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Ultimatum für die "Rote Flora"

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Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist das Gebäude im Schanzenviertel in der Hand der "Rotfloristen". Eigentümer Kretschmer will das endgültig ändern.

Es ist das am längsten besetzte Haus Deutschlands. Das ehemalige Floratheater im Hamburger Schanzenviertel ist ein Symbol der Autonomen. Er wird vom Staatsschutz beobachtet und zugleich von Reiseführern als schriller Farbtupfer in der reichen Stadt vorgeführt. Nun will der Eigentümer, Klausmartin Kretschmer, die Behörden bitten, das Gebäude räumen zu lassen – sofern die Besetzer nicht freiwillig bis zum 20. Dezember abziehen.

Er werde "die zuständigen Hamburger Behörden und Gerichte bitten und auffordern, mein Eigentum zu gegebener Zeit räumen zu lassen", heißt es in einemIn einem Schreiben an die Besetzer kündigt Kretschmer außerdem an, künftig ein Nutzungsentgelt in Höhe von monatlich 25 000 Euro plus Mehrwertsteuer zu verlangen, wenn sie das Gebäude weiter nutzen. "Für den Monat Dezember verlange ich kulanterweise nur die Hälfte", schreibt er und erläutert: "Da Sie mit Ihren vielen Partys, Konzerten und sonstigen kommerziellen Veranstaltungen erheblich höhere monatliche Einnahmen haben werden, ist das von mir verlangte monatliche Nutzungsentgelt angemessen."

Eine weitere Duldung sei damit jedoch nicht verbunden, betont Kretschmer. Vielmehr "begehen Sie ab sofort mit jedem Betreten meines Eigentums eine strafbare Handlung" und nannte dabei etwa Haus- und Landfriedensbruch. Das gelte im übrigen auch für alle Besucher, welche die "Rotfloristen" ins Haus ließen.

Zuletzt hatte es erheblichen Wirbel um ein Konzert des Hip-Hop-Trios Fettes Brot in der "Roten Flora" gegeben. Kretschmer hatte der Band Hausverbot erteilt und Strafanzeige "wegen der drohenden Straftat eines Hausfriedensbruchs" gestellt. Erfolgreich war er damit jedoch nicht. Das Konzert fand wie geplant statt. Die Polizei schritt nicht ein, da es sich ihrer Meinung nach um eine zivilrechtliche Auseinandersetzung handele.

Linke, Künstler und Studenten hatten das frühere Floratheater 1989 besetzt, als ein Investor es zum Spielort für das Musical "Phantom der Oper" umbauen wollte. Stattdessen entstand das linksalternative Kulturzentrum "Rote Flora", das Kunstaktionen, Flohmärkte und Feste veranstaltet und im Stadtteil auch politisch arbeitet, etwa bei den Themen Migration oder Konsum.

Klausmartin Kretschmer hatte das Gebäude 2001, nach eigenen Angaben auf Drängen der damaligen rot-grünen Regierung, für umgerechnet knapp 190 000 Euro gekauft. Seit 2011 versuchte er, das etwa 1770 Quadratmeter große, inzwischen wohl millionenteure Grundstück samt "Roter Flora" wieder zu verkaufen – bislang vergeblich. Zuletzt kündigte Kretschmers Immobilienberater Gert Baer an, dass aus der Flora im Einvernehmen mit den Besetzern ein sechsstöckiges Kulturzentrum mit Konzerthalle werden soll. Nun kündigte Kretschmer an, aus der "Roten Flora" nach Erhalt der Baugenehmigung ein "Flora Stadtteilkultur- und Veranstaltungszentrum" errichten zu wollen.

Laut Kretschmers Immobilienberater Gert Baer beinhaltet der Plan einen Konzertraum für bis zu 2500 Besucher, ein Bürgerhaus, eine Kita, einen Jugendtreff und eine Tiefgarage. In diesem Ensemble könnten sich die bisherigen Nutzer dann jederzeit einmieten.

Die Besetzer bezeichneten diese Äußerungen als "totalen Realitätsverlust". Es sei absurd "zu glauben, das Projekt Rote Flora würde sich an Plänen beteiligen, die sich gegen all das richten, wofür wir seit Jahrzehnten politisch und praktisch kämpfen". Auch beim Bezirk Altona stoßen Kretschmers Pläne, aus der "Roten Flora" ein "Flora Stadtteilkultur- und Veranstaltungszentrum" zu machen, offenbar auf wenig Gegenliebe. Ein Sprecher sagte der Nachrichtenagentur dpa, er gehe nicht davon aus, dass der Eigentümer mit seinem Bauantrag Erfolg haben werde. Denn voraussichtlich werde noch im Januar der Bebauungsplan "Sternschanze 7" rechtskräftig, nach dem das Haus nicht mehr abgerissen oder umgebaut werden darf und dauerhaft Stadtteilkulturzentrum bleiben soll.

Im aktuellen Streit um eine Räumung sei der Bezirk nicht zuständig. Dies sei eine zivilrechtliche Auseinandersetzung, sagte der Sprecher. Kretschmer kündigte an, den Besetzern künftig monatlich 25 000 Euro plus Mehrwertsteuer in Rechnung stellen

Für den Mietrechtsexperten Marc Meyer vom Verein "Mieter helfen Mieter" ist keineswegs sicher, dass Kretschmer mit seinenist noch nicht ausgemacht, dass die Räumung tatsächlich kommt. Zum einen ist im Kaufvertrag von 2001 festgeschrieben, dass die Floristen das Gebäude nutzen dürfen und geduldet werden, sagt Meyer der Nachrichtenagentur dpa. Zum anderen müsste Kretschmer erst einen langwierigen Zivilprozess führen, dessen Erfolgsaussichten ebenfalls alles andere als sicher seien. "Geräumt kriegt er das Objekt nur, wenn er einen rechtskräftigen Räumungstitel in der Hand hat", sagt Meyer.

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