Die Mädchenfrage
Jungs, heute müssen wir mal über Frisörbesuche sprechen. Irgendwie erlebt ihr die nämlich anders als wir.
So läuft das bei uns ab: Wir machen einen Termin aus, überlegen in den Wochen des Wartens, wie diesmal geschnitten oder gefärbt werden soll. Jeden Tag freuen wir uns ein bisschen darauf. Nicht (nur), weil unsere Haare danach ein paar Zentimeter kürzer oder rot sind oder wir gespannt sind, wie wir mit Pony aussehen. Nein, wir freuen uns auf das Prozedere an sich. Die Kopfmassage beim Haarewaschen. Sogar auf das Abtrocknen und Durchkämmen, das Föhnen, das im Alltag nur nervt. Sobald diese Dinge jemand anderes für einen macht, bekommen sie eine ganz andere, ungeteilte Aufmerksamkeit. Und wir selbst auch.
Für euch Jungs scheint das nicht zu gelten. Bei euch beobachte ich eine allgemeine Scheu vor dem Frisörbesuch. Wenn meine bisherigen Freunde zum Haareschneiden gingen, sah das immer so aus: Auf dem Nachhauseweg von der Schule/Uni/Arbeit liefen sie an einem Schaufenster mit der Aufschrift "Schnitt 12 Euro, ohne Termin!" vorbei, rechneten kurz nach, wie lange ihr letzter Frisörbesuch zurücklag. Tat er das mehr als ein halbes Jahr, traten sie ein. Ließen sich die Haare nicht waschen, sondern nur ein bisschen nass sprühen (geht schneller). Und verließen den Frisörladen mit millimeterkurzen Haaren; nicht, weil sie das so wollten, sondern um den nächsten Besuch so lange wie möglich hinauszuzögern.
Was mögt ihr an Frisörbesuchen nicht? Hasst ihr den Smalltalk? Dass jemand Fremdes an eurem Kopf fummelt? Das Aufgebrezeltwerden? Die plötzliche ungeteilte Aufmerksamkeit? Findet ihr daran gar nichts entspannend und schön? Ist er wirklich nur ein Pflichttermin, in seiner Lästigkeit irgendwo zwischen Zahnarzttermin und Autowaschen? Oder denkt ihr, das hat man als Mann einfach nicht zu mögen? Und genießt es am Ende doch ein bisschen, aber heimlich?
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Die Jungsantwort
Zu meinem letzten Frisörtermin fuhr ich auf dem Rennrad, es war Juli. Das ist das wichtige Detail Nummer eins. In einem Rucksack transportierte ich eine Mütze. Das ist das wichtige Detail Nummer zwei.
Der Gedanke, einen Termin zu machen, kommt mir ungefähr seit November immer mal wieder. Dann, wenn mein Haar beim Schuhebinden über die Augen fällt. Ich denke kurz: Fuck. Und stehe kurz darauf im verspiegelten Aufzug und denke: Stimmt schon. Irgendwie ist das zu lang über den Ohren. Aber auch schön eingetragen! Meine Frisur ist nämlich erst Monate nach dem letzten Frisörtermin so, wie sie sein soll - wie ein guter Turnschuh. Hie und da etwas verbeult, passt dafür aber zu allem und drückt nirgends.
Euren akuten Genuss beim Frisiertwerden können wir schon nachvollziehen. Dieses Hinterkopf-Kraulen beim Einschäumen - eine Wonne, auch für uns! Bloß läuft diese Prozedur zuverlässig auf den Moment des Grauens hinaus: Der Frisör zieht den Kittel weg, pinselt uns Haarfitzel vom Hals und hält den Spiegel hin. Und wir sehen eine lächerlich brav gestutzte Version unserer selbst. Eine Karikatur mit schön ausrasiertem Nacken. Mit den Haarinseln am Boden fegt der Coiffeur die Reste unseres Egos in sein Kehrblech. Weshalb ich grundsätzlich mit Mütze auf dem Kopf aus Frisörsalons trete.
Schlimm ist für uns also nicht das Haareschneiden, sondern dessen Resultat. Wir fühlen uns hinterher nie besseraussehend als vorher. Im Gegenteil: Unter dem neu frisierten Haupthaar entdecken wir Löcher im Bartwuchs, den doch ganz schön schiefen Nasenrücken und natürlich, am schlimmsten: die frappierende Ähnlichkeit mit unserer Mutter. Wir sind männlichkeitsmäßig auf Null zurückgesetzt, botanisch ausgedrückt werden wir von der lässig zerzausten Rotbuche zur gehorsam gestutzten Buchsbaumhecke. Selbst der o-beinige Chef verliert an genau einem Tag im Quartal seine Autorität - an jenem Tag, an dem er vom Frisör kommt, angepasst, eingenormt, ungefährlich.
Daher rührt auch unsere Grundregel im Umgang mit Passfototerminen, Bewerbungsgesprächen oder wichtigen Konzertauftritten: Was auch immer du tust, geh auf keinen Fall vorher zum Frisör! Geht nicht anders? Egal! Geht wirklich nicht anders? Dann plane zwei Wochen Karenzzeit ein! Denn erst nach mindestens zehn Werktagen hat sich unser Auge so weit an das neu umrahmte Gesicht gewöhnt, dass es sein Spiegelbild wieder halbwegs ernstnimmt.
Wenn wir also wirklich mal wieder müssen, halten wir es mit dem Haareschneiden wie mit den grünen Bananen im Supermarkt: Wir kaufen da was, von dem wir wissen, dass es erstmal ungenießbar ist.
jan-stremmel