Es gibt einen Park, in dem es einen Tower gibt statt Bäumen und Landebahnen statt Bächen. Einen Park, um den sich viele Berliner gerade Sorgen machen: das Tempelhofer Feld beziehungsweise der Tempelhofer Park auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Der Berliner Senat plant, an seinen Rändern 4700 Wohnungen zu bauen. Das Volksbegehren „100 % Tempelhofer Feld“ möchte das verhindern. Noch den ganzen Montagabend bis Mitternacht können die Bürger ihre Unterschrift dafür abgeben. Das Ziel von 173.000 Unterschriften ist schon überschritten, jetzt streben die Initiatoren 210.000 an, um sicherzugehen, dass am Ende genug gültige Unterschriften dabei sind. Wenn das gelingt, wird das Volksbegehren dem Abgeordnetenhaus vorgelegt; wird dort nicht darauf eingegangen, kommt es zum Volksentscheid.
In der Diskussion um den Park und warum es wichtig ist, ihn in seiner jetziges Form zu erhalten (Denkmalschutz, Erholungsgebiet, biologische Vielfalt), wurde ein Aspekt einfach ausgespart: das Kunstobjekt „Tempelhofer-Feld-Foto“. Auf Instagram findet man unter dem Hashtag #tempelhoferfeld fast 2000 Bilder. Viele davon sind sich sehr ähnlich und haben eine besondere Ästhetik, die Bildern aus dem Englischen Garten in München oder dem Hamburger Volkspark fehlt, auf denen man eben sieht, was auf Parkfotos standardmäßig so drauf ist (Bäume, Wiesen, Bäche, Licht und Schatten). Wir haben darum die Fotos vom Tempelhofer Feld kuratiert, weil wir glauben, dass sie ebenfalls ein Grund sind, diesen Park zu schützen. Sie fangen das Gefühl dieses Ortes ein, sie zeigen, wie dort der Blick tausender Menschen zu einem einzigen Blick vereint wird und wie diese Menschen ticken. Ein Interpretationsversuch der sechs häufigsten Tempelhofer-Feld-Motive.
Drachen
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Motiv: blauer Himmel, bunte(r) Drachen
Eine riesige Freifläche ohne Häuser, Bäume, Straßenlaternen und Stromleitungen. Wann hat man noch mal nach diesen Voraussetzungen gesucht? Genau: Damals, mit neun, wenn der Wind blies und man einen neuen Drachen geschenkt bekommen hatte. Auf dem Tempelhofer Feld werden Mittzwanziger, Partygänger, Agenturmitarbeiter, Studenten der Geisteswissenschaften auf einmal wieder zu Neunjährigen, die etwas Buntes in den Himmel werfen und dort fliegen sehen wollen; das ist ungefähr der gleiche Effekt, wie wenn sie Seifenblasen in ihre Finger bekommen – nur in größer! Der Drachen galt schon im China des 17. Jahrhunderts als Glückssymbol, wurde möglichst hoch geflogen und dann in die Freiheit entlassen – auf dass alle Sorgen und Gefahren mit dem Wind davonfliegen. Das kann und sollte man ab und zu einfach mal versuchen, wenn die Voraussetzungen dafür stimmen. Und das tun sie hier ja.
Rollen auf dem Rollfeld
[plugin bildergalerielight Bild2="Rollen auf dem Rollfeld"]
Motiv: Skateboard-, Rad- und Longboard- Fahrer
Ein Rollfeld ist eigentlich ein verbotener Ort. Auf kleinen Flughäfen muss man lange warten, um dann im Pulk über das Feld zum Flieger gescheucht zu werden. Auf großen Flughäfen beschränkt sich der Weg übers Rollfeld auf die wenigen Meter zwischen Bus und Flugzeugtreppe. Wie liebt man Filmbilder, in denen ein kleiner Mensch auf einem riesenhaften Rollfeld ein riesenhaftes Flugzeug anhält! Und wie liebt man den Gedanken, ein Mal dort mit dem Skateboard oder Fahrrad entlangrasen zu dürfen und sich so zu fühlen, als müsse man am Ende der Startbahn zwangsweise abheben! Auf dem Tempelhofer Feld darf man das, ganz legal, jeden Tag von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Klar, ist ja auch ein Park, aber das Bild des Rollens auf dem Rollfeld suggeriert schon ein kleines bisschen Rebellentum, mit ihnen weht dem Betrachter ein Hauch des Verbotenen und der Anarchie entgegen. Flugzeuge? Pah! Longboards? Ja!
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Fluchtpunkt
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Motiv: Lande- und Startbahn
Man kann weit gucken, auf dem Tempelhofer Feld, und die Bahnen schneiden Schneisen in die Grünflächen. Dar Raum scheint sich auszudehnen. Dahinten, wo man nicht mehr hinblicken kann, geht es noch weiter und dann noch ein bisschen, bis die Stadt wieder über einen hereinbricht. Aber jetzt gerade ist sie ganz weit weg, jetzt gerade kann man diesen Ort als eine Weite, als eine Symmetrie, als vollendet schön abbilden. Das Links und das Rechts: ausgeblendet. Das quängelnde Kind der Familie beim Sonntagsausflug, der Skater, der seine Tricks nicht packt, die zehn anderen, die an der gleichen Stelle stehen und auch ein Foto machen: alle nicht im Bild. Unendliche Ruhe, unendliche Weite.
Akrobatik
[plugin bildergalerielight Bild4="Akrobatik"]
Motiv: Menschen, die springen oder einen Handstand machen
Dort, wo es flach ist, zeigt das Foto eines springenden Menschen ihn im Himmel statt vor Bäumen oder Bergen. Und das Foto eines Menschen im Handstand zeigt seine Füße im Himmel. Die Menschen, die auf dem Tempelhofer Feld springen und toben, sie suggerieren: Die Welt ist unser Spielplatz, wir sind jung, wir sind frei, wir brauchen Platz, damit wir rennen können, bis uns die Puste ausgeht, und wir erobern uns diesen Platz, schaut her, so geht’s! Sie suggerieren auch, dass das hier nicht der Ort für schlechte Laune ist, dass es einem hier automatisch gut geht, dass man den ganzen Tag gespielt hat wie die Welpen und den Augenblick umarmt hat, jede einzelne Sekunde.
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Tower
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Motiv: Radarturm auf dem Flughafengelände
Gib den Menschen einen Ort, an dem sie Zeit verbringen und an den sie mitbringen können, was sie gerne um sich haben (Freunde, Biere, Handys, Skateboards), um dann ganz im Hier und Jetzt sein zu können. Am allerbesten ist dieser Ort für das Hier und Jetzt ein Ort mit Tradition, an dem an manchen Stellen das Damals hereinbricht, zum Beispiel in Form eines alten Turms. Die Menschen werden ihn lieben und tausendfach reproduzieren, bis daraus ein Symbol des Ortes geworden ist. „Ich war an diesem Ort“ sagen die Reproduktionen. Mehr als 70 Meter hoch, erbaut in den achtziger Jahren, irgendwie außerirdisch: Der alte Radarturm ist das perfekte Motiv, um den Besuch auf dem Tempelhofer Feld zu illustrieren, um zu sagen „Ich war dort – und dort ist es ein bisschen anders als in euren Parks“.
Sonnenuntergänge
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Motiv: eben jene
Sonnenuntergänge am Meer sind die schönsten, denn der Horizont ist flach und schnurgerade, Mensch und Sonne sitzen sich auf Augenhöhe gegenüber, und während sie versinkt, schwelgt er in Wehmut, weil der Tag zu Ende geht, der helle, schöne, warme Tag. Sonnenuntergänge auf dem Tempelhofer Feld sind fast genauso schön, denn der Horizont ist flach und fast schnurgerade, Mensch und Sonne sitzen sich beinahe auf Augenhöhe gegenüber, und während sie versinkt, schwelgt er in Wehmut, weil der Ausflug zu Ende geht, der helle, schöne, erholsame Ausflug. Schnell macht der Mensch ein Foto, weil der alte Hesse schrieb, jedem Anfang wohne ein Zauber inne, aber auch, dass dafür erst mal was zu Ende gehen muss, dass das Herz bereit sein muss zum Abschied. Und das gilt auch für den Abschied vom Tempelhofer Feld, auch wenn Hesse den damals wahrscheinlich nicht gemeint hat.
In der Diskussion um den Park und warum es wichtig ist, ihn in seiner jetziges Form zu erhalten (Denkmalschutz, Erholungsgebiet, biologische Vielfalt), wurde ein Aspekt einfach ausgespart: das Kunstobjekt „Tempelhofer-Feld-Foto“. Auf Instagram findet man unter dem Hashtag #tempelhoferfeld fast 2000 Bilder. Viele davon sind sich sehr ähnlich und haben eine besondere Ästhetik, die Bildern aus dem Englischen Garten in München oder dem Hamburger Volkspark fehlt, auf denen man eben sieht, was auf Parkfotos standardmäßig so drauf ist (Bäume, Wiesen, Bäche, Licht und Schatten). Wir haben darum die Fotos vom Tempelhofer Feld kuratiert, weil wir glauben, dass sie ebenfalls ein Grund sind, diesen Park zu schützen. Sie fangen das Gefühl dieses Ortes ein, sie zeigen, wie dort der Blick tausender Menschen zu einem einzigen Blick vereint wird und wie diese Menschen ticken. Ein Interpretationsversuch der sechs häufigsten Tempelhofer-Feld-Motive.
Drachen
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Motiv: blauer Himmel, bunte(r) Drachen
Eine riesige Freifläche ohne Häuser, Bäume, Straßenlaternen und Stromleitungen. Wann hat man noch mal nach diesen Voraussetzungen gesucht? Genau: Damals, mit neun, wenn der Wind blies und man einen neuen Drachen geschenkt bekommen hatte. Auf dem Tempelhofer Feld werden Mittzwanziger, Partygänger, Agenturmitarbeiter, Studenten der Geisteswissenschaften auf einmal wieder zu Neunjährigen, die etwas Buntes in den Himmel werfen und dort fliegen sehen wollen; das ist ungefähr der gleiche Effekt, wie wenn sie Seifenblasen in ihre Finger bekommen – nur in größer! Der Drachen galt schon im China des 17. Jahrhunderts als Glückssymbol, wurde möglichst hoch geflogen und dann in die Freiheit entlassen – auf dass alle Sorgen und Gefahren mit dem Wind davonfliegen. Das kann und sollte man ab und zu einfach mal versuchen, wenn die Voraussetzungen dafür stimmen. Und das tun sie hier ja.
Rollen auf dem Rollfeld
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Motiv: Skateboard-, Rad- und Longboard- Fahrer
Ein Rollfeld ist eigentlich ein verbotener Ort. Auf kleinen Flughäfen muss man lange warten, um dann im Pulk über das Feld zum Flieger gescheucht zu werden. Auf großen Flughäfen beschränkt sich der Weg übers Rollfeld auf die wenigen Meter zwischen Bus und Flugzeugtreppe. Wie liebt man Filmbilder, in denen ein kleiner Mensch auf einem riesenhaften Rollfeld ein riesenhaftes Flugzeug anhält! Und wie liebt man den Gedanken, ein Mal dort mit dem Skateboard oder Fahrrad entlangrasen zu dürfen und sich so zu fühlen, als müsse man am Ende der Startbahn zwangsweise abheben! Auf dem Tempelhofer Feld darf man das, ganz legal, jeden Tag von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Klar, ist ja auch ein Park, aber das Bild des Rollens auf dem Rollfeld suggeriert schon ein kleines bisschen Rebellentum, mit ihnen weht dem Betrachter ein Hauch des Verbotenen und der Anarchie entgegen. Flugzeuge? Pah! Longboards? Ja!
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Fluchtpunkt
[plugin bildergalerielight Bild3="Fluchtpunkt"]
Motiv: Lande- und Startbahn
Man kann weit gucken, auf dem Tempelhofer Feld, und die Bahnen schneiden Schneisen in die Grünflächen. Dar Raum scheint sich auszudehnen. Dahinten, wo man nicht mehr hinblicken kann, geht es noch weiter und dann noch ein bisschen, bis die Stadt wieder über einen hereinbricht. Aber jetzt gerade ist sie ganz weit weg, jetzt gerade kann man diesen Ort als eine Weite, als eine Symmetrie, als vollendet schön abbilden. Das Links und das Rechts: ausgeblendet. Das quängelnde Kind der Familie beim Sonntagsausflug, der Skater, der seine Tricks nicht packt, die zehn anderen, die an der gleichen Stelle stehen und auch ein Foto machen: alle nicht im Bild. Unendliche Ruhe, unendliche Weite.
Akrobatik
[plugin bildergalerielight Bild4="Akrobatik"]
Motiv: Menschen, die springen oder einen Handstand machen
Dort, wo es flach ist, zeigt das Foto eines springenden Menschen ihn im Himmel statt vor Bäumen oder Bergen. Und das Foto eines Menschen im Handstand zeigt seine Füße im Himmel. Die Menschen, die auf dem Tempelhofer Feld springen und toben, sie suggerieren: Die Welt ist unser Spielplatz, wir sind jung, wir sind frei, wir brauchen Platz, damit wir rennen können, bis uns die Puste ausgeht, und wir erobern uns diesen Platz, schaut her, so geht’s! Sie suggerieren auch, dass das hier nicht der Ort für schlechte Laune ist, dass es einem hier automatisch gut geht, dass man den ganzen Tag gespielt hat wie die Welpen und den Augenblick umarmt hat, jede einzelne Sekunde.
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Tower
[plugin bildergalerielight Bild5="Tower"]
Motiv: Radarturm auf dem Flughafengelände
Gib den Menschen einen Ort, an dem sie Zeit verbringen und an den sie mitbringen können, was sie gerne um sich haben (Freunde, Biere, Handys, Skateboards), um dann ganz im Hier und Jetzt sein zu können. Am allerbesten ist dieser Ort für das Hier und Jetzt ein Ort mit Tradition, an dem an manchen Stellen das Damals hereinbricht, zum Beispiel in Form eines alten Turms. Die Menschen werden ihn lieben und tausendfach reproduzieren, bis daraus ein Symbol des Ortes geworden ist. „Ich war an diesem Ort“ sagen die Reproduktionen. Mehr als 70 Meter hoch, erbaut in den achtziger Jahren, irgendwie außerirdisch: Der alte Radarturm ist das perfekte Motiv, um den Besuch auf dem Tempelhofer Feld zu illustrieren, um zu sagen „Ich war dort – und dort ist es ein bisschen anders als in euren Parks“.
Sonnenuntergänge
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Motiv: eben jene
Sonnenuntergänge am Meer sind die schönsten, denn der Horizont ist flach und schnurgerade, Mensch und Sonne sitzen sich auf Augenhöhe gegenüber, und während sie versinkt, schwelgt er in Wehmut, weil der Tag zu Ende geht, der helle, schöne, warme Tag. Sonnenuntergänge auf dem Tempelhofer Feld sind fast genauso schön, denn der Horizont ist flach und fast schnurgerade, Mensch und Sonne sitzen sich beinahe auf Augenhöhe gegenüber, und während sie versinkt, schwelgt er in Wehmut, weil der Ausflug zu Ende geht, der helle, schöne, erholsame Ausflug. Schnell macht der Mensch ein Foto, weil der alte Hesse schrieb, jedem Anfang wohne ein Zauber inne, aber auch, dass dafür erst mal was zu Ende gehen muss, dass das Herz bereit sein muss zum Abschied. Und das gilt auch für den Abschied vom Tempelhofer Feld, auch wenn Hesse den damals wahrscheinlich nicht gemeint hat.