Angestrichen:
„The period was always the humblest of punctuation marks. Recently, however, it’s started getting angry. I’ve noticed it in my text messages and online chats, where people use the period not simply to conclude a sentence, but to announce ‚’I am not happy about the sentence I just concluded.’“
Wo steht das?
In der Online Ausgabe des US-Politikmagazins „The New Republic“.
Und worum geht’s?
Um den Bedeutungswandel von Satzzeichen. Genauer gesagt: um den Punkt. Bisher war er ohne Zweifel ein neutraler Weg einen Satz zu beenden. Doch jetzt wird er eher als Ausdruck von Ablehnung und Wut interpretiert. Der Autor Ben Crair drückt in dem Text seine Verwunderung darüber aus, dass der einfache Punkt am Ende eines Satzes in Kommunikationsmitteln wie der SMS oder dem Online-Chat diese neue Bedeutung bekommt.
Stimmt das so?
Ein Punkt als Ausdruck von Ärger? Das ist mir neu. Es verlangt schon ein hohes Maß an Interpretation, um so ein passives Zeichen als Ablehnung zu verstehen. Dachte ich. Crair wirkt diesbezüglich auch eher ratlos und zieht deshalb für seinen Artikel Mark Liberman, Professor für Linguistik der Universität Pennsylvania, zu Rate, der selber schon auf das Problem mit den Punkten gestoßen ist. „Not long ago, my 17-year-old son noted that many of my texts to him seemed excessively assertive or even harsh, because I routinely used a period at the end”, erzählt Liberman. Ich kenne dieses Problem noch von meiner Mutter und ihren ersten SMS-Versuchen. Anstatt eines Leerzeichens setzte sie nach jedem Wort einen Punkt, weil sie die Leerzeichentaste nicht fand: Das.hörte.sich.dann.wirklich.etwas.abgehackt.und.harsch.an.mama. In diesem extremen Fall verändert der Punkt tatsächlich die Art und Weise, wie ich die Mitteilung lese. Aber kann das auch ein einziger Punkt am Ende eines Satzes bewirken?
Liberman bestätigt die Befürchtungen und erklärt, dass der Punkt in der digitalen Kommunikation größtenteils durch einen Zeilenumbruch ersetzt wurde. Nicht mehr Punkte schließen einen Satz ab, sondern einfach das Ende der Nachricht. In Zeiten von SMS-Flatrates und WhatsApp folgt der nächste Satz in einer Nachricht danach. Und wenn man ihn dann doch setzt, fragt sich der Empfänger natürlich, was der Schreibende einem mit dem Punkt sagen möchte. Punkt. Aus. Diskussion vorbei?
Da haben wir’s. Digitale Kommunikation verwandelt den Punkt in etwas Aggressives. Was ist mit dem harmlosen Punkt passiert? Wie soll man denn sonst seine Sätze beenden? Es ist ja überhaupt schon schwer genug, Kurznachrichten richtig zu deuten. Jetzt müssen wir nicht nur die geschriebenen Worte interpretieren, sondern auch noch die darin enthaltenen Satzzeichen auf eine Bedeutung untersuchen.
Was heißt das jetzt?
Für die meisten Arten von Kommunikation ist es nicht notwendig sich gegenüberzustehen und auch hören muss man sich nicht mehr zwangsläufig. Die Verabredung zum Essen in der Mittagspause kann man in 20 Zeichen knapp formulieren und die Zu- oder Absage braucht noch weniger Zeilen. Easy. Und doch steht man manchmal am verabredeten Ort und denkt, man wird versetzt. Dabei war alles nur ein großes Missverständnis. „Sorry dachte du meinst morgen“, „Hab dir doch gesagt ich hab nur mittwochs Zeit.“, „Bist du jetzt sauer“, „Nein. Wieso?“ Eine Betonung oder Bedeutung aus so wenigen Zeichen herauszulesen ist schwierig. Wie Liberman bestätigte, sind die Veränderungen digitaler Kommunikation auch in der Verwendung von Satzzeichen spürbar. Gerade weil den Kurzmitteilungen der Face-To-Face Kontakt fehlt, brauchen wir etwas, das erklärende Gestiken, Blicke und den Tonfall der Stimme ersetzt.
Da wären zum Beispiel die beliebten drei direkt aufeinanderfolgende Punkte. Die erfahren nämlich im Gegensatz zu dem einzelnen Punkt einen regelrechten Boom in der SMS-Sprache. Weil wir so viele Kurznachrichten verschicken und uns meisten vorher nicht so genau überlegen, was genau wir schreiben, entspringen die Nachrichten oft ungefiltert unseren Synapsen. Die drei Punkte können dann kurze Denkpausen füllen. Sie können aber noch eine Vielzahl anderer Bedeutungen haben. Am Ende eines Satzes vermitteln sie meist den Eindruck, dass man auf die Antwort des Empfängers wartet. Stehen sie alleine, ohne Verbindung zu einem Satz, wird es schwierig. Dann können sie nämlich so ziemlich alles und nichts bedeuten. Es gilt also immer darauf zu achten, wie viele Punkte am Ende eines Satzes stehen, um die Mitteilung richtig zu verstehen. Es gibt noch unzählige andere Methoden, seinen Empfängern die Interpretation leichter zu machen oder seinen Mitteilungen etwas Rhythmus und Tonfall zu verleihen. Ausrufezeichen können zum Beispiel hilfreich sein, um etwas besonders zu betonen. Es verwandelt beliebige Situationen, Neuigkeiten oder Geschichten in die absoluten Superlative. GROSSBUCHSTABEN gehen noch einen Schritt weiter und springen den Leser auf dem kleinen Displays des Handys förmlich an. Sie wirken fast schon wie ein Schrei.
Fest steht, es kommen schwere Zeiten auf den Punkt zu. Während eine SMS nie genug Smileys enthalten kann, um zu zeigen, dass man mit etwas einverstanden ist oder etwas gerade nicht wirklich ernst meint (ich glaube die meisten Missverständnisse entstehen aus missglückter Ironie), steht der Punkt für kühles Desinteresse und Ablehnung. Ein Punkt sagt dir ins Gesicht „Ich freue mich wirklich gar nicht über das was du mit gerade erzählst“ oder „Das ist mir alles so egal“. So wie Sprache sich unaufhörlich weiterentwickelt, so verändert sich also auch die Art und Weise, wie wir sie aufschreiben. Ich stelle aber mal die vorsichtige Vermutung auf, dass der Punkt zwar in einer Kurzmitteilung mit einer anderen Bedeutung verwendet wird, aber kein Zeilenumbruch ihn je in einem guten Buch ersetzen kann und er dort immer seine Neutralität behalten wird.
Auch wenn ich damit riskiere, missverstanden zu werden, werde ich mir die Punkte in den Kurzmitteilungen so schnell nicht abgewöhnen können. Vielleicht verändert sich die Bedeutung des Punktes ja schon bald wieder, und steht dann für klare Ansagen und Entschlossenheit. Und was passiert eigentlich, wenn ich sowohl Smileys als auch Punkte in einer SMS verwende?
„The period was always the humblest of punctuation marks. Recently, however, it’s started getting angry. I’ve noticed it in my text messages and online chats, where people use the period not simply to conclude a sentence, but to announce ‚’I am not happy about the sentence I just concluded.’“
Wo steht das?
In der Online Ausgabe des US-Politikmagazins „The New Republic“.
Und worum geht’s?
Um den Bedeutungswandel von Satzzeichen. Genauer gesagt: um den Punkt. Bisher war er ohne Zweifel ein neutraler Weg einen Satz zu beenden. Doch jetzt wird er eher als Ausdruck von Ablehnung und Wut interpretiert. Der Autor Ben Crair drückt in dem Text seine Verwunderung darüber aus, dass der einfache Punkt am Ende eines Satzes in Kommunikationsmitteln wie der SMS oder dem Online-Chat diese neue Bedeutung bekommt.
Stimmt das so?
Ein Punkt als Ausdruck von Ärger? Das ist mir neu. Es verlangt schon ein hohes Maß an Interpretation, um so ein passives Zeichen als Ablehnung zu verstehen. Dachte ich. Crair wirkt diesbezüglich auch eher ratlos und zieht deshalb für seinen Artikel Mark Liberman, Professor für Linguistik der Universität Pennsylvania, zu Rate, der selber schon auf das Problem mit den Punkten gestoßen ist. „Not long ago, my 17-year-old son noted that many of my texts to him seemed excessively assertive or even harsh, because I routinely used a period at the end”, erzählt Liberman. Ich kenne dieses Problem noch von meiner Mutter und ihren ersten SMS-Versuchen. Anstatt eines Leerzeichens setzte sie nach jedem Wort einen Punkt, weil sie die Leerzeichentaste nicht fand: Das.hörte.sich.dann.wirklich.etwas.abgehackt.und.harsch.an.mama. In diesem extremen Fall verändert der Punkt tatsächlich die Art und Weise, wie ich die Mitteilung lese. Aber kann das auch ein einziger Punkt am Ende eines Satzes bewirken?
Liberman bestätigt die Befürchtungen und erklärt, dass der Punkt in der digitalen Kommunikation größtenteils durch einen Zeilenumbruch ersetzt wurde. Nicht mehr Punkte schließen einen Satz ab, sondern einfach das Ende der Nachricht. In Zeiten von SMS-Flatrates und WhatsApp folgt der nächste Satz in einer Nachricht danach. Und wenn man ihn dann doch setzt, fragt sich der Empfänger natürlich, was der Schreibende einem mit dem Punkt sagen möchte. Punkt. Aus. Diskussion vorbei?
Da haben wir’s. Digitale Kommunikation verwandelt den Punkt in etwas Aggressives. Was ist mit dem harmlosen Punkt passiert? Wie soll man denn sonst seine Sätze beenden? Es ist ja überhaupt schon schwer genug, Kurznachrichten richtig zu deuten. Jetzt müssen wir nicht nur die geschriebenen Worte interpretieren, sondern auch noch die darin enthaltenen Satzzeichen auf eine Bedeutung untersuchen.
Was heißt das jetzt?
Für die meisten Arten von Kommunikation ist es nicht notwendig sich gegenüberzustehen und auch hören muss man sich nicht mehr zwangsläufig. Die Verabredung zum Essen in der Mittagspause kann man in 20 Zeichen knapp formulieren und die Zu- oder Absage braucht noch weniger Zeilen. Easy. Und doch steht man manchmal am verabredeten Ort und denkt, man wird versetzt. Dabei war alles nur ein großes Missverständnis. „Sorry dachte du meinst morgen“, „Hab dir doch gesagt ich hab nur mittwochs Zeit.“, „Bist du jetzt sauer“, „Nein. Wieso?“ Eine Betonung oder Bedeutung aus so wenigen Zeichen herauszulesen ist schwierig. Wie Liberman bestätigte, sind die Veränderungen digitaler Kommunikation auch in der Verwendung von Satzzeichen spürbar. Gerade weil den Kurzmitteilungen der Face-To-Face Kontakt fehlt, brauchen wir etwas, das erklärende Gestiken, Blicke und den Tonfall der Stimme ersetzt.
Da wären zum Beispiel die beliebten drei direkt aufeinanderfolgende Punkte. Die erfahren nämlich im Gegensatz zu dem einzelnen Punkt einen regelrechten Boom in der SMS-Sprache. Weil wir so viele Kurznachrichten verschicken und uns meisten vorher nicht so genau überlegen, was genau wir schreiben, entspringen die Nachrichten oft ungefiltert unseren Synapsen. Die drei Punkte können dann kurze Denkpausen füllen. Sie können aber noch eine Vielzahl anderer Bedeutungen haben. Am Ende eines Satzes vermitteln sie meist den Eindruck, dass man auf die Antwort des Empfängers wartet. Stehen sie alleine, ohne Verbindung zu einem Satz, wird es schwierig. Dann können sie nämlich so ziemlich alles und nichts bedeuten. Es gilt also immer darauf zu achten, wie viele Punkte am Ende eines Satzes stehen, um die Mitteilung richtig zu verstehen. Es gibt noch unzählige andere Methoden, seinen Empfängern die Interpretation leichter zu machen oder seinen Mitteilungen etwas Rhythmus und Tonfall zu verleihen. Ausrufezeichen können zum Beispiel hilfreich sein, um etwas besonders zu betonen. Es verwandelt beliebige Situationen, Neuigkeiten oder Geschichten in die absoluten Superlative. GROSSBUCHSTABEN gehen noch einen Schritt weiter und springen den Leser auf dem kleinen Displays des Handys förmlich an. Sie wirken fast schon wie ein Schrei.
Fest steht, es kommen schwere Zeiten auf den Punkt zu. Während eine SMS nie genug Smileys enthalten kann, um zu zeigen, dass man mit etwas einverstanden ist oder etwas gerade nicht wirklich ernst meint (ich glaube die meisten Missverständnisse entstehen aus missglückter Ironie), steht der Punkt für kühles Desinteresse und Ablehnung. Ein Punkt sagt dir ins Gesicht „Ich freue mich wirklich gar nicht über das was du mit gerade erzählst“ oder „Das ist mir alles so egal“. So wie Sprache sich unaufhörlich weiterentwickelt, so verändert sich also auch die Art und Weise, wie wir sie aufschreiben. Ich stelle aber mal die vorsichtige Vermutung auf, dass der Punkt zwar in einer Kurzmitteilung mit einer anderen Bedeutung verwendet wird, aber kein Zeilenumbruch ihn je in einem guten Buch ersetzen kann und er dort immer seine Neutralität behalten wird.
Auch wenn ich damit riskiere, missverstanden zu werden, werde ich mir die Punkte in den Kurzmitteilungen so schnell nicht abgewöhnen können. Vielleicht verändert sich die Bedeutung des Punktes ja schon bald wieder, und steht dann für klare Ansagen und Entschlossenheit. Und was passiert eigentlich, wenn ich sowohl Smileys als auch Punkte in einer SMS verwende?