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Schmierige Geschäfte

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BP streitet über das Ausmaß der Katastrophe im Golf von Mexiko. Anwälte verdienen an den Opfern

Es ist eine juristische Schlacht, die sich vermutlich noch über Jahre hinziehen wird. Mehr als drei Jahre nach der vom britischen Energiekonzern BP verursachten Ölpest im Golf von Mexiko geht es um milliardenschweren Schadensersatz, Strafzahlungen und Kompensationen. Ganze Heerscharen von Anwälten, die schon jetzt zu den großen finanziellen Nutznießern der Katastrophe gehören, sind damit beschäftigt, immer neue Finten zu ersinnen, um die gegnerische Seite bloßzustellen. Jüngster Schachzug BPs: Nach Darstellung des Konzerns sind aus dem Bohrloch Macondo etwa zwei Millionen Barrel (1 Barrel = 159 Liter) weniger ausgelaufen als von den US-Behörden behauptet. Die offiziellen Berechnungen hätten einen fehlerhaften Ansatz, heißt es.



Die brennende Ölplattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko (Archivbild)

Die amerikanische Regierung dagegen schätzt, dass knapp fünf Millionen Barrel ins Meer geflossen sind, wovon etwa 800000 Barrel eingesammelt werden konnten. Nun werden sich die Experten vor dem Distrikt-Gericht in New Orleans streiten, wie Kläger und Beklagte zu diesen sehr unterschiedlichen Ergebnissen gelangen konnten. Der erste Verhandlungstag ist für den 30. September angesetzt.

Bei dem Unglück im Golf von Mexiko im April 2010 war die von BP betriebene Ölplattform "Deepwater Horizon" explodiert. Elf Menschen starben. Millionen Barrel liefen ins Meer. Es war die schlimmste Ölpest in der Geschichte der USA. Insgesamt 87 Tage dauerte es, bis BP das defekte Bohrloch schließen konnte. Die Küsten von fünf US-Bundesstaaten wurden verseucht. Fischer und Restaurantbesitzer litten unter Einnahmeausfällen.

Erst kürzlich hat der britische Professor Martin Blunt vom renommierten Imperial College in London einen 209 Seiten starken Bericht vorgelegt, in dem die These BPs gestützt wird. Der Geologe hat berechnet, dass "nur" 3,26 Millionen Barrel ausgetreten sind. "Entweder man nimmt die Schätzung von fünf Millionen Barrel, aber ohne jede wissenschaftliche Fundierung, oder aber man legt die objektiven Daten zugrunde und kommt dadurch zu einer geringeren Menge", erklärte Blunt in der US-Zeitung Houston Chronicle.

Für den BP-Konzern, der bereits Milliardensummen für die Folgekosten der Umweltkatastrophe locker gemacht hat, geht es dabei um einiges: Wird dem Konzern ein Verstoß gegen den Clean Water Act, ein Gesetz aus dem Jahre 1972, nachgewiesen, muss er mit Strafzahlungen in Höhe von bis zu 17,6 Milliarden Dollar (etwa 13 Milliarden Euro) rechnen. Legt man die vom Unternehmen vorgelegte, geringere Austrittsmenge zugrunde, könnte BP dagegen mit maximal 10,6 Milliarden Dollar davonkommen.

Kein Zufall ist es, dass BP bei der Aufarbeitung der Ölkatastrophe einen vorsichtigen Strategiewechsel eingeleitet hat. So betont zwar Konzernchef Robert Dudley immer wieder, dass das Unternehmen Verantwortung für die Katastrophe übernehme. Zudem hatte BP in seiner Bilanz 38 Milliarden Dollar für die Kosten der Katastrophe zurückgestellt. 14 Milliarden Dollar mussten die Briten bereits an Reparatur- und Reinigungskosten zahlen, etwa für das Stopfen des Lecks. Das Unternehmen finanzierte die hohen Kosten vor allem durch den Verkauf von nicht-strategisch bedeutenden Beteiligungen.

Doch gleichzeitig gibt es aus Sicht von BPs Anwälten keinen Zweifel daran, dass Ölpestopfer - unterstützt von findigen Juristen - sich mit überzogenen Schadensersatzforderungen aus den "Fleischtöpfen" bedienen wollen. Der vom US-Gericht eingesetzte Verwalter Patrick Juneau habe Entschädigungszahlungen etwa an Unternehmungen genehmigt, die in Wirklichkeit gar keinen Schaden durch die Ölpest vor der Küste erlitten hätten, warf vor kurzem der für BP tätige Anwalt Theodore Olsen den US-Behörden vor.

BP hatte sich im vergangenen Jahr mit Vertretern Tausender Privatkläger auf die Zahlung einer milliardenschweren Entschädigungen geeinigt, die aus dem Fonds fließen sollen. Die vom Konzern zunächst veranschlagte Summe von 7,8 Milliarden Dollar könnte sich jedoch erheblich erhöhen, wenn die großzügigen Berechnungsmethoden der US-Behörden für Schadensersatzansprüche angewendet werden. Danach dürfen zum Beispiel Fischer und Restaurantbetriebe aufgeblähte Gewinnzahlen aus der Zeit vor der Katastrophe zugrunde legen, um nachzuweisen, dass sie besonders hohe Verluste durch die Ölpest erlitten haben.

Experten rechnen damit, dass die Verfahren wegen ihrer Komplexität noch Jahre dauern. Parallelen gibt es zum Tankerunglück 1989 der "Exxon Valdez" in Alaska. Gerichtsprozesse gegen den für die Ölpest verantwortlichen US-Konzern ExxonMobil zogen sich über 20 Jahre hin. Am Ende sahen die tatsächlichen Opfer relativ wenig von dem Geld. Die Profiteure waren vor allem Anwälte.

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