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Wo brennt's?

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Überall auf der Welt wird zur Zeit protestiert. Aber wer geht wogegen auf die Straße? Wir haben uns an einem Überblick versucht.

Türkei



Worum geht's offiziell? Um den Bau eines Einkaufszentrums auf dem Gelände des Istanbuler Gezi-Parks, eine Grünfläche neben dem belebten Taksim-Platz.

Worum geht's wirklich?
Um den autoritären Regierungsstil des türkischen Ministerpräsidents Recep Tayyip Erdoğan. Der treibt mit seiner Regierung im Alleingang die Gentrifizierung Istanbuls voran, Betroffene werden nicht gefragt. Gleichzeitig verehren allerdings auch viele Türken Erdoğan für seinen Reformkurs, bei der Parlamentswahl 2011 bekam seine Partei knapp 50% der Sitze. Es ist also auch ein innertürkischer Konflikt.

Wer protestiert? Zu Beginn die Parkschützer, mittlerweile vor allem junge Leuteund Oppositionelle.

Scheitelpunkt:
Am Samstag den 15. Juni 2013 wurde der besetzte Gezi-Park von der Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern geräumt. Dabei war die offizielle Frist zur Räumung noch nicht verstrichen.

Gesicht des Protests:
Erdem Gündüz. Ein junger Choreograph, der schweigend über Stunden auf die türkische Flagge blickte, bis sich ihm zahlreiche Menschen anschlossen.

Hashtag?
#occupygezi. Das ist allerdings nicht unheikel, einige kritische Twitter-Nutzer wurden festgenommen.

Die Bilanz?
Laut türkischem Ärztebund gab es bisher vier Tote und 7500 Verletzte. Seit der Parkräumung sind alle weiteren Besetzer laut Regierung "Terroristen". Erdogan hat allerdings ein Referendum über den Park angekündigt.
Brasilien



Worum geht's offiziell? Um Fußball. Brasilien gibt Geld aus für den Confed-Cup und die WM nächstes Jahr. Gleichzeitig steigen die Nahverkehrpreise, weil der Staat sparen muss.

Um was geht es wirklich? Um den Übergang eines Schwellenlandes zum Industriestaat. Laut offizieller Lesart boomt Brasilien, die Menschen bekommen davon allerdings nicht alle etwas ab. Viel Geld versinkt durch Korruption auf Lokalebene, deshalb bleiben die Straßen schlecht und die Korruption hoch, obwohl die Brasilianer hohe Steuern zahlen.

Wer protestiert? Ziemlich viele. Allein in Rio waren in der Nacht von Donnerstag auf Freitag 300.000 Demonstranten unterwegs, Brasilienweit sollen es eine Million gewesen sein. Die Jugend ist dabei besonders präsent - im Gegensatz zur Elterngeneration nehmen sie Korruption nicht als alltäglich hin und wollen etwas ändern.

Scheitelpunkt:
Noch nicht erreicht.

Gesicht des Protests:
Kommt noch in den nächsten Wochen.

Hashtag?
#changebrazil

Die Bilanz?
Die Fahrpreiserhöhungen wurden zurückgenommen, das Geld muss nun allerdings woanders her geholt werden. Präsidentin Dilma Rousseff hat in einer Fernsehansprache Verständnis für die Demonstranten verkündet und will ihnen entgegenkommen.

Spanien



Worum geht's? Die immens hohe Arbeitslosigkeit. Die Hälfte der Spanier unter 25 ist ohne Job.

Wer protestiert? Sie nennen sich "die Empörten" ("indignados") und kommen aus allen spanischen Schichten.

Scheitelpunkt: Vom 15. Mai bis 19. Juni 2011 gab es Massendemonstrationen, auf zentralen Plätzen wurde campiert. Die Polizei räumte zeitweise mit Schlagstöcken die Camps, zur Kommunalwahl wurde der Protest sogar verboten. Danach zerstreute sich die Bewegung, seit Mai 2013 gehen allerdings wieder Studenten, Lehrer und Schüler auf die Straße. Grund: Im Bildungsetat sollen 14% gespart werden.

Gesicht des Protests:
Eigentlich war es der Bewegung wichtig, geschlossen aufzutreten. Dementsprechend sollte es auch keine "Anführer" geben. Ein wenig mehr hervorgetan hat sich dann aber doch Carlos Paredes, Mitgründer von "¡Democracia real YA!" ("Wirkliche Demokratie jetzt!").

Hashtag?
#spanishrevolution und #15m für den 15. Mai

Die Bilanz:
Schlecht. Auf elf Jobs als Museumswärter beim Prado in Madrid bewarben sich jüngst 19.000 Menschen. Deutschland bietet allerdings mittlerweile für 5.000 Spanier jährlich einen Ausbildungsplatz an.
Syrien



Worum geht's offiziell? Auch die Syrer wollte am arabischen Frühling teilhaben. Sprich: Mehr Mitbestimmung, bessere Perspektiven.

Worum geht's wirklich? Um einen Bürgerkrieg zwischen der Regierung von Baschar al-Assad, Opposition, der Hisbollah und diversen ethnischen und religiösen Minderheiten.

Wer protestiert?
Syrien zeigt, wie aus Protest Krieg werden kann. Es begann mit den Demonstrationen von Dar’a im Frühjahr 2011. Hier wurden Kinder, die "Das Volk will den Sturz des Regimes" an eine Wand geschrieben hatten, verhaftet und gefoltert. Nachdem Regierungstruppen gewaltsam gegen die Demonstranten vorgingen, griff der Protest auf andere Städte über. Rebellengruppen wehrten sich gegen die gewaltsamen Übergriffe des Militärs. Seitdem ist Krieg.

Gesicht des Protests: Der 13-jährige Hamza Ali Al-Khateeb. Er wurde willkürlich bei den den Protesten in Dar'a im April 2011 festgenommen, seine schwer misshandelte Leiche erhielt die Familie Ende Mai zurück.

Hashtag:
#syrianrevo Wenn die Rebellen allerdings damit arbeiten, kappt die Regierung auch schon mal das Internet.

Scheitelpunkt: Gefühlt eigentlich jede Woche. Faktisch waren besonders dramatische Einschnitte allerdings beim Massaker von Hula, bei dem 108 Menschen von regimetreuen Milizen erschossen wurden. Assad wurde daraufhin international isoliert.

Die Bilanz: UN-Schätzungen zufolge gab es in Syrien bereits knapp 100.000 Tote. Die Welt versucht, Assad zu Friedensgesprächen zu überreden. Gleichzeitig ist das EU-Waffenembargo gegen Syrien ausgelaufen. Manche Länder überlegen nun, Waffen an die Rebellen zu liefern. Die jungen Syrer verlassen das Land, wenn möglich. Denn wann die Unis und Schulen wieder regelmäßig aufmachen, ist nicht absehbar.
Ungarn



Worum geht's offiziell? Studenten müssen sich verpflichten, nach dem Studium in Ungarn zu arbeiten. Wer es nicht tut, muss zahlen.

Und worum geht es wirklich? Ungarn steht am Rande eines EU-Ausschlussverfahrens. Die Wirtschaftslage ist mies, dementsprechend heizt sich die nationalistische Stimmung auf. Insbesondere junge Menschen stellen sich dem entgegen. Wer sich allerdings zu laut wehrt, wird festgenommen. Dementsprechend wollen viele aus Ungarn weg, die Studenten-müssen-bleiben-Nummer ist ein Versuch der Regierung von Viktor Orbán, das zu ändern.

Wer protestiert? Hauptsächlich die Jugend. Aber auch die Oppositionsparteien, die allerdings alle zersplittert sind.

Gesicht des Protests: Wie Pusztaranger aussieht weiß keiner, das wäre zu gefährlich. Aber sein Blog wurde zur konstanten Stimme im Protest.

Hashtag?
#Hallgatóihálózat, der Name der Studentenbewegung

Scheitelpunkt: Um den 15. März 2013, Ungarns Nationalfeiertag, wurde das neue Gesetz zum Bleibezwang unterzeichnet und die Proteste erreichten ihren Höhepunkt. Eine Woche darauf wurde die besetzte Universität zwangsgeräumt.

Die Bilanz:
Düster. Die EU droht zwar mit Sanktionen, trotzdem überlegt schätzungsweise jeder achte junge Ungar, das Land zu verlassen.

Ägypten



Worum geht's offiziell? Eigentlich müsste alles top sein: Ägypten war Zentrum des arabischen Frühlings, danach gab es freie Wahlen und dabei haben sich halt 70% für islamische Parteien entschieden. Nun jährt sich der Amtsantritt von Staatspräsident Mohammed Mursi und die Opposition geht wieder demonstrieren.

Worum geht's wirklich? Viele Ägypter, insbesondere Frauen, hatten sich eine Revolution sehr anders vorgestellt. Statt Freiheit sind Beschneidungen von Frauen und sexuelle Belästigung weiterhin auf der Tagesordnung, von der UNO angedachte Rechte für Frauen wurden verdammt.

Wer protestiert? Alle, die von der Revolution enttäuscht sind und sich noch trauen.

Gesicht des Protests: Die 20-jährige Kunststudentin Alia Magda al-Mahdi sorgt 2011 für Aufruhr, als sie Nacktbilder von sich als Zeichen des Protests bloggte. Sie bekam daraufhin Todesdrohungen und floh nach Schweden.

Hashtag? #jan25 für den 25. Januar 2011, das Datum des Beginns der Großdemonstrationen

Scheitelpunkt: Der Rücktritt des bis dahin regierenden Diktators Husni Mubarak am 11. Februar 2011 und die ersten freien Wahlen zum Jahreswechsel 2011/12, bei denen Mursi an die Macht kam.

Die Bilanz: Die Mursi-Wahl wurde nachträglich vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt, Neuwahlen sind nun für den Herbst 2013 angesetzt. Für nächste Woche sind wieder die ersten Großdemonstrationen gegen Mursi geplant.

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