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Als wären sie im Chatroom

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Der ultimative Stubenhocker-Film, für eine Generation, die nicht mehr rausgeht zum Knutschen: "Chroniken der Unterwelt - City of Bones"



Clary Fray (Lily Collins) in einer Szene des Kinofilms "Chroniken der Unterwelt - City Of Bones"

In einem hippen New Yorker Underground-Club hat die junge Clary einen besonders niedlichen Burschen ausgespäht, mit wilden blonden Haaren unter der schwarzen Kapuze und geheimnisvollen Tätowierungen. Doch plötzlich reißt der hübsche Indie-Rocker ein riesiges Schwert aus seinem Mantel und rammt es einem anderen Besucher in den Bauch - woraufhin dieser verpufft. Definitiv verliebenswert für Clary, denn ein gewöhnliches Teenagerleben sollen andere führen.

Mürbe gemacht von fünf "Twilight"-Filmen könnte man meinen, dem Genre des Teen-Movies und seinen Blümchensexfantasien sei aktuell nichts mehr hinzuzufügen. Doch "Chroniken der Unterwelt - City of Bones", die Adaption des ersten Teils von Cassandra Clares "Unterwelt"-Romanen - es lauern sechs weitere - , hat das Zeug zum ultimativen Stubenhocker-Film, für eine Generation, die lieber daheim vor dem Computer hocken bleibt als draußen zu knutschen. Coming of Age ohne Körperflüssigkeiten.

Die Verschränkung so ziemlich aller Erfolgsrezepte zeitgenössischer archaischer Jugendkultur, von Harry Potter über "Die Tribute von Panem" bis zur "Twilight"-Reihe, liegt in diesem Fall in der Natur der Sache. Denn Autorin Clare hat, bevor sie selbst zur Bestsellerautorin und Kollegin von J.K. Rowling, Suzanne Collins und Stephenie Meyer wurde, im Internet Storys veröffentlicht, die in den Universen der von ihr verehrten Vorbilder spielen, was mit abertausenden Klicks belohnt wurde. Das nennt sich nicht mehr Plagiat, sondern "Fan Fiction". Danach begann Clare ihre eigenen Bücher zu schreiben, als Hochglanz-Mashup dieser Zauberwelten, mit einem gnadenlos jungfräulichen Ethos.

Zum Kern der "City of Bones"-Story gehört die unvermeidliche Dreiecksgeschichte: Die 15-jährige Clary (Lily Collins) kann sich nicht zwischen ihrem besten Freund, einem Brooklyn-Hipster, und dem Indie-Rocker aus dem Club, der als Schattenjäger die Menschen vor Dämonen beschützt, entscheiden. Neben der Verlagerung vom Hinterland in die Großstadt hat "City of Bones" der "Twilight"-Versuchsanordnung aber eine noch krudere Vorstellung von Erotik voraus. Denn während die "Twilight"-Lover zumindest zu Berührungen nördlich des Gürtels bereit waren, pickt sich Regisseur Harald Zwart, der zuletzt das "Karate Kid" reanimierte, die Stellen aus Clares dicker Buchvorlage heraus, die echtes Fummeln durch Cybersex ersetzen.

Große Verwirrung herrscht zwischen den jungen Liebenden (zu denen, das hat in der Fangemeinde zu besonderer Begeisterung geführt, auch ein schwuler Dämonenjäger gehört), weil sich alle nur noch mit Nicknames anreden als wären sie im Chatroom. Noch abstruser ist aber ein Portal, das aussieht wie ein umgekippter Whirlpool und Berührungen auf digitale Distanz ermöglicht. So streicht der Rocker seiner Clary mit viel Sicherheitsabstand sanft durchs Haar, indem er seinen tätowierten Arm in das wasserblaue Portal steckt.

Solche Geschichten sind natürlich ein bisschen die Rache dafür, dass das Kino in seinem ersten Jahrhundert gerade beim Coming of Age hauptsächlich Männerfantasien bedient hat - auch wenn es hin und wieder ein paar eindrucksvolle Mädchen-Märchen gegeben hat, Louis Malles "Black Moon" zum Beispiel oder zuletzt Park Chan-wooks "Stoker". So aber muss das männliche Heldenpersonal jetzt damit zurechtkommen, dass die Ansprüche der jungen Mädchen beständig wachsen und es nicht mehr ausreicht, ein tätowierter Rocker zu sein, nein, man muss schon auch Zugang zur Unterwelt haben und ein einfühlsamer Liebhaber sein.

Mit etwas mehr Selbstironie hätte "City of Bones" eine tolle Groteske über die Leiden des modernen Mannes zwischen seinen Wurzeln als Wildschweinjäger und dem neuen Profil als sensibler Rundumdienstleister sein können. Doch die archaischen Teen-Fantasien kennen kein Pardon. Wenn zum Schluss doch noch ein echter keuscher Kuss erfolgt, inszeniert Harald Zwart das vollkommen keimfrei: unter der Sprinkleranlage eines verwunschenen Gartens, neben einem Flügel, an dem der Rocker das Mädchen nach einem harten Vampirkillertag mit dem Spiel einer Bach-Sonate bezirzt hat.

The Mortal Instruments: City of Bones, USA/Deutschland 2013 - Regie: Harald Zwart. Buch: Jessica Postigo nach dem Roman von Cassandra Clare. Kamera: Geir Hartly Andreassen. Mit: Lily Collins, Jamie Campbell Bower, Robert Sheehan, Jonathan Rhys Meyers. Constantin, 130 Minuten.

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