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Das Geheimnis des Döp

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Seit 20 Jahren ziehen Scooter Fans zu ihren Konzerten.

Der Abend beginnt mit einer großen Frage: Warum? Scooter spielen an diesem Abend in Hamburg ein Konzert im Club Uebel & Gefährlich, um Werbung für ihre Jubiläumstour zu machen. Seit 20 Jahren sind sie eine der erfolgreichsten deutschen Bands. Aber warum ist die stampfende Technomusik mit den darüber gerufenen Nonsens-Texten so erfolgreich?

Seit der wasserstoffblonde, aus Leer stammende Ostfriese Hans Peter Geerdes, der sich H.P. Baxxter nennt, 1994 zum ersten Mal "Hyper, hyper" brüllte, hat die Band 23 Top-Ten-Hits platziert - und trotzdem viel Spott einstecken müssen. In "Hyper, hyper" zählt Baxxter Namen von damals erfolgreichen Techno-DJs auf: Westbam, Marusha, Sven Väth, Mark Spoon, Hell. Es sollten Respektbekundungen an die Kollegen sein, Scooter wollten zur Szene gehören, doch die wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Zu prollig, zu kommerziell, zu stumpf. Ihre Geschichte beginnt also etwas traurig und erinnert an den Außenseiter auf den Schulhof, für den die Coolen-Clique nur einen abschätzigen Blick übrig hat. Doch während man sich an viele der damals Coolen heute kaum noch erinnert, kennt Scooter fast jeder, der seine Jugend in den 1990ern erlebt hat.

Baxxter hat mit bemerkenswerter Hartnäckigkeit seine Art der Musik durchgezogen. Die Meinung der coolen Techno-Szene sei ihm mittlerweile egal, sagte er einmal in einem Interview. Er ist 47, sieht noch fast genauso aus wie vor 20 Jahren, obwohl er eine Menge Wodka-Red Bull getrunken hat. Wenn man ihn trifft, erlebt man einen sympathischen Typen, der sich geduldig mit allen Fans fotografieren lässt. Er wohnt in einer Jugendstilvilla mit englischen Antiquitäten in der Nähe von Hamburg. Nach einer Botschaft muss man ihn nicht fragen. Sein Motto: Hauptsache laut.

Der Club, in dem die Band an diesem Abend spielt, ist klein, Scooter spielen sonst in Hallen und Stadien. Etwa 800 Leute sind da, Fans konnten Karten gewinnen, der Rest sind Medienleute. Man sieht ziemlich gut, wer zu welcher Gruppe gehört: Vorfreude, Bier und Gegröle bei den einen, leicht spöttische, sich distanzierende Blicke bei den anderen. Aber auch die Fans teilen sich in zwei Lager. Eines vertritt Rolf, 36, aus Pinneberg, breites Kreuz, rasierte Haare. Rolf nimmt das hier ernst, es ist sein achtes Scooter-Konzert. Er sagt, er mag diese Musik, aber nicht so sehr die "Kommerzsachen", die Lieder, die im Radio laufen.

Man wundert sich kurz, fragt dann ein Paar, warum sie Fans sind. Sofia, 40, strahlt Torsten, 34, an und erzählt, dass die Musik für ihre Ehe sehr wichtig sei, nach ihrer Trauung seien sie ausmarschiert zum Song "Always Hardcore". Der Text: "I am the horseman, I"m mentally mad. I am a super sharp shooter sittin" on a roof top". Zum zweiten Lager der Fans gehören Marta und Anna, Mitte dreißig, sie kennen die Musik aus den Dorfdiskos ihrer Jugend. "Das ist so scheiße, dass es schon wieder gut ist", sagt Anna. Also ironische Fans? "Ironie mit viel Liebe! Man muss sich drauf einlassen, dann macht es Spaß. Und Alkohol trinken!"

Wumms. Das Konzert beginnt mit einem Donnerschlag, Blitze zucken, dann spielen Scooter in anderthalb Stunden alle ihre Top-Ten-Singles in chronologischer Reihenfolge. Während der Bass einem das Gehirn leer bläst, schnappt man Textfetzen auf: "Move your ass. We need the hardcore. Döp döp döp döp. How much is the fish? Jigga, jigga. Geili, geili, ihr Schweine. Ihr seid ja alle wahnsinnig." Die Musikpresse ist sich seit zwanzig Jahren nicht einig, ob die Texte nun Dada oder nur gaga sind.

H.P. Baxxter brüllt mit sehr deutschem Akzent in sein Mikro, dabei hüpft er ununterbrochen auf und ab und streckt die Arme in die Luft, während hinter ihm Animationen laufen, die aussehen wie ein Windows-Bildschirmschoner auf Ecstasy. Scooter sampeln und covern sich wild durch alle Zeiten und Genres, Billy Idol, Bob Marley, Peter Maffay, Nirvana, Supertramp, Vicky Leandros.

Im Publikum stehen zwei Männer in selbstbedruckten T-Shirts, auf denen "Steinhorst grüßt Scooter" steht. Sie sind Mitte 40, heißen Torsten und Thomas, und ein letztes Mal stellt man an diesem Abend die Frage nach dem Warum. Also: Warum mögt ihr Scooter? "Weil es Partymusik ist." Aber ist es nicht auch ziemlich stumpf? Torsten sagt: "Man muss ja auch nicht immer alles hinterfragen."

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