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Titelthesen

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Der Schachtel-Titel



So ist er konstruiert:
Lang. Ziemlich lang. Es kann sich zum Beispiel ein schwungvoller Relativsatz darin befinden, wahrscheinlich sind auch Orts- und/oder Personennamen (Vor- und Zuname) oder Genitive.
 
So könnte er lauten:
„Die wundersame Geschichte der Faye Archer“ / „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ / „Die Abenteuer des Joel Spazierer“ / „Die Ordnung der Sterne über Como“ / „Vorläufige Chronik des Himmels über Pildau“
   
So sieht das Cover aus:
Schön. Meist ist es kein Fotocover, sondern eines mit Illustration, farblich gut abgestimmt, wenig knallig, dafür ein bisschen verspielt und verträumt. Oder es ist rein typografisch, aber auch eher so, als habe jemand den Schriftzug mit viel Liebe und vor allem mit der Hand hingepinselt.
 
Das erwartet dich:
Da dieser Titel einem aktuellen Titeltrend folgt, handelt es sich wahrscheinlich um einen zeitgenössischen Roman. Innen drin ist er vermutlich ähnlich verspielt wie sein Coverdesign und ziemlich erzählfreudig. Die Protagonisten sind entweder liebenswerte, etwas verschrobene Typen oder gerissene Schelme und Lügner, die du dabei begleitest, wie sie das Leben in dieser komischen Welt meistern, und die du irgendwie immer gern hast, egal was sie tun.
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du gerne das Draußen-stürmt’s-und-ich-sitz-am-Kamin-Gefühl magst oder dich unwohl fühlst, wenn du im Buchladen zu nah an den Regalen mit den Genre-Romanen vorbeigehst.
 
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Der Zahlen-Titel



So ist er konstruiert:
Aus Ziffern. Manchmal auch in Verbindung mit Buchstaben oder einem Wort.

So könnte er lauten:
„1913“ / „1984“ / „1Q84“ / „2666“ / „Catch 22“ / „Fahrenheit 451“ / „1979“
 
So sieht das Cover aus:
Recht abstrakt. Oder so, dass die Zahl sehr gut in Szene gesetzt und damit gleichzeitig Covermotiv ist.
 
Das erwartet dich:
Entweder handelt es sich um eine Art Chronik (dann sieht das Cover aber anders aus, sachlich und mit Fotos drauf). Oder es ist ein Roman, der sich künstlerisch mit dem titelgebenden Jahr auseinandersetzt. Oder du hast einen dystopischen Roman geschenkt bekommen, vielleicht sogar einen mit Science-Fiction-Elementen, auf jeden Fall ist alles ein bisschen kryptisch und verstörend.
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du Chroniken magst (falls es eine ist). Ansonsten: Wenn du dich gerne davon beeindrucken lässt, wie finster die Fantasien eines Autors sein können, dich gerne ein bisschen fürchtest und es magst, wenn sich den Leben im Vergleich zu den Sachen, die du liest, eigentlich ganz in Ordnung anfühlt.

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Der Wenige-Worte-Titel



So ist er konstruiert:
Schlicht, aber dafür mit Wumms. Denn er will eine Faust aufs Auge, ein Tritt in den Magen, ein Schuss ins Herz sein. Er besteht aus einem Wort oder aus einem Wort mit Artikel oder – Sonderform – aus einem Wort mit Artikel und Adjektiv.
 
So könnte er lauten:
„Vogelweide“ / „Sand“ / „Das Ungeheuer“ / „Inferno“ / „Der Alchimist“ / „Das größere Wunder“
 
So sieht das Cover aus:
Schwer zu sagen – er könnte auf beinahe jedem nur denkbaren Cover stehen. Warum, erfährst du eins weiter unten.
 
Das erwartet dich:
Der Wenige-Worte-Titel ist ein Klassiker und wird quer durch die Literaturlandschaft und -geschichte gebraucht. Wenn du ein Buch mit einem Wenige-Worte-Titel auspackst, musst du darum auf alles gefasst sein: Hier kann dich ein Klassiker („Die Verwandlung“), ein zeitgenössischer Publikums- und Kritikerliebling („Tschick“), ein Thriller („Inferno“), ein Historischer Roman („Die Päpstin“) oder – im schlimmsten Fall – Günter Grass („Der Butt“) erwarten.
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du dem Schenkenden und seinem Geschmack vertraust.
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Der Lavendel-Titel



So ist er konstruiert:
Hier kommt es weniger auf die grammatikalische Struktur oder die Länge an als vielmehr auf die Wortwahl. In diesem Titel kommen Begriffe wie „Liebe“, „Herz“, „Du“, „dich“, „wir“, „Gefühl“, „Seele“, „Träume“, „Glück“, „Wunder“ vor (oder ähnliche aus der Begriffsfamilie „Kitsch”). Oder Schönes aus der Natur (zum Beispiel „Lavendel”) in einer unmissverständlich anrührend gemeinten Kombination.
 
So könnte er lauten:
„Deine Seele in mir“ / „P.S. Ich liebe dich“ / „Ich hab dich im Gefühl“ / „SMS für dich“ / „Das Lavendelzimmer“ / „Weil du bei mir bist“ / „Herz an Herz“ / „Eine Spur von Lavendel“
 
So sieht das Cover aus:
Starke, leuchtende Farben (besonders beliebt: Himmelblau oder strahlendes Violett) und verspielte Buchstaben. Dazu kommen Motive, die Liebe, Leichtigkeit und eine Art „zarte Weiblichkeit“ symbolisieren sollen (Silhouette eines Frauenkörpers, Schmetterlinge, Luftballons, Pusteblumen, Wolken).
 
Das erwartet dich:
Knallharte Weichheit. Das Buch ist vermutlich ein Liebes- oder ein sogenannter „Frauenroman“ und erzählt dir eine Geschichte voller Liebe und voller Glück (wegen Liebe) und Schmerzen (wegen Liebe). Selbst, wenn du dir vorher vornimmst, es schlecht zu finden (und selbst, wenn es das tatsächlich ist), beherrscht es die Kunst des weichen Erzählens so unglaublich gut, dass du am Ende trotzdem heulst und unter Tränen „aber das ist doch totaler Blödsinn!“ rufst. Kurz gesagt erwartet dich: Eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen brennender Fremdscham und ebenso brennender Rührung.
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du die ironische Lektüre beherrschst oder mit nichts auf der Welt besser runterkommst, als mit ganz, ganz viel Romantik. Oder: wenn du gern an Lavendel schnupperst und deine Lieblingsblumen Rosen sind, „weil sie wunderschön sind, aber auch Dornen haben!“

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Der Witze-Titel



So ist er konstruiert:
Hin zur Pointe, die dem Menschen die Scheine in der Tasche lockert, weil er denkt: „Haha, da hab ich immerhin schon mal gelacht, und am Spaß sollte ich echt nicht sparen, hab ja schon genug Ärger im Büro!“ Die Pointe erreicht der Titel mit absurden Zusammenhängen, sogenannten „flotten Sprüchen“ oder – der Klassiker – mit einem Wortspiel.
 
So könnte er lauten:
„Wir braten sie gern“ / „Ich bin da, aber die Haustür nicht“ / „Mutter bei die Fische“ / „Brot kann schimmeln, was kannst du?“ / „Die inneren Werte von Tanjas BH“
 
So sieht das Cover aus:
Man sieht eine comicähnliche Illustration oder eine Collage, manchmal ist auch der Autor mit drauf. Die Buchstaben des Titels sind wahrscheinlich bunt oder schief. Oder beides.
 
Das erwartet dich:
Na klar, ein witziges Buch. Das kann ein witziger Roman sein oder eine witzige Zusammenstellung witziger Anekdoten „aus dem Leben eines [hier beliebige Berufsbezeichnung einsetzen]“, eine witzige Auflistung witziger Rechtschreib- und Grammatikfehler, witziger SMS oder witziger Todesanzeigen, eine witzige Sammlung witziger Kurzgeschichten oder, falls so was überhaupt noch verlegt wird, ein Witzebuch (in dem Witze stehen).
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du gerne lachst, aber auch relativ fremdschamresistent bist und es außerdem nicht arg schlimm findest, wenn man dich mit einem Eimer voller Pointen überschüttet, von denen nicht alle zünden.

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Der Ich-Titel



So ist er konstruiert:
Um das Wörtchen „ich“ herum. Meist ist es eingebettet in einen einfachen Satz, etwa „Ich bin...“ oder „Ich war...“, aber auch mal in ein Wortspiel oder eine zeitliche Wendung („Als ich...“), die andeutet, dass es hier um ein Leben geht, in dem eine Wendung stattgefunden hat. Untertitel sind in dieser Buchkategorie übrigens äußerst beliebt – und oft kommt darin entweder „ich“ oder „mein/e“ vor.
 
So könnte er lauten:
„So wie ich will – Mein Leben zwischen Moschee und Minirock“ / „Ich bin Zlatan Ibrahimovic – Meine Geschichte“ / „Fräulein Jacobs funktioniert nicht – Als ich aufhörte gut zu sein“ / „Moppel-Ich – Der Kampf mit den Pfunden“ / „Jeden Tag wurde ich dicker und müder – Mein Leben mit Hashimoto“
 
So sieht das Cover aus:
Ein Foto-Cover. Meistens ist die Person drauf, die das Buch geschrieben hat, und sieht irgendwie stark aus – ernst-stark, also vom Leben gezeichnet, aber nicht besiegt, oder fröhlich-stark, also selbstbewusst und mit sich im Reinen.
 
Das erwartet dich:
Ein Schicksal. Ein echter Mensch erzählt dir von seinen echten Problemen, seiner echten Krankheit, seinem echten, aber überhaupt nicht durchschnittlichen Leben. Das Buch will sehr dringend, dass du dich mit der Geschichte identifizierst, darum ist es immer ein bisschen kumpelhaft und soll den Eindruck erwecken, dass dir hier jemand etwas erzählt, der genau dich als perfekten, äußerst empathischen Zuhörer ausgewählt hat.
 
Du kannst dich darüber freuen, wenn . . .
du es mit Fiktion nicht so sehr hast und gerne „Das Leben schreibt immer noch die besten Geschichten“ sagst.


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