Es gibt viele Menschen da draußen, die gern Kathryn Cicolettis Leben hätten. Ihr altes Leben. Sie studierte Wirtschaft an der University of California in Berkeley, zog nach New York, fing an der Wall Street an. „Ich war 24 und bin durch die City gerannt und habe ganz allein Hedgefonds-Manager interviewt, von denen man in der Zeitung liest“, sagt sie. „Es war ziemlich aufregend.“ Sie wurde die jüngste Senior-Analystin in ihrem Team bei der Bank Julius Bär und später beim Vermögensverwalter GAM. Sie flog zwischen Los Angeles und New York hin und her, bekam viel Lob und viel Geld. Mit Mitte 30 verdiente sie mehr als eine halbe Million Dollar.
Mit 37 war Kathryn Cicoletti die jüngste Senior-Analystin bei Julius Bär und ebei einem Vermögensverwalter, nun betreibt sie eine eigene Website mit Finanzthemen.
Aber sie wollte nicht mehr. Sie hatte genug von inhaltslosem Geschwätz über Finanzen und all der Wichtigtuerei, sie wollte etwas dagegen unternehmen. Zwei Jahre ist es nun her, dass sie in das Büro ihres Chefs in New York marschierte und ohne Zögern verkündete: „Ich gehe.“ Ihr Chef hat sie erst nicht ernst genommen. „Nimm ein Sabbatical, krieg den Kopf frei, komm dann wieder“, hat er gesagt. „Solche Jobs verlässt man eben nicht einfach so, das ist sehr ungewöhnlich“, sagt Cicoletti. Aber sie wusste, was sie wollte. „Es war ein großer Schritt. Aber definitiv der richtige Schritt für mich.“ Die 37-Jährige hat ihr eigenes Unternehmen gegründet, es heißt „Makin Sense Babe“ und ist eine Website, auf der Cicoletti Finanz- und Anlagethemen in eine Sprache übersetzt, die jeder versteht. Ihr Motto: „Die Finanz-Seite für Nicht-Finanzleute. Finanzleute nerven.“ Sie macht sich in Video-Sketchen über Jargon, die Liebe zu völlig unübersichtlichen Grafiken und halb-gare Marktprognosen lustig. Damit hat sie eine Marktlücke getroffen – ihre Zuschauerzahlen wachsen, Menschen bei Twitter und Facebook sind voller Lob. Das Magazin Forbes verglich sie bereits mit dem legendären Komiker Jon Stewart aus der „Daily Show“. „Ich will den Leuten etwas beibringen. Und zwar auf eine lustige und unterhaltsame Art und Weise über ein so langweiliges Thema wie Finanzen“, sagt Cicoletti. „Sogar ich finde es langweilig, wie über Finanzen geredet wird – und ich war 13 Jahre lang in der Branche.“ Neben den Videos verschickt sie einen Newsletter, Abopreis: zwölf Dollar. Der ist locker geschrieben, widmet sich aber ziemlich ernsthaft der Frage, wie man sein Portfolio am besten aufbaut, was sich hinter Aktienfonds oder Geldmarktfonds verbirgt, was Inflation wirklich bedeutet oder welche Konsequenzen man aus dem steigenden Dollarkurs ziehen sollte. „Ich habe über die Jahre hinweg gemerkt, dass es eine riesige Diskrepanz gibt zwischen den Dingen, die man wissen muss für seine Anlageentscheidungen und den Dingen, von denen man glaubt, dass man sie wissen muss“, sagt sie. „Die Leute machen so viele Fehler, dabei ist es eigentlich nicht so schwer, das eigene Portfolio zu verwalten. Viele Menschen wissen noch nicht einmal, in was sie alles investiert haben.“
Das liegt auch daran, dass Anlageberater, Finanzkommentatoren in Fernsehnachrichten und alle anderen Investmentprofis, mit denen normale Menschen zu tun haben, die Dinge extra kompliziert machen, sagt Cicoletti, die in Los Angeles wohnt. „Manche Finanzleute merken das gar nicht mehr, sie leben in ihrer eigenen Welt und wissen überhaupt nicht, wie andere Leute reden“, sagt sie. „Und wenn man ehrlich ist, wissen selbst in der Branche gut die Hälfte der Leute nicht, was sich hinter manchen dieser großen Worte verbirgt. Man wiederholt sie einfach und redet so nachdrücklich wie möglich und hofft, dass keiner nachfragt.“ Und meistens fragt keiner, sagt sie, denn zum Fragen gehört Mut – schließlich gibt man zu, dass man etwas nicht verstanden hat. „Manche Finanzleute wollen außerdem gezielt die Menschen mit ihrer Sprache verwirren, um wichtig zu klingen“, sagt sie. Schließlich würde keiner einen Anlageberater bezahlen, wenn er denkt, dass er die Arbeit selbst erledigen kann. „In der Branche sehen das viele so wie ich. Es ist die Wahrheit und sie wissen das. Und sie wissen, dass ich es weiß.“
Von ihren ehemaligen Kollegen sei niemand beleidigt, dass sie sich nun über sie lustig macht. „Ich attackiere ja nicht einzelne Leute, sondern mache Witze über die Industrie insgesamt“, sagt sie. „Viele meiner ehemaligen Kollegen haben das gleiche Problem mit der Finanzindustrie, bleiben aber drin wegen des Geldes. So wie ich auch den Großteil der Zeit.“ Die Kunden von „Makin Sense Babe“ sind Leute, die nicht in der Finanzbranche arbeiten, aber das Gefühl haben, jetzt endlich mal ihre Finanzen in den Griff bekommen zu müssen und verstehen wollen, was mit ihrem Geld geschieht. Viele seien Anwälte, Ärzte, Kleinunternehmer oder Ingenieure, sagt sie, die nicht genug Zeit haben, alle Finanznachrichten zu verfolgen und Analystenreports zu lesen. „Es gibt eine Menge Leute, die nichts über ihre Finanzen wissen und das auch nicht ändern wollen. Die sind natürlich nicht meine Zielgruppe.“
Sie musste viel lernen am Anfang. Per Internet hat sie sich beigebracht, wie man eine Website programmiert, Listen mit E-Mailadressen verwaltet und Videos schneidet. Sie hat Kurse über das Schreiben von Sketchen bei der Stand-Up-Truppe Upright Citizens Brigade belegt. Ihr Leben ist nicht weniger anstrengend geworden, sie reist zwar weniger, arbeitet aber mehr als vorher, „im Prinzip nonstop“, sagt sie. „So etwas kann man nur machen, wenn es einem wirklich Spaß macht. Aber wenn ich am Sonntag arbeite und den Rest meiner Woche plane, freue ich mich auf all die Dinge, die anstehen. Es fühlt sich anders an als vorher.“
Sie hat inzwischen eine Handvoll Freiberufler, die Teilzeit für sie arbeiten. Es läuft gut, sagt sie. Zahlende Abonnenten hat sie weniger als 1000, aber es geht aufwärts. „Das stabile Einkommen vermisse ich nicht, ich lebe jetzt in einer anderen Welt. Es ist interessant, wie schnell sich das Gehirn an neue Lebensumstände anpasst.“
Mit 37 war Kathryn Cicoletti die jüngste Senior-Analystin bei Julius Bär und ebei einem Vermögensverwalter, nun betreibt sie eine eigene Website mit Finanzthemen.
Aber sie wollte nicht mehr. Sie hatte genug von inhaltslosem Geschwätz über Finanzen und all der Wichtigtuerei, sie wollte etwas dagegen unternehmen. Zwei Jahre ist es nun her, dass sie in das Büro ihres Chefs in New York marschierte und ohne Zögern verkündete: „Ich gehe.“ Ihr Chef hat sie erst nicht ernst genommen. „Nimm ein Sabbatical, krieg den Kopf frei, komm dann wieder“, hat er gesagt. „Solche Jobs verlässt man eben nicht einfach so, das ist sehr ungewöhnlich“, sagt Cicoletti. Aber sie wusste, was sie wollte. „Es war ein großer Schritt. Aber definitiv der richtige Schritt für mich.“ Die 37-Jährige hat ihr eigenes Unternehmen gegründet, es heißt „Makin Sense Babe“ und ist eine Website, auf der Cicoletti Finanz- und Anlagethemen in eine Sprache übersetzt, die jeder versteht. Ihr Motto: „Die Finanz-Seite für Nicht-Finanzleute. Finanzleute nerven.“ Sie macht sich in Video-Sketchen über Jargon, die Liebe zu völlig unübersichtlichen Grafiken und halb-gare Marktprognosen lustig. Damit hat sie eine Marktlücke getroffen – ihre Zuschauerzahlen wachsen, Menschen bei Twitter und Facebook sind voller Lob. Das Magazin Forbes verglich sie bereits mit dem legendären Komiker Jon Stewart aus der „Daily Show“. „Ich will den Leuten etwas beibringen. Und zwar auf eine lustige und unterhaltsame Art und Weise über ein so langweiliges Thema wie Finanzen“, sagt Cicoletti. „Sogar ich finde es langweilig, wie über Finanzen geredet wird – und ich war 13 Jahre lang in der Branche.“ Neben den Videos verschickt sie einen Newsletter, Abopreis: zwölf Dollar. Der ist locker geschrieben, widmet sich aber ziemlich ernsthaft der Frage, wie man sein Portfolio am besten aufbaut, was sich hinter Aktienfonds oder Geldmarktfonds verbirgt, was Inflation wirklich bedeutet oder welche Konsequenzen man aus dem steigenden Dollarkurs ziehen sollte. „Ich habe über die Jahre hinweg gemerkt, dass es eine riesige Diskrepanz gibt zwischen den Dingen, die man wissen muss für seine Anlageentscheidungen und den Dingen, von denen man glaubt, dass man sie wissen muss“, sagt sie. „Die Leute machen so viele Fehler, dabei ist es eigentlich nicht so schwer, das eigene Portfolio zu verwalten. Viele Menschen wissen noch nicht einmal, in was sie alles investiert haben.“
Das liegt auch daran, dass Anlageberater, Finanzkommentatoren in Fernsehnachrichten und alle anderen Investmentprofis, mit denen normale Menschen zu tun haben, die Dinge extra kompliziert machen, sagt Cicoletti, die in Los Angeles wohnt. „Manche Finanzleute merken das gar nicht mehr, sie leben in ihrer eigenen Welt und wissen überhaupt nicht, wie andere Leute reden“, sagt sie. „Und wenn man ehrlich ist, wissen selbst in der Branche gut die Hälfte der Leute nicht, was sich hinter manchen dieser großen Worte verbirgt. Man wiederholt sie einfach und redet so nachdrücklich wie möglich und hofft, dass keiner nachfragt.“ Und meistens fragt keiner, sagt sie, denn zum Fragen gehört Mut – schließlich gibt man zu, dass man etwas nicht verstanden hat. „Manche Finanzleute wollen außerdem gezielt die Menschen mit ihrer Sprache verwirren, um wichtig zu klingen“, sagt sie. Schließlich würde keiner einen Anlageberater bezahlen, wenn er denkt, dass er die Arbeit selbst erledigen kann. „In der Branche sehen das viele so wie ich. Es ist die Wahrheit und sie wissen das. Und sie wissen, dass ich es weiß.“
Von ihren ehemaligen Kollegen sei niemand beleidigt, dass sie sich nun über sie lustig macht. „Ich attackiere ja nicht einzelne Leute, sondern mache Witze über die Industrie insgesamt“, sagt sie. „Viele meiner ehemaligen Kollegen haben das gleiche Problem mit der Finanzindustrie, bleiben aber drin wegen des Geldes. So wie ich auch den Großteil der Zeit.“ Die Kunden von „Makin Sense Babe“ sind Leute, die nicht in der Finanzbranche arbeiten, aber das Gefühl haben, jetzt endlich mal ihre Finanzen in den Griff bekommen zu müssen und verstehen wollen, was mit ihrem Geld geschieht. Viele seien Anwälte, Ärzte, Kleinunternehmer oder Ingenieure, sagt sie, die nicht genug Zeit haben, alle Finanznachrichten zu verfolgen und Analystenreports zu lesen. „Es gibt eine Menge Leute, die nichts über ihre Finanzen wissen und das auch nicht ändern wollen. Die sind natürlich nicht meine Zielgruppe.“
Sie musste viel lernen am Anfang. Per Internet hat sie sich beigebracht, wie man eine Website programmiert, Listen mit E-Mailadressen verwaltet und Videos schneidet. Sie hat Kurse über das Schreiben von Sketchen bei der Stand-Up-Truppe Upright Citizens Brigade belegt. Ihr Leben ist nicht weniger anstrengend geworden, sie reist zwar weniger, arbeitet aber mehr als vorher, „im Prinzip nonstop“, sagt sie. „So etwas kann man nur machen, wenn es einem wirklich Spaß macht. Aber wenn ich am Sonntag arbeite und den Rest meiner Woche plane, freue ich mich auf all die Dinge, die anstehen. Es fühlt sich anders an als vorher.“
Sie hat inzwischen eine Handvoll Freiberufler, die Teilzeit für sie arbeiten. Es läuft gut, sagt sie. Zahlende Abonnenten hat sie weniger als 1000, aber es geht aufwärts. „Das stabile Einkommen vermisse ich nicht, ich lebe jetzt in einer anderen Welt. Es ist interessant, wie schnell sich das Gehirn an neue Lebensumstände anpasst.“