die USA hat das Thema ja nicht nur umweltpolitische, sondern historische Dimensionen. Mit Hilfe des Frackings könnten die USA den Zustand der geopolitischen Glückseligkeit erreichen - die Unabhängigkeit von ausländischen Energiequellen. Die Gedankenkette, die daraus folgt, macht es schwer, sich in der Debatte ideologisch zu entscheiden.

Würden die USA die energiepolitische Unabhängigkeit erlangen, wäre ihre Interesse an den Ölquellen im arabischen und vorderasiatischen Raum Makulatur. Damit könnten sich weltpolitische Konflikte entschärfen - wenn auch durch wirtschaftliche Entmachtung für die meisten Ölstaaten, deren innenpolitische Destabilisierung dann schwer abzusehen wäre. Gleichzeitig könnten die USA ihre militärischen Ausgaben senken und mit diesen Geldern - und der Brückentechnologie des Fracking - die Führung in der globalen Energiewende übernehmen. Wenn sich die Nation auch von der Ideologie der fossilen Energiegewinnung lösen könnte.

Erzählerisch hätte der identitätspolitisch versierte Gus Van Sant so viel Zwiespältigkeit durchaus meistern können. Ein Jammer, dass er sich ausgerechnet jetzt auf die Sicherheit der Routine besann.

Promised Land, USA 2012. Regie: Gus Van Sant. Buch: Matt Damon, John Krasinski. Kamera: Linus Sandgren. Mit Matt Damon, John Krasinski, Frances McDormand. Verleih: Universal, 106 Min.

Die Welt will betrogen bleiben

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Fälschungs-Skandal: Die Polizei fahndet nach Kunden.

Eigentlich sieht so ein glückliches Ende aus: "Bundeskriminalamt zerschlägt international agierenden Ring von Kunstfälschern" begann eine stolze Pressemitteilung, die vergangene Woche vielleicht einen der weltweit größten Kunstfälscher-Skandale erstmals öffentlich machte. Mehr als tausend Werke wurden sichergestellt, zwei von sechs Verdächtigen sitzen in Untersuchungshaft und die Namen der gefälschten Künstler lesen sich wie eine Auflistung der teuersten Maler der russischen Kunstgeschichte: Kandinsky, Malewitsch, Gontscharowa, Larionow, Jawlensky. Der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, sprach von einem "wichtigen Schlag". Bevor 100 Beamte zu so einer Razzia aufbrechen, müssen sie monatelang die Bande observiert, ihren E-Mail-Verkehr überwacht und Telefone abgehört haben. Doch ist das schon das Ende der Story?



Mehr als tausend gefälschte Bilder wurden sicher gestellt.

Auch wenn die mutmaßlichen Fälscher hinter Gittern sitzen und ihre Lager sichergestellt sind, laufen die Ermittlungen weiter. Zwar klingt es nach veritablem Betrug, wenn die Ermittler den Tätern vorwerfen, in den Jahren 2011 bis 2013 "mutmaßlich gefälschte Gemälde für insgesamt über zwei Millionen Euro an Kunden in Deutschland und Spanien verkauft zu haben". Doch wer sich mit den Preisen für diese Kunst auskennt, kann sich ausrechnen, dass es sich um nicht mehr als eine Handvoll von Fällen handelt. Denn es waren vor allem Gemälde, die von der Polizei aus dem Bretterverschlag einer Lagerhalle und einem Wiesbadener Galerie-Gebäude, abtransportiert wurden. Und die erzielen, wo sie mit guter Herkunft und gesicherter kunsthistorischer Expertise von internationalen Auktionshäusern aufgerufen werden, durchaus Zuschläge im zweistelligen Millionenbereich. Wären die insgesamt knapp 1500 Werke vermarktet worden, hätte sich schnell ein Gesamtwert von einer Dreiviertel Milliarde Euro ergeben.

Doch ist davon auszugehen, dass von den mutmaßlichen Verdächtigen, es handelt sich offensichtlich um den ehemaligen Inhaber der SNZ Galeries, den 67-jährigen Israeli Itzhak Z. und seinen 41-jährigen Geschäftsführer Moezi Ben H., nicht viel zu erfahren ist. Die Ermittler müssen jetzt also eifrig die sichergestellten Akten und Geschäftsbücher durchforsten und mutmaßliche Kunden vorladen, mitsamt den zweifelhaften Werken. Denn ohne den Nachweis, dass gefälschte Bilder den Besitzer wechselten, wird aus den Ermittlungen kein Gerichtsverfahren und keine Verurteilung werden. Der Besitz auch von ein paar hundert oder Tausenden nachweislich falschen Gemälden ist nicht strafbar, so lange man sie nicht verkauft oder öffentlich einem bestimmten Künstler zuschreibt. Man wird die Expertisen, die von Gutachtern wie dem Bornheimer Institut Jägers oder russischen Kunsthistorikern wie Maria Valyaeva erstellt wurden, genau lesen, die sicher gestellten Werke auf ihre Echtheit überprüfen. Doch die Ermittler müssen belegen, dass vermeintliche Meisterwerke zum Verkauf bestimmt waren, dass sie unter den Namen bedeutender Künstler angeboten und gehandelt wurden.

Dieser Umstand erklärt, warum die israelische Polizei, die wohl 19 Verdächtige verfolgte, Deutschland um Amtshilfe bitten musste. Denn so paradox das klingt: Ateliers samt angeschlossener Bibliotheken und Archive, in denen Maler sorgfältig angeleitet werden, wie eine jeder Analyse standhaltende Komposition auszusehen hat und welche verschollenen Gemälde sich vielleicht als Vorlage gut eignen, hoch professionell arbeitende Fälscher-Werkstätten also, sind nicht verboten.

Sollten Banden russische Kunstfälscher nach Israel ausgeflogen haben, wie Experten seit Jahren vermuten, damit diese, unbehelligt vom Zoll direkt den westlichen Markt beliefern, hat die Polizei kaum Handhabe, so lange in Israel nur gemalt wird. Die Zusammenarbeit mit Behörden in der Schweiz, wo man wohl auf Konten der Bande gestoßen ist, und Deutschland, wo die mutmaßlichen Verdächtigen nach der Schließung der Galerie SNZ noch einmal ein Geschäft eröffneten, das erst in den vergangenen Monaten die Arbeit einstellte, war von zentraler Bedeutung.

Nun sollte man annehmen, dass die Geprellten in Wiesbaden vorstellig werden. Immerhin geht man davon aus, dass seit 2005 gut 400 Werke verkauft wurden. Doch dass sich Betrogene an der Aufklärung beteiligen, ist die Ausnahme. Warum? Zum einen werden sie sich blamiert fühlen, wenn die kostbare Avantgardistin, die sie sich über den Esstisch gehängt haben, sich als Fälschung entpuppt. Und so lange man diese nicht als falsch abschreiben muss, kann man sich noch in der Illusion wiegen, man habe ein echtes Werk erworben.

Das ist die wohlmeinende Auslegung der Zurückhaltung potenzieller Opfer gegenüber den Behörden. Denn einige aus dem Kundenstamm der nicht eben florierenden Galerie werden derzeit sicher kühl Chancen und Risiken abwägen. Es sind ja nicht nur Kunstliebhaber, die raffgierig auf die Echtheit günstiger Kunstwerke spekulieren. Wer sich im grauen Kunstmarkt auskennt weiß, dass hier häufig Schwarzgeld geparkt wird. Zudem könnten sich Käufer, die wissentlich zu günstig zugegriffen haben, vielleicht sogar der Hehlerei schuldig gemacht haben.

Es sind wohl sieben Werke, aus deren Verkauf sich die Summe von zwei Millionen Euro Umsatz ergibt - wer aber für ein Gemälde von Malewitsch, für eine Popova oder Gontscharowa nicht mehr als ein paar Hunderttausend Euro zahlt, sollte ahnen, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, auch wenn die Galeristen anrührend von russischen Vorfahren oder armen Künstlerwitwen fabulieren. Wobei der Ton rauer gewesen sein muss, in dem hier Kunstgeschichte verhandelt wurde. Mitarbeiter von Auktionshäusern, die Einlieferungen der Galerie SNZ ablehnten, erinnern sich an Beschimpfungen. Ein Kunsthistoriker, der Werke in einer Ausstellung kritisiert hatte, fand anonyme Drohungen auf seinem Anrufbeantworter. Die Nummer führte nach Deutschland.


Die Welt auf dem Steckenpferd

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Eine Ein-Mann-Redaktion macht höchst erfolgreich Mediensatire im Netz: Zu Besuch beim Grimmepreis-nominierten "Postillon".

Stefan Sichermann gibt in seinem Esszimmer einen seiner seltenen Liveauftritte. "Eine Packung Zucker enthält wirklich erschreckend viel Zucker", sagt er ernst. "Klar, es ist beschriftet, aber rechtfertigt das, dass da 100 Prozent Zucker drin sind?" Sichermann, 32, ist Chefredakteur des Postillons, der größten Mediensatire im Netz. Sichermann hat keine Abonnenten, aber fast 140000 Facebook-Fans. Viele von ihnen vermuten eine ganze Mannschaft hinter ihrer Lieblingsseite. Doch Sichermann ist alleine. Chefredakteur, Systemadministrator, Webdesigner, Gagautor, Fotoredakteur, Leserbriefbeantworter, Rechtschreibprüfer, Social-Media-Beauftragter, Anzeigenakquisiteur - und das alles sehr erfolgreich: Er ist einer der wenigen Blogger in Deutschland, der von den Werbeerlösen seiner Arbeit leben kann.



Hinter der erfolgreichen satirischen Seite Postillon, steht nur ein Mann.

Eine Million Besucher hatte der-postillon.com im Mai, etwa genauso viel wie der Internetauftritt des Satiremagazins Titanic. In der Netzgemeinde ist der Postillon beliebt, in den deutschen Blogcharts steht er seit Monaten auf dem ersten Platz, gemessen anhand der Social-Media-Reichweite. Seine Postings werden öfter auf Facebook geteilt als alle Artikel auf Tagesschau.de oder FAZ.net zusammen.

Das ist hart erarbeitet. Nach dem Studium beginnt er bei einer Werbeagentur in Hamburg zu texten, seinetwegen fahren Laster mit dem Astra-Logo und dem Aufdruck "Artgerechte Bierhaltung" durch die Stadt. Ein Kollege erzählt ihm, wie cool es sei, einen Blog zu haben. Ende 2008 schreibt er erste Beiträge ("Fakir im Schlaf verbrannt: von Nagelbettentzündung überrascht") und sichert sich die Webadresse der-postillon.com. Oft entstehen die Artikel in der Mittagspause. 2011 macht er sich selbständig, zieht nach Bayern, bekommt einen Gründerzuschuss und später ein Kind.

Die Redaktion des Postillon liegt nahe der Fürther Innenstadt. Etwa um neun Uhr setzt sich Sichermann in den Raum, der das Kinderzimmer wird, wenn das Baby größer ist, und fährt den Rechner hoch. Dann liest er Nachrichten und sucht den Aufhänger für den Artikel des Tages. Nach rund 2500 Veröffentlichung weiß er, was funktioniert: Die Artikelüberschriften sind oft ironische bis zynische Zwischenrufe zum Zeitgeschehen. Diese Woche etwa: "Erdogan lässt Demonstranten so lange verprügeln, bis sie aufhören, ihn als autoritär zu bezeichnen". Zum Transfer des Bundesligaspielers Mario Götze: "FC Bayern München kauft Borussia Dortmund komplett für 550 Millionen". Nach dem Boston-Attentat: "Syrische Bürgerkriegsopfer planen Marathon, um endlich wieder in die Medien zu kommen".

Die Artikel sind mit dem Kürzel "dpo" gekennzeichnet, in Anlehnung an die Nachrichtenagentur dpa. Sichermann betreibt Medienpersiflage, von Anfang an hat er sich an The Onion orientiert. Die US-Zeitung verbreitet seit den 1980er Jahren falsche Schlagzeilen. In Zeiten, in denen Nachrichten über immer mehr Kanäle verbreitet werden, hat sich daraus ein im Netz beliebtes Genre entwickelt. Neben dem Postillon gibt es in Deutschland noch Der Kojote, Leser von NewYorker.com wundern sich über die Meldungen im satirischen "Borowitz Report", die China Daily Show persifliert die chinesische Politik. Die falschen Nachrichten posten manchmal auch nur Nonsens, doch oft erschließt sich der Humor nur, wenn man die gesellschaftlichen Themen der Gegenwart kennt.

Sichermann hat nie programmieren gelernt. Wie man eine Webseite zusammenfrickelt, hat er sich ergoogelt. Das Logo, ein Posthorn und ein Steckenpferd, hat seine Freundin gezeichnet. Als er einmal in einer Testversion der Website ein neues Layoutelement ausprobieren will, aktiviert er es plötzlich für die ganze Website. Blöd - denn es funktioniert noch nicht, die Seite ist im Eimer und damit versiegt auch seine Einkommensquelle, die Anzeigenerlöse. In sozialen Netzwerken fragt er nach Hilfe, unter der Marke Postillon - und merkt, wie stark die Fangemeinschaft ist. Computerspezialisten melden sich, mailen Tipps und ihre Telefonnummern. Am späten Abend läuft der-postillon.com wieder.

Unterricht in Medienrecht bekam Sichermann in den Anfangsjahren ausgerechnet von Kai Diekmann. Dessen Anwälte verlangten 2009, dass Sichermann das Twitter-Profil löschte, mit dem er unter dem Namen "DerChefred" und mit Diekmann-Foto den Bild-Boss parodierte. "Heute würde ich da nicht klein beigeben", behauptet Sichermann.

Seit Januar gibt es den Postillon morgens auch auf Bayern 3, organisiert und eingesprochen vom Comedian Thieß Neubert. Zusammen mit Sichermann hat er auch Pilotfolgen eines Videoformats produziert, für das sie gerade Geldgeber suchen. Neubert moderiert, Sichermann bleibt hinter der Kamera. "Ich bin die Rampensau", sagt Neubert. Auch redaktionell baut der Postillon aus, Sichermann hat mittlerweile einen freien Mitarbeiter. Dan Eckert studiert in Heidelberg und mailt seine Artikelideen nach Fürth, Sichermann bestellt oder lehnt ab. Telefonate finden beide unnötig. Eckert passt gut zu Sichermann, auch er ist ruhig, besonnen, sarkastisch. "Ich würde mich nicht als lustig bezeichnen", sagt Eckert. Die Syrien-Marathon-Überschrift ist von ihm.

Vielleicht muss Sichermann, der nicht so gerne in der Öffentlichkeit steht, an diesem Freitag doch auf die Bühne. In Köln wird der Grimme-Online-Award vergeben, der Postillon ist nominiert. Natürlich in der Kategorie "Information".

Fernfummeln mit haarigen Beinen

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Wieder mal eine neue Erfindung, die Fernbeziehungspaaren die getrennte Zeit versüßen soll - diesmal ist es eine vibrierenden Unterhose. Außerdem in der aktuellen Topsexliste: haarige Beine als Abwehrmechanismus, Abtreibungswitze und eine feministische Taylor Swift.

Juhu, Fernfummeln!
Es wurde ja schon viel erfunden, um Paaren in Fernbeziehungen ihre Trennungsphasen zu erleichtern. Zum Beispiel das Herzschlag-Kissen oder der Wärme-Licht-Vibrations-Würfel „Cubble“. Ein bekannter Kondomhersteller fügt diesem bunten sich-in-der-Ferne-nah-fühlen-Strauß eine weitere seltsame Blüte hinzu: Die „Fundawear“. Das ist Unterwäsche mit winzigen Vibrations-Sensoren drin, die per Handy-App aktiviert werden. Das Paar zieht also Slips und BH an, telefoniert miteinander und wischt dabei auf der Abbildung der Unterwäsche des anderen herum, die er auf seinem Handy sieht. Diese Berührungen kann der Partner dann spüren. In einem kurzen Film erklären die Erfinder die Technik. Und ein Demo-Video zeigt, wie das Ganze in der Praxis aussieht. Den Reaktionen nach zu urteilen gestaltet sich das Vorspiel mit Fundawear aber weniger als Fernfummeln und mehr als Fernkitzeln.
http://www.youtube.com/watch?v=qb7DN3kpl2o

„Zieh dir was an, Kind!“



Slut Shaming ist ja bekanntlich überall. Zum Beispiel am Flughafen von Los Angeles. Dort war vor Kurzem ein 15-Jähriges Mädchen mit einer Reisegruppe unterwegs und als ihr Ausweis von einem Officer der TSA (Transport Security Administration) kontrolliert wurde, sagte der: "You're only 15, cover yourself!" Und hat jetzt eine Menge Ärger am Hals. Denn erstens trug das Mädchen keine besonders aufreizende Kleidung (und selbst wenn, wäre es nicht an ihm, das zu bekritteln) und zweitens ist diese Mädchen die Tochter von Mark Frauenfelder, Autor des Technik-Blogs „Boing Boing“. Der hat die Geschichte natürlich sofort veröffentlicht, woraufhin ihre Reise durchs Internet und ein kleiner Empörungssturm begannen. Die TSA hat auf die Beschwerde der Frauenfelders hin mittlerweile sogar eine Ermittlung gegen den Officer gestartet.

Apropos anziehen...



...irgendjemand nimmt den Gedanken „Die Wahl der Kleidung und der Grad der Attraktivität entscheiden darüber, ob man sexuell belästigt wird oder nicht“ wohl immer noch ernst. Zumindest wird auf Sina Weibo (dem chinesischen Zwilling von Twitter) gerade dieses Bild extrem haariger Frauenbeine herumgereicht. Die Beschreibung dazu lautet: „Super sexy, summertime anti-pervert full-leg-of-hair stockings, essential for all young girls going out.“ Strumpfhosen in Haar-Optik gegen Perverslinge auf der Straße? Hoffentlich meinen die das nicht ernst!

Statt über Abtreibung reden, lieber über Abtreibung lachen
So sehen das zumindest die Konservativen in den USA. Die haben kürzlich getagt, um Modelle zu entwickeln, mit denen sich junge Wähler gewinnen lassen. Die mögen nämlich trotz aller Obama-Probleme die Demokraten immer noch lieber als die Republikaner. Eine der Leitfragen der Konservativen-Konferenz lautet: “How do you make abortion funny?” Millenials, so der Gedanke, erreicht man nämlich am besten über Soziale Netzwerke und dort vor allem, wenn man witzig ist. Also muss eine Methode her, das Thema Abtreibung (beziehungsweise Ablehnung derselben) mit etwas Witz und Sarkasmus ins Netz zu streuen. Wie genau das aussehen soll, haben die Damen und Herren nicht verraten (vermutlich wissen sie es selbst noch nicht). In jedem Fall: Bleibt wachsam, eventuell wird das Internet bald mit geschmacklosen Abtreibungswitzen geflutet. Zumindest kann dann niemand sagen, wir hätten nicht davor gewarnt!

Zarte Männer
Statistisch bewiesen ist: Frauen leben meistens länger als Männer. Und das in jeder Altergruppe. Das heißt, auch Kinder oder Teenager, die sterben, sind in der Mehrzahl männlich. Das ist seltsam und es gibt einen Haufen Erklärungen dafür, die der Radiosender npr zusammengetragen hat – darunter natürlich auch der Klassiker „ungesünderer / gefährlicherer Lebensstil“. Eine Theorie ist den Kollegen von "Jezebel" dabei besonders aufgefallen: Die Wissenschaftlerin Barbara Kalben macht ganz einfach „männliche Schwäche“ für den früheren Tod verantwortlich. Sie zitiert einen Mediziner, der schon im Jahr 1934 schrieb: „the price of maleness is weakness." Jetzt wird also ein anderes Geschlecht zum schwachen Geschlecht. Bringt aber nix, gleich sind sie ja dann immer noch nicht. Seufz. 

Taylor Swift singt feministische Parolen



Nee, war nur ein Witz. Taylor Swift singt immer noch kleine-Mädchen-schwärmen-für-große-Jungs-Songs. Aber Clara Bayer, Swift-Fan und Feministin in einer Person, hat einen Twitter-Account gestartet, der sich „Feminist Taylor Swift“ nennt und die Songtexte in leicht geänderten Versionen verbreitet. Clara hört halt die Musik so gern, findet die Botschaft aber oft falsch. Darum macht sie aus Oh, I'm just a girl / Trying to find a place in this worldeinfachOh, I'm just a feminist girl / Trying to find a place in this world“. Die Sängerin selbst hat sich von der Aktion distanziert und der Presse gesagt, dass sie sich nicht als Feministin sieht. Wussten wir auch vorher schon.

Shake it like a...
Und zum Schluss: Etwas Werbung featuring viel Eiweiß!
http://www.youtube.com/watch?v=O0JBfqYLa8A

Mit jetzt.de zu den X-Games

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Nächste Woche beginnen die X-Games. Skate-Legende Tony Hawk wird sie mit einer exklusiven Halfpipe-Session eröffnen. jetzt.de hat Karten zu verschenken.

Tony Hawk ist die Lichtgestalt des Skatens. Erfinder zahlreicher Tricks, 16-maliger Gewinner der X-Games, Namensgeber einer eigenen Computerspiel-Serie, Unternehmer, Skate-Philantrop - die Aufzählung ließe sich noch eine Weile weiterführen. Er ist Vorbild und Inspiration für mehrere Generationen von Skatern und es ist anzunehmen, dass der vierfache Vater das auch noch tun wird, wenn seine Kinder selbst mal Kinder haben.



Tony Hawk

Deshalb ist es wohl ein logischer Schritt, dass die X-Games, die kommenden Donnerstag in München beginnen (hier erklären X-Games-Athleten in Interviews ihre Disziplnen), von Tony Hawk eröffnet werden: Mit der "Tony Hawk and Friends Show", einer Jam-Session mit Top-Skatern in der Halfpipe.

Für diese Show gibt es keine Karten zu kaufen, aber hier bei uns kann man sie gewinnen: Wir verlosen 15 mal zwei Tickets, drei weitere Gewinner und ihre Begleitung dürfen Tony Hawk nach der Show bei einem Meet & Greet persönlich kennenlernen.



Die Gewinner werden per E-Mail benachrichtigt.

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"Angst? Nur vor wütenden Frauen!"

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Kommende Woche starten in München die X-Games, mit Wettkämpfen in Disziplinen wie Skateboard Street, Freestyle Motocross und BMX. Wir haben vorab fünf der Extremsportler gebeten, uns ihren Sport näher zu bringen - mit allem, was dazu gehört, inklusive Knochenbrüchen.

Chad Kagy (34, USA), BMX-Freestyle Big Air




jetzt.de München: Beschreibe Deinen Sport jemandem, der ihn noch nie gesehen hat.
Chad Kagy: Wir fahren mit bis zu 70 Stundenkilometern auf eine etwa 27 Meter hohe Big-Air-Ramp zu, um eine Distanz von gut 20 Metern zu überspringen und in der Luft einen Trick zu machen. Anschließend schießen wir von einer sogenannten Quater-Pipe vier bis sechs Meter senkrecht in die Luft und machen noch einen Trick. Wenn alles geklappt hat, landen wir wieder auf beiden Reifen.
 
Und wenn’s nicht geklappt hat?
Nicht gut.
 
Welche Verletzungen hast Du davongetragen?
Ich habe etwas den Überblick über all die Knochen verloren, die ich mir bislang gebrochen habe. An die 15 Operationen kann ich mich aber ziemlich gut erinnern: Darunter waren ein gebrochenes Genick und ein gebrochener Oberschenkelknochen. Insgesamt habe ich 26 Metallteile in meinem Körper.
 
Wie, bitteschön, kommt man denn zurück, nachdem man sich das Genick gebrochen hat?
Ich kann’s nicht sagen. Es stand für mich einfach nie zur Debatte, aufzuhören. Als der Arzt mir nahelegte, einen anderen Job zu suchen, sagte ich ihm: „Das wird nicht passieren, also sag du mir, wann ich wieder fahren kann!“ Ich habe bei meinen vielen Therapien übrigens festgestellt, dass die Heilung maßgeblich von der psychischen Verfassung abhängt. Wenn ich mir das Genick also früher gebrochen hätte, wäre ich vielleicht psychisch noch nicht stark genug gewesen, um weiterzumachen.
 
Was ist der derzeit wohl schwerste Trick in Deiner Disziplin?
Das wirklich Coole am BMX-Freestyle ist: Wann immer wir denken, dass der krasseste Trick gerade gemacht wurde, kommt jemand, und erfindet etwas, das alles Bisherige in den Schatten stellt. Aktuell ist das wohl Zack Wardens „Backflip-Bikeflip“. . .
 
. . . den Du wohl erklären musst.
. . . das Fahrrad macht einen Salto und nachdem der Fahrer es wieder eingefangen hat, macht auch er noch einen Salto – womit das Fahrrad also auf insgesamt zwei Salti kommt. . .
 
. . . Bitte?
. . .Warte, das ist noch nicht der Punkt! Wie gesagt: In unserem Sport geht es um Weiterentwicklung. Du kannst mit demselben Trick nicht immer und immer wieder gewinnen. Nachdem Zack den Sprung also bei den ersten X-Games dieses Jahres ausgepackt hatte, baute er ihn beim nächsten Mal noch aus: Kurz vor der Landung trat er gegen sein Fahrrad, womit es auch noch einen „Tailwhip“ machte, sich also einmal um die Achse des Lenkers drehte.
 
Mit welchem Trick kämpfst Du selbst am meisten?
Mit einem doppelten Rückwärtssalto, bei dem ich in der Mitte des Fluges die Hände vom Lenker nehme. Der ist mir auf einer X-Games Air-Ramp noch nie geglückt.
 
Gibt es wenigstens abseits des Sports irgendetwas, vor dem Du Angst hast? Schlangen? Gewitter?
(lacht) Mein Sohn hat mich das vor ein paar Tagen auch gefragt. Und ich sagte ihm: „Sehen zu müssen, wie du dich so verletzt, wie ich es getan habe.“ Ich schäme mich jetzt etwas für das, was ich meiner Mutter zugemutet habe.
 
Was ist, wenn er auch BMX-Fahrer werden und über diese großen Rampen springen will?
Wie sollte ich es ihm schon verbieten? Solange mein Sohn etwas mit Leidenschaft tut, ist es für mich zu 100 Prozent akzeptabel.
 
Wie sieht ein gemütlicher Sonntagnachmittag bei Dir aus?
Ich fotografiere sehr gerne, besonders Landschaften. Und ich braue manchmal selbst Bier. Außerdem haben wir gerade einen Hundewelpen angeschafft. Der hält mich in Atem.
 
2. Brian Deegan (38, USA), Rallycross und Moto X Step Up




jetzt.de München: Beschreibe Deine Sportarten jemandem, der sie noch nie gesehen hat.
Brian Deegan: Step Up ist ein Hochsprungwettbewerb auf Dirtbikes. Die bauen uns eine große Ramp auf und wer über die mit dem Motorrad am höchsten springt, gewinnt. Der Sieger beim vergangenen Mal kam auf fast 18 Meter. Mit Rallycross dürften die Leute in Europa vertraut sein: Rennautos fahren im Kreis, eine Runde dauert etwa eine Minute. Allerdings fahren wir abwechselnd auf Beton und Schotter. Und es gibt ziemlich abgefahrene Sprünge.
 
Wie bist Du, als einer der berühmtesten Moto-X-Fahrer, denn zum Rallycross gekommen?
Ich bin älter geworden und habe nach etwas Sicherem fürs Altenteil gesucht (lacht). Mein Sponsor hat mich deshalb in ein Rennauto gesteckt und ich habe gleich im ersten Jahr einen Titel gewonnen.
 
Welche Verletzungen hast Du bis dahin davongetragen?
Ich habe mir die Beine gebrochen, die Arme, habe eine Niere verloren und die Milz. Drei Mal war ich fast tot.
 
Schon mal dran gedacht, aufzuhören?
Nicht wirklich. Seit ich ein kleines Kind bin, mache ich quasi nichts anderes. Es ist das einzige, was mich glücklich macht.
 
Warum gibt es bei den X-Games quasi keine Wettbewerbe für Frauen?
Viele der Sportarten sind sehr physisch. Deshalb gefallen sie Männern wohl besser. Es gibt jedenfalls deutlich weniger Frauen.
 
Wie oft trainierst Du?
Jeden Tag. Ich habe alles im Garten: Step-Up-Jump, Moto-X-Strecke, eine Schaumstoffgrube, um neue Sprünge zu üben. Außerdem gehe ich täglich ins Fitnessstudio und mache Jiu Jitsu und Mixed Martial Arts.
 
Wie sieht ein gemütlicher Sonntagnachmittag bei Dir aus?
Ich hänge am Swimmingpool ab. Aber ich habe eigentlich nie frei.


3. Manny Santiago (27, USA), Street League Skateboarding




jetzt.de München: Beschreibe Deinen Sport jemandem, der ihn noch nie gesehen hat.
Manny Santiago: Für uns wird ein Street-Parcours aufgebaut, der eine Art Mimikry einer echten Straßenarchitektur ist. In dem machen wir unsere Tricks und Richter beurteilen, wer das am besten tut. Das Ganze ist im Grunde der zum Scheitern verurteilte Versuch, dem Skaten Wettkampfbedingungen überzustülpen.
 
Warum zum Scheitern verurteilt?
Dafür muss man weit zurückgehen und erklären, was das Street-Skaten für uns alle bedeutete: Es ist ein Gefühl der Freiheit, ein Weg, dich in deiner eigenen Sprache auszudrücken – wann und wie du willst. Das in eine Arena zu verpflanzen und bewerten zu wollen, ist fast unmöglich.
 
Kannst Du erklären, warum Skaten, zumindest unter den übrigen Street-Sportarten, seit Jahrzehnten immer „cool“ geblieben ist?
Ich denke, dass der Einstieg erst mal leichter erscheint. Vielleicht kann man es sogar „demokratischer“ nennen: Anders als beim Fahrrad kann sich jeder auf ein Skateboard stellen und einfach losrollen. Und zumindest ich konnte dann nie mehr damit aufhören.

Hast Du Dich schon schwer verletzt?
Ich habe eher Abnutzungserscheinungen: Meine Sprunggelenke sind ausgeleiert, mein Knie tut weh. Dieser ganze Kram eben. Ach so: Und natürlich fehlt mir ein Zahn…
 
…was eine Art Markenzeichen ist. Wie hast Du ihn verloren?
Das war bei einem Amateur-Contest vor drei Jahren. Ich habe einen Trick unterschätzt und bin mit dem Gesicht auf einem Treppengeländer aufgeschlagen.
 
Wovor hast Du Angst?
Ich habe tierische Angst davor, dass mir das Skaten irgendwann plötzlich keinen Spaß mehr macht. Wenn ich die Leidenschaft dafür verliere, verliere ich mich selbst. Das Skaten war immer da – in guten und schlechten Zeiten. Ich weiß nicht, was danach kommen könnte.

 
4. Jackson Strong (21, Australien), Freestyle Moto X




jetzt.de München: Beschreibe Deinen Sport jemandem, der ihn noch nie gesehen hat.
Jackson Strong: Ich fahre Freestyle Moto X, was kurz gefasst bedeutet, dass ich mit einem Motorrad über eine Rampe springe und in der Luft einen Trick mache, an dem Punktrichter Schwierigkeitsgrad und Ausführung bewerten.

Ihr bekommt Haltungsnoten?
Ja. Eigentlich ist es ziemlich genau wie beim Bodenturnen (lacht).
 
Gibt es so etwas wie den schwersten Trick, an dem alle scheitern?
Nein, dafür entwickelt sich alles zu schnell. Aber einer der schwersten Sprünge ist mit Sicherheit der Vorwärtssalto. . .
 
. . . für den Du berühmt bist.
Trotzdem macht er mich fertig. Den versuche ich deshalb auch nur, wenn ich mich wirklich gut fühle.
 
Deine bisher schlimmsten Verletzungen?
Ich bin bislang von Schlimmerem verschont geblieben.
 
Keine Knochenbrüche? Keine Nahtoderlebnisse?
Ach so, ich dachte, Du meinst schlimmes Zeug. Knochen habe ich mir schon einige gebrochen.
 
Aber die zählen nicht?
Nicht wirklich. Sie bringen ein paar Wochen Urlaub. Zeit, etwas zu entspannen.
 
Du giltst als besonders furchtloser Fahrer. Gibt es trotzdem etwas, vor dem Du Angst hast?
Angst? Nur vor wütenden Frauen – und vor Frauen am Steuer.
 
5. Peter Henke (20, Deutschland), Mountainbike Slopestyle




jetzt.de München: Beschreibe Deinen Sport jemandem, der ihn noch nie gesehen hat.
Peter Henke: Das Ganze heißt Mountainbike Slopestyle und feiert sein Debüt bei den X-Games, was für den Sport ein großer Schritt ist. Wir machen im Grunde dasselbe wie BMX-Fahrer – aber auf größeren Hügeln und an Hängen: Wir springen über Hindernisse und machen dabei Salti, Drehungen oder wirbeln das Rad unter uns durch. Am Ende bewertet eine Jury, wer die höchsten Sprünge und die besten Tricks geschafft hat und wie flüssig das alles ablief.
 
Mit welchem Trick kämpfst Du gerade am meisten?
Ich trainiere momentan ziemlich hart den Double-Backflip. Den möchte ich bald mal im Wettkampf einsetzen. Ich muss dafür aber leider immer erst zu einer Foampit fahren, der Schaumstoffgrube, in der man neue Tricks gefahrloser ausprobieren kann.
 
Du hast also noch kein eigenes Trainingsgelände wie die meisten amerikanischen Fahrer?
Noch nicht. Die nächste Foampit ist ungefähr 400 Kilometer weg. Während der Saison brauche ich die aber auch nicht so dringend beziehungsweise bin ich dann oft in Städten, in denen ich ohnehin trainieren kann – mit den anderen Fahrern, was eh am meisten bringt.
 
Helft ihr euch tatsächlich noch gegenseitig bei den Tricks, oder lässt sich ab einem bestimmten Niveau keiner mehr in die Karten schauen?
Das ist eine richtig familiäre Atmosphäre. Im Wettkampf selbst will natürlich jeder gewinnen, aber trotzdem gönnt man dem anderen gute Sprünge und gibt Tipps.
 
Wie wichtig sind denn die X-Games für Dich?
Wahnsinnig wichtig. Ich bin in meiner Disziplin als einziger Deutscher am Start. Das ist auf jeden Fall das Highlight meiner bisherigen Karriere.
 
Kannst Du, wie viele der amerikanischen Fahrer, auch von Deinem Sport leben?
Reich werde ich bislang nicht damit. Aber solange ich noch zu Hause wohne, reicht es mir. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass es bald mehr wird. Leider hat mich eine Verletzung etwas zurückgeworfen.
 
Welche war das?
Im vergangenen Jahr habe ich mir den Mittelhandknochen gebrochen und ein halbes Jahr später die Speiche. Sonst bin ich bislang mit ein paar Bänderrissen und -dehnungen davongekommen. Eine Gehirnerschütterung hatte ich auch – von dem Tag weiß ich nicht mehr viel.
 
Bei welchen Tricks ist Dir das passiert?
Bei der Gehirnerschütterung bin ich zu kurz gesprungen und sehr hart auf dem Gesicht aufgeschlagen. Und den Mittelhandknochen habe ich mir eher unglücklich gebrochen, als ich bei einem Wettkampf auf Schnee ausgerutscht und mit dem Daumen am Boden hängengeblieben bin. Die Elle war richtig blöd: Da bin ich von einem Klettergerüst gefallen.
 
Warst Du wenigstens betrunken?
Nicht mal das.

Was, wenn Europa unwichtig wird?

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Brasilien, Russland und China wachsen. Europa ist Barack Obama hingegen nur 75 Stunden Besuchszeit wert. Wie werden wir damit klarkommen?

Obamas Besuch in Berlin war nicht mehr als bloße Routine. Ein kurzes Hallo, Bussi-Bussi mit Merkel und weiter geht’s in den Flieger. Gar als „nüchterne Freunde“ wurde das Verhältnis zwischen den beiden in der Süddeutschen Zeitung beschrieben.

In Anbetracht der Tatsache, dass die politische Weltordnung sich schon seit Jahrzehnten im Umbruch befindet, ist das auch nicht weiter überraschend. Europa hat massiv an politischer Relevanz und Macht verloren, verdrängt durch die aufstrebenden BRIC-Staaten – Brasilien, Russland, Indien und China.



Bloß nüchterne Freunde?

Darauf spielte auch schon, vor einem Jahr, eine fragwürdige Werbung der EU-Kommission an, die sofort zurück gepfiffen wurde, weil Kritiker ihr Rassismus vorwarfen. „The more we are, the stronger we are“, war die Message der EU. Im Video ist eine Frau in Kill Bill-Outfit zu sehen, die Europa repräsentieren soll. Umzingelt wird sie von ihren Feinden: einem  Capoeira-Moves beherrschenden Brasilianer, einem durch die Luft fliegenden Chinesen und einen Säbel schwingenden Inder. Eine sehr beunruhigende und zudem klischeehafte Sicht auf die Welt. 

Angenehm ist die Vorstellung natürlich nicht, dass man möglicherweise einmal von den Privilegien und der Macht wegtreten muss, die man in Europa epochenlang (und auf Kosten anderer) genoss. Für uns ist Europa immer noch irgendwie der Mittelpunkt der Welt – auch wenn sich sonst kein Schwein mehr dafür interessiert. Meine liebe Oma, eine klassische Bildungsbürgerin, hat mir neulich gesagt, dass wir europäischen Studenten mit den Asiaten einmal nicht mehr mithalten werden können. Diese seien einfach besser ausgebildet und haben außerdem die erfolgsversprechendere Arbeitshaltung. Hat meine Oma womöglich Recht? Sollte ich vielleicht schon Chinesisch-, Russisch und Indischkurse belegen? Was denkt ihr – wie wird sich die politische Weltordnung zukünftig verändern und wie wird sich das kulturell auf uns auswirken? Ist das jetzt schon spürbar?

Wie das Internet...Getränke sehr schnell kühlt

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Ein Lifehacker macht sein Leben mit einfachen Tricks ein bisschen besser. Das Internet ist voll von Lifehackern - wir sammeln ihre besten Tricks. Heute: Ein Tipp für heiße Sommertage und gegen den Durst.




Das Problem:
Eigentlich alles da: Der Tisch ist gedeckt, das Essen ist fertig, die Musik läuft und die Gäste kommen gleich. Was hast du vergessen? Achja, die Getränke! Und die sind jetzt natürlich ungefähr so warm wie der Raum (oder die Terrasse oder der Balkon), weil du sie nicht in den Kühlschrank gestellt hast. Dafür ist es jetzt auch zu spät, weil sie nicht schnell genug kalt werden.

Die Internet-Lösung:Salz. Wer Salz und Eiswürfel in einen Behälter mit Wasser gibt, kann Getränke darin ein- bis zwei Minuten baden und sie rasend schnell kühlen. Die chemische Reaktion zwischen Salz und Eis sorgt dafür. Wichtig nur: Es muss sehr, sehr viel Salz sein. Und das Getränk sollte sich natürlich möglichst in einer Flasche oder Dose befinden.

Hilft dir das? Wie kühlst du deine Getränke wenn es schnell gehen muss? Wenn du auch ein Lifehacker bist, kannst du gerne mitmachen: Sag uns, welche Tricks du anwendest

"Als Anwältin würde ich keinem raten, Whistleblowing zu betreiben"

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Seit Edward Snowden den "Prism"-Skandal enthüllt hat, reden wieder alle über Whistleblowing. Die Juristin Diana Imbach hat darüber ihre Doktorarbeit geschrieben und erzählt im Interview, was Whistleblower zu befürchten haben, was internes Whistleblowing ist und was aus Plattformen wie Wikileaks geworden ist.

Diana Imbach, 34, arbeitet als Rechtsanwältin in der Nähe von Basel in der Schweiz. Sie beschäftigt sich seit sechs Jahren mit Whistleblowing. Das Phänomen faszinierte sie schon lange bevor Bradley Manning verhaftet wurde, weil er Wikileaks unter anderem ein Video zugespielt haben soll, in dem US-Kampfhubschrauber in Bagdad vorsätzlich zwölf Zivilisten töteten. Ende 2011 hat sie ihre Doktorarbeit über Whistleblowing publiziert. Im Interview erklärt sie, warum Menschen wie Bradley Manning und der "Prism"-Whistleblower Edward Snowden wichtig für die Gesellschaft sind und warum man interne Meldestellen ausbauen muss. 

jetzt.de: Diana, wie hast du die Berichterstattung über denWhistleblower Edward Snowden verfolgt?
Diana Imbach:
Vor allem über die Tagespresse. Ich musste natürlich an meine Doktorarbeit denken und die Fälle, die mir bei meinen Recherchen begegnet sind. Snowden hat aber nicht in einem Unternehmen Interna ausgeplaudert, sondern Amtsgeheimnisse. Viele Schutzbestimmungen zielen primär auf Whistleblowing in Unternehmen ab und lassen sich in seinem Fall nicht anwenden.   

Warum ging er mit seinen Informationen über das Überwachungsprogramm
"Prism" gleich an die Medien und nicht über eine Plattform wie WikiLeaks?
Für die rechtlichen Konsequenzen spielt es keine Rolle, denn wenn ich mit einer internen geheimen Information an die Öffentlichkeit gehe, verletze ich grundsätzlich das Amtsgeheimnis beziehungsweise die Treue- und Loyalitätspflicht. Die Aufmerksamkeit wäre auf WikiLeaks wohl ähnlich gewesen, wenn dort etwas Brisantes veröffentlicht wird, ist es einen Tag später in allen Zeitungen. Aber in dem Video-Interview konnte er sich viel präziser ausdrücken.   

Braucht es Plattformen wie WikiLeaks nicht mehr?

Mit solchen Plattformen kann man viele Leute auf einmal erreichen. Ich halte sie für gefährlich, weil nicht immer klar ist, ob an den Hinweisen etwas dran ist. Für Whistleblower sind sie ebenfalls riskant. Ein Hinweis ist schnell abgeschickt, viele sind sich nicht bewusst, dass sie arbeits- und strafrechtlich verfolgt werden können. Als erstes muss man auf jeden Fall intern melden. Ich gehe aber davon aus, dass das im Fall von Edward Snowden keine Option war.    

Wie geht
"internes Whistleblowing"?
Man meldet einen Missstand innerhalb der eigenen Firma oder Organisation, jedoch nicht über den normalen Dienstweg. Das bedeutet, dass man an eine interne Stelle geht, zum Verwaltungsrat oder Geschäftsführer oder zu einer von der eigenen Firma oder Organisation bezeichneten externen Meldestelle.



Diana Imbach, Whistleblower-Expertin

Bringt das ohne den Druck von außen überhaupt etwas?
Wenn sich Unternehmen darauf einlassen, schon. In der Vergangenheit hat es aber auch schon oft nichts gebracht. In Japan gab es Fälle von Sicherheitsverstößen in Autofabriken oder Hygieneproblemen in Molkereien, die Arbeiter und Verbraucher gefährdeten. Intern wurden die Mängel gemeldet, passiert ist aber erst etwas, als ein Whistleblower damit an die Öffentlichkeit ging. Die Raumfähre "Challenger" explodierte, weil Dichtungsringe nicht sicher waren, obwohl die Mängel intern bei der NASA gemeldet waren. In solchen Fällen wäre es gerechtfertigt, an die Öffentlichkeit zu gehen. Noch besser wäre es, wenn bereits die interne Meldung Wirkung zeigt. Für das Unternehmen, weil sein Ruf nicht geschädigt wird und es kein Geld in Form von Bußen oder sinkenden Aktienkursen verliert. Für den Whistleblower, weil er seine Stelle nicht verliert oder anderweitig sanktioniert wird. Die Unternehmen sollten sich klar werden, dass interne Whistleblower keine Verräter sind, sondern oft Leute, die langfristig im Unternehmen bleiben und Missstände beheben möchten. Wichtig ist in jedem Fall, dass die Meldung rechtmäßig ist.

Was bedeutet das?

In der Schweiz und in vielen Ländern in Kontinentaleuropa muss man zuerst intern melden, danach zur zuständigen Behörde und darf erst dann an die Öffentlichkeit gehen. Der Whistleblower muss beweisen, dass er sich daran gehalten hat. An die Öffentlichkeit zu gehen ist nur gerechtfertigt, wenn ein höherwertiges Interesse Dritter oder der Öffentlichkeit das verlangt, wenn das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder die Umwelt in Gefahr ist.

Der deutsche Bundestag hat vor ein paar Tagen den gesetzlichen Schutz von Whistleblowern abgelehnt. Was tut sich anderswo in der Gesetzgebung für Whistleblower?
In Kontinentaleuropa gibt es in den meisten Ländern gar keine gesetzliche Regelung. In den Common-Law-Staaten wie den USA oder Australien gibt es schon länger erste Schutzbestimmungen. Dort ist die Gesellschaft viel offener für die Thematik.   

Wie sehen dort die Schutzbestimmungen aus?

In Australien sind Meldungen an die Aufsichtsbehörde grundsätzlich nicht verboten. Bei uns sind sie das, wenn man nicht zuerst intern meldet. In Australien und teilweise in den USA besteht ein absoluter Kündigungsschutz für Whistleblower. Bei uns kann man, wenn man zum Beispiel ein Geschäftsgeheimnis ausplaudert und das ein legitimes Whistleblowing war, trotzdem wegen der Verletzung des Geschäftsgeheimnisses strafrechtlich verfolgt werden. In Australien ist man dafür weder straf- noch zivilrechtlich verfolgbar. In Europa ist Großbritannien gewissermaßen der Musterschüler im Bereich Whistleblower-Schutz.   



Whistleblower leben oft gefährlich.

Was ist dort anders?

In Großbritannien sind Whistleblower bei rechtmäßigen Meldungen vor jeglichen Diskriminierungen durch den Arbeitgeber geschützt und haben Anspruch auf Entschädigung. Die Arbeitgeber müssen den Whistleblower unter gewissen Umständen wieder einstellen oder ihm eine gleichwertige Stelle anbieten. Auch Japan hat als Quasi-Civil-Law-Staat relativ früh Whistleblower-Schutzbestimmungen erlassen. Dort wird man aber, wie in der Schweiz und in Deutschland, eher als Verräter angesehen, wenn man einen Missstand meldet.

In den USA dagegen werden Whistleblower oft als Helden gefeiert. Woran liegt das?

Bei uns ist die Haltung: Wenn dir was nicht passt, such dir eine neue Stelle. In den USA sagt man eher, was man denkt, und das wird auch eher akzeptiert. Dort wird Whistleblowing unter Umständen sogar mit Geld belohnt: Wenn man zum Beispiel einen Fall von Steuerhinterziehung meldet, kriegt man einen Teil der zurückgeführten Vermögenswerte, der UBS-Whistleblower Bradley Birkenfeld bekam 104 Millionen US-Dollar. Und es hängt auch mit der Berichterstattung zusammen: Die frühere Enron-Managerin Sherron Watkins deckte in ihrer Firma Unregelmäßigkeiten in der Bilanzierung auf und wurde von der New York Times als Heldin gefeiert. Bei uns wird oft primär über die Verfehlungen des Whistleblowers berichtet und erst in einem zweiten Schritt über den Missstand, den er aufdecken wollte.

Woher kommt diese Haltung?

Uns ist es viel wichtiger, was das Umfeld von einem denkt. Man petzt nicht, das lernt man schon im Kindergarten.    

Whistleblowing ist aber doch etwas anderes als Petzen.

Am Ende ist es eine Sache der Betrachtung. Der Arbeitgeber oder die Person, die den Missstand verursacht hat, wird immer der Meinung sein, dass es Verrat ist. Aber für den Whistleblower war das, was er getan hat, das einzig Richtige. In vielen Definitionen steht, dass man nur von Whistleblowing reden sollte, wenn man primär altruistische Motive hat. Meines Erachtens spielt es keine Rolle, aus welcher Intention heraus Missstände gemeldet werden. Wenn sie bestehen, müssen sie beseitigt werden.   

Was kann man von den Ländern lernen, die Whistleblower schützen?
Sich bewusst zu machen, dass es Situationen gibt, in denen eine Meldung gerechtfertigt ist. In Australien hat man 2002 gesetzliche Schutzbestimmungen erlassen und externes Whistleblowing gefördert, weil man gemerkt hat, dass es für die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität sehr wichtig ist. In den USA müssen Unternehmen, die an der Börse notiert sind, interne Meldestellen einrichten. Das ist ein Weg, den wir hier auch fördern müssten.

Wird es in Zukunft immer mehr Whistleblower geben?
Es ist einfacher geworden. Früher musste man jemandem ins Gesicht sagen, dass man etwas nicht in Ordnung findet. Heute kann man das anonym über interne Meldeplattformen tun. In unseren Breitengraden ist die Angst, seine Arbeit zu verlieren, aber noch viel zu groß. Das ist auch berechtigt, weil gesetzliche Schutzbestimmungen fehlen. Aber es gibt mittlerweile Whistleblower-Netzwerke, einen Whistleblower-Preis und Ausstellungen wie zur Zeit in Karlsruhe. Unser Bewusstsein dafür wird größer.    

Wie wird es bei Edward Snowden weitergehen?
Er hat sein Gesicht, seinen Namen der Öffentlich preisgegeben, man glaubt ihm eher, was er sagt, weil er das Risiko eingeht, bestraft zu werden. Ich glaube allerdings nicht, dass es ihn vor einer Strafverfolgung in den USA schützt, auch nicht die Tatsache, dass er in gutem Glauben gehandelt hat. Als Anwältin würde ich keinem raten, Whistleblowing zu betreiben.   

Gibt es Ausnahmen?

Nur bei höherwertigen Interessen, wenn wirklich Leib und Leben von Menschen gefährdet sind, und wenn der Whistleblower extrem gut dokumentiert hat, dass er intern gemeldet hat, an die Aufsichtsbehörde gegangen ist und dann immer noch nichts passiert ist. Dann stehen die Chancen gut, dass man vor Sanktionen geschützt ist. Seinen Job kann man trotzdem verlieren.

Drei Tage unerkannt

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Wie schwierig ist es wirklich, sich im Internet zu bewegen, ohne dass NSA und Konsorten mitlesen? Unser Autor hat seinen Computer und sein Handy umgerüstet, um das mal auszuprobieren. Und war dabei manchmal ganz schön einsam.

Seit den Prism-Enthüllungen wissen wir: Die Geheimdienste wollen uns am liebsten alle ausspionieren. Und darum fragen wir uns, wie wir unsere Privatsphäre schützen können. Dafür begegnen einem gerade überall gut gemeinte Tipps, in denen Abkürzungen aus dem Computer-Jargon vorkommen, Begriffe wie PGP, Tor oder OTR, die verschiedene Programme bezeichnen, mit denen man anonym oder geheim surfen, Mails schreiben und chatten kann. Aber wie aufwändig es ist, die tatsächlich zu benutzen, das erklärt einem keiner. Gibt man nach fünf Minuten genervt auf, weil alles zu kompliziert ist und man nur noch die Hälfte des Internets mitkriegt? Oder ist das alles gar nicht so schwierig, wie es klingt? Wenigstens für drei Tage will ich einmal ausprobieren, wie alltagstauglich wirkliche Privatsphäre ist.

Ich wende mich an Nils Dagsson Moskopp, Programmierer und Blogger. Er schreibt und hält Vorträge über Privatsphäre im Netz. Die Entwicklungen der letzten Wochen sind aus seiner Perspektive keine große Überraschung: „Grundsätzlich neu ist das ja alles nicht. Heimlich bespitzeln ist das, was Spione so machen. Aber jetzt steht sogar auf Spiegel Online, dass die jahrelangen Warnung vor kostenlosen Cloud-Diensten und Software wie Skype eben keine Paranoia waren.“ Aber was empfiehlt er, um sich zu schützen? Wie kann ich wirklich sicherstellen, dass keiner weiß, was ich treibe?



Unerkannt bleiben - geht das auch online?

1. PGP

Gut wäre natürlich, man hätte zumindest eine Basic-Kommunikationsvariante, bei der keiner mitliest. E-Mails zum Beispiel. Ich weiß, dass eine normale E-Mail die unsicherste Kommunikation überhaupt ist, „wie eine Postkarte“, heißt es ja immer. Die brauchbarste Methode, um das zu ändern, sei die PGP-Verschlüsselung, sagt Nils: „Edward Snowden hat PGP genutzt, ich denke, dass er davon ausgeht, dass die NSA das nicht einfach so knacken kann.“ Für mein Email-Programm Thunderbird empfiehlt er mir die Erweiterung „Enigmail“.

Die Website hält eine etwas ausschweifende Anleitung bereit, die mit einem Machiavelli-Zitat beginnt. Immerhin werde ich da abgeholt, wo ich stehe: „A new window will pop up. Take a deep breath: you are not expected to understand everything here.” Ich kann dann auch alle Schritte recht problemlos ausführen. Ungefähr 30 Minuten brauche ich, um die Erweiterung zu installieren und ein Schlüsselpaar zu generieren, das meine E-Mails für Spione unlesbar machen soll. Die ganze Idee dahinter von "public key" und "private key" verstehe ich nicht so richtig, sicher hat es irgendwas mit Primzahlen zu tun. Aber es scheint trotzdem zu funktionieren: Nils und ich schicken uns ein paar verschlüsselte E-Mails hin und her. Besonders aufwendig ist das nicht, es reichen zwei zusätzliche Klicks und das Eingeben eines Passworts. Das Problem ist nur, dass verschlüsselte Kommunikation genauso wie jede andere Kommunikation Partner braucht – sich selbst kryptographierte E-Mails zu schicken macht ja keinen Spaß. Außer Nils und einem alten Freund fällt mir allerdings niemand ein, der auch PGP nutzt. Aber immerhin verfüge ich jetzt mit ein bisschen Aufwand über die Möglichkeit, mit einem Edward Snowden Nachrichten auszutauschen. Zu wissen, wie das funktioniert, ist ein gutes Gefühl. Wer weiß, mit wem man es irgendwann nochmal zu tun bekommt.



Ansichtsexemplar einer verschlüsselten E-Mail, die unser Autor geschrieben hat.

Aber stopp – weiß ich wirklich, wie es funktioniert? Kommuniziere ich wirklich geheim? Sowohl Nils als auch mein alter Freund erklären mir in ihren Mails, was eigentlich notwendig wäre: sich zu treffen oder zu telefonieren, um sicher zu gehen, dass der öffentliche Schlüssel, den man nutzt, auch wirklich der des anderen ist. Ansonsten könnte man mit einem gezielten Angriff auch PGP-Emails mitlesen. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Es ist schwierig, wirklich zu wissen, wann man denn jetzt abhörsicher schreibt, wenn man all die technischen Details dahinter nicht versteht. „Denke es ist besser, wenn du PGP/MIME statt inline einstellst. Hoffe du weißt oder ahnst, was ich meine“, schreibt der alte Freund dann auch noch. Ich habe keine Ahnung, wovon er redet.

2. Tor

Mit PGP kann ich den Inhalt meiner Nachrichten geheim halten, nicht aber Absender und Empfänger. Aber was ist, wenn ich verschleiern will, wer ich bin? Kann ich verhindern, dass jemand nachverfolgt, wie oft ich wieder im Akte-X-Fan-Fiction-Forum gelesen habe? Oder Intimeres, das man gegen mich verwenden könnte? Nils ist da eher skeptisch: „Komplett kann man das kaum verhindern. Geheimdienste abzuschaffen wäre ein vielversprechender Schritt.“ Solange das nicht passiert: Um wenigstens die Überwachung durch Firmen wie Facebook und Google zu verhindern, soll ich den Werbeblocker Adblock Plus (den ich ohnehin längst installiert habe) und NoScript nutzen und auf Browser-Plugins wie Flash ganz verzichten. Die oft erwähnte Software Tor nutzt Nils zwar nicht, „sie bietet aber tatsächlich Anonymität“, sagt er. Nur das Surfen wird damit sehr langsam. Tor sorgt dafür, dass Verbindungen so über mehrere Knotenpunkte weitergeleitet werden, dass am Ende kaum zurückzuverfolgen ist, von welcher IP-Adresse die Anfrage ursprünglich kam.

Auf der Tor-Seite gibt es ein vorgefertigtes Kit mit einem Tor-Browser, den man direkt nutzen kann und der schon auf das volle Anonymitätsprogramm eingestellt ist: Man verschleiert seine IP-Adresse und gleichzeitig sind alle Browser-Zusatzprogramme deaktiviert, die einen doch verraten könnten. Das scheint mir einfacher, als alle Plug-Ins aus meinem Firefox rauszuwerfen. Installation und Starten ist überraschenderweise babyeinfach – und schon surfe ich unerkannt.

Tatsächlich ist alles langsamer, das größere Problem ist aber: Weil all die Plugins und Skripts deaktiviert sind, funktioniert vieles nicht. Wenn ich den Tor-Browser nutzen will, um auf meiner Lieblings-Streaming-Seite die neue Folge "Game of Thrones" zu schauen, sorgt die No-Skript-Einstellung dafür, dass das Such-Eingabefeld nicht erscheint. Wenn ich die Episode auf Umwegen dann doch gefunden habe, kann ich sie aber nicht anschauen, denn ohne Flash läuft da nichts. An den Einstellungen des Tor-Browsers möchte ich nichts ändern, denn dann weiß ich ja nicht mehr, ob ich überhaupt noch unerkannt unterwegs bin.

3. OTR

E-Mail und Browser sind natürlich nicht die einzigen Kanäle, die ich nutze. Was ist mit Instant-Messengern zum Chatten? Nils schlägt vor, entweder ein Chatprogramm zu nutzen, das auch den PGP-Schlüssel nutzt, oder sogenanntes OTR, das für Instant-Messaging weiter verbreitet ist. Ich suche mir für mein Handy ein OTR-fähiges Programm namens Xabber aus der Wikipedia-Liste aus. Installiert wird Xabber ganz normal von Google Play. Danach wird es etwas schwieriger, zumindest für mich – mit meinem Handy kenne ich mich noch weniger aus als mit meinem Computer.

Xabber nutzt den gleichen Standard wie Google Talk, also sollte ich mich mit meinem Google-Account anmelden und auch mit meinem Google-Talk-Kontakten schreiben können. Das Anmelden mit meinem vorhandenen Account klappt leider erst mal nicht und es dauert eine Weile, bis ich irgendwo im Netz eine Lösung gefunden habe. Immerhin könnte ich jetzt allen meinen vorhandenen Kontakten eine Anfrage schicken, mit mir doch verschlüsselt durch OTR zu schreiben. Der alte Freund, der mir schon auf meine PGP-Mail geantwortet hat, bestätigt die Anfrage auch gleich. Um sicherzustellen, dass das Gegenüber auch wirklich ist, wer es vorgibt zu sein, kann man ihm über das Xabber-Menü eine Frage stellen, die nur der andere beantworten kann. Außer dem alten Freund finde ich leider erst mal niemanden in meinen Kontakten, der meine Anfrage nach OTR-Verschlüsselung bestätigt. Von anderen bekomme ich als Antwort: „Bitte hör auf! Das nervt! Jedes mal wenn du das machst, bricht mein Handy zusammen!“ Die Welt der Privatsphäre ist eine recht einsame Welt.

4. Irgendjemand sollte anfangen

Ich fürchte fast, dass OTR und PGP wieder irgendwo in meinem virtuellen Regal verstauben wird, weil ich bei kaum jemanden die Gelegenheit habe, es einzusetzen. Aber das ist natürlich nur das alte Problem: Solange kein anderer mitmacht, gibt es für mich keinen Grund mitzumachen – und so denken alle anderen auch. Irgendjemand sollte also anfangen. Ich nehme mir vor, zumindest bei Xabber weiter OTR-Anfragen zu verschicken und zu hoffen, dass mich nicht alle direkt löschen. Für Tor gibt es übrigens auch einen guten Grund, wenn man gar nicht unbedingt anonym sein muss: Wer Tor nutzt, gibt im Normalfall zumindest eben das preis: dass er Tor nutzt. Je mehr Leute es nutzen, desto eher kann der einzelne in der Masse untertauchen.
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