Wenn Klaus Kinkel in Rage gerät, dann kommt sein schwäbischer Dialekt durch. Sch-Laute und Oi-Silben reihen sich aneinander, klar wird, dass der frühere Außenminister in Hechingen am Rand der Schwäbischen Alb aufgewachsen ist. Unterhält man sich mit dem 76-Jährigen in diesen Tagen und spricht den Koalitionsvertrag von Union und SPD an, dann bricht sich diese Verärgerung Bahn, mit schwäbischen Lauten garniert. "Es ist eine einzige Enttäuschung", sagt Kinkel da. "Alles, was so lange verhandelt wurde und unbestritten gerade von einer großen Koalition anzupacken wäre, wurde einfach gestrichen. Fehlanzeige von A bis Z."
Damit meint er unter anderem, dass das "Kooperationsverbot" im Vertrag ignoriert wurde. Der Passus im Grundgesetz verbietet es dem Bund, direkt die Schulen und Hochschulen der Länder zu fördern. "Keiner will an der Kulturhoheit der Länder rütteln. Aber der Bund muss helfen können, wenn es die Länder allein nicht schaffen", sagt Kinkel. Eine große Koalition habe die Chance, das Grundgesetz zu ändern. "Und diese Chance wird verspielt. Stattdessen gibt es einen Koalitionsvertrag voller Sonntagsreden und Gesäusel", empört er sich.
Dabei müsste Kinkel eigentlich momentan Grund zur Freude haben. Die Telekom-Stiftung, deren Vorsitzender er ist, wird zehn Jahre alt. Und die Abteilung Engagement des Bonner Konzerns kann mit Fug und Recht behaupten, formidable Projekte initiiert und - was bei Bildung nicht das Unwichtigste ist - finanziert zu haben. Nachdem Kinkel Ende der Neunzigerjahre aus der Politik ausgeschieden war, wurde ihm das Angebot gemacht, für den Konzern als Anwalt zu arbeiten, in seinem ursprünglichen Job. Schon bald kam aber die Idee einer Stiftung auf, in der ein Unternehmen dieser Größe seine gesellschaftlichen Aufgaben bündeln könnte. Mit dem Sozialdemokraten Peter Glotz forcierte der FDP-Politiker dann die Gründung. Im Dezember 2003 war es so weit, mit einem Grundstock von 150 Millionen Euro zählt sie nun zu den größten Firmenstiftungen im Land.
Bildung sollte der Schwerpunkt sein, das wurde schon bei den Gründungsplanungen schnell klar, genauer gesagt: "MINT-Bildung", Mathe, Informatik, Naturwissenschaft, Technik. "Es heißt gerne, wir sind das Land der Dichter und Denker, diesen Anspruch sollten wir auch verfolgen. Aber draußen in der Welt sind wir das Land der Ingenieure", sagt Kinkel, als Außenminister habe er eben das erfahren. Und er sagt: "Obwohl ich mit wachen Augen durch die Welt gegangen bin, war mir in der aktiven Zeit nie klar, wie groß die Schwachstellen im Schulsystem tatsächlich sind." Was ihm als Mitarbeiter und Chef in den Ministerien des Inneren, des Äußeren und der Justiz verborgen blieb, holte er nach. So wurde im Laufe der Jahre aus dem Anwalt ein Bildungsanwalt.
Da war er noch Politiker: Klaus Kinkel 1998 mit einem Nachfolger im Auswärtigen Amt, Joschka Fischer
Und in diesem Sinne setzt er sich - mit den Millionen des Konzerns und wissenschaftlicher Expertise im Rücken - dafür ein, dass Mathe und Technik ihr dröges Image, ihren angstverbreitenden Nimbus verlieren. In einer "Junior-Ingenieur-Akademie" erleben Jugendliche an Dutzenden Schulen Praxisunterricht, Tausende Klassen wurden zudem mit physikalischen Experimentier-Kisten versorgt, Kita-Kinder sollen durch Lernmaterialien ihren ?Forschergeist? entdecken; es gibt Wettbewerbe, Projekte, Stipendien. In Münster wurde eine Stiftungsprofessur für naturwissenschaftliche Früherziehung lanciert, ein universitäres Zentrum bildet Mathelehrer fort, damit sie ihr Fach zeitgemäßer präsentieren. "Wir geben nicht nur Geld, sondern arbeiten operativ, gehen also auch inhaltlich in die Projekte", sagt Kinkel. So könne man "Prototypen für innovative MINT-Bildung" schaffen und "unter anderem der Politik zeigen, was möglich ist".
Aber wären derlei Initiativen, die Schulen besser machen können, nicht die klare Aufgabe des Staates? "Ja, die Politik darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen", sagt Kinkel und setzt erneut zum Furor ob des Koalitionsvertrags an. "Aber Stiftungen sind auch nicht sterile Einrichtungen, die vor sich hinarbeiten. Man muss immer sehen: Wo kann man an den erkennbaren Schwachstellen sinnvoll andocken, wo etwas in Bewegung setzen?"
Als Politiker, vor allem im Justizressort, habe er überwiegend "nacheilend Gesetze gemacht"; es gab ein Problem, das man per Gesetz in den Griff bekommen wollte. Bildungspolitik aber biete die Chance zum direkten Gestalten. Im Nachhinein denke er manchmal, dass auch ein Posten in der Bildungspolitik früher was für ihn gewesen wäre, so Kinkel. Seit zehn Jahren jedenfalls betreibt er eine Art von Bildungspolitik durchaus - und zwar, ohne an einem Kabinettstisch zu sitzen.
Damit meint er unter anderem, dass das "Kooperationsverbot" im Vertrag ignoriert wurde. Der Passus im Grundgesetz verbietet es dem Bund, direkt die Schulen und Hochschulen der Länder zu fördern. "Keiner will an der Kulturhoheit der Länder rütteln. Aber der Bund muss helfen können, wenn es die Länder allein nicht schaffen", sagt Kinkel. Eine große Koalition habe die Chance, das Grundgesetz zu ändern. "Und diese Chance wird verspielt. Stattdessen gibt es einen Koalitionsvertrag voller Sonntagsreden und Gesäusel", empört er sich.
Dabei müsste Kinkel eigentlich momentan Grund zur Freude haben. Die Telekom-Stiftung, deren Vorsitzender er ist, wird zehn Jahre alt. Und die Abteilung Engagement des Bonner Konzerns kann mit Fug und Recht behaupten, formidable Projekte initiiert und - was bei Bildung nicht das Unwichtigste ist - finanziert zu haben. Nachdem Kinkel Ende der Neunzigerjahre aus der Politik ausgeschieden war, wurde ihm das Angebot gemacht, für den Konzern als Anwalt zu arbeiten, in seinem ursprünglichen Job. Schon bald kam aber die Idee einer Stiftung auf, in der ein Unternehmen dieser Größe seine gesellschaftlichen Aufgaben bündeln könnte. Mit dem Sozialdemokraten Peter Glotz forcierte der FDP-Politiker dann die Gründung. Im Dezember 2003 war es so weit, mit einem Grundstock von 150 Millionen Euro zählt sie nun zu den größten Firmenstiftungen im Land.
Bildung sollte der Schwerpunkt sein, das wurde schon bei den Gründungsplanungen schnell klar, genauer gesagt: "MINT-Bildung", Mathe, Informatik, Naturwissenschaft, Technik. "Es heißt gerne, wir sind das Land der Dichter und Denker, diesen Anspruch sollten wir auch verfolgen. Aber draußen in der Welt sind wir das Land der Ingenieure", sagt Kinkel, als Außenminister habe er eben das erfahren. Und er sagt: "Obwohl ich mit wachen Augen durch die Welt gegangen bin, war mir in der aktiven Zeit nie klar, wie groß die Schwachstellen im Schulsystem tatsächlich sind." Was ihm als Mitarbeiter und Chef in den Ministerien des Inneren, des Äußeren und der Justiz verborgen blieb, holte er nach. So wurde im Laufe der Jahre aus dem Anwalt ein Bildungsanwalt.
Da war er noch Politiker: Klaus Kinkel 1998 mit einem Nachfolger im Auswärtigen Amt, Joschka Fischer
Und in diesem Sinne setzt er sich - mit den Millionen des Konzerns und wissenschaftlicher Expertise im Rücken - dafür ein, dass Mathe und Technik ihr dröges Image, ihren angstverbreitenden Nimbus verlieren. In einer "Junior-Ingenieur-Akademie" erleben Jugendliche an Dutzenden Schulen Praxisunterricht, Tausende Klassen wurden zudem mit physikalischen Experimentier-Kisten versorgt, Kita-Kinder sollen durch Lernmaterialien ihren ?Forschergeist? entdecken; es gibt Wettbewerbe, Projekte, Stipendien. In Münster wurde eine Stiftungsprofessur für naturwissenschaftliche Früherziehung lanciert, ein universitäres Zentrum bildet Mathelehrer fort, damit sie ihr Fach zeitgemäßer präsentieren. "Wir geben nicht nur Geld, sondern arbeiten operativ, gehen also auch inhaltlich in die Projekte", sagt Kinkel. So könne man "Prototypen für innovative MINT-Bildung" schaffen und "unter anderem der Politik zeigen, was möglich ist".
Aber wären derlei Initiativen, die Schulen besser machen können, nicht die klare Aufgabe des Staates? "Ja, die Politik darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen", sagt Kinkel und setzt erneut zum Furor ob des Koalitionsvertrags an. "Aber Stiftungen sind auch nicht sterile Einrichtungen, die vor sich hinarbeiten. Man muss immer sehen: Wo kann man an den erkennbaren Schwachstellen sinnvoll andocken, wo etwas in Bewegung setzen?"
Als Politiker, vor allem im Justizressort, habe er überwiegend "nacheilend Gesetze gemacht"; es gab ein Problem, das man per Gesetz in den Griff bekommen wollte. Bildungspolitik aber biete die Chance zum direkten Gestalten. Im Nachhinein denke er manchmal, dass auch ein Posten in der Bildungspolitik früher was für ihn gewesen wäre, so Kinkel. Seit zehn Jahren jedenfalls betreibt er eine Art von Bildungspolitik durchaus - und zwar, ohne an einem Kabinettstisch zu sitzen.