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Viel wollen, wenig schaffen

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Kennst du die Buddenbrooks auch nur von Wikipedia, weil du nicht die Zeit und den Fleiß besitzt, all das zu verinnerlichen, was du gern wüsstest? Dann bist du vielleicht ein "Everythingist"

Angestrichen:

"It was some time after this that I took a long, soft look at my slapdash, half-arsed approach to life, and realised that I am an everythingist. This is a word I have invented to describe the sort of person who is greedy for the benefit of all new experiences, but unwilling to put the work in to fully commit to any of them."


Wo steht das? In einem Blogeintrag namens "I am everythingist - craving new experiences, but unwilling to put work in" der Autorin Sophie Heawood auf der Website des Guardian.

Und worum geht's? Vorausgesetzt, man kann sich mit der von Sophie Heawood ins Leben gerufenen Kategorie der „Everythingists" identifizieren: Um das ganze Elend des Lebens! Das in diesem Fall darin besteht, gleichzeitig unendlich wissens- und erlebnishungrig, unendlich perfektionistisch und narzisstisch, aber auch unendlich faul zu sein.

Heawood beginnt ihre Selbstanklageschrift mit einer Anekdote über die Begegnung mit einer Frau, die ihr erzählte, sie hätte ihrem Baby in der Schwangerschaft immer aus Dostojevsky-Romanen vorgelesen und sie tue es bis heute. Jedes Mal, wenn das Kind nun die russischen Namen höre, jauchze es angeblich vor Freude über den altbekannten Klang. Heawood, selbst gerade schwanger und vom intellektuellen Gehabe der Frau in neidvolle Unruhe versetzt, fuhr daraufhin aufgeregt nach Hause, überflog die Wikipedia-Zusammenfassung des Romans, suchte nach den russischen Namen und brüllte sie hektisch ihrem Bauch entgegen. Wohlwissend dass sie auf die Schnelle ohnehin keinen ganzen russischen Wälzer lesen würde, wollte sie ihrem Kind nun aber ebenfalls ein frühkindliches Erleben von Hochkultur ermöglichen.

Dieses Verhalten, merkte Heawood danach, war im Grunde exemplarisch für ihre gesamten gesamten Typ Mensch, der geplagt von einem unersättlichem Dauerbegehren tausend Dinge gleichzeitig beginnt, dabei keines richtig zu Ende bringt und sein Leben schließlich im Modus der steten Frustration über das eigene Ungenügen verbringt. Sie nennt ihn: "The Everythingist". 

Sie fährt dann mit einer Liste an Merkmalen fort, an denen man prüfen könne, ob man auch so jemand sei: Hat man zum Beispiel ständig das Handy in der Hand, einem „magischen Talisman" gleich, der immer den möglichen Kontakt zu etwas Anderem, Besserem verspricht? Ist man überhaupt in einer ständigen „FOMO", der ‚fear of missing out' gefangen und nicht in der Lage, sich auf einen Ort oder eine Situation völlig einzulassen, weil da noch so viele mögliche Orte wären, an denen man jetzt auch sein könnte und an denen man vielleicht noch glücklicher wäre? Kann man kein Buch zu Ende lesen, weil man längst zwei andere angefangen hat? Muss man im Job unbedingt Freelancer sein, weil man in seinem augeprägten Freiheitsbedürfnis auf all die vermeintlich traurigen, fremdbestimmten Büromenschen verächtlich herabschaut? Braucht man ständig die Gewissheit, dass man, wenn man wollte, sofort nach Rio de Janeiro auswandern könnte? Hängt man irgendwie in diesem ursprünglichen, narzisstisch-naiven Glauben fest, dass das eigene Leben wie von selbst einen märchenhaften Verlauf nehmen wird, nur weil man es sich eben so sehr wünscht und weil man heimlich doch vom eigenen Genie überzeugt ist? Hoffst du unermüdlich darauf, doch noch einmal alles haben zu können?





Hast du bei all diesen Fragen jetzt sehr oft genickt, ist die Sache klar. Aber was heißt das jetzt? Naja, nichts. Und das ist das Schöne an Heawoods Text. Er bietet keine Lösung und kein Heilmittel gegen das Leiden des „Everythingist". Wohl aber Trost, einzig durch das Angebot nicht allein darin gefangen zu sein. Dabei wirft sie das Leid des Alles-Wollers nicht „dem Leben" an sich vor oder macht es, was noch schlimmer wäre, ganz pauschal zum Leid einer bemitleidenswerten Generation. Im Gegenteil, sie lässt auch Raum für die, die nicht so sind. Und an einige von denen richtet sie gegen Ende des Textes das Wort. Vor allem an diejenigen, die sie sonst so gern als fremdbestimmte Pedanten beschimpft. Es täte ihr leid, dass sie sie immer nur als listenführende und pünktlichkeitsfanatische Langweiler belächelt habe, während sie immer wieder viel zu spät zu Verabredungen mit ihnen anrauschte, weil all ihre Hoffnungen und Träume ihr so sehr den Geist umnebelten, dass sie offenbar nicht einmal mehr den Busfahrplan lesen konnte.

Ihr würde erst allmählich klar, dass die ruhigeren Menschen im Grunde die viel größere Freiheit besäßen. Nämlich die, Dinge zu Ende zu bringen und nicht für immer zwischen lauter halbgelesenen Büchern, halbgeschriebenen Büchern und halberlebten Erlebnissen rumzueiern.

Und das ist das andere Schöne an Heawoods Text: Sie verkauft die eigene Unersättlichkeit nicht hintenrum doch noch als versteckte Prahlerei des eigenen vielseitigen, freien Wesens. Sondern gesteht sich ein, dass hinter ihrem propagierten Freigeist und ihrem Erlebnishunger gar nicht soviel echte Freiheit steckt. Sondern auch sehr viel Angst und Vermeidungsstrategie. 

Britische Regisseurin für 'Shades of Grey'

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Die Regie für "Fifty Shades of Grey" übernimmt eine Frau.

Als der Produzent Michael De Luca am Mittwoch bekannt gab, dass Sam Taylor-Johnson die Regie bei "Fifty Shades of Grey" führen würde, pries er sie mit Zweideutigkeiten: "Sie passt so gut zu diesem Film, weil sie bereit ist, Risiken einzugehen und durchaus mal etwas zu forcieren". Die Verfilmung des Sadomaso-Skandalroman von E. L. James über weibliche Unterordnung und Lustgewinn, der millionenfach in aller Welt verkauft und gelesen wurde, gilt als eines der wichtigsten Projekte von Hollywood. Lange wurde gerätselt, wer die Regie übernehmen würde.



Sam Taylor-Johnson konnte sich neben Gus van Sant und Joe Wright durchgesetzen.

Sam Taylor-Johnson ist eine überraschende Wahl. Viele Männer waren im Gespräch und auch durchaus interessiert. Joe Wright war darunter ("Anna Karenina"), Gus Van Sant, dessen "Promised Land" gerade in den deutschen Kinos angelaufen ist. Aber es hieß, dass eine Frau vielleicht besser geeignet sein könnte, einen erotischen Roman zu verfilmen, der vor allem von Frauen gelesen wurde. Allerdings hat Sam Taylor-Johnson bisher erst einen einzigen Spielfilm gedreht. Das war "Nowhere Boy" über die Jugend von John Lennon und seine frühe Band The Quarrymen, zu der ja auch Paul McCartney und George Harrison gehörten.

In den Neunzigerjahren begann Taylor-Johnson - geboren am 4.März 1967 in Croydon südlich von London, als Künstlerin lange unter dem Namen Sam Taylor-Wood auftretend - mit künstlerischen Fotos und Videoinstallationen. 1997 stellte sie auf der Biennale in Venedig aus. 1998 wurde sie für den prestigeträchtigen Turner-Preis, nominiert. 2002 schuf sie für die National Portrait Gallery in London ein Videoporträt von David Beckham. Das ist, inspiriert durch Andy Warhol, in einer einzigen Einstellung gedreht und zeigt den Fußballer mit nacktem Oberkörper schlafend. Einen ersten Kurzfilm drehte sie 2008, "Love You More", nach dem Drehbuch des Dramatikers Patrick Marber.

John Lennon hat irgendwie ihre ganze Karriere begleitet. Auf ihrem Foto "26 October 1993" hat sie mit ihrem Künstler-Partner Henry Bond das berühmte Annie-Leibovitz-Foto nachgestellt, auf dem Lennon sich nackt an Yoko Ono klammert. Und 2008 lieferte sie mit "Nowhere Boy" eine berührende Exkursion in die Einsamkeit von Künstlern: Der junge John Lennon ist auf der Suche nach einer Mutterfigur und macht sich schließlich auf nach Hamburg. "Ich glaube", sagte Sam Taylor-Johnson, "es gibt ein durchlaufendes Interesse an männlicher Verletzlichkeit in meinem Werk."

Bei diesem Dreh verliebte sie sich auch in ihren Hauptdarsteller Aaron Johnson, der damals 19 war. 2012 heirateten die beiden. Aaron spielte auch den Wronski in Wrights "Anna Karenina"-Verfilmung. Nun gilt er gar als heißer Tipp für die Rolle des "Shades of Grey"-Helden Christian. Christian und seine Sklavin, versichert seine Frau, die Regisseurin, gingen ihr so nahe wie den Millionen Leserinnen und Lesern auch.

Kind des Jahrhunderts

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Pete Doherty, Kate-Moss-Verführer und Englands letzter Borderline-Rockstar, hat im Heroinrausch einen Kinofilm gedreht. Sylvie Verheydes 'Confession' zeigt ihn als Karikatur seiner selbst

Wir haben alles versucht. Wir haben aus seinen dunklen, ungesunden Augenringen die Zukunft gelesen, an seinen Rippen die verstreichenden Tage nachgezählt. Wir haben ihm Durchhalteparolen geschickt, ihn angefleht: Sei stark, stirb nicht! Ihm, Pete Doherty, dem letzten Londoner Borderline-Rockstar, dem Schmerzensmann und Heroinkasper.

Er hielt durch, er überlebte. Und, tja, jetzt hocken wir da mit ihm.

Kurz zur Erinnerung, ist ja auch schon wieder fünf, sechs Jahre her, also eine Ewigkeit: Doherty, das war der dürre, blasse Musiker, der meistens einen Hut trug. Der tatsächlich mal visionären, erdbebenden Neo-Beatnik-Punkrock spielte, in den Nullerjahren, erst als Sänger, Gitarrist und Gefahrenherd der Band The Libertines. Dann mit der Nachfolgegruppe Babyshambles oder allein mit der Gitarre, als zerkratzter Baudelaire, der mit Spritzenblut lustige Gedichte schrieb und 17-jährige Mädchen mit ihren eigenen Muttergefühlen bekannt machte. Beim restlichen Publikum gelang ihm der Durchbruch, als er und das Model Kate Moss 2005 ein Liebespaar und ein toller Boulevard-Roman wurden. Als sich die Gerichtstermine häuften, weil Doherty immer öfter mit den Drogen erwischt wurde, von denen er ständig sprach. Ein B-Prominenter, aber mit A-Talent und einem furchtbar echt aussehenden Todestrieb. Man zitterte, wie lange er es noch machen würde.



Er hielt durch, er überlebte.

Wie gesagt, im Jahr 2013 ist Pete Doherty noch da. Kommt sogar ins Kino, mit "Confession", seinem Debüt als Schauspieler. Der Film ist eine ziemliche Katastrophe. Was auch an Doherty liegt, aber nicht nur. Wie konnte das passieren?

Es muss sich für die Pariser Regisseurin Sylvie Verheyde ja wie ein irrer Coup angefühlt haben, als sie den Star bekam. Ende 2010 wurde darüber berichtet, das Hin und Her hatte sicher länger gedauert. Von Verheyde kennt man höchstens das kleine Jugenddrama "Stella", ihr "Confession"- Drehbuch basiert auf dem autobiografischen Roman "Bekenntnis eines jungen Zeitgenossen": 1836 erschienen, kurz nach der französischen Julirevolution und rund sechzig Jahre nach Goethes "Werther". Verfasst vom damals 26-jährigen Alfred de Musset, einem romantischen Sohn aus armem Adel, selbstverständlich Lebemann, dessen Affäre mit der Schriftstellerin George Sand gerade zu Ende gegangen war, nachdem sie ihn mit seinem Arzt betrogen hatte. Die Schnupftabak-Kokain-Parallele braucht man gar nicht mehr, um festzustellen, was für ein traumhafter Doherty-Part das ist.

Denn so identisch wie möglich mit der eigenen Rolle zu sein, das war es ja, was ihn auf dem Gitarrenbubi-Marktplatz so speziell gemacht hatte. Er spielte für Teenager, die längst nicht mehr an das Authentische glauben konnten, an Punk oder den Weihnachtsmann, aufgeklärt durch all die Casting-Shows und Making-of-Dokumentationen. Und denen Doherty eben doch irgendwie weismachen konnte, dass es bei ihm, seinen Liedern und Kapriolen um mehr ging, um Leben oder Tod, um Reinigung, Risiko und so weiter. Der Rattenfänger von Hammelbein, der naseblutend durch die Kulisse stolperte. Ihm ging"s schlecht. Aber es fühlte sich gut an.

Auch bei den Dreharbeiten zu "Confession" fielen Dinge vor, ordnungsgemäß. In Regensburg warfen der mittlerweile 34-jährige Doherty und Filmpartner August Diehl zur Faschingszeit das Schaufenster eines Plattenladens ein, stahlen eine Gitarre und eine Schallplatte (was braucht man mehr?), blieben aber straffrei. Außerdem habe er am Filmset regelmäßig Heroin genommen, mit Wissen der Regisseurin, erzählte Doherty kürzlich dem Guardian: "Es war ihr eigentlich egal. Die Frage war immer nur: Wie schnell finde ich eine Vene, damit wir weiterdrehen können?"

Wie egal Verheyde das war, darüber kann man nur spekulieren. Gut, dass "Confession" überhaupt fertig geworden ist. Schlecht, dass ihr Zugpferd seit vier Jahren keine Platte mehr gemacht hat, zuletzt schon eher krampfhaft in die Schlagzeilen gehoben werden musste. Und so gerne man ihn gegen die Buhrufe in Schutz nehmen würde, die es in Cannes gegen "Confession" gab: Wenn die Libertines 2002 Rock "n" Roll waren, dann ist Pete Dohertys Schauspieldebüt eher eine knapp zwei Stunden lange, einhändige Improvisation auf dem Gemeindehausklavier.

Die Geschichte, wie im Buch von 1836: Als junger Pariser Edelmann wird Doherty (der in den Credits förmlich "Peter" heißt) von der Freundin betrogen, rutscht in Exzess und Hedonismus, findet dann bei einer Landpartie die große, wahre, brave Liebe. Erschwerend kommt hinzu, dass diese von Charlotte Gainsbourg gespielt wird, die bei der ersten Begegnung auf einem verschneiten Waldweg eine kleine weiße Ziege streichelt. In dieser Szene steckt auch schon das komplette Problem des Films. Gainsbourg, eine der besten, Lars-von-Trier-gestählten europäischen Schauspielerinnen - als Sparringspartnerin für den Junkie-Debütanten. Kann es gut sein, dass wir sofort an Kate Moss denken? Und, nun ja, ein Zicklein im Schnee. Der Engländer würde energisch rufen: Come on!

An anderer Stelle muss Doherty Sätze sagen wie: "Ich habe zu erzählen, bei welcher Gelegenheit mich die Krankheit des Jahrhunderts befiehl." Muss dazu pausbäckig, triefäugig und ungekämmt in Zimmern umhergehen, starrend, laut atmend. Dass der Künstler beim großen Leinwanddebüt oft wie ein krankes Kind im Arztwartezimmer wirkt, liegt nicht bloß an mangelndem Spieltalent, sondern daran, dass "Confession" überhaupt eine gewaltige Schlagseite hat. Lasche Dramaturgie, Schultheater-Dialoge, teilweise konfuse Kameraführung. Verheyde will aus dem De-Musset-Buch unbedingt eine Art Fieberkurve der Gegenwartsjugend machen, baut umständlich Bezüge zur Finanzkrise ein. Vergisst aber, ihrem wertvollen, hilflosen Star die Hand zu reichen, die er als Kinodebütant gebraucht hätte.

Und so wird die Hauptfigur in "Confession" die erste Rolle, an der Pete Doherty scheitert. An der er scheitern muss. Nicht etwa, weil er sich selbst spielt, das hat er ja lange genug geübt, nach eigenen Regeln, mit einer streng privaten Version von Authentizität. Viel schlimmer: In Sylvie Verheydes Film muss er der Doherty sein, den die anderen zu sehen glauben. Eine Karikatur in Gehrock und Rüschenhemd, ein Clown, der sich in einer Szene ernsthaft als "der größte Libertin von Paris" bezeichnen muss. Libertin wie in Libertines.

Mike Leigh hätte ihn einen Supermarktverkäufer spielen lassen. Werner Herzog einen Engel oder Vampir, Judd Apatow einen trotteligen Polizisten. Das hätte Spaß gemacht, vielleicht eine neue Ebene eröffnet. Aber dass Pete Doherty, der Risikokünstler und romantische Punk-Eulenspiegel, noch mal einen Film drehen wird, das ist nach dieser Pleite eher unwahrscheinlich.

La confession d"un enfant du siècle, F/D/GB 2012 - Regie und Buch: Sylvie Verheyde. Kamera: Nicolas Gaurin. Mit Pete Doherty, Charlotte Gainsbourg, August Diehl. Verleih: Farbfilm, 120 Min.


"Wo soll der Müll denn hin?"

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Obwohl Richter dem atomaren Zwischenlager Brunsbüttel die Genehmigung entzogen haben, wird der nukleare Abfall erst einmal dort liegen bleiben

Für ihren Kampf hat Anke Dreckmann so einiges auf sich genommen. Aber die Angst vor der strahlenden Abfällen in ihrer Nachbarschaft saß zu tief. Sechs Jahre kämpfte die 70-Jährige Rentnerin vor Gerichten mit ihrem Mann gegen das Zwischenlager am Atomkraftwerk Brunsbüttel. Am Mittwoch kam das Urteil, das Politik und Atomindustrie in Turbulenzen stürzt. Denn Richter entzogen dem wichtigen Atomlager in Norddeutschland wegen Sicherheitsbedenken die Genehmigung.

Doch so schnell wird sich an der Elbmündung erstmal nichts ändern. Das machte am Donnerstag Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) klar. Der bisherige Atommüll werde auch nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig an seinem Standort bleiben. 'Wo soll der Müll denn hin, wir können ihn doch nicht auf die Straße stellen', sagte Regierungschef Albig in Kiel.

Das Gericht hatte die Genehmigung für das Zwischenlager Brunsbüttel aufgehoben, weil der Schutz gegen terroristische Angriffe etwa durch gezielte Flugzeugabstürze bei der Genehmigung vor zehn Jahren nicht ausreichend geprüft worden sei. Zudem sei bei der Folgenabschätzung eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen nur ein älterer Waffentyp aus dem Jahr 1992 berücksichtigt worden.



Das atomare Zwischenlager (vorne) am Kernkraftwerk (links hinten) in Brunsbüttel. Jetzt steht fest: Der Atommüll muss erst einmal hierbleiben.

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) wies Sorgen um mangelnden Schutz für die deutschen Atommüll-Zwischenlager zurück. Sie seien inzwischen ausreichend sicher gegen Abstürze von Großflugzeugen wie dem Airbus A380, sagte ein Sprecher: 'Bei allen Zwischenlagern wurde der gezielte Flugzeugabsturz bereits in den Genehmigungsverfahren berücksichtigt und mit überprüft.' Aus Gründen der Geheimhaltung habe die Behörde die getroffenen Maßnahmen 'nicht in der gewünschten Detailtiefe darlegen' können, hieß es weiter. Dieses Vorgehen war nach Angaben aus Regierungskreisen mit dem Bundesumweltministerium (BMU) abgestimmt. Nur das Bundesverwaltungsgericht hatte die Unterlagen zu sehen bekommen und die Geheimhaltung bestätigt. Beim BMU heißt es, es komme nicht infrage, die Unterlagen freizugeben.

Wäre das Urteil wirklich nur ein Kommunikationsproblem - es wäre eines mit möglicherweise weit reichenden Folgen. Denn zur Zitterpartie wird nun auch die für kommende Woche geplante Entscheidung im Bundestag über das Gesetz für eine neue Endlagersuche. Schließlich sollen dem jüngsten Kompromiss zufolge bis zu 14 der insgesamt 26 noch aus der Wiederaufarbeitung im Ausland kommenden Atommüll-Behälter nach Brunsbüttel gebracht werden. Ob dies nun weiter möglich ist, muss erstmal geklärt werden. Das BMU sieht keine Auswirkung des Urteils auf das Endlagersuchgesetz, da für diese Transportbehälter aus der Wiederaufarbeitung neue Genehmigungsverfahren nötig seien.

In jedem Fall kann es an weiteren deutschen Zwischenlagerstandorten zu Klagen kommen. 'Baugleiche Hallen stehen auch bei den Atommeilern Brokdorf, Krümmel, Grohnde, Unterweser und Lingen', sagt Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Doch die Erfolgsaussichten gelten als gering, da die Genehmigungen der meisten Zwischenlager anders als in Brunsbüttel rechtskräftig sind und nicht ohne Weiteres aufgehoben werden können. Nur gegen das Lager Unterweser ist noch eine weitere Klage anhängig.

Seit dem Jahr 2002 müssen die Betreiber von Atomkraftwerken den anfallenden radioaktiven Abfall direkt bei den Kraftwerken zwischenlagern. Zwölf Lagerhallen aus Stahlbeton wurden für die abgebrannten Brennelemente gebaut. Das Zwischenlager Brunsbüttel hat wie fünf weitere Zwischenlager nur einen Innenraum und 1,2 Meter dicke Wände, das Lager Neckarwestheim liegt unterirdisch, und die verbleibenden fünf Lager haben zwei Innenräume, aber nur 85 Zentimeter dicke Wände. Brunsbüttel gilt somit als eines der besseren Zwischenlager.

Der Brunsbüttel-Betreiber Vattenfall äußerte sich am Donnerstag nicht zum Urteil. Aus Konzernkreisen verlautete, das Unternehmen wolle, wie auch das BfS, rechtliche Schritte gegen das Urteil prüfen. Damit könnte der Streit vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig landen. Vattenfall könnte bei einem neuen Genehmigungsverfahren mit teuren Forderungen zur Nachrüstung des Lagers konfrontiert werden.

Abitur wird bundesweit vergleichbar

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Von 2016 an soll es in ganz Deutschland gleich schwierige Aufgaben geben - für Kernfächer wie Deutsch und Mathe. Bayern und fünf weitere Länder beginnen damit schon im kommenden Jahr.

Die 16 Bundesländer rücken beim Abitur so eng zusammen wie noch nie. Wie die Konferenz der Kultusminister (KMK) am Donnerstag in Wittenberg beschloss, soll es künftig eine zentrale Aufgabensammlung geben, aus der sich alle Länder bei ihren Prüfungen bedienen. Erstmals im Schuljahr 2016/2017 soll das Abitur überall nach den neuen Kriterien abgelegt werden. Bereits im kommenden Jahr wollen sich Bayern, Niedersachsen, Sachsen und drei weitere Länder an diesem Aufgabenpool orientieren. Am Freitag stellen die Minister ihr Konzept offiziell vor.

Basis für die Klausuren sind die bundesweiten Bildungsstandards in Deutsch, Mathe, Englisch und Französisch. Sie legen fest, was Oberstufengymnasiasten können sollten, und ersetzen nun den bisherigen, eher schwammig formulierten KMK-Katalog für einheitliche Prüfungsanforderungen. Damit ist der Rahmen für ein deutschlandweit ähnliches Abitur geschaffen. Außerdem will die KMK Prüfungskriterien vereinheitlichen, etwa den Einsatz von Taschenrechnern in Mathematikklausuren.



Ab 2016 sollen die Abituraufgaben in den Kernfächern bundesweit gleich schwer und damit die Ergebnisse besser vergleichbar sein.

Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) wird den Pool betreuen. Die Länder sollen dort Aufgaben einreichen. Die Forscher stellen 'für geeignet befundene' Tests in den Pool, heißt es. Die Länder können die Musteraufgaben abändern. Konkret wird es also keine exakt gleichen und zentral gestellten Aufgaben geben - allerdings gleichwertige, gestaltet nach einem einheitlichen 'Erwartungshorizont', wie es heißt. 'Hinter dem gleichen Namen eines Abschlusses muss auch eine gleichwertige Leistung stehen', sagte Bayerns Minister Ludwig Spaenle (CSU) der Süddeutschen Zeitung. Man gehe nun einen 'historischen Schritt'.

Eltern berichten oft, dass Kinder bei einem Umzug Lernrückstände aufholen müssten. In Umfragen plädiert eine Mehrheit der Bürger sogar für ein Zentralabitur. Der Chef des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagte am Donnerstag: 'Es ist angesichts der Bedeutung von Hundertstelnoten in Abiturzeugnissen bei der Studienzulassung nicht tragbar, dass das Abitur zu unterschiedlichen Preisen zu haben ist.' Er warnte jedoch vor einer Angleichung des Abiturs 'nach unten'. Inwiefern das Niveau variiert, ist umstritten. Ein Anhaltspunkt sind Studien, die Leistungsunterschiede bei Mittelstufenschülern zeigen. Dass in Ländern mit schwächeren Leistungen die Abiturquoten gleich oder höher sind als in Ländern mit stärkeren Mittelstufenschülern, spricht für Unterschiede. Das Statistische Bundesamt weist zudem für Abiturienten mancher Länder besonders geringe Studienabbrecherquoten auf. 'Ziel ist, dass in allen Ländern nach den gleichen Maßstäben das Abitur ablegt wird', sagte der KMK-Chef, Sachsen-Anhalts Minister Stephan Dorgerloh (SPD). Wissenschaftlich sei nicht belegt, dass das Abitur unterschiedlich anspruchsvoll sei.

Bayern, Sachsen und Hessen fordern derweil einen verbindlichen Staatsvertrag für das vergleichbare Abitur. Denn die KMK hat nicht die Rechtswirkung eines Verfassungsorgans. 'Ein Staatsvertrag ist das stärkste Instrument, das den Ländern zur Verfügung steht', so Spaenle. Das Dokument müsste alle Landtage passieren.

Brasilianer erzwingen Zugeständnisse

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Nach Massen-Protesten nimmt die Regierung die Fahrpreis-Erhöhungen in Rio und São Paulo zurück. Dennoch wollen die Demonstranten weitermachen. Präsidentin Rousseff gerät in Bedrängnis.

In Brasilien haben die Massendemonstrationen der vergangene Tage die Regierung zum Einlenken bewegt: Die umstrittenen Fahrpreiserhöhungen für Busse in São Paulo, Rio de Janeiro und anderen Städten wurden zurückgenommen. Die Proteste gingen trotzdem weiter: Demonstranten blockierten auch am Donnerstag wichtige Straßen. In sozialen Netzwerken kursierten Aufrufe zu Kundgebungen in 80 Städten, mehr als eine Million Teilnehmer wurden erwartet. Die Sicherheitsvorkehrungen an Regierungsgebäuden und Fußballstadien wurden verstärkt.



Demonstranten blockierten auch am Donnerstag wichtige Straßen.

Sprecher der Protestbewegung Movimento do Passe Livre (Bewegung für freie Fahrt) sagten, dass sie die Rücknahme der Preiserhöhung als "Sieg" feierten, es ihnen aber um mehr gehe: ein besseres Bildungssystem, weniger soziale Gegensätze, kostenlosen Nahverkehr, mehr Krankenhäuser und weniger Straflosigkeit für korrupte Politiker. Vor allem die Milliardenausgaben für Sport-Infrastruktur für die Fußball-WM 2014 stoßen auf immer mehr Widerstand: "Mehr Brot, weniger Spiele - die WM für wen?" stand auf einem Transparent in Fortaleza zu lesen. Dort demonstrierten Tausende vor dem Stadion, wo Brasiliens Nationalmannschaft am Mittwochabend ein Spiel des Confed-Cups austrug, eines Vorbereitungsturniers für die WM.

Viele brasilianische Fußballer haben sich mit den Protesten solidarisiert. Jungstar Neymar schrieb auf Facebook: "Ich wünsche mir ein Brasilien, das gerechter, sicherer, gesünder und ehrlicher ist." Dass deswegen zu Protesten kommen müsse, finde er traurig. Altstar Pelé hingegen rief die Menschen in einer Videobotschaft auf, sich auf die Vorbereitung der WM zu konzentrieren, was ein anderer Altstar, Romario, mit den Worten quittierte: "Pelé ist ein Poet, wenn er schweigt." Fifa-Präsident Jopseh Blatter verließ das Land grollend: "Es ist nicht so, dass wir Brasilien die WM aufgezwungen hätten", sagte der 77-Jährige dem Sender Globo.

Umfragen zeigen, dass ein Großteil der Bevölkerung die Demonstranten, viele von ihnen Studenten, unterstützt. In São Paulo signalisierten 77 Prozent Zustimmung, 20 Prozent mehr als zu Anfang der Proteste. Umgekehrt stürzen die Werte der Politiker ab. Nur noch knapp 20 Prozent glauben, dass die Regierung ein hohes Ansehen genießt, meldete das Institut Datafolha. Präsidentin Dilma Rousseff erreicht immerhin noch 55 Prozent Zustimmung, sie lag aber schon mal bei über 70 Prozent. Rousseff hatte in einer ersten Reaktion Verständnis für die Demonstrationen betont. "Ich möchte Ihnen sagen, dass meine Regierung die Rufe nach Veränderung hört", sagte sie. Dass sich Rousseff seit Beginn der Proteste eng mit ihrem Vorgänger Lula da Silva berät, wird ihr von konservativen Kommentatoren als Schwäche ausgelegt.

Rousseffs reiste nach São Paulo, um mit der Stadtspitze zu sprechen. Danach wurde die Rücknahme der Preiserhöhung bekanntgegeben, die der Bürgermeister zuvor ausgeschlossen hatte. Die konservative Zeitung Folha de São Paulo kritisierte die Maßnahme als Populimsus, Der Bürgermeister von Rio, Eduardo Paes, kündigte an, er werde die Kosten bei Bildung und Gesundheit hereinholen.

Hast du einen prominenten Doppelgänger?

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Soapstar, Bandmitglied oder Bloggerin. Manche Leute sehen berühmten Menschen so ähnlich, dass sie Gefahr laufen, verwechselt zu werden. Gehörst du dazu?

Als eine Freundin von mir zum Studium in die Niederlande ging, empfing sie dort ein sehr eigenartiges Empfangskomitee. Eigenartig insofern, da es sich immer tuschelnd in eine Ecke drückte, wenn sie vorbeiging. Saß sie im Hörsaal in Reichweite besagten Komitees, glich das heimlich Smartphone-Fotos mit ihr ab und steckte anschließend die Köpfe zusammen.Der Grund: Meine Freundin wurde für eine bekannte Mode-Bloggerin gehalten. Als sich schließlich ein Mädchen durchrang, sie direkt zu fragen, löste sich der Irrtum auf und in Windeseile verpuffte auch die Fangemeinde.

Auch meine Redaktionskollegin Charlotte
kennt das Doppelgänger-Phänomen: Zu Schulzeiten fiel einer Klassekameradin einmal ihre vorgebliche Ähnlichkeit mit der Schauspielerin Nora Binder auf. Das wäre nicht so schlimm, da Nora Binder recht gut aussieht. Allerdings spielte sie zu dieser Zeit die unfassbar nervige Freundin von Wolke Hegenbarth in der Fernsehserie "Mein Leben und ich". Irgendwann musste Charlotte sich dann fragen, ob vielleicht mehr ihre Art statt ihre Optik an Nora Binder erinnert.



Die Schauspielerin Nora Binder und jetzt.de-Redakteurin Chralotte Haunhorst - wer ist wer?

Manch einer hätte das Spiel vielleicht ein bisschen weiter getrieben. So wie ein Mann, der sich bei den Filmfestspielen in Cannes vergangenen Monat als Psy ausgab. Der 34-jährige asiatisch aussehende Franzose Denis Carré war zuvor mehrmals für den Musiker gehalten worden, der mit „Gangnam Style“ berühmt wurde. Bei den Filmfestspielen nutze er die Ähnlichkeit dann voll aus und verbrachte zwei Tage auf dem roten Teppich, in Luxushotels und auf VIP-Parties. 

Wurdest du schon mal verwechselt? Oder passiert es dir sogar dauerhaft? Für wen wurdest du schon mal gehalten? Und was machst du dann – gleich auflösen oder den Stift für Autogramme zücken?

Wo brennt's?

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Überall auf der Welt wird zur Zeit protestiert. Aber wer geht wogegen auf die Straße? Wir haben uns an einem Überblick versucht.

Türkei



Worum geht's offiziell? Um den Bau eines Einkaufszentrums auf dem Gelände des Istanbuler Gezi-Parks, eine Grünfläche neben dem belebten Taksim-Platz.

Worum geht's wirklich?
Um den autoritären Regierungsstil des türkischen Ministerpräsidents Recep Tayyip Erdoğan. Der treibt mit seiner Regierung im Alleingang die Gentrifizierung Istanbuls voran, Betroffene werden nicht gefragt. Gleichzeitig verehren allerdings auch viele Türken Erdoğan für seinen Reformkurs, bei der Parlamentswahl 2011 bekam seine Partei knapp 50% der Sitze. Es ist also auch ein innertürkischer Konflikt.

Wer protestiert? Zu Beginn die Parkschützer, mittlerweile vor allem junge Leuteund Oppositionelle.

Scheitelpunkt:
Am Samstag den 15. Juni 2013 wurde der besetzte Gezi-Park von der Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern geräumt. Dabei war die offizielle Frist zur Räumung noch nicht verstrichen.

Gesicht des Protests:
Erdem Gündüz. Ein junger Choreograph, der schweigend über Stunden auf die türkische Flagge blickte, bis sich ihm zahlreiche Menschen anschlossen.

Hashtag?
#occupygezi. Das ist allerdings nicht unheikel, einige kritische Twitter-Nutzer wurden festgenommen.

Die Bilanz?
Laut türkischem Ärztebund gab es bisher vier Tote und 7500 Verletzte. Seit der Parkräumung sind alle weiteren Besetzer laut Regierung "Terroristen". Erdogan hat allerdings ein Referendum über den Park angekündigt.
Brasilien



Worum geht's offiziell? Um Fußball. Brasilien gibt Geld aus für den Confed-Cup und die WM nächstes Jahr. Gleichzeitig steigen die Nahverkehrpreise, weil der Staat sparen muss.

Um was geht es wirklich? Um den Übergang eines Schwellenlandes zum Industriestaat. Laut offizieller Lesart boomt Brasilien, die Menschen bekommen davon allerdings nicht alle etwas ab. Viel Geld versinkt durch Korruption auf Lokalebene, deshalb bleiben die Straßen schlecht und die Korruption hoch, obwohl die Brasilianer hohe Steuern zahlen.

Wer protestiert? Ziemlich viele. Allein in Rio waren in der Nacht von Donnerstag auf Freitag 300.000 Demonstranten unterwegs, Brasilienweit sollen es eine Million gewesen sein. Die Jugend ist dabei besonders präsent - im Gegensatz zur Elterngeneration nehmen sie Korruption nicht als alltäglich hin und wollen etwas ändern.

Scheitelpunkt:
Noch nicht erreicht.

Gesicht des Protests:
Kommt noch in den nächsten Wochen.

Hashtag?
#changebrazil

Die Bilanz?
Die Fahrpreiserhöhungen wurden zurückgenommen, das Geld muss nun allerdings woanders her geholt werden. Präsidentin Dilma Rousseff hat in einer Fernsehansprache Verständnis für die Demonstranten verkündet und will ihnen entgegenkommen.

Spanien



Worum geht's? Die immens hohe Arbeitslosigkeit. Die Hälfte der Spanier unter 25 ist ohne Job.

Wer protestiert? Sie nennen sich "die Empörten" ("indignados") und kommen aus allen spanischen Schichten.

Scheitelpunkt: Vom 15. Mai bis 19. Juni 2011 gab es Massendemonstrationen, auf zentralen Plätzen wurde campiert. Die Polizei räumte zeitweise mit Schlagstöcken die Camps, zur Kommunalwahl wurde der Protest sogar verboten. Danach zerstreute sich die Bewegung, seit Mai 2013 gehen allerdings wieder Studenten, Lehrer und Schüler auf die Straße. Grund: Im Bildungsetat sollen 14% gespart werden.

Gesicht des Protests:
Eigentlich war es der Bewegung wichtig, geschlossen aufzutreten. Dementsprechend sollte es auch keine "Anführer" geben. Ein wenig mehr hervorgetan hat sich dann aber doch Carlos Paredes, Mitgründer von "¡Democracia real YA!" ("Wirkliche Demokratie jetzt!").

Hashtag?
#spanishrevolution und #15m für den 15. Mai

Die Bilanz:
Schlecht. Auf elf Jobs als Museumswärter beim Prado in Madrid bewarben sich jüngst 19.000 Menschen. Deutschland bietet allerdings mittlerweile für 5.000 Spanier jährlich einen Ausbildungsplatz an.
Syrien



Worum geht's offiziell? Auch die Syrer wollte am arabischen Frühling teilhaben. Sprich: Mehr Mitbestimmung, bessere Perspektiven.

Worum geht's wirklich? Um einen Bürgerkrieg zwischen der Regierung von Baschar al-Assad, Opposition, der Hisbollah und diversen ethnischen und religiösen Minderheiten.

Wer protestiert?
Syrien zeigt, wie aus Protest Krieg werden kann. Es begann mit den Demonstrationen von Dar’a im Frühjahr 2011. Hier wurden Kinder, die "Das Volk will den Sturz des Regimes" an eine Wand geschrieben hatten, verhaftet und gefoltert. Nachdem Regierungstruppen gewaltsam gegen die Demonstranten vorgingen, griff der Protest auf andere Städte über. Rebellengruppen wehrten sich gegen die gewaltsamen Übergriffe des Militärs. Seitdem ist Krieg.

Gesicht des Protests: Der 13-jährige Hamza Ali Al-Khateeb. Er wurde willkürlich bei den den Protesten in Dar'a im April 2011 festgenommen, seine schwer misshandelte Leiche erhielt die Familie Ende Mai zurück.

Hashtag:
#syrianrevo Wenn die Rebellen allerdings damit arbeiten, kappt die Regierung auch schon mal das Internet.

Scheitelpunkt: Gefühlt eigentlich jede Woche. Faktisch waren besonders dramatische Einschnitte allerdings beim Massaker von Hula, bei dem 108 Menschen von regimetreuen Milizen erschossen wurden. Assad wurde daraufhin international isoliert.

Die Bilanz: UN-Schätzungen zufolge gab es in Syrien bereits knapp 100.000 Tote. Die Welt versucht, Assad zu Friedensgesprächen zu überreden. Gleichzeitig ist das EU-Waffenembargo gegen Syrien ausgelaufen. Manche Länder überlegen nun, Waffen an die Rebellen zu liefern. Die jungen Syrer verlassen das Land, wenn möglich. Denn wann die Unis und Schulen wieder regelmäßig aufmachen, ist nicht absehbar.
Ungarn



Worum geht's offiziell? Studenten müssen sich verpflichten, nach dem Studium in Ungarn zu arbeiten. Wer es nicht tut, muss zahlen.

Und worum geht es wirklich? Ungarn steht am Rande eines EU-Ausschlussverfahrens. Die Wirtschaftslage ist mies, dementsprechend heizt sich die nationalistische Stimmung auf. Insbesondere junge Menschen stellen sich dem entgegen. Wer sich allerdings zu laut wehrt, wird festgenommen. Dementsprechend wollen viele aus Ungarn weg, die Studenten-müssen-bleiben-Nummer ist ein Versuch der Regierung von Viktor Orbán, das zu ändern.

Wer protestiert? Hauptsächlich die Jugend. Aber auch die Oppositionsparteien, die allerdings alle zersplittert sind.

Gesicht des Protests: Wie Pusztaranger aussieht weiß keiner, das wäre zu gefährlich. Aber sein Blog wurde zur konstanten Stimme im Protest.

Hashtag?
#Hallgatóihálózat, der Name der Studentenbewegung

Scheitelpunkt: Um den 15. März 2013, Ungarns Nationalfeiertag, wurde das neue Gesetz zum Bleibezwang unterzeichnet und die Proteste erreichten ihren Höhepunkt. Eine Woche darauf wurde die besetzte Universität zwangsgeräumt.

Die Bilanz:
Düster. Die EU droht zwar mit Sanktionen, trotzdem überlegt schätzungsweise jeder achte junge Ungar, das Land zu verlassen.

Ägypten



Worum geht's offiziell? Eigentlich müsste alles top sein: Ägypten war Zentrum des arabischen Frühlings, danach gab es freie Wahlen und dabei haben sich halt 70% für islamische Parteien entschieden. Nun jährt sich der Amtsantritt von Staatspräsident Mohammed Mursi und die Opposition geht wieder demonstrieren.

Worum geht's wirklich? Viele Ägypter, insbesondere Frauen, hatten sich eine Revolution sehr anders vorgestellt. Statt Freiheit sind Beschneidungen von Frauen und sexuelle Belästigung weiterhin auf der Tagesordnung, von der UNO angedachte Rechte für Frauen wurden verdammt.

Wer protestiert? Alle, die von der Revolution enttäuscht sind und sich noch trauen.

Gesicht des Protests: Die 20-jährige Kunststudentin Alia Magda al-Mahdi sorgt 2011 für Aufruhr, als sie Nacktbilder von sich als Zeichen des Protests bloggte. Sie bekam daraufhin Todesdrohungen und floh nach Schweden.

Hashtag? #jan25 für den 25. Januar 2011, das Datum des Beginns der Großdemonstrationen

Scheitelpunkt: Der Rücktritt des bis dahin regierenden Diktators Husni Mubarak am 11. Februar 2011 und die ersten freien Wahlen zum Jahreswechsel 2011/12, bei denen Mursi an die Macht kam.

Die Bilanz: Die Mursi-Wahl wurde nachträglich vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt, Neuwahlen sind nun für den Herbst 2013 angesetzt. Für nächste Woche sind wieder die ersten Großdemonstrationen gegen Mursi geplant.

Die Liebe der Anderen

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Für eine offene Beziehung braucht es mehr als nur zwei Personen. Wie ist es wenn man als Dritter in eine solche Konstellation gerät?

Neulich erklärten mir Mara und Paul wie ihre offene Beziehung funktioniert. Das Resümee: Eine offene Beziehung benötigt besonders viel Achtsamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Reflexion. Man muss ständig sicher gehen, dass sich der Partner nicht benachteiligt oder bedroht fühlt. Ein ziemlich komplizierter Balanceakt.

Was in dem Text nicht behandelt wurde, aber in den Kommentaren darunter intensiv diskutiert wurde, war die Frage danach, wie sich so eine Beziehung eigentlich für die außenstehenden Beteiligten anfühlt: Wie viel Verantwortung haben Partner mit einer offenen Beziehung gegenüber dritten (oder sogar mehr) beteiligten Personen? Muss man nicht höllisch aufpassen, dass man anderen nicht weh tut? Und vor allem: Wie ist das eigentlich, wenn man als dritte Person unbeabsichtigt in so eine Konstellation gerät?  

Ich wende mich mit diesen Fragen an Benni, 25, von dem ich weiß, dass er schon reichlich Erfahrung mit offenen Beziehungen gemacht hat. Benni hatte nämlich selbst vor ein paar Jahren eine. Seine Bedürfnisse haben sich aber mit der Zeit geändert. Für ihn war irgendwann klar: Wenn schon eine Beziehung, dann etwas Sicheres. Er habe, erzählt er mir, die offene Beziehung lange als Ausrede benutzt, um sich nicht wirklich mit der aktuellen Beziehung, seiner Partnerin und vor allem sich selbst beschäftigen zu müssen. „Die Beziehung ist natürlich katastrophal zu Ende gegangen. So eine offene Beziehung ist einfach unglaublich anstrengend und zeitaufwändig. Ist nichts für mich.“, sagt er.





Das Thema scheint ihn dennoch nicht ganz loszulassen: Seit ein paar Wochen hat er etwas mit einer Frau laufen, die selbst in einer offenen Beziehung ist. Wie fühlt es sich an, auf einmal auf der anderen Seite zu stehen? „Für die dritte Person kann es sicher enttäuschend und natürlich auch belastend sein. Es kommt schnell die Frage auf, inwieweit man sich als Außenstehender abgrenzen kann.“, sagt er. Nicht zu sehr „reinkippen“– also nicht zu viel in sie zuinvestieren, lautet Bennis Devise. Klingt herausfordernd. Ist es auch ein bisschen, meint er. Bei ihm funktioniere das aber momentan „ganz gut“.

Benni wusste von Anfang an, dass die Frau sich in einer offenen Beziehung befindet. Nachdem er gerade glücklicher Single ist, war ihm das eigentlich auch egal. Und jetzt? „Naja.. wenn es IHN nicht geben würde, dann würde ich schon ganz gerne mehr Zeit mit ihr verbringen und sie vielleicht auch ein bisschen besser kennen lernen.“ gibt er zu. Benni weiß, dass der Freund ihre erste Priorität bleiben wird: „Das wurde von Anfang an klar ausgesprochen und ist auch okay für mich.“ 

Schnell kommt in unserem Gespräch auch die Frage auf, was wohl der Unterschied zwischen der Rolle als „Dritter in einer offenen Beziehung“ und „Dritter in einer Affäre“ ist. Der wohl offensichlichste Unterschied ist, dass man nichts verheimlichen muss und eigentlich kein schlechtes Gewissen haben braucht, dass man womöglich in eine Beziehung reinpfuscht. Ist ja alles erlaubt, was man da tut. Aber so leicht ist es dann wohl auch nicht. Benni etwa kennt den Freund seiner „Nicht-Affäre“ und findet ihn „ganz sympathisch“. Der weiß auch, dass zwischen ihnen etwas läuft. „Ist sicher nicht leicht für ihn“, sagt er dazu. Es hört sich so an als würde Benni ihn sogar ein bisschen bemitleiden. Die zwei gehen sich momentan aus dem Weg und schweigen über das, was zwischen ihnen steht. Für Benni gibt es trotzdem einen klaren Unterschied. Sagt er jedenfalls. Bei einer offenen Beziehung könne sich prinzipiell schon mehr daraus entwickeln als bei einer Affäre, meint er. Je nachdem wie offen sie ist. Eine Affäre würde er aus Prinzip nur mit Leuten eingehen, für die er sich rein sexuell interessiert.  

Wenn man sich als „Dritter“ aber in die andere Person verliebt, muss man schneller befürchten, dass es für einen selbst nicht gut ausgehen könnte. Die Tatsache, dass der Andere mehrere Sexualpartner auf einmal und dann noch einen Hauptpartner hat, reduziert schon irgendwie die Wahrscheinlichkeit, dass der andere sich für einen und damit für eine monogame Beziehung entscheiden würde, sollte man ihn vor die Wahl stellen. Aber das ist reine Spekulation. Verlieben kann sich der andere schließlich auch. Und vielleicht hat man ja auch Lust dazu, Teil des Gespanns zu werden. Aber wer ist schon gerne das dritte Rad am Wagen?

Mädchen, wie fühlt ihr euch in unseren Klamotten?

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Immer zum Wochenende: Jungs fragen Mädchen fragen Jungs. Weil manches kapiert man einfach nicht, bei denen. Heute geht es um Mädchen in Jungskleidung.

Die Jungsfrage:




Dass wir – im Regelfall – größer sind als ihr, finden wir normalerweise eher vorteilhaft. Wir können die Salatschüssel ohne Stuhl aus dem obersten Regalfach holen und die roten Kirschen ohne Räuberleiter vom Baum. Bei Konzerten sehen wir mehr von der Band als nur den Kopf des Sängers. Alles super. Aber es gibt Situationen, in denen wir ein bisschen neidisch sind, dass ihr einen Kopf kleiner seid als wir.  

Nämlich dann, wenn ihr unsere Klamotten anzieht. Wenn ihr euch unseren Pulli überwerft oder, nachdem ihr bei uns übernachtet habt, ein T-Shirt aus unserem Kleiderhaufen in der Zimmerecke zieht, euch das Stück überstreift und barfuß in die Küche tapert, um den Kaffee aufzusetzen. Das sieht so gemütlich aus und irgendwie meistens auch ein gehöriges Stückchen sexy, obwohl das ja nun meistens eine eher körperumschlabbernde Angelegenheit ist und wenig mit enganliegend und körperbetont zu tun hat. Wir sind dann immer auch ein kleines bisschen stolz, weil es sich wie ein kleiner Beweis der Zuneigung anfühlt, wenn ihr in eines unserer Kleidungsstücke schlüpft.  

Aber: Wir können da eigentlich nur Mutmaßungen anstellen. Das Anziehen der Partner- oder Gschpusiklamotte ist schließlich eine Ausdrucksform, die den meisten von uns aufgrund des Größenunterschiedes immer verwehrt bleiben wird. Eure T-Shirts sind so winzig, dass wir uns manchmal, wenn wir eines davon aus der Waschmaschine holen, fragen, ob uns da irgendein Kind kuckuckseimäßig seine Dreckwäsche untergejubelt hat. In eure Hosen können wir uns nicht reinquetschen, und Röcke, naja, die fallen eh aus, ganz abgesehen von der Größe. Deshalb können wir nur erahnen, wie es sich anfühlt, des anderen Kleidung zu tragen. Wir wissen natürlich, wie sich ein zu großer Pulli anfühlt, schließlich haben wir auch als Kinder mal in Papas Kleiderschrank gewühlt und ein Hemd anprobiert. Aber das Gefühl dahinter? Kennen wir nicht. Ist das ein Ausdruck von Liebe und Zuneigung? Macht ihr das, um etwas am Körper zu haben, das nach dem Menschen riecht, den ihr mögt? Wenn ja, wie fühlt es sich an? Und hat das vielleicht manchmal auch was von einer Trophäe, die ihr auf der Haut tragen könnt? Wartet ihr drauf, dass euch eine Freundin auf den Schlabberpulli anspricht, damit ihr dann sagen könnt: „Ist von meinem neuen Freund.“? Spielt es eine Rolle, was für ein Kleidungsstück ihr uns klaut? Kurz: Mädchen, wie fühlt ihr euch in unseren Klamotten?

Auf der nächsten Seite liest du die Mädchenantwort von mercedes-lauenstein.

Die Mädchenantwort von mercedes-lauenstein:




Das schönste Mal ist das erste Mal. Vielleicht passiert es, nachdem wir das erste Mal bei euch geschlafen haben und unser eigenes Oberteil vom wilden Knutschen und Rumwälzen ganz zerknittert oder verschwitzt ist. Vielleicht passiert es aber auch bei einem der ersten gemeinsamen Unternehmungen, wenn es abends kalt wird und wir euren Pulli kriegen.

Zum ersten Mal etwas von euch anzuziehen, das ist wie eine innige Berührung to-go, die erste, unausgesprochene Interessensbekundung an einem neuen Wir. Wir probieren euch einfach schon einmal an, noch keine Garantie für gar nichts, aber wir sind interessiert und ihr offensichtlich auch. Und das ist aufregend, warm und geborgen, abenteuerlich, neu, vor allem wegen des Geruchs, der im Stoff hängt: Waschpulver und ihr, Deo oder Parfum oder nur Haut und Schweiß und diese Sekunde, in der sofort klar ist, ob wir das mögen oder nicht.

Und da gehört dann natürlich auch dazu, dass uns jemand in euren Klamotten sieht. Dass er oder sie ahnt: Da geht was. Und dass uns für einen Moment das unbezahlbare Gefühl überfällt, vielleicht gerade ein winziges bisschen so zu sein, wie das sehr sexuelle französische Mädchen in unserem Kopf, das barfuß und im viel zu großen Hemd eines Mannes auf ihrem lichtdurchfluteten Balkon steht und, naja, schmerzhaft perfekt ist.

Nicht weniger schön, aber eben ganz anders, fühlt sich die Mitbenutzung eurer Garderobe an, wenn wir schon länger mit euch zusammen sind. Wir greifen dann einfach zu, gar nicht mehr direkt aus romantischen Gründen, sondern weil wir grad nichts da haben oder unbedingt Lust auf Boyfriend-Style haben. Da ist dann euer Hemd nicht mehr jedes Mal direkt aufregend, dafür aber von einem tiefen, schützenden Gefühl der Verbundenheit durchdrungen. Wir müssen dann mitten am Tag plötzlich lächeln, weil von eurem Pulli dieser Ihr-Geruch aufsteigt und wir uns kurz unsichtbar in den Arm genommen fühlen. Oft landet euer Kleidungsstück nach so einem Tag in unserem Wäschekorb, wir waschen es irgendwann mit und hängen es bei uns auf. Dieser Moment ist ein wichtiger Bestandteil des Eure-Klamotten-Anziehens, denn dann überfällt uns die sinnstiftendste Gewissheit überhaupt: die, dass wir jemanden haben, der uns liebt und den wir lieben und mit dem wir teilen und tauschen und hin- und herleihen können, seien es Klamotten oder Ideen, Zweifel oder Ängste, ganz egal.

Wenn es getrocknet ist, legen wir es zusammen und nehmen uns vor, es euch gleich morgen wieder mitzubringen. Dann ziehen wir es aber doch noch einmal zum Schlafen an. Waschen es erneut, hängen es noch einmal auf und grinsen dabei wieder in uns hinein. Dann muss es aber irgendwann wirklich zurück zu euch. Sich aufladen mit eurem Geruch und eurer Form. Damit wir es uns bald wieder klauen können.

Backflips, haarige Angelegenheiten und Ude

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Diese Woche kam endlich der Sommer. Er brachte uns neben den heißesten Tagen des Jahres auch Salat, ein paar gute Lacher und wilde Kerle. Das Beste der letzten Tage im Wochenrückblick.

Tumblr der Woche
Das Tumblr der Woche kommt von uns selbst: Es trägt den schönen Namen „Ude holding things" und spielt auf das aktuelle Wahlplakat von Christian Ude an. Darauf hält er das Wort „Wort" in den Händen, weil er eben „ein Ministerpräsident der das Wort hält" ist, so das Plakat. Das fanden wir so animierend, dass wir ihm unbedingt selbst ein paar Dinge in die Hände legen mussten. Auf tumblr kann man Ude jetzt also dabei bestaunen wie er sich „bedeckt hält", „den Ball flach hält", die „Luft anhält" und vieles mehr. Danke auch an die vielen herrlichen Einsendungen.



Danke an Anna Weil.

Der Protest weicht dem Protest
jetzt-Mitarbeiter Johannes Wendt hat abermals mit den vier jungen, türkischen Demonstranten gesprochen, die schon letzte Woche auf jetzt.de über die Proteste auf Taksim berichteten. Er hat sie gefragt, wie sie die Räumung des Geziparks miterlebt haben und wie es weitergehen wird. Klar ist: Ans Aufgeben ist nicht zu denken.

Backflip.... back hä?
Nachdem von 27. bis 30. Juni die X-Games in München stattfinden, gab es diese Woche gratis Tickets und Interviews mit lauter wilden Kerlen. Diese erzählten von Operationen, doppelte Fahrrad-Salti, gebrochene Genicke und wütenden Frauen. Wer mehr über „BMX-Freestyle" und" Street League Skateboarding" erfahren mag – hier lang!

Sommerlicher Kosmoskoch
Mit den vermutlich heißesten Tagen des Jahres, kam auch der kulinarische Sommer im Kosmoskoch. Ausgerufen wurde dieser von Userin butterflycaught. Bei ihr schmeckt der Sommer nach frischem Salat und saftigen Spargel! Hoffentlich bleibt's dabei.

Spaß mit Anderen:
Auch über Liebe und Eifersucht wurde diese Woche geredet. Wie eine offene Beziehung funktioniert haben uns Mara und Paul erklärt und damit für eine kontroverse Diskussion unter den Usern gesorgt.

Und der Ohrwurm der Woche.....
.....ist diesmal ein Remix! Wurde zwar „schon" letzten Freitag released, aber hielt sich als Ohrwurm dann doch die ganze Woche lang. Der hoch gelobte Flume remixed Disclosure's „You and Me" und reduziert es um einige bpm. Klingt ganz anders. Klingt ganz super.

Musikvideo der Woche
Es hat lange gedauert bis die Erfolgssingle „Youth" von Daughter ihr eigenes Video bekam. Vor einem Jahr war das Lied im Hintergrund einer TV-Werbung zur Tour de France zu sehen. Jetzt ist endlich das Musikvideo da. Minimalistisch in schwarz-weiß gehalten. Passend zu den etwas kitschigen, aber schönen Tönen.

Und last but not least das „ieeeeh" der Woche auf jetzt.de:
Für das obligatorische „ieeeeh" der Woche sorgte diesmal eine behaarte Strumpfhose, die junge Mädchen vor Perverslingen schützen soll. Als „super sexy, summertime anti-pervert full-leg-of-hair stockings" macht das gute Ding gerade online die Runde. Yummy. 



Die neuen Gastarbeiter

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Die Lage in ihrem Land erscheint ihnen aussichtslos. Deshalb zieht es spanische Pflegekräfte nach Deutschland. Die höchste Hürde ist das Erlernen der Sprache, der größte Schmerz: der Abschied von der Familie.

Seit zwei Monaten besucht Consuelo Ruiz das Fortbildungszentrum des spanischen Arbeitsamts im Madrider Vorort Getane und lernt Deutsch. "Ich gehe zur Arbeit - Akkusativ." Geduldig liest die 47-Jährige ihre Hausaufgaben vor. Gemeinsam mit 20 anderen Krankenpflegern lernt sie die fremde Sprache. Niemand von ihnen hat in Spanien Aussichten auf einen Job. Daher hoffen sie wie viele ihrer Landsleute auf Arbeit in Deutschland. 30000 Spanier sind im vergangenen Jahr nach Deutschland ausgewandert - 45 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Die größte Hürde ist für viele die Sprache. "Deutsch ist schwierig", sagt Consuelo Ruiz. "Manche Laute hören sich an, als würde ein Schäferhund bellen." Aber mit etwas Ausdauer und Leidensfähigkeit könne man das sicher lernen, sagt sie. Ähnlich geht es ihren Klassenkameraden. Aus Liebe zur deutschen Kultur zieht es niemanden von ihnen in die Ferne, aber die Not in der Heimat ist groß. Die Arbeitslosenquote liegt in Spanien bei 27 Prozent.



Auch einst krisenfeste Branchen wie der medizinische Bereich sind längst von der tiefen Wirtschaftskrise betroffen.

Auch einst krisenfeste Branchen wie der medizinische Bereich sind längst von der tiefen Wirtschaftskrise betroffen. Das öffentliche Gesundheitssystem spart, wo es nur kann. Auslaufende Arbeitsverträge werden nicht mehr verlängert. So ging es auch Consuelo Ruiz. Dabei gelten spanische Krankenpfleger als hervorragend ausgebildet. Sie haben eine Hochschulausbildung und stehen in der Praxis den Ärzten zur Seite - wenn sie denn einen Job finden.

David Lozano freut sich auf das deutsche Abenteuer. "Für mich ist das der beste Zeitpunkt. Ich habe keine Familie, derzeit nicht mal eine Freundin", sagt der 36-Jährige. Consuelo Ruiz fällt der Abschied schwerer, sie hat einen Sohn, den sei bei ihrer Mutter zurücklässt. Aber auch sie will zuversichtlich in die Zukunft blicken: "Wegen meiner beruflichen Qualifikation mache ich mir überhaupt keine Sorgen. Da weiß ich, dass ich den Anforderungen gewachsen bin. Eher befürchte ich Sprachprobleme", sagt sie.

Trotz allem wollen sich die beiden nicht mit den spanischen Auswanderern vergleichen, die vor fünfzig Jahren als sogenannte Gastarbeiter nach Deutschland kamen. Madrid sei nur drei Flugstunden entfernt, man müsse nicht wie früher den langen Sommerurlaub abwarten und dann eine tagelange Zugfahrt antreten, bis man zu Hause sei, meint Consuelo Ruiz. Außerdem hätten damals kaum ausgebildete Arbeitskräfte das Land verlassen, heute hingegen seien es hochqualifizierte Menschen, ergänzt David Lozano. "Das ist traurig, aber so ist es."

"Deutschland bekommt die hoch qualifizierten Krankenpfleger recht günstig", sagt María José García vom Verband der spanischen Altenpfleger. Denn viele Krankenpfleger würden in der Altenpflege eingesetzt, also unterhalb ihrer eigentlichen Qualifikation, und auch entsprechend schlechter bezahlt. Der Verband der Krankenpfleger in Madrid leitet Jobangebote inzwischen nur noch weiter, wenn die Bezahlung zumindest den spanischen Standards entspricht.

Ein deutscher Klinikkonzern hat Lozano und Ruiz bereits Jobs in Krankenhäusern in mehreren deutschen Großstädten angeboten - für ein Monatsgehalt von 1500 Euro. In Spanien verdienten sie etwa 1800 Euro. "Wenn du nichts zu tun hast und nicht weißt, wovon du leben sollst, beißt du eben in den sauren Apfel", sagt Lozano. "Jetzt lernen wir erst mal Deutsch."

Juan Ignacio Marión kennt das Problem. Er ist beim Arbeitsamt in Madrid für Bildungsmaßnahmen zuständig, auch für die Deutschkurse. Bisher bestand seine Aufgabe darin, die Leute mit Weiterbildungsprogrammen vermittelbar zu machen für den heimischen Arbeitsmarkt. Heute bereitet er sie auf Tätigkeiten im Ausland vor. "Bitter" sei das, sagt er nachdenklich. "Unsere Gesellschaft hat in die Leute ja investiert - und jetzt verlässt dieses Humankapital das Land." Er hofft, dass Spaniens tiefe Krise irgendwann vorüber sein wird und Krankenpfleger wie David Lozano und Consuelo Ruiz dann wieder heimkehren werden. Doch besonders zuversichtlich klingt er dabei nicht.

Nicht nur für Nerds

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Die Informatik ist eine Männerdomäne - dabei bietet das Fach auch Frauen die besten Perspektiven. Die Uni Bamberg erforscht, warum sie bei der Studienwahl zögern und wie es ihnen später im Beruf ergeht.

Wer Informatik studiert, muss sich kaum Sorgen um seine berufliche Zukunft machen. Doch von diesen guten Aussichten lassen sich noch immer vor allem junge Männer anlocken. Frauen an den Rechnern haben bis heute fast Seltenheitswert. Warum ist das so? Verhindern Männernetzwerke Karrierechancen in der Branche? Haben Frauen Bedenken, ob sie Familie und berufliche Beanspruchung unter einen Hut bringen können? Traut die Branche Frauen weniger zu? Auf diese Fragen erhofft sich die Universität Bamberg Antworten.



Der Anteil der Studentinnen in der Informatik liegt in Deutschland bei etwa 20 Prozent.

Es gebe viele Spekulationen zu dem Thema, sagt die Professorin Ute Schmid. "Was bisher fehlt, ist eine Langzeitstudie, die die Karrierevorstellungen und Karriereverläufe von Frauen und Männern, die Informatik studieren und studiert haben, vergleicht." Das will die Universität Bamberg nun leisten - in dem Projekt "Alumnae Tracking". In einer ersten Befragungswelle wurden 900 Fragebögen an Absolventen verschickt.

Der Anteil der Studentinnen in der Informatik liegt in Deutschland bei etwa 20 Prozent, wie Cornelia Winter von der Gesellschaft für Informatik sagt. "Er steigt - zwar sehr langsam, aber immerhin." Vor einigen Jahren waren nur 14 Prozent der Studenten weiblich. Simone Schineller gehört zu dieser Minderheit. Sie studiert in Bamberg angewandte Informatik. Dass es nur wenige Kommilitoninnen in der Informatik gibt, fand sie nicht weiter schlimm - in den Seminaren und Arbeitsgruppen sei sie stets akzeptiert worden. "Ich habe die Studienwahl zu keiner Zeit bereut."

Bald wird sie ihr Studium beenden. Ein paar Befürchtungen hege sie aber schon. Möglicherweise trauten ihr Arbeitgeber weniger zu als einem männlichen Bewerber. Doch ihre Professorin kann sie beruhigen: "Gerade die größeren Firmen reißen sich um Frauen." Viele Unternehmen hätten bereits eigene Programme zur Karriereförderung von Frauen aufgelegt.

"Frech gesagt: Wir sind ein anstrengender Studiengang", sagt Ute Schmid. Mathekenntnisse sind wichtig, ohne Englisch geht auch nichts. Informatik-Studiengänge sind hart. Doch Schmid glaubt nicht, dass diese Anforderungen die Abiturientinnen abschrecken. Workshops und Projekte sollen die Berührungsängste abbauen.

Die Professorin selbst engagiert sich stark bei der Werbung um die Studentinnen von morgen. "Viele Mädchen sagen: Wir wussten gar nicht, dass das so viel Spaß macht." Die Neugierde müsse geweckt werden: Dass Schüler lernen, mit PC-Anwendungen umzugehen, sei wichtig. Doch dann müsste es eigentlich weitergehen mit Fragen: Wie kommt die Mail überhaupt auf meinen Rechner? Wie werden Informationen auf dem Computer gespeichert?

Dass mehr Mädchen Informatik studieren, ist der erste Schritt. Doch können Informatikerinnen genauso Karriere machen wie ihre männlichen Kollegen? Von der Studie erhofft sich Schmid darüber Aufschluss. Unter anderem werden dabei Vergleichspaare von je einem männlichen Absolventen und einer Absolventin gebildet, die sich in Aspekten wie Abschlussnote, Praktika und Jahrgang möglichst ähnlich sind. Es soll beobachtet werden, wie unterschiedlich sich die beruflichen Laufbahnen entwickeln. Untersucht werden sollen auch die Erwartungen an das Berufsleben - möglicherweise hätten Frauen kein Interesse an 70-Stunden-Wochen und langen Dienstreisen.

International gebe es schon beachtliche Karrieren von Frauen, sagt Schmid. In Deutschland dagegen sei die Branche noch sehr männlich geprägt. Dass es am Image liegt - Informatiker gelten für viele als Nerds, die sich tagelang in ihr Zimmer einschließen und programmieren - glaubt Schmid nicht. Längst nicht jeder Informatiker arbeite so. Und das sei schließlich auch kein negatives Image. "Es drückt auch eine Begeisterung für das Fach aus."

Die Professorin selbst kam in den Achtzigerjahren "eher durch Zufall" zur Informatik. Sie hat Psychologie studiert, dann an der Hochschule einen Programmierkurs gemacht. "Das war die Initialzündung. Ich habe gemerkt, dass Informatik das Studium ist, das mich begeistert.

Ein Pool für alle Aufgaben

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Spätestens 2016 sollen die Abitur-Prüfungen bundesweit in etwa gleich schwer sein und nach gleichen Maßstäben bewertet werden. Ob die Klausuren in einzelnen Ländern dann einfacher oder komplizierter werden, dürfte schon bald.

Es werde "ein Kulturwandel beim Abitur" eingeleitet, sagt der Chef der Kultusministerkonferenz (KMK). Die Länder haben den Aufbau eines gemeinsamen Pools von Aufgaben beschlossen. Beim Abitur 2016/2017 solle es dann einheitlichere Prüfungen geben, nach bundesweiten Bildungsstandards. Die wichtigsten Fragen.



Ein Kulturwandel beim Abitur steht bevor.

Wird Deutschland nun ein Zentral-Abitur bekommen?
Auf Kommando aus Paris werden in ganz Frankreich jedes Jahr im Juni die Klausuren verteilt. Mehr als eine halbe Million Abituranwärter schreiben eine Woche lang Abitur, alles identisch. In Deutschland wäre dies wegen verschiedener Ferien nicht machbar - und ist im föderalen System ein Tabu. Das Zentralabitur gilt bei den Ministern als Pfui-Wort. Es gehe um die vergleichbare Qualität und Bewertung, mehr nicht, sagt Sachsen-Anhalts Minister Stephan Dorgerloh (SPD), der aktuell KMK-Vorsitzender ist. Allerdings: "Das Anforderungsniveau wird am Ende gleich sein."

Was sind Bildungsstandards?
Sie definieren, was Schüler in Kernfächern können sollten. Festgelegt wurden Standards nicht nur für die gymnasiale Oberstufe, sondern auch für Grundschüler. Spätestens 2014 beginnen die Länder damit, ihre Lehrpläne anzupassen, damit die Standards Grundlage im Abitur in vier Jahren sein können. "Bevor danach geprüft werden kann, braucht man Zeit, um die Lehrpläne anzugleichen und dann zunächst einmal die gymnasiale Oberstufe nach den neuen Standards durchlaufen zu lassen", sagt Dorgerloh. Zudem sollen Prüfungskriterien harmonisiert werden, etwa der Einsatz von Taschenrechnern in Mathe oder von Vorab-Literaturlisten in Deutsch.

Wie funktioniert der Aufgaben-Pool?
Das an der Berliner Humboldt-Universität angesiedelte, ländereigene Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) begleitet das Projekt. Die Ministerien sollen verwendete oder neu erdachte Aufgaben einreichen. Der Pool wächst so von Jahr zu Jahr, er soll den Ländern zur Verfügung stehen - zur Übernahme der Tests, zur Abwandlung oder als Vorbild. Wie der Zugriff technisch abläuft, ist offen. Am Freitag kursierte schon mal die Angst vor Hackerangriffen auf das künftige System.

Welche Pläne hat die Pionier-Gruppe aus sechs Bundesländern?
Bayern, Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern wollen bereits 2014 zusammenarbeiten. Aus dem Pool werden sie sich dazu nicht bedienen können, denn dieser ist da noch kaum gefüllt. Geplant sind gemeinsame Aufgabenteile. So soll eine der fünf Aufgaben in Deutsch, von denen Schüler eine bearbeiten müssen, gemeinsam von den Ministerien erarbeitet sein.

Warum ist eine Vereinheitlichung der Prüfungen überhaupt angebracht?
Papiere der KMK nennen als Gründe Vergleichbarkeit und Mobilität, relevant etwa bei Umzügen von Familien. Wichtig ist der Beschluss für die Studienzulassung. Zuletzt galt nämlich für die Hälfte aller Bachelor-Studiengänge bundesweit ein Numerus clausus. "Bei der Studienzulassung gibt es nach wie vor eine Fixierung auf das Abitur, wissenschaftlich fundierte Aufnahmetests kommen kaum zur Anwendung. Bei verschiedenen Abituranforderungen entstehen so bedenkliche Ungerechtigkeiten für die Bewerber", sagt der Tübinger Bildungsforscher Ulrich Trautwein. Letztlich soll der KMK-Beschluss auch ein Signal sein, dass Bildungsföderalismus funktionieren kann, ohne eine ordnende Hand des Bundes. Mehr Zentralismus wird in vielen Umfragen von Eltern und Lehrern gewünscht. Den Landesministern ein Graus.

Wird das Abitur in einigen Ländern nun schwieriger, in anderen einfacher?
Diese Frage birgt Zündstoff. Über regionale Leistungsunterschiede jüngerer Schüler gibt es viele Studien, über die Anforderungen beim Abitur nicht. Die Frage, welches Land sich mit seinem Abitur "verstecken müsse", sei überhaupt nicht zu beantworten, betont KMK-Chef Dorgerloh. Wissenschaftlich sei nicht erwiesen, dass das Abitur unterschiedlich anspruchsvoll sei. Es gibt jedoch Indizien dafür, etwa eine bereits ältere Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Sie zeigte auf, dass in Mathe Hamburgs Abiturienten um bis zu zwei Schuljahre hinter denen aus Baden-Württemberg liegen. Der Tübinger Forscher Trautmann, damals an der Studie beteiligt, sagt: "Wirkliche Vergleichbarkeit ist eine Illusion." Hohe Leistungsstandards, gepaart mit gutem Unterricht, führten zwar zu höheren Leistungen; aber die Hoffnung der Minister, dass alle Schüler über Ländergrenzen hinweg gleich bewertet werden, sei nicht realistisch. "So ist auch noch nicht klar, ob man bei den gemeinsamen Aufgaben intern nachjustieren, sich Prüfungsteile gezielt heraussuchen, vielleicht laxer bewerten kann." Eine Angleichung der Erwartungen nach oben hätte vermutlich auch ungewollte Auswirkungen auf die Abiturquoten. Der Chef des Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, sagt, er habe noch keinen Minister erlebt, der zugegeben hätte, dass durch den Pool sein Abitur schwerer werden könnte. "Das wird sich zeigen", meint IQB-Direktorin Petra Stanat dazu. "Mit den Bildungsstandards wird jedenfalls das erwartete Anspruchsniveau festgelegt, damit kann der Prozess einer sukzessiven Angleichung beginnen. Es wird keinen totalen Bruch geben, so etwas wäre eine Katastrophe."


Die Krankenschwester, die Friseurin und die V-Frau

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Wollten Neonazis den Überlebenden eines NSU-Anschlags ausschalten? Der Untersuchungsausschuss hört neuen Zeugen.

Rund um den NSU kursieren phantastische Geschichten, es gibt haufenweise Tippgeber, die die Terroristen mal hier, mal dort gesehen oder Verbindungen zu diversen ausländischen Geheimdiensten erkannt haben wollen. Schwierig wird es immer dann, wenn in einer Geschichte Halbwahrheiten stecken und eine Sicherheitsbehörde unzweifelhaft darin verwickelt ist. So ein Fall beschäftigt derzeit den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Der hatte seine Beweisaufnahme eigentlich schon abgeschlossen, will nun aber am Montag doch noch einen Beamten des baden-württembergischen Verfassungsschutzes als Zeugen hören. Er betreute früher eine Informantin, die jetzt gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Unglaubliches verbreitet.



Es tauchen neue Verdächtige auf.

Die V-Frau Petra K. trug den blumigen Decknamen "Krokus" und lieferte dem Verfassungsschutz, zunächst zu dessen Zufriedenheit, in den Jahren 2007 bis 2011 Hinweise über Rechte und Linke. Mittlerweile lebt sie mit ihrem Freund offenbar im Ausland. Ihre Geschichte zum NSU geht so: Kurz nach dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn habe sie dem Verfassungsschutz von Rechtsextremisten aus der Region erzählt, die sich im Krankenhaus nach Kiesewetters Kollegen erkundigt hätten, der bei dem Anschlag schwer verletzt wurde. Die Geschichte läuft darauf hinaus, dass Neonazis damals einen überlebenden Zeugen auskundschaften und womöglich ausschalten wollten. Und dass vielleicht noch mehr oder andere Personen hinter dem Mord steckten als die Terroristen des NSU.

Beim Verfassungsschutz findet sich kein Vermerk über den angeblichen Hinweis von "Krokus". Die V-Frau soll zudem erst im Sommer 2007 verpflichtet worden sein, der Anschlag war im April. Petra K. hatte zuvor allerdings schon für die Polizei als Informantin gearbeitet. Und auch ihr Lebensgefährte Alexander G., der die Krankenhausgeschichte nun in die Welt hinausposaunt, soll der Polizei zeitweise als Tippgeber gedient haben. Als NSU-Ermittler Petra K. voriges Jahr befragten, lebte sie zwischenzeitlich getrennt von G. und ließ kein gutes Haar an ihm. Die ganze Geschichte sei "Bullshit", ihr Ex-Freund trete nahezu psychopathisch auf. Mittlerweile, nachdem sie offenbar wieder mit G. zusammen ist, hat sie es sich wohl anders überlegt.

Alexander G. wandte sich gleich nach dem Ende des NSU im November 2011 an die Polizei und brachte den Beamten ein Füllhorn voller wilder Behauptungen mit, etwa dass Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vom Verfassungsschutz als V-Leute geführt worden wären, er könne sogar den Namen des V-Mann-Führers nennen. Es war, bei allem berechtigten Misstrauen, das man gegen die Behörden haben muss, heiße Luft.

Und doch ist nicht alles falsch: Tatsächlich könnte, wie Zeugenbefragungen ergaben, eine Krankenschwester 2007 ihrer Friseurin von dem schwer verletzten Polizisten erzählt haben, der damals in der Klinik lag. Die Krankenschwester hatte mit Neonazis nichts zu schaffen, aber die Friseurin war eine Frau mit Verbindungen nach ganz rechts. V-Frau "Krokus" war Kundin bei ihr und könnte das mutmaßlich harmlose Gespräch aufgeschnappt haben. Daraus konstruierte Alexander G. später eine mögliche Ausspähaktion von Neonazis.

Das Landeskriminalamt sieht "keine Anhaltspunkte" dafür, dass G.s Verdächtigungen zutreffen. Dummerweise hat es zwar umfangreich ermittelt, einen Zeugen aber aus "rechtlichen Gründen" nicht befragt: den V-Mann-Führer. Das will der Untersuchungsausschuss jetzt nachholen. Es heißt, Baden-Württembergs Behörden versuchten, dem Ausschuss Restriktionen aufzuerlegen und die Befragung am liebsten im Geheimen stattfinden zu lassen, weil das Leben des Beamten gefährdet sei. Eine geheime Befragung würde die Phantasie in diesem unglaublichen Fall allerdings nur noch weiter anregen.

Lesen, spielen, starten

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US-Flugsicherheit will Regeln für Mobilgeräte an Bord lockern.

Die Stewardess schaut schon streng. Also schnell die letzte SMS getippt, den letzten Gruß gehaucht - und schon muss das Handy ausgeschaltet werden. Noch immer sind die Regeln an Bord der meisten Flugzeuge strikt, was elektronische Geräte betrifft. Doch nun erwägt sogar die sonst recht strenge amerikanische Flugsicherheitsbehörde FAA, die Nutzung von Mobiltelefonen, iPads und Co. weniger restriktiv als bisher zu handhaben. Im September, wenn letzte technische Gutachten eingeholt sind, sollen die neuen Regeln vorgestellt werden. Und viele hoffen, dass sie dabei helfen, international einheitliche Vorschriften zu entwickeln.



Der Wunsch nach mehr Handy-Freiheit über den Wolken kommt von den Passagieren.

Der Wunsch nach mehr Handy-Freiheit über den Wolken kommt von den Passagieren. Sie ärgern sich darüber, dass sie ihr Mobiltelefon nicht einmal zum Abspielen von Musik verwenden dürfen oder ihr elektronisches Lesegerät bei Start und Landung ausschalten sollen, während der Sitznachbar ungestört in seinem Buch weiterlesen darf. Die Regeln waren vor Jahren eingeführt worden, weil man befürchtete, die Strahlung der Geräte könnte die Bordelektronik beeinflussen.

Wissenschaftler wollen das zwar nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, doch gibt es eine Art empirischen Gegenbeweis: Bei Befragungen geben Fluggäste immer wieder an, dass sie schon einmal vergessen hätten, ihr Handy auszuschalten - demzufolge hätte es schon zu vielen Problemen kommen müssen. Und ob das Handy wirklich aus ist, kann das Kabinenpersonal ja auch kaum kontrollieren.

Viele Fluggesellschaften machen ohnehin längst ein Geschäft daraus, ihren Gästen auch während des Fluges eine Internetverbindung anzubieten, bei einigen Airlines kann man sogar während des Fluges per Handy telefonieren. Zwei Voraussetzungen sind dafür nötig: Das Flugzeug muss mit einer Anlage ausgestattet sein, die während des Fluges ständig eine Parabolantenne auf Satelliten ausrichtet. Zum anderen muss der Telefonanbieter ein Abkommen mit dem Betreiber der Satellitenverbindung geschlossen haben.

Ganz ähnlich funktioniert die Internetanbindung, die zum Beispiel bei der Lufthansa auf vielen Langstrecken angeboten wird. Diesen Dienst kann man auch während des Fluges buchen. Eine Gefährdung der Bordelektronik wird bei diesen Systemen schon dadurch ausgeschlossen, dass sie eine Mobilfunkzelle oder eine Wlan-Basisstation im Passagierraum bereitstellen. Dadurch müssen Handys und Laptops mit viel weniger Leistung senden.

In Deutschland regelt die Luftfahrzeug-Elektronik-Betriebsverordnung (LuftEBV) aus dem Jahr 2008 den Umgang mit elektronischen Geräten an Bord. Fluggesellschaften dürfen demnach ihren Gästen erlauben, auch Geräte wie Handys zu nutzen, wenn nachgewiesen ist, dass die Bordelektronik des jeweiligen Flugzeugtyps davon nicht beeinträchtigt wird.

Dass elektronische Geräte wohl auch künftig bei Starts und Landungen sowie beim Rollen weggesteckt werden müssen, hat aber eher handfeste Gründe: Die Geräte sind hart und könnten beim Umherfliegen zu Verletzungen führen. Dass viele Airlines zögern, Handytelefonate zu erlauben, liegt nicht nur an der Technik. Machbar wäre es, aber die Mehrheit der Passagiere will wenigstens beim Fliegen ihre Ruhe.

Campus mit Vierkopfstreber

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Auf Pixars 'Monster-Uni' studieren Charaktere aus einem alten Trickfilm-Erfolg. Dabei passt sich die Geschichte dem Alter des Publikums an - aber ist der Humor auch mitgewachsen?

Erstsemester-Blues an der Monster-Universität: die Verbindungs-Monster sind fies, die Cheerleader-Monster sind fies, und das Lehrpersonal wird von einem ziemlichen Drachen geleitet - nicht im übertragenen Sinne, sonder von einem richtigen. Schreckwissenschaften wollen Mike und Sulley studieren, der kleine grüne Zyklop und der blauhaarige Riese mit den lila Punkten, doch schon nach der ersten Woche werden sie zu den Loser-Monstern strafversetzt, anstatt das Schreck-Handwerk zu erlernen.



Gängige Studententypologie trifft auf Monster.

Zwölf Jahre und neun Filme nach "Die Monster AG" hat Pixar einen weiteren Film zur Serie ausgebaut, nach "Toy Story" und "Cars", und nebenbei auch thematisch dem Zuschauerwachstum angepasst: die Kinder, die damals im Kino saßen, sind nun selbst im Uni-Alter - die erste Generation, die von Anfang an mit Pixar aufgewachsen ist.

Diese Fortsetzerei ist natürlich ganz im Sinne des Disney-Konzerns, dem das Animationsstudio seit einigen Jahren gehört, und der den Franchise-Kannibalismus in Hollywood besonders lüstern vollzieht: Neben Pixar ernährt sich vor allem die Disney-Tochter Marvel von sich selbst und recycelt gierig ihre Superhelden, auch neue "Star Wars"-Filme unter Disney-Logo sollen folgen.

Das ist an sich natürlich nichts Neues, auch andere Trickfilm-Studios setzen auf Selbstverwertung, gerade hat Dreamworks Animation angekündigt, für den Streaming-Dienst Netflix eine "Shrek"-Serie zu produzieren. Doch speziell für Pixar ist dieser Fortsetzungs-Hunger ein Problem, weil die besondere Magie der Filme immer auf der Schöpfung neuer, zauberhafter Welten beruhte, die von Autoren und Animationskünstlern so besessen und detailverliebt entworfen wurden, wie es sonst kaum einer in der Branche auf die Reihe bekam.

Kehrt man in diese Welten zurück, kann der Zauber schnell verpuffen, so wie beispielsweise in "Cars 2". Und auch dieser Film hat eine ziemliche Fallhöhe:"Die Monster AG" war 2001 ein Musterbeispiel des Pixar-Könnens, so perfekt hatte das Studio noch nie gleichzeitig Kinder und Erwachsene bedient: Nach dem Wo-die-wilden-Kerle-wohnen-Prinzip wurden die Monster menschlich, nebenher parodierte man lässig die halbe Filmgeschichte. Auch mit der "Monster-Uni" geben sich die Pixerianer alle Mühe, Cartoon und Zeitgeist und natürlich ein bisschen eherne Disney-Moral zu mixen - nur kann diesmal die Story nicht ganz mit dem visuellen Einfallsreichtum mithalten.

Da der Neuigkeitseffekt der Monsterwelt und seiner Hauptstadt Monstropolis diesmal wegfällt, haben die Pixel-Tüftler ihre ganze Energie in den Campus und seine Bewohner gesteckt und übersetzen die gängige Studententypologie vom Streber bis zum Sportler in monströse Entsprechungen. An technischer Finesse haben sie im letzten Jahrzehnt nochmal gehörig zugelegt, an die 400 Hintergrundcharaktere wuseln durchs Bild, jeder eine wunderbare kleine Karikatur, so wie zum Beispiel der übermüdete Vierkopfstreber mit seinen vier Kaffeebechern. Vom Fotorealismus, dem sich manche Animationsfilme mittlerweile verpflichtet fühlen, findet man hier keine Spur. "Die Monster Uni" ist ein richtiger Comic.

Auch die alten Helden Mike und Sulley legen wieder ein ordentlich chaotisches Duett hin, obwohl sie hier zunächst noch keine Kumpels sind, sondern erbitterte Schreck-Konkurrenten. Vor allem Zwerg-Zyklop Mike (im Original: der hysterische Billy Crystal) ist der Prototyp der klassischen Cartoon-Figur, sprich: manisch-depressiv. Seine Stimmungsschwankungen diktieren Witz und Tempo des ganzen Films und sind im zweiten Teil pubertätsbedingt schlimmer als je zuvor.

Nur haben in den letzten zwölf Jahren natürlich auch andere Helden um die Herrschaft in den Kinderzimmern gebuhlt, und Regisseur Dan Scanlon, der als Storyboard-Artist schon lange im Animations-Team von Pixar ist und hier sein Langfilmdebüt gibt, ist bei der Ideensuche vor allem in anderen Monster-und Magier-Welten hängengeblieben: Das ganze Uni-Gebäude kommt als gotischer Gruß an Harry Potters Lehrinstitut Hogwarts daher. Und irgendwer bei Pixar scheint auch "Die Tribute von Panem" gelesen zu haben, denn um wieder Schreckwissenschaftler werden zu können, müssen Mike und Sulley an den Schreckspielen teilnehmen, die der Dekan-Drachen veranstaltet (im Original: Helen Mirren, superfies)m - und sind doch recht deutlich von den "Hunger Games" inspiriert.

Monsters University, USA 2013 - Regie: Dan Scanlon. Buch: Robert L. Baird, Daniel Gerson, Dan Scanlon. Musik: Randy Newman. Mit den Originalstimmen von: Billy Crystal, John Goodman, Helen Mirren, Steve Buscemi, Frank Oz. Disney, 110 Minuten.

"Puccini ist für mich wie Popmusik."

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Dancepop mit Operngesang: Diese Mischung ließ die kanadische Band Austra vor drei Jahren durch die Indie-Decke gehen. Jetzt ist das zweite Album da. Ein Gespräch mit Frontfrau Katie Stelmanis über Mozart, Mythologie und ihre Geheimtipps in Toronto.

jetzt.de: Katie, du warst als Kind Mitglied der Canadian Child Opera Company. Wie alt warst du, als du aufgenommen wurdest? 
Katie Stelmanis: Zehn.  

War das dein eigener Wunsch oder der deiner Eltern?
 
Meine Eltern hatten verzweifelt nach einer Freizeitaktivität für mich gesucht. Sie haben viel probiert, Tanzstunden, Turnen, aber das meiste hat nicht funktioniert. Der nächste Schritt war der Chor, und da hat es dann geklickt. Es war wohl offensichtlich, dass ich mich schon als Kind zur Musik hingezogen fühlte, zu Instrumenten, Klavieren...  

Welche Art der Oper magst du am liebsten?
 
Es gibt viele Opern, die mir nicht gefallen. Ich bin zum Beispiel kein besonderer Verdi-Fan, seine Opern sind mir immer etwas zu over the top. Ich mag Mozart-Opern. Die sind viel subtiler. Sehr humorvoll und doch voller wunderschöner, intensiver Momente. Mein absoluter Favorit aber ist Puccini. Ich liebe Puccini-Opern. Kennst du Puccini?  



Austra - Katie Stelmanis steht vorne, als zweite von links.

In „La Bohème“ hab ich mal reingehört. 
Vielleicht ist es ein Geschmack, den man sich aneignen muss. Es ist eine Art zu singen, die für viele erst einmal befremdlich wirkt. Wer die Oper dagegen mag, der liebt die Oper. La Bohème war die erste, in der ich als Kind mitgespielt habe. Jeden Abend, drei Monate lang, war ich davon umgeben. Die Geschichte, die Charaktere, ich habe das alles verinnerlicht. Wenn ich Puccini jetzt höre, dann ist das für mich wie Popmusik. So vertraut.  

Austra – Lose It
Der Ohrwurm, mit dem Austra der Durchbruch gelang: "Lose It".

Macht es einen großen Unterschied, als Musiker Klassik oder Pop zu spielen?
 
Als klassischer Musiker bist du Interpret. Du trägst Stücke vor, die jemand anderes geschrieben hat, und es gibt sehr spezifische Regeln, wie du das zu tun hast: Über Jahrhunderte hat sich ein Standard entwickelt. In der Popmusik kannst du dagegen alles machen, was du willst. Buchstäblich alles. Vielleicht mögen es die Leute nicht, aber zumindest haben sie keine festen Erwartungen. Ich hatte einmal einen Klavierlehrer, der meinte: Wenn das Publikum sich langweilt, dann ist es allein deine Schuld. Wenn du Klavier spielst, musst du völlig in dem aufgehen, was du tust. Wenn  du jede einzelne Note fühlst, kann sich das Publikum gar nicht langweilen. Du fesselst ihre Aufmerksamkeit, weil alles, was du tust, ein Ziel hat. Ich denke das gilt auch für die Popmusik.   

Eigentlich wolltest du nach der Highschool in Montreal studieren, hast dich aber dann doch im letzten Moment dagegen entschieden. Warum?
 
Ich habe zum damaligen Zeitpunkt gerade erst angefangen, die Szene in Toronto zu entdecken. Ich habe nach meinem Abschluss angefangen, in einem Kaffee in einem der alternativen Viertel in Toronto zu jobben. Und so hat sich mir überhaupt erst diese völlig neue, unbekannte Seite der Stadt erschlossen. Die meisten Leute, aus denen diese Szene bestand, waren ja auch in der Regel keine Einheimischen.  

http://vimeo.com/64771716
...und der Nachfolger: "Home", die erste Single vom Album "Olympia", das vergangenen Freitag erschienen ist.

Wo findet man die Szene in Toronto?
 
Als ich meine ersten Schritte gemacht habe, war der „Blocks Recording Club“ das Zentrum der Musikszene. Die haben viele der abwegigeren Avantgarde-Bands in Toronto veröffentlicht. Mein erstes Solo-Album ist dort erschienen. Der Club hat Shows veranstaltet, viele unterschiedliche Leute haben mitgemacht, das war wie ein Kollektiv. Wie es jetzt aussieht, kann ich dir nicht wirklich sagen, weil ich so viel Zeit außerhalb der Stadt verbracht habe. Immer wenn ich nach Hause komme, fühle ich mich irgendwie außen vor. Ich weiß, welches die angesagten Bezirke sind, aber ich weiß oft nicht wirklich etwas mit mir anzustellen.  

Toronto gilt derzeit als eine der interessantesten Städte, was moderne Popmusik angeht. Was ist an Toronto so besonders? 
Erst mal ist Toronto natürlich eine große Stadt, in der viel passiert. Und dann ist die Situation in Kanada nochmal eine andere als zum Beispiel in den Staaten. Es gibt sehr viele Förderprogramme für Künstler. Ich wüsste nicht, wo ich ohne die wäre. Mein Debütalbum „Feel It Break“ konnte ich zum Beispiel nur mithilfe solcher Gelder machen. Ich habe ungefähr 10.000 Dollar gekriegt, mein Album gemacht, und dann hat mich Domino unter Vertrag genommen. Das wäre sonst wohl nie passiert. Ich glaube, es gibt viele Bands in einer ähnlichen Position.  

Austra ist der Name einer lettischen Gottheit. Dein neues Album heißt „Olympia“. Woher kommt dein Faible für die Mythologie?
 
Die Geschichte hinter dem Titel ist eigentlich eine andere: Wir haben das Album in einem Studio in Michigan aufgenommen, dem Key Club. Es gehört einem Pärchen, Bill und Jessica Skippy. Die haben sich dieses Haus mitten im Nirgendwo gekauft und daraus ihr Traumstudio gemacht. Wenn Bands dort aufnehmen, wohnen sie dort normalerweise auch. Bei uns waren das insgesamt fünf Wochen, in zwei Sessions. Während der ersten war Jessica im neunten Monat. Danach waren wir die erste Band, die nach der Entbindung wieder im Studio war. Während wir also das Album machten, war das Baby immer präsent. Erst im Bauch, dann in echt. Jessica und Bill haben das Kind Olympia genannt. Und wir unser Baby, das Album, dann auch.               

Kurze Leine

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Mensch und Hund: Die Konflikte in den Städten werden schärfer.

Sitz. Fass. Scheiß Köter! ... - Überall, wo die Menschen enger zusammenwohnen, kommt es zunehmend zu Unduldsamkeiten zwischen Hunden, Herrchen und Bürgern ohne Hund. Jogger und Eltern haben Angst. Hundekot wird nicht entsorgt. Hundehalter fühlen sich wie eine politische Minderheit verfolgt und mit den schwarzen Schafen unter ihnen gleichgesetzt. Paranoia, Schwachsinn, Egoismus, Ignoranz, Krankheit - das sind noch die milderen Ausdrücke, die sich die Gegner auf der Straße und in Kommentarforen im Internet an den Kopf werfen.



Die Stimmung zwischen Hundebesitzern und hundelosen Bürgern in den Städten ist angespannt.

In Deutschlands Großstädten reagiert man darauf: In Hamburg gilt seit 2006 eine allgemeine Leinenpflicht, auch wenn es immer wieder Klagen über deren mangelhafte Beachtung gibt.In München ist soeben eine Leinenpflicht in Kraft getreten - sie gilt für große Hunde in der Innenstadt und an empfindlichen Stellen außerhalb derselben. Die neue Münchner Verordnung ist aber ein bürokratischer Flickenteppich - von Ausnahmen derart durchlöchert, dass die Bereitschaft der Bürger zur Kenntnis der neuen Regeln und ihrer Auslegung, wie sich jetzt schon abzeichnet, auf eine harte Probe gestellt werden wird. Wer im Norden des Landes meint, im wohlhabenden und konservativen Süden gehe es in solchen Fragen besonders ordentlich und streng zu - also etwa so, wie früher CSU und Polizei mit linken Demonstranten umgegangen sind -, sitzt einem falschen Vorurteil auf.

In Berlin wiederum hat der Justizsenator einen "Bello-Dialog" organisiert. Das ist kein Forschungsprojekt zur Kommunikationsfähigkeit des Hundes, sondern "Bello" ist eine behördeninterne Abkürzung für "Berliner Landesleinenordnung". Mit bürgernahen Sondierungsgesprächen, die im Herbst in ein neues Berliner Hundegesetz münden sollen, will man "ein friedlicheres Miteinander von Menschen mit und ohne Hund" schaffen.

Zwar ist auch da abzusehen, dass so manchem gemeinen Berliner die Bemühung um öffentliche Ordnung wie üblich ziemlich schnuppe sein wird. Wer dort einmal beim ersten Tauwetter im Frühjahr über die flächendeckende Rutschbahn von weich gewordenen, zusammenfließenden Exkrementen geschliddert ist, weiß, wovon die Rede ist. Aber überall zeichnet sich jetzt eine Tendenz ab: Einerseits geht man - nicht zuletzt anlässlich schlimmer Angriffe von Hunden auf Kleinkinder- restriktiver vor; andererseits aber versucht man, die Hundehalter durch mehr Aufmerksamkeit für Erziehungsfragen ("Hundeführerschein") stärker einzubinden.

Zunächst sind Konflikte um den Hund in der Großstadt ja einfach eine Frage des zivilen Umgangs und Ausgleichs. Dort, wo auch nur die geringste Gefahr der Verletzung von Menschen bestehen könnte, sollte es selbstverständlich sein, dass die unteilbare Verantwortung beim Hundehalter liegt, den Hund zurückzuhalten. Wo es also um die körperliche Unversehrtheit geht, aber auch auf der geringeren Alarmstufe -in Fragen der Belästigung, des Lärms, des Verhältnisses von Hundegröße zur Wohnungsgröße und der öffentlichen Hygiene-, hofft man auf Einsicht und Rücksichtnahme; sonst aber eben auf Gesetze und Sanktionen.

Aber da ist noch viel mehr. Und dieses Mehr macht das Verhältnis von Mensch und Hund in den Städten deutlich komplizierter als irgendwelche Verkehrs- oder Müllregeln oder auch Rauchverbote. Es mag für den kleinen Fiffi, der da gerade um die Ecke kommt, etwas hochgegriffen klingen, aber es ist so: Der Hund berührt die Ambivalenz des Menschen in der urbanen Zivilisation. Zum einen nämlich sehen die Stadtbürger, die keine Hunde haben oder kennen, in ihnen - weit über die reale Gefahr hinaus - ein Animalisches und Unheimliches in den Stadtraum eindringen, welches dort seit der Trennung von Arbeit, Wohnen und Versorgung eigentlich nichts mehr zu suchen hat, also seit dem Verschwinden von Nutztieren aus den Gassen und Hinterhöfen.

In der modernen Stadt ist der Hund, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, vom Arbeiten für den Menschen befreit - also von seinen uralten Aufgaben als Wach-, Lasten- oder Jagdtier. Daher erschließt sich der Sinn des Hundes in der Großstadt für denjenigen nicht, der nicht an ihm hängt. Zudem ergeben sich aus Wohlstand, Verdichtung und gleichzeitig geringerer Kopfgröße pro Haushalt, also schrumpfenden Familien und Vereinzelung, auch kulturelle Veränderungen: Immer stärker wird heute das Bedürfnis nach Sicherheit, Hygiene und Ruhe. Man möchte nach Möglichkeit auch im öffentlichen Raum wie im eigenen Wohnzimmer von jeglichen Störungen verschont bleiben. Zu diesen unerwünschten Störungen gehören der Lärm von Kindern oder Fabriken, Zigarettenrauch, Körpergerüche, Dreck, Funklöcher, Verspätungen im Nahverkehr und eben auch die Hunde, die früher einmal - ebenso wie die Kinder- viel freier in den Städten herumliefen.

Das ist das eine. Zum anderen aber wissen oder wittern auch die Hundelosen, dass es mit dem Hund etwas Besonderes auf sich hat. Schließlich ist der Hund der älteste tierische Gefährte des Menschen überhaupt. Die Domestizierung des Wolfs liegt mindestens 10000 bis 14000 Jahre zurück. In Gemeinschaft mit dem Hund wurde der Mensch, was der Mensch ist; und der Hund ist Hund nur durch den Menschen. Die Forschung vermutet, dass Hunde schon sehr früh sowohl zum Wachen und Jagen wie auch als Knuddeltier und Spielzeug für die Kinder dienten. Dieser alten Bindung zwischen Mensch und Hund wurde schon zu Beginn der europäischen Literatur ein Denkmal gesetzt, in dem Hund namens Argos in der "Odyssee", der nach zwanzig Jahren als einziger seinen verkleideten Herrn Odysseus erkennt - eine Szene, der auch der härteste Hundehasser seine Rührung nicht versagen kann.

Der Biologe John Bradshaw, der an der Universität von Bristol lehrt, hat ein wunderbares Buch mit dem Titel "In Defence of Dogs" geschrieben. Im letzten Herbst ist es auch auf Deutsch erschienen - leider nur in einem Special-Interest-Verlag (Kynos), denn ihm ist eine breite Leserschaft zu wünschen. Bradshaw erklärt dort: "Die Geschichte des Hundes ist eng verbunden mit unserer Entwicklung von Jägern und Sammlern hin zum modernen Stadtbewohner." Man könnte also sagen: Im Unbehagen gegenüber dem Hund scheint auch etwas von einem kollektiven schlechten Gewissen durch, darüber nämlich, dass sich das Verhältnis von Mensch, Haus und Tier besonders seit der Industrialisierung insgesamt verändert hat - hin zu mehr Distanz und mehr Angst. Von John Bradshaw lässt sich übrigens auch lernen, dass viel von der Aggressivität von Hunden aus dem Verhalten der Menschen resultiert, insbesondere aus der überholten Vorstellung vom dominanzfixierten "Alphatier".

Virginia Woolf hat in ihrem sonderbaren Roman "Flush" (1933) diese zweischneidige Haltung vorgeführt: Der Hund wird, wie es sehr üblich ist, als Hauptfigur des Buches vermenschlicht, fasziniert von der Buntheit des menschlichen Lebens; zugleich aber wird seine Zurichtung durch die Großstadt London beklagt und das Landleben als passender beschworen. Der Hund ist in seiner herbeigezüchteten Vielfalt und persönlichen Inbesitznahme ein Produkt der fortschreitenden Individualisierung. Er ist aber auch eine Herausforderung an den städtischen Individualismus, weil der Hund in der Evolution in der Gemeinschaft von menschlichen Gruppen sozialisiert wurde. Eine Erinnerung an dieses Erbe schwingt gewiss mit, wenn der Hund in der Großstadt als arbeitsloser Kamerad oder als gefährlicher Fremdkörper wahrgenommen wird.

Menschen, die nichts zählen

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Tausende Straftäter sind in der Psychiatrie untergebracht - und sind dort rechtloser als Häftlinge in Gefängnissen.

München - "Ich werde hier, falls meine Verwahrung nicht aufgrund der Unverhältnismäßigkeit für erledigt erklärt wird, mit den Füßen voran entlassen." Mit diesem Satz endet ein Brief, den ein Insasse im psychiatrischen Krankenhaus an die Süddeutsche Zeitung geschrieben hat. Der Schreiber dieses Briefs hat Angst davor, dass die "Maßregel der Sicherung und Besserung" erst mit seinem Tode endet. Eine zeitliche Begrenzung für diese vom Gericht angeordnete Maßregel gibt es nämlich nicht. Sie kann ewig dauern - die Ewigkeit wird derzeit nur begrenzt vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zwar Verfassungsrang hat, aber wenig konkret ist.



Die Verweildauer in der Psychiatrie wird immer höher, die Patienten werden immer seltener entlassen.

Der Schreiber ist einer wie Gustl Mollath, also einer von 6750 Menschen, die per Gerichtsbeschluss in der Psychiatrie untergebracht sind. Diese Zahl stammt aus dem Jahr 2012 und gilt allein für die alten Bundesländer. Eine gesamtdeutsche Zahl gibt es nur für das Jahr 2010. Damals hatte die Arbeitsgemeinschaft Psychiatrie der Gesundheitsministerkonferenz in einer Studie die Zahlen der Bundesländer zusammengetragen: 7752 Menschen waren 2010 in ganz Deutschland auf Anordnung von Gerichten in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht.

Gesamtdeutsche Statistiken finden sich darüber hinaus nicht. Es gibt nämlich kein Gesetz, das die zentrale Erfassung der Zahlen anordnet. Die alten Bundesländer sammeln sie aufgrund einer uralten Verwaltungsvereinbarung, die in den neuen Bundesländern nicht gilt. Die normalen Strafverfolgungsstatistiken, die Auskunft über Haft und Häftlinger in deutschen Gefängnissen geben, sind akkurat, für die Zahlen über die Unterbringung in psychiatrischen Krankenhäusern lässt sich das nicht sagen: Sie sind nicht nur nicht akkurat, sie existieren auf Bundesebene nicht. Das ist bezeichnend für die minimale Beachtung, die das Instrument der von einem Gericht angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus bisher fand. Das ändert sich erst, seit der Fall Mollath Aufmerksamkeit erregt.

Man kann das Ausmaß, in dem die sogenannte Verweildauer der Menschen in den psychiatrischen Krankenhäusern steigt, nur ahnen: Die Zahl der Strafurteile, mit denen die Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet wird, sinkt nämlich - von 1101 Anordnungen im Jahr 1996 auf 871 Anordnungen im Jahr 2011. Zugleich aber leben immer mehr Menschen zwangsweise in den psychiatrischen Krankenhäusern - knapp dreitausend waren es im Jahr 1996, 6750 waren es im März 2012. Die Zahlen beziehen sich auf die alten Bundesländer. Das bedeutet: Die Verweildauer in der Psychiatrie wird immer höher, die Patienten werden immer seltener entlassen.

Schon die Statistiken sind nicht besonders gepflegt, wenn es um die "Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus" geht. Das gilt auch für die Paragrafen, mittels derer kranke Straftäter dorthin verbracht werden. Die Paragrafen 63 bis 67h, die im Strafgesetzbuch Arten und Ausmaß freiheitserziehender Maßregeln festsetzen, genießen bisher keine große Beachtung - nicht in der juristischen Ausbildung, nicht in der juristischen Praxis, nicht in der juristischen Literatur. Das soll sich jetzt ändern: Ein Papier des Bundesjustizministeriums stellt "Reformüberlegungen zur Unterbringung nach Paragraf 63 StGB" an.

In den psychiatrischen Krankenhäusern werden Menschen untergebracht, die im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit Straftaten begangen haben. Neben den Abschiebegefängnissen, in denen Flüchtlinge darauf warten, aus dem Land geschafft zu werden, sind das die Orte mit der niedrigsten Rechtsdichte in Deutschland. Sie sind die Dunkelkammern des Rechts. Die einschlägigen Paragrafen sind oberflächlich, sie werden der "Tragweite der Entscheidung" nicht gerecht. Das Wort von der "Tragweite der Entscheidung" stammt aus dem aktuellen Papier des Bundesjustizministeriums zur Reform der Unterbringung, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Es enthält Vorschläge für Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, dass eine Unterbringung von Straftätern in der Psychiatrie durch den Strafrichter künftig auf wirklich gravierende Fälle beschränkt und die weitere Unterbringung dort dann in viel kürzeren Abständen als bisher und viel genauer als bisher geprüft wird.

Die Vorschläge des Bundesjustizministeriums ändern und konkretisieren die gesetzlichen Regeln für die Einweisung ins psychiatrische Krankenhaus und für die Entlassung aus dem psychiatrischen Krankenhaus. Über die Art und Weise der Unterbringung sagen sie nichts. Was darf ein Straftäter, der in die Psychiatrie verbracht wurde? Welche Rechte hat er? Welche Einschränkungen muss er sich gefallen lassen? Wie sieht sein Leben hinter Gittern aus? Wo und wie kann sich der eingesperrte Mensch beschweren, wenn er sich und seine Rechte verletzt fühlt?

Für Straftäter, die im normalen Strafvollzug, also im Gefängnis, sitzen, ist das alles genau gesetzlich geregelt, für Straftäter in Sicherungsverwahrung auch. Für die Menschen, die in die Psychiatrie eingewiesen werden, gibt es solche Gesetze nicht. Selbst die kleinen Annehmlichkeiten, die den Haftalltag erträglicher machen sollen, etwa der Einkauf von Tabak, Süßigkeiten, Kosmetika und Zeitschriften aus dem eigenen Geld des Insassen, werden in vielen psychiatrische Krankenhäusern nicht gewährt. Da freut sich der Insasse in der Psychiatrie, dass er "wenigstens die Zeitung lesen" darf, auch wenn sie Löcher hat. Oft nämlich, so klagt jener Schreiber, der fürchtet, dass er erst "mit den Füßen voran" entlassen wird, fehlen da ganze Seiten "oder einzelne Artikel sind rausgeschnitten". Und er fragt, ob die Anstalt sie vielleicht wegen "Gesundheitsschädlichkeit" entfernt hat.
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