jetzt.de: Vermutlich muss man zunächst erklären, was eine Europäische Bürgerinitiative ist.
Robert Wager: Stark verkürzt: Wenn sich eine Million EU-Bürger aus mindestens sieben EU-Ländern für ein neues Gesetz aussprechen, dann ist die Europäische Kommission verpflichtet, sich mit dem Vorschlag offiziell auseinandersetzen.
Sie ist aber inhaltlich nicht daran gebunden. Sie kann sie also auch ablehnen.
Aber nur aus begründeten Einwänden heraus. Davor steht allerdings die gründliche, fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. In diesem Fall: der strafrechtlichen Verfolgbarkeit von Umweltverbrechen, wobei den Organisatoren im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Europäischen Parlament die Möglichkeit gegeben wird, ihre Argumente darzulegen. Darauf muss die Kommission dann eine formelle Antwort veröffentlichen, in der sie erklärt, wie und mit welchen Maßnahmen sie auf die Bürgerinitiative reagieren will.
Ihr fordert in der Initiative, dass Naturzerstörung im großen Stile als Verbrechen im strafrechtlichen Sinne anerkannt wird. Was ist der Unterschied zur jetzigen Regelung?
Jetzt greift lediglich das Zivilrecht. Wer die Umwelt massiv zerstört, muss maximal mit einem Bußgeld rechnen. Man kann dewegen bis heute aber nicht ins Gefängnis kommen. Das würde sich ändern.
Was bedeutet „massiv“?
Grob: Sobald die Ökosysteme eines bestimmten Gebietes erheblich beschädigt oder zerstört sind – und das auf großer Fläche und nachhaltig. Das deckt eine Vielzahl von möglichen Fällen ab, von der Abholzung der Regenwälder über die Verschmutzung der Meere und die Gewinnung von Rohöl aus Teersand bis zum Verlust des Artenreichtums. In Deutschland meint es zum Beispiel den Braunkohleabbau, für den Wälder gerodet werden. Das zerstört den Lebensraum für unzählige Organismen. Auch die Gefahr von Atomkraftwerken fällt für uns unter die Definition. Wir geben aber bewusst keinen Katalog.
Wieso?
Weil Gerichte das im Einzelfall entscheiden müssen. Nimm das Beispiel Körperverletzung: Da gibt es auch keinen Katalog, der besagt: Zwei Schläge ins Gesicht sind einfache Körperverletzung, drei schwere. Das sind immer Abwägungen.
Bei Körperverletzung wird derjenige verurteilt, der zuschlägt. Ihr wollt die Ausführenden – also einfache Arbeiter und auch die Konsumenten – aber bewusst ausnehmen und die Regelung auf Entscheider eingrenzen. Wie geht das?
Über das Prinzip der Vorgesetztenverantwortlichkeit, das im Völkerstrafrecht „superior responsibility“ heißt. Das besagt, dass die Führungspersonen von Firmen belangt werden können, wenn ihre Organisation einen Ökozid verursacht oder finanziert haben, da sie es sind, die über die Aktivitäten zu entscheiden haben. Konsumenten können demnach nicht für Ökozid verantwortlich gemacht werden. Ein wesentliches Ziel unseres Vorschlages ist es, es für die Konsumenten einfacher zu machen, die richtigen Produkte zu kaufen, da bestehende Produktionsmethoden verändert werden sollen, um den Umweltschutz zu berücksichtigen. Es ist dann Sache des Anklägers, zu entscheiden, wer im Einzelfall angeklagt werden muss. Sowohl Einzelpersonen als auch Firmen können für Ökozid haftbar gemacht werden. Staaten, also Regierungschefs übrigens auch.
Wann ist denn ein Staat für Ökozid verantwortlich?
Möglicherweise, wenn er eine Mine genehmigt hat. Das fällt auch unter die Einzelfallabwägung. Wichtig ist aber, dass das nicht rückwirkend greifen würde. Für heutige Entscheidungen kann niemand belangt werden.
Das klingt in jedem Fall alles so, als ob etwa die Autoindustrie in ihrer jetzigen Form nicht mehr möglich wäre. Energiegewinnung auch nicht.
Das wäre wohl so, ja.
Kritiker werden euch vorhalten, dass eure Forderungen ökonomischer Wahnsinn sind.
Viele Studien sagen, dass es auch ökonomisch sehr viel mehr kostet, die Natur weiter zu zerstören. Außerdem wird die Naturzerstörung zum Beispiel im Falle der fossilen Energien ja sogar noch staatlich subventioniert.. Wir erwarten umgekehrt sogar eher einen positiven Effekt auf Innovationen und Beschäftigung.
Angenommen, ihr bekommt die benötigten Unterschriften zusammen: Über welchen Zeitraum reden wir, bis die Forderungen umgesetzt wären?
Uns ist natürlich klar, dass man einen so umfassenden Wandel, wie wir ihn fordern, nicht von einem Tag auf den anderen schaffen kann. Deshalb schlagen wir eine Übergangszeit von fünf Jahren vor.
Das klingt, mit Verlaub, sehr ambitioniert?
Natürlich wird das tatsächlich länger dauern. Aber es ist ja immer gut, erstmal mit einer starken Forderung anzufangen. Wir denken, dass sowohl Wirtschaft als auch Bevölkerung diesen Übergang mitmachen werden, da sie ja das Ziel sehen und es bereits jetzt viele Unternehmen gibt, die in umweltfreundlichere Techniken investieren. Diese leiden momentan aber oft unter einem Wettbewerbsnachteil, da sie ihre Produkte nicht so kostengünstig abgeben können wie weniger nachhaltige Unternehmen. Und genau da setzen wir mit finanziellen Anreizen an. Jetzt wird der Grundstein gelegt, für Investitionen über die nächsten Jahrzehnte. Es ist wichtig, dass Regierungen klare Signale für Investitionen senden. Wenn Unternehmen davon ausgehen, dass das Ökozidgesetz kommen wird, können sie sich darauf vorbereiten und entsprechend die richtigen Entscheidungen treffen.
Wie viele Unterschriften habt ihr aktuell?
Etwas mehr als 80.000.
Wird das noch was?
Wir arbeiten mit ganzer Kraft darauf hin. Aber selbst, wenn wir die Million nicht erreichen sollten, ist es ein riesen Erfolg, ein weitgehend unbekanntes Thema in die Öffentlichkeit gebracht und dafür ein großes Netzwerk aus Freiwilligen und Unterstützerorganisationen aufgebaut zu haben. Außerdem würden wir gegebenenfalls die Initiative dann beim Europaparlament als Petition einreichen.
Robert Wager: Stark verkürzt: Wenn sich eine Million EU-Bürger aus mindestens sieben EU-Ländern für ein neues Gesetz aussprechen, dann ist die Europäische Kommission verpflichtet, sich mit dem Vorschlag offiziell auseinandersetzen.
Sie ist aber inhaltlich nicht daran gebunden. Sie kann sie also auch ablehnen.
Aber nur aus begründeten Einwänden heraus. Davor steht allerdings die gründliche, fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. In diesem Fall: der strafrechtlichen Verfolgbarkeit von Umweltverbrechen, wobei den Organisatoren im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Europäischen Parlament die Möglichkeit gegeben wird, ihre Argumente darzulegen. Darauf muss die Kommission dann eine formelle Antwort veröffentlichen, in der sie erklärt, wie und mit welchen Maßnahmen sie auf die Bürgerinitiative reagieren will.
Ihr fordert in der Initiative, dass Naturzerstörung im großen Stile als Verbrechen im strafrechtlichen Sinne anerkannt wird. Was ist der Unterschied zur jetzigen Regelung?
Jetzt greift lediglich das Zivilrecht. Wer die Umwelt massiv zerstört, muss maximal mit einem Bußgeld rechnen. Man kann dewegen bis heute aber nicht ins Gefängnis kommen. Das würde sich ändern.
Was bedeutet „massiv“?
Grob: Sobald die Ökosysteme eines bestimmten Gebietes erheblich beschädigt oder zerstört sind – und das auf großer Fläche und nachhaltig. Das deckt eine Vielzahl von möglichen Fällen ab, von der Abholzung der Regenwälder über die Verschmutzung der Meere und die Gewinnung von Rohöl aus Teersand bis zum Verlust des Artenreichtums. In Deutschland meint es zum Beispiel den Braunkohleabbau, für den Wälder gerodet werden. Das zerstört den Lebensraum für unzählige Organismen. Auch die Gefahr von Atomkraftwerken fällt für uns unter die Definition. Wir geben aber bewusst keinen Katalog.
Wieso?
Weil Gerichte das im Einzelfall entscheiden müssen. Nimm das Beispiel Körperverletzung: Da gibt es auch keinen Katalog, der besagt: Zwei Schläge ins Gesicht sind einfache Körperverletzung, drei schwere. Das sind immer Abwägungen.
Bei Körperverletzung wird derjenige verurteilt, der zuschlägt. Ihr wollt die Ausführenden – also einfache Arbeiter und auch die Konsumenten – aber bewusst ausnehmen und die Regelung auf Entscheider eingrenzen. Wie geht das?
Über das Prinzip der Vorgesetztenverantwortlichkeit, das im Völkerstrafrecht „superior responsibility“ heißt. Das besagt, dass die Führungspersonen von Firmen belangt werden können, wenn ihre Organisation einen Ökozid verursacht oder finanziert haben, da sie es sind, die über die Aktivitäten zu entscheiden haben. Konsumenten können demnach nicht für Ökozid verantwortlich gemacht werden. Ein wesentliches Ziel unseres Vorschlages ist es, es für die Konsumenten einfacher zu machen, die richtigen Produkte zu kaufen, da bestehende Produktionsmethoden verändert werden sollen, um den Umweltschutz zu berücksichtigen. Es ist dann Sache des Anklägers, zu entscheiden, wer im Einzelfall angeklagt werden muss. Sowohl Einzelpersonen als auch Firmen können für Ökozid haftbar gemacht werden. Staaten, also Regierungschefs übrigens auch.
Wann ist denn ein Staat für Ökozid verantwortlich?
Möglicherweise, wenn er eine Mine genehmigt hat. Das fällt auch unter die Einzelfallabwägung. Wichtig ist aber, dass das nicht rückwirkend greifen würde. Für heutige Entscheidungen kann niemand belangt werden.
Das klingt in jedem Fall alles so, als ob etwa die Autoindustrie in ihrer jetzigen Form nicht mehr möglich wäre. Energiegewinnung auch nicht.
Das wäre wohl so, ja.
Kritiker werden euch vorhalten, dass eure Forderungen ökonomischer Wahnsinn sind.
Viele Studien sagen, dass es auch ökonomisch sehr viel mehr kostet, die Natur weiter zu zerstören. Außerdem wird die Naturzerstörung zum Beispiel im Falle der fossilen Energien ja sogar noch staatlich subventioniert.. Wir erwarten umgekehrt sogar eher einen positiven Effekt auf Innovationen und Beschäftigung.
Angenommen, ihr bekommt die benötigten Unterschriften zusammen: Über welchen Zeitraum reden wir, bis die Forderungen umgesetzt wären?
Uns ist natürlich klar, dass man einen so umfassenden Wandel, wie wir ihn fordern, nicht von einem Tag auf den anderen schaffen kann. Deshalb schlagen wir eine Übergangszeit von fünf Jahren vor.
Das klingt, mit Verlaub, sehr ambitioniert?
Natürlich wird das tatsächlich länger dauern. Aber es ist ja immer gut, erstmal mit einer starken Forderung anzufangen. Wir denken, dass sowohl Wirtschaft als auch Bevölkerung diesen Übergang mitmachen werden, da sie ja das Ziel sehen und es bereits jetzt viele Unternehmen gibt, die in umweltfreundlichere Techniken investieren. Diese leiden momentan aber oft unter einem Wettbewerbsnachteil, da sie ihre Produkte nicht so kostengünstig abgeben können wie weniger nachhaltige Unternehmen. Und genau da setzen wir mit finanziellen Anreizen an. Jetzt wird der Grundstein gelegt, für Investitionen über die nächsten Jahrzehnte. Es ist wichtig, dass Regierungen klare Signale für Investitionen senden. Wenn Unternehmen davon ausgehen, dass das Ökozidgesetz kommen wird, können sie sich darauf vorbereiten und entsprechend die richtigen Entscheidungen treffen.
Wie viele Unterschriften habt ihr aktuell?
Etwas mehr als 80.000.
Wird das noch was?
Wir arbeiten mit ganzer Kraft darauf hin. Aber selbst, wenn wir die Million nicht erreichen sollten, ist es ein riesen Erfolg, ein weitgehend unbekanntes Thema in die Öffentlichkeit gebracht und dafür ein großes Netzwerk aus Freiwilligen und Unterstützerorganisationen aufgebaut zu haben. Außerdem würden wir gegebenenfalls die Initiative dann beim Europaparlament als Petition einreichen.