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Ding der Woche: Der Lern-Galgen

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Gesünder als Ritalin ist es auf jeden Fall. Um nicht beim Lernen einzuschlafen, binden chinesische Schüler und Studenten ihre Haare mit Wäscheklammern an Mini-Wäschespinnen fest, die an der Decke befestigt sind. Wenn sie wegdösen und ihr Kopf vornüberkippt, soll der Schmerz sie wecken, so die Idee. Ganz ernst gemeint sind die Fotos, die in den vergangenen Tagen im Netz auftauchten, natürlich nicht, die ursprüngliche Absicht der Begründerin des Mems allerdings schon.  



Chen Tang

Chen Tang, 20, die an der Land- und Forstwirtschaftsuniversität in der Provinz Fujian studiert, hat, wenn sie bis spät nachts lernen muss, manchmal Probleme wach zu bleiben. Sie erinnerte sich an zwei berühmte chinesische Wissenschaftler, die der Legende nach schmerzhafte Mittel anwandten, um sich bei der Arbeit wachzuhalten: Einer stach sich immer, wenn er einzuschlafen drohte, selbst mit Nadeln, der andere band seine Haare an einem Balken fest. Nadeln waren Chen zu brutal, deswegen wollte sie das mit den Haaren versuchen. Weil sie keinen Balken zur Hand hatte, probierte sie es mit einer Mini-Wäschespinne.  

Ihre Mitbewohnerin fotografierte Chen dabei und veröffentlichte Bilder ihres „Clothes Hanger Hanging Hair“. „Das Lernen ist so langweilig, aber die Hanging-Hair-Technik macht es interessant und ich fühle mich wirklich viel dynamischer, wenn ich auf diese Art lerne“, sagte Chen der Daily Mail. Deswegen wolle sie den Trick ab sofort öfter anwenden.  

Mobile für durchgelernte Nächte  


Im Internet gibt es inzwischen eine ganze Reihe Fotos, auf denen Schüler und Studenten Chens Haar-Trick nachmachen. Auf den Bildern sieht man sie vor ihren Schreibtischen sitzen und lernen, schreiben oder rechnen – und dabei recht steif dasitzen, weil es bei zu viel Bewegung an ihren Haaren ziepen würde. Vermutlich nicht allzu fest. Die Wäschespinnenkonstruktionen, die aussehen wie Mobiles für Kinder, wirken nämlich nicht besonders robust. Vielleicht bindet eines der Mädchen deshalb gleich ihren ganzen Pferdeschwanz an die Decke.  

Gefährlicher sieht aus, wie Kurzhaarträger Chens Trick abwandeln:





Auf manchen Fotos legen Schüler und Studenten ihren Hals in Schlingen, die sie mit Schals und Tüchern von der Decke aus gezogen haben. Ein Junge hat noch eine andere Idee, um nicht einzuschlafen, die gesundheitlich unbedenklich, aber ziemlich eklig ist: Er schnuppert während er lernt immer wieder an einem Turnschuh.

Acht Stunden Schule, zwei bis vier Stunden Hausaufgaben  


Hinter dem offensichtlichen Witz steckt aber eine ernste Kritik. Besonders makaber ist das Galgenbild, an das die Tücher- und Schalkonstruktionen unvermeidlich erinnern. In China sind Acht-Stunden-Schultage normal. Plus vier Stunden Hausaufgaben. Immer wieder hört man von Schülern, die den enormen Druck nicht aushalten und Suizid begehen. Und von Ideen, irgendwie doch mit diesem Druck umzugehen.

Manche probieren Infusionen mit Kochsalzlösung, um mehr Energie fürs Lernen zu haben. 2012 wurden auf Facebook und Blogs Fotos von chinesischen Klassenzimmern geteilt, in denen Infusionsbeutel hängen. Während ihrer Abschlussprüfung soll Schülern intravenös Aminosäuren zugeführt worden sein. Das habe keine schädlichen Nebenwirkungen und wirke entspannend, zitiert Focus Online den Sprecher der Xiaogang-Oberschule in der Provinz Hubei.

Auch in Deutschland gibt es immer wieder Meldungen, dass Schüler und Studenten ihre Leistung mit künstlichen Hilfsmitteln steigern, zum Beispiel mit Ritalin, wobei die Wirkung – und die Nebenwirkungen sowieso – umstritten sind. In Amerika nimmt angeblich jeder vierte Student illegal das Medikament, das eigentlich für ADHS-Patienten bestimmt ist.  

Der Haar-Trick ist mit deutlich weniger Nebenwirkungen verbunden als das Doping mit Medikamenten und Infusionen. Und er hat noch einen zweiten Vorteil: Mit ihm lässt sich das Thema Leistungswahn ziemlich einprägsam bebildern. Der Antrieb, aus dem heraus man zu solchen Hilfsmitteln greift, ob zu Ritalin oder zur Wäschespinne, ist nämlich immer gleich schlimm.

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